Evang. Kirchengemeinde Roth - Gemeindebrief Dez 2014 bis Feb 2015
Evang. Kirchengemeinde Roth - Gemeindebrief Dez 2014 bis Feb 2015 "Lichtblicke"
Evang. Kirchengemeinde Roth - Gemeindebrief Dez 2014 bis Feb 2015 "Lichtblicke"
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THEMEN DES GLAUBENS:<br />
Die Weihnachtsgeschichte - eine Provokation<br />
In der Stadt Halikarnass in Kleinasien wurde im<br />
Jahr 2 v. Chr. folgende Huldigung an den Kaiser<br />
Augustus verfasst: „Da die ewige und unsterbliche<br />
Natur des Weltalls das höchste Gut zu<br />
überschwänglichen Wohltaten den Menschen<br />
schenkte, indem sie Caesar Augustus hervorbrachte<br />
für ein glückseliges Leben bei uns, … den<br />
Retter des gesamten Menschengeschlechts,<br />
dessen Vorsehung die Gebete aller nicht nur<br />
erfüllte, sondern noch übertraf – Denn Land und<br />
Meer sind in Frieden …, die Menschen sind<br />
erfüllt von schönen Hoffnungen für die Zukunft,<br />
voll frohen Mutes für die Gegenwart ...“ Es lohnt<br />
sich, unsere Weihnachtsgeschichte vor dem<br />
Hintergrund einer solchen Herrscherideologie zu<br />
lesen. Wenn etwa ein römischer Staatsbeamter,<br />
dem Worte wie die der Huldigung an den Kaiser<br />
Augustus vertraut waren, die Weihnachtsgeschichte<br />
des Lukas zu lesen bekam, konnte er<br />
eigentlich nur den Kopf schütteln oder vor Zorn<br />
erbeben. Da nennt der <strong>Evang</strong>elist einen Menschen,<br />
der im hintersten Winkel des römischen<br />
Reiches geboren wird, den „Heiland“, den<br />
„Retter“ - wo es doch längst einen solchen Retter<br />
im Kaiserpalast zu Rom gab. Da wird von diesem<br />
Menschen namens Jesus, der aus geringen<br />
Verhältnissen stammt, gesagt, er sein auf<br />
wunderbare Weise gezeugt worden – wo man<br />
solches eigentlich nur bedeutenden Herrschern<br />
der damaligen Zeit nachsagte. Da wird von<br />
diesem Menschen gesagt, dass er Frieden bringe<br />
– wo man doch längst den Kaiser in Rom als den<br />
großen Friedensstifter verehrte. Sohn Gottes wird<br />
er auch noch genannt – wo doch dieser Ehrentitel<br />
seit der Zeit der Pharaonen nur für Kaiser und<br />
Könige reserviert war. Alle, die damals auf die<br />
römische Staatsideologie eingeschworen waren,<br />
haben die Weihnachtsgeschichte des Lukas nicht<br />
als eine beschauliche romantische Idylle wahrgenommen.<br />
Für sie war es eine konfrontative<br />
Frechheit, was sich da ein christlicher Schriftsteller<br />
leistete und was die Christen in ihren<br />
Gottesdiensten verkündeten.<br />
Wir tun gut daran, die Weihnachtsgeschichte<br />
auch einmal unter diesem Blickwinkel zu lesen.<br />
Sie ist eine Geschichte für Menschen, die<br />
Machtlosigkeit und Erniedrigung erfahren<br />
haben; eine Geschichte für Menschen, die sich<br />
nicht mehr vom Machtgehabe und den Ansprüchen<br />
derer blenden lassen, die sich nur selber<br />
beweihräuchern. Sie ist die Geschichte eines<br />
Menschen, der nicht auf der Straße der Sieger<br />
geht, sondern am Kreuz landet; die Geschichte<br />
eines Menschen, der schließlich als der Todesüberwinder<br />
erfahren wird. Vielleicht entdecken<br />
wir uns auch selber in dieser Geschichte - mit den<br />
Schmerzen und Verwundungen unseres Lebens,<br />
aber auch mit unserer Hoffnung und unserer<br />
Sehnsucht.<br />
Pfr. Dr. Karl Eberlein<br />
Foto: Internet