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Bestes Alter, beste Kunden - Martin Schwer

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1<br />

MÄRKTE & KUNDEN<br />

Das durchschnittliche <strong>Alter</strong> eines Harley-<br />

Davidson-Fahrers beträgt 54 Jahre, und<br />

überaus gefragt ist die Sonderaustattung<br />

Sitzheizung – für die selbstverständlich nicht<br />

groß geworben wird. Ein Beispiel für<br />

zielgruppengerechte Produkte und ein dazu<br />

passendes Marketingkonzept. FOTO. CORBIS<br />

S P A R K A S S E S E P T E M B E R 2 0 0 8


ZIELGRUPPEN II<br />

<strong>Bestes</strong> <strong>Alter</strong>, <strong>beste</strong> <strong>Kunden</strong><br />

Das durchschnittliche <strong>Alter</strong> eines Harley-Davidson-Fahrers beträgt 54 Jahre, und überaus gefragt<br />

ist die Sonderaustattung Sitzheizung – für die natürlich kaum geworben wird. Damit bietet der US-<br />

Konzern ein Beispiel für zielgruppengerechtes Marketing. Können Sparkassen von Harley lernen?<br />

n VON MARTIN SCHWER<br />

Wahrscheinlich sind viele Unternehmer<br />

und Banker ihrem eigenen Jugendwahn<br />

aufgesessen. Denn noch immer<br />

bemühen sich beide vornehmlich<br />

um <strong>Kunden</strong> unter 50. Es geht um die so<br />

genannte werberelevante Zielgruppe<br />

oder die vermeintlichen Gutverdiener in<br />

den hoch dotierten Jobs.<br />

Doch lehrt die Statistik ganz andere Fakten:<br />

Schon in wenigen Jahren wird die<br />

Mehrheit der Deutschen älter als 50 Jahre<br />

sein, die statistische Lebenserwartung<br />

steigt stetig an. Ältere Menschen sind gesünder<br />

als noch vor 20 Jahren und schon<br />

heute besitzt die „Generation 50 plus“<br />

knapp die Hälfte des verfügbaren Einkommens.<br />

Wer auf den Märkten der Zukunft<br />

mehr als nur eine Nische besetzen<br />

will, muss sich daher Marketingstrategien<br />

für ältere <strong>Kunden</strong> entwickeln.<br />

Während viele Sparkassen mit einer Abwanderung<br />

junger <strong>Kunden</strong> zur Konkurrenz<br />

kämpfen, sind sie im Segment der so<br />

genannten „Best Ager“ gut aufgestellt.<br />

Laut Kathrin Wirz, beim DSGV für die<br />

Zielgruppe Senioren zuständig, besitzen<br />

die Sparkassen damit eine komfortable<br />

Marktposition: „Ältere <strong>Kunden</strong> wechseln<br />

weitaus seltener ihre Bank als jüngere<br />

<strong>Kunden</strong>.“ Doch weil immer mehr Menschen<br />

immer besser informiert sind und<br />

sie auch zunehmend das Internet nutzen,<br />

dürfte die Wechselbereitschaft in diesem<br />

Segment eher zu- als abnehmen. Expertin<br />

Wirz sieht daher durchaus eine Gefahr<br />

für die <strong>beste</strong>hende Marktposition und<br />

wirbt für größere Anstrengungen: „Die<br />

Zielgruppe Senioren steht noch nicht<br />

ausreichend im Fokus des Vertriebs vieler<br />

Sparkassen.“ Der Grund: Hohe Marktanteile<br />

verleiten dazu, das Potenzial der<br />

Zielgruppe zu übersehen, obwohl sie sich<br />

durch hohes Einkommen, eine hohe<br />

Kaufkraft und überdurchschnittliches<br />

Geldvermögen auszeichnet.<br />

Es gibt nicht „den“ alten <strong>Kunden</strong><br />

Es gehe also darum, bei diesen <strong>Kunden</strong><br />

zu punkten, etwa mit Hilfe von Beratung.<br />

Umfragen zeigen, dass der persönliche<br />

Kontakt für ältere Bankkunden wichtig<br />

ist. Die örtliche Nähe der Sparkassen und<br />

eine lange Beratungserfahrung mit der<br />

älteren Zielgruppe bilden dabei eine gesunde<br />

Basis<br />

Vielleicht der wichtigste Grundsatz für<br />

S P A R K A S S E S E P T E M B E R 2 0 0 8<br />

MÄRKTE & KUNDEN 2<br />

Teamplayer<br />

58 x 100<br />

Nr. 15


3<br />

MÄRKTE & KUNDEN<br />

Erfolg bei den Älteren lautet, dass es eine<br />

homogene Generation 50 plus nicht gibt.<br />

Vielmehr müssen sich die Sparkassen<br />

auf unterschiedlichste Lebensentwürfe<br />

und -situationen einstellen. Hier sind insbesondere<br />

die Berater gefragt. Es gilt sensibel,<br />

auf den <strong>Kunden</strong> einzugehen und<br />

genau zuzuhören. Dann lassen sich – entgegen<br />

den Gewissheiten vieler<br />

Werber – Senioren durchaus für<br />

Neues begeistern. „Wir konstatieren<br />

derzeit einen Sinneswandel“,<br />

sagt Klaus Uwe Meier, Leiter<br />

Projekte und Kooperationen<br />

der BAGSO Service, einer Tochtergesellschaft<br />

der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

der Senioren-<br />

Organisationen (BAGSO): „Wo<br />

früher viele vor allem an die Kinder<br />

und Enkelkinder dachten,<br />

geht es heute eher darum, den<br />

Lebensabend zu genießen. Ihr<br />

Geld möchten ältere Menschen<br />

durchaus ausgeben.“<br />

Voraussetzung sei jedoch immer,<br />

dass ein Produkt überzeugt.<br />

Was Beratung oder Produkte angeht, lassen<br />

sich zudem Unterschiede zwischen<br />

Alt und Jung feststellen. Meist sind es<br />

nach Meiers Erfahrung recht naheliegende<br />

Themen, mit denen die Sparkassen<br />

punkten können: „Dazu zählen beispielsweise<br />

das Enkelkinderkonto. Ein Berater<br />

sollte auch Themen wie eine Pflegeversicherung<br />

aktiv ansprechen.“<br />

Penetranz ist schädlich<br />

Gerade bei beratungsintensiven und sensiblen<br />

Punkten wie einer solchen Versicherung<br />

sieht Meier die Sparkassen<br />

in der Pflicht – auch aus<br />

Eigennutz: „Üblicherweise <strong>beste</strong>ht<br />

hier ja das Interesse, so viele<br />

Abschlüsse wie möglich zu<br />

tätigen.“ Wer mit der Tür ins<br />

Haus falle, aber jedoch selten<br />

Glück. Denn schließlich sei es<br />

den älteren Menschen bewusst,<br />

wenn sie über ein hohes Vermögen<br />

verfügen. Sie wollen nicht<br />

als Melkkühe gesehen werden.<br />

Expertin Wirz ergänzt: „Wir<br />

müssen uns auch von eigenen<br />

Wunschvorstellungen lösen,<br />

wenn wir Senioren ansprechen.<br />

Denn als Werbende machen wir<br />

es uns oft einfach und verwenden<br />

gerne den gut aussehenden<br />

Privatbanking-<strong>Kunden</strong> als Motiv.<br />

Die Zielgruppe umfasst jedoch mehrheitlich<br />

den klassischen Privatkunden.“<br />

Dazu kommt noch eine wichtige Regel:<br />

„Senioren wollen nicht erkennbar anders<br />

als andere <strong>Kunden</strong>gruppen angesprochen<br />

werden“, erklärt Expertin Wirz.<br />

Ziel muss es daher sein, vor allem die<br />

räumliche Situation sowie Beratungs-<br />

und Produktangebote unter seniorenfreundlichen<br />

Gesichtspunkten zu verbessern<br />

und genau zu analysieren, welche<br />

„Ältere wollen ihr<br />

Geld auch<br />

ausgeben.“<br />

Uwe Meier,<br />

Projektleiter<br />

BAGSO Service<br />

„Beratungsgespräche<br />

auch im<br />

Seniorenheim“<br />

Thorsten Giele,<br />

Abteilungsleiter<br />

Privatkunden,<br />

Haspa<br />

Teilzielgruppen im Segment „50plus“ im<br />

Fokus stehen. Auf erfolgversprechende<br />

Strategien geben viele Untersuchungen<br />

Hinweise. So hat die BAGSO 1600 ältere<br />

Menschen nach ihren Erfahrungen mit<br />

Kreditinstituten befragt. Wichtiges Ergebnis:<br />

90 Prozent der älteren <strong>Kunden</strong><br />

möchten immer denselben Berater haben.<br />

Ebenso zählen Diskretion<br />

und Ruhe, die Mitarbeiter sollten<br />

sich also Zeit für die Fragen<br />

der Senioren nehmen.<br />

Aus diesen und weiteren Ergebnissen<br />

entwickelten die Forscher<br />

Kriterien für eine seniorenfreundliche<br />

Bank. Diese<br />

umfassen nach Meier beispielsweise<br />

die Bereiche Technik,<br />

Produkte, Service oder Beratung.<br />

„Erfüllt die Bank die Anforderungen<br />

aus dieser Kriterienliste,<br />

sprechen wir eine BAG-<br />

SO-Verbraucherempfehlung<br />

aus.“ Hier sind die Sparkassen<br />

nach Meiers Worten führend in<br />

Deutschland: „Bei den Geschäftsbanken<br />

stoßen wir mit dem Thema<br />

dagegen auf wenig Resonanz.“<br />

Insbesondere begrüßt der BAGSO-Fachmann,<br />

dass die Sparkassen ihre Präsenz<br />

in der Fläche aufrechterhalten und damit<br />

wichtige Anlaufstellen für die Menschen<br />

bieten. Ausgezeichnet wurden bislang<br />

die Kreissparkasse Steinfurt, die Sparkasse<br />

Unna, die Kreissparkasse Ahrweiler<br />

und die Sparkasse Wittgenstein.<br />

Wie der Prozess einer solchen Zertifizierung<br />

aussieht, erläutert Kerstin August,<br />

Marketingleiterin der Sparkasse Wittgenstein:<br />

„Zunächst haben wir das<br />

Konzept in Zusammenarbeit<br />

mit der BAGSO und einer Unternehmensberatungausgearbeitet.<br />

Am Anfang stand die Überlegung,<br />

welche besonderen<br />

Maßnahmen wir für Senioren<br />

ergreifen müssen.“ Dazu haben<br />

die Wittgensteiner ihre älteren<br />

<strong>Kunden</strong> nach den Wünschen an<br />

eine Bank befragt. Großen Wert<br />

legen die Senioren beispielsweise<br />

auf Barrierefreiheit, einen<br />

einfachen Zutritt zu Räumen<br />

oder auf Beschriftungen, die<br />

sich problemlos lesen lassen.<br />

„Darauf aufbauend haben wir<br />

ein Beratungskonzept für die<br />

Generation 50 plus erarbeitet.“<br />

Die Berater fragen zu Beginn<br />

jeweils nur danach, ob ein grundsätzliches<br />

Interesse an speziellen Angeboten<br />

<strong>beste</strong>ht. „Signalisiert der Kunde Interesse,<br />

erörtern wir zunächst, wie sich die Lebenssituation<br />

entwickeln wird.“ Die Marketingmanagerin<br />

August nennt dabei die<br />

Themen fällige Verträge, berufliche Situation<br />

oder Erben und Vererben. „Wir weisen<br />

dann beispielsweise auf steuerliche<br />

Effekte einer bestimmten Anlage hin.“<br />

Wichtig für August: „Ob wir das mit ei-<br />

S P A R K A S S E S E P T E M B E R 2 0 0 8<br />

nem 55- oder 65jährigen machen, hängt<br />

ganz von den persönlichen Vorgaben des<br />

jeweiligen <strong>Kunden</strong> ab.“<br />

Dabei kommen die älteren <strong>Kunden</strong> mit<br />

sehr vielfältigen Interessen zu den Sparkassen.<br />

Die Institute versuchen, durch<br />

unterschiedlichste Angebote zu punkten.<br />

Wie ein Engagement konkret aussehen<br />

kann, erläutert Thorsten Giele, Abteilungsleiter<br />

Geschäftsfeld Individual- und<br />

Privatkunden der Haspa: „Wir bieten Beratungsgespräche<br />

in den eigenen vier<br />

Wänden der <strong>Kunden</strong>, aber auch im Krankenhaus<br />

oder Seniorenheim. Dabei können<br />

Termine auch außerhalb der Öffnungszeiten<br />

oder am Wochenende vereinbart<br />

werden“.<br />

„Menschliches Banking“<br />

Die Hamburger bezeichnen ihre Strategie<br />

als „Menschliches Banking“: „Dazu zählen<br />

vor allem die Beratung in jeder Lebensphase<br />

und die Nähe zum <strong>Kunden</strong>.“<br />

(Giele) Hierzu bietet die Haspa sogar speziell<br />

abgestimmte Produkte an. Ohnehin<br />

sind die Sparkassen nach Erfahrungen<br />

der BAGSO gut positioniert, wenn es darum<br />

geht, die Potenziale der Senioren in<br />

konkrete Geschäfte umzumünzen. Sparkassenmanagerin<br />

August bestätigt, dass<br />

der Gedanke der Wirtschaftlichkeit immer<br />

präsent sei: „Wir achten bei unseren<br />

Projekten stets darauf, dass die Kosten in<br />

einem vernünftigen Verhältnis zum erwarteten<br />

Ertrag stehen.“<br />

Mit ihrer starken Präsenz bei den Senioren<br />

stehen die Sparkassen in der Pflicht.<br />

Es gilt, dieses Potenzial intelligent zu nutzen<br />

und den <strong>Kunden</strong> entgegenzukommen.<br />

Wie die erfolgreichen Harley-Sitzheizungen<br />

beweisen, müssen sich Institute<br />

und Berater immer wieder den konkreten<br />

Mehrwert eines Produkts vor Augen<br />

führen. Es gilt stets auszuloten, ob<br />

ein Angebot für ältere <strong>Kunden</strong> brauchbar<br />

ist wie sich dieser Zweck anschaulich vermitteln<br />

lässt. Dabei sollte niemand ver-<br />

Zielgruppe 50 plus –Tipps<br />

für die Kommunikation<br />

- Die Integration der Generation 50plus in die<br />

Mitte der Gesellschaft beginnt beim Angebot.<br />

- Suchen Sie die Orientierung an dem, was für<br />

die Zielgruppe wichtig ist.<br />

- Schenken Sie denen kein Gehör, die immer<br />

noch von der ungebrochenen Markenloyalität<br />

im <strong>Alter</strong> erzählen.<br />

- Überraschen Sie die Generation 50 plus in<br />

der Kommunikation mit Charme, Geist,<br />

Originalität, Niveau und Nutzen!<br />

- Nutzen Sie alle Instrumente des Kommunikations-Mix.<br />

- Drängen Sie darauf, in der Media-Planung<br />

exakte Zielgruppen-Kontakte zu berücksichtigen.<br />

Quelle: DSGV<br />

Christoph Roether legt die Messelatte hoch.<br />

gessen: Was älteren Menschen an Erleichterung<br />

oder Verständlichkeit zugute<br />

kommt, hilft auch den Jungen.

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