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Tagungsband 2011 - Symposium Alpine Sicherheit

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<strong>Symposium</strong> <strong>Alpine</strong> <strong>Sicherheit</strong> <strong>2011</strong><br />

„Touren“ auf Skipisten /<br />

Risikomanagement und Recht auf Risiko<br />

Bad Reichenhall, Altes Königliches Kurhaus<br />

24. und 25. November <strong>2011</strong><br />

1


Impressum<br />

Zitiervorschlag:<br />

Autor, Titel, in: <strong>Tagungsband</strong> <strong>Symposium</strong> <strong>Alpine</strong> <strong>Sicherheit</strong>, Bad Reichenhall <strong>2011</strong>,<br />

Seitenanzahl.<br />

Beispiel: Burger, K.: Risiko, warum nicht? – Recht auf Risiko?, in: <strong>Tagungsband</strong><br />

<strong>Symposium</strong> <strong>Alpine</strong> <strong>Sicherheit</strong>, Bad Reichenhall <strong>2011</strong>, S. 57 – 80.<br />

Verantwortlich:<br />

Herausgeber: Gebirgsjägerbrigade 23 i. V. m.<br />

Verband Deutscher Heeresbergführer e. V.<br />

Beiträge in Veröffentlichungsreihenfolge:<br />

Helga Wagner<br />

Dr. Klaus Weber/Peter Janssen<br />

Josef Rottmoser/Toni Palzer/Philipp Reiter<br />

Dr. Klaus Burger<br />

Major Johannes Schwegler<br />

Peter Geyer<br />

Karl Schrag/Chris Semmel/Stefan Winter<br />

Pit Schubert<br />

Gestaltung:<br />

Dr. Dominik Hammer, Verband Deutscher Heeresbergführer e. V.<br />

Druck:<br />

Zentraldruckerei der Bundeswehr, Bonn<br />

Auflage:<br />

1.300<br />

Bilder und Abbildungen:<br />

Soweit nicht anders gekennzeichnet sind die jeweiligen Autoren verantwortlich für die<br />

von Ihnen verwendeten Bilder und Abbildungen.<br />

Urheberrechtlich geschützt:<br />

Der Nachdruck, auch eine auszugsweise Vervielfältigung, ist nur mit Erlaubnis des<br />

jeweiligen Autors gestattet. Artikel, die mit Namen versehen sind, müssen nicht mit<br />

der Meinung des Verantwortlichen oder der anderen Autoren übereinstimmen.<br />

Diesen <strong>Tagungsband</strong> gibt es auch online zum Download:<br />

www.alpinsymposium.de<br />

2


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort Brigadegeneral Johann Langenegger<br />

Kommandeur GebJgBrig 23 ................................................................................... 5<br />

Vorwort Major Johannes Schwegler<br />

1. Vorsitzender Verband Deutscher Heeresbergführer e. V. .................................. 7<br />

Tagungsprogramm ................................................................................................. 9<br />

Grußwort Schirmherrin Dr. Beate Merk, MdL<br />

Bayerische Staatsministerin der Justiz und für Verbraucherschutz ........................ 11<br />

Tourengeher auf Skipisten – Rechts- und Interessenlagen des Verbandes<br />

Deutscher Seilbahnen und Schlepplifte (VDS)<br />

Helga Wagner ......................................................................................................... 13<br />

Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

Dr. Klaus Weber/ Peter Janssen ............................................................................ 31<br />

Touren auf Skipisten aus Sicht der Leistungssportler<br />

Josef Rottmoser/ Toni Palzer/ Philipp Reiter .......................................................... 53<br />

Risiko, warum nicht? – Recht auf Risiko?<br />

Dr. Klaus Burger ..................................................................................................... 57<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

Johannes Schwegler .............................................................................................. 81<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

Peter Geyer ............................................................................................................ 111<br />

Risiko und Position des DAV , Kinder und Risiko<br />

Karl Schrag/ Chris Semmel/ Stefan Winter ............................................................. 133<br />

<strong>Sicherheit</strong> und Risiko in Kletterhallen und am Berg<br />

Pit Schubert ............................................................................................................ 141<br />

3


Brigadegeneral Johann Langenegger<br />

Vorwort<br />

Vorwort<br />

Kommandeur Gebirgsjägerbrigade 23<br />

<strong>Tagungsband</strong> <strong>Symposium</strong> <strong>Alpine</strong> <strong>Sicherheit</strong> <strong>2011</strong><br />

Begrüßungsrede Kommandeur GebJgBrig 23<br />

beim <strong>Symposium</strong> <strong>Alpine</strong> <strong>Sicherheit</strong> <strong>2011</strong><br />

Herzlich Willkommen zum „<strong>Symposium</strong> <strong>Alpine</strong> <strong>Sicherheit</strong> <strong>2011</strong>“<br />

im Alten Königlichen Kurhaus in Bad Reichenhall. Die Veranstaltung<br />

findet in diesem Jahr zum vierten Mal seit 2006 statt und hat<br />

sich als juristische und alpine Fachtagung etabliert und einen<br />

überregional hervorragenden Ruf erarbeitet. Sie ist sicher die<br />

hochwertigste Veranstaltung zum Thema alpine <strong>Sicherheit</strong> in<br />

Deutschland.<br />

Auch in diesem Jahr ist es gelungen, ausgewiesene Experten als Referenten zu gewinnen.<br />

Heuer werden die Themen „Touren auf Skipisten“ und „Risikomanagement<br />

und Recht auf Risiko“ diskutiert werden. Ergänzt wird das <strong>Symposium</strong> durch eine<br />

praktische Vorführung „Seilbahnrettung“ am GÖTSCHEN.<br />

„Skitourengehen auf Skipisten“ wird immer beliebter. Motive dafür sind:<br />

o Freude an sportlicher Betätigung und am Skifahren,<br />

o Lawinensicherheit in Skigebieten,<br />

o gute Schnee- und Pistenverhältnisse bei der Abfahrt,<br />

um nur einige wenige zu nennen.<br />

Doch mit diesem Trend sind zwangsläufig Risiken und Konflikte verbunden, die die<br />

verschiedenen Beteiligten aufeinander treffen lassen (auch körperlich).<br />

Mit den Referaten und der Diskussion zum Thema „Touren auf Skipisten“ soll Verständnis<br />

für die jeweiligen Positionen und Interessen der verschiedenen Gruppen<br />

5


Brigadegeneral Johann Langenegger<br />

Vorwort<br />

geweckt werden, um künftig einvernehmliche Lösungen in diesem sensiblen Bereich<br />

entwickeln zu können.<br />

Auch das Thema „Risikomanagement“ ist im alpinen Umfeld sehr aktuell. Wir alle<br />

wissen um die Risiken, die Freizeitaktivitäten und berufliche sowie ehrenamtliche<br />

Aufgaben im Gebirge mit sich bringen. Der Identifikation, Messung, Bewertung und<br />

Bewältigung von Risiken kommt große Bedeutung zu, um das Ziel, nämlich die Steuerung<br />

der Risikoabwehr bzw. die Früherkennung von Risiken, erfüllen zu können.<br />

In verschiedenen Vorträgen am heutigen Abend und im Laufe des morgigen Tages<br />

werden wir über den Umgang mit Risiken und die Auswirkungen von Risiken aus<br />

Sicht verschiedener Organisationen und Verbände informiert, um auch in diesem<br />

Bereich sensibilisiert zu werden.<br />

Im Laufe der Vorführung „Rettung aus einer Seilbahn am Götschen“ am heutigen<br />

Nachmittag wird uns das durch die Bergwacht Bayern erarbeitete Konzept zur Seilbahnevakuierung<br />

praxisnah vorgestellt werden. Zudem werden Bergwacht, Polizei<br />

und Bundeswehr einen Teil ihres breiten Fähigkeitsspektrums im Rahmen dieser<br />

gemeinsamen Vorführung präsentieren können.<br />

Mit diesen Themen wurde m. E. auch in <strong>2011</strong> wieder ein interessantes und breitgefächertes<br />

Programm zusammengestellt, das offenbar auch bei Ihnen Anklang findet,<br />

wie die große Zahl von Anmeldungen aus den Reihen der verschiedenen Dienststellen,<br />

Institutionen, Organisationen, Verbänden und Vereinen verdeutlicht.<br />

Allen Teilnehmern des <strong>Symposium</strong>s wünsche ich viele Anregungen und den notwendigen<br />

Informationsgewinn, um in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich noch effektiver<br />

agieren zu können.<br />

Bereits an dieser Stelle Dank an die Organisatoren und Referenten.<br />

Johann Langenegger<br />

Brigadegeneral und Kommandeur Gebirgsjägerbrigade 23<br />

6


Major Johannes Schwegler<br />

Vorwort<br />

Vorwort<br />

Vorstand Verband Deutscher Heeresbergführer e. V.<br />

<strong>Symposium</strong> <strong>Alpine</strong> <strong>Sicherheit</strong> <strong>2011</strong><br />

Ethik oder Etikette<br />

Freiheit und Verantwortung<br />

Wir lieben unsere Freiheit. Wir fühlen uns frei! Eher zornig würden<br />

wir reagieren, würde einer behaupten, wir seien es nicht. Wenn wir<br />

uns als Bergsteiger unseres Atems berauben, fühlen wir es. Wir<br />

sind frei! Als Bergführer oder Bergretter jedoch dämpft sich diese<br />

Freiheit ab.<br />

Die gesellschaftspolitische Behauptung von Gräfin Marion Dönhoff, dass Freiheit nur<br />

fortbestünde, wenn es auch eine Beschränkung von Freiheit gäbe (vgl. Gräfin Dönhoff,<br />

M. (1998) Die neue Mittwochsgesellschaft, S. 54, Stuttgart: DVA) hat durchaus<br />

seine Bewandtnis auch für den Bergführer. Was der Einzelne nur für sich selbst entscheidet,<br />

steht möglicherweise auf einem anderen Blatt. Als Bergführer aber, tragen<br />

wir Verantwortung vor und für andere. „Was würde der Staatsanwalt sagen, …?“ Eine<br />

berechtigte Frage, um groben Unfug zu vermeiden. Dennoch geht es aber viel<br />

mehr um die Frage des „Guten Lebens“ und des eigenen Gewissens, wenn wir entscheiden<br />

müssen. Am Ende sollten wir als Bergführer oder Retter die Frage verantwortlichen<br />

Handelns vor uns selbst mit gutem Gewissens beantworten können. Von<br />

äußeren Zwängen und übersteigerten Erwartungen müssen wir uns frei machen.<br />

„Was denkt der Andere über mich und von meiner Handlungsweise (der Geführte,<br />

der Gast, der Vorgesetzte, der Auftraggeber, andere Bergsteiger oder Gruppen,<br />

etc.)? Als Führer entscheiden wir vor Ort und meistens alleine! Steht auch in der<br />

Konsequenz von Unfällen selten einer hinter uns.<br />

Ein breiter Horizont ist Freiheit, auch beim Denken. Meinungen, Denkansätze und<br />

Herangehensweisen anderer zu kennen, führen nicht zwangsweise zu Einschränkungen,<br />

sondern fördern auch Entscheidungsvielfalt und Entscheidungsfreiheit. Ver-<br />

7


Major Johannes Schwegler<br />

Vorwort<br />

antwortung, Sorgfalt und <strong>Sicherheit</strong> sind Bestandteil von Freiheit. Ja, sie können zu<br />

einem Käfig nuancieren. Im Rahmen gehalten sind sie aber kein Käfig, sondern ein<br />

Geländer, das Halt bietet.<br />

Unendliche Freiheit werden wir nicht finden. Freiheit sozialen Seins ist schließlich<br />

nicht der nackte Egoismus.<br />

Major Johannes Schwegler<br />

1. Vorsitzender Verband Deutscher Heeresbergführer e. V.<br />

8


Tagungsprogramm <strong>Symposium</strong> <strong>Alpine</strong> <strong>Sicherheit</strong> <strong>2011</strong><br />

9


Tagungsprogramm <strong>Symposium</strong> <strong>Alpine</strong> <strong>Sicherheit</strong> <strong>2011</strong><br />

10


Dr. Beate Merk, MdL<br />

Grußwort<br />

Grußwort<br />

der Bayerischen Staatsministerin der<br />

Justiz und für Verbraucherschutz<br />

Dr. Beate Merk, MdL<br />

zum "<strong>Symposium</strong> <strong>Alpine</strong> <strong>Sicherheit</strong>"<br />

am 24./25. November <strong>2011</strong><br />

Sehr verehrte Damen und Herren,<br />

Weiterbildung, lebenslanges Lernen, Austausch von Informationen<br />

und Erfahrungen - das alles sind Schlagworte, die seit ein paar<br />

Jahren mehr und mehr unseren Alltag bestimmen. Jeder muss<br />

sich fortbilden, um im Ernstfall die richtigen Entscheidungen zu<br />

treffen. Und wenn beim Thema "<strong>Alpine</strong> <strong>Sicherheit</strong>" vom Ernstfall<br />

gesprochen wird, geht es leider sehr häufig um Leben und Tod.<br />

Deshalb freue ich mich sehr, dass Sie im Rahmen dieser interdisziplinären Veranstaltung<br />

das wichtige Thema der <strong>Alpine</strong>n <strong>Sicherheit</strong> von vielen Seiten beleuchten. Neben<br />

präventiven Aspekten, der Förderung verschiedenster Kooperationen und praktischen<br />

Hilfestellungen spielen im Rahmen Ihres zweitägigen Treffens zu Recht auch<br />

juristische Fragestellungen eine Rolle.<br />

Das Leitthema "Touren auf Skipisten/Risikomanagement und Recht auf Risiko" trifft<br />

einen Nerv unserer Zeit: Auf der einen Seite möchten wir möglichst viel erleben und<br />

so wenig wie möglich eingeschränkt werden. Auf der anderen Seite erwarten wir,<br />

dass es Gebote und Verbote gibt, die uns vor Gefahren schützen. Und wenn es dennoch<br />

gefährlich wird? Dann hoffen wir, dass Menschen und Institutionen da sind, die<br />

sich für uns einsetzen, die uns helfen und uns, wenn nötig, retten. Mit dem diesjährigen<br />

<strong>Symposium</strong> legen Sie den Finger in die Wunde.<br />

11


Dr. Beate Merk, MdL<br />

Grußwort<br />

Dass sich mit der Stadt Bad Reichenhall, der Gebirgsjägerbrigade 23, der Bergwacht<br />

Bad Reichenhall und dem Fortbildungsinstitut der Bayerischen Polizei in Ainring verschiedene<br />

Organisationen zu einer gemeinsamen Veranstaltung zusammenschließen<br />

und dass hieran auch das Amtsgericht Laufen mitwirkt, ist keine Selbstverständlichkeit,<br />

sondern eine großartige Leistung aller Beteiligten.<br />

Ich bin mir sicher, dass vom diesjährigen <strong>Symposium</strong> - ebenso wie von denen der<br />

letzten Jahre - viele Menschen profitieren werden.<br />

Ich wünsche der Veranstaltung einen erfolgreichen Verlauf mit vielen Highlights gesellschaftlicher<br />

und fachlicher Natur!<br />

Dr. Beate Merk, MdL<br />

Bayerische Staatsministerin der Justiz und für Verbraucherschutz<br />

12


Helga Wagner<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

-<br />

Rechts- und Interessenlagen des<br />

Verbandes Deutscher Seilbahnen und Schlepplifte (VDS)<br />

Helga Wagner 1<br />

Zur Förderung von Gesundheit und Fitness ist grundsätzlich jede<br />

Art von Bewegung und sportlicher Betätigung in der Natur zu begrüßen.<br />

Verständlich ist dabei, dass dies bevorzugt innerhalb eines<br />

gesicherten Geländes ausgeübt werden soll. Muss es deswegen<br />

aber Gegenverkehr auf Pisten geben? Viele Tourengeher sind<br />

nicht mehr im Sinne des klassischen Skibergsteigens auf ihren ursprünglichen Skitouren<br />

abseits der Skigebiete im freien Gelände unterwegs, sondern bevorzugen<br />

mittlerweile aus unterschiedlichsten Gründen präparierte Pisten für Aufstiegszwecke.<br />

Einerseits ist dies vielfach auf unzureichende alpine Erfahrung, Kondition und mangelndes<br />

skifahrerisches Können für den hochalpinen Bereich zurückzuführen. Andererseits<br />

sind die Gründe auch <strong>Sicherheit</strong>serwägungen wegen Lawinen- bzw. anderer<br />

alpiner Gefahren und in der durch technische Beschneiung guten Schneeunterlage<br />

zu finden.<br />

1<br />

Helga Wagner, Rechtsanwältin Regensburg, Justiziarin VDS – Verband Deutscher Seilbahnen, München.<br />

13


Helga Wagner<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

I. Gefährdung durch Tourengeher als „Geisterfahrer“?<br />

Dürfen Tourengeher aber deswegen als „Geisterfahrer“ auf Pisten abfahrende Skifahrer<br />

gefährden und durch das „gegen den Strom Gehen“ Kollisionen provozieren?<br />

Nach anfänglichem Dulden Einzelner ist Tourengehen über präparierte Pisten mittlerweile<br />

in einigen Skigebieten Teil des Sportgeschehens im organisierten Skiraum.<br />

Solche „Skirouten“ innerhalb von Skigebieten werden auch durch Alpenvereinskarten<br />

des DAV beworben.<br />

Bedingt durch den lawinengefährdeten Winter 2009/2010 und durch Marketingmaßnahmen<br />

der Industrie haben in den letzten Jahren Tourengeher als Trendsportler auf<br />

Pisten in einigen Skigebieten extrem zugenommen, sodass nicht nur am Rande,<br />

sondern nebeneinander und quer über die Piste aufgestiegen wird.<br />

Zwar gilt der Grundsatz der allgemeinen Rücksichtnahme – keinen anderen zu gefährden<br />

und zu schädigen – auch wenn die Piste möglicherweise widmungswidrig<br />

oder verbotswidrig genutzt wird. Obliegt die Verkehrssicherungspflicht unter Umständen<br />

für diesen Fall dennoch dem Pistenbetreiber?<br />

14


Helga Wagner<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

Darf der Pistenbetreiber im Rahmen seiner Verfügungsberechtigung sein „Hausrecht“<br />

ausüben und die Piste nur für abfahrende Pistenbenutzer öffnen? Oder kann sich der<br />

Tourengeher möglicherweise auf das freie Betretungsrecht in der Natur berufen?<br />

Zur Gefahrenvermeidung und aus <strong>Sicherheit</strong>sgründen wird derzeit in den einzelnen<br />

Skigebieten zwischen generellen Sperrungen der Pisten für Tourengeher, teilweiser<br />

Freigabe bestimmter Bereiche zu festgelegten Zeiten bis zur allgemeinen Duldung<br />

oder mit eigenen Aufstiegsspuren für Tourengeher neben der Piste eine Entscheidung<br />

gesucht, die ein sportliches Neben- und Miteinander aller am Wintersport Beteiligten<br />

gewährleisten sollte. Oberstes Ziel aller muss eine größtmögliche <strong>Sicherheit</strong><br />

sein, sodass möglichst jede Art von Gefährdung zu vermeiden ist.<br />

II.<br />

Wer sind „Tourengeher“?<br />

Während es früher einzelne Individualisten waren, die fern ab jeder Aufstiegshilfe<br />

und jeder Art von Piste die (wirklich) freie Natur und das entsprechende Naturerlebnis<br />

suchten, ist es jetzt fast ein Massenphänomen. Heutzutage sind es „Pistengeher“,<br />

die meist aus folgenden Gründen in der Nähe von Aufstiegshilfen auf Pisten nach<br />

oben gehen:<br />

wegen des <strong>Sicherheit</strong>sgefühls, da Pisten – zumindest während der Betriebszeiten<br />

– vor Lawinen und anderen alpinen Gefahren gesichert sind<br />

<br />

vielfach wegen mangelnder alpiner Erfahrung und mangelnder Kondition<br />

oft aus Gründen mangelnden skifahrerischen Könnens für das hochalpine Gelände<br />

aus Fitnessgründen, um in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Höhenmeter<br />

zu erreichen („Freizeitkonditionsjunkies“)<br />

wegen der Schneesicherheit, nachdem durch technische Beschneiung auf<br />

Pisten meist eine gute Schneeunterlage zu finden ist, wenn es außerhalb noch<br />

an Schnee mangelt oder es bereits aper ist<br />

im Sinne eines positiven Gemeinschaftserlebnisses bis hin zu gemütlicher<br />

Runde bei einer Einkehr in Hütten (inkl. Nutzung der Infrastruktur wie Parkplätze,<br />

WC-Anlagen etc.)<br />

15


Helga Wagner<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

vereinzelt auch aus Gründen des Schutzes der (freien) Natur! Dies wiederum<br />

widerspricht gleichzeitig der Annahme, eine Piste sei „freie Natur“.<br />

III.<br />

Organisierter Skiraum – freier Skiraum<br />

Zur Verdeutlichung die Einteilung des organisierten und des freien Skiraums mit den<br />

jeweiligen Merkmalen:<br />

16


Helga Wagner<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

Organisierter Skiraum<br />

Freier Skiraum<br />

Piste:<br />

• markiert<br />

• genügend breit angelegt<br />

• (i.d.R.) präpariert<br />

• kontrolliert<br />

• Schutz v. atypischen<br />

u. alpinen Gefahren<br />

Skiroute:<br />

• markiert<br />

• nicht definierte<br />

Breite<br />

• nicht präpariert<br />

• nicht kontrolliert<br />

• Schutz vor Lawinengefahren<br />

Variante:<br />

• nicht markiert<br />

• überhaupt nicht<br />

angelegt<br />

• nicht präpariert<br />

• nicht kontrolliert<br />

• nicht vor alpinen<br />

Gefahren geschützt<br />

IV.<br />

Piste ist Sportanlage und keine freie Natur<br />

Tourengeher sind sowohl in der freien Natur als auch auf Skipisten unterwegs. Skipisten<br />

nutzen sie in der Annahme, sie hätten hier ebenfalls ein freies Betretungsrecht.<br />

Eine Piste ist aber eine Sportanlage, die zur Abfahrt mit Ski bestimmt ist. Hierfür<br />

trägt der Pistenbetreiber die Verkehrssicherungspflicht. Die Piste wird deshalb<br />

während der bestimmungsgemäßen Nutzung im Winter aus der freien Natur ausgegrenzt,<br />

weshalb sie in dieser Zeit gerade nicht dem freien Betretungsrecht unterliegt.<br />

Hierfür gibt es folgende Gründe:<br />

1. Der Betreiber einer Piste ist über die Fläche verfügungsberechtigt und widmet<br />

dieses Gelände als Piste. Er bietet es den Benutzern zur (Ski-)Abfahrt an.<br />

Damit besteht kein öffentlich-rechtlicher Gemeingebrauch, sondern privatrechtliche<br />

Verfügungsgewalt. Entweder nutzt der Betreiber die Fläche als Eigentümer<br />

oder er hat die Fläche als Pächter vom Grundstückseigentümer gepachtet.<br />

Als Pächter entrichtet er dann für die von ihm als Piste genutzte Fläche<br />

einen Pachtzins.<br />

2. Durch die Widmung als (Abfahrts-)Piste wird das Pistengelände aus der freien<br />

Natur ausgegrenzt. Manifestiert wird diese Ausgrenzung durch Pistenrandmarkierungen,<br />

die der Betreiber in Erfüllung der (Bay.) Kennzeichnungsverordnung<br />

(Verordnung über die Kennzeichnung der Skiabfahrten, Skiwanderwege<br />

und Rodelbahnen vom 23.02.1983) anbringt. Der Betreiber bietet das<br />

Gelände als privatrechtliche Sportanlage seinen Gästen an. Vergleichbar ist<br />

17


Helga Wagner<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

dies mit dem Gelände eines Golfplatzes. Dem Pisten-Betreiber obliegt dann<br />

für dieses aus der freien Natur ausgegrenzte Sportgelände die Verkehrssicherungspflicht.<br />

3. Zum Bau und Betrieb einer Piste benötigt der Betreiber eine Erlaubnis, da<br />

„das erstmalige dauerhafte Herrichten eines durch eine mechanische Aufstiegshilfe<br />

erschlossenen Geländes zum Zwecke des Abfahrens mit Ski, Skibobs<br />

oder Rodeln (Skipiste)…“ nach Art. 10 BayNatSchG einer Erlaubnispflicht<br />

unterliegt. Art. 10 BayNatSchG (neu seit 01.03.<strong>2011</strong>) hat den wortgleichen<br />

bis dahin geltenden Art. 6 f BayNatSchG abgelöst. Dieser wiederum ersetzte<br />

das bis 1999 für Skipisten geltende baurechtliche Genehmigungsverfahren,<br />

nach dem eine Piste als „bauliche Anlage“ beurteilt wurde und der<br />

Bay. Bauordnung unterlag.<br />

4. Art. 10 Abs. 2 BayNatSchG schreibt bei der Erlaubnispflicht für bestimmte Pisten<br />

(mit entsprechender Größe oder ab einer bestimmten Höhenlage) eine<br />

UVP-Pflicht (Umweltverträglichkeitsprüfung) vor. Wäre eine Piste „freie Natur“,<br />

würde sich die Frage nach dem Sinn einer UVP stellen.<br />

5. Dass eine Piste nur für abfahrende Skifahrer zur Verfügung stehen soll, beweist<br />

die in Art. 10 BayNatSchG geregelte Erlaubnispflicht für Pisten, in dem<br />

ausdrücklich von einem „ ... Gelände zum Zwecke des Abfahrens mit Ski … “<br />

gesprochen wird.<br />

6. Des Weiteren definiert die DIN 32 912 (Graphische Symbole und Schilder zur<br />

Information der Skifahrer auf Skipisten vom Januar 1983) Skipisten als „allgemein<br />

zugängliche, zur Abfahrt mit Ski vorgesehene und geeignete Strecken,<br />

die markiert, kontrolliert, vor atypischen Gefahren, insbesondere Lawinengefahren,<br />

gesichert und nach Möglichkeit präpariert werden“. Auch daraus ergibt<br />

sich die Schlussfolgerung, dass eine Piste per definitionem als Abfahrt nicht<br />

für aufsteigende Skifahrer bzw. Tourengeher zur Verfügung steht.<br />

Diese Definition einer Abfahrt findet sich im Übrigen bereits in der unter Zf. 2<br />

angeführten Kennzeichnungsverordnung vom 23.02.1983 mit Verweis auf die<br />

DIN 32 912.<br />

7. Durch Art. 24 Abs. 1 Bay. Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) „können<br />

Gemeinden durch Verordnung ein Gelände außerhalb öffentlicher Wege<br />

und Plätze, das zum Skifahren, Skibobfahren oder Rodeln der Allgemeinheit<br />

18


Helga Wagner<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

zur Verfügung steht, zur Hauptabfahrt für solche Sportarten oder zum Hauptskiwanderweg<br />

erklären“. Durch die Absätze 2 bis 6 dieses Artikels sind die<br />

Gemeinden und das Staatsministerium des Innern befugt, im Anordnungsbzw.<br />

Verordnungsweg umfangreiche Regelungen zu treffen, um Gefahren abzuwehren<br />

und für <strong>Sicherheit</strong> zu sorgen.<br />

8. In Art. 24 Abs. 4 S. 2 LStVG spricht der Gesetzgeber selbst expressis verbis<br />

bei einer Piste von „Sportgelände“ („…Kosten für die Instandhaltung des<br />

Sportgeländes…“). Auch daraus ergibt sich, dass eine Piste keine freie Natur<br />

ist.<br />

9. Die Kennzeichnungsverordnung von 1983 (s.o. bei Zf. 2) regelt die Beschilderung<br />

für den Sportbetrieb auf Abfahrten. Hiernach sind klar die Pistenkennzeichnungen<br />

und Randmarkierungen vorgeschrieben, die die Piste als Sportanlage<br />

vom übrigen Gelände, das freie Natur sein kann, abgrenzt. Die Pistenrandmarkierungen<br />

stellen eine wichtige Kennzeichnung dar, um die Verkehrssicherungspflichten<br />

des Pistenbetreibers klar eingrenzen und von der Eigenverantwortung<br />

der Skifahrer abgrenzen zu können.<br />

10. Die „Internationale Vereinigung Sport- und Freizeiteinrichtungen“ (IAKS) erarbeitete<br />

bereits in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts Richtlinien für<br />

Wintersportanlagen (IAKS Richtlinien: Anlagen für den Skisport, Kapitel 1:<br />

Skiabfahrten) mit detaillierten Anforderungen an Planung und Betrieb von Pisten.<br />

Daraus lässt sich klar erkennen, dass Pisten (Winter-)Sportanlagen sind<br />

und nicht der freien Natur zugerechnet werden können.<br />

11. Bereits in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden umfangreiche<br />

Kartierungen aller bayerischen Skigebiete mit genau vermessenen Pistenflächen<br />

durch das Landesamt für Umweltschutz (LfU) angefertigt. Dies zeigt die<br />

Bedeutung der Pisten als Sportanlagen.<br />

12. Das Protokoll „Tourismus“ der Alpenkonvention beinhaltet Regelungen zum<br />

Bau, Unterhalt und Betrieb von Skipisten, anhand dessen eine möglichst einheitliche<br />

Vorgehensweise für den gesamten Alpenraum sichergestellt werden<br />

soll. Auch daraus lässt sich schlussfolgern, dass Pisten international als bauliche<br />

Anlagen gelten.<br />

19


Helga Wagner<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

13. Art. 141 Abs. 3 Bayerische Verfassung gewährt das (Grund-)Recht auf „Genuss<br />

der Naturschönheiten und Erholung in der freien Natur, insbesondere<br />

das Betreten von Wald und Bergweide, das Befahren der Gewässer…“ und<br />

setzt voraus, dass die Erholung in der „freien Natur“ ausgeübt wird. Da die<br />

Aufzählung beispielhaft und nicht abschließend ist, sind die tatsächlichen Gegebenheiten<br />

zu berücksichtigen, inwieweit eine Fläche als „freie Natur“ eingeordnet<br />

werden kann. Eine Piste mit baulichen Anlagen, die präpariert wird, mit<br />

Beschneiungseinrichtungen, Randmarkierungen, Kennzeichnungen u.v.m.<br />

versehen ist, also keine „natürliche“ Anlage zur Skiabfahrt mehr darstellt, lässt<br />

sich aufgrund dieser tatsächlichen Gegebenheiten nicht unter den Begriff<br />

„freie Natur“ subsumieren. Auch sei an dieser Stelle nochmals der Vergleich<br />

mit einem Golfplatz gestattet, der ebenfalls nicht als „freie Natur“, sondern als<br />

Sportanlage eingestuft wird.<br />

14. Art. 27 Abs. 1 BayNatSchG regelt das Recht auf Betreten der „freien Natur“<br />

und führt insbesondere Wald, Bergweide, Fels, Ödungen, Brachflächen, Auen,<br />

Uferstreifen und landwirtschaftlich genutzte Flächen an. Der Begriff der „freien<br />

Natur“ ist aber gesetzlich nicht definiert (s.o. Ausführungen bei Zf. 13). Die<br />

Aufzählung beinhaltet keine Pisten, obwohl Skiabfahrten beispielsweise in Art.<br />

10 BayNatSchG (Erlaubnispflicht) und in Art. 40 BayNatSchG (Enteignungsmöglichkeit)<br />

ausdrücklich Erwähnung finden. Dies spricht dafür, dass Pisten<br />

nicht unter den Begriff der „freien Natur“ fallen.<br />

15. Der Gesetzgeber hat in Art. 40 BayNatSchG eine Enteignungsmöglichkeit zugunsten<br />

des Freistaats Bayern zur Schaffung von Skiabfahrten vorgesehen,<br />

um der Allgemeinheit den Genuss der freien Natur zu ermöglichen. Eine Enteignung<br />

einer zur „freien Natur“ zählenden Fläche zur Schaffung von Skiabfahrten<br />

wäre sinnwidrig, und spräche gerade gegen die Annahme, eine Piste<br />

wäre „freie Natur“. Andernfalls bedürfte es keiner Enteignung, um der Allgemeinheit<br />

den Genuss der Natur zu ermöglichen.<br />

16. Der Bundesgesetzgeber regelt in § 59 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz<br />

(BNatSchG) nur „das Betreten der freien Landschaft auf Straßen und Wegen<br />

sowie auf ungenutzten Grundflächen zum Zweck der Erholung“. Eine Piste<br />

stellt aber im Winter eine für den alpinen Skisport genutzte Fläche dar.<br />

20


Helga Wagner<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

17. Außerdem ermächtigt § 59 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG die Länder, das Betretungsrecht<br />

aus wichtigen Gründen einzuschränken. Das Bayerische Naturschutzgesetz<br />

weicht hier vom Bundesnaturschutzgesetz ab, und es darf an<br />

dieser Stelle – trotz der nach Art. 72 Abs, 3 Satz 1 Nr. 2 GG bestehenden<br />

konkurrierenden Gesetzgebung – dahingestellt sein, inwieweit die Ausweitung<br />

durch das Bay. Naturschutzgesetz Bestand hat, nachdem das Bundesgesetz<br />

zwar Einschränkungen gestattet, jedoch keine Ausweitungen. In anderen<br />

Bundesländern sind Pisten keine „freie Natur“, da es sich nicht um ungenutzte<br />

Flächen handelt.<br />

18. Auch in einer höchstrichterlichen Entscheidung des Bundesgerichtshofes<br />

(BGH-Urteil vom 26.11.2002; VI ZR 449/01) wird bei einem Skiunfall auf einer<br />

Skipiste von „Sportstätte“ gesprochen. 2<br />

Hier sieht man ein Wintersportareal als „Sportanlage“ mit Skipiste, Rodelbahn,<br />

Randmarkierungen, Pistenkennzeichnungen/-nummerierungen, Hinweistafeln, Seilbahnanlagen,<br />

Infrastruktur, Gastronomie etc.<br />

Ob es sich um freie Natur handelt, richtet sich im Einzelfall jeweils nach den „tatsächlichen<br />

Gegebenheiten“, d.h. ob ein Gelände durch bauliche oder sonstige Anlagen<br />

verändert ist. Eine Piste ist präpariert, beschneit und mit baulichen Einrichtungen wie<br />

2<br />

Anm.: Zf. 17 und Zf. 18 wurden im Vortrag am 24.11.<strong>2011</strong> nicht näher erläutert.<br />

21


Helga Wagner<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

z.B. Funparks mit Halfpipes etc. versehen. Man kann also in Anbetracht der „tatsächlichen<br />

Gegebenheiten“ nicht von „freier Natur“ sprechen.<br />

Ergebnis:<br />

Aus diesen insgesamt 18 aufgezeigten Gründen lässt sich als Fazit ziehen: eine Piste<br />

ist ausschließlich eine zur Abfahrt mit Ski bestimmte Fläche und während des Nutzungszeitraumes<br />

im Winter keine freie Natur, sondern eine Sportanlage. Für diese<br />

Sportanlage obliegt dem Pistenbetreiber die Verkehrssicherungspflicht, d.h. dass bei<br />

bestimmungsgemäßer Nutzung keine atypischen Hindernisse auf der Piste bestehen.<br />

V. Wann ist eine Piste eine „Sportanlage“?<br />

Eine Piste ist nicht nur während der Öffnungszeiten, d.h. während der Betriebszeit<br />

von Beginn der morgendlichen Öffnung des Seilbahnbetriebs bis zum Ende der letzten<br />

Kontrollfahrt (Uhrzeiten werden an den Liftstationen angezeigt) eine „Sportanlage“.<br />

Das Gelände als Pistenareal verliert nicht nach Pistenschluss seine rechtliche Einordnung<br />

als „Sportanlage“, nur weil vom Widmungszweck als Skiabfahrt seitens der<br />

Skifahrer kein Gebrauch mehr gemacht wird. Auch die zur Erhaltung dieses Widmungszwecks<br />

notwenigen Maßnahmen wie Präparierungsarbeiten (Achtung Seilwinde!<br />

Lebensgefahr!), Aushärtungszeiten, Lawinensprengungen, Beschneiungsarbeiten<br />

während die Piste geschlossen bzw. gesperrt ist, dienen der Erhaltung des Geländes<br />

als „Sportanlage“, weshalb auch zwischen der abendlichen Pistenschließung<br />

und dem morgendlichen Pistenöffnen diese Rechtsqualität erhalten bleibt. Eine Skipiste<br />

ist demnach während der winterlichen Nutzungszeit immer eine „Sportanlage“<br />

und es ist unerheblich, ob sie geschlossen / gesperrt oder geöffnet ist.<br />

22


Helga Wagner<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

VI.<br />

Was ist das Problem?<br />

Ganz entscheidend ist das Problem der Gefährdung:<br />

- für abfahrende Skifahrer als „Gegenverkehr“ („Geisterfahrer“), besonders an<br />

Engstellen u. ä., inkl. der eigenen Gefährdung der Tourengeher selbst<br />

- durch Behinderung bei Sperrungen wegen Lawinensprengungen<br />

- während Präparierungsarbeiten (Seilwinde! Lebensgefahr!)<br />

- während Beschneiung (Kabel, Schläuche u.ä.)<br />

- durch Spuren in frisch präparierter Piste (nach Durchfrierung erhöhte Unfallgefahr<br />

für Pistennutzer nach Pistenöffnung)<br />

VII.<br />

Verkehrssicherungspflicht<br />

Warum müssen Tourengeher überhaupt auf Pisten / Skiabfahrten aufsteigen? Wären<br />

Pisten „freie Natur“, würde sich die Frage der – dem Pistenbetreiber obliegenden –<br />

Verkehrssicherungspflicht neu stellen.<br />

23


Helga Wagner<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

Nach § 823 BGB haftet der Pistenbetreiber seinen Gästen / Kunden für Schäden,<br />

wenn er die zur Schadensvermeidung erkennbaren und erforderlichen Vorsichts- und<br />

Sicherungsmaßnahmen nicht getroffen hat, also seine Verkehrssicherungspflicht verletzt<br />

hat.<br />

Verkehrssicherungspflicht bedeutet nach BGH:<br />

„Derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage für Dritte schafft<br />

oder andauern lässt, z.B. durch Eröffnung eines Verkehrs, hat Rücksicht auf diese<br />

Gefährdung zu nehmen und deshalb die allgemeine Rechtspflicht, diejenigen Vorkehrungen<br />

zu treffen, die erforderlich und ihm zumutbar sind, um die Schädigung<br />

Dritter möglichst zu verhindern.“<br />

Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht bestimmt sich nach den Grundsätzen der<br />

- Zumutbarkeit<br />

- Verkehrsauffassung<br />

- Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen<br />

und erstreckt sich nur auf atypische Gefahren.<br />

Gilt ein Tourengeher als atypische Gefahr? Grundsätzlich auf überschaubaren Pisten<br />

nicht, an engen und unübersichtlichen Stellen jedoch schon. Keinesfalls sind gegen<br />

die allgemeine Fahrtrichtung aufsteigende Tourengeher pistenkonform, denn sie erhöhen<br />

um ein Vielfaches das Kollisionsrisiko.<br />

Wie weit geht die rechtliche Verpflichtung des Pistenbetreibers gegenüber abfahrenden<br />

Skifahrern, diese im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht vor aufsteigenden<br />

Tourengehern zu „schützen“?<br />

VIII.<br />

Auffassung des Juristischen Beirats des DSV:<br />

Alle diese Probleme wurden eingehend im Juristischen Beirat des Deutschen Skiverbandes<br />

(DSV) erörtert, so dass dieser zu folgender Auffassung gelangt ist:<br />

1. Eine Piste ist eine Sportanlage, die aus der freien Natur ausgegrenzt ist und<br />

auf der zu keiner Zeit ein freies Betretungsrecht besteht.<br />

2. Nach DIN 32 912 ist eine Piste eine zur Abfahrt mit Ski vorgesehene Strecke.<br />

3. Dem Pistenbetreiber obliegt die Verkehrssicherungspflicht.<br />

24


Helga Wagner<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

4. Verstöße gegen die zulässige Nutzung nach Ziffern 1 und 2 können mit Mitteln<br />

des Zivilrechts („Hausrecht“ des Pistenbetreibers) bzw. des Öffentlichen<br />

Rechts (Sperrung durch den zuständigen Hoheitsträger) abgewehrt werden.<br />

5. Hinweise auf das fehlende Betretungsrecht sollten so gefasst werden, dass<br />

sie nicht als Übernahme einer Verpflichtung Zuwiderhandelnde fernzuhalten<br />

missverstanden werden können.<br />

IX.<br />

Mögliche Maßnahmen:<br />

Bereits im Jahr 2003, als Tourengeher auf Pisten nur vereinzelt unterwegs waren,<br />

hat sich eine Expertenrunde aus Deutscher Alpenverein (DAV), Verband Deutscher<br />

Seilbahnen (VDS), Deutscher Skiverband (DSV), Bay. Innenministerium, Landesamt<br />

für Umweltschutz (LfU), Lawinenwarndienst, Bergwacht, Deutscher Skilehrerverband<br />

(DSLV), Bergbahnen, Gemeinden etc. zusammengefunden und die 10 DAV-Regeln<br />

für Skitourengeher auf Skipisten erarbeitet.<br />

Diese erstmals im Winter 2003/04 veröffentlichten Regeln und Tipps basierten auf<br />

der Duldung einzelner Tourengeher auf Pisten. Beim Aufsteigen am Pistenrand und<br />

nur hintereinander gehend wurde auf FIS-Regel Nr. 7 verwiesen, wobei klar gestellt<br />

25


Helga Wagner<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

werden muss, dass das Aufsteigen am Pistenrand dadurch nicht „legitimiert“ wird.<br />

Vielmehr bezieht sich diese FIS-Regel nur auf Ausnahmefälle, und der seit Inkrafttreten<br />

der FIS-Regeln 1967 unverändert zugrunde liegende Regelungsgedanke betrifft<br />

ausschließlich den abfahrenden Skifahrer, der aus bestimmten Gründen (Verletzung,<br />

Materialdefekt, Überforderung etc.) gezwungen ist, auf eine Fortsetzung der Abfahrt<br />

zu verzichten.<br />

Durch die anfängliche Duldung einzelner Tourengeher auf Pisten haben viele Pistengeher<br />

einen Anspruch entwickelt, es gelte für sie das „freie Betretungsrecht“, sprich<br />

sie wären „befugt“ auf den Pisten unterwegs nach oben. Durch die oben angeführten<br />

18 Gründe ist diese Annahme aber widerlegt.<br />

Es besteht kein freies Betretungsrecht, da Pisten keine freie Natur darstellen. Selbst<br />

wenn man ein freies Betretungsrecht annehmen würde, müsste das „Grund“-Recht<br />

(auf freies Betreten) hinter öffentlich-rechtlichen <strong>Sicherheit</strong>serwägungen zurücktreten,<br />

d.h. hinter den Erfordernissen der öffentlichen <strong>Sicherheit</strong> und den überwiegenden<br />

Rechten Dritter (= abfahrende Skifahrer).<br />

Denn das Gebot der Gemeinverträglichkeit (Art. 26 Abs. 2 Satz 2 und 3 Bay-<br />

NatSchG) besagt, dass jede Rechtsausübung gemeinverträglich sein muss, d.h. das<br />

Betretungsrecht hätte dort seine Grenze, wo die Rechtsausübung der anderen in<br />

vermeidbarer Weise beeinträchtigt oder gar verhindert wird. Dieses allgemein gültige<br />

Gebot der Rücksichtnahme beinhaltet selbstverständlich auch das Verbot, durch<br />

Ausübung des Betretungsrechts die <strong>Sicherheit</strong> der anderen Berechtigten zu gefährden.<br />

Bestimmungsgemäß ist die Piste eben zum Abfahren angelegt.<br />

Bisher liegt noch kein (höchst-)richterliches Urteil vor.<br />

Ungeachtet dieser rechtlichen Situation bahnen sich jetzt in verschiedenen Wintersportgebieten<br />

Lösungsansätze durch Lenkungsmaßnahmen an, die das unbestreitbar<br />

zunehmend vorhandene Gefährdungs- und Konfliktpotential reduzieren.<br />

26


Helga Wagner<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

X. Gemeinsame Position DAV und VDS<br />

Im November <strong>2011</strong> konnten sich der Deutsche Alpenverein (DAV) und der Verband<br />

Deutscher Seilbahnen (VDS) auf eine gemeinsame Position einigen:<br />

Die vier zentralen Punkte:<br />

1. DAV und VDS bringen sich aktiv ein, um Konflikte durch Skitouren auf Pisten<br />

zu lösen. Skigebiete mit erheblichem Handlungsbedarf gibt es vor allem im<br />

Einzugsbereich Münchens. Für viele andere Skigebiete der Bayerischen Alpen<br />

ist der Handlungsbedarf momentan gering oder nicht gegeben, da bereits akzeptable<br />

Lösungen gefunden und erfolgreich umgesetzt wurden. Ziel ist es, zu<br />

erreichen, dass in allen bayerischen Skigebieten Aufstiegsmöglichkeiten für<br />

Tourengeher zur Verfügung stehen.<br />

2. Skitourengeher im Bereich von Pistenskigebieten sind verpflichtet, sich an die<br />

zehn DAV-Regeln für Skitouren auf Pisten sowie an örtliche Regelungen der<br />

Skigebiete, z.B. ausgewiesene Aufstiegsrouten für Tourengeher oder zeitlich<br />

befristete Sperrungen, zu halten.<br />

3. Zeitlich befristete Sperrungen von Pistenabschnitten (etwa Engpassagen), bestimmten<br />

Abfahrten oder Skiwegen zur Vermeidung von Unfallgefahren können<br />

in Einzelfällen nötig sein.<br />

4. Zur Erarbeitung praktikabler Lösungen für Skigebiete mit Handlungsbedarf organisiert<br />

und moderiert der DAV Gesprächsrunden auf örtlicher Ebene. Im Dialog<br />

mit den Beteiligten (Vertreter der Bergbahnen und Lifte, Gemeinden, zuständigen<br />

DAV-Sektionen etc.) kann dabei auf die jeweiligen Gegebenheiten<br />

vor Ort detailliert eingegangen werden.<br />

XI.<br />

Lösungsansätze für eine effektive Gefahrvermeidung<br />

Aufgrund des Gefährdungspotentials und der Nutzungseinschränkung für die Abfahrer<br />

können zukünftig auch strikte Trennungen von Aufstieg und Abfahrt notwendig<br />

werden. Aus <strong>Sicherheit</strong>sgründen können die Gemeinden auf Hauptabfahrten und<br />

auch auf Pisten von ihrer Sperrmöglichkeit nach Art. 24 LStVG Gebrauch machen.<br />

Ebenso kann der Betreiber aus <strong>Sicherheit</strong>serwägungen Sperrungen nach Art. 27, 33,<br />

27


Helga Wagner<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

34 BayNatSchG anzeigen oder nach dem „Hausrecht“ mit entsprechendem Abwehrbzw.<br />

Unterlassungsanspruch sperren.<br />

Grundgedanke ist immer die <strong>Sicherheit</strong>, d.h. oberste Priorität genießt die <strong>Sicherheit</strong><br />

der abfahrenden Skifahrer wie der aufsteigenden Tourengeher. Sperrungen aus<br />

Gründen der <strong>Sicherheit</strong> lassen sich aus drei Lösungsansätzen entwickeln:<br />

1. Gemeinde kann als <strong>Sicherheit</strong>sbehörde Pisten sperren<br />

(Art. 24 Abs. 2 S. 1 LStVG)<br />

Gemeinden können in ihrer Funktion als <strong>Sicherheit</strong>sbehörden durch Anordnung für<br />

den Einzelfall den Sportbetrieb auf einer Hauptabfahrt oder sonstigen Skiabfahrt vorübergehend<br />

untersagen oder beschränken, wenn es zur Verhütung von Gefahren<br />

oder sonst aus wichtigen Gründen erforderlich ist.<br />

2. Anzeige einer Sperre – unter Vorbehalt – durch Betreiber<br />

(Art. 27, 33, 34 BayNatSchG)<br />

Der Betreiber eine Piste kann eine Sperre – unter Vorbehalt (ohne Anerkennung einer<br />

Rechtspflicht, dass eine Piste als „freie Natur“ eingestuft wird) – anzeigen, wenn<br />

die zulässige Nutzung der Skipiste nicht unerheblich behindert oder eingeschränkt<br />

wird, wozu nach Meinung des Bay. Umweltministeriums ausdrücklich auch der sichere<br />

Betrieb einer Skipiste gehört.<br />

3. Hausrecht: Pistenbetreiber kann kraft seines Verfügungsrechts Piste<br />

sperren<br />

(§§ 903, 1004 BGB)<br />

Auf Grundlage seines zivilrechtlichen „Hausrechts“ kann der Pistenbetreiber, gleich<br />

ob Eigentümer oder Pächter, Tourengeher von der Nutzung seiner Pisten ausschließen<br />

oder räumliche bzw. zeitliche Beschränkungen vornehmen.<br />

Das Hausrecht beruht auf dem Grundeigentum oder dem –besitz und ist zugleich<br />

Ausdruck der grundrechtlich gewährleisteten Privatautonomie. Das bedeutet, dass<br />

28


Helga Wagner<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

der Inhaber des Hausrechts in der Regel frei darüber entscheiden kann, wem er Zutritt<br />

gestattet und wem er den Zutritt verwehrt. Er ist nicht zur Duldung von Tourengehern<br />

auf Pisten verpflichtet.<br />

Oder Individuallösungen bestimmter Wintersportgebiete:<br />

Positiv sind neben diesen drei Sperrmöglichkeiten verschiedene Individuallösungen<br />

und innovative Angebote, die in einigen Skigebieten gefunden werden konnten.<br />

Beispielhaft seien hier eigene ausgewiesene, präparierte und teils sogar beschneite<br />

Aufstiegsspuren für Tourengeher genannt, bei denen es allerdings wieder zu Problemen<br />

mit der Verkehrssicherungspflicht führen kann.<br />

Oder es werden eigene Tourengeher-Abende angeboten, an denen es Tourengehern<br />

ermöglicht wird, bestimmte Aufstiegsspuren zu nutzen. Dann wird mit der Präparierung<br />

der Pisten durch Pistenraupen bis zum Ende der jeweils angeschlagenen<br />

Zeit für den Tourengeherabend gewartet.<br />

Im Anschluss an diesen Vortrag folgt ein Erfahrungsbericht mit praktischen Beispielen<br />

aus Garmisch-Partenkirchen von Peter Huber, Vorstand der Bayerischen Zugspitzbahn<br />

Bergbahn AG und Vorsitzender Vorstand des VDS.<br />

XII.<br />

Schlussbemerkung:<br />

Der Appell meinerseits lautet deshalb: das öffentlich-rechtliche Prinzip einhalten und<br />

„<strong>Sicherheit</strong> durch Gefahrvermeidung gewährleisten“!<br />

Dieses Alpinsymposium hat sich u. a. zum Ziel gesetzt dazu beizutragen, die <strong>Sicherheit</strong><br />

zu erhöhen und Unfälle zu vermeiden. In diesem Sinn appelliere ich an die Vernunft<br />

der „Pistengeher“, ihren Sport nicht auf Pisten, sondern als „Tourengeher“ in<br />

der freien Natur auszuüben. Damit könnten alle Sporttreibenden möglichst gefahrlos<br />

ihre Sportart genießen, damit ein konfliktfreies Miteinander funktionieren kann. Zu<br />

hoffen bleibt, dass kein Unfall die Freude an wintersportlicher Betätigung trübt, egal<br />

ob man auf Alpinskiern oder auf Tourenskiern unterwegs ist.<br />

29


Helga Wagner<br />

Tourengeher auf Skipisten<br />

LITERATURVERZEICHNIS:<br />

Die nachfolgenden Hinweise sind bewusst auf einige repräsentative Literaturangaben<br />

beschränkt. Deren Heranziehung ermöglicht es, über die dortigen Literaturverzeichnisse<br />

bzw. Fußnoten an weitere Fundstellen zu konkreten Fragestellungen zu<br />

gelangen.<br />

Dambeck Gerhard / Wagner Helga,<br />

Recht und <strong>Sicherheit</strong> im organisierten Skiraum,<br />

Oktober 2007, Interski Vermittlungs-, Reise- und Verlags-GmbH, München - Planegg<br />

Dambeck Gerhard / Wagner Helga,<br />

„Streit um die freie Natur – wem gehört die Skipiste?“ in FdSnow Fachzeitschrift für<br />

den Skisport, <strong>2011</strong>, S. 32, Hrsg.: Freunde des Skisports im DSV / Stiftung <strong>Sicherheit</strong><br />

im Skisport, Planegg<br />

Engelhardt / Brenner / Fischer-Hüftle,<br />

Naturschutzrecht in Bayern, Kommentar,<br />

Oktober 2009 (neuester Stand: Dez. <strong>2011</strong>), rehm Verlag, Heidelberg<br />

Fritzweiler Jochen / Pfister Bernhard / Summerer Thomas,<br />

Praxishandbuch Sportrecht,<br />

2007, Verlag C.H. Beck, München<br />

Gassner / Bandomir-Kahlo / Schmidt-Räntsch,<br />

BNatSchG, Kommentar,<br />

2003, Verlag C.H. Beck, München<br />

Katschthaler Helmut / Mayer Christian A.,<br />

„Achtung Gegenverkehr! – Tourengeher auf Skipisten“ in SpuRt Zeitschrift für Sport<br />

und Recht, <strong>2011</strong>, S. 46, Verlag C.H. Beck, München<br />

Lindner / Möstl / Wolff,<br />

Verfassung des Freistaates Bayern, Kommentar,<br />

2009, Verlag C.H. Beck, München<br />

Tausch, Christian,<br />

BayNatSchG, Kommentar,<br />

2007, Kohlhammer Verlag, Stuttgart<br />

Wagner, Helga,<br />

„Vorsicht! Gegenverkehr auf Pisten“ in SpuRt Zeitschrift für Sport und Recht,<br />

2012, S. 16, Verlag C.H. Beck, München<br />

Links im Internet:<br />

VDS Verband Deutscher Seilbahnen >www.seilbahnen.de<<br />

OITAF Internationale Organisation für das Seilbahnwesen >www.oitaf.org<<br />

DSV Deutscher Skiverband >www.deutscherskiverband.de<<br />

DSLV Deutscher Skilehrerverband >www.skilehrerverband.de<<br />

DAV Deutscher Alpenverein >www.alpenverein.de<<br />

30


Dr. Klaus Weber / Peter Janssen<br />

Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

Dr. Klaus Weber 1 / Peter Janssen 2<br />

1. Touren auf Skipisten: Ein neuer Trendsport mit vielen Qualitäten<br />

Tourengehen auf Skipisten hat in den letzten Jahren<br />

einen enormen Aufschwung genommen. Es ist heute<br />

ein Trendsport mit starker Zunahme. Das ist kein Zufall,<br />

denn Tourengehen auf Skipisten bietet eine Vielzahl<br />

an Vorteilen für Mensch und Natur.<br />

Der Aufstieg ist gesundheitsfördernd, die Abfahrt ein sportliches Erlebnis. Aufstieg<br />

und Abfahrt sind sicherer als abseits im Gelände, besonders für Tiefschnee-<br />

Ungeübte sowie zur Dunkelheit. Tourengehen mit Pistennutzung ist eine optimale<br />

Verbindung von Gesundheit, Sport und <strong>Sicherheit</strong>.<br />

Den Liftbetreibern entgeht kein Liftentgelt, aber die Tourengeher bringen den Gaststätten<br />

im Skigebiet zusätzliche Einnahmen. Die Nutzung der Parkplätze lässt sich<br />

durch Parkgebühr mit Anrechnung auf Liftentgelt und Gaststättenkonsum regeln.<br />

Hersteller und Verkäufer von Tourenski-Ausrüstung erzielen deutlich höhere Einnahmen.<br />

Der Tourenski-Absatz steigt dank der Pisten-Tourengeher kräftig an und hat<br />

mit dem Alpinski-Absatz gleichgezogen.<br />

Tourengeher sind hinsichtlich Anzahl und Kaufkraft interessante Gäste in den Skiorten<br />

und Skigebieten. Sie entsprechen dem touristischen Wunschbild (Gesundheit,<br />

Sport, Natur, Ruhe, Familie, Nachhaltigkeit). In den Ferienregionen stärkt das Skitourengehen<br />

mit Pistennutzung das Winterangebot, ein touristisches Hauptanliegen in<br />

Oberbayern.<br />

Tourengehen auf oder entlang der Piste vermeidet zusätzliche Störungen von Wildtieren.<br />

Dies ist besonders wichtig im Winter, wenn die Tiere ernährungs- und kräftemäßig<br />

am Limit sind und Tourengeher im freien Gelände schädliche Fluchtreaktionen<br />

auslösen würden.<br />

1<br />

2<br />

Dr. Klaus Weber ist Präsident des Landgerichts Traunstein a.D.<br />

Peter Janssen ist Rechtsanwalt und Erster Bürgermeister der Stadt Tegernsee.<br />

31


Dr. Klaus Weber / Peter Janssen<br />

Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

Trotz dieser beispielhaft genannten Vorteile versuchen Liftbetreiber das Tourengehen<br />

mit Pistennutzung zu verbieten. Dabei wird der Eindruck erweckt, dass die Tourengeher<br />

in fremdes, ihnen nicht zustehendes Gelände einzudringen versuchen.<br />

2. Wie war es wirklich: wer war zuerst da?<br />

Viele, wohl die meisten, Pisten waren ursprünglich schöne (und meist auch einigermaßen<br />

sichere) Abfahrten, die jahrzehntelang als Tourenabfahrten genutzt wurden,<br />

bevor sie ganz oder teilweise durch Aufstiegshilfen „erschlossen“ wurden.<br />

Abb. 1- Sudelfeld in den 60er Jahren<br />

Es sind also nicht die Tourengeher, die einen ihnen nicht zustehenden Bereich zu<br />

erobern versuchen, sondern es sind die Tourengeher, die aus der Heimat für ihren<br />

Sport verdrängt wurden. Das Tourengehen wurde auf Berge ohne Lifte und Pisten<br />

und damit in aller Regel in schwierigeres und gefährlicheres Gelände abgedrängt.<br />

Zwangsläufig sind auch heute noch einige beliebte Skitouren, etwa die Rotwandreibn,<br />

nur mit Benutzung einer Piste, hier der Taubensteinabfahrt (früher Lochgra-<br />

32


Dr. Klaus Weber / Peter Janssen<br />

Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

ben), möglich; wird die Tour in umgekehrter Richtung begangen, muss über die Piste<br />

auch aufgestiegen werden.<br />

Abb. 2 – Oberer Lochgraben (Teil der Rotwandreib`n)<br />

Das Hinausdrängen der Tourengeher war – aus der Sicht der Liftbetreiber – so lange<br />

unproblematisch, als diese die nicht zwingend notwendige Benutzung einer Piste als<br />

uninteressant oder sogar als unsportlich empfunden haben. Dies wird heute nicht<br />

mehr so gesehen. Klassische Tourenfahrer erinnern sich der schönen und weitgehend<br />

ungefährlichen Tourenabfahrten ihrer jungen Tage und wollen sich nicht mehr<br />

zu jeglicher Ausübung ihres Sports auf weniger geeignetes und gefährliches Gelände<br />

abdrängen lassen. Im Grunde holen sich die Tourengeher damit nur das zurück, was<br />

ihnen damals weggenommen wurde. Daran wird nichts dadurch geändert, dass derzeit<br />

eine neue Generation Skifahrer den Aufstieg auf der Piste für sich entdeckt hat.<br />

Auch sie nutzen nur ein leichteres und ungefährlicheres Gelände, das ihnen auch<br />

33


Dr. Klaus Weber / Peter Janssen<br />

Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

ohne Piste zur Verfügung stehen würde. Dass Teile dieser Pisten künstlich beschneit<br />

werden, liegt nicht in ihrer Verantwortung.<br />

3. Es geht nicht um geringfügige Geländeabschnitte<br />

Bei dem Hinausdrängen der Tourengeher geht es keineswegs nur um geringfügige<br />

Geländeabschnitte. Die Bergbahnen im Skigebiet Sudelfeld rühmen sich einer Pistenlänge<br />

von 31 km.<br />

Abb. 3 – Sudelfeld heute<br />

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Dr. Klaus Weber / Peter Janssen<br />

Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

Die Spitzingsee-Bergbahnen werben ebenfalls mit einer solchen von 31 km.<br />

Abb. 4 – Spitzingseegebiet heute<br />

Das Brauneck-Skigebiet nennt 34 Pistenkilometer.<br />

Abb.5 – Brauneck-Skigebiet<br />

Allein in diesen drei Skigebieten sind rund 100 km Natur von der Sperre betroffen. Es<br />

geht daher um sehr große Flächen, die aus der freien Natur herausgeschnitten und<br />

allein einer gewerblichen Nutzung dienstbar gemacht werden sollen.<br />

4. Begründungsmuster für die Sperren – <strong>Sicherheit</strong> -<br />

Als Begründung für die Sperren werden gegenüber der Öffentlichkeit vor allem Gründe<br />

der <strong>Sicherheit</strong> behauptet.<br />

35


Dr. Klaus Weber / Peter Janssen<br />

Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

Abb. 6 – Sperrschild Sudelfeld 2010<br />

4.1 Der aufsteigende Skifahrer während der Pistenöffnung<br />

Dabei wird zunächst das Schreckgespenst des aufsteigenden Skifahrers bemüht, der<br />

unvermittelt die (geöffnete) Piste kreuzt. An sich hat sich der aufsteigende Skifahrer 3<br />

an die FIS-Regel Nr. 7 4 zu halten, die ihn zum Aufsteigen am Pistenrand verpflichtet.<br />

5 Lediglich bei Steilstellen ist auch ein Aufstieg mit Spitzkehren, die sich möglichst<br />

am Pistenrand halten, erlaubt und zulässig. 6 Daneben gilt die FIS-Regel Nr. 1, wonach<br />

auch der aufsteigende Skifahrer alles daran setzen muss, andere nicht zu gefährden<br />

oder zu schädigen.<br />

3<br />

Die Regel gilt keineswegs nur für Skifahrer, die auf Grund eines Materialdefekts, eines Sturzes oder aus sonstigen<br />

Gründen aufsteigen, sondern auch für den „Tourengeher“, der auf einer präparierten Piste aufsteigt (Hammerstingl,<br />

Die Erforderlichkeit spezifischer staatlicher Regelungen im alpinen Skisport, <strong>2011</strong>, S. 338).<br />

4<br />

Die FIS-Regeln werden von manchen Gerichten (Oberlandesgericht [OLG] Koblenz Neue Juristische Wochenschrift<br />

[NJW]-Spezial <strong>2011</strong>, 266; OLG Brandenburg NJW-RR 2006, 1558; OLG Hamm NJW-RR 2001, 1537)<br />

als Gewohnheitsrecht angesehen, so dass sie für jeden, also auch für den aufsteigenden Skifahrer, unmittelbar<br />

gelten. Zumindest sind sie als Verkehrsnormen anzusehen (Kocholl in „<strong>Sicherheit</strong> im Bergland“ 2008, 202<br />

[205/206]; Weber in „<strong>Symposium</strong> Alpinrecht“, Bad Reichenhall, 2009, 162 [173]; zu eng Hammerstingl [Fn 3], S.<br />

127f), so dass auch hier jeder gut beraten ist, sich an sie halten, wenn er den Vorwurf der Fahrlässigkeit vermeiden<br />

will. Der aufsteigende Skifahrer, der dagegen verstößt und auch etwaige entsprechende Anweisungen des<br />

Pistenpersonals nicht befolgt, handelt daher nicht nur unvernünftig, sondern rechtswidrig oder jedenfalls schuldhaft.<br />

5<br />

Denselben Grundsatz enthält die Nr. 2 der DAV-Regeln für Skitourengeher auf Skipisten. Allerdings sind die<br />

DAV-Regeln weder Gewohnheitsrecht noch eine Verkehrsnorm (Hammerstingl [Fn 3] S. 134; 351). Sie haben<br />

gleichwohl Bedeutung als ein Element des Maßstabes, der an das Verhalten eines umsichtigen und verständigen,<br />

in vernünftigen Grenzen vorsichtigen Skifahrers im Aufstieg auf einer Skipiste (differenzierte Maßfigur) anzulegen<br />

ist und spielen insoweit im Rahmen der Fahrlässigkeit eine Rolle.<br />

6<br />

Stabentheiner in „gehen, steigen, klettern“, alpine rechtsfragen, Seminarbericht [Hrsg. OLG Innsbruck, OeAV,<br />

DAV] 2008 S. 32 [33])<br />

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Dr. Klaus Weber / Peter Janssen<br />

Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

Aber auch, wenn der aufsteigende Skifahrer die Piste queren muss, ist er langsam<br />

und berechenbar unterwegs. Er ist von weitem sichtbar und unterscheidet sich nicht<br />

von gestürzten oder auf der Piste stehengebliebenen Abfahrern oder Gruppen von<br />

Abfahrern, wie sie häufig von Freunden, Familien oder Skischulen gebildet werden.<br />

Schon wegen der Häufigkeit und Üblichkeit solcher Vorgänge muss der Abfahrer<br />

stets damit rechnen 7 und kann schon deswegen nicht mit einem Autofahrer verglichen<br />

werden, der unvermittelt auf einen Geisterfahrer trifft.<br />

Entscheidend fällt aber ins Gewicht, dass sich der abfahrende Skifahrer an die FIS-<br />

Regel Nr. 2 (Beherrschung der Geschwindigkeit und der Fahrweise) zu halten hat. 8<br />

Danach muss jeder Skifahrer und Snowboarder auf Sicht fahren. Er hat seine Geschwindigkeit<br />

und seine Fahrweise seinem Können und den Gelände-, Schnee- und<br />

Witterungsverhältnissen sowie der Verkehrsdichte anzupassen. Kommt es zu einer<br />

Kollision zwischen einem regelgemäß aufsteigenden Skifahrer und einem Abfahrer,<br />

so hat der Abfahrer zwangsläufig gegen die FIS-Regel Nr. 2 verstoßen und ist dafür<br />

zivilrechtlich und strafrechtlich verantwortlich. 9 Das Fahren auf Sicht gilt auch und<br />

gerade an unübersichtlichen Stellen, etwa Kuppen. Es macht daher keinen Unterschied<br />

ob der Zusammenstoß auf einer breiten und übersichtlichen Pistenautobahn<br />

oder nach einer Geländekuppe erfolgt.<br />

Da es sich bei einer Kollision von Skifahrern auch an einer unübersichtlichen Stelle<br />

grundsätzlich um keine atypische Gefahr handelt, trifft den Liftbetreiber hierfür keine<br />

Haftung. 10 Etwas anderes kann dann in Betracht kommen, wenn er auch die Abfahrer<br />

vor dieser Stelle warnen müsste. Hat er dies aber getan, so ist er auch bei einer<br />

Kollision zwischen einem abfahrenden und einem aufsteigenden Skifahrer von der<br />

Haftung frei.<br />

4.2 Der aufsteigende/abfahrende Skifahrer nach der Schließung der Piste<br />

Ein weiteres Argument, das von den Liftbetreibern unter <strong>Sicherheit</strong>saspekten bemüht<br />

wird, ist der abfahrende Skifahrer nach der abendlichen Pistenschließung. Es ist si-<br />

7<br />

Insbesondere begründet die FIS-Regel Nr. 7 keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass mit einem Fußgänger,<br />

erst recht mit einem aufsteigenden Skifahrer, auf der Piste nicht gerechnet werden muss (Hammerstingl<br />

[Fn 3] S. 339 mwN.<br />

8<br />

Daneben gilt auch für ihn die FIS-Regel Nr. 1.<br />

9<br />

Wenn der aufsteigende Skifahrer gleichwohl als Hauptverantwortlicher für eine Kollision angesehen wird<br />

(Dambeck/Wagner, Recht und <strong>Sicherheit</strong> im organisierten Skiraum, 2007, S. 109), so stellt dies die Rechtslage<br />

(Fn 4) auf den Kopf. Mit dem gleichen Recht wäre dann auch ein Baum als Hauptverantwortlicher anzusehen,<br />

wenn er einem Pistenraser in die Quere kommt. Die Folgen für die Liftbetreiber als Verkehrssicherungspflichtige<br />

wären unübersehbar.<br />

10<br />

Dambeck/Wagner, 2007, S. 108; Katschthaler/Mayer SpuRt <strong>2011</strong>, 46 [47].<br />

37


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Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

cher richtig, dass sich aus der abendlichen Pistenpräparierung, namentlich wenn sie<br />

mit Seilwinden durchgeführt wird, erhebliche Gefahren für alle Skifahrer ergeben, die<br />

sich zur gleichen Zeit auf der Piste bewegen. Dies gilt für aufsteigende wie für abfahrende<br />

Skifahrer gleichermaßen. Die Gefahren bestehen auch unabhängig davon, ob<br />

der abfahrende Skifahrer zuvor auf der Piste aufgestiegen ist oder ob er nach dem<br />

Kauf einer Liftkarte eine Aufstiegshilfe benutzt und beim gemütlichen Zusammensein<br />

in der Hütte den Pistenschluss versäumt hat.<br />

Mit der abendlichen Pistenschließung wird die Piste entwidmet. 11 Auch wenn (zu Unrecht<br />

12 ) davon ausgegangen wird, dass die (geöffnete) Piste nicht mehr zur freien<br />

Natur gehört, wird sie jedenfalls mit der Entwidmung wieder zum freien Gelände. Die<br />

Verkehrssicherungspflicht, die sich aus der Eröffnung einer Piste ergibt, entfällt. Dies<br />

gilt unabhängig davon, ob der Skifahrer eine Liftkarte gekauft hat. 13<br />

Etwas anderes gilt für die Schaffung einer Gefahrenquelle durch den Betrieb eines<br />

gefährlichen Fahrzeugs, wie es eine Pistenraupe, namentlich bei Nacht und bei<br />

Windenpräparierung, darstellt. Die Gefahrenquelle ist hier nicht die Piste, sondern<br />

das Fahrzeug. Für etwaige Schäden haftet der Liftbetreiber daher nicht als Halter der<br />

Piste, sondern gegebenenfalls als Betreiber des Fahrzeugs. Er hat daher auch (nur)<br />

in dieser Eigenschaft durch Schilder, Beleuchtung, Blinklichter, partielle Absperrungen<br />

14 für die größtmögliche Sicherung vor diesen Gefahren zu sorgen.<br />

Mit der Entwidmung der Piste und der (Wieder-)Entstehung freien Geländes tritt die<br />

Eigenverantwortung des Skifahrers in den Vordergrund. Die Eigenverantwortlichkeit,<br />

die dem Skifahrer auf der geöffneten Piste in hohem Maße abgenommen wird,<br />

wächst ihm nunmehr wieder zu. Er hat selbst dafür zu sorgen, dass er heil ins Tal<br />

zurückfindet. Auf der anderen Seite ist er auch keine Gefahr für Dritte und gefährdet<br />

sich nur selbst, wenn er etwa trotz laufenden Präparierungsarbeiten auf der Piste<br />

aufsteigt oder abfährt. 15 Auch dies gilt unabhängig davon, ob der nach der Schließung<br />

der Piste abfahrende Skifahrer zuvor eine Aufstiegshilfe benutzt hat.<br />

11<br />

Dambeck/Wagner, S. 61; ebenso für das österreichische Recht Dittrich/Reindl in „<strong>Sicherheit</strong> im Bergland“,<br />

Jahrbuch des österreichischen Kuratoriums für alpine <strong>Sicherheit</strong>, S. 32, 33; Reindl/Stabentheiner/Dittrich Zeitschrift<br />

für Verkehrsrecht (ZVR) 2006, 549 [568]; Stabentheiner in „gehen, steigen, klettern“ (Fn 6] S. 32 [37].<br />

12<br />

Dazu unten Abschn. 6.<br />

13<br />

Ob auch gegenüber den sog. Tourengehern auf Pisten eine solche Verkehrssicherungspflicht besteht (so<br />

etwa Katschthaler/Mayer SpuRt <strong>2011</strong>, 46 [47]; Manssen SpuRt <strong>2011</strong>, 93 [96]); aA Dambeck/Wagner S. 108) ist<br />

umstritten.<br />

14<br />

S (österreichischer) Oberster Gerichtshof (OGH) Urt. vom 08.10.2008, Gz 9Ob28/08w.<br />

15<br />

Dambeck/Wagner S. 108. Unabhängig davon besteht die Pflicht des Betreibers eines Pistenfahrzeugs, durch<br />

Schilder, Beleuchtung, Blinklichter, partielle Absperrungen die Gefahr einer Kollision möglichst zu vermeiden.<br />

38


Dr. Klaus Weber / Peter Janssen<br />

Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

An zahlreichen Pisten findet sich seit einiger Zeit ein Verbotsschild, wonach die Pisten<br />

täglich von 17.00 Uhr bis 6.00 Uhr gesperrt seien.<br />

Abb. 7 - Sudelfeld Verbotsschild<br />

Diese Schilder machen insoweit einen Sinn, als sie dem Skifahrer noch einmal die<br />

Gefahren vor Augen führen, die nach der Pistenschließung bestehen können. Im<br />

Hinblick darauf, dass die Piste nach der abendlichen Entwidmung freies Gelände<br />

darstellt, ist auch der Hinweis, dass der Liftbetreiber in dieser Zeit keine Haftung für<br />

Unfälle übernimmt, im Grundsatz richtig. Unberührt bleibt allerdings die Haftung für<br />

die Eröffnung einer Gefahrenquelle durch den Betrieb gefährlicher Geräte, insbesondere<br />

bei der Windenpräparierung. 16<br />

Dagegen ist das Schild als Sperre nicht wirksam. Es enthält einen Eingriff in das Betretungsrecht.<br />

Nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (Art. 29 des Bayerischen<br />

Naturschutzgesetzes [BayNatSchG]) umfasst das Betretungsrecht auch das Recht<br />

zum Skifahren. Zum Skifahren gehört auch das Aufsteigen mit Ski. Dies ergibt sich<br />

nicht nur aus der Entwicklung des Skilaufs, sondern auch aus einem Vergleich mit<br />

Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG, der im Unterschied zu Art. 29 BayNatSchG auf<br />

16<br />

S oben.<br />

39


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Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

das „Abfahren mit Ski“ abhebt. 17<br />

Nach Art. 27 Abs. 3 Satz 3 BayNatSchG ist eine Beschilderung, die einen Eingriff in<br />

das Betretungsrecht enthält, nur wirksam, wenn sie auf einen gesetzlichen Grund<br />

hinweist, der eine Beschränkung des Betretungsrechts rechtfertigt. Einen solchen<br />

gesetzlichen Grund nennt das Verbotsschild nicht. Er ließe sich auch nicht finden, da<br />

Art. 33 BayNatSchG, der die gesetzlichen Gründe für eine Sperre enthält, den in dem<br />

Schild genannten Grund nicht aufführt.<br />

4.3 Begründete Sorge: Zerfahrene Piste<br />

Die Sperrung der Pisten für „Skitourengeher“ wird von den Liftbetreibern auch damit<br />

begründet, dass Skifahrer 18 , die abends auf der nach Pistenschluss frisch präparierten<br />

und noch weichen Piste abfahren, tiefe Abfahrtsspuren hinterlassen können. Diese<br />

Spuren frieren während der Nacht ein, machen dadurch die Präparierung der Piste<br />

zunichte und können zu einer Gefährdung weniger geübter Pistenfahrer führen.<br />

Diese Spuren begründen zwar keine atypische Gefahr, die der Liftbetreiber vor Pistenöffnung<br />

beseitigen müsste 19 Gleichwohl erscheint die Sorge der Liftbetreiber insoweit<br />

nicht unbegründet. Die Lösung der Problematik findet sich im Grundsatz der<br />

Gemeinverträglichkeit. Auch im freien Gelände ist auf die Belange der Grundstückseigentümer<br />

und Nutzungsberechtigten Rücksicht zu nehmen (Art. 26 Abs. 2 Satz 2<br />

BayNatSchG). Durch die Ausübung des Betretungsrechts 20 darf die Rechtsausübung<br />

anderer nicht verhindert oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar beeinträchtigt<br />

werden (Art. 26 Abs. 2 Satz 3 BayNatSchG). Skifahrer, die nach Pistenschluss<br />

auf der Piste aufsteigen oder abfahren, haben daher auf die Belange der Pistenpflege<br />

Rücksicht zu nehmen. In Nr. 6 der DAV-Regeln 21 wird dies dadurch zum<br />

Ausdruck gebracht, dass frisch präparierte Pisten nur in den Randbereichen befahren<br />

werden dürfen.<br />

5. Zum Begriff der Skipiste<br />

Eine Legaldefinition der Skipiste enthält nunmehr Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG.<br />

Danach ist eine Skipiste ein dauerhaft durch eine mechanische Aufstiegshilfe er-<br />

17<br />

18<br />

Ohne dass sich daraus ein Verbot des Aufsteigens mit Ski herleiten ließe (s Abschn. 5).<br />

Auch dies gilt unabhängig davon, ob der Skifahrer zuvor aufgestiegen ist oder nach dem Erwerb einer Liftkarte<br />

eine Aufstiegshilfe benutzt hat.<br />

19<br />

Dambeck/Wagner S. 109.<br />

20<br />

Zu dem das Skifahren gehört (s Fn Fehler! Textmarke nicht definiert.).<br />

21<br />

Zu diesen s Fn 5.<br />

40


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Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

schlossenes Gelände zum Zweck des Abfahrens mit Ski, Skibobs oder Rodeln. 22<br />

Daraus ist nicht zu entnehmen, dass auf der Piste nicht aufgestiegen werden darf.<br />

Dass der Aufstieg hier nicht erwähnt ist, ergibt sich aus dem Zweck der Vorschrift,<br />

der das erstmalige dauerhafte Erschließen eines Geländes durch eine Aufstiegshilfe<br />

zum Zweck des Abfahrens einer Erlaubnispflicht unterwirft. Die Regelung enthält insbesondere<br />

keinen Zwang zur Benutzung dieser Aufstiegshilfe, ebenso wie sie es<br />

nicht verbietet, die „Aufstiegshilfe“ auch zur Talfahrt zu benutzen.<br />

Ob die Piste zum Aufstieg benutzt werden darf, ist ausschließlich eine Frage des Betretungsrechts.<br />

23 Die Piste ist insbesondere keine Sportanlage. 24 Nicht umsonst wird<br />

in Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG nicht von einer Anlage, sondern von einem Gelände<br />

gesprochen. Als eine nicht jedermann zugängliche Sportstätte bedürfte die Piste,<br />

die in aller Regel im Außenbereich liegt, eines Bebauungsplans gemäß § 30 des<br />

Baugesetzbuchs (BauBG). 25 Dies wird übersehen 26 , wenn die Piste mit einem Golfplatz<br />

verglichen wird. 27 Ein solcher bedarf zu seiner Errichtung des Vorliegens eines<br />

entsprechenden Bebauungsplans. 28 Im Übrigen hat ein Bebauungsplan die Aufgabe,<br />

die verschiedenen Interessen und Belange gegeneinander abzuwägen und miteinander<br />

auszugleichen; ein Bebauungsplan, der einseitig nur die Interessen der Liftbetreiber<br />

berücksichtigen würde und die Tourengeher von den großen Flächen ausschließen<br />

würde, die die Pisten umfassen 29 , wäre rechtlich nicht haltbar.<br />

Auch die Betriebsgenehmigung für die Liftanlage enthält regelmäßig keine Befugnis<br />

für den Betreiber, die Piste für Tourengeher zu sperren. Sollte dennoch eine solche<br />

Befugnis enthalten sein, wäre sie namentlich im Hinblick auf den fehlenden Interessenausgleich<br />

angreifbar.<br />

22<br />

Demgegenüber definiert die DIN 32 912 (Graphische Symbole und Schilder zur Information der Skifahrer auf<br />

Skipisten) Skipisten als „allgemein zugängliche, zur Abfahrt mit Ski vorgesehene und geeignete Strecken, die<br />

markiert, kontrolliert, vor atypischen Gefahren, insbesondere Lawinengefahren, gesichert und nach Möglichkeit<br />

präpariert werden“. Die Definition der DIN 32 912 wurde wörtlich und unter Bezugnahme auf die DIN in § 1 Abs. 1<br />

der Verordnung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern (BayStMI) über die Kennzeichnung der Skiabfahrten,<br />

Skiwanderwege und Rodelbahnen vom 23.02.1983 (GVBl. S. 215) übernommen.<br />

23<br />

Dazu unten Abschn. 6.<br />

24<br />

Die eventuell einem privaten Verfügungsrecht unterliegen könnte.<br />

25<br />

Manssen SpuRt <strong>2011</strong> 93 [94].<br />

26<br />

Auch könnte sich ein solcher Vergleich als Eigentor erweisen.<br />

27<br />

Katschthaler/Mayer SpuRt <strong>2011</strong>, 46 [48].<br />

28<br />

Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1992, 476.<br />

29<br />

S oben Abschn. 3.<br />

41


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Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

6. Piste als freie Natur, Betretungsrecht<br />

Bereits nach der Bayerischen Verfassung, Art. 141 Abs. 3, ist „die Erholung in der<br />

freien Natur, insbesondere das Betreten von Wald und Bergweide, … jedermann gestattet“.<br />

Pisten sind freie Natur. 30 Das Grundrecht des Art. 141 Abs. 3 der Bayerischen<br />

Verfassung wird vom Bayerischen Naturschutzgesetz in Art. 26 Abs. 1 Satz 1<br />

ausdrücklich als „Recht für jedermann“ ausgestaltet und in Art. 27 Abs. 1 dahin definiert,<br />

dass „alle Teile der freien Natur … von jedermann unentgeltlich betreten werden“<br />

können. Die bayerische Rechtslage ist vom Bundesnaturschutzgesetz gedeckt,<br />

das in §59 Abs. 1 „das Betreten der freien Landschaft … zum Zwecke der Erholung<br />

…. allen gestattet (allgemeiner Grundsatz).“<br />

6.1. Gleichstellung Skifahren - Betreten<br />

Darüber hinaus erlaubt § 59 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG dem Landesgesetzgeber, andere<br />

Benutzungsarten dem Betreten gleichzustellen. Der Bayerische Landtag hat<br />

davon Gebrauch gemacht und in Art. 27 Abs. 2 und Art. 29 BayNatSchG ausdrücklich<br />

„das Skifahren ….. und ähnliche sportliche Betätigungen in der freien Natur“ dem<br />

Betreten zugeordnet. Der Tourengeher darf daher grundsätzlich auch die Skipisten<br />

benutzen und zwar sowohl zum Abfahren als auch zum Aufsteigen. 31<br />

6.2 Rücksichtnahmegebot<br />

Eingeschränkt hat der bayerische Gesetzgeber das Betretungsrecht durch das Gebot<br />

zur Rücksichtnahme in Art. 26 Abs. 2 Satz 2 und 3 BayNatSchG. Das heißt zum Beispiel,<br />

dass der Tourengeher nicht im breiten Zickzack auf der Piste aufsteigen und<br />

die abfahrenden Pistenbenutzer mehr als unvermeidbar behindern darf. Er hat sich<br />

gemeinverträglich zu verhalten und - um im Beispiel zu bleiben - gemäß der FIS-<br />

Regel Nr. 7 am Pistenrand aufzusteigen. 32<br />

Umgekehrt unterliegt selbstverständlich auch der Pistenfahrer dem Rücksichtnahmegebot<br />

des Naturschutzgesetzes. Auch er hat seine Geschwindigkeit so einzurichten,<br />

dass er anderen Skifahrern oder aufsteigenden Tourengehern ausweichen oder vor<br />

ihm anhalten kann (FIS-Regeln Nr. 1, 2) 33<br />

30<br />

31<br />

Manssen SpuRt <strong>2011</strong>, 93 [94, 95].<br />

Dazu, dass auch ein aufsteigender Skifahrer ein Skifahrer im Sinne des BayNatSchG ist, s oben Abschn. 4.2;<br />

dasselbe gilt für das LStVG (unten Abschn. 7.1, 7.2.1, 7.2.3 und 7.4).<br />

32<br />

S oben Abschn. 4.1.<br />

33<br />

S oben Abschn. 4.1.<br />

42


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Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

6.3 Sperren unzulässig<br />

Das Betretungsrecht darf nicht durch Sperren nach Art. 27 Abs. 2 BayNatSchG vom<br />

Liftbetreiber verweigert werden. Denn Beschilderungen sind nur wirksam, wenn sie<br />

auf einen gesetzlichen Grund hinweisen, der eine Beschränkung des Betretungsrechts<br />

rechtfertigt. 34<br />

Die Zulässigkeit von Sperren ist in Art. 33 BayNatSchG abschließend geregelt. Das<br />

Aufsteigen von Skifahrern auf einer Piste fällt unter keinem Gesichtspunkt darunter.<br />

Dies gilt namentlich für Art. 33 Nr. 1 BayNatSchG, wonach Sperren errichtet werden<br />

können, wenn andernfalls die zulässige Nutzung des Grundstücks nicht unerheblich<br />

behindert oder eingeschränkt würde. Das Rücksichtnahmegebot mit seiner Konkretisierung<br />

in den FIS-Regeln gewährleistet, dass Tourengeher für Abfahrer, die ihrerseits<br />

die Regeln beachten, keine Behinderung oder Einschränkung darstellen. Auch<br />

können Schilder aufgestellt werden, die auf die einzuhaltenden Verhaltensmaßregeln<br />

hinweisen. 35 Rücksichtslose Fahrweise wäre eine unzulässige Nutzung der Skipiste<br />

und damit auch kein gesetzlicher Grund für ein Tourengeherverbot.<br />

Kein gesetzlicher Grund für eine Sperre ist die Furcht vor einer Haftung aus Verkehrssicherungspflicht,<br />

die von den Liftbetreibern vielfach ins Feld geführt wird. 36<br />

Unabhängig davon, ob eine solche Verkehrssicherungspflicht tatsächlich und rechtlich<br />

in Betracht kommt, 37 ist eine befürchtete Haftung als Grund für eine Sperre in Art.<br />

33 BayNatSchG nicht genannt und kommt daher als gesetzlicher Grund, aufsteigenden<br />

Skifahrern das Betreten einer Piste zu verbieten, nicht in Betracht.<br />

Die Liftbetreiber können sich auch nicht auf Art. 30 Abs. 1 BayNatSchG berufen. Diese<br />

Vorschrift enthält eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für land- und forstwirtschaftlich<br />

genutzte Grundstücke. Eine solche gesetzliche Regelung ist für Skipisten<br />

aber nicht gegeben und als Ausnahmevorschrift auf diese nicht übertragbar.<br />

7. (Bayerisches) Landesstraf- und Verordnungsgesetz – LStVG –<br />

Als Grundlage, Skifahrern den Aufstieg auf Skipisten zu verwehren, wird von den<br />

Liftbetreibern auch Art. 24 LStVG herangezogen, wobei die Gemeinden und staatli-<br />

34<br />

35<br />

36<br />

37<br />

S oben Abschn. 4.2.<br />

Manssen SpuRt <strong>2011</strong>, 93 [95].<br />

S etwa Katschthaler/Mayer SpuRt <strong>2011</strong>, 46 [47].<br />

S oben Abschn. 4.1 a.E. sowie Fn 13.<br />

43


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Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

chen Stellen zu einem entsprechenden Tätigwerden aufgefordert werden. 38 Die Vorschrift<br />

des Art. 24 LStVG wird oft als Grundgesetz des Wintersports bezeichnet. 39 Sie<br />

ist eine typische Vorschrift des Gefahrenabwehrrechts 40 und daher nicht geeignet,<br />

private Interessen, namentlich Gewinninteressen, zu schützen. Es wäre daher nicht<br />

zulässig, dass sich Gemeinden und staatliche Stellen, denen der Vollzug der Vorschrift<br />

anvertraut ist, wirtschaftlichen Interessen der Liftbetreiber dienstbar machen.<br />

7.1 Erklärung zur Hauptabfahrt (Art. 24 Abs. 1, 5 Nr. 1 LStVG)<br />

Nach Art. 24 Abs. 1 LStVG können die Gemeinden durch Verordnung ein Gelände<br />

außerhalb öffentlicher Wege und Plätze, das zum Skifahren, Skibobfahren oder Rodeln<br />

der Allgemeinheit zur Verfügung steht, zur Hauptabfahrt für solche Sportarten<br />

oder zum Hauptskiwanderweg erklären. Nach Art. 24 Abs. 5 Nr. 1 LStVG kann mit<br />

Geldbuße belegt werden, wer auf einer Hauptabfahrt, die in der vorgeschriebenen<br />

Weise gekennzeichnet ist, sich zur Zeit des Sportbetriebs zu anderen Zwecken als<br />

der Ausübung der Sportart, für die die Abfahrt bestimmt ist, aufhält. Die Erklärung zur<br />

Hauptabfahrt kann nur durch Verordnung und nur in dem durch Art. 42 bis 53 LStVG<br />

geregelten Verfahren erfolgen. Zu beachten ist ferner der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />

(Art. 8 LStVG). Zuständig ist der Gemeinderat (Art. 42 Abs. 1 LStVG). Die<br />

Pisten müssen außerdem als Hauptabfahrten gekennzeichnet sein (Art. 24 Abs. 3 Nr.<br />

2 Buchst. a LStVG, §1 der Verordnung über die Kennzeichnung der Skiabfahrten,<br />

Skiwanderwege und Rodelbahnen vom 23. Februar 1983 [Gesetz- und Verordnungsblatt<br />

S. 215[) 41 .<br />

Auch wenn alle diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann daraus ein Verbot des Aufsteigens<br />

mit Ski auf einer zur Hauptabfahrt erklärten Piste nicht hergeleitet werden.<br />

Die Erklärung zur Hauptabfahrt schließt nur Nutzungen aus, die nicht in der Sportart<br />

Skifahren bestehen. Seit jeher, und bestätigt durch das BayNatSchG, gehört zur<br />

Sportart Skifahren nicht nur die Abfahrt, sondern auch der Aufstieg. Auch dieser ist<br />

daher Teil der Sportausübung. 42 Auf den vorstehenden Abschn. 4.2 sowie die nachfolgenden<br />

Abschn. 7.2.1, 7.2.3 und 7.4 wird insoweit verwiesen. Ausübender der<br />

Sportart Skifahren ist im Übrigen auch derjenige, der seine Ski auf der Skiabfahrt<br />

38<br />

39<br />

40<br />

41<br />

42<br />

Katschthaler/Mayer SpuRt <strong>2011</strong>, 46 [48, 49].<br />

Stöckel Bayerische Verwaltungsblätter (BayVBl) 1977, 71 [74]; Katschthaler/Mayer SpuRt <strong>2011</strong>, 46 [48].<br />

Dies wird auch von Katschthaler/Mayer SpuRt <strong>2011</strong>, 46 [49] gesehen.<br />

Kennzeichnungsverordnung.<br />

Hammerstingl [Fn 3] S. 294.<br />

44


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Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

(etwa beim Aufstieg am Rande der Piste) trägt. 43<br />

Eine weitere Einschränkung enthält die Bewehrung des Art. 24 Abs. 1 LStVG. Sie ist<br />

in Art. 24 Abs. 5 Nr. 1 LStVG enthalten und bestimmt, dass derjenige, der sich auf<br />

einer als solche gekennzeichneten Hauptabfahrt zur Zeit des Sportbetriebs zu anderen<br />

Zwecken als denen des Skifahrens aufhält, mit Geldbuße belegt werden kann.<br />

Bußgeldbewehrt ist daher nur der unerlaubte Aufenthalt während der Pistenöffnung.<br />

44 Nach der abendlichen Pistenschließung und vor der morgendlichen Pistenöffnung<br />

greift die Bußgeldvorschrift von vornherein nicht ein.<br />

7.2 Vorübergehende Einschränkung des Sportbetriebs zur Gefahrenabwehr<br />

(Art. 24 Abs. 2, 6 Nr. 1 LStVG)<br />

Nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 LStVG können die Gemeinden durch Anordnung für den<br />

Einzelfall den Sportbetrieb auf einer Hauptabfahrt oder auf einer sonstigen Skiabfahrt,<br />

vorübergehend untersagen oder beschränken, wenn dies zur Verhütung von<br />

Gefahren oder sonst aus wichtigen Gründen erforderlich ist. Nach Art. 24 Abs. 6 Nr.<br />

1 LStVG kann mit Geldbuße belegt werden, wer als Skifahrer gegen eine nach Art.<br />

24 Abs. 2 Satz 1 LStVG vollziehbare Anordnung verstößt.<br />

7.2.1 Voraussetzungen<br />

a) Geltungsbereich<br />

Die Vorschrift gilt nicht nur Hauptabfahrten sondern für Skiabfahrten generell. 45<br />

b) Sportbetrieb<br />

Auf der anderen Seite bezieht sich die Untersagung oder Beschränkung lediglich auf<br />

den Sportbetrieb. Sie kann den aufsteigenden Skifahrer daher nur dann erfassen,<br />

wenn auch das Aufsteigen mit Ski zur Sportart Skifahren gezählt wird. Dasselbe gilt<br />

für die Bußgeldvorschrift, die sich ausdrücklich nur auf „Skifahrer“ bezieht (Abschn.<br />

4.2, 7.1,7.2.3 und 7.4).<br />

c) Verhütung von Gefahren, sonstige wichtige Gründe<br />

Die Untersagung oder Beschränkung des Sportbetriebs setzt voraus, dass dies zur<br />

Verhütung von Gefahren oder sonst aus wichtigen Gründen erforderlich ist. Bei den<br />

43<br />

44<br />

45<br />

Stöckel in Bengl/Berner/Emmerig, Art. 24 Rn 7 aa.<br />

Stöckel in Bengl/Berner/Emmerig, Art. 24 Rn 7 bb.<br />

Stöckel in Bengl/Berner/Emmerig, Art. 24 Rn 8.<br />

45


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Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

Gefahren muss es sich um konkrete Gefahren handeln. 46 Eine konkrete Gefahr ist<br />

eine Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens<br />

im Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden führt. 47<br />

Dazu gehören etwa starke Vereisung, Lawinengefahr durch Neuschnee oder Einsetzen<br />

warmen Wetters, Steinschlaggefahr, Sturm mit der Gefahr umstürzender Bäume,<br />

unaufschiebbare Baumaßnahmen, Holzabfuhr etc. 48 Nicht ausreichend sind abstrakte<br />

Gefahren 49 , die sich aus einer Kollision von Skifahrern ergeben können, die sich<br />

über die auf der Piste geltenden Regeln hinwegsetzen (s dazu oben Abschn. 4.1).<br />

Dies gilt für abfahrende wie für aufsteigende Skifahrer gleichermaßen.<br />

Wichtige Gründe, die sonst die Untersagung oder Beschränkung des Sportbetriebs<br />

rechtfertigen können, sind Gründe, die nicht unmittelbar der Verhütung von Gefahren<br />

dienen, ihr aber in ihrem Gewicht gleichkommen. Genannt werden das Herrichten<br />

der Abfahrtsstrecke oder die Schonung für bevorstehende Sportveranstaltungen. 50<br />

Auch Art. 24 Abs. 2 LStVG ist eine Vorschrift des Gefahrenabwehrrechts, so dass<br />

wirtschaftliche Interessen des Liftbetreibers als wichtige Gründe im Sinne dieser<br />

Norm nicht in Betracht kommen.<br />

d) Nur vorübergehend<br />

Die Untersagung oder Einschränkung des Sportbetriebs darf nur vorübergehend erfolgen.<br />

Sie darf also nicht die gesamte Dauer des Sportbetriebs, etwa die gesamte<br />

Zeit nach der winterlichen Eröffnung des Skibetriebs, erfassen. Vielmehr hat sie sich<br />

auf den Zeitpunkt zu beschränken, in dem die konkrete Gefahr oder der sonst wichtige<br />

Grund besteht.<br />

e) Nur bei Verhältnismäßigkeit<br />

Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />

(Art. 8 LStVG). Eine Untersagung oder Beschränkung des Sportbetriebs kommt daher<br />

nicht in Betracht, wenn andere Maßnahmen, etwa das Aufstellen eines Warnschilds<br />

an einer unübersichtlichen Stelle, ausreichen.<br />

46<br />

Nr. 6.4 der Vollzugsbekanntmachung zum LStVG (VollzBekLStVG) in Verbindung mit Nr. 2.2 der Vollzugsbekanntmachung<br />

zum Polizeiaufgabengesetz (VollzBekPAG). Die beiden Verwaltungsvorschriften können über<br />

Bayern-Recht online abgerufen werden.<br />

47<br />

Nr. 2.2 VollzBekPAG.<br />

48<br />

Nr. 24.2 VollzBekLStVG; Stöckel in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG-Kommentar, Art. 24 Rn 4.<br />

49<br />

Eine abstrakte Gefahr ist eine Sachlage, aus der nach allgemeiner Lebenserfahrung konkrete Gefahren im<br />

Einzelfall entstehen können (Nr. 2.2 VollzBekPAG).<br />

50<br />

Nr. 24.2 VollzBekLStVG; Stöckel in Bengl/Berner/Emmerig, Art. 24 Rn 4.<br />

46


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7.2.2 Verfahren<br />

Der vorübergehende Charakter der Untersagung oder Beschränkung des Sportbetriebs<br />

wird dadurch bestätigt, dass sie nicht durch Rechtsverordnung, sondern durch<br />

Anordnung für den Einzelfall zu erfolgen hat. Diese Anordnung, die hier in Form einer<br />

Allgemeinverfügung 51 ergeht 52 , kann schriftlich, mündlich (auch fernmündlich 53 ),<br />

elektronisch oder in anderer Weise erlassen werden. 54 Der Erlass in anderer Weise<br />

kann insbesondere durch das Aufstellen von Schildern erfolgen. 55 Dies wird für die<br />

Untersagung oder Beschränkung des Sportbetriebs auf Skipisten ausdrücklich vorgeschrieben.<br />

56<br />

Damit die Anordnung für den Einzelfall wirksam wird, muss sie dem jeweiligen Betroffenen<br />

bekanntgegeben werden. 57 Erfolgt die Anordnung durch ein Schild, so ist<br />

die Bekanntmachung dann gegeben, wenn der Betroffene das Schild wahrgenommen<br />

hat. 58<br />

Die durch Schild erlassenen Untersagungen oder Beschränkungen des Sportbetriebs<br />

auf einer Piste werden üblicherweise nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.<br />

Es gilt daher eine Rechtsbehelfsfrist von einem Jahr. 59 Dies kann insbesondere<br />

dann von Bedeutung werden, wenn eine Gemeinde entgegen Art. 24 Abs. 2 LStVG<br />

keine vorübergehende, sondern eine dauernde Sperre angeordnet hat.<br />

Als förmlicher Rechtsbehelf gegen die Anordnung ist die Klage zum Verwaltungsgericht<br />

gegeben. 60 Daneben steht als nicht förmlicher Rechtsbehelf die Dienstaufsichtsbeschwerde<br />

zum Landratsamt zur Verfügung.<br />

7.2.3 Geldbuße<br />

a) Täterschaft<br />

Nach Art. 24 Abs. 6 Nr. 1 Buchst. a LStVG kann mit Geldbuße belegt werden, wer als<br />

51<br />

52<br />

53<br />

54<br />

55<br />

56<br />

Art. 35 Abs. 2 des Bayer. Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG).<br />

Stöckel in Bengl/Berner/Emmerig, Art. 24 Rn 4.<br />

Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, §37 Rn 77.<br />

Art. 37 Abs. 2, Art. 41 BayVwVfG.<br />

Stelkens/Bonk/Sachs §37 Rn 79.<br />

Art. 24 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b LStVG in Verbindung mit §2 der Kennzeichnungsverordnung. Nach Hammerstingl<br />

S. 298 ergibt sich daraus, dass dies hier die einzig mögliche Form der Anordnung ist. Im Hinblick darauf,<br />

dass die Anordnung der Verhütung einer konkreten Gefahr dienen muss, erscheint dies konsequent.<br />

57<br />

Art. 43 Abs. 1 BayVwVfG.<br />

58<br />

Stelkens/Bonk/Sachs §37 Rn 101.<br />

59<br />

§58 Abs. 1, §70 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO); Stelkens/Bonk/Sachs §37 Rn 76.<br />

60<br />

Art. 15 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO).<br />

47


Dr. Klaus Weber / Peter Janssen<br />

Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

Skifahrer gegen eine Aufgrund des Absatzes 2 Satz 1 erlassene vollziehbare Anordnung<br />

verstößt. Täter kann nach dem klaren Wortlaut daher nur ein Skifahrer sein. 61<br />

Die Vorschrift kann deshalb aufsteigende Skifahrer nur dann erfassen, wenn auch<br />

der Aufstieg zum Skifahren gerechnet wird (Abschn. 4.2., 7.1, 7.2.1 und 7.4).<br />

b) Vollziehbarkeit<br />

Vollziehbar ist die Anordnung, wenn sie nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln<br />

angefochten werden kann oder wenn ihre Vollziehung angeordnet ist. 62 Nach §80<br />

Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind unaufschiebbare Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten<br />

sofort vollziehbar. Auf Allgemeinverfügungen, die durch das Aufstellen<br />

von Verkehrsschildern erlassen werden, wird diese Vorschrift entsprechend<br />

angewandt. 63 Es spricht einiges dafür, diese Regel auch auf eine Anordnung, die zur<br />

Untersagung oder Beschränkung des Sportbetriebs auf einer Skipiste erlassen wird,<br />

entsprechend anzuwenden, jedenfalls wenn die Anordnung durch das Aufstellen der<br />

in der Kennzeichnungsverordnung genannten Schilder erfolgt. Auch eine solche Anordnung<br />

setzt voraus, dass eine konkrete Gefahr verhütet wird, und ist daher mit der<br />

Verfügung eines Polizeivollzugsbeamten vergleichbar.<br />

Der Verstoß gegen eine solche Anordnung kann daher von vornherein mit Geldbuße<br />

geahndet werden. Auch hat eine Klage keine aufschiebende Wirkung (§80 Abs. 2 Nr.<br />

2 VwGO). Allerdings kann das Verwaltungsgericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung<br />

anordnen (§80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Ein solcher Antrag kann schon vor Erhebung<br />

der Klage gestellt werden (§80 Abs. 5 Satz 2 VwGO).<br />

7.3 Rechtsverordnung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern – Art.<br />

24 Abs. 3 Nr. 1 LStVG<br />

Nach Art. 24 Abs. 3 Nr. 1 LStVG kann das Staatsministerium des Innern durch Verordnung<br />

zur Verhütung von Gefahren für Leben oder Gesundheit oder zum Schutz<br />

vor erheblichen Nachteilen das Verhalten beim Skifahren regeln. Bisher ist eine solche<br />

Verordnung nicht ergangen. Von den Liftbetreibern wird dies bedauert 64 , ob zu<br />

Recht, muss bezweifelt werden. Auch eine solche Regelung könnte nicht ins Blaue<br />

61<br />

62<br />

63<br />

Hammerstingl [Fn 3] S. 297.<br />

S auch Art. 4 Abs. 2 LStVG.<br />

BVerwG NVwZ 1988, 633; Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2008, 2867; Stelkens/Bonk/Sachs §35 Rn<br />

331; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Loseblattausgabe, Stand <strong>2011</strong>,<br />

§80 Rn 150.<br />

64<br />

Katschthaler/Mayer SpuRt <strong>2011</strong>, 46 [49].<br />

48


Dr. Klaus Weber / Peter Janssen<br />

Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

hinein erlassen werden, sondern müsste der Gefahrenabwehr dienen. 65 Eine Orientierung<br />

an den FIS-Regeln läge daher nahe. Eine Abweichung von diesen Regeln zu<br />

Lasten der aufsteigenden Skifahrer hätte keinen sachlichen Grund. Sie würde auch<br />

mit der Ermächtigungsgrundlage nicht in Einklang zu bringen sein.<br />

7.4 Grob rücksichtslose Gefährdung eines anderen – Art. 24 Abs. 6 Nr. 3<br />

LStVG<br />

Nach Art. 24 Abs. 6 Nr. 3 LStVG kann mit Geldbuße belegt werden, wer als Skifahrer<br />

grob rücksichtslos Leib oder Leben eines anderen gefährdet. Nicht notwendig ist,<br />

dass der andere verletzt wird. Täter kann nur ein Skifahrer sein; dabei ist es gleichgültig,<br />

ob er abfährt, aufsteigt oder sich sonst auf der Piste aufhält. 66<br />

Der Betroffene gefährdet dann Leib oder Leben eines anderen, wenn er die Regeln,<br />

die sich für das Skifahren herausgebildet haben, namentlich die FIS-Regeln 67 , außer<br />

Acht lässt und dadurch eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben des anderen herbeiführt.<br />

68<br />

Die Gefährdung muss grob rücksichtslos erfolgen. Rücksichtslos handelt, wer sich<br />

aus eigensüchtigen Gründen über seine Pflichten gegenüber den anderen Skifahrern<br />

hinwegsetzt oder aus Gleichgültigkeit von vornherein Bedenken gegen sein Verhalten<br />

nicht aufkommen lässt. 69 Eine grob rücksichtslose Gefährdung anderer kann<br />

nicht nur durch Abfahrer eintreten, die sich bedenkenlos über die FIS-Regel Nr. 2<br />

hinwegsetzen, sondern ebenso durch aufsteigende Skifahrer, die ohne Rücksicht auf<br />

die Abfahrer zu nehmen, pulkartig und ohne Abstände die Piste queren oder sonst<br />

nicht den Pistenrand nutzen. 70<br />

8. „Wehret den Anfängen“<br />

Die Sperrung von Skipisten für Tourengeher wäre ein schwerwiegender Bezugsfall<br />

weit über den Skisport hinaus. Erstmalig in Bayern würden erhebliche Teile der freien<br />

Natur dem jedermann zustehenden Betretungsrecht entzogen und ausschließlich<br />

65<br />

Dies gilt auch, soweit die Vorschrift von erheblichen Nachteilen spricht. Auch dabei darf es sich nur um Nachteile<br />

im Sinne des Gefahrenabwehrrechts handeln. Wirtschaftliche Interessen der Liftbetreiber gehören nicht dazu<br />

(Schiedermair/König/Körner, Landesstraf- und Verordnungsgesetz Bayern, 4. Aufl. 2009, S. 148; Hammerstingl<br />

[Fn 3] S. 283.<br />

66<br />

Stöckel in Bengl/Berner/Emmerig, Art. 24 Rn 8c bb.<br />

67<br />

Zu deren Rechtsnatur s Fn 4.<br />

68<br />

Stöckel in Bengl/Berner/Emmerig, Art. 24 Rn 8c cc; Schiedermair/König/Körner S. 149; aA. allerdings wenig<br />

überzeugend Hammerstingl [Fn 3]S. 301.<br />

69<br />

Stöckel in Bengl/Berner/Emmerig, Art. 24 Rn 8c dd; Fischer, StGB, 58. Aufl. <strong>2011</strong>, § 315c Rn 14.<br />

70<br />

Stöckel in Bengl/Berner/Emmerig, Art. 24 Rn 8c dd.<br />

49


Dr. Klaus Weber / Peter Janssen<br />

Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

einem gewerblichen Unternehmen und dessen Kunden überlassen. Darauf können<br />

sich zahlreiche andere Interessengruppen berufen, die durchaus verständliche und<br />

für ihre individuellen Interessen wichtige Gründe für die Sperrung weiterer Gebiete<br />

vorzubringen haben. Man denke an die Almbauern, deren Weidevieh durch Bergwanderer<br />

gestört wird und Wanderer, vergleichbar mit der angeblichen Kollisionsgefahr<br />

auf Skipisten, attackieren kann. Man denke an die Jäger, die gerne eine Beunruhigung<br />

des Wildes durch Wanderer vermeiden würden, um ihr Abschlusssoll zu<br />

erfüllen und Schälschäden im Wald zu reduzieren. Insoweit würden sie an einem<br />

Strang mit den Waldbesitzern ziehen, die einfacher und preisgünstiger ihre Wälder<br />

bewirtschaften könnten, wenn sie nicht auf Wanderer Rücksicht nehmen müssten.<br />

Vor etwa 30 Jahren gab es in Bayern bereits den Versuch, großflächige „Wildschutzgebiete“<br />

mit Ausschluss der Allgemeinheit einzurichten; dieser Versuch ist gescheitert<br />

und man sollte keinem erneuten Versuch Vorschub leisten.<br />

Zurück zu den Tourengehern auf Skipisten: Dass die Liftbetreiber sie zu dulden haben,<br />

ist auch ein gerechter Ausgleich für die Nutzung und Beeinträchtigung wertvoller<br />

Landschaftsteile für ihre Pisten- und Liftanlagen.<br />

9. Blick in die Zukunft<br />

Anknüpfend an die im ersten Abschnitt dargestellten Vorteile für alle Beteiligten sollte<br />

man das Tourengehen mit Pistennutzung als Chance sehen, nicht als Last.<br />

9.1 Tourengehen touristisch wertvoll<br />

Wer am Skitourismus langfristig Geld verdienen will, sollte die Tourengeher für seinen<br />

Skiort und sein Skigebiet aktiv gewinnen. Sie stellen ein erhebliches Kundenund<br />

Gästepotenzial für die Geschäfte, Gaststätten und Hotels dar. Viele machen<br />

nicht ausschließlich Skitouren, sondern nutzen je nach Laune und Wetterlage auch<br />

die Liftanlagen oder sie kommen mit Freunden und Angehörigen, die lieber lifteln als<br />

Tourengehen. Insgesamt tragen sie zur Belebung der Orte und Skigebiete bei. Außerdem<br />

lässt auch bei Tourengehern im Alter die Konstitution nach und mancher<br />

wird gerne auf den Liftsessel umsteigen.<br />

Das Tourengehen garantiert Gäste und Umsätze auch in Zeiten, wenn der Pistenskisport<br />

an Attraktivität nachlässt, wie in den vergangenen Jahrzehnten durchaus zu<br />

beobachten war. Die Skiregionen sichern sich vorausschauend ein zweites Standbein.<br />

50


Dr. Klaus Weber / Peter Janssen<br />

Touren auf Skipisten: Betretungsrecht und sonstige Aspekte<br />

Deshalb darf man Tourengeher, auch wenn sie den Liftbetreibern gegenwärtig keinen<br />

Profit bringen, keinesfalls durch Verbote vergraulen. Wer einmal verärgert aus<br />

einem Skigebiet abreist, weil er dort seinen Sport nicht ausüben durfte, kommt nie<br />

wieder, auch nicht im Sommer, und er wird jedem in seinem Bekanntenkreis von diesem<br />

Gebiet abraten. Es entsteht ein nachhaltiger Image- und Umsatzschaden für die<br />

ganze Region.<br />

9.2 Lösungsansätze<br />

Deshalb sind einvernehmliche und qualitativ gute Angebote zwingend nötig. Dazu<br />

folgende Ansätze 71 :<br />

- Individuelle Lösung für jedes strittige Gelände.<br />

- Verzicht auf „Sperrungen“ und „Verbote“ durch die Liftbetreiber. Stattdessen Hinweis-<br />

und Warnschilder für Tourengeher und für Pistenfahrer.<br />

- Anlegung und Markierung einer attraktiven, auch für ungeübte Tourengeher geeigneten<br />

Aufstiegsspur außerhalb der Piste durch den Liftbetreiber.<br />

- An Zwangspunkten ohne Trennbarkeit von Aufstiegsspur und Piste, z. B. an Engstellen<br />

oder an Kreuzungen, Anbringung von Warnschildern für Tourengeher und<br />

Pistenfahrer.<br />

- Umfassende Aufklärung der betroffenen Öffentlichkeit. Allgemein und über die<br />

örtlichen Lösungen.<br />

- Fazit: Eine gemeinsame Lösung für jedes Gelände ist für alle Beteiligten das sicherste,<br />

wirtschaftlichste, naturverträglichste und gerechteste Ergebnis.<br />

71<br />

S auch Beschluss der Kommission Recht des DAV vom 22.01.<strong>2011</strong>.<br />

51


Josef Rottmoser / Toni Plazer / Philipp Reiter<br />

Touren auf Skipisten aus Sicht der Leistungssportler<br />

Touren auf Skipisten aus Sicht der Leistungssportler<br />

Josef Rottmoser / Toni Palzer / Philipp Reiter<br />

Die drei Spitzensportler Toni Palzer, Philipp Reiter<br />

und Obergefreiter Josef Rottmoser (alle drei<br />

befinden sich im Nationalkader Skibergsteigen)<br />

waren auf dem alpinen <strong>Symposium</strong> als Referenten<br />

tätig. Sie schilderten dem Publikum ihre<br />

Sichtweise und Erfahrungswerte zum Thema Skitouren<br />

auf Skipisten.<br />

Nach der Vorstellung und Einleitung zu 'Touren auf Skipisten aus Sicht der Leistungssportler'<br />

von OG Rottmoser, begann Palzer mit dem ersten Punkt 'Trainingsgebiet<br />

Skipiste', gefolgt von OG Rottmoser mit 'Gefahren und Konfliktpotenzial'. Mit 'Lösungsvorschläge'<br />

rundete Reiter das Thema gelungen ab.<br />

1. Trainingsgebiet Skipiste<br />

Immer mehr (leistungsorientierte) Skibergsteiger sind auf Skipisten anzutreffen, Ddie<br />

Hauptgründe hierfür sind:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Effektives Training<br />

<strong>Sicherheit</strong>saspekte<br />

Schneesicherheit durch Beschneiung<br />

Ausgeprägte Infrastruktur<br />

1.1 Effektives Training:<br />

Durch die Pistenpräparation ist eine flexible Spurwahl im Aufstieg sowie in der Abfahrt<br />

möglich, daher fällt die kräftezehrende Spurarbeit bei Neuschnee weg und man<br />

kann somit professioneller trainieren. Dadurch, dass im Regelfall auf renommierten<br />

Skipisten meist mehr gleichgesinnte Sportler unterwegs sind steigt auch die Motivation<br />

beim Training, da man sich sportlich messen kann. Auch das sogenannte 'Höhenmetersammeln'<br />

gelingt bestens auf den Skipisten. Vielen Sportlern bedeutet die<br />

53


Josef Rottmoser / Toni Plazer / Philipp Reiter<br />

Touren auf Skipisten aus Sicht der Leistungssportler<br />

Gesamthöhenmeterzahl nach der Saison sehr viel. Dass man auf präparierten Pisten<br />

mehr Höhenmeter mit geringerem Aufwand zurücklegt, als im Gelände, erscheint<br />

auch logisch.<br />

1.2. <strong>Sicherheit</strong>saspekte<br />

Besonders für die Einsteiger und die Leistungssportler bietet eine Skipiste im Bezug<br />

auf <strong>Sicherheit</strong> eine optimale Trainingsstätte. In Skigebieten wird die Lawinengefahr,<br />

verglichen mit alpinem Gelände, um auf ein vielfaches minimiert. Das Training kann<br />

auch bei Schlechtwetter ausgeführt werden, da man sich auf einer gesicherten Piste<br />

bewegt. Besonders im Hinblick auf 'Training am Abend' kommen die Flutlichtanlagen<br />

den Sportlern sehr entgegen. Sollte sich bei der sportlichen Aktivität ein Unfall ereignen<br />

kann man auf eine rasche Unfallhilfe zählen. Sollte sich ein plötzlicher Wetterumschwung<br />

ereignen ist ein sofortiger Rückzug durch einfache Orientierung möglich.<br />

1.3 Schneesicherheit durch Beschneiung:<br />

Skipisten befinden sich oft schon im Frühwinter in einem tadellosen Zustand, Grund<br />

hierfür sind die Beschneiungsanlagen. Dadurch ist ein früher Saisonstart, der vor allem<br />

für die Leistungssportler wichtig ist, möglich.<br />

Auch die Sportausrüstung wird auf den Pisten, im Gegensatz zum freien Gelände<br />

(Steinkontakt etc.) geschont.<br />

1.4 Ausgeprägte Infrastruktur:<br />

Die meist gute Verkehrsanbindung zu Skigebieten ermöglicht eine zügige und, problemlose<br />

Anreise die besonders auch am Abend eine große Rolle spielt. Vorhandene<br />

Parkplätze und Gastronomieeinrichtungen werden vor allem an einem 'Tourengeherabend'<br />

sehr gut angenommen, und ermöglichen eine komfortable Rast.<br />

2. Gefahren und Konfliktpotenzial<br />

2.1 Pistenpräparation<br />

Die Präparation mit Pistenraupen am Seil stellt eine der größten Gefahren für den<br />

54


Josef Rottmoser / Toni Plazer / Philipp Reiter<br />

Touren auf Skipisten aus Sicht der Leistungssportler<br />

Skitourensportler dar. Besonders in der Dämmerung oder am Abend ist das Stahlseil<br />

nur schwer erkennbar und kann, besonders wenn dies auf einer Länge bis zu 2000m<br />

gespannt ist, zu lebensgefährlichen Verletzungen führen. Auch bei der Pistenpräparation<br />

mit Schneekanonen können teilpräparierte Abschnitte eine Gefahr bedeuten,<br />

besonders wenn diese dann vereist sind. Sollten Pisten nach erheblichen Neuschneezuwachs<br />

durch Lawinen bedroht sein, werden die gefährdeten Abschnitte mittels<br />

Lawinensprenung entschärft. Wenn sich in diesen Zeitraum Skitourengeher auf<br />

Pisten befinden stellt diese Präventionsmaßnahme ebenfalls ein großes Risiko dar.<br />

2.2 Abfahrende Wintersportler<br />

Ist der Winter mal wieder schneearm, oder herrschen kritische Bedingungen abseits<br />

der Piste, zeigt der Trend dass immer mehr Skitourengeher die Piste als Alternative<br />

zu einer 'richtigen' Skitour nutzen. Problematisch wird es dann wenn dies noch dazu<br />

am Wochenende, in den Ferien oder an Feiertagen stattfindet. Ohnehin befinden<br />

sich schon fast zu viele Abfahrer auf der Piste ehe dann noch Tourengeher aufsteigen.<br />

Das Risiko als Aufsteiger steigt dann besonders in unübersichtlichen Passagen<br />

wie Geländekanten, Kuppen, Abzweigungen etc., mit einen Skifahrer zu kollidieren.<br />

2.3 Pauschale Pistensperrungen<br />

Besonders in der frühen Saison und nach Betriebsschluss der Seilbahnbetreiber<br />

kann man oft rote Schilder mit 'Gesperrt' erkennen. Skitourengeher finden das meist<br />

nicht fair, da der Pistenbetreiber nicht die 'freie Natur' als sein Eigentum bezeichnen<br />

darf und einfach sperrt.<br />

2.4 Gebühr für Outdoorsport<br />

In einigen Skigebieten wird seit den letzten Jahren eine Gebühr für das Benützen der<br />

Piste erhoben. Wenn sich schon viele Tourengeher an der frischen Luft mit eigener<br />

Kraft nach oben bewegen ist es dann Fair eine Gebühr zu erheben?<br />

55


Josef Rottmoser / Toni Plazer / Philipp Reiter<br />

Touren auf Skipisten aus Sicht der Leistungssportler<br />

3. Lösungsvorschläge<br />

3.1 Markierte und separierte Aufstiegsspuren<br />

Manche Seilbahnbetreiber (z.B. Zugspitzbahn) reagieren positiv auf den seit Jahren<br />

anhaltenden Trend der Skitourengeher und kooperieren mit separaten Aufstiegsspuren.<br />

Das Risiko für einen Unfall mit abfahrenden bzw. aufsteigenden Wintersportler<br />

wird somit minimiert. Man sieht, dass diese Alternativen gut angenommen werden<br />

und auch die Region finanziell, im Hinblick auf eine Einkehr oder Übernachtung, profitiert.<br />

3.2 Ausgewiesene Abfahrten<br />

Wenn es separate Aufstiegsspuren gibt, braucht es auch eine ausgewiesen Abfahrt<br />

damit das System funktioniert. Die Skigebiete (s. Pkt. 3.1) welche schon einen separaten<br />

Aufstieg ausschildern, machen dies auch in der Abfahrt.<br />

3.3 Erhöhte Parkgebühr als Aufwandsentschädigung<br />

Auch diese These ermöglicht einen unbürokratischen, schnellen und effektiven Ausgleich<br />

für die Benutzung der Skipiste. Die Personen welche die Liftunterstützung nutzen<br />

bekommen die Parkgebühr erstattet, bzw. mit dem Liftpass<br />

verrechnet.<br />

3.4 Ausgeschriebene Tourenabende<br />

Viele Skigebiete ermöglichen den Tourengehern mind. einen Abend in der Woche wo<br />

die Pisten länger genutzt werden dürfen. Darüber freuen sich nicht nur die Aufsteiger,<br />

sondern auch die Gastronomen am Berg die über diesen Weg eine zusätzliche Einnahmequelle<br />

haben.<br />

56


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

Dr. Klaus Burger 1<br />

I. Einleitung und Zusammenfassung<br />

Folgende Feststellungen und Gedanken sind Ausgangspunkt<br />

gesellschaftlicher und juristischer Betrachtungen zum Thema<br />

Risiko:<br />

Der Bergsport entwickelte sich zum Breitensport.<br />

Die letzten Jahrzehnte waren geprägt von <strong>Sicherheit</strong>sbestreben.<br />

<strong>Sicherheit</strong> und Risikomanagement<br />

bildeten die Parameter alpiner Diskussion und Publikation<br />

in den Verbänden. Der Begriff Risiko hatte dabei geringe Sympathiewerte.<br />

Zunehmend entwickelt sich nun eine Diskussion um das Recht auf Risiko.<br />

Der Begriff Risiko wird dabei positiv belegt. Der International Mountain<br />

Summit (IMS) in Südtirol positionierte das „Recht auf Risiko“ als<br />

Leitthema seines Kongresses im Oktober/November 2010 in Brixen. Alpenvereine<br />

fordern einen positiven Umgang mit Risiko 2 .<br />

Freilich ist nicht von einem Paradigmenwechsel weg von <strong>Sicherheit</strong> hin zu Risiko zu<br />

sprechen. Dies wäre auch ein falscher Weg. Die Diskussion um das Recht auf Risiko<br />

wird aber, so der Eindruck, nicht immer offen und geradlinig geführt. So fällt auf:<br />

Risikofreude und Risikoakzeptanz halten sich nur die Waage, sofern kein<br />

schwerer Unfall zu beklagen ist.<br />

Bergsteigen und Klettern wurde Breitensport. Der Bergsportler wird,<br />

auch wenn er dies nicht gerne hört, zunehmend zum „Verbraucher“, der<br />

seine Rechte sucht und wahrnimmt. Outdoor - Konsument und Outdoor -<br />

Management fordern das Recht. Tritt der Ernstfall, sprich Schaden ein,<br />

1<br />

Der Autor ist 1. Vorsitzender des Deutschen Gutachterkreises für Alpinunfälle, alpine Ausrüstung und Materialprüfung,<br />

Bereitschafts- und Einsatzleiter der Bergrettungswache Bad Reichenhall, Ausbilder in der Bergwacht<br />

Bayern sowie Richter und stellv. Direktor des Amtsgerichts Laufen im Berchtesgadener Land.<br />

2<br />

Vgl. Larcher <strong>Sicherheit</strong> & Risiko, Der Balanceakt im Alpenverein, Bergauf, 3/<strong>2011</strong>, 6. DAV Panorama1/<strong>2011</strong>,<br />

11. Burger, Risiko, warum nicht?, bergundsteigen 2/<strong>2011</strong>, 30.<br />

57


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

so wird vermehrt der Unfallort zum Tatort. Unglück und Not gelten heute<br />

immer weniger als Schicksal.<br />

Die fortschreitende Standardisierung, EN-Normierung sowie zahlreiche<br />

Publikationen und Erkenntnisse führen dazu, dass die Sorgfaltspflichtanforderungen<br />

und damit auch die rechtlichen Anforderungen im alpinen<br />

Geschehen steigen. Diese Entwicklung wird bisweilen mehr und mehr<br />

auch kritisch betrachtet, insbesondere aus fachlicher Sicht unter dem<br />

Gesichtspunkt, dass immer weniger Eigenverantwortung gefordert wird.<br />

Eigenverantwortliche Selbstgefährdung besagt, unter welchen Voraussetzungen<br />

Bergsteiger bei gemeinsamer Sportausübung eigenverantwortlich handeln. Liegen<br />

die Voraussetzungen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung vor, wird insofern Risiko<br />

strafrechtlich akzeptiert.<br />

II. Risiko – eine gesellschaftliche Betrachtung<br />

Risiko 3 und Wagnis begleiten den Menschen seit jeher auf der Suche nach neuen<br />

Lebensbereichen und Erfahrungen, sie sind notwendiger Teil der Evolution. 4 Menschen,<br />

die gelernt haben, Risiken einzugehen und zu akzeptieren, stellen sich den<br />

Fragen der Wissenschaft und der Forschung. Menschen mit Mut zum Risiko tragen<br />

erheblich zu einer funktionierenden Gesellschaft bei.<br />

Berge ohne Gefahr sind keine Berge. 5 Alpinismus und Risiko waren nie Gegensätze.<br />

Ein Blick in die gängige alpine Literatur über die Eroberung von Gipfeln und Wänden<br />

genügt.<br />

3<br />

Als Risiko kann im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung das Produkt aus der Wahrscheinlichkeit eines Schadeneintritts<br />

und den möglichen Folgen bezeichnet werden, vgl. Leitfaden zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung<br />

im Feuerwehrdienst, Bay. GUV 2010, 13.<br />

4<br />

Vgl. Messner, Westwand, 2010, 213.<br />

5<br />

Messner, Leidenschaft für Grenzerfahrungen, in: Stimmen vom Gipfel, National Geographic, 2004, 476. Vgl.<br />

Kammerlander, Spiel mir das Lied vom Tod, in: Abstieg zum Erfolg, 2000, 66.<br />

58


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

Bilder: Archiv Burger, BRK BGL<br />

Der schreckliche Unfall bei „Wetten, dass ..?“ am 4. Dezember 2010 katapultierte die<br />

Diskussion um erlaubtes Risiko im Sport und öffentliche Verantwortung medial auf<br />

die ersten Seiten der Boulevardpresse und machte damit das Feld „Risiko, Sport und<br />

Unterhaltung“ zu einem Top-Thema in Nachrichten und Talkshows unterschiedlichster<br />

Qualität. 6<br />

Die öffentliche Empörung irritiert. Es fehlen zwar Zahlen, wie viele Seilartisten, Löwen-<br />

und Bärenbändiger in voll besetzten Manegen oder auf Jahrmärkten in den<br />

letzten Jahrhunderten ihr Leben ließen; wenige waren es sicher nicht, freilich nicht<br />

live vor einem Millionenpublikum in öffentlich-rechtlichem Sendeformat. Aber Risiko<br />

im Fernsehen ist nicht neu. Bereits seit längerer Zeit pflegen private TV-Spektakel,<br />

wie beispielsweise „Schlag den Raab“, einen lukrativen und voyeuristischen Umgang<br />

mit Sportakrobatik und Verletzungsrisiko, vorwiegend mit Sportdisziplinen der dritten<br />

Art, wie Wok-Eiskanalrennen.<br />

Und nicht auszublenden ist die kommerzielle Vermarktung des Sportrisikos durch<br />

den Getränkehersteller Red Bull, der gezieltes Sponsoring von Risikosportlern wie<br />

Basejumpern, Wingsuitern, Kitesurfern oder Wildwasserkajakern betreibt und die Bilder<br />

auf Wunsch der Sportler nicht nur einer Fangemeinde, sondern staunendem<br />

6<br />

Neulich: Der Spiegel, 4/<strong>2011</strong>, Freispruch vom Gutachter, unter Bezugnahme auf eine Expertise Brüggemann,<br />

Institut für Biomechanik und Orthopädie, Deutsche Sporthochschule Köln, Januar <strong>2011</strong>.<br />

59


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

Publikum im Fernsehen (Servus TV) oder mittels Handy-Fernsehen anbietet. Medien<br />

fragten aus tödlichem Anlass: „Geht Red Bull über Leichen?“ 7<br />

Das Spektakel geht weiter und hat offenbar eine große Zukunft vor sich, was auch<br />

das Format „Jackass“ des Musiksenders MTV beweist. Darsteller zeigen hier lebensgefährliche<br />

Stunts, nach deren Sinnhaftigkeit man auch nur ansatzweise vergebens<br />

suchen wird.<br />

Die Diskussion um Risiko ist zu objektivieren. Es drängen sich zunächst folgende<br />

Fragen auf: Was trägt die Statistik zur Versachlichung des Themas Risiko bei? Und<br />

was sagt die Verfassung? Gibt es ein verbürgtes Recht auf Risiko?<br />

III. Statistik im Bergsport<br />

Spitzenreiter bei der Unfallhäufigkeit ist nach Zahlen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz<br />

und Arbeitsmedizin in Deutschland der Fußball, gefolgt von Hand-, Volleyund<br />

Basketball. 8 In der Schweiz sind Wintersport und Ballspiele etwa je zu einem<br />

Drittel die Sportarten mit den häufigsten Unfällen. Auch in Österreich dürfte die Sachlage<br />

nicht anders sein. 9<br />

Bergsportunfälle liegen weit abgeschlagen noch hinter Wassersport- oder Rollerunfällen.<br />

Nach Einschätzung des Deutschen Alpenvereins auf der Grundlage der dort<br />

erhobenen Bergunfallstatistik entspricht die Darstellung vom gefährlichen Bergsport<br />

nicht der Realität. Wandern, Bergsteigen und Klettern gehören zu den Sportarten mit<br />

dem geringsten Verletzungsrisiko bei gleichzeitig größtem Fitnessgewinn. 10<br />

Das Wandern und der Alpinschilauf sind dabei die unfallträchtigsten Bergsportarten.<br />

Dabei dürfte der Anteil internistisch bedingter tödlicher Unfälle beim Wandern sehr<br />

hoch liegen. 11<br />

Anders hingegen die Sachlage, wenn man die tödlichen Unfälle nach Sportartengruppen<br />

analysiert. In der Schweiz zählt man die häufigsten tödlichen Unfälle im<br />

7<br />

Die Presse, 17.11.2009, Tod eines Extremsportlers.<br />

8<br />

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund, Sportunfälle 2000, unter www.baua.de<br />

9<br />

Vgl. für Österreich, Alpinunfälle, Statistik, in analyse: berg, Sommer <strong>2011</strong>, Österreichisches Kuratorium für<br />

alpine <strong>Sicherheit</strong>, 11, mwN.<br />

10<br />

Randelzhofer/Hellberg, Wie riskant ist der Bergsport?, bergundsteigen 3/2010, 42, 48; DAV Panorama<br />

2/2010, 68, 69.<br />

11<br />

Vgl. dazu Wandern, Statistik, analyse: berg, Sommer <strong>2011</strong>, Österreichisches Kuratorium für alpine <strong>Sicherheit</strong>,<br />

S. 17, 18, knapp 50 Prozent.<br />

60


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

Bergsport. 12 Nach einer frühen amerikanischen Studie ist die Wahrscheinlichkeit eines<br />

tödlichen Bergunfalls bei einem „qualifizierten“ Bergsteiger am höchsten, gefolgt<br />

von Drachenfliegern, Fallschirmspringern und Tiefseetauchern. Abgeschlagen rangieren<br />

Boxer, weit abgeschlagen Schirennfahrer. 13 Festzuhalten bleibt, dass statistische<br />

Risikoanalysen im alpinen Bereich sehr hilfreich sind, sie bestimmen aber weder<br />

die einzelfallbezogene emotionale noch ausschlaggebend die rechtliche Diskussion.<br />

Es gibt keinen Massenanfall von Todesfällen oder schweren Verletzungen, ein<br />

gesetzgeberisches oder rechtliches gesondertes Einschreiten ist mithin nicht erforderlich.<br />

IV.<br />

Risiko und Verfassungsrecht - Recht auf Risiko<br />

Das Recht auf Risiko hat eine verfassungsrechtliche Dimension und leitet sich in<br />

Deutschland aus der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz, im Folgenden GG)<br />

und speziell aus der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) ab. 14 Der erwachsene<br />

Mensch ist grundsätzlich mündig und frei in seinen Entscheidungen. Die<br />

frei bestimmte Entscheidung, sich in eine Herausforderung mit offenem, risikobehafteten<br />

Ausgang zu begeben, ist grundsätzlich ebenso gewährleistet wie die Entscheidung<br />

zu völliger Unsportlichkeit und jeglicher Risikovermeidung.<br />

Der Staat hat von Verfassungs wegen nicht das Recht, seine erwachsenen und zur<br />

freien Willensbestimmung fähigen Bürger zu bessern oder zu hindern, sich selbst zu<br />

schädigen. 15 So ist in Deutschland in Konsequenz der frei verantwortliche Suizid<br />

nicht strafbar, ebenfalls nicht die Beihilfe dazu. Wer ausschließlich sich selbst gefährden<br />

will, kann das tun. 16 Das Prinzip der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung<br />

beruht damit auf der verfassungsrechtlich geschützten Autonomie und Selbstbestimmung<br />

des Einzelnen. Freilich: Ob Lebens-, Unfall oder (in Zukunft) auch Krankenversicherungen<br />

im Falle eines Unfalls bezahlen, muss nicht, sollte aber vorab<br />

geklärt werden.<br />

Die allgemeine Handlungsfreiheit und damit die Entscheidung für Risiko steht jedoch<br />

auch im Alpinsport unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen (Rechts-)Ordnung:<br />

12<br />

Observatorium Sport und Bewegung Schweiz, Jahresbericht 2010, 53 (Stand 10/2010) unter www.sportobs.ch<br />

13<br />

Fritzweiler, Gefährliches Boxen und staatliches Verbot, SpuRt 4/1995, 156.<br />

14<br />

Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz. Für Österreich Burger, Das Verfassungsprinzip der Menschenwürde<br />

in Österreich, 2002, 272.<br />

15<br />

BVerfGE 22, 180, 219. BayObLGZ 1994, 209, 211. Vgl. auch Steiner, Verfassungsfragen des Sports, NJW<br />

1991, 2729, 2734.<br />

16<br />

Grunsky, Persönlichkeitsrecht und Verbandsautonomie bei der Dopingbekämpfung, SpuRt 5/2007, 188, 189.<br />

61


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

„Eingriffe in die persönliche Freiheit des Einzelnen sind dann zulässig, wenn sie dem<br />

Schutz der Allgemeinheit dienen.“ Gesetzliche Schranken der Handlungsfreiheit sind<br />

insofern auch zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens und des Gesundheitsschutzes<br />

in den Grenzen des allgemein Zumutbaren zu akzeptieren. 17 Die<br />

gesetzliche Gurtanlegepflicht für Kraftfahrer und die Schutzhelmpflicht für Kraftradfahrer<br />

verstoßen deshalb nicht gegen die Verfassung. 18 Ein Zuwiderhandeln gegen<br />

entsprechende Pflichten ist dabei keine strafbare Handlung, sondern wird als Ordnungswidrigkeit<br />

qualifiziert, freilich mit erheblichen zivilrechtlichen und versicherungsrechtlichen<br />

Konsequenzen.<br />

Eine Beeinträchtigung des sozialen Zusammenlebens durch erhöhtes Risiko im<br />

Bergsport (wie Free Solo-Begehungen oder objektiv riskante Besteigungen) wäre<br />

dann denkbar, wenn sich einschlägige Bergunfälle extrem häufen und z. B. die solidarisch<br />

angelegte Krankenversicherung übermäßig belasten. Dies ist absehbar nicht<br />

der Fall.<br />

Wie verhält es sich nun bei Verletzung und Tod während gemeinschaftlicher Bergsportausübung?<br />

Die Verfassung gewährleistet jedem das Recht auf die freie Entfaltung<br />

seiner Persönlichkeit nur, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt. Rechte<br />

anderer sind, bezogen auf die hiesige Thematik, das Recht auf Leben und körperliche<br />

Unversehrtheit. Der Schutz von Leib und Leben steht unter besonderer staatlicher<br />

Verantwortung. Es liegt auf der Hand, dass es keine Rechtsordnung billigt, andere<br />

ohne Rechtfertigung zu verletzen oder zu töten. Art. 2 Abs. 2 GG in Verbindung<br />

mit dem Rechtsstaatprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG, verpflichtet deshalb den Staat, sich<br />

schützend und fördernd vor das Leben und die körperliche Unversehrtheit seiner<br />

Bürger zu stellen. So ist ein Totschläger zu ermitteln und zu bestrafen, die Aufhebung<br />

der Strafbarkeit von Totschlag, aber auch von fahrlässiger Tötung wäre insofern<br />

verfassungswidrig. 19<br />

Der Staat hat also das Recht und die Pflicht, seine Bürger zu schützen und kann dies<br />

- mit weitem Ermessensspielraum - auch strafrechtlich flankieren. 20 Die Verfassungsrechtsbestimmungen<br />

des Art. 2 Abs. 1 GG (Selbstbestimmungsrecht unter der Vorgabe<br />

der Verfassungsordnung) und Art. 2 Abs. 2 GG (Lebensschutz) sind in Einklang<br />

17<br />

Vgl. BVerfG NVwZ 2010, 1289. BVerwG 82, 45 juris Rn 37.<br />

18<br />

BVerfG NJW 1982, 1276. BVerfG NJW 1987, 180.<br />

19<br />

Kunig, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Auflage, Art. 2 Rn 57.<br />

20<br />

Neulich: Steiner, Der „Anti-Doping-Staat“ - zu den verfassungsrechtlichen Grenzen hoheitlicher Dopingbekämpfung,<br />

in: Doping - warum nicht? Herausgegeben von Höfling/Horst, Mohr Siebeck 2010, 91, 94.<br />

62


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

zu bringen. 21 Bei der Zurechenbarkeit von Verantwortung bei Verletzung und Tod im<br />

Gebirge geht es letztlich um die Fragen, inwieweit der Staat risikobewusste Tätigkeit<br />

im Interesse Dritter kriminalisieren darf und muss und damit der allgemeinen Handlungsfreiheit<br />

und Selbstbestimmung des Menschen Grenzen setzt. Verfassungsrechtlich<br />

lassen sich allerdings keine strikten Vorgaben ableiten, welche Sorgfaltspflichten<br />

geboten und unter welchen Voraussetzungen bei Unfällen während gemeinschaftlicher<br />

Sportausübung in den Bergen oder im alpinen Veranstaltungsbereich eine strafrechtliche<br />

Sanktion ausgeschlossen ist. 22<br />

Zwischenergebnis: Im Bereich der Eigenverantwortung ist ein strafrechtlicher Eingriff<br />

im Bergsport zum Schutze des Sportlers ausschließlich vor sich selbst aus Verfassungsgründen<br />

nicht gerechtfertigt.<br />

Mangels exakter verfassungsrechtlicher Vorgaben und mangels exakter (einfach-)<br />

gesetzlicher Regelungen (es gibt kein Alpingesetz) bleibt es beim gemeinschaftlichen<br />

Bergsport spannende und entscheidende Frage, wie die Justiz im Einzelfall die<br />

Abgrenzungskriterien von strafloser eigenverantwortlicher Selbstgefährdung des Opfers<br />

und strafwürdiger Verletzung oder Tötung eines beteiligten Bergsportlers oder<br />

Bergveranstalters zieht.<br />

21<br />

Dazu auch BVerwG 82, 45: Dass sich das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG gegenüber<br />

der staatlichen Schutzverpflichtung nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG im Falle der bloßen Selbstgefährdung durchsetzt,<br />

dürfte für den staatsfreien, rein gesellschaftlichen Bereich auf breite Zustimmung stoßen.<br />

22<br />

Vgl. BVerfG NVwZ 2010, 1289. BVerfG NJW 1998, 2961.<br />

63


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

Bisweilen erscheint es allerdings, so der Einwand nicht weniger alpiner „Praktiker“,<br />

dass Staatsanwaltschaften und Gerichte im Alpinismus strengere Maßstäbe als in<br />

anderen Sportarten anlegen, mithin mit zweierlei juristischem Maß gemessen wird.<br />

V. Berg und Tal - zweierlei juristisches Maß?<br />

Risiko ist bei beruflicher Höchstleistung, im Brauchtum und in vielen Sportarten gesellschaftlich<br />

akzeptiert.<br />

Bilder: Archiv Burger, BRK BGL<br />

Giro d’Italia, Mai <strong>2011</strong>: Tödlicher Sturz des Belgiers Weylandt. Er sei das Opfer „einer<br />

brutalen Streckenführung“ befand El Mundo. 23 Die Süddeutsche urteilt: „Doch bei<br />

aller Trauer: Das Rennen geht weiter, bei manchen Sportarten gehören Unfälle praktisch<br />

zum Geschäftsmodell.“ Und die fragende Antwort: „Es muss ein Fahrfehler gewesen<br />

sein.“ 24 Das Risiko entspricht dem Regelwerk. Die Verbände bestimmen offenbar,<br />

wo es lang geht. Und der Staat fördert den Sport, indem er Straßen sperrt<br />

und Polizei sowie Einsatzkräfte zur Verfügung stellt.<br />

Anderer Ort, anderer Sport. Breitensport. Alpenvereinstour, Lawinenabgang, Toter.<br />

Polizei und Staatsanwaltschaften ermitteln. Sozialversicherungsträger versuchen,<br />

Regress zu nehmen. Schadensersatz- und Schmerzensgeld werden eingeklagt. Betroffene<br />

suchen durch Gerichte eine Bestätigung, dass Unrecht geschehen ist. Die<br />

Erwartungen an das Recht sind groß.<br />

23<br />

24<br />

dpa, newsticker, in: www.zeit.de/news vom 11.05.<strong>2011</strong>.<br />

Hummel, Ritt mit tödlichem Reiz, www.sueddeutsche.de/sport, vom 11.05.<strong>2011</strong><br />

64


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

Zweierlei Maß? Gefühlt ja, juristisch nein, von Ausnahmen fehl geleiteter Tatsachenfeststellung<br />

und Ermittlung abgesehen. Warum? Die Bewertung einer bewussten Risikoübernahme<br />

ist im Sport uneinheitlich und hängt zu Recht von der jeweiligen<br />

Sportart, den Beteiligten und davon ab, ob es ein verbandlich akzeptiertes Regelwerk<br />

gibt. So unterscheidet der Jurist im Zivilrecht mit guten Gründen zwischen parallel<br />

ausgeübten Sportarten (wie Radfahren), Kampfsportarten mit gewolltem oder unvermeidbarem<br />

Körperkontakt (wie Eishockey, Fußball), besonders gefährlichen Sportarten<br />

(wie Boxen, Autorennen) und miteinander ausgeübter Sportart ohne Regeln (wie<br />

Tanz, Wandern), mithin insbesondere zwischen Individual- und Mannschaftssport<br />

und Sport mit oder ohne Regeln.<br />

In diesem Feld möglicher Klassifizierung sucht so mancher Versicherungsjurist,<br />

Staatsanwalt oder Richter den Alpinsport rechtlich „einzunorden“, was aber angesichts<br />

der Vielfältigkeit und Komplexität alpiner Betätigung und mangels verbindlichen<br />

Regelwerkes sehr schwierig ist. 25 Die alpine Betätigung ist schon wegen der<br />

komplexen Gemengelage von objektiven und subjektiven Gefahren nicht mit herkömmlichen<br />

Sportrechtsmaßstäben zu greifen.<br />

Dennoch wird beklagt, dass der Alpinismus „verrechtlicht“ wird und die Strafverfolgung<br />

im Alpinismus immer mehr an Schlagkraft gewinnt.<br />

VI.<br />

Alpinismus und Recht – Hilfe! Die Juristen kamen.<br />

„Gegen eine Kriminalisierung des Bergsports“, diese Aussage ist ein Leitgedanke der<br />

Tätigkeit des Österreichischen Kuratoriums für alpine <strong>Sicherheit</strong>. Weshalb dies? Was<br />

ist passiert? Die Antwort liegt auf der Hand: Die Juristen kamen. Aber: Wer hat sie<br />

gerufen?<br />

Das Recht drängt sich nicht von selbst in Wände und auf Gipfel. Outdoor-Konsument<br />

und Outdoor-Management verändern Bergsport zum Breitensport und rauben damit<br />

dem Berg die ehemals ihm eigene rechtliche Spärlichkeit. Heutzutage werden alpine<br />

Gefahrenräume entschärft, Klettersteige eröffnen Wände für den Breitensport, Routen<br />

verlieren ihr Wagnis, sie werden gebohrt und fleißig saniert, auf Hochglanz in<br />

Auswahlführern beworben und damit kommerzialisiert.<br />

25<br />

Vgl. Lösungsansatz Burger, in: SpuRt 5/2007, 192.<br />

65


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

Für Tausende und Abertausende erschließen sich alpine Welten, ohne in den Bergen<br />

aufgewachsen zu sein oder die alpinen Gefahren Schritt für Schritt verinnerlicht<br />

zu haben.<br />

Bilder: Archiv Burger, BRK BGL<br />

Besonders ehrgeizige Wesen werden – hinten geschoben und vorne gezogen – in<br />

Todeszonen transportiert. Und geht es schief, wird der Schuldige gesucht.<br />

Bildtext: Was vor 35 Jahren schneidiges Abenteuer mit schicksalhaftem Ausgang war, wäre heute rechtliche Verantwortung<br />

bei faktischer Führerschaft.<br />

Bild: Archiv Burger<br />

66


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

VII. Eigenverantwortung im deutschen Strafrecht – Grundsätze 26<br />

Eigenverantwortliche Selbstgefährdung beschreibt, unter welchen Voraussetzungen<br />

Bergsteiger und alpine Sportler bei einer gemeinsamen Sportausübung<br />

eigenverantwortlich handeln, und ob bei einem Unfall eine strafrechtliche<br />

Sanktion wegen fahrlässiger Tötung oder fahrlässiger Körperverletzung eines<br />

Beteiligten, Berg- und Sportkameraden, eines Veranstalters oder sonstigen<br />

Verantwortlichen zum Tragen kommt. Die Beurteilung einer Eigenverantwortung<br />

erfolgt dabei vorrangig; und unabhängig von der erst nachrangigen, mitunter<br />

schwierigen Suche und Bewertung von Sorgfaltspflichtmaßstäben und<br />

der Prüfung einer Sorgfaltspflichtverletzung.<br />

Die Thematik „Eigenverantwortung“ ist seit längerer Zeit Gegenstand zahlreicher,<br />

auch obergerichtlicher Entscheidungen. Das Bayerische Oberste Landesgericht ließ<br />

im Jahr 1988 wegen eines Freispruchs aufhorchen. Was war passiert? Ein 24-<br />

jähriger Skateboarder beschloss, sich an ein Kraftrad anzuhängen und ziehen zu<br />

lassen. Der Fahrer entsprach dem Wunsch. Der Skateboarder konnte die Fahrt nicht<br />

kontrollieren und stürzte nach einer Wegstrecke von etwa 270 m und einer Ge-<br />

26<br />

Vgl. Burger, <strong>Sicherheit</strong> im Bergland <strong>2011</strong>, Eigenverantwortliche Selbstgefährdung, S. 74 ff. Burger, Risiko,<br />

warum nicht? bergundsteigen 2/<strong>2011</strong>, 30 ff. Burger, Eigenverantwortliche Selbstgefährdung, Bayerns Polizei,<br />

2/2010, 22.<br />

67


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

schwindigkeit von 35 bis 40 km/h und zog sich tödliche Kopfverletzungen zu. 27 Das<br />

Gericht: Der Fahrer ist für die Tötung nicht verantwortlich. Etwa ab den 90-Jahren<br />

wird dieser von der Rechtsprechung entwickelte Strafausschlussgrund der Eigenverantwortung<br />

im Bereich des alpinen Unfallgeschehens vermehrt geprüft und zu Recht<br />

anerkannt. 28<br />

Eigenverantwortung liegt vor, wenn sich eine Person frei verantwortlich und in voller<br />

Kenntnis des Risikos und der Tragweite ihrer Entscheidung in eine Gefahrensituation<br />

begibt. Die Straflosigkeit eines Beteiligten setzt voraus, dass sich der weitere Beteiligte<br />

„frei und eigenverantwortlich gewollt“ selbst gefährdet 29 . Wer lediglich die<br />

Selbstgefährdung eines anderen veranlasst, ermöglicht oder fördert, ist nicht wegen<br />

eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts strafbar. Zu Grunde liegt das Verfassungsprinzip<br />

der Selbstverantwortung. Die Prüfung der Ursächlichkeit einer Eigenverantwortung<br />

hat mit der konkreten Tatsituation einzusetzen (der konkret-kritischen<br />

Verkehrslage vergleichbar), die unmittelbar zu dem schädigenden Ereignis geführt<br />

hat 30 . Die Garantenstellung eines an der Selbstgefährdung beteiligten oder Mitwirkenden<br />

hindert grundsätzlich nicht eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung, abgesehen<br />

von der im alpinen Bereich eher sehr seltenen Ausnahme, dass die Garantenpflicht<br />

gerade die Verhütung der Selbstgefährdung umfasst. 31<br />

Maßgebliches dogmatisches Kriterium zur Abgrenzung strafloser Selbstgefährdung<br />

und strafrechtlicher Verantwortung ist die Trennungslinie zwischen Täterschaft und<br />

Teilnahme. Eigenverantwortlich handelt derjenige, der das Tatgeschehen „in Händen<br />

hält“ und über das „Ob“ und „Wie“ des Geschehens maßgeblich mitentscheidet. Anschaulich<br />

verneinte der BGH jüngst Eigenverantwortung in einem Fall eines tödlichen<br />

Unfalls eines Beifahrers bei einem Autorennen. Der Beifahrer war in der konkretkritischen<br />

Situation ohne Möglichkeit, seine Gefährdung durch eigene Handlungen<br />

abzuwenden, er war lediglich den Wirkungen des Fahrverhaltens des Fahrers ausgesetzt.<br />

32<br />

27<br />

BayObLG NVZ 1989, 80. Vgl. auch BayObLG NVZ 1996, 461.<br />

28<br />

BayObLG NZV 1989, 80-Skateboardfahrer. Vgl. BayObLG NStZ-RR 1998, 328 (330)-Kletterkurs. AG Laufen<br />

SpuRt 2006, 210 ff-Lawine. StA Graubünden SpuRt 2006, 204 ff-Skipiste.<br />

29<br />

BGH NJW 35/2009, 2611.<br />

30<br />

BGH NStZ 2004, 151.<br />

31<br />

Dazu Weber, BtmG, 3. Auflage 2009, § 30 Rn 192 mwN. Burger, Bewusste Risikoübernahme, Spurt 2007,<br />

149, 150.<br />

32<br />

BGH NStZ 2009, 148. BGH NStZ 2003, 537. BGH NJW 2000, 2286.<br />

68


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

Tatherrschaft und Eigenverantwortung setzen dabei Risikokenntnis voraus. Risikokenntnis<br />

bedingt rechtzeitige und umfassende Risikoaufklärung. Wer dem später<br />

Verletzten oder Getöteten die Ungefährlichkeit seines Tuns oder seines Aufenthalts<br />

suggeriert oder einen trügerischen Vertrauenstatbestand schafft, kann sich nicht auf<br />

die Eigenverantwortung des Opfers berufen. 33 Eigenverantwortliche Selbstgefährdung<br />

greift nicht, wenn ein Beteiligter kraft überlegenen Sachwissens das Risiko<br />

besser erfasst als der sich selbst Gefährdende. 34 Die Beeinträchtigung der Eigenverantwortlichkeit<br />

des Selbstgefährdungsentschlusses infolge eines Irrtums über die<br />

Gefahrendimension des Selbstschädigungsaktes kann dem Tatbeteiligten die Herrschaft<br />

über das Geschehen kraft überlegenen Sachwissens zukommen lassen, 35<br />

Eigenverantwortung des anderen Beteiligten wäre mithin zu verneinen.<br />

Neben ausreichender Sach- und voller Risikokenntnis sind weitere, allerdings wenig<br />

praxisrelevante Erfordernisse der Eigenverantwortung die - von der zivilrechtlichen<br />

Geschäftsfähigkeit und der strafrechtlichen Schuldfähigkeit zu unterscheidende -<br />

Einsichts-, Urteils und Steuerungsfähigkeit. Rechtlich sind bei diesen Teilelementen<br />

der strafrechtlichen Eigenverantwortung die Maßstäbe der Einwilligungsfähigkeit entscheidend.<br />

36 Der Beteiligte muss Wesen, Bedeutung und Tragweite seines Tuns und<br />

seiner eigenverantwortlichen Entscheidung voll erfassen (Einsichts- und Urteilsfähigkeit)<br />

und imstande sein, seinen Willen danach zu bestimmen. Dies kann bei Erwachsenen<br />

wesentlich beeinträchtigt sein bei sehr schweren Erschöpfungszuständen oder<br />

bei massiver Übermüdung.<br />

Eigenverantwortliche Selbstgefährdung erfordert schließlich eine rechtlich zulässige<br />

Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeit, was insbesondere bei Befehlen oder<br />

Weisungen (z. B. bei Polizei oder Militär) ohne Entscheidungsbefugnis zu prüfen und<br />

regelmäßig zu verneinen sein wird. Handlungsfreiheit lediglich in der Durchführung<br />

vorgegebener Ziele (z. B. „Führen mit Auftrag“ in der Bundeswehr oder der Zugriff im<br />

gefährlichen polizeilichen Einsatz) bedeutet dabei nicht Eigenverantwortung im rechtlichen<br />

Sinn.<br />

Ein Alleingänger kann in seltenen Ausnahmefällen strafrechtlich für die Verletzung<br />

oder den Tod verantwortlich sein, wenn er vorsätzlich eine Rettungsaktion erzwingt<br />

33<br />

Burger, <strong>Tagungsband</strong> <strong>Alpine</strong> <strong>Sicherheit</strong> 2007, Bad Reichenhall, 27, 39. So AG Garmisch-Partenkirchen,<br />

BeckRS 2010, 24430.<br />

34<br />

BGH NJW 2000, 2286. BGH NStZ 2003, 537 (538).<br />

35<br />

BGH NStZ <strong>2011</strong>, 341. BGH NStZ 2009, 504. Lange/Wagner, Fremdtötung oder eigenverantwortliche Selbstschädigung?<br />

NStZ <strong>2011</strong>, 67 mwN.<br />

36<br />

Weber, BtmG, 3. Auflage 2009, § 30 Rn 184.<br />

69


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

und sich der Retter verletzt oder stirbt oder – auch dies gibt es – sorgfaltswidrig auf<br />

eine andere Person fällt und diese stirbt. 37<br />

VIII.<br />

Eigenverantwortliche Selbstgefährdung in der alpinen Strafrechtspraxis<br />

(ausgewählte Beispiele)<br />

1. Tödlicher Lawinenabgang<br />

Im Januar 2002 befuhren zwei Schitourengeher an der Alpspitze, Garmisch-<br />

Partenkirchen, bei Lawinenwarnstufe 2 einzeln den ca. 34 Grad steilen Gipfelhang,<br />

wobei der erste Schibergsteiger an einem ihm sicher erscheinenden Standort wartete.<br />

Als sein Gefährte in den Gipfelhang einfuhr, löste sich ein Schneebrett und riss<br />

den unterhalb wartenden Schitourengeher tödlich in die Tiefe. Ein Strafverfahren gegen<br />

den überlebenden Lawinenauslöser fand nicht statt. 38 Der Getötete gefährdete<br />

sich eigenverantwortlich, da er in voller Risikokenntnis, bei gleichwertiger Sachkenntnis<br />

und Abwägungs- und Steuerungsfähigkeit aufgrund eines freien und eigenen<br />

Willensentschlusses in den Hang einfuhr. Das insofern ähnliche Lawinenunglück<br />

am Sulzkogel im Jahr 2005 verdeutlicht, dass die strafrechtliche Verantwortung eines<br />

37<br />

BGH NStZ 1994, 83 (vorsätzliche Brandstiftung – Zurechnung Tod eines Retters). OLG Stuttgart NJW-Spezial<br />

2008, 346. Zum Sturz: AG Schwäbisch Hall 23.02.2005, 3 Cs 43 Js 602/05. OLG Stuttgart NJW 2007, 1367.<br />

Kocholl, bergundsteigen 3/06, 18 ff. Burger, <strong>Tagungsband</strong> <strong>Symposium</strong> Alpinrecht Bad Reichenhall 2006, S. 140<br />

ff.<br />

38<br />

StA Mü II, Az. 12 UJs 453/02.<br />

70


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

Mitsportlers bei bewusster Risikoübernahme des Opfers ausgeschlossen ist und sich<br />

die Frage eines möglichen Sorgfaltspflichtverstoßes nicht mehr stellt. 39<br />

Das Landgericht Traunstein sprach am 7. Oktober <strong>2011</strong> einen DAV-Fachübungsleiter<br />

vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. 40 Bei einer am 9. Februar 2008 geführten<br />

Tour auf das Imbachhorn (Hohe Tauern) und bei anschließender Abfahrt vom Roßkopf<br />

kam eine Tourenteilnehmerin in einer Lawine um das Leben. Die Hangneigung<br />

betrug bis zu 38 Grad, stellenweise 40 Grad, bei Lawinenwarnstufe 3. Eigenverantwortliche<br />

Selbstgefährdung wurde wegen mangelnder Risikokenntnis und Fachkenntnis<br />

verneint. Der Angeklagte hatte überlegenes Fachwissen und war (zumindest)<br />

faktischer Führer. Der Freispruch erfolgte aber deshalb, weil sich die Verunglückte<br />

nicht ausschließbar Abrede widrig verhielt, nicht auf Anweisungen wartete,<br />

und die Erfolgsverursachung für den Angeklagten somit subjektiv nicht vorhersehbar<br />

war.<br />

2. Absturz im Fels<br />

Im Oktober 2005 stürzte ein Kletterer einer Seilschaft beim Abseilen einer zuvor gekletterten,<br />

sanierten Route im VI. Grad im Hochköniggebirge tödlich ab. Grund: Ausbruch<br />

eines Bohrhakens. Als Abseilstelle wurde ein im Jahr 2003 – offenbar sorgfaltswidrig<br />

- gesetzter und von dem Sanierer der Route selbst hergestellter Bohrhaken<br />

verwendet. Für die Staatsanwaltschaft Salzburg war ein Fremdverschulden nicht<br />

erkennbar. 41<br />

Der Verunglückte war eigenverantwortlich in freiem Gelände unterwegs, hatte Risikound<br />

Sachkenntnis und musste wissen, dass ein einzelner Haken unzuverlässig sein<br />

kann und nicht als Abseilpunkt zu verwenden ist. Diese Rechtsbeurteilung ist freilich<br />

kein Freibrief für sorgfaltswidriges Handeln. Wer durch sein Handeln die Gefahr für<br />

den Eintritt eines schädigenden Erfolges gesetzt hat (sog. Ingerenz), ist grundsätzlich<br />

verpflichtet, die drohenden Schäden zu verhindern. Allerdings muss das Vorverhalten<br />

pflichtwidrig und rechtlich zu missbilligen sein. Eine Rechtspflicht aus vorangegangenem<br />

Tun entsteht, wenn ein gewichtiger Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen<br />

wird, dass - auf den konkreten Fall übertragen - die Führe sicher und normge-<br />

39<br />

40<br />

41<br />

AG Laufen, SpuRt 2006, 210.<br />

LG Traunstein, Az. 3 Ns 110 Js 15289/08.<br />

Schwaiger, bergundsteigen 2/06,18. StA Salzburg Az. UT 7413/05 t.<br />

71


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

recht saniert wurde. Dies wäre dann der Fall, wenn die Veröffentlichung der Sanierung<br />

kommerziellen Zwecken dient und trügerische <strong>Sicherheit</strong> vermittelt 42 .<br />

3. Tod beim Extremberglauf 43 Bilder: Archiv Bergwacht Bayern<br />

Bei einem Extremberglauf auf die Zugspitze (2.962m) starben im Juli 2008 zwei<br />

Bergläufer an Unterkühlung und Erschöpfung. Weitere Läufer mussten medizinisch<br />

behandelt werden. Die Verstorbenen und Verletzten trugen keine den Witterungsbedingungen<br />

angemessene Bekleidung und waren Schneetreiben und eisigen Winden<br />

ausgesetzt.<br />

Die Staatsanwaltschaft München II erhob Anklage gegen den Veranstalter wegen<br />

zweifacher fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung in weiteren Fällen.<br />

Das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen sprach den Veranstalter frei: Die Verstorbenen<br />

und die Verletzten gefährdeten sich eigenverantwortlich selbst. 44<br />

Bemerkenswert an der Entscheidung ist, dass Eigenverantwortung auch bei alpinen<br />

Veranstaltungen und nicht nur bei gemeinschaftlicher Sportausübung greifen kann,<br />

und die (vertragliche) Garantenstellung des Veranstalters für die <strong>Sicherheit</strong> der Teilnehmer<br />

eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung der Sportler nicht hindert. Im<br />

42<br />

Dazu: Burger, <strong>Tagungsband</strong> <strong>Alpine</strong> <strong>Sicherheit</strong> 2007, Reichenhall, 40.<br />

43<br />

Vgl. Beulke, <strong>Sicherheit</strong> im Bergland <strong>2011</strong>, <strong>Alpine</strong> Extremsportveranstaltungen und eigenverantwortliche<br />

Selbstgefährdung, S. 99. Schuld, Veranstalterpflichten bei Berglauf (extrem)-Events, SpuRt 3/<strong>2011</strong>, 90.<br />

44<br />

AG Garmisch-Partenkirchen, 3 Cs 11 Js 24093/08, in: BeckRS 2010, 24430.<br />

72


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

konkreten Fall durfte sich der Veranstalter darauf verlassen, dass die offensichtlich<br />

erfahrenen und später verletzten und verstorbenen Läufer seine Ausrüstungs- und<br />

Gefahrenhinweise befolgen. Die (notwendigen) Empfehlungen und Witterungshinweise<br />

des Veranstalters, wegen der widrigen Bedingungen und der drohenden Wetterverschlechterung<br />

angemessene Kleidung zu tragen, erwiesen sich im Ergebnis<br />

rechtlich als ausreichend, vermittelten mithin die erforderliche Risikokenntnis. Die<br />

getöteten und verletzten Bergläufer hatten insofern die geforderte Tat- und Gefährdungsherrschaft.<br />

Ein trügerischer und damit die Eigenverantwortung ausschließender<br />

Vertrauenstatbestand war nicht zu begründen, denn auf Vertrauen, dass die <strong>Sicherheit</strong><br />

gewährleistet werde, könne sich nur der berufen, der sich selbst „regeltreu“ (Beachtung<br />

der Bekleidungshinweise) verhalte.<br />

Was blieb, war die Verpflichtung des Veranstalters, die Risikofaktoren zu beobachten<br />

und gegebenenfalls zu reagieren. Diese Verpflichtung zur Beobachtung der tatsächlichen,<br />

risikobeeinflussenden Parameter ist von Bedeutung, weil Risikokenntnis ein<br />

dynamischer Prozess ist und erhöhte Risiko- und damit Sachkenntnis des Veranstalters<br />

Eigenverantwortung der Teilnehmer ausschließt. Der Veranstalter des Zugspitzlaufs<br />

handelte demgemäß richtig, das Ziel wegen sich verschlechternder Wetterlage<br />

auf das tiefer gelegene Sonnalpin zu verlegen. Der für die Verstorbenen zu späte<br />

Zeitpunkt, nämlich um 12:00 Uhr, genügte im konkreten Fall den juristischen Anforderungen.<br />

4. Realitätsnahe Aus- und Fortbildung<br />

Im September 1994 stürzte ein Polizeibeamter in der Watzmann-Ostwand (Berchtesgadener<br />

Weg, 1.800 bis 1.900 m Wandhöhe, Schwierigkeitsgrad bis III) im Bereich<br />

der grauen Platten ab und verstarb. Die Begehung der Ostwand war Teil einer fachspezifischen<br />

Bergausbildung zur Vorbereitung von Einsätzen. Es herrschte Nebel,<br />

die Wetterprognose war aber gut. Die unmittelbare Absturzursache war nicht feststellbar.<br />

Der Beamte verunglückte im Vorstieg, eine Einweisung über die Seillänge<br />

durch einen Polizeibergführer erfolgte. Der Verstorbene war ein Bergsteiger, der den<br />

Begehungen der Wand gewachsen war. Die Ausbildungsmaßnahme war sehr gut<br />

vorbereitet und wurde sachgerecht durchgeführt. Das überschlagene Gehen erwies<br />

sich im Hinblick auf die Erfahrung und das Kletterkönnen gerechtfertigt.<br />

73


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

Ein in juristischer Hinsicht möglicherweise vergleichbarer tödlicher Unfall ereignete<br />

sich am 1. Juli 2010 im Rahmen einer SEK-Ausbildung am Treffauer Westwandsockel,<br />

Wilder Kaiser, in der Route Entdeckungsreise.<br />

5. Führungstour 45<br />

Am Schweizer Galenstock (3.586 m) kam im März 2007 ein Schibergsteiger am Gipfelgrat<br />

eigenverantwortlich zu Tode. 46 Bemerkenswert ist, dass es sich um eine geführte<br />

Bergtour handelte, mithin der Bergführer kraft Vertrag eine Garantenstellung<br />

übernahm. Bergführer und Gast begingen aufgrund gemeinsamer und freier Entscheidung<br />

den bis zu 40 Grad steilen und im oberen Bereich mit Granitplatten durchsetzten<br />

Nordgrat zum Gipfel seilfrei.<br />

Der Verunglückte hatte hinreichende Kenntnis der tatsächlichen Gefahrenlage. Er<br />

konnte zahlreiche Klettertouren in dem hier geforderten Schwierigkeitsgrad vorweisen.<br />

Er besaß konkret die Fähigkeiten, die Risiken abzuwägen, die Schwierigkeiten<br />

physisch und psychisch zu beherrschen und sich eigenverantwortlich für den Aufstieg<br />

ohne Seilsicherung zu entscheiden.<br />

Wichtig für einen „führungsfernen“ Juristen ist zu wissen, dass sich die Führungstechnik<br />

im Wandel der Zeit befindet. Bei Gästen ist ein gehobenes Anspruchsniveau<br />

an Schwierigkeit und auch Eigenverantwortlichkeit festzustellen. Die Führungstechnik<br />

ist in Abhängigkeit des Könnens, Erfahrungsstandes und der momentanen Verfassung<br />

des Gastes zu wählen. Insofern können durchaus bei Vorliegen der Eigenverantwortung<br />

Geländeteile auch bei Absturzgefahr seilfrei bewältigt werden 47 . Auch in<br />

der Ausbildung zum selbständigen Bergsteigen sind besondere, die Eigenverantwortung<br />

fordernde Maßstäbe anzulegen. 48<br />

Als Faustformel bei Führungstouren gilt allerdings, dass regelmäßig keine vollständige,<br />

sondern jeweils nur eine situative Eigenverantwortung des Gastes vorliegen<br />

kann. Denn der Bergführer übernimmt grundsätzlich vertraglich oder dienstrechtlich<br />

eine Schutzfunktion, hat damit eine Garantenstellung und regelmäßig überlegene<br />

Risikokenntnis, überlegenes Sachwissen und professionelle Handlungs- und Ent-<br />

45<br />

Zusammenfassung eines Vortrags des Autors vom 10. 05. 2009, IVBV in Chamonix: The guide’s responsibility<br />

towards his client.<br />

46<br />

StA Kempten, Az. 212 Js 12859/07.<br />

47<br />

Deisenberger, Führungstechnik im Wandel der Zeit, <strong>Sicherheit</strong> im Bergland, Jahrbuch 2005, 136, 137.<br />

48<br />

Deisenberger, s.o., 136 (140). Burger, Bayerns Polizei, 2/2010, 24.<br />

74


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

scheidungskompetenz. Dennoch ist in Einzelfällen die Eigenverantwortung des<br />

Gastes nicht ausgeschlossen.<br />

Unabdingbare Kriterien der Steuerung einer Eigenverantwortung des Gastes wären:<br />

• Vermittlung umfassender und rechtzeitiger Risikokenntnis, d. h. rechtzeitige<br />

Aufklärung, Kommunikation und Lagebesprechung. Wichtig ist die Gleichwertigkeit<br />

der Risikoinformationen. Die Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten<br />

des Gastes bestimmen dabei Art und Umfang der Aufklärung.<br />

• Gleichwertige Sachkenntnis. Mittel der Beurteilung hierfür sind: Anfordern,<br />

Einsicht und Würdigung eines Tourenberichts, was die Kenntnis der alpinen<br />

Fähigkeiten des Gastes vermitteln kann. Gegebenenfalls sind bei gefährlichen<br />

Unternehmungen Eingehtouren und auch externe Informationen (zB von Kollegen)<br />

angebracht oder Zusatzausbildungen vor der Tour.<br />

• Handlungs- und Entscheidungsbefugnis auch des Geführten. Eigenverantwortung<br />

setzt das gemeinsame Entscheiden über das Ob und Wie der Tour voraus.<br />

Der Bergführer darf im Ergebnis keine Tourenherrschaft besitzen. Die<br />

Frage der Mit-Herrschaft über den Geschehensablauf wird dabei überwiegend<br />

nach objektiven Kriterien beurteilt werden!<br />

75


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

6. Eigenverantwortung im Bergrettungseinsatz<br />

Die Strafrechtsdogmatik zur Eigenverantwortung strukturiert die Ausbildung und den<br />

Einsatz in der Bergwacht Bayern. 49 Der Bergwachteinsatz beinhaltet eine Pflicht zum<br />

Risiko. Das Anforderungsprofil im (ehrenamtlichen) Einsatz ist eigenverantwortliche<br />

Einsatzübernahme. Freilich trägt der Einsatzleiter die Gesamtverantwortung für den<br />

Einsatz, insbesondere für die strategischen Entscheidungen (Luftrettung oder/und<br />

Bodenrettung) und die operative Vorgehensweise (z. B. Stärke und Zusammensetzung<br />

der Rettungsmannschaft, Rettungsausrüstung, Suchoptionen etc.).<br />

Es gilt aber für die Einsatzleitung: Bei ausgebildeten und geprüften, volljährigen<br />

Bergrettern, die ihrer Fortbildungspflicht genügen und keine gesundheitlichen oder<br />

einsatzspezifischen Mängel oder Defizite anzeigen, ist grundsätzlich davon auszugehen,<br />

dass sie einem gefährlichen Einsatz physisch und psychisch gewachsen<br />

sind. Diesem Grundsatz korrespondiert grundsätzlich das Recht der (ehrenamtlichen)<br />

aktiven Einsatzkraft auf persönlichen Einsatzabbruch aufgrund eigener Risikoanalyse.<br />

Der Lagebesprechung (Briefing) als Instrument der Risikovermittlung kommt<br />

dabei unter dem Gesichtspunkt der Verantwortung des Einsatzleiters eine zentrale<br />

Rolle zu. Sie muss so rechtzeitig sein, dass Gelegenheit zu eigener Überlegung und<br />

damit Willensbildung bleibt. Chancen und nahe liegende Risiken des Einsatzes sind<br />

aufzuzeigen. Eine Teilaufklärung zur Sicherstellung ausreichender Einsatzbereitschaft<br />

und Einsatzwilligkeit ist unzulässig. Die Lagebesprechung ist dabei ein dynamischer<br />

Vorgang, weshalb der Einsatzleiter auf funktionierende Kommunikation während<br />

des Einsatzes (adäquate Funkausstattung und Funkverbindung) größten Wert<br />

zu legen hat.<br />

Die Einsatzbeurteilungen reichen dabei von einem akzeptablen Risiko über ein reduzierendes<br />

erhebliches Restrisiko und einem nicht reduzierenden hohen Restrisiko hin<br />

zu einem nicht mehr akzeptablen Risiko. Parameter zur Steuerung eines (noch) akzeptablen<br />

Risikos sind dabei der Grad der möglichen Schädigung der Einsatzkräfte,<br />

die Erfolgsaussichten einer Rettung sowie die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts.<br />

Allgemein kann Eigenverantwortung nur bei Tat- und Gefährdungsherrschaft<br />

gelten. Der Fürsorgegrundsatz bedingt deshalb, dass der Dienstherr Gefährdungsherrschaft<br />

und Risikomanagement ermöglicht, mithin der Retter adäquat aus-<br />

49<br />

Burger, Von Rechts wegen, Hart am Berg, Magazin der Bergwacht Bayern, Winter 2005, 27.<br />

76


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

gebildet, fortgebildet und auch ausgerüstet ist. Eigenverantwortung und Fürsorge<br />

sind keine Gegensätze, sie ergänzen sich! 50<br />

Tödliche Rettungseinsätze<br />

Der Bereitschaftsleiter einer Bergwacht verunglückte im Oktober 1992 bei einem Rettungseinsatz<br />

am Hochkalter, Ramsau, tödlich. Der Unfall hätte vermieden werden<br />

können, wenn nach erfolgreicher Rettung beim Abstieg über den ca. 45 Grad steilen<br />

blanken Blaueisgletscher ein Sicherungsseil mit einer entsprechenden Standplatzsicherung<br />

verwendet worden wäre. Der Verunglückte verzichtete bewusst wie die anderen<br />

Bergretter auf eine Seilsicherung.<br />

Ein Strafverfahren gegen andere Retter oder auch den die Rettung verursachenden<br />

Verunglückten fand nicht statt. Der abgestürzte Retter war von seiner Ausbildung und<br />

seiner Erfahrung her in der Lage, die Gegebenheiten vor Ort und seine Fähigkeiten<br />

selbst zu beurteilen, er hatte volle Sach- und Risikokenntnis.<br />

Freilich gilt, dass bei unrechtmäßigen Handlungen des Täters die sich selbst gefährdenden<br />

Retter in den Schutzbereich strafrechtlicher Verantwortung einbezogen werden.<br />

51 Verletzt oder verirrt sich aber ein Bergsteiger oder Wanderer, so schafft er<br />

keine rechtswidrige Gefahrenlage. Der (ehrenamtliche) Retter handelt grundsätzlich<br />

eigenverantwortlich und frei hinsichtlich des „Wie“, inwieweit er die Rettungsaktion<br />

50<br />

51<br />

Burger, Eigenverantwortliche Selbstgefährdung, Bayerns Polizei, 2/2010, 22, 26.<br />

BGH NStZ 1994, 83, 84.<br />

77


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

gestaltet und welches Risiko er eingeht. Eine Zurechnung einer Verletzung oder des<br />

Todes eines Retters im Sinne einer fahrlässigen Körperverletzung oder fahrlässigen<br />

Tötung kann somit nicht erfolgen.<br />

Die Unfälle bei Bergrettungseinsätzen im Dezember 2009 am Pordoijoch (Italien),<br />

vier tote Retter, und im Januar 2010 im Berner Oberland (Schweiz), zwei tote Retter,<br />

verdeutlichen die Notwendigkeit effektiven Risikomanagements im Einsatz.<br />

7. Eigenverantwortung und Minderjährige 52<br />

Eigenverantwortung ist nicht an Altersgrenzen gebunden. Für Minderjährige gilt der<br />

Grundsatz der Eigenverantwortung allerdings nur begrenzt. Warum? Minderjährige<br />

können regelmäßig die Bedeutung und Tragweite riskanten Verhaltens weniger<br />

sachgerecht erfassen und abwägen. Und je jünger der Minderjährige ist, desto mehr<br />

ist er in der Fähigkeit eingeschränkt, das eigene Verhalten entsprechend der Einsicht<br />

in die Bedeutung des Risikos zu steuern (z. B. aus Abenteuerlust, Gruppendynamik,<br />

übertriebener Motivation, mangelhaftem Urteilsvermögen).<br />

Bei der Beurteilung der für die Eigenverantwortung geforderten Fähigkeiten sind insbesondere<br />

der individuelle Reifegrad und die konkrete Gefährdungssituation maßgeblich,<br />

mithin, ob aufgrund tatsächlich festgestellter Anhaltspunkte erwartet werden<br />

kann, dass die in der Gefahrensituation situationsabhängig geforderten kognitiven<br />

und voluntativen Leistungen abgerufen werden können. 53 Parameter der Eigenverantwortung<br />

von Minderjährigen sind: Individueller Reifegrad (Alter, Eigenart, Entwicklungsstand,<br />

Charakter), Erfahrung (Sach- und Risikokenntnis), Maß der Gefährdung<br />

(z. B. Absturzhöhe), Sicherungssystem und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts.<br />

Auf die konkreten Umstände des Einzelfalles kommt es an. Punktgenaue Altersangaben<br />

zur Feststellung der Eigenverantwortung werden weder Juristen noch<br />

Entwicklungspsychologen vorgeben. Das Lebensalter allein ist jedenfalls nicht entscheidend.<br />

Als Faustformel für den Praktiker dürfte aber gelten: Eigenverantwortung greift regelmäßig<br />

bei erheblicher Eigengefährdung nicht bei Kindern, also nicht vor 14 Jah-<br />

52<br />

Burger, Eigenverantwortung und Aufsichtspflichten in Seilgärten-ein juristisches Roulette?, in: <strong>Sicherheit</strong> im<br />

Bergland, Jahrbuch 2010, 19.<br />

53<br />

Amelung, NJW 1996, 2293, 2296. Vgl. aktuell zur Thematik Kinderklettern DAV panorama 6/<strong>2011</strong>, Semmel,<br />

Kinder beim Klettern, S. 60 ff.<br />

78


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

ren. 54 Und wer als Kind selbst nicht eigenverantwortlich handelt, kann auch grundsätzlich<br />

bei erheblichem Gefährdungspotential keine Verantwortung für andere Kinder<br />

übernehmen. 55 Wie ist es bei Jugendlichen, also bei jungen Menschen zwischen<br />

14 und 18 Jahren? Eigenverantwortliche Selbstgefährdung erfordert eine autonome<br />

Entscheidung. Eigenverantwortung bei einem Jugendlichen setzt voraus, dass er<br />

nach seinen geistigen Fähigkeiten und seiner sittlichen Reife imstande ist, die Bedeutung<br />

und möglichen Folgen seines Tuns zu erkennen und zu beurteilen, insbesondere<br />

auch den Wert des gefährdeten Rechtsguts und die sittliche Bedeutung des<br />

Vorgangs richtig einzuschätzen. 56 Zugegeben, eine etwas abstrakte Formulierung.<br />

Ein Irrweg wäre es jedenfalls, aus überwiegend kommerziellen Gründen bei Kindern<br />

und Jugendlichen Eigenverantwortung einzufordern und Sorgfaltspflichtanforderungen<br />

zu senken.<br />

IX. Fazit und Ausblick<br />

Eigenverantwortung im deutschen Strafrecht erfordert<br />

• rechtzeitige und volle Risikokenntnis,<br />

• ausreichende Sachkenntnis, kein überlegenes Sachwissen des weiteren Beteiligten,<br />

kein von einem Beteiligten geschaffener trügerischer Vertrauenstatbestand<br />

oder Irrtum,<br />

• Handlungs- und Entscheidungsbefugnis (Tatherrschaft über das „Ob“ und das<br />

„Wie“ des Geschehens),<br />

• Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit (Einsichts-, Urteils- und Steuerungsfähigkeit),<br />

• Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeit in tatsächlicher und rechtlicher<br />

Hinsicht (keine verbindlichen Befehls- und Weisungsstrukturen).<br />

Eigenverantwortung ist fester Bestandteil der Strafrechtsdogmatik und wird, wie das<br />

Zugspitzurteil zeigt, nicht nur bei gemeinschaftlicher Sportausübung, sondern auch<br />

54<br />

Im deutschen Strafrecht gelten junge Menschen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres als Kinder und sind<br />

strafunmündig.<br />

55<br />

Im Ergebnis auch Semmel, Klettern, Alpin-Lehrplan 2A, BLV, 2010, 127.<br />

56<br />

BGH NStZ 1985, 25.<br />

79


Dr. Klaus Burger<br />

Risiko, warum nicht? Recht auf Risiko?<br />

bei Sportausübungen im Rahmen von Veranstaltungen geprüft und im Einzelfall bejaht.<br />

Im Zivilrecht wird die bewusste Risikoübernahme grundsätzlich mit dem Begriff des<br />

Handelns auf eigene Gefahr umschrieben. Die im Strafrecht entwickelten Grundsätze<br />

sind in das Zivilrecht schon aus gesetzessystematischen Gründen nicht übertragbar.<br />

In begründeten Fällen ist ein Haftungsausschluss unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen<br />

Rechtsausübung nach § 242 BGB oder bei völlig überwiegendem Mitverschulden<br />

des Geschädigten nach § 254 BGB denkbar. 57 Ein Haftungsausschluss für<br />

Körperverletzungen und Tötungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unwirksam,<br />

§ 309 Nr. 7 Buchstabe a BGB. 58<br />

Eine europäische Rechtsentwicklung unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich<br />

gebotenen Selbstbestimmung und Eigenverantwortung des Sportlers ist im<br />

Interesse aller Bergsportler angezeigt.<br />

57<br />

Vgl. dazu Burger, Bewusste Risikoübernahme, SpuRt 2007, 192. Burger, Sorgfaltspflicht, Aufsichtspflicht und<br />

Eigenverantwortung in Seilgärten, <strong>Tagungsband</strong> <strong>Symposium</strong> alpine <strong>Sicherheit</strong> 2009, 240, 303.<br />

58<br />

Zu Möglichkeiten einer Haftungsbegrenzung vgl. Weber, in: Handbuch des Deutschen Alpenvereins, Juli<br />

2010, Strukturen und Mitgliederverwaltung, ziv/11.<br />

80


Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

Major Johannes Schwegler<br />

1. Verantwortung - auch eine Frage der guten Sitte<br />

Wenn noch in den 70er Jahren eine Ehe zur Scheidung anstand,<br />

war es im Rechtsstreit üblich, eine Schuldfrage zu stellen.<br />

Zum Glück ist das heute in Deutschland nicht mehr der<br />

Fall, auch weil die Konsequenzen der gescheiterten Ehe sich<br />

nicht nach Schuld richten und weil oft auch nicht so einfach<br />

festzustellen ist, welche Kriterien und Faktoren schuldhaft<br />

zum Scheitern einer Beziehung geführt haben. War es er,<br />

weil er anderen Frauen hinterher schaute, war es sie, weil sie<br />

immer die Kinder in Schutz nahm oder gar die böse Schwiegermutter? Bei Bergunfällen<br />

mit schweren Folgen muss natürlich nach der Ursächlichkeit gefragt werden.<br />

Dennoch sollte aber auch hier nicht übersehen werden, dass unterschiedliche Personen<br />

oder Gruppierungen Verantwortung tragen und es oftmals nicht gerecht ist, zu<br />

schnell den Focus nur in eine Richtung zu lenken. Neben der Wahrnehmung von<br />

Amts- und Sorgfaltspflichten besteht auch beim Militär, wenn gleich auch in eingeschränkter<br />

Form, ein selbstverantwortliches Handeln.<br />

Der folgende Beitrag soll nicht die an vielfach anderer Stelle nachzulesenden „<strong>Alpine</strong>n<br />

Gefahren“ aufzählen. Sind diese schließlich in den Fachkreisen bekannt und ggf.<br />

z.B. im Lehrbuch der Bergwacht (siehe Freudig, T. & Martin A. (1995), Bergrettung,<br />

S. 151 – 156, Eberl GmbH) sowie in den Alpinlehrplänen des BLV-Buchverlages<br />

nachzuschlagen. Wie bereits im <strong>Tagungsband</strong> „<strong>Symposium</strong> <strong>Alpine</strong> <strong>Sicherheit</strong> 2009“<br />

(vgl. Schwegler J. (2009) Auslandseinsatz und <strong>Alpine</strong> Gefahren. In <strong>Tagungsband</strong><br />

<strong>Alpine</strong> <strong>Sicherheit</strong> 2009, Hrsg.: Gebirgsjägerbrigade 23 i.V.m. Verband Deutscher<br />

Heeresbergführer e.V., Seite 205 – 215, Bonn: Zentraldruckerei der Bundeswehr)<br />

dargestellt, kommen für den Soldaten im militärischen Einsatz weitere Gefahren, wie<br />

besondere Erkrankungen, landestypische Gefahren der Flora und Fauna und vor<br />

allem die der militärischen Situation und politischen Lage im jeweiligen Einsatzland<br />

81


Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

hinzu. Selbst bei der umsichtigsten Planung, Organisation und Durchführung von<br />

alpinen Unternehmungen bleibt immer eine Restgefahr bestehen.<br />

Der vorliegende Beitrag soll Schwerpunkte und Besonderheiten einer militärischen<br />

Bergführerausbildung herausgreifen. Daher war es auch zentrales Anliegen im Vortrag<br />

selbst die Heeresbergführerausbildung mit einem plastischen Foto- und Filmbeitrag<br />

(erstellt durch Oberleutnant Timo Olbrich, Gebirgsjägerbataillon 231) zu untermalen.<br />

Zahlreiche Faktoren, Bedingungen und Herangehensweisen aus dem Vortrag<br />

von Peter Geyer „Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung“ gelten<br />

für die Heeresbergführerausbildung gleichermaßen.<br />

Bei schweren Unfällen, insbesondere innerhalb des Verantwortungsbereiches großer<br />

Organisationen oder Veranstalter, liegt der Focus bei der Suche nach dem oder den<br />

Schuldigen oft sehr stark , manchmal vielleicht auch zu stark, auf der Arbeits- und<br />

Durchführungsebene. Ohne Zweifel tragen zum Beispiel bei der Heeresbergführerausbildung<br />

der Ausbildungsleiter und die zugehörigen Ausbilder eine verantwortliche<br />

Schlüsselrolle. Dennoch stellt sich wie in der Ehe und Familie auch hier die Frage<br />

nach weiteren Handelnden und damit auch nach weiteren Verantwortlichkeiten.<br />

Bergführeranwärter begeben sich in eine Führerausbildung, die sukzessive Selbständigkeit<br />

fordert und abverlangt. Bei der Durchführung von Klettertouren im Rahmen<br />

der Heeresbergführerausbildung, muss die <strong>Sicherheit</strong> der HBF-Anwärter in dieser<br />

Tätigkeit selbstverantwortlich vorausgesetzt werden. Dazu läuft im Voraus eine<br />

Aufnahmeprüfung und die notwendige Ausbildungen, wie z.B. Standplatzbau, Sicherungstechnik,<br />

Legen und Klinken von Zwischensicherungen und weitere Themen. Es<br />

kann teilweise dazu kommen, dass ein Ausbilder mit drei Seilschaften unterwegs ist.<br />

Das bedeutet, dass seine Gruppe in etwa 150 Meter in der Wand verstreut ist. Der<br />

Ausbilder kann daher nicht immer alle Einzelheiten seiner Aspiranten wahrnehmen,<br />

geschweige denn einschreiten.<br />

Aus der Abb. 1 wird ersichtlich, wie der Abstand von 50 Meter in der Wand aussieht.<br />

Nicht immer besteht Sicht- oder Rufkontakt.<br />

82


Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

Abb. 1: Seilschaft in der Dimai-Führe, Grohmannspitze, Sella-Gruppe<br />

Der Ausbildungsleiter und die Ausbilder handeln im Rahmen von didaktischen, methodischen<br />

Vorgaben und materieller Voraussetzungen, wie auch mündlicher Befehle.<br />

All diese Bedingungen und Situationen stehen nicht nebeneinander, sondern sind<br />

miteinander verknüpft. Schuld, oder a priori, die Unfallprävention im Rahmen einer<br />

verantwortlichen Ausbildung muss daher alle Faktoren und Verantwortlichen erfassen,<br />

vereinen und berücksichtigen.<br />

Abb. 2: Anwärter, Ausbilder und höhere Vorgesetzte<br />

83


Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

Daher nützt es im Rahmen eines „<strong>Sicherheit</strong>ssymposiums“ nichts, die eigene Welt zu<br />

beschönigen. Problembereiche müssen angesprochen und diskutiert werden, um<br />

interne Optimierungen zu erreichen und ein besseres Verständnis für andere Gruppierungen<br />

zu gewinnen.<br />

Eine militärische Organisation muss insbesondere im Hinblick auf eventuell besonders<br />

robuste Einsätze hierarchisch strukturiert sein. Das gilt natürlich auch für eine<br />

Vielzahl großer Firmen und andere Organisation. Selbst der Profi-Bergführer muss in<br />

einer ernsten Situation darauf bauen können, dass getan wird, was er sagt. Damit im<br />

militärischen Einsatz alle Handlungselemente zeitgerecht zusammen funktionieren,<br />

darf Gehorsam nicht erst im Einsatz eine Rolle spielen. Wohl aber sollten Befehle<br />

nicht zu eng gefasst sein. Aufträge sollten weitgehend mit Handlungsspielräumen<br />

gegeben werden. Der Erfolg verantwortungsbewussten Handelns, zukunftsträchtiger<br />

Entwicklungen liegt mit unter im Bestehen gegenseitiger Kommunikation, Teamarbeit,<br />

auch von Entscheidungsfreiheiten und Vertrauen. „Von allem Pathos befreit,<br />

verbirgt sich hinter dem Konzept der Bürgergesellschaft nicht mehr als eine Suchstrategie<br />

nach Möglichkeiten des Sich-Einmischens und des Füreinander-Einstehens<br />

in einer vielschichtigen und großräumigen Gesellschaft. Solche Möglichkeiten wieder<br />

neu zu entdecken, zu entwickeln und zu nutzen, verlangt neben Phantasie, Tatkraft<br />

und Meinungsfreude eine unerschöpfliche Frustrationstoleranz. Gleichgültigkeit und<br />

Politikverdrossenheit sind demgegenüber in einer Demokratie keine empfehlenswürdige<br />

Alternative (siehe: Limbach, Jutta (2003) Die Demokratie und ihre Bürger, S.<br />

153, München: Verlag C.H. Beck). Was für den Bürger einer Demokratie gilt, ist eingeschränkt<br />

auch für den Staatsbürger in Uniform gerecht – nur nicht überall und zu<br />

jeder Zeit.<br />

Neben rechtlich angreifbaren Handeln oder Unterlassen steht aber auch die Verhaltensweisen<br />

der guten Sitte und des Anstandes. Rechtlich zwar nicht angreifbar, sollten<br />

Rahmenbedingungen, die gegen die gute Sitte verstoßen dennoch Berücksichtigung<br />

finden, weil Recht sonst absurd und lebensfremd wird.<br />

Was bedeutet Verantwortung in einer Heeresbergführerausbildung, und wer trägt<br />

Verantwortung?<br />

84


Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

2. Aufgaben der Heeresbergführer (HBF)<br />

Heeresbergführer sind Bergführer im militärischen Dienst und mit militärischem Aufgabenbereich.<br />

Sie nehmen militärische Funktionen wie jeder andere Soldat, z.B. als<br />

Gruppenführer oder Zugführer wahr. In späteren Dienstjahren und mit höherem Lebensalter<br />

bekleiden sie gemäß der persönlichen Laufbahn dann auch Funktionen als<br />

Kompaniefeldwebel, Kompaniechef, Kommandeur oder in Dienstposten höherer<br />

Kommandobehörden und Ämtern. Heeresbergführer sein bedeutet, eine Zweitfunktion<br />

wahrzunehmen. Zumeist finden sich die Heeresbergführer in der Gebirgsjägerbrigade<br />

23, noch auch im Gebirgssanitätsregiment 42 in Kempten sowie bei den Kommandospezialkräften<br />

wieder. Auch ausländische Streitkräfte der Niederlande, Belgien,<br />

Großbritannien und der USA schicken Soldaten aus ihren Spezialeinheiten zur<br />

Heeresbergführerausbildung nach Deutschland.<br />

Heeresbergführer beraten Einheitsführer (Kompaniechefs) und Bataillonskommandeure<br />

bei der Durchführung militärischer Operationen in schwierigem bis hochalpinem<br />

Gelände und in deren Vorgriff bei der dafür notwendigen Gebirgsausbildung<br />

und Durchführung von Übungen. Bei Rettungsoperationen im Gebirge fungieren sie<br />

als Leiter oder auch als Bergretter selbst. Bei Ausruf eines Katastrophenfalles können<br />

sie auch im Inland in Zusammenarbeit mit Polizei, Bergwacht und weiterer Hilfsund<br />

Rettungsorganisationen eingesetzt werden, wie zum Beispiel am 02. Januar<br />

2006 bei einem großen Lawinenunfall unterhalb des Schrecksattels der Reiter Alpe<br />

im Berchtesgadener Land.<br />

Als Praktiker machen sie Gelände für größere Truppenteile mit Unterstützung von<br />

Hochgebirgssoldaten gangbar. Dazu werden häufig Fixseile (im militärischen<br />

Sprachgebrauch sog. Seilgeländer) aber auch Trittbretter und Leitern eingerichtet<br />

und verspannt.<br />

85


Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

Abb. 3: Heeresbergführer beim Einrichten einer Seilversicherung<br />

Auch kleinere Gruppen oder einzelne Spezialisten, wie zum Beispiel Scharfschützen<br />

oder Vorgeschobene Beobachter, können durch Heeresbergführer an einen schwer<br />

erreichbaren taktisch wichtigen Geländepunkt geführt werden. Denkbar sind auch<br />

unter Bündelung mehrerer Heeresbergführer spezielle Gefechtseinsätze. Derzeit<br />

nicht genehmigt, aber als Option vorgehalten, ist die Rettung von Personen aus Minenfeldern<br />

mittels Hubschrauberwindeneinsatz und Nutzung einer Seilverlängerung.<br />

Zur Anwendung solcher Rettungstechniken muss ein Fortbildungslehrgang „Luftretter“<br />

absolviert werden.<br />

3. Heeresbergführer – Staatlich geprüfter Berg- und Skiführer - Polizeibergführer<br />

Wo liegen die Unterschiede?<br />

Alle Ausbildungsgänge, ob die der Heeresbergführer, der staatlich geprüfter Bergund<br />

Skiführer oder auch die der Polizeibergführer greifen auf eine sehr ähnliche, gute<br />

strukturierte Basisausbildung zurück. Die Unterschiede ergeben sich partiell aus<br />

der Aufgabe und dem Auftrag. Daher ist zumeist nur die Gewichtung bestimmter<br />

Themenbereiche anders gelagert. Ein Schwerpunkt der Heeresbergführer liegt z.B.<br />

in der Führung großer Truppenteile. Für die breite Masse der Truppe sind die Gren-<br />

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Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

zen des persönlichen Könnens auf einem niedrigeren Niveau, als bei oftmals bei<br />

sportlichen Kunden im kommerziellen Radius eines Berufsbergführers. Militärische<br />

Einsätze bedingen nur selten die Notwendigkeit einer Durchsteigung extremer Felsund<br />

Eiskletterpassagen. Das ist dann die Einzelaufgabe der Heeresbergführer im<br />

Rahmen kleinerer Kommandos. Im Bereich der zivilen Bergführerei, ist beispielsweise<br />

im Rahmen eines Fortgeschrittenen-Kletterkurses schnell einmal ein „Siebener“<br />

einzuhängen und zu demonstrieren. Daher muss in der zivilen Bergführerausbildung<br />

ein höherer Schwierigkeitsgrad als in der HBF-Ausbildung für Fels und Eis abverlangt<br />

werden. Große Truppenteile werden möglicherweise durch Zweier- und über<br />

Leitern, Griffschlingen oder technische Aufstiegshilfen durch Dreier-Gelände geführt.<br />

Die Bewältigung des in der HBF-Ausbildung geforderten UIAA-Schwierigkeitsgrades<br />

V zu allen Bedingungen und in jedem Gelände, begründet sich dadurch, dass ein<br />

Führer mehr können muss, um besonders in Problemsituationen (Wetterumschwung,<br />

Unfällen, Orientierungsschwierigkeiten und andere Lageänderungen) weiter souverän<br />

bestehen zu können. Steht beim Heeresbergführer die Erfüllung des militärischen<br />

Auftrages im Vordergrund, sind beim kommerziellen Führen neben dem Erreichen<br />

des Gipfels, Motive wie Naturerleben, Lebensfreude, Gefühl von Freiheit und<br />

Kundenzufriedenheit viel deutlicher zu berücksichtigen. Über die behelfsmäßige<br />

Bergrettung hinaus, ist bei der Bundeswehr die planmäßige Rettung ausgeprägt<br />

auszuprägen, weil im Einsatzland nicht auf eine zivile Bergwacht zurückgegriffen<br />

werden kann. Dieses Kriterium wiederum spielt bei den staatlichen Bergführern eine<br />

geringere Rolle. Polizeibergführer wiederum benötigen auftragsbedingt eine Ausbildung<br />

zur Unfallaufnahme und Analyse, was für die anderen beiden Bergführergruppierungen<br />

nicht entscheidend ist. Eines aber haben alle gemeinsam. Die Ausbildung<br />

zum und die Tätigkeit als Bergführer muss einer hohen Sorgfaltspflicht gerecht werden.<br />

Wer den nun der beste Bergführer sei, fragte ein Gast des <strong>Symposium</strong>s 2012?<br />

Peter Geyer antwortete darauf: „Jeder für seinen Bereich!“<br />

4. Die Ausbildung zum Heeresbergführer<br />

Die Ausbildung zum Heeresbergführer in Deutschland besteht aus zwei Teilen. Der<br />

Sommerteil ist der erster Ausbildungs- und Prüfungsabschnitt und dauert 15 Wochen.<br />

Er bildet in vielen Themenbereichen die Basis für den nachfolgenden Winter-<br />

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Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

teil, der 12 weitere Wochen umfasst. Nur in begründeten Ausnahmen und unter der<br />

Voraussetzung einer bereits ausgeprägten bergsteigerischen Kompetenz und einer<br />

soliden alpinen Erfahrung, können Soldaten im Winterteil mit der Heeresbergführerausbildung<br />

beginnen. Zwischen dem Sommer- und Winterteil des HBF-Lehrganges<br />

bietet die Gebirgs- und Winterkampfschule im Dezember einen Lehrgang zum militärischen<br />

Skiausbilder an. Dieser ist keine Voraussetzung zum Bestehen des Heeresbergführerlehrgangs<br />

aber es ist aus methodischer Sicht ein sinnvoller Baustein, um<br />

im Winterteil die Ausbildung und anstehende Prüfung zur Skilehrerstufe „DSV-<br />

Instruktor“ zu erleichtern.<br />

Abb. 4: HBF-Ausbildungsgang<br />

Der Sommerteil beginnt mit einer einwöchigen Aufnahmeprüfung, in der vor der praktischen<br />

Sichtung vorsichtshalber noch einmal über die alpinen Gefahren aufgeklärt<br />

wird. Auch sicherheitstechnisch relevante Techniken, wie zum Beispiel das „Umfädeln“,<br />

werden noch vor der Prüfung im Gelände in der Kletterhalle vermittelt und als<br />

Handlungsnorm festgelegt.<br />

In der Aufnahmeprüfung haben die Anwärter eine solide Kondition, ihr Kletterkönnen,<br />

wie auch ihre skitechnische Fertigkeit unter Beweis zu stellen. „Wackel-Kandidaten“<br />

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Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

werden nur dann in den Sommerteil aufgenommen, wenn denkbar ist, dass Fähigkeitsmängel<br />

in den ersten Wochen aufgeholt werden können. Dieses Ziel muss spätestens<br />

bis zum Ausbildungsabschnitt „Chamonix“ erreicht werden. Ist dies nicht der<br />

Fall, muss auf Grund der <strong>Sicherheit</strong> für den Soldaten und aller anderen Anwärter,<br />

Ausbilder eingeschlossen, eine Beendigung des Lehrgangs noch vorab anstehender<br />

Prüfungen erfolgen.<br />

Der eigentliche Lehrgang beginnt mit einem Aufenthalt von zwei Wochen in der<br />

Fränkischen Schweiz. Dort wird Klettern methodisch und alle sicherungsrelevanten<br />

Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt und das persönliche Können so<br />

verbessert, um nachfolgend sicher im alpinen Gelände unterwegs sein zu können.<br />

Nebenbei werden Themen der behelfsmäßigen Bergrettung (Flaschenzüge, Lose<br />

Rolle, Einmannbergetechnik, u.a.) eingeflochten. In den Abendstunden oder ggf. bei<br />

schlechtem Wetter wird die Ausbildung durch Unterrichte ergänzt. Wetterkunde, Orientierung,<br />

Materialkunde, Sicherungstheorie sowie medizinische Themen werden<br />

dabei vermittelt und begleiten die Anwärter über den gesamten Lehrgang.<br />

In den zwei ersten alpinen Wochen wird anschließend das Gelernte ins Gebirge<br />

übertragen und Führungstechniken vermittelt und geübt.<br />

Methodisch nicht ganz sinnvoll, aber jahreszeitlich bedingt, beginnt nun bereits die<br />

Ausbildung im Eis. Dazu wird einwöchig eine Basisausbildung auf österreichischen<br />

Gletschern, derzeit im Piztal, durchgeführt. Es folgen drei weitere Wochen in den<br />

Westalpen bei Chamonix. Der Chamonix-Aufenthalt ist einer der wesentlichen Prüfungsaufenthalte<br />

des Sommers.<br />

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Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

Abb. 5: Führungsaufgabe im kombinierten Gelände an der Tour Ronde<br />

Neben bewerteten langen Führungstouren (Eis-Couloirs und –flanken, Grate und<br />

kombiniertes Gelände) werden hier auch Prüfungen in der Lehrtätigkeit, Bergrettung<br />

Eis und persönliches Können im Eis (Eckenstein-Parcours und Steileis) abgelegt.<br />

Danach geht es zurück in die heimatlichen Berge. Auf der Reiter Alpe, im Berchtesgadener<br />

Land, wird organisierte Rettung ausgebildet. Dabei erlernen die Aspiranten<br />

sowohl das Handwerkszeug im Aufbau und Umgang mit Seilwinde und verschiedenen<br />

Seilaufzügen, Transportbahnen sowie die Organisation eines größeren Bergrettungseinsatzes.<br />

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Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

Abb. 6: Planmäßige Bergrettung<br />

Aufbauend wird die Bergrettung schließlich mit einer einwöchigen Hubschrauberausbildung<br />

ergänzt.<br />

Abb. 7: Zusammenarbeit mit Hubschraubern<br />

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Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

Im herannahenden Herbst verlegt der Lehrgang für 11 Tage in die Dolomiten auf den<br />

Sella-Pass. Diese Bergfahrt ist der Hauptprüfungsaufenthalt des Sommerteils. Neben<br />

anspruchsvollen Führungstouren im Fels, müssen die Teilnehmer zahlreiche<br />

Prüfungen ablegen. Bergrettung im Fels, Sanitätsdienst, Orientierung, Wetterkunde<br />

und Gebirgskunde (Materialkunde, Sicherungstheorie, Umweltkunde, Geologie, Glaciologie,<br />

Führungstechnik und Führungstaktik) sowie persönliches Können im Fels<br />

wird auf den Prüfstand gestellt.<br />

Da die Ausbildung zum Heeresbergführer eine militärische Zielrichtung verfolgt, soll<br />

durch einen Gebirgstruppenübungsplatzaufenthalt von 5 Tagen das gelernte alpine<br />

Know-How mit Einsatzaufträgen verbunden werden. Dabei geht es im Wesentlichen<br />

darum Vorstellungen und Eindrücke zu vermitteln, wie sich der Einsatz von Heeresbergführern<br />

im Gefechtseinsatz darstellen könnte.<br />

In der Abschlusswoche des Sommerteils werden gemeine Gebirgssoldaten im Gebirge<br />

geführt. Ziel dabei ist, dass der Heeresbergführernachwuchs nicht fiktiv führt,<br />

also Ausbildungskameraden mit hoher alpintechnischer Fertigkeit am Seil hat, sondern<br />

mit allen Problemen einer tatsächlichen Führung leibhaftig in Kontakt gebracht<br />

wird.<br />

Der Winterabschnitt beginnt mit einer sechswöchigen Ausbildung zum DSV-<br />

Instruktor.<br />

Abb. 8: Ausbildung zum DSV-Instruktor<br />

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Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

Aufgelockert werden diese Ausbildungswochen mit wöchentlich einem Tag Wasserfallklettern<br />

oder Skibergsteigen. Freitags geht es zusätzlich zum Langlaufen. Gerade<br />

der Skating-Technik kommt bei langen Tälern auch mit schwerem Gepäck eine militärische<br />

Bedeutung zu. Parallel zur Instruktor-Ausbildung werden die Lehrgangsteilnehmer<br />

umfassend in der Lawinenkunde ausgebildet und geschult. Die Planung,<br />

Organisation und Umsetzung winterlicher Touren wird nach der Skilehrer-Ausbildung<br />

in den anschließenden Wochen im Focus stehen. Mit einer Woche im Allgäu beginnend<br />

und drei Wochen in Andermatt, werden die Aspiranten als Bergführer mit winterlichen<br />

Gelände konfrontiert. Jede Tour wird auch zur lawinentechnischen Ausbildung<br />

genutzt in dem grundsätzlich begründete Einzelhangbeurteilungen mittels<br />

Blocktests durchgeführt werden. Kaum eine Tour zeichnet sich als reine Skitour ab,<br />

da im militärischen Einsatzauftrag für den Heeresbergführer eher das winterliche<br />

kombinierte Gelände zu erwarten ist.<br />

Abb. 9: Gratbegehung im winterlichen Gebirgsgelände<br />

Auch Erfahrungen mit schweren Gepäck und dem Einsatz von Skischlitten und Auftragserfüllung<br />

vom Biwak aus und das in größeren Höhenlagen (Berner Oberland)<br />

werden zum Sammeln von Erfahrungen eingeflochten. Der Winter schließt zahlreiche<br />

Führungstouren, Bergrettungsprüfungen, Sanitätsprüfungen, Lawinenkundetest<br />

sowie Prüfungen in der Lehrtätigkeit ein.<br />

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Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

Wie auch im Sommer verbindet ein Truppenübungsplatzaufenthalt zuletzt alpintechnische<br />

und gefechtstechnische Fertigkeiten.<br />

Sind alle Prüfungen mit „ausreichend“ abgeschlossen worden, kann schließlich im<br />

April die Ernennung zum Heeresbergführer erfolgen.<br />

5. Verantwortung / Was ist das und wer trägt sie?<br />

Verantwortung ist ein in der heutigen Gesellschaft schnell verwendeter Begriff. Eigentlich<br />

meinen wir damit, dass jemand für die Folgen seines Handelns Rechnung<br />

tragen müsste. Für bestimmte Etagen haben wir als gemeiner Bürger häufiger den<br />

Eindruck als würden Konsequenzen eines Fehlverhaltens „Großkopferter“ anders<br />

bemessen als bei uns. So lesen wir immer wieder in den Nachrichten von Wirtschaft<br />

und Politik, dass die Konsequenz von Fehlverhalten mit einem bloßen Rücktritt abgetan<br />

wird, Manager aus der Wirtschaft gar noch mit einer „respektablen Abfindung“<br />

vom Platze gehen.<br />

Zuzüglich strafrechtlicher und zivilrechtlicher Konsequenzen, stehen aber auch Maßstäbe<br />

der guten Sitte, des Anstandes, gesellschaftlicher Verantwortung und die des<br />

Gewissens im Focus von Entscheidungen und Handeln. Gerade staatliche Organisationen<br />

sollten dabei im sinne gesellschaftlicher Verantwortung und amtlicher Sorgfaltspflicht<br />

einen vorbildlichen und hohen Maßstab ansetzen.<br />

„Zwischen guten und schlechten Handlungen entscheiden wir in einer offenen Skala<br />

von „verboten“ über „erlaubt“ bis „geboten“ (siehe: Mehringer Reinhard (2005) Politische<br />

Philosophie, S. 28, Leipzig: Reclam). Sind die Kassen leer, werden gerne die<br />

Trennlinien zwischen „erlaubt“ und „verboten“ restriktiver gezogen. Die Frage, ob ein<br />

Skihelm für die Skiausbildung von Soldaten im organisierten Skiraum im Umfeld einer<br />

Vielzahl anderer Schneesportler notwendig sei, wird dann darauf gelenkt, ob z.B.<br />

das Tragen eines Helmes einer notwendigen Norm entspricht. Bei der Gebirgstruppe<br />

ist die Skiausbildung befohlen, auch wenn sie noch so schön für den Einzelnen sein<br />

mag. Daraus lässt sich aus einer ethischen Sichtweise immer noch ein besonderer<br />

Sorgfaltspflichtmaßstab ableiten. Unfallstatistiken zeigen viele schwere und zum Teil<br />

auch tödliche Skiunfälle. In den meisten Skischulen besteht Helmpflicht! Auch öffent-<br />

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Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

liche Schulen verweisen bei der Durchführung von Skilagern auf die Tragepflicht eines<br />

Skihelmes. Die Wahrnehmung von Verantwortung ist also nicht nur der Schutz<br />

vor Konsequenzen im Sinne eines sich Zurückziehens auf „erlaubt“ oder „verboten“<br />

sondern auch die Realisierung von „geboten“!<br />

Wenn in einer Armee Soldaten zum und als militärische Bergführer ausgebildet und<br />

eingesetzt werden, muss ein hoher Verantwortungsmaßstab gesetzt und eingehalten<br />

werden. Das Ziel ist eine erfolgreiche Ausbildung und nachfolgend erfolgreiche Einsätze<br />

ohne Unfälle und gesundheitliche Schädigungen. Das ist oft eine Gratwanderung,<br />

bei der alle Verantwortungsebenen alles ihnen Mögliche zu leisten haben und<br />

bei der sich nur ein Zurückziehen auf Erlasse, Verordnungen, Vorschriften und Gesetzestexte<br />

nicht ausreicht.<br />

5.1 „Von Denen, …“ – Leiter der HBF-Ausbildung und Ausbilder<br />

Zweifelsohne trägt der Ausbildungsleiter die wesentliche Verantwortung in der Ausbildung<br />

zum Heeresbergführer. Dazu hat er gebunden an Vorschriften und einen<br />

vorgegebenen Lehrplan einen notwendigen Spielraum, um die fast einjährige Ausbildung<br />

zu gestalten. Das muss auch so sein, den Wetter- und andere Umwelteinflüsse,<br />

sowie eine Analyse des fortschreitenden Ausbildungsstandes bedingen ein sehr<br />

flexibles Gestalten des Lehrganges. Der Schnelllebigkeit in der <strong>Sicherheit</strong>sentwicklung,<br />

auch für den alpinen Bereich, kann ein Vorschriftenwesen kaum aktuell nachkommen.<br />

Eine bestimmte Offenheit in den Vorschriften, dessen was „Soll“, „Muss“<br />

und „Kann“ ist, muss Berücksichtigung finden. Ein kompetentes Ausbilderteam, muss<br />

im Kontakt mit anderen alpinen Ausbildungsverbänden stets Fühlung halten und<br />

sinnvolle Neuerungen aufgreifen und in die Ausbildung und das Handeln einfließen<br />

lassen. Verantwortungsgefühl und sehr große Selbständigkeit gehören zum Grundprofil<br />

des Ausbildungsleiters und der Ausbilder. Die Ausbildung zum Heeresbergführer<br />

findet nicht am Simulator statt, sondern bedeutet immer „Einsatz“. Anders als in<br />

vielen anderen Ausbildungen der Bundeswehr, besteht nicht die Annahme einer Gefahr,<br />

sondern die Gefahr ist reeller Begleiter in der Ausbildung. Es herrscht Absturzgefahr,<br />

es besteht Lawinengefahr, man steht im Steinschlag!<br />

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Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

In dieser Ausbildung müssen junge Soldaten zu einer Aufgabenbewältigung in einer<br />

tatsächlichen Risiko-Sphäre herangezogen werden. Ist die Ausbildung abgeschlossen<br />

trägt der junge Absolvent diese hohe Verantwortung anschließend auf sich gestellt.<br />

Daher ist der Ausbildungsmaßstab sehr hoch zu definieren und die Risikowelt<br />

muss sich erfahrbar in der Ausbildung wiederfinden. Erfahrungen die in der Obhut<br />

der Ausbildung gesammelt werden können, stabilisieren und helfen später bei der<br />

eigenständigen Entscheidung als fertiger Heeresbergführer.<br />

Der notwendig hohe Standard jedoch bedingt auch, dass nicht jeder Anwärter die<br />

Ausbildung erfolgreich abschließen kann. Heeresbergführeranwärter sind in ihrem<br />

Ausbildungsgang besonders motiviert und ehrgeizig; sind sie ja schließlich nicht gezwungen<br />

worden eine solche Hürde zu nehmen. Droht ein Scheitern der Ausbildung,<br />

werden gerne alle Register gezogen, um sich ein Fortbestehen auf dem Lehrgang zu<br />

sichern. Dabei kann es bis zur Eingabe beim Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages<br />

kommen. Das sollte und darf jedoch nicht davor abschrecken, dass nach<br />

Prüfung der Sachlage durch die Lehrgangsleitung „ das Richtige“ veranlasst wird.<br />

Das Richtige ist in jedem Fall der Schutz von Leib und Leben. Das gilt für den jeweiligen<br />

Anwärter selbst, wie auch alle weiteren an der Ausbildung beteiligter Personen,<br />

aber auch für die, die sich später in der Obhut von Heeresbergführern befinden.<br />

Die Heeresbergführerausbildung lässt zu, ggf. einzelne Ausbildungsabschnitte innerhalb<br />

des Sommer- oder Winterteils mit entsprechend gescheiterten Prüfungen zu<br />

wiederholen, ohne dass der fortlaufende Ausbildungsgang abgebrochen werden<br />

muss. Aber auch eine komplette Wiederholung muss in Einzelfällen angesetzt werden.<br />

Sollte als Beispiel ein Lehrgangsteilnehmer im Sommerteil wegen <strong>Sicherheit</strong>smängeln<br />

abgelöst werden, kann und darf eine Fortsetzung mit dem Winterteil nicht<br />

erfolgen. Das winterliche Bergsteigen birgt wesentlich mehr und schwieriger einzuschätzende<br />

Risiken, als die sommerliche Bergwelt. Unter dieser Bedingung wäre ein<br />

fortlaufen im Lehrgang schlichtweg verantwortungslos, wenn beispielsweise im<br />

Sommer sicherungstechnische Maßstäbe nicht erfüllt werden konnten.<br />

Ausbildungsleiter und Ausbilder stehen stets im Spagat zwischen „möglichst viel Erfahrung<br />

sammeln und vermitteln“ und alle Anwärter wieder heile nach Hause bringen<br />

zu müssen. Verlangt doch die anschließende Aufgabe als fertiger Heeresbergführer<br />

so einiges, kann in der Ausbildung nicht nur bei gutem Wetter und Lawinengefahren-<br />

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Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

stufe „1“ ausgerückt werden. Andererseits kann aber auch in der Ausbildung nicht an<br />

die Grenze gegangen werden, weil auch der beste Bergführer nicht weiß, wo die<br />

Grenze tatsächlich liegt. Daher gilt es bei fast allen Wetter- und Umweltverhältnissen<br />

ins Gelände auszurücken. Die Maßgabe ist in der Heeresbergführerausbildung nicht<br />

primär das Erreichen eines Gipfels, sondern vielmehr, die Anwärter in Entscheidungssituationen<br />

zu führen, wo es auch zu begründeten Abbrüchen der Unternehmungen<br />

kommen soll. Dennoch bleibt auf dieser Ausbildungshöhe ein gesundes<br />

Abwägen der Ausbildung weitaus schwieriger als bei einfacheren Ausbildungsgängen.<br />

Erwartet wird vom Anwärter nichts, was nicht vorher im Rahmen des Lehrganges<br />

ausgebildet wurde. „Von Menschen ist nicht zu fordern, was sie nicht können. Niemand<br />

muss nach Vogelart fliegen, um ein Verbrechen am anderen Ufer zu verhindern<br />

(siehe: Mehringer Reinhard (2005) Politische Philosophie, S. 35, Leipzig: Reclam).“<br />

Die Heeresbergführerausbildung ist aber auch nicht ein alpiner Grundkurs.<br />

Ein bereits hohes Niveau alpintechnischen Könnens und Erfahrung ist Voraussetzung!<br />

Die anfängliche Überprüfung zu Beginn des Sommerteils zeigt natürlich nur<br />

einen Ausschnitt und nicht immer das ganzheitliche Gesicht eines Anwärters. So<br />

kann durchaus die Situation entstehen, dass erst zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt<br />

wird, dass die Fähigkeiten und Fertigkeiten doch nicht den geforderten Ansprüchen<br />

entsprechen. Solange die <strong>Sicherheit</strong> nicht gefährdet wird, soll der Aspirant<br />

die Chance bekommen, Lücken zu schließen. Mängel in der Klettertechnik können<br />

bei motorisch begabten Anwärtern möglicherweise relativ schnell beseitigt werden. In<br />

der koordinativ erheblich schwierigeren Skitechnik ist das meist nicht machbar. Auch<br />

Überblick in völlig wegfreiem Gelände zu haben, sich in Schrofengelände bewegen<br />

zu können, verlangt langjährige Erfahrung. Das innerhalb eines Lehrganges aufzuholen<br />

ist kaum erfüllbar.<br />

Dadurch, dass ein quantitativer Bedarf an HBF-Nachwuchs besteht, ist auch die Erwartungshaltung<br />

gegenüber dem Ausbilderteam durchaus hoch. Den Schlussstrich<br />

zu ziehen fällt nicht immer leicht. Einem Anwärter das „Aus“ zu erklären ist nicht<br />

sonderlich erbauend und häufig auch mit Widerständen verbunden.<br />

Neben all der Vermittlung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten ist innerhalb<br />

der Ausbildung ein verantwortliches Denken zu vermitteln und auszuprägen be-<br />

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Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

sonders wichtig. Ein „Worst-Case-Denken“ muss beim Bergführer, wie auch generell<br />

beim militärischen Führer, eine endlose Möbiusschleife sein. Wer sich in <strong>Sicherheit</strong><br />

wiegt und die Situation nicht mehr kritisch erfasst, unterliegt schnell fatalen Fehlern.<br />

Es gilt auch den Unterschied zwischen Entscheidungen und Handlungen als Führer<br />

vor dem Hintergrund der amtlichen Sorgfaltspflicht im Gegensatz zur privaten Bergtour<br />

unter Gleichgestellten zu unterstreichen. Der Leitsatz von Peter Geyer für die<br />

zivile Bergführerausbildung und auch nachfolgende Führungstätigkeit „Muss alles<br />

gemacht werden, was machbar erscheint?“ gilt für Soldaten in besonderem Maße,<br />

weil sie nicht freiwillig zu einer Unternehmung einwilligen, sondern befohlen werden.<br />

Vom HBF-Anwärter jedoch muss auch einiges abverlangt werden, weil dessen anschließende<br />

Realität als Bergführer nicht in einer geschützten Black-Box stattfindet.<br />

5.2 „… von Jenen, …“ - Vorgesetzte und vorgesetzte Dienststellen<br />

Frauen in der Bundeswehr benehmen sich nicht wie Hennen! Viel mehr spielen oftmals<br />

Männer die Gockel. Bis lang ist der Stand der Heeresbergführer eine reine<br />

Männerdomäne und er wird es naturgemäß auch in Zukunft weitgehend bleiben. Der<br />

Ehrgeiz Heeresbergführerin zu werden liegt nicht nur bei den Interessentinnen oder<br />

Anwärterinnen, sondern manchmal erscheint es einem, als ob auch Protagonist die<br />

Fahne hießen wolle, aus seinem Umfeld stamme die erste Heeresbergführerin. Ablösungen<br />

von Frauen bei Lehrgängen innerhalb der Bundeswehr sind oft schwieriger<br />

und komplizierter, als die von männlichen Anwärtern. Dabei vertrete ich die Meinung,<br />

dass dies oft nicht ursprünglich an den Frauen liegt, sondern an jenen, die die Vorausbildung<br />

geleistet haben, die ihnen zu dieser Ausbildung zugesprochen haben<br />

oder auch auf den Lehrgang geschickt haben.<br />

Immer wieder ergehen, besonders nach einem persönlichen Scheitern, Vorwürfe,<br />

man würde mit unterschiedlichen Maßstäben bewerten, ungleiche Prüfungsbedingungen<br />

und Führungstouren schaffen und vergeben oder auch einfach nur der Nasenfaktor<br />

wird zu Felde geführt. Für die Lehrgangsleitung kann hier Ärger und Druck<br />

entstehen, der objektive und auch verantwortungsbewusste Entscheidungen unsachgerecht<br />

negativ beinflussen kann. Besonders, wenn vorgesetzte Stellen einem<br />

gescheiterten Anwärter zu schnell Glauben schenken, wird die Situation für die Lehr-<br />

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Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

gangsleitung kompliziert, denn ein Lehrgangsleiter oder Ausbilder, der in seiner militärischen<br />

Laufbahn etwas erreichen will, wird sich „ungerechtes Bewerten und Entscheiden“<br />

nicht mehrere Male vorhalten lassen wollen. Es wäre aber fatal, wenn aus<br />

diesen Gründen eine rechtzeitige Beendigung für einen Lehrgangsteilnehmer verpasst<br />

würde.<br />

Auch in einer Bergführerausbildung müssen die Messinstrumente reliabel sein und<br />

nicht nur irgendetwas messen, sondern das messen, was man messen will. Daher<br />

nützt es wenig, Alkoholgenuss in Zentilitern vergleichbar messen zu wollen, wenn<br />

der eine Schnaps und der andere aber Bier getrunken hat. Die richtige Maßeinheit ist<br />

hier nun mal Promille. Auch bei Bergführeranwärtern handelt es sich um unterschiedliche<br />

Individuen und unterschiedliche Probleme, die zum Nicht-Bestehen diverser<br />

Fertigkeiten führen. Es ist daher nicht unbedingt nützlich, grundsätzlich den Zollstock<br />

als Maß herausziehen zu wollen. Unterschiedliche Gegenstandsbereiche, in diesem<br />

Fall also Mängel verschiedener Individuen, müssen so auch mit unterschiedlichen<br />

Instrumenten gemessen werden, nämlich dann, wenn die Mängelursachen unterschiedlich<br />

sind, was manchmal die Differenz in sich birgt, dass bei einem Anwärter<br />

die „Kurve“ gekratzt werden kann, bei einem anderen dies aber verantwortungslos,<br />

auch im Hinblick auf dessen Eigenschutz, wäre. Der für die Lehrgangsleitung unangreifbare<br />

Weg wäre, eine resolutere Aufnahmeprüfung durchzuführen und keine zusätzlichen<br />

Chancen einzuräumen. Es ist jedoch zu bezweifeln, ob dieser Weg bei<br />

Anwärtern und entsendenden Dienststellen einen besseren Anklang fände.<br />

Auch die Entsendung von HBF-Anwärtern birgt bereits eine Verantwortung. Muss<br />

unbedingt der „Vielleicht-Kandidat“ kommandiert werden, oder ist es nicht manchmal<br />

besser, diesem noch ein Jahr Vorbereitung zu gewähren?<br />

Die Vorbereitung von Heeresbergführeranwärtern ist in vielfacher Hinsicht mit Opfern<br />

verbunden. Während der Anwärter sich vorbereitet, müssen Kameraden dessen Vakanz<br />

mit Mehrarbeit ausgleichen. Der zuständige Chef muss ebenfalls mit weniger<br />

Personal seine fortlaufenden Aufträge erfüllen. Daher ist klar, dass man sich erhofft,<br />

dass die Mühen nicht vergebens sein werden. Bei kleineren Mängeln, kann ein Bergführeranwärter<br />

auch noch in die Ausbildung aufgenommen werden, wenn die Möglichkeit<br />

einer schnellen Mängelbehebung besteht. Dies muss unter Berücksichtigung<br />

zahlreicher Faktoren für den Einzelfall entschieden werden. Das wird allerdings nicht<br />

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Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

bei der Konditionsüberprüfung geduldet. Hier sind die Strecke und die vorgegebene<br />

Zeit seit mehreren Jahrzehnten bekannt. Auch Mängel beim Skifahren sind streng zu<br />

beurteilen, weil eine merkliche Verbesserung der Skitechnik auf Grund der Komplexität<br />

viel Zeit erfordert. Geringe Mängel in der Klettertechnik können im Einzelfall Berücksichtigung<br />

finden. Dies funktioniert aber nur dann, wenn die entsprechenden<br />

Anwärter in der anfänglichen Methodik-Schulung in der Fränkischen Schweiz und<br />

dem ersten alpinen Ausbildungsaufenthalt, zur Zeit im Blaueis-Massiv, zeigen, dass<br />

sie den nötigen Anschluss gefunden haben und vor allem kein <strong>Sicherheit</strong>srisiko für<br />

die nachfolgenden sehr hochalpinen Touren darstellen. Eine anderer mag nur einen<br />

Ausbildungsabschnitt wiederholen müssen, während bei Manchem ein kompletter<br />

Neustart gefordert werden muss.<br />

Wer bildet Heeresbergführer aus und weiter? Innerhalb der Bundeswehr gibt es keine<br />

höhere Qualifikation, als die des Heeresbergführers selbst. Dennoch, nicht jeder<br />

der einen Führerschein erworben hat, ist deswegen automatisch Fahrlehrer. Bei einer<br />

Hochwertausbildung, wie sie die HBF-Ausbildung darstellt, müssen die fähigsten<br />

und reifsten Bergführer als Ausbilder herangezogen werden. Auch hier stehen die<br />

Vorgesetzten in der Pflicht.<br />

Die materielle Ausstattung in der Bundeswehr, so steht es auch wieder im Bericht<br />

des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages von <strong>2011</strong>, lässt zu wünschen<br />

übrig. Im alpinen Bereich, wo <strong>Sicherheit</strong> groß geschrieben werden muss, ist die Ausstattung<br />

in weiten Bereichen ungenügend! In der Bekleidungsausstattung und bergspezifischen<br />

Ausrüstung für Heeresbergführer bestehen erhebliche Mängel. Viele<br />

Ausrüstungsgegenstände und Bekleidungsstücke entsprechen nicht annähernd dem<br />

aktuellen Stand zeitgemäßer Technik und <strong>Sicherheit</strong>sanforderungen. Auch hier beruft<br />

man sich gerne auf eine oberflächliche „Buchstabenleserei“. Wie gut sitzt ein<br />

Eisbeil? Wie definiert man das Anti-Stoll-Verhalten eines Steigeisens. Wann verdient<br />

eine Regenjacke die gleichnamige Bezeichnung? Ein Logistiker und auch verschiedene<br />

in der Bundeswehr bestehende Prüforgane, die kein bergspezifisches Hintergrundwissen<br />

haben, beschaffen häufig unzureichendes Material. Die oft feinen, doch<br />

aber essentiellen Unterschiede sind Außenstehenden nur schwer zu vermitteln, oftmals<br />

auch deswegen, weil die entscheidenden Gütekriterien nicht in Normwerten,<br />

Zahlen oder nur schwer mit allgemeinverständlichen Beschreibungen klassifizierbar<br />

und fassbar sind. Für den Praktiker sind die feinen Unterschiede, z.B. wie gut eine<br />

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Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

Eisschraube beißt, entscheidend. Als Spezialisten können wir zum Beispiel nicht einen<br />

bestimmten Eisschraubentyp auswählen. Aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit<br />

muss die Bundeswehr stets eine Ausschreibung tätigen. Und wenn die Beschreibung<br />

oft auch noch so genau formuliert wird, man glaubt oft gar nicht was<br />

letztendlich eingekauft und angeliefert wird.<br />

Bei der Bereitstellung von Bekleidung und Ausrüstung sollte außerdem mehr unterschieden<br />

werden zwischen einer Ausrüstung für den allgemeinen Gebirgsjäger und<br />

die der Heeresbergführer sowie der Hochgebirgssoldaten. Heeresbergführer bewegen<br />

sich bereits in der Ausbildung weit entfernt von der „Übungsunterbrechung“. Das<br />

nicht vorhandene Verkehrsschild „Raststation in 1000 m“ hätte im unwegsamen<br />

Hochgebirgsgelände auch eine deutlich andere Bedeutung, als für den Autobahnnutzer,<br />

insbesondere wenn ein Unwetter hereinbricht oder ein Unfall passiert. In diesem<br />

Gelände mit dem Verkehrsmittel „Fuß“ ist 1000 m bereits eine erhebliche Distanz,<br />

die den Soldaten über viele Stunden von einer sicheren Zone trennt!<br />

Abb. 10: Gewitter auf der Grohmannspitze. Der Abstieg dauert mehrere Stunden unter Hagel, Blitz<br />

und Donner.<br />

Deswegen ist eine Regenbekleidung, die diese Funktion auch tatsächlich erfüllt,<br />

zwingend notwendig, leichte und zu verstauende, wärmende Unterbekleidung essentiell<br />

und z.B. Eisgeräte auch mit Schaufel zur Vorbereitung um Eisschrauben setzen<br />

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Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

zu können, unverzichtbar. Diese Liste ließe sich um viele Dinge ergänzen. Für den<br />

Verteidigungshaushalt wären die Kosten zur Behebung dieser Missstände reine<br />

Peanuts, weil die Anzahl der auszustattenden Soldaten sehr überschaubar ist. Die<br />

Gebirgsjägerbrigade 23 hat bereits eine grundlegende Verbesserung der Ausrüstung<br />

gefordert, leider ohne Erfolg. Vielfach behelfen sich die Spezialisten durch Nutzung<br />

von privatem Material, das selbstverständlich der geforderten EU-Norm entspricht.<br />

Sollte aber unter Anwendung privaten Materials ein Unfall vorfallen, würde der<br />

Dienstherr, zumindest mit Blick auf Versorgungsansprüche, darauf verweisen, dass<br />

nur dienstlich geliefertes Material zu verwenden gewesen wäre. Dabei werden vielfach<br />

private Materialien, wie zum Beispiel Karabiner, mit besseren Normwerten genutzt,<br />

als das Material, was dienstlich zur Verfügung steht. Wieso gelten nicht auch<br />

bei der Bundeswehr die allgemeingültigen Normen, da wo spezielle militärische Forderungskriterien<br />

wie z.B. schwere Entflammbarkeit, Antistatik, etc, nicht notwendig<br />

sind. Muss die Bundeswehr immer alles separat für sich definieren? Selbsterhaltungstriebe<br />

interner Organisationsstrukturen führen teilweise zu beispielloser Absurdität.<br />

Wenn der Heeresbergführerlehrgang in Zukunft Hüttenaufenthalte plant, behält<br />

sich der Zentrale Sanitätsdienst der Bundeswehr vor eine Überprüfung der vorgesehenen<br />

Hütte noch einmal selbst durchzuführen, obwohl diese ja bereits durch öffentliche<br />

Behörden kontrolliert worden sind. Sei es den jeweiligen Hüttenwirten verziehen,<br />

wenn die Bundeswehr künftig unsanft vor die Hüttentüren befördert wird.<br />

5.3 „…und von Welchen“ - Die Heeresbergführeranwärter<br />

In wieweit kann ein einfacher Soldat oder Lehrgangsteilnehmer Eigenverantwortung<br />

tragen? Im Frühjahr <strong>2011</strong> sprach mich ein Nachbar aus meiner Wohnstrasse auf den<br />

tödlichen Schussunfall beim Waffenreinigen im Afghanistan-Einsatz am 18.12.<strong>2011</strong><br />

an. Ein Soldat erschoss im Außenposten Pol-e Khomri / OP North einen Kameraden<br />

mit einer Pistole P8. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht bekannt, dass der Unfall auf<br />

Grund einer reinen Spielerei mit der Handwaffe passierte. Der Nachbar, der selber<br />

früher im Dienst der Bundeswehr als Feldwebel stand, fragte mich, „Wieso denn da<br />

kein Dienstgrad, keine Aufsicht beim Waffenreinigen dabei war“?<br />

102


Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

Abb. 11: Einsatz in Afghanistan – kein Kinderspiel<br />

Das ist doch irgendwie merkwürdig. Da wird in der Bundeswehr die „Innere Führung“<br />

hoch gepriesen und vom Bürger in Uniform gesprochen. Diesem erwachsenen und<br />

mündigen Bürger aber wird bei der Armee häufig seine Mündigkeit abgesprochen<br />

und eigentlich vertretbare Verantwortlichkeiten werden ihm abgenommen. Er darf<br />

nicht alleine einen Dauerlauf durchführen, ohne dass ein Sportausbilder dabei ist.<br />

Wenn nach Dienstschluss Soldaten im Kasernenbereich Stuss machen, wird nach<br />

der Dienstaufsicht gerufen.<br />

Die Komplexität im Umgang mit Handwaffen hält sich in Grenzen. Daher stelle ich<br />

provokant die Frage, ob von einem nach monatelanger Waffenausbildung fertig ausgebildeten<br />

Einsatzsoldaten nicht erwarten werden kann, dass er auf Befehl ordnungsgemäß<br />

seine Waffe reinigt?<br />

Wenn der Heeresbergführerlehrgang zweimal für eine Woche zum Schiessen auf<br />

einen Gebirgsübungsplatz verlegt, sollen denkbare HBF-Aufträge im scharfen<br />

Schuss abgebildet werden. Dabei ist das Gelände selbstverständlich schwierig.<br />

103


Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

Abb. 12: Hochkomplexes Gefechtsschießen auf dem Truppenübungsplatz Hochfilzen, Österreich<br />

Schließlich bewegt sich dieser Lehrgang in einem „elitären“ Niveau. Und auch die<br />

nachfolgenden Anforderungen im Einsatz werden hoch sein! Das muss irgendwann,<br />

und nur das ist Verantwortung, zuvor auch einmal einigermaßen real geübt, und abgebildet<br />

werden. So wird in einem ersten leichteren Schiessen wieder die Handhabung<br />

im Umgang mit der Waffe stabilisiert und das Vorgehen im kleinen Team verbessert<br />

und abgestimmt. Wird dieses Ziel erreicht, werden die die Schiessen anspruchsvoller.<br />

Mit besserem Ausbildungsstand darf wohl auch dem Soldaten mehr<br />

Verantwortung im Umgang mit seiner Waffe zugesprochen werden. Damit meine ich,<br />

dass die Sicherung der Waffe, das Halten der Mündung in Zielrichtung durchaus in<br />

Hauptverantwortung des Einzelschützen liegt, insbesondere bei Dienstgraden, die<br />

alle selbst die Funktion der Aufsicht beim Schützen oder <strong>Sicherheit</strong>soffizier bei<br />

Schiessen erfüllen können müssen. Die Aufsicht muss bei schwierigeren Schiessen<br />

viel mehr den Blick dahin verlagern, dass sich z.B. im Angriff verschiedene Trupps<br />

im unübersichtlichen Gelände nicht gegenseitig ins Feuer gelaufen wird.<br />

104


Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

Abb. 13: Der <strong>Sicherheit</strong>soffizier überprüft mit Anspannung die Bewegung des benachbarten Trupps<br />

Im Endeffekt sind schwere Verletzungen oder tödliche Unfälle durch eigenes Feuer<br />

nicht duldbar, nur weil keine Aufsicht beim Schützen oder <strong>Sicherheit</strong>soffizier vorhanden<br />

waren. Verantwortlich handeln kann der Mensch doch schließlich nur, wenn er<br />

weiß, ihm also auch gesagt wird, dass er verantwortlich ist!<br />

Am 13.09.2004 stürzte ein Heeresbergführeranwärter tödlich von der Viererspitze bei<br />

Mittenwald ab. Der Heeresbergführerlehrgang stand im Sommerteil kurz vor dem<br />

Abschluss. In der erreichten letzten Ausbildungswoche, hatte der HBF-Lehrgang den<br />

Auftrag ein Seilgeländer für einen anderen Lehrgang der Gebirgs- und Winterkampfschule<br />

über den Süd-West-Grat auf die Viererspitze zu legen und die Nutzer im Seilgeländer<br />

zu betreuen. Während des Aufbaus stürzte der Aspirant, ohne dass jemand<br />

den Unfallhergang gesehen hatte, tödlich in die Nordwand.<br />

105


Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

Abb. 14: Tödlicher Unfall an der Viererspitze im Karwendel<br />

Der junge Feldwebel hätte den Sommerteil wenige Tage später als Lehrgangsbester<br />

abgeschlossen. Bei dem Absturzgelände handelt es sich vom Schwierigkeitsgrad um<br />

Einser- und Zweiergelände, mit wenigen Stellen Drei. Schwierigkeitsgrade, die ein<br />

Heeresbergführer nach eigener Maßgabe ohne Seilsicherung bewältigen kann. Daher<br />

trägt nach abgeschlossener Ausbildung und genügend Übung auch der Anwärter<br />

eine Eigenverantwortung. Diese erhöht sich sukzessive im Ausbildungsgang. Soll<br />

der fertige HBF andere am kurzen Seil führen können, muss von ihm erwartet werden,<br />

dass er selbst entsprechendes Gelände sicher bewältigen kann.<br />

Abb. 15: Rochefort-Grat / das Führen am Kurzen Seil kann nicht simuliert werden<br />

106


Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

Das Üben von Techniken, wie z.B. des Führens am Kurzen Seil muss zwingend im<br />

scharfen Gelände erfolgen. Die Ausübung eines risikoreichen Berufes, erfordert nun<br />

einmal bereits die Risikowahrnehmung in der Ausbildung. Fehler können traumatisch<br />

enden.<br />

6. Schlusswort<br />

Zur Gestaltung einer sicheren Ausbildung und vor allem des Einsatzes müssen die<br />

Handelnden aller Entscheidungsebenen ihre Verantwortung begreifen, wahrnehmen<br />

und umsetzen. „Fast jedes Mal, wenn ein Kind ertrinkt, ertrinkt ein Erwachsener mit!“<br />

Selbstaufopferung bringt also noch lange nicht den gewünschten Erfolg. Daher haben<br />

auch Diejenigen, die Andere, zu welchem Zweck auch immer, einsetzten, sorgfältig<br />

„Kosten“ und „Nutzen“ abzuwägen. Die gute Entscheidung fängt in den eigenen<br />

Reihen an.<br />

Unsere heutige Gesellschaft ist satt aufgewachsen. Entbehrungen sind weitgehend<br />

ein Fremdwort geworden. Die aktuellen Einsätze der Bundeswehr konfrontieren in<br />

ihrer tatsächlichen Härte noch immer nur wenige Soldaten der gesamten Bundeswehr<br />

mit dem, was einen militärischen Einsatz tatsächlich ausmacht. Schleichend<br />

steigt die Anzahl der Soldaten, die mit einer der westlichen Gesellschaft kaum mehr<br />

gekannten Einsatzbrutalität konfrontiert werden. In der Ausbildung ist daher nach wie<br />

vor eine harte und realitätsnahe Übungssituation erforderlich, die oft mit dem heutigen<br />

Wohlstandsmaßstab und damit auch verbundenen Rechtsempfinden schnell in<br />

Konflikt gerät! Gerne würden wir unsere Hände und unser Haupt in absoluter Reinheit<br />

baden. Wenn wir aber Soldaten für Militäreinsätze vorbereiten wollen, geht das<br />

nicht nur in „Milch“.<br />

Als Vorgesetzte müssen wir uns frei machen von der Informationsüberflutung und<br />

unserem internen Meldewesen, das uns von der Ausbildung und den tatsächlichen<br />

Einblicken und unserer Einflussnahme fern hält. „Panzerung ist unersetzbar“ lautet<br />

heute oft die Devise. Ein Box-Kämpfer, der nur über Panzerung verfügt, kann nicht<br />

gewinnen. Im Training kann er als „gepanzerter“ Sparringspartner die Runden gut<br />

überstehen, nicht aber im Einsatz. Im Einsatz muss er boxen, um zu gewinnen. In<br />

der Einsatzvorbereitung muss er daher bereits ohne Schutz antreten und kämpfen.<br />

107


Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

In der sportlichen Trainingswissenschaft heißt dies ganz neutral: wettkampfnahes<br />

Training oder Wettkampfvorbereitung. Dieses Prinzip muss auch für alle Soldaten<br />

und selbstverständlich auch für den Heeresbergführeranwärter gelten. Natürlich kann<br />

deshalb nicht Leichtsinn, Überheblichkeit und Missachtung des Lebens Einkehr halten.<br />

Sorgfaltspflicht und verantwortliches Denken und Handeln gegenüber den<br />

Schutzbefohlenen hat Priorität, dennoch - Verletzungen und auch der Tod können<br />

bereits in der Ausbildung vorkommen. Es besteht ein nicht weg zu redendes Restrisiko!<br />

Panzerung sei Priorität, ist eine erbärmliche, rechtliche Schutzbehauptung, die<br />

in Wahrheit an unserer Verantwortung als Vorgesetzte vorbeigeht! Sie besagt: „Ich<br />

schicke Dich in eine Situation, in der ich Dich eigentlich nicht haben möchte!“.<br />

Besonders im Gebirgsgelände bedeutet Schnelligkeit und Beweglichkeit ein hohes<br />

Maß an Schutz und <strong>Sicherheit</strong>. Wenn ein Boxer in den Ring geschickt wird, so muss<br />

die Überzeugzeug bestehen, dass er boxen, und dass er gewinnen kann! Ihn aber in<br />

der Hoffnung, dass er gewinnen könne, wie eine Schildkröte in den Ring zu stellen,<br />

macht keinen Sinn.<br />

Wer sich mit Gebirge nicht auskennt, für den ist der schroffe Fels ein Hindernis. Wer<br />

aber im Gebirge zu Hause ist, für den ist dieses Gelände eine Chance! Verantwortung<br />

darf auch nicht aus Gründen von Unwissenheit, Verständnislosigkeit, Beratungsresistenz<br />

und falscher Eitelkeit versagen.<br />

Teilweise ist ein Autoritarismus innerhalb von Politik und Gesellschaft, die Ralf<br />

Dahrendorf „Gesellschaft der couch potatoes“ nannte (vgl. Dahrendorf, R. (2003) Auf<br />

der Suche nach einer neuen Ordnung, S. 130, München: Verlag C.H. Beck) durchaus<br />

nachvollziehbar.<br />

Die tatsächliche Auswirkung eigenen und auch gesellschaftlichen und auch politischen<br />

Handelns zeichnet sich für viele Menschen real kaum mehr ab. Im Informationsüberfluss<br />

stehend und materiell gesättigt, erscheint vielen Menschen die Welt<br />

abstrakt und virtuell. Man hat es sich bequem eingerichtet. Als verantwortliche Führer<br />

können wir aber nicht die Tage „Kartoffelchips kauend“ passieren lassen. Auch<br />

der zukünftige militärische Führer muss und sollte wie eine Mutter oder ein Vater „in<br />

einer Familie“ und nicht „im Reagenzglas“ aufwachsen. Nicht ein Verteidigungs-<br />

Manager, der einmal von etwas gehört hat oder davon unterrichtet wurde, wird dauerhaft<br />

bestehen können!<br />

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Major Johannes Schwegler<br />

Risiko und Verantwortung in der Heeresbergführerausbildung<br />

Bestehen wird, wer weiß, von was er spricht. Wer nicht selber langjährige Erfahrung<br />

als Bergführer hat, kann nicht authentisch überzeugen. Eine langjährige Bergführerqualifikation<br />

ist aber auch noch lange nicht einer langjährigen Erfahrung gleichzusetzen.<br />

In der Komplexität einer Heeresbergführerausbildung wird Eigenverantwortung<br />

nach und nach an die Anwärter übertragen.<br />

Auch bei der Erziehung von Kindern kann ja nicht erst mit der Volljährigkeit eine<br />

Selbständigkeit und Eigenverantwortung geprägt und gefordert werden. Natürlich<br />

bleiben Eltern bis zum mündigen Lebensalter ihrer Sprosse in der Hauptverantwortung.<br />

Reife zum erwachsenen Leben, wie auch Reife zur Aufgabenübernahme als<br />

künftiger Bergführer kann nur und muss nach und nach wachsen und übertragen<br />

werden. Eltern, als auch Ausbilder, für welchen Bereich auch immer, können sich<br />

dadurch natürlich nicht ihrer Verantwortung entziehen. Fingerspitzengefühl und Empathie<br />

sind gefordert. Aber auch diejenigen, die den Rahmen stecken und Voraussetzungen<br />

schaffen, müssen Ihre Verantwortung sehen und wahrnehmen. Dabei<br />

sollte Haftbarkeit mit Verantwortlichkeit nicht verwechselt werden.<br />

Wer Kinder erzieht, tut dies immer, wie auch geartet, auch aus der Erfahrung selbst<br />

Kind gewesen zu sein! Das sollte uns Soldaten ein Leitbild bleiben, auch für und in<br />

späteren führenden Positionen.<br />

109


110


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

Peter Geyer<br />

Die Ausbildung zum Staatl. gepr. Berg- und Skiführer ist der Weg<br />

zur höchsten Qualifikationsstufe in der Führerausbildung für das<br />

alpine Gelände. Dieser Ausbildungsgang ist international anerkannt<br />

und qualifiziert bzw. berechtigt gegen Entgelt weltweit als<br />

Bergführer zu arbeiten.<br />

Obwohl das Berufsbild der Bergführer gebiets-, bzw. länderspezifisch<br />

unterschiedliche Schwerpunkte aufweisen kann, gibt es eine<br />

typische Eigenheit des Bergführerberufes mit der sich jeder Führer auseinandersetzen<br />

muss – dem Spannungsfeld zwischen dem vom Gast „gebuchten“ Erfolgserlebnis<br />

und der größtmöglichen <strong>Sicherheit</strong>, die er aufgrund seiner auferlegten Sorgfaltspflicht<br />

zu bieten hat.<br />

111


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

Zum Verständnis: Bergführer und Risiko<br />

Kein Berufsbergführer kann so hoch qualifiziert sein, dass er seine Laufbahn im Gebirge<br />

ohne größere oder kleinere Fehler übersteht. Unfehlbarkeit ist bloßes Wunschdenken.<br />

Ein Großteil der Touren bewegt sich in einem Bereich zwischen „gefährlich“<br />

und „sicher“, der als „verdächtig“ bezeichnet werden kann. In diesem situativen Ermessensspielraum<br />

sind, meist unter Zeitdruck, Hunderte von „Minuten-entscheiden“<br />

mit entsprechender Irrtumswahrscheinlichkeit zu fällen. Solche Situationen sind selten<br />

eindeutig, häufig sind die Informationen unvollständig und die Indizien widersprüchlich.<br />

Eine Quantifizierung des Risikos genügt selten, es braucht einen Entscheid<br />

„gehen oder nicht gehen“.<br />

Das Risiko beträgt beispielsweise 5%, ist die 95%ige <strong>Sicherheit</strong> ausreichend oder<br />

nicht? Wenn nicht, sind 98% ausreichend? 98%ige <strong>Sicherheit</strong> scheint auf den ersten<br />

Blick sehr sicher zu sein, aber 2%iges Risiko heißt, dass ein JA/NEIN-Entscheid in<br />

50 Fällen einmal schief geht. Irrtümer bei JA/NEIN-Entscheiden, die zweiwertige<br />

(entweder-oder) Ereignisse betreffen, sind immer 100%ig. Eine 2%ige Irrtumswahrscheinlichkeit<br />

ergibt beim Fehlentscheid die Konsequenz von 100%igem Irrtum. Das<br />

Restrisiko ist also keine theoretische Größe, sondern zeigt irgendwann und unweigerlich<br />

praktische Auswirkungen.<br />

Auch das Restrisiko bzw. das gewählte Risiko wird sich im Verlauf der Zeit summieren.<br />

Der Bergführer operiert in einem Gebiet besonderer Gefährlichkeit, in dem der<br />

geringste Fehler fatale Folgen haben kann. Es gibt aber keine direkte Übereinstimmung<br />

zwischen Fehlergröße und Unfallausmaß: einem schweren Unfall braucht keine<br />

gravierende Sorgfaltspflichtverletzung vorangegangen zu sein, oft ist bloß eine<br />

unglückliche Verkettung von Zufällen im Spiel. Eine kleine einmalige Unachtsamkeit<br />

kann tödliche Folgen haben, umgekehrt können gravierende Fehler über längere Zeit<br />

folgenlos bleiben.<br />

Das Gesetz von Murphy duldet keine Ausnahmen und ist eben auch für Bergführer<br />

gültig. Es sagt lapidar, dass alles, was schief gehen kann, früher oder später garantiert<br />

schief gehen wird. Etwas formaler ausgedrückt: kleines Restrisiko x große Anzahl<br />

von Wiederholungen (resp. lange Dauer) = sicher Katastrophe.<br />

Ein noch so kleiner Irrtum oder Fehler wird sich also, wenn er nur genügend oft wiederholt<br />

wird oder genügend lange andauert, früher oder später zur Katastrophe<br />

summieren. Das einzig Sichere am Restrisiko ist seine Allgegenwärtigkeit.<br />

112


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

Einem Alpinunfall, auch einem Führerunfall, geht meist eine Fehleinschätzung voraus,<br />

die man im Nachhinein immer begründen kann. Aber diese Erklärbarkeit darf<br />

nicht mit Vorhersehbarkeit in der Entscheidungssituation gleichgesetzt werden, denn<br />

im Nachhinein ist man immer schlauer.<br />

Rein vom Charakter der Touren her gibt es spezifisch dazu verschieden hohe Risiken,<br />

die es gilt bewusst auf sich zu nehmen, um eine gewisse Tour überhaupt angehen<br />

zu können. Es liegt also an der jeweiligen Risikobereitschaft, eine bestimmte<br />

Tour durchzuführen oder eben zu verzichten. Es gibt rein rechtlich gesehen, weltweit<br />

keine Tour, die auch im Führer-Gast-Verhältnis verboten wäre. Wenn sich also Führer<br />

und Gast über die zu erwartenden Gefahren und folglich über das bestehende<br />

„Basisrisiko“ einer Tour einig und auch gewillt sind dies einzugehen, was sollte dann<br />

im Wege stehen. Vorausgesetzt natürlich, dass beide dazu psychisch und physisch<br />

fähig sind. Wird ein anderer, sehr bestimmender Aspekt, die Ethik hinzugezogen,<br />

kann zweifellos die Entscheidung ganz anders ausfallen.<br />

Ausbildung in der Realität<br />

Die Bergführerausbildung beinhaltet die intensive Vorbereitung der Kandidaten im<br />

Umgang mit dem allgegenwärtigen Risiko, bzw. die bestmögliche Vorbereitung für<br />

einen Beruf mit steter Präsenz von Gefahren und erhöhtem Risikopotential.<br />

Zielsetzung: Handlungsfähigkeit in risikoreichen Situationen bzw. Kompetenz für<br />

komplexe Entscheidungssituationen, die von Informationsdefiziten geprägt sind.<br />

Zum Erreichen dieser Handlungskompetenz ist ein ausgeprägtes Risikobewusstsein<br />

erforderlich, das durchgängig über den gesamten Ausbildungsverlauf gefördert werden<br />

muss. Dies ist wiederum nur möglich bzw. effizient, wenn die Ausbildung realitätsbezogen<br />

durchgeführt wird. Es kann nicht, bzw. nur sehr eingeschränkt simuliert<br />

oder Situationen „gespielt“ werden - 1:1 zur Realität ist unabdingbar, denn Simulatoren<br />

wie in der Pilotenausbildung gibt es noch nicht.<br />

Die Entscheidungsträger in der Bergführerausbildung würden es sich zu einfach machen,<br />

wenn die Risikopräsenz bzw. der Umgang mit dem Risiko nur „gespielt“ wird –<br />

im Sinne einer bestmöglichen Vorbereitung für den Bergführerberuf wäre dies auch<br />

unverantwortlich! Der überaus anspruchsvollen Aufgabe handlungsfähige Bergführer<br />

113


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

auszubilden, muss sich voll und ganz gestellt werden – ein „bisschen schwanger“<br />

gibt es eben nicht.<br />

Fazit: Während der Bergführerausbildung ist ein gewisses Gefahrenpotential immer<br />

präsent, folglich ist sie mit erhöhten Risiken verbunden.<br />

Daraus ergibt sich die zwingende Forderung nach einem durchgehenden und systematisch<br />

aufgebauten Risikomanagement.<br />

Gefahren und Risiken in der Bergführerausbildung<br />

Wer im Gebirge unterwegs ist, gleich in welcher Spielform des Bergsteigens, wird<br />

unweigerlich mit einer Vielzahl von Gefahren konfrontiert und hat sich mit diesen<br />

eingehend auseinanderzusetzen – dies trifft im Besonderen auf die Kurse in der<br />

Bergführerausbildung zu.<br />

Diese Gefahren sind überaus vielfältig und in ihrem Ursprung oft sehr spezifisch.<br />

Das Risikopotential das sich aus diesen Gefahren ergibt ist unterschiedlich hoch und<br />

u.a. an dem Umstand zu bewerten, ob eine Gefahr offensichtlich bzw. leicht erkennbar<br />

oder latent ist und versteckt „lauert“.<br />

In der Bergführerausbildung muss sich einerseits mit den herkömmlichen alpinen<br />

Gefahren auseinandergesetzt werden und andererseits mit Risiken, die sich aus<br />

spezifischen Ausbildungsinhalten bzw. Aktionen ergeben.<br />

1. Risiko aufgrund des alpinen Umfeldes<br />

Die Bergführerausbildung findet nicht im Saal sondern im realen Gelände bzw. im<br />

Gebirge mit all seinen spezifischen Gefahren statt.<br />

Folglich und unbestritten bedeutet dies, dass während der Ausbildung immer ein<br />

mehr oder weniger großes Wagnis eingegangen bzw. ein gewisses Risiko bezüglich<br />

des alpinen Umfeldes in Kauf genommen werden muss.<br />

Auf was in den letzten Jahren immer mehr und verstärktes Augenmerk gelegt werden<br />

muss, sind die Auswirkungen der Erwärmung im Hochgebirge. Aus dem Gletscherrückgang<br />

sowie durch dem Rückgang des Permafrostes ergeben sich zusätzliche<br />

Gefahrenquellen bzw. ein erhöhtes Risikopotential.<br />

114


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

Während die Einschätzung bzw. die Beurteilung dieser objektiven Gefahren von den<br />

Ausbildungsteilnehmern Großteils vorausgesetzt wird, ist das Lernen mit dem Risiko<br />

umzugehen eine primäre Zielsetzung der Ausbildung.<br />

2. Risiko aufgrund der Aktivitäten<br />

Da als Bergführer der alpine Allrounder gefragt bzw. das Berufsbild der heutigen<br />

Führerschaft überaus breit gefächert ist, wird demnach auch sehr intensiv auf die<br />

zahlreichen Facetten des Bergsteigens eingegangen. Einerseits, um in diesen verschiedenen<br />

Bereichen professionelles Führungshandeln zu gewährleisten und andererseits<br />

unter methodisch didaktischen Prinzipien ausbilden zu können.<br />

Das Gefahrenpotential, welches die verschiedenen Spielformen des Bergsteigens<br />

bzw. des Alpinismus bergen, ist sehr spezifisch und unterschiedlich. Dies bedeutet,<br />

dass es Aktivitäten mit weniger bzw. Aktivitäten mit größerem Risikopotential gibt.<br />

Davor bleibt auch die Bergführerausbildung nicht verschont.<br />

Bei langen anspruchsvollen Hochtouren, Eisfallklettern oder bei Skidurchquerungen<br />

im Winter, muss bewusst mehr Risiko eingegangen werden als beim Sportklettern<br />

oder bei Führungen in Plaisierrouten.<br />

115


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

Die Förderung eines ausgeprägten Risikobewusstseins für diese spezifischen Risiken<br />

erfährt über die gesamte Ausbildung eine hohe Wertigkeit.<br />

3. Risiko aufgrund spezieller Aktionen<br />

Die Bergführertätigkeit birgt einerseits Risiken die sich aus bestimmten Situationen<br />

entwickeln und andererseits, z.B. bei bergführerspezifischen Führungstechniken, wo<br />

bewusst zusätzliches Risiko eingegangen wird.<br />

In der Bergführerausbildung müssen diese Risiken möglichst authentisch aufgezeigt,<br />

sowie Maßnahmen zur Optimierung trainiert werden.<br />

a) Realitätsbezogenes Training von risikoträchtigen Führungstechniken<br />

Es gibt beim Führen Techniken, bei deren Anwendung ein höheres Risiko<br />

eingegangen werden muss. Würden die Bergführer ohne diese speziellen<br />

Techniken auskommen, könnte man sie ersatzlos streichen.<br />

Gerade beim Führen auf langen Hochtouren, wo Zeit bzw. Schnelligkeit auch<br />

<strong>Sicherheit</strong> bedeutet, sind Techniken, wie das „gleichzeitige Gehen am kurzen<br />

Seil“ oder das gleichzeitige Gehen auf bzw. an der Gratschneide unerlässlich.<br />

116


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

Diese Techniken im kritischen Gelände bzw. bei ungünstigen Verhältnissen<br />

oder bei zu schwachen Geführten angewendet, lässt das Risiko eines<br />

Mitreißunfalls bzw. eines Absturzes der gesamten Seilschaft immens steigen.<br />

Nur durch ein ausgeprägtes Risikobewusstsein, ein hohes Maß an Beurteilungsfähigkeit<br />

und ein realistisches Training, inkl. Sturz- und Halteversuchen,<br />

lassen das Risiko auf ein akzeptables Maß reduzieren.<br />

Dass dieses Training nicht gefahrlos ist und manchmal nicht ohne Schrammen<br />

oder Blessuren abgeht, muss aufgrund einer effizienten Ausbildung ein<br />

zusätzliches Risiko eingegangen werden – dies bedeutet aber nicht, dass es<br />

unkontrollierbar wird.<br />

b) Aufzeigen von Situationen mit erhöhtem Risikopotential<br />

Von handwerklichen Fehlern über Fehlbeurteilung in der Lawinensituation<br />

aufgrund von Informationsdefiziten, führungstechnische bzw. taktische Fehlentscheidungen,<br />

bis hin zu negativen Entwicklungen durch die Gruppendynamik<br />

reicht die Palette der risikoreichen Situationen.<br />

In der Ausbildung gilt es diese Situationen möglichst praxisnah transparent zu<br />

machen und dafür wirksame Vermeidungsstrategien aufzuzeigen.<br />

Ein Vorausdenken in Szenarien kann dabei sehr oft Fehlerketten vermeiden.<br />

117


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

c) Spürbares Aufzeigen physischer und psychischer Belastbarkeit<br />

Da Bergführer auch nur Menschen und nicht unendlich belastbar sind, sollte<br />

jeder seine Grenzen kennen und wissen, wie er im Grenzbereich reagiert.<br />

Bei sehr langen Hochtouren, u.a. mit kräfteraubender Spurarbeit, sollte jedem<br />

Führer bewusst werden, dass auch seine Konzentration nachlässt – dieser<br />

Umstand ihn aber keinesfalls von seiner Sorgfaltspflicht entbindet bzw. er trotz<br />

Müdigkeit den Geführten die größtmögliche <strong>Sicherheit</strong> bieten muss.<br />

Dieses realistische Aufzeigen bzw. Spürbarmachen des physischen und psychischen<br />

Grenzbereiches ist ein anhaltender Bestandteil der persönlichen Erfahrung<br />

jedes Auszubildenden.<br />

Da derartige Aktionen nicht bei einem 24 Stundenmarsch in der Ebene stattfinden,<br />

sondern im realen Führungsgelände, ist auch hier oftmals ein höheres<br />

Risikopotential im Spiel.<br />

Risikomanagement als geschlossenes System<br />

Die Bergführerausbildung ist als Spiegel der Risikokultur der Berufsbergführer zu<br />

bezeichnen. Sie spiegelt direkt und nachvollziehbar im Detail den Umgang mit dem<br />

Risiko wieder.<br />

118


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

Voraussetzungen für ein effizientes Risikomanagement<br />

Ein Risikomanagement das funktionieren soll, muss als nachvollziehbarer, bzw.<br />

transparenter, geschlossener und wiederkehrender Zyklus angelegt sein. Die einzelnen<br />

Komponenten sollten einerseits in sich veränderbar, andererseits übergreifend<br />

wirksam sein.<br />

Ausbildungsteilnehmer<br />

Nur der überdurchschnittlich gute und selbständige Allrounder, der in den geforderten<br />

Bereichen das nötige persönliche Können und das hohe Maß an Erfahrung aufweist,<br />

wird zur Ausbildung zugelassen. Ausschließlich der, der das Gelände und sich<br />

selbst „im Griff“ hat, kann die Ausbildungsinhalte umsetzen und mit einem positiven<br />

Abschluss der Ausbildung rechnen.<br />

Es ist sehr einfach auf den Punkt gebracht: „Wer mit dem Gelände oder mit sich<br />

selbst Probleme hat, der kann in diesem Terrain nicht führen“.<br />

Zunehmende Selbständigkeit und eigenverantwortliches Handeln muss bei den Kandidaten<br />

vorausgesetzt werden können – somit entscheidende Faktoren des Risikomanagements.<br />

Auswahl der Bewerber<br />

Das konsequente Auswahlverfahren für Bewerber zur Bergführerausbildung ist ein<br />

entscheidendes Kriterium um sicher zu stellen, dass ausschließlich jene Kandidaten<br />

die Ausbildung beginnen, die aufgrund der zwingenden Voraussetzungen qualifiziert<br />

sind bzw. auch die größte Chance für einen positiven Abschluss haben. Zudem wäre<br />

es aufgrund des erhöhten Risikos nur schwer verantwortbar mit Teilnehmern zu arbeiten,<br />

die den hohen Ansprüchen nicht gewachsen sind.<br />

1. Tourenbericht<br />

Mit dem Antrag zur Bergführerausbildung hat jeder Bewerber einen umfassenden<br />

Tourenbericht abzugeben. Diese Auflistung der selbständig durchgeführten Touren<br />

gibt einen Überblick über das persönliche Können bzw. über die alpine Erfahrung<br />

des Bewerbers. Es müssen mindestens die Touren der letzten drei Jahre, in den Be-<br />

119


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

reichen Fels, Eis- und kombinierte Anstiege, sowie Skihochtouren in entsprechender<br />

Anzahl und Qualität vorhanden sein.<br />

Der Tourenbericht ist eliminierend, dies bedeutet, dass ein Bewerber aufgrund des<br />

Berichts abgelehnt werden kann.<br />

2. Überprüfung bei Eignungstests<br />

Bei den Eignungstests in Deutschland wird sehr großer Wert auf die zu überprüfenden<br />

Elemente bzw. auf den dafür benötigten Umfang gelegt. Insgesamt werden dafür,<br />

im Winter und Sommer (Ski, Fels und Eis), zwölf Tage aufgewendet.<br />

Es ist somit die umfangreichste Eignungsprüfung aller Bergführerausbildungen international.<br />

Prüfungsinhalte:<br />

Persönliches Können in den Bereichen Ski, Fels und Eis;<br />

Erfahrung;<br />

Umgang mit dem Risiko;<br />

Potential bzw. Möglichkeit der Entwicklung.<br />

Die Überprüfung beinhaltet auch Prüfungstouren im hochalpinen Gelände.<br />

Jedem Eignungstest geht eine Ausbildung über die Sicherungstechnik/Taktik sowie<br />

eine Einweisung in das risikobewusste Verhalten voraus.<br />

Ein umfassendes persönliches Feedback von den Ausbildern gibt jedem Teilnehmer,<br />

gleich ob bestanden oder nicht, Auskunft über positive Eigenschaften und Defizite<br />

die es gilt aufzuarbeiten.<br />

In der Qualität und im Umfang der Tests werden keine Kompromisse eingegangen,<br />

weil ausschließlich qualifizierte Kandidaten den hohen Anforderungen<br />

gewachsen sind und bei weniger geeigneten Teilnehmern das Risiko in der<br />

Ausbildung unkalkulierbar wird.<br />

120


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

Struktur der Ausbildung<br />

Die Struktur der Ausbildung bzw. die Lehrgangsfolge, mit den entsprechenden<br />

Lehrinhalten, ist ein sehr entscheidendes Kriterium im Risikomanagement.<br />

Aufgrund der sich systematisch aufbauenden bzw. sich ergänzenden Lehrinhalte ist<br />

die Abfolge verschiedener Ausbildungslehrgänge zwingend vorgegeben.<br />

Zielgerichtet steigern sich die Anforderungen bzw. die Qualität vom elementaren<br />

Umgang mit dem Risiko bis hin zur professionell ganzheitlichen Risikokompetenz.<br />

Steigerung der Anforderungen:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Zunehmende Komplexität der zu beurteilenden Situationen;<br />

Zunehmende Komplexität der Entscheidungsprozesse;<br />

Zunehmendes Risikopotential aufgrund der Aktivitäten;<br />

Zunehmende Förderung des Risikobewusstseins;<br />

Zunehmende Sensibilisierung des Verantwortungsbewusstseins;<br />

Zunehmende Einforderung von Eigenverantwortung.<br />

In der Bergführerausbildung gilt es zunächst, die „handwerklichen“ Fertigkeiten sowie<br />

die grundsätzlichen Fähigkeiten zu erlernen, zu koordinieren bzw. zu festigen. Be-<br />

121


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

reits hier wird bei den verschiedenen Techniken, z.B. in der Sicherungstechnik, nicht<br />

nur zwischen gut und schlecht unterschieden, sondern für die jeweilige Situation, in<br />

Bandbreiten von sehr gut, über gut, brauchbar und weniger brauchbar differenziert.<br />

Die Komplexität der Inhalte ist in diesem Stadium primär auf die verschiedenen<br />

Techniken ausgerichtet.<br />

Dafür vorgesehene Lehrgänge:<br />

• Felsklettern & Methodik;<br />

• Bergrettung & Erste Hilfe;<br />

• Theorie I;<br />

• Skitechnik & Methodik.<br />

Lehrgänge mit zwingender Reihenfolge sind:<br />

• Lawinenkurs<br />

(Voraussetzung für die Kurse Eisfallklettern, Skitour und<br />

Variantenskilauf);<br />

• Felskurs alpin;<br />

• Eiskurs;<br />

• Theorie II;<br />

• Skihochtourenkurs als abschließender Ausbildungskurs.<br />

Bei den Lehrgängen mit vorgegebener Reihenfolge kommt die Steigerung der genannten<br />

Anforderungen zum Tragen und charakterisiert die aufbauenden bzw. weiterführenden<br />

Inhalte bezüglich der Kompetenz im Umgang mit dem Risiko.<br />

Für die Ausbildungsteilnehmer beginnt mit diesen Kursen ein neuer Abschnitt bzw.<br />

eine neue Phase der Bergführerausbildung – es beginnt die Ausbildung des Führens<br />

mit all ihrer Komplexität.<br />

Beurteilen – Risikoabwägung – Entscheiden, Ja oder Nein und wenn Ja – Wie?<br />

Unzählige Situationen, gesteigert in der Anforderung bezüglich des Geländes, den<br />

Verhältnissen, dem Können bzw. dem Unvermögen der Geführten verlangen vom<br />

Auszubildenden überaus konzentriertes Handeln und Risikobewusstsein.<br />

122


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

Schritt für Schritt werden die Teilnehmer systematisch an risikoträchtige Situationen<br />

herangeführt und mit deren Komplexität konfrontiert bzw. vertraut gemacht.<br />

Trotz einer überaus durchdachten didaktischen Vorgehensweise bleibt es ein hochsensibler<br />

und oftmals steiniger Weg zu einer professionellen und ganzheitlichen Führungskompetenz.<br />

Ausbildungs- und Prüfungstouren<br />

Die Auswahl der Touren und Führungsaufgaben ist ein Faktor, bei dem das planbare<br />

bzw. vorhersehbare Risikopotential der Aktion eine übergeordnete Rolle einnimmt<br />

und bewusst vorgegeben wird. Nur so können die Anforderungen, bei kontrollierbarem<br />

bzw. akzeptablem Risiko, systematisch gesteigert werden.<br />

Die Auswahl der Touren erfolgt unter folgenden Kriterien:<br />

1. Aufbauend bezüglich der führungstechnischen und taktischen Anforderungen<br />

Von einfachen bis hin zu komplizierten bzw. aufwendigen führungstechnischen<br />

Maßnahmen;<br />

Steigerung der Anzahl der Geführten;<br />

Steigerung in der Variation verschiedener Führungstechniken.<br />

2. Aufbauend bezüglich des Gefahren- und Risikopotentials bzw. der Komplexität<br />

der Beurteilungs- und Entscheidungsprozesse:<br />

Von kürzeren zu langen Touren;<br />

Steigerung in der Anwendung von Führungstechniken mit erhöhtem Risikopotential;<br />

Vom übersichtlichen Routenverlauf bis hin zu Touren mit schwieriger<br />

Routenfindung;<br />

Vom leichten bis zum anspruchsvollen Führungsgelände;<br />

Vom gut bis hin zum schwierig abzusichernden Gelände;<br />

Von Verhältnissen die einfach bis schwierig zu beurteilen sind;<br />

Von nahezu stressfreien bis hin zu psychisch anspruchsvollen Touren.<br />

123


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

Entscheidungsschritte:<br />

1. Tourenauswahl, mit Alternativen, nach umfassender Risikokalkulation durch<br />

die Ausbilder.<br />

2. Weitere Gefahren- und Risikobeurteilung durch die Ausbildungsteilnehmer.<br />

Nach der Planung bzw. Vorbereitung, werden diesbezüglich klare Aussagen gefordert.<br />

3. Entscheidung: wie geplant oder Alternative.<br />

Prüfungstouren<br />

Bei Prüfungstouren gibt es keine Steigerung bezüglich der Schwierigkeit bzw. der<br />

Anforderungen gegenüber dem höchsten Level der Ausbildungstouren. Nur weil es<br />

sich um eine Prüfungstour handelt und Ergebnisse „geschrieben“ werden müssen,<br />

darf kein höheres Risiko, z. B. aufgrund kritischer Verhältnisse oder schlechtem Wetter,<br />

eingegangen werden. Eklatante Differenzen würden die gesamte Ausbildung in<br />

Frage stellen und unglaubwürdig machen.<br />

Auch ein gewisses Maß an Prüfungsstress ist dem Prüfling einzuräumen, er muss<br />

nur richtig damit umgehen – ein erfahrener Bergführer wird auch nicht von Stress<br />

verschont.<br />

124


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

Kein Kompromiss bezüglich des Eingehens eines unnötig hohen Risikos bei Prüfungstouren<br />

– das „Rote-Ampel-Prinzip“:<br />

Ein Verhalten bzw. ein Führungshandeln des Prüflings, welches die erforderliche<br />

<strong>Sicherheit</strong> seiner Geführten nicht mehr gewährleistet, sowie ein grober Verstoß gegen<br />

seine Sorgfaltspflichten, führen zum Prüfungsabbruch und kann in diesem Prüfungsabschnitt<br />

nicht mehr ausgeglichen werden!<br />

Risikoaufklärung in der Kommunikation<br />

Im Laufe der Jahre hat sich beim Führen ein wichtiges Instrument im Umgang mit<br />

dem Risiko etabliert – die Aufklärung der Geführten bezüglich der Gefahren und Risiken.<br />

Zur richtigen Zeit und authentisch umgesetzt, ist sie ein spürbarer Schritt zu<br />

stressfreieren bzw. qualitativ hochwertigeren Entscheidungen.<br />

Die Risikokenntnis bei den Geführten ist auch eine Voraussetzung dafür, um in Entscheidungsprozesse<br />

einbezogen zu werden und situativ Eigenverantwortung übernehmen<br />

zu können.<br />

Hauptkriterien der Risikoaufklärung:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Umfassende Aufklärung über Gefahren und Risikopotential;<br />

Kommunikation von Fakten und Gefühlen;<br />

Frühzeitig bzw. zum richtigen Zeitpunkt;<br />

Aufklärung vor und während einer Aktion;<br />

Nachbereitung mit Feedback<br />

In der Bergführerausbildung ist diese Aufklärung einerseits als Lerninhalt und andererseits<br />

als Selbstzweck zu verstehen.<br />

Umsetzung neuer Erkenntnisse<br />

Es ist als Selbstverständnis anzusehen, dass in der Bergführerausbildung nach neuesten<br />

bzw. aktuellsten Erkenntnissen ausgebildet wird. Dies betrifft alle handwerklichen<br />

Fertigkeiten, die Führungstechnik inkl. Taktik, den führungs-psychologischen<br />

Bereich bzw. den Faktor Mensch inkl. Soft Skills sowie die rechtlichen Aspekte.<br />

125


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

Ein funktionierendes internationales Netzwerk garantiert den aktuellen Stand von<br />

Informationen bzw. Erkenntnissen. Trotz den in einem Curriculum fixierten Kursinhalten,<br />

ist durch eine unbürokratische Sichtweise die unmittelbare Umsetzung von sinnvollen<br />

Neuerungen gewährleistet.<br />

Primäre Quellen neuer Erkenntnisse:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<strong>Sicherheit</strong>s- und Unfallforschung;<br />

Technische Kommission der Internationalen Vereinigung der<br />

Bergführerverbände;<br />

Berg- und Höhenmedizin;<br />

Industrie;<br />

Justiz;<br />

Eigene Erfahrungen.<br />

Das Team der Ausbilder<br />

Der Ausbilder in der Bergführerausbildung ist als „Schlüsselfaktor“ zu bezeichnen, er<br />

nimmt auch unmissverständlich diese Position ein. Mit der Zielsetzung, spätere Berufskollegen<br />

auf ihre überaus anspruchsvolle Tätigkeit bestmöglich vorzubereiten,<br />

übernimmt er eine Aufgabe, in der er ein sehr hohes Maß an Verantwortung einbringen<br />

muss.<br />

Durch seine stete bzw. unmittelbare Präsenz sowie durch seine Steuerfunktion lenkt<br />

und kontrolliert er als Supervisor entscheidend die Prozesse der Risikooptimierung.<br />

Ausschließlich hochqualifizierte Bergführer mit umfassend großer Berufserfahrung<br />

werden ins Lehrteam berufen und müssen sich hier bestätigen.<br />

Die heutige Führungsforschung ist der Meinung, dass die Führerpersönlichkeit keine<br />

Rolle mehr spielt und ausschließlich Verhaltensweisen um Führungsziele zu erreichen<br />

Priorität haben müssen. Möglicherweise trifft dies auch zu, wenn es sich bei<br />

den gesteckten Zielen ausschließlich um Zahlen und Prozente handelt. Ich bin jedoch<br />

der festen Überzeugung, dass die Persönlichkeit eines Führers ein wichtiger<br />

Faktor für seine Authentizität ist, bzw. wie er wahrgenommen wird. Möglicherweise<br />

trägt die Meinung der Forscher mit bei, dass in den oberen Führungsebenen immer<br />

126


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

weniger Führerpersönlichkeiten mit glaubhaft klarem Profil anzutreffen sind – ohne<br />

Charisma und jederzeit austauschbar.<br />

Anforderungsprofil für den Ausbilder in der Bergführerausbildung<br />

Grundvoraussetzungen:<br />

<br />

<br />

herausragendes und umfassendes pers. Können als Bergführer;<br />

Mindestens 5 Jahre Erfahrung als Profibergführer.<br />

Eigenschaften:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein;<br />

Hohe soziale Kompetenz und Teamfähigkeit;<br />

Ausgeprägte Risikokompetenz;<br />

Herausragende Beurteilungsfähigkeit – Entscheidungsfreudigkeit;<br />

Ausgeprägte Menschenkenntnis – Verständnis – Einfühlungsvermögen - Fairness;<br />

Fähigkeit, Lehrinhalte unter methodischen bzw. didaktischen Prinzipien zu<br />

vermitteln;<br />

Hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit.<br />

127


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

Man kann zwar über eine „Great Person Theorie“ lange diskutieren aber ein Bergführerausbilder<br />

ohne diese, von ihm „gelebten“, Eigenschaften würde es sehr sehr<br />

schwer haben und somit den Ausbildungserfolg in Frage stellen.<br />

Der Ausbilder wird seiner Aufgabe nur dann uneingeschränkt gerecht, bzw. in seiner<br />

Funktion anerkannt, wenn er durch fachliche und soziale Kompetenz überzeugt.<br />

Das Risikomanagement in der Bergführerausbildung erhält primär durch die Kompetenzen,<br />

das Verhalten und der Persönlichkeit der Ausbilder seine Wirksamkeit.<br />

Reflektion und Nachbereitung<br />

Eine umfassende Nachbereitung mit kritischer Reflektion aller Ausbildungseinheiten,<br />

Touren und Aktionen ist ein weiterer wichtiger Faktor und schließt den Kreis des Risikomanagements.<br />

Kritikfähigkeit, Offenheit und die stete Bereitschaft zur Qualitätssteigerung sind die<br />

Grundvoraussetzungen dafür, dass diese Nachbereitung Effizienz und die nötige<br />

Nachhaltigkeit erhält.<br />

Die Nachbereitung muss in allen Ebenen stattfinden und der Informationsfluss<br />

durchgängig gewährleistet sein.<br />

128


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

1. In der Kleingruppe<br />

Die Nachbesprechung einer Ausbildungstour bzw. einer Ausbildungseinheit findet<br />

unmittelbar im Anschluss mit den Teilnehmern statt. Im Detail werden möglichst alle<br />

positiven und negativen Punkte aus Sicht der Ausbilder und der Teilnehmer reflektiert.<br />

Dabei sollten Gefühle ebenso wie Fakten offen gelegt werden.<br />

Sehr konkret wird das Risiko behandelt, das einerseits eingegangen werden musste<br />

bzw. im akzeptablen Bereich lag oder andererseits unnötig einge-gangen bzw. zu<br />

hoch war. Da das persönliche Risikoempfinden durch zahlreiche Faktoren beeinflusst<br />

wird und daher sehr unterschiedlich sein kann, sind oftmals überaus offene<br />

bzw. „tiefgrabende“ Gespräche notwendig und überaus wertvoll.<br />

Die Nachbesprechungen sollten mit dem Ziel stattfinden, dass möglichst keine bzw.<br />

nur wenige unbedeutende Fragen offen bleiben.<br />

2. Im gesamten Lehrgang<br />

Unter dem Motto: „aus Positivem und Fehlern sollten alle lernen“, werden lehrreiche<br />

Beispiele aus den einzelnen Gruppen bzw. Seilschaften im Kreis des gesamten<br />

Lehrgangs zusammengefasst und erörtert. Durch dieses Vorgehen profitieren alle<br />

Kursteilnehmer vom frisch Erlebten oder neu Erfahrenen des Einzelnen.<br />

Die Abschlussbesprechung inkl. der Feedbackrunde nach jedem Kurs ist ein sehr<br />

wertvolles Spiegelbild für die Teilnehmer und die Ausbilder. Was wurde positiv gesehen,<br />

was wurde als weniger gut empfunden und was blieb unverstanden – dies offen<br />

und in konstruktiver Form behandelt, ist ein weiterer Schritt zur Optimierung des Risikos<br />

und der gesamten Ausbildung.<br />

3. Im Ausbilderteam<br />

Für die Ausbilder muss die gemeinsame Nachbereitung von Ausbildungs-einheiten<br />

so selbstverständlich sein, wie Planung und Vorbereitung. Der intensive gegenseitige<br />

Austausch ist zwingende Voraussetzung für eine gleiche Sprache und gleiches Handeln<br />

im Umgang mit dem Risiko. Nichts kann die Teilnehmer mehr verunsichern bzw.<br />

an der Ausbildung zweifeln lassen, wie unterschiedliche oder gar gegensätzliche<br />

Aussagen der Ausbilder – Ausbildungsziel sowie die nötige <strong>Sicherheit</strong> werden zunehmend<br />

gefährdet.<br />

129


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

Die gemeinsame Reflektion durch die Ausbilder eines Lehrgangs findet über den<br />

gesamten Kursverlauf statt.<br />

In einem schriftlichen Lehrgangsbericht werden neben dem Ablauf alle wichtigen Informationen<br />

und Verbesserungsvorschläge fixiert und an die Ausbildungskommission<br />

sowie an das gesamte Lehrteam weitergeleitet.<br />

Bei den Schulungen des Lehrteams ist die Nachbesprechung bzw. Reflektion aller<br />

Lehrgänge ein fester Bestandteil mit hohem Informationsgehalt. Hier wird Bewährtes<br />

bestätigt, notwendige Verbesserungen bzw. Neuerungen abgesprochen und koordiniert.<br />

Dabei werden kontroverse Meinungen und Ansichten in einer konstruktiven<br />

Diskussion auf eine gemeinsame Linie bzw. auf vertretbare Bandbreiten gebracht.<br />

4. In der Ausbildungskommission<br />

Die Ausbildungskommission für Berg- und Skiführer ist mit ihren fünf Mitgliedern,<br />

plus Stellvertreter, das oberste Expertengremium.<br />

In dieser Kommission werden sämtliche Inhalte koordiniert sowie alle Entscheidungen<br />

getroffen, die zur Effizienz der Ausbildung und zur Optimierung des Risikos erforderlich<br />

sind.<br />

Hier schließt sich der Kreis eines hoffentlich immer funktionierenden Risikomanagements.<br />

Das Risikomanagement in der Bergführerausbildung soll schwerwiegende Fehler<br />

bzw. Unzulänglichkeiten verhindern, die sich negativ auf die <strong>Sicherheit</strong> aller Beteiligten<br />

auswirken können. Es hat sich durch höchstes Know How sowie durch ein unschätzbares<br />

Erfahrungspotential zum heutigen Stand entwickelt. Diese Entwicklung<br />

ist jedoch als Prozess zu sehen, der nie zum Stillstand kommen darf bzw. abgeschlossen<br />

ist.<br />

Eine kritische Eigenbeurteilung, ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein und<br />

eine gute Portion Außenansicht sind erforderlich, um dieses System noch weiter zu<br />

verbessern bzw. zu optimieren – diese Voraussetzungen sind gegeben und die Motivation<br />

aller Beteiligten ist immer vorhanden.<br />

Die Ursachen der Unfälle und Beinaheunfälle während der Bergführerausbildung in<br />

der Vergangenheit haben grundsätzlich bestätigt, dass dieses Risikomanagement in<br />

den allermeisten Situationen funktioniert.<br />

130


Peter Geyer<br />

Risikomanagement in der staatlichen Bergführerausbildung<br />

Möglicherweise war auch in manchen Fällen Glück im Spiel und trug zum glimpflichen<br />

Ausgang bei – aber wer kann dies schon genau beurteilen.<br />

In der Bergführerausbildung können und wollen wir uns nicht auf das Glück verlassen,<br />

wir zählen auf ein effizientes Risikomanagement und hoffen dabei, dass uns<br />

das Pech nicht nachläuft.<br />

131


132


Karl Schrag/Chris Semmel/Stefan Winter<br />

Risiko und Position des DAV, Kinder und Risiko<br />

Risiko und Position des DAV, Kinder und Risiko:<br />

Empfehlung zur Sicherungskompetenz von Kindern und<br />

Jugendlichen beim Klettern<br />

Karl Schrag 1<br />

Klettern ist für Kinder ein Grundbedürfnis. Es gibt wenige Bewegungsformen,<br />

bei denen Kinder besser Kraft und Gewandtheit<br />

erwerben können. Beim Klettern können sie die Kletterwand,<br />

sich selbst und die Gemeinschaft spüren und selbstbestimmtes<br />

Handeln erlernen. In der Senkrechten können sie sich kalkulierbaren<br />

Wagnissen aussetzen, dabei Erfolg und Misserfolg erleben<br />

und lernen, damit umzugehen. Beim gegenseitigen Sichern 2<br />

können sie Verantwortung für andere übernehmen und Vertrauen fassen. Kinder<br />

können jedoch nicht dasselbe leisten wie erwachsene Kletterer. Wegen der unterschiedlichen<br />

Voraussetzungen müssen Betreuer und Trainer bei Kindern wichtige<br />

zusätzliche <strong>Sicherheit</strong>saspekte und Aufsichtsformen berücksichtigen.<br />

Mit zunehmendem (Kletter-)Alter entwickeln sich die motorischen, kognitiven und<br />

sozialen Kompetenzen von Kindern, so dass sie in der Regel schrittweise mehr Verantwortung<br />

beim Sichern übernehmen können. Das kalendarische Alter dient hierbei<br />

als Orientierungshilfe.<br />

So kann mit dem Sichern unter Kontrolle ab ca. 8 Jahren angefangen werden. Selbständiges<br />

Sichern ganz ohne Aufsicht ist erst ab 14 Jahren möglich. 3 Die entscheidende<br />

Frage lautet aber: „Was kann das Kind?“ und nicht „Wie alt ist das Kind?“.<br />

1<br />

Am Vortragstag hat Herr Schrag neben der Präsentation der Position des DAV mit Empfehlungen zur Sicherungskompetenz<br />

von Kindern und Jugendlichen beim Klettern den im Programm mit Referent Chris Semmel angekündigten<br />

Vortrag Risiko und Position des DAV, Kinder und Risiko an seiner Stelle gehalten.<br />

2<br />

Unter dem Begriff „Sichern“ werden hier sämtliche Sicherungsvorgänge für den Sichernden verstanden, vom<br />

Partnercheck bis zum Umlenken und Ablassen, sowohl beim Toprope wie Vorstieg. Die erforderlichen Grundfertigkeiten<br />

sind in den entsprechenden DAV- und JDAV-Medien veröffentlicht. Die Empfehlungen gelten für gleichalte<br />

bzw. gleichschwere Personen bei einer altersgerechten Sicherungsmethode.<br />

3<br />

Nicht selten kommt es bei Altersangaben zu Fehlern, insbesondere beim Verwenden von Ordnungszahlen.<br />

So ist beispielsweise ein Kind im 11. Lebensjahr nicht 11 Jahre alt, sondern 10. Um Verwechslungen auszuschließen,<br />

empfiehlt es sich Altersangaben mit Kardinalzahlen zu geben; im besagten Fall heißt es dann „mit 10<br />

Jahren“, „10 Jahre alt“, „ab 10 Jahren“. Für Kinder unter 14 Jahren gilt aus Rechtssicht die unwiderlegliche Vermutung<br />

der Schuldunfähigkeit. Ein Jugendlicher zwischen 14 und 17 Jahren ist bedingt strafmündig und kann<br />

deshalb auch nur bedingt Eigenverantwortung übernehmen.<br />

133


Karl Schrag/Chris Semmel/Stefan Winter<br />

Risiko und Position des DAV, Kinder und Risiko<br />

Eine Reduktion auf das Alter verkürzt die Problematik und gibt ihm einen nicht gerechtfertigten<br />

Stellenwert. Entscheidend ist die individuelle Sicherungskompetenz.<br />

Die Sicherungskompetenz ergibt sich aus den erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />

im motorischen, kognitiven und sozialen Bereich und ist mehrstufig. Für diese<br />

gibt es Kriterien, anhand derer sich die Sicherungskompetenz altersunabhängig und<br />

dafür kompetenzorientiert einschätzen lässt. Die Kompetenzstufen bauen aufeinander<br />

auf und gehen fließend ineinander über. Je nach Könnensstand ist eine geeignete<br />

Aufsichtsform zu wählen: „Sichern unter Kontrolle“ oder „Sichern mit Betreuung“.<br />

Grundsätzlich gilt: je geringer die Sicherungskompetenz, desto unmittelbarer, lückenloser<br />

und redundanter die Aufsicht.<br />

Mit steigender Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit des Kindes kann die Aufsicht<br />

von kontrollierter Form in betreute Form übergehen. Dabei lassen sich keine allgemeingültigen<br />

Aussagen treffen, nach welcher Dauer oder ab welchem Alter der<br />

Schritt vom „Sichern unter Kontrolle“ zum „Sichern mit Betreuung“ erfolgen kann.<br />

Dies hängt von den individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten ab, aber auch von den<br />

Rahmenbedingungen wie z.B. dem Betreuerschlüssel. In jedem Fall aber darf das<br />

Kind erst ohne Hintersicherung (aber betreut) sichern, wenn sich der Betreuer persönlich<br />

und ausführlich davon überzeugt hat, dass das Kind die dazu notwendige<br />

Sicherungskompetenz besitzt.<br />

134


Karl Schrag/Chris Semmel/Stefan Winter<br />

Risiko und Position des DAV, Kinder und Risiko<br />

Kinder beim Klettern<br />

Trainer haften für ihre Kinder 4<br />

Ab wann können Kinder Kinder sichern? Diese Frage stellt sich im Hallen-<br />

Zeitalter immer häufiger und intensiver. Lesen Sie die Empfehlungen der DAV-<br />

Ressorts Breitenbergsport, Ausbildung, <strong>Sicherheit</strong> und Jugend.<br />

Klettern ist cool. Besonders Kinder und Jugendliche begeistern sich für das Sportklettern.<br />

Die vielen Kletterhallen erleichtern den Zugang zu diesem Sport. Mit dem<br />

Radl oder öffentlichen Verkehrsmitteln sind sie leicht erreichbar, so ist nach der<br />

Schule Bouldern oder „Hardmoven“ angesagt. Kraft, Beweglichkeit und Nervenstärke<br />

sind gefragt. Ein optimaler Sport um sich auszutoben, sich zu erproben und Selbstvertrauen<br />

zu gewinnen.<br />

Die zahlreichen Kinder- und Jugendgruppen der Alpenvereins-Sektionen können die<br />

Nachfrage nach Kinderkletterkursen kaum befriedigen. Gemeinsam in der Gruppe ist<br />

Bouldern und Klettern ein ideales Medium für die Kinder- und Jugendgruppenarbeit.<br />

Aber wie immer gibt es auch hier eine Kehrseite der Medaille. Sechs Unfälle wurden<br />

der DAV-<strong>Sicherheit</strong>sforschung in den letzten zwei Jahren gemeldet, bei denen Personen<br />

unter 14 Jahren betroffen waren – also rechtlich gesehen „Kinder“. Bis zum<br />

14. Geburtstag gilt man als Kind, danach als Jugendlicher und erst ab 18 als Erwachsener.<br />

Das erklärt auch, warum in den Kletterhallen der Eintritt ohne Begleitung<br />

eines Erwachsenen erst ab 14 möglich ist.<br />

Bei zwei der sechs Unfälle waren Nachwuchs-Kids einer Trainings- oder Kadergruppe<br />

betroffen. Vorsteiger und Sichernde waren jeweils erfahren und kletterten in Routen<br />

des neunten Schwierigkeitsgrades. Dennoch kam es in beiden Fällen durch Fehler<br />

der sichernden Kinder zu Bodenstürzen mit schweren Verletzungen. Auch beim<br />

Schulsport gab es einen Unfall: Eine 12-Jährige, gesichert von einer 11-Jährigen,<br />

stürzte ab. Klar, das passiert auch Erwachsenen. Im Gegensatz zu jenen stellt sich<br />

aber bei Kindern die Frage nach Aufsicht und Verantwortung. Die Fragen des Ge-<br />

4<br />

Vgl. FN 1 auf Seite 133. Die Empfehlungen und diesen Text haben die DAV-Ressorts Breitenbergsport, <strong>Sicherheit</strong>,<br />

Ausbildung und Jugend gemeinsam erarbeitet. Weitere Tipps finden Sie im Artikel „Headline“ auf den<br />

folgenden Seiten. Und im Internet unter www.alpenverein.de -> Breitenbergsport -> Sicher Klettern.<br />

135


Karl Schrag/Chris Semmel/Stefan Winter<br />

Risiko und Position des DAV, Kinder und Risiko<br />

richts richteten sich ausschließlich an den Aufsichtführenden: nach seiner Qualifikation,<br />

seiner Unterrichtsorganisation und seiner Einschätzung zu den Fähigkeiten der<br />

Sichernden. Kernpunkt dabei ist: War das Kind überhaupt in der Lage, die ihm zugemutete<br />

Sicherungsaufgabe zu bewältigen?<br />

Verantwortung und Haftung<br />

Kinder, Jugendliche und Erwachsene werden bezüglich der Schuldfrage und -<br />

fähigkeit vom Gesetzgeber ganz unterschiedlich bewertet. Verursacht ein Erwachsener<br />

einen Kletterunfall, dann haftet er auch dafür. Betrachtet man dagegen Kinder,<br />

erscheint es unvertretbar, ihnen Verantwortung für die gesundheitliche Unversehrtheit<br />

anderer Personen aufzuerlegen.<br />

Kinder (unter 14) sind auch grundsätzlich nicht strafmündig; das heißt, sie können für<br />

die Folgen ihres Tuns weder bestraft noch in Haftung genommen werden. Ein Geschädigter<br />

kann also keinen Schadenersatz oder Schmerzensgeld von einem Kind<br />

erhalten. Im Falle eines Sicherungsfehlers durch ein Kind wird der Aufsichtführende<br />

Rechenschaft ablegen müssen; bei Verletzung der Aufsichtspflicht muss er die Verantwortung<br />

für die Folgen übernehmen. Im Umkehrschluss heißt das, klar formuliert:<br />

Kinder können nicht ohne Aufsicht eigenverantwortlich andere Kinder sichern.<br />

Jugendlichen (ab 14 Jahren) kann in gewissem Maß und abhängig von ihrer Reife,<br />

ihren Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten eine gewisse Verantwortung für ihr<br />

Handeln zugemutet werden. Das bedeutet: Hier wird immer im Einzelfall geprüft und<br />

entschieden, ob der Jugendliche die Kompetenzen besitzt, um die betreffende Situation<br />

eigenverantwortlich meistern zu können. Grundsätzlich gilt bis zum Erreichen<br />

des Erwachsenalters auch für Jugendliche eine Aufsichtspflicht, die mit zunehmendem<br />

Alter (16 Jahre) gelockert wird – etwa bezüglich Alkoholkonsum oder Gaststättenbesuch.<br />

Beim Klettern kann man damit beginnen, Jugendliche ab 14 Jahren ohne<br />

Aufsicht sichern zu lassen, vorausgesetzt dass sie entsprechend ausgebildet sind<br />

und das Sichern „variabel beherrschen“.<br />

Dieses Schlagwort „Variable Beherrschung“ bedeutet, dass die Sicherungstechnik<br />

auch unter Störeinflüssen (Ablenkung, Lärm, Enge,…) und unter unterschiedlichen<br />

Rahmenbedingungen (unterschiedliche Routen, Hakenabstände, Gelände,…) sicher<br />

beherrscht wird. Dies zu beurteilen ist Aufgabe des Aufsichtführenden. Eine Aufgabe<br />

mit enorm hoher Verantwortung. Voraussetzung ist, dass der Aufsichtführende fach-<br />

136


Karl Schrag/Chris Semmel/Stefan Winter<br />

Risiko und Position des DAV, Kinder und Risiko<br />

kompetent ist, den Jugendlichen über einen längeren Zeitraum kennt und daher einschätzen<br />

kann, ob er ihm die Sicherungsverantwortung übergeben darf – und in welchem<br />

Maß.<br />

Aufsicht – aber wie?<br />

Was bedeutet das für die Kursprogramme der Sektionen, für den Schulsport, für Jugend-<br />

und Trainingsgruppen? Muss man nun alles untersagen und stoppen? Nein,<br />

auch Kinder können sich gegenseitig in der Halle sichern, entscheidend ist jedoch<br />

die Form der Aufsicht. Klar ist: Wenn etwas passiert, wird die Verantwortlichkeit nie<br />

beim Kind liegen, sondern immer bei der „Aufsichtsperson“. Das ist Fakt. Entscheidend<br />

ist also die Qualität der Beaufsichtigung. Hier unterscheidet man folgende Formen:<br />

Sichern unter Kontrolle: Das bedeutet eine unmittelbare Beaufsichtigung des Sichernden<br />

mit Hintersicherung, so dass der Coach jederzeit direkt eingreifen kann.<br />

Dabei kann er nur eine Seilschaft betreuen. Die erwachsene Aufsichtsperson steht<br />

direkt neben oder hinter dem Sichernden. (Bild „Kontrolliert“)<br />

Sichern mit Betreuung: Bei dieser Aufsichtsform können gleichzeitig mehrere Seilschaften<br />

beaufsichtigt werden – entsprechend ist die Voraussetzung dafür fortgeschrittenes<br />

Sicherungskönnen. Die Kinder sichern selbständig, aber die Aufsichtsperson<br />

hat immer Sichtkontakt und kann jederzeit verbal eingreifen oder das Verhalten<br />

des Sichernden steuern. Dabei kann ein weiterer Teilnehmer oder ein Kind wie<br />

oben „hintersichern“, also das Bremsseil zusätzlich kontrollieren. Zumindest beim<br />

Topropen; im Vorstieg ist eine gute Hintersicherung schwierig, weil man dabei sehr<br />

kompetent mitdenken muss, etwa um beim Clippen schnell Seil auszugeben (s.u.).<br />

Die Aufsichtsform „Sichern mit Betreuung“ erlaubt einen fließenden Übergang zu<br />

mehr und mehr eigenverantwortlichem Handeln, wenn die motorische, kognitive und<br />

soziale Sicherungskompetenz der Kinder wächst. (Bild „Betreut“)<br />

Selbständiges Sichern: „Sichern ohne Kontrolle und Betreuung“ bedeutet eigenverantwortliches<br />

Sichern ohne Aufsicht. Das ist generell frühestens ab 14 Jahren zu<br />

empfehlen; bei Kursen und in kommerziellen Kletteranlagen ist bis zum Alter von 18<br />

Jahren die Einverständniserklärung der Eltern notwendig. Bei Kursen oder in Klettergruppen<br />

muss der Kursleiter oder Trainer verantwortlich abschätzen, ob ein Jugend-<br />

137


Karl Schrag/Chris Semmel/Stefan Winter<br />

Risiko und Position des DAV, Kinder und Risiko<br />

licher ausreichende Sicherungskompetenz hat, um ohne Beaufsichtigung sichern zu<br />

können.<br />

Es kommt drauf an…<br />

Wann genau Kinder und Jugendliche die Reife und Erfahrung haben, unter Aufsicht<br />

oder selbständig zu sichern, lässt sich schwer an einer Altersstufe festmachen. Der<br />

individuelle Entwicklungs- und Ausbildungsstand des Kindes ist ausschlaggebend.<br />

Daher werden bei Unfällen immer individuell alle Einflussfaktoren hinterfragt. Wie<br />

lang wurde das Sichern bereits geschult? Welche Erfahrung lag vor? War die Form<br />

der Beaufsichtigung angemessen? Wo stand die Aufsichtsperson?…<br />

Beim gegenseitigen Sichern können und sollen Kinder und Jugendliche Verantwortung<br />

für andere übernehmen. Der Schritt zum eigenverantwortlichen Sichern darf<br />

aber nicht zu früh oder zu schnell erfolgen. Der Prozess muss behutsam begleitet<br />

werden und führt über eine stufenweise Übernahme von Sicherungsverantwortung.<br />

Sicherungskompetenz ist erlernbar! Das setzt aber voraus, dass Kinder und Jugendliche<br />

auf jeder Kompetenzstufe ausreichend Zeit bekommen, ihre motorischen, sozialen<br />

und kognitiven Fähigkeiten zu entwickeln. Das Diagramm „Aufsichtsformen“<br />

stellt die DAV-Empfehlung dazu dar.<br />

Besonders bei langjährigen Betreuungssituationen (Jugendgruppen oder Leistungsförderung<br />

beim Wettkampfklettern) gibt es Kinder, die dank intensiver Ausbildung<br />

und langer individueller Betreuung eine sehr hohe Qualität der Sicherungsbedienung<br />

und des Risikoverhaltens zeigen. In solchen Fällen kann der verantwortliche Coach<br />

von den Empfehlungen auch mal nach unten abweichen und beispielsweise früher<br />

vom „kontrollierten“ zum „betreuten“ Sichern übergehen. Andererseits muss er genauso<br />

die Bremse ziehen und auf einer strengeren Aufsichtsform beharren, wenn<br />

sein Schützling nicht imstande oder willens ist, immer korrekt und aufmerksam zu<br />

arbeiten.<br />

Vom Toprope zum Vorstieg<br />

Das Vorstiegssichern unterscheidet sich eklatant vom Sichern im Toprope. Hier ist<br />

die Fehlerrate um ein Vielfaches höher – laut einer Studie der DAV-<br />

<strong>Sicherheit</strong>sforschung zeigten knapp 50 Prozent der Sichernden in den untersuchten<br />

138


Karl Schrag/Chris Semmel/Stefan Winter<br />

Risiko und Position des DAV, Kinder und Risiko<br />

Kletterhallen einen oder mehrere Sicherungsfehler beim Sichern eines Vorsteigers;<br />

beim Toprope-Sichern waren es nur 16 Prozent. Das liegt daran, dass die Vorstiegssicherung<br />

wesentlich komplexer ist. Während man beim Topropen nur das Seil einholen<br />

muss, gibt es im Vorstieg einen permanenten Wechsel zwischen langsamem<br />

Seilausgeben (beim Klettern), schnellem Seilausgeben (beim Clippen) und Seileinnehmen<br />

(nach dem Clip). Zudem sind der richtige Standort, das Gewichtsverhältnis,<br />

die Handkraft und die Fähigkeit, Sturzverläufe richtig einzuschätzen, mit entscheidend<br />

für die <strong>Sicherheit</strong>. Es ist also eine viel umfassendere Kompetenz des Sichernden<br />

gefordert, bevor man ihm mehr Eigenverantwortung zumuten darf.<br />

Für die Praxis heißt das: Vorstiegssichern kommt erst in Frage, wenn das Kind oder<br />

der Jugendliche das Sichern im Toprope solide beherrscht. Die ersten Versuche im<br />

Vorstiegssichern müssen dann wieder „unter Kontrolle“ laufen – und erst wenn Automatisation<br />

und verständiges Mitdenken erkennbar sind, kann man zum „Sichern<br />

mit Betreuung“ oder zum selbständigen Sichern übergehen.<br />

Welches Gerät ist günstig?<br />

Geeignete Sicherungsgeräte sind prinzipiell das Tube, die HMS und die halbautomatischen<br />

Sicherungsgeräte Smart, GriGri und Click Up. Die Entscheidung, welches<br />

dieser Geräte verwendet wird, hängt von den motorischen Fähigkeiten der Kinder<br />

und Jugendlichen und der Hintersicherungssituation ab. Die dynamischen Sicherungsgeräte<br />

müssen über einen langen Zeitraum mit einer Hintersicherung bedient<br />

werden. Erst wenn der Betreuer sich vergewissert hat, dass seine Schützlinge die<br />

Bedienung „beherrschen“, kann er zum Betreuten Sichern übergehen.<br />

139


140


Pit Schubert<br />

<strong>Sicherheit</strong> und Risiko in Kletterhallen und am Berg<br />

<strong>Sicherheit</strong> und Risiko in Kletterhallen und am Berg<br />

Pit Schubert<br />

Kletterseile – Seilbruchgefahr<br />

Früher, bis in die 1980er/Anfang der 1990er Jahre, fand das Klettern<br />

überwiegend in den höheren alpinen Regionen statt. Seitdem<br />

ist ein deutlicher Rückgang in diesen Regionen festzustellen. Die<br />

Wände des Wilden Kaisers sind an einem schönen Wochenende<br />

im Grunde genommen leer. Keine Kletterer in der ganzen Fleischbank-Ostwand,<br />

ebenso wie in der Südostwand und in den Wänden<br />

der übrigen Gipfel. Bestenfalls eine Seilschaft am Kopftörlgrat<br />

oder in der Predigtstuhl-Nordkante oder in anderen leichteren Routen. Eine Seilschaft<br />

in einer der schwierigeren Routen ist eine Seltenheit. Musste man sicher früher<br />

beeilen, um als dritte oder vierte Seilschaft in die Dülferführe an der Fleischbank-<br />

Ostwand einsteigen zu können, ist die heutzutage menschenleer. Das Klettern hat<br />

sich völlig verlagert. Es spielt sich inzwischen überwiegend in Kletterhallen und in<br />

Klettergärten ab und in solchen alpinen Gebieten, die relativ schnell zu erreichen und<br />

wo die Routen nur wenige Seillängen lang sind. Ein Gipfel ist nicht mehr gefragt. Es<br />

wird abgeseilt, meist über die Route, gelegentlich seitlich davon.<br />

Vom Klettern in den Hallen ist man gewohnt, mit Einfachseil zu klettern, mit einem<br />

möglichst leichten bzw. dünnen Seil, Durchmesser um die 9 mm. So gesichert ist<br />

man heute vielfach auch im alpinen Gelände unterwegs – doch damit wird die Gefahr<br />

eines Seilrisses besonders heraufbeschworen. Denn im alpinen Gelände gibt es immer<br />

wieder mehr oder weniger scharfe Felskanten.<br />

In Kletterhallen gibt es keine scharfen Kanten und die Zwischensicherungen sind<br />

gewöhnlich nur eineinhalb Meter voneinander entfernt, im unteren Kletterbereich gar<br />

nur einen Meter, was immer eine relativ geringe Sturzhöhe zur Folge hat. So kann<br />

ein Seil in einer Kletterhalle nicht reißen. Der einzige bisher bekannt gewordene Seilbruch<br />

in einer Kletterhalle ist durch falsches Seileinhängen in den Umlenkkarabiner<br />

passiert; das Seil wurde an der scharfen Kante des Schnapperverschlusses abgeschert<br />

(siehe nachfolgend).<br />

141


Pit Schubert<br />

<strong>Sicherheit</strong> und Risiko in Kletterhallen und am Berg<br />

Am Fels aber, insbesondere im alpinen Gelände, ist dies völlig anders. Es gibt immer<br />

wieder scharfe Felskanten und wesentlich größere Sturzhöhen. Beides können<br />

Gründe für einen Seilbruch sein. Man sollte also im alpinen Gelände, auch im Klettergarten,<br />

nicht (!) mit Einfachseil klettern, sondern mindestens mit Zwillingsseil, besser<br />

mit zwei Halbseilen. Schließlich kann man auch zwei Halbseile verwenden wie<br />

Zwillingsseile. Die Bremskraft im Fall eines Sturzes, wird nur geringfügig größer, und<br />

zwar in einer Größenordnung, die vernachlässigbar ist.<br />

Die Gefahr eines Seilbruches in der Praxis lässt sich auch in etwa (!) aus den bei der<br />

Prüfung ermittelten Sturzzahlen ersehen. Die leichten Einfachseile halten nur fünf,<br />

höchstens sechs Normstürzen stand, die Zwillingsseile 12 und etwas mehr, zwei<br />

Halbseile halten dagegen 20 bis 25 (!) Normstürze.<br />

Der Hauptgrund für die geringere Bruchgefahr der Halb- und Zwillingsseile liegt aber<br />

auch darin, dass die Seile bei Sturzbelastung selten bei einander liegen und exakt<br />

gleichmäßig ausgegeben sind, was nur zufällig der Fall sein kann. Auf diese Weise<br />

passiert es gewöhnlich, dass ein Seil bei Belastung über eine scharfe Kante läuft und<br />

abgeschert wird, das andere aber nicht an der gleichen Stelle liegt und folglich hält.<br />

Solche Fälle hat es mehrfach gegeben. Ein Seil ist gerissen, das andere hat gehalten.<br />

Ein weiterer wichtiger Punkt, der für die Verwendung von Doppel- bzw- Zwillingsseil<br />

im alpinen Gelände spricht, ist der Rückzug. Mit Einfachseil kann man bekanntlich<br />

nur die halbe Seillänge abseilen. Mit Halb- oder mit Zwillingsseil die gesamte Seillänge,<br />

und somit ist man schneller unten.<br />

142


Pit Schubert<br />

<strong>Sicherheit</strong> und Risiko in Kletterhallen und am Berg<br />

Nachfolgend alle Seilrisse unter deutschen und österreichischen Bergsteigern und<br />

Kletterern innerhalb von 28 Jahren, und zwar von 1983 – 2010.<br />

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Seilrisse unter deutschen und österreichischen Bergsteigern und Kletterern seit 1983<br />

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Anzahl<br />

Anzahl<br />

Jahr Seilrisse Berg Ursache Ausgang Jahr Seilrisse Berg Ursache Ausgang<br />

----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

1983 --- 1999 ---<br />

1984 --- 2000 ---<br />

1985 --- 2001 ---<br />

1986 --- 2002 ---<br />

1987 --- 2003 ---<br />

1988 --- 2004 ---<br />

1989 --- 2005 ---<br />

1990 --- 2006 3 Rienswand Δ (†)<br />

1991 --- Kletterhalle Δ* (☺)<br />

Großer Möseler Δ (☺)<br />

1992 --- 2007 ---<br />

1993 1 Hörndlwand Δ (☺) 2008 3 „Chin. Mauer“ Δ/٥ (†)<br />

1994 1 Gehrenspitze SV (†)(†)(☺) Montasch Δ (†)<br />

1995 --- Windhaag Δ (☺)<br />

1996 --- 2009 ---<br />

1997 --- 2010 ---<br />

1998 --- Stand November <strong>2011</strong><br />

----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Alle verwendeten Seile waren Einfachseile!<br />

Ursache: Δ = scharfe Kante Δ* = Seil falsch in Umlenkkarabiner eingehängt, Bruch durch Kantenbelastung,<br />

siehe nachfolgen im Text SV = Schmelzverbrennung Δ/٥ = scharfe Kante und/oder Steinschlag<br />

Ausgang: (†) = tödlich (☺) = überlebt<br />

----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Seilriss eines Einfachseiles.<br />

(nachgestellt).<br />

Bei einem Sturz glücklicherweise nicht (!) ganz gerissen<br />

143


Pit Schubert<br />

<strong>Sicherheit</strong> und Risiko in Kletterhallen und am Berg<br />

Das ist saugefährlich.<br />

Im alpinen Gelände nur mit Zwillings- oder Doppelseil.<br />

Nachfolgend der Seilriss in der Kletterhalle (siehe Tabelle, im Jahr 2006) durch falsches<br />

Einhängen in den Umlenkkarabiner. Dies verdeutlicht den Einfluss einer scharfen<br />

Kante auf ein belastetes Seil. Der Bruch erfolgte allein durch das ins Seilsetzen<br />

beim Ablassen, es war also nicht einmal ein Sturz. Dies verdeutlicht die geringe Haltbarkeit<br />

der Seile bei Sturz und Scharfkanteneinfluss.<br />

Aus Nachlässigkeit wurde das Seil nicht korrekt eingehängt.<br />

144


Pit Schubert<br />

<strong>Sicherheit</strong> und Risiko in Kletterhallen und am Berg<br />

Bei der Kantenbelastung an der Nase ist das Seil gerissen.<br />

Solche Karabiner sollten zur Umlenkung verwendet werden,<br />

selbstverständlich zwei und diese gegenläufig eingehängt.<br />

Ein weiterer Grund für Seilrisse ist der Einfluss von Schwefelsäure, wie diese in der<br />

Autobatterie vorkommt. Der Einfluss am Seil ist nicht (!) erkennbar. Die Bruchkraft<br />

kann so stark reduziert werden, dass ein Seil allein beim Ablassen reißt. Die letzten<br />

beiden Seilrisse dieser Art ereigneten sich in Oberbayern und in Tirol, ersterer liegt<br />

vier Jahre zurück, letzterer zwei Jahre. Diese und weitere Seilrisse durch den Einfluss<br />

von Autobatterieflüssigkeit sind in der obigen Tabelle nicht (!) aufgeführt, weil es<br />

sich bei der Ursache um eine nicht korrekte Lagerung bzw. Handhabung handelte.<br />

Ein Seilriss durch Schwefelsäureeinfluss sieht völlig anderes<br />

aus als ein Seilriss durch Scharfkanteneinfluss.<br />

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Pit Schubert<br />

<strong>Sicherheit</strong> und Risiko in Kletterhallen und am Berg<br />

Karabiner können noch brechen<br />

Doch ist ein Bruch nur unter bestimmter Voraussetzung möglich. So lange der<br />

Schnapper geschlossen ist, ist ein Bruch nicht vorstellbar. Aber – wenn der Schnapper<br />

offen ist, und der braucht nur wenige Millimeter offen zu sein – dann trifft die Belastung<br />

nur auf den Hauptschenkel und jeder Karabiner kann schon bei einem ein,<br />

zwei Meter hohen Sturz zu Bruch gehen. Erfolgt die Belastung gar vom tragenden<br />

Schenkel etwas entfernt, reicht ein ein Meter hoher Sturz, und der Karabiner geht zu<br />

Bruch. Glücklicherweise kommt dies nicht allzu häufig vor.<br />

Die Prüfung der Karabiner erfolgt immer horizontal, damit<br />

die Belastung möglichst nahe des Hauptschenkels eingeleitet wird.<br />

Mit offenem Schnapper hält jeder Karabiner erheblich weniger,<br />

– wenn die Belastung noch vom tragenden Hauptschenkel entfernt auftritt,<br />

dann ist die Bruchkraft noch geringer.<br />

146


Pit Schubert<br />

<strong>Sicherheit</strong> und Risiko in Kletterhallen und am Berg<br />

passieren.<br />

Das kann, wenn auch relativ selten, so schließlich doch<br />

Ein Bruch mit offenem Schnapper, immer deutlich an der<br />

aufgebogenen Karabinerform zu erkennen.<br />

Eine Nachsteigerin in einem Klettergarten<br />

Eine junge Anfängerin wurde von ihrem erfahrenen Partner am Fels ins Klettern eingeführt.<br />

Er erklärte ihre alles ausführlich, wie sie angeseilt wird (mit Karabiner), wie<br />

sie im Nachstieg die Karabiner und das Seil auszuhängen hat usw. Er kletterte darauf<br />

los und sicherte sie vom Gipfel nach. Offensichtlich war die junge Anfängerin<br />

etwas erregt, denn als sie an der ersten Zwischensicherung angekommen war, hatte<br />

sie die von ihrem Partner erhaltenen Erläuterungen vergessen und rief nach oben,<br />

was sie nun tun soll. Antwort von oben: „Den Karabiner aushängen!“ – Klar, was<br />

sonst?<br />

Die junge Anfängerin hing auch den Karabiner aus, – jedoch nicht (!) den in der Zwischensicherung,<br />

sondern ihren Anseilkarabiner (!). Es kam – wie kaum anders zu<br />

erwarten – zum Sturz, den sie glücklicherweise überlebte.<br />

147


Pit Schubert<br />

<strong>Sicherheit</strong> und Risiko in Kletterhallen und am Berg<br />

Ohne Worte.<br />

Ein Riss im Achter<br />

Abseilachter müssen wie alle andere Bergsteigerausrüstung vor der Auslieferung<br />

vom Hersteller ausreichend hinsichtlich möglicher Fertigungsfehler überprüft werden.<br />

Abseilachter mit einem Riss dürfen per Gesetz nicht in den Handel gebracht werden,<br />

weil fehlerhaft hergestellt. Trotzdem kommt es – zwar selten genug – doch hier und<br />

da einmal vor, dass ein Achter mit einem deutlich erkennbaren Riss in den Verkauf<br />

gelangt.<br />

Der hier gezeigte Abseilachter ist von einem namhaften europäischen Hersteller auf<br />

den Markt gebracht und vom Käufer, der den Riss rechtzeitig entdeckte, nicht (!) ein<br />

einziges Mal benutzt worden. Grundsätzlich empfiehlt es sich also, seinen Abseilachter<br />

einmal hinsichtlich irgendwelcher Risse genau anzuschauen, dies am besten mit<br />

einer Lupe. Sollte ein Riss zu erkennen sein, kann man ihn im Sporthaus umtauschen.<br />

Zwar wird das Sporthaus in der Regel darüber nicht sonderlich erfreut sein<br />

und versuchen, sich aus der Angelegenheit herauszureden, doch gibt es in solchen<br />

Fällen eine gute Frage seitens des Käufers: Wie tief ist der Riss, und was hält der<br />

Abseilachter? – Da wird jeder Verkäufer keine Antwort wissen, und der Reklamierende<br />

wird einen neuen Abseilachter bekommen. Sollte dies nicht der Fall sein, sende<br />

man den Achter an den Autor, der den Achter während der nächsten Messe dem<br />

Hersteller auf den Tisch legt und dafür mit entschuldigenden Worten der Herstellers<br />

einen neuen Achter bekommt (und diesen dem Besitzer zusendet). Dies hat sich<br />

schon einige Male zugetragen.<br />

148


Pit Schubert<br />

<strong>Sicherheit</strong> und Risiko in Kletterhallen und am Berg<br />

Öse.<br />

Der nagelneue Abseilachter mit dem Riss an der kleineren<br />

Hier ist der Riss deutlicher zu erkennen.<br />

Ein nicht „ganz korrektes“ Klettersteigset<br />

Ein Bergführer hatte in seinem Lager eine Menge Ausrüstung. Eines Tages sollte er<br />

eine Dame über einen Klettersteig führen. Er nahm ein Klettersteigset aus seinem<br />

Vorrat, das sicher schon etliche Jahre dort gelegen hatte, und machte sich mit der<br />

Dame auf den Weg. Am Klettersteig angekommen, wurde das Klettersteigset angelegt,<br />

die Dame über alle Dinge noch einmal informiert und der Bergführer stieg voran,<br />

sie hinter ihm her. Es passierte bald, dass der Dame die Kräfte ausgingen und sie<br />

stürzte.<br />

Das verwendete Klettersteigset.<br />

149


Pit Schubert<br />

<strong>Sicherheit</strong> und Risiko in Kletterhallen und am Berg<br />

Die Verbindung der beiden Stränge …<br />

… war nur mit Klebeband zusammengehalten; der Knoten,<br />

der an dieser Stelle vorhanden gewesen ist, war – durch wen und wann auch<br />

immer – gelöst worden.<br />

Was passierte? Das Klettersteigset ist gerissen (!). Wie ging die Sache aus? – Es ist<br />

glücklicherweise nichts (!) passiert, weil der Bergführer die Dame, weil eine schwache<br />

Anfängerin, noch zusätzlich am Seil gesichert hatte.<br />

Die Frage, wer den Knoten am Klettersteigset gelöst haben könnte, war nicht mehr<br />

festzustellen. Wie auch immer – grundsätzlich keinerlei Klettersteigsets mehr mit<br />

Knoten verwenden. Die heutzutage vom Fachhandel angebotenen Klettersteigsets<br />

weisen auch keinerlei Knoten mehr auf. Bleibt abschließend nur der Hinweis, grundsätzlich<br />

kein „altes Gelump“ mehr zu verwenden.<br />

Fotos: Vom Autor, ausgenommen die letzten drei (Bildautor nicht mehr bekannt).<br />

Zeichnung: Georg Sojer<br />

150


www.alpinsymposium.de<br />

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