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Wie es zur Euro-Krise kam - Alternative für Deutschland – Berlin

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<strong>Wie</strong> <strong>es</strong> <strong>zur</strong> <strong>Euro</strong>-<strong>Krise</strong> <strong>kam</strong> 1<br />

von<br />

Charl<strong>es</strong> B. Blankart<br />

Humboldt-Universität zu <strong>Berlin</strong><br />

Universität Luzern<br />

3.6.2013<br />

I. Von der D-Mark zum <strong>Euro</strong><br />

Vielfach wird g<strong>es</strong>agt, der die Gemeinschaftswährung d<strong>es</strong> <strong>Euro</strong> sei die logische Folge und der<br />

krönende Abschluss der Integration <strong>Euro</strong>pas. Für Ökonomen ist di<strong>es</strong>er Schluss nicht zwingend. Sie<br />

sagen: Wenn <strong>es</strong> das Ziel ist <strong>Euro</strong>pas Menschen über <strong>Euro</strong>pas Märkte zusammenzuführen, so braucht<br />

<strong>es</strong> hier<strong>für</strong> nicht unbedingt eine Einheitswährung. Aufgabe der EU-Organe ist <strong>es</strong> lediglich, einen<br />

Rahmen <strong>für</strong> den gemeinsamen Markt zu schaffen. Währungen sind darin Güter, die nach den<br />

Prinzipien d<strong>es</strong> Binnenmarkt<strong>es</strong> der EU gehandelt werden. Zu einer Einheitswährung kommt <strong>es</strong><br />

demnach, wenn b<strong>es</strong>tehende nationale Währungen infolge von Skaleneffekten im Wettbewerb zum<br />

Zusammenschluss neigen und letztlich eine einzige Währung münden. Die Gemeinschaftswährung ist<br />

also der letzte Schritt. Ähnlich sahen auch Bund<strong>es</strong>regierung und Bund<strong>es</strong>bank die Währungsunion als<br />

Abschluss ein<strong>es</strong> Proz<strong>es</strong>s<strong>es</strong>. Sie sprachen daher von einer „Krönungstheorie“. In den stärker romanisch<br />

geprägten EU-Staaten wurden die Deutschen daher als „Ökonomisten“ bezeichnet, während di<strong>es</strong>e<br />

sich selbst „Monetaristen“ nannten, weil sie die Währungsunion zunächst einmal einführen wollten<br />

und dachten, aus ihr heraus ergebe sich die Integration der anderen Märkte von selbst.<br />

1<br />

Zunächst überwogen die Monetaristen. Sie wollten die Gemeinschaftswährung, den <strong>Euro</strong>, schon<br />

möglichst bald einführen und nicht bis <strong>zur</strong> Krönung warten. Warum aber setzte sich der <strong>Euro</strong><br />

politisch vor jeder anderen Lösung durch? Der Grund lag darin, dass unter nationalen Währungen<br />

nicht ein freier, sondern ein stark politisch geprägter Wettbewerb b<strong>es</strong>tand. Die einen Regierungen,<br />

darunter die <strong>Deutschland</strong>s, praktizierten ein Stabilitätsregime mit Preisstabilität als erstem Ziel, die<br />

anderen unter der Führung Frankreichs ein Inflationsregime, mit dem sie hofften, das<br />

Wirtschaftswachstum zu b<strong>es</strong>chleunigen. Je nachdem wurden die Staatsausgaben nur über normale<br />

Steuern oder auch über Inflationssteuern finanziert. Die Deutschen waren sich nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg di<strong>es</strong>bezüglich einig. Nachdem die meisten von ihnen zwei Hyperinflationen hinter sich<br />

gebracht und zweimal ihr Vermögen verloren hatten, sollte di<strong>es</strong> in Zukunft nicht wieder g<strong>es</strong>chehen.<br />

Inflationssteuern <strong>kam</strong>en <strong>für</strong> sie nicht in Betracht. Die 1948 g<strong>es</strong>chaffene Bank Deutscher Länder, die<br />

1957 in die Deutsche Bund<strong>es</strong>bank überging, sollte daher vom Staatshaushalt unabhängig sein und<br />

nicht dazu gezwungen werden dürfen, den Staatshaushalt durch Geldschöpfung zu finanzieren.<br />

Di<strong>es</strong><strong>es</strong> Konzept bewährte sich. Im Laufe der Jahre schlossen sich Österreich und die Benelux Staaten<br />

dem deutschen Grundsatz an und bildeten fortan den so genannten DM-Block. Die Regierungen<br />

anderer Staaten wie Frankreichs und der Spaniens, Portugals, Italiens, Griechenlands und Irlands<br />

1<br />

Kurzfassung von D-Mark - <strong>Euro</strong> - <strong>Euro</strong>krise und danach <strong>–</strong> DIW Vierteljahr<strong>es</strong>schrift 2/1013,<br />

1


sahen das anders. Sie zogen ein Inflationsregime vor. Bei ihnen sollten auch Geldschöpfung und<br />

Inflation und damit die Zentralbank einen Beitrag <strong>zur</strong> Finanzierung d<strong>es</strong> Staatshaushalts leisten. Um<br />

trotz Inflation wettbewerbsfähig zu bleiben, mussten sie ihre Währungen von Zeit zu Zeit abwerten.<br />

Das Wechselbad von Inflation und Abwertung war aber dem Wirtschaftswachstum abträglich.<br />

Inflationsregime hatten im Endeffekt ein niedriger<strong>es</strong> Wirtschaftswachstum als Stabilitätsregime.<br />

In einem ersten Versuch glaubten Ökonomisten und Monetaristen das Nebeneinander von<br />

Stabilitäts- und Inflationsregime durch eine gemeinsame Währung überwinden zu können. Dem so<br />

genannten „Werner-Plan“ von 1971 zufolge <strong>–</strong> benannt nach dem damaligen luxemburgischen<br />

Premierminister Pierre Werner <strong>–</strong> sollten die EU-Staaten in einem Stufenplan eine gemeinsame<br />

Wirtschaftspolitik verfolgen, aus der dann die gemeinsame Währung erwachse. Damit hätten<br />

Frankreich und die Mittelmeerstaaten das deutsche Stabilitätsregime annehmen müssen. Das aber<br />

wollten die nicht, so dass der Plan infolge von ungleichen Inflationsraten und Wechselkursregimen<br />

alsbald zusammenbrach.<br />

Im Jahr 1978 nahmen der Deutsche Bund<strong>es</strong>kanzler Helmut Schmidt und sein Gegenpart, der<br />

französische Präsident Giscard d’Estaing einen neuen Anlauf. Als Vorstufe <strong>zur</strong> Währungsunion sollte<br />

eine Währungskooperation mit b<strong>es</strong>chränkten Wechselkursschwankungen ang<strong>es</strong>trebt werden. Doch<br />

wer sollte garantieren, dass die Wechselkurse die f<strong>es</strong>tgelegten Bandbreiten nicht überschritten?<br />

Präsident Giscard d’Estaing schlug vor, dass die Zentralbanken aus einem Fonds so lange inv<strong>es</strong>tieren<br />

sollten, bis Wechselkursstabilität erreicht war.<br />

Im Endeffekt hätte die deutsche Bund<strong>es</strong>bank in den Fonds einzahlen müssen, bis die<br />

Zahlungsbilanzdefizite Frankreichs und der Mittelmeerstaaten gegenüber <strong>Deutschland</strong> ausgleichen<br />

waren. So ließ <strong>es</strong> sich der deutsche Bund<strong>es</strong>kanzler Helmut Schmidt vom französischen Präsidenten<br />

Giscard d’Estaing einreden. Unter dem Vorwand der Währungsintegration wollte Giscard d’Estaing<br />

eine Transferunion einrichten. Doch die (damals noch mächtige) Deutsche Bund<strong>es</strong>bank legte ihr Veto<br />

ein. Sie argumentierte, erstens sei sie von politischen Weisungen unabhängig und zweitens sei <strong>es</strong> ihr<br />

nicht erlaubt deutsche Währungsr<strong>es</strong>erven in fremde Hand zu geben.<br />

2<br />

Man einigte sich stattd<strong>es</strong>sen zum 1.1.1979 auf das <strong>Euro</strong>päische Währungssystem EWS, in dem die<br />

EU-Staaten sich verpflichteten, Wechselkursschwankungen nur in b<strong>es</strong>timmten Bandbreiten von erst<br />

+/- 2,25% und später +/- 15% zuzulassen. Di<strong>es</strong><strong>es</strong> Ziel sollte jede Zentralbank mit ihren<br />

Währungsr<strong>es</strong>erven sicherstellen. Wer di<strong>es</strong> nicht schaffte, erhielt von den anderen Staaten<br />

rückzahlbare Überbrückungskredite. Gelang <strong>es</strong> einem Staat auch dann nicht, seine Finanzen und<br />

damit seine Zahlungsbilanz wieder ins Gleichgewicht zu bringen und seinen Wechselkurs zu<br />

stabilisieren, so musste er ein „Währungsalignement“ hinnehmen und wenn di<strong>es</strong> auch nichts half aus<br />

dem EWS ausscheiden (Bernholz 1998). Beispielsweise fiel Großbritannien, das in seiner<br />

Währungskrise von 1992/93 ein Währungsalignement nicht hinnehmen wollte, automatisch aus dem<br />

EWS heraus. Di<strong>es</strong>er Automatismus war ein großer Vorteil d<strong>es</strong> EWS. Es waren <strong>für</strong> den Austritt ein<strong>es</strong><br />

Staat<strong>es</strong> keine kollektiven B<strong>es</strong>chlüsse mit strategischem Hick-Hack erforderlich (wie sie heute aus dem<br />

<strong>Euro</strong> bekannt sind). Aus der Sicht d<strong>es</strong> EWS kommt der ehemalige Bundebankpräsident Helmut<br />

Schl<strong>es</strong>inger bezüglich d<strong>es</strong> <strong>Euro</strong> zum Schluss:<br />

„Die Währungsunion war eine rein politische Entscheidung. Anders als die Währungsreform von 1948<br />

gab <strong>es</strong> ökonomisch g<strong>es</strong>ehen keine Notwendigkeit, den <strong>Euro</strong> einzuführen. Seit Juni 1993 hatten wir<br />

das <strong>Euro</strong>päische Währungssystem flexibler gemacht. Die Währungen durften untereinander in<br />

2


Bandbreiten von plus/minus 15 Prozent handeln. Di<strong>es</strong><strong>es</strong> System hätte man ohne Probleme weiter<br />

fortsetzen können.“ (Schl<strong>es</strong>inger 2012)<br />

Doch was waren denn Schl<strong>es</strong>ingers politischen Gründe? Politisch unbeliebt war vor allem die<br />

Ökonomische Logik d<strong>es</strong> EWS. Di<strong>es</strong>e erklärt sich wie folgt:<br />

- Wenn n-1 von n Teilnehmerstaaten d<strong>es</strong> EWS so auf dem Devisenmarkt so<br />

intervenieren, dass ihr Wechselkurs gegenüber den anderen Währungen stabil ist, so ist der<br />

der Wechselkurs d<strong>es</strong> n-ten Staat<strong>es</strong> stabil, was auch immer seine Finanz- und Geldpolitik ist.<br />

- Die n-te Währung ist die R<strong>es</strong>ervewährung.<br />

- Welche Währung die n-te Währung wird, die <strong>zur</strong> R<strong>es</strong>ervewährung wird, hängt von<br />

deren Reputation ab. Um auf der sicheren Seite zu stehen, banden die EWS-Staaten ihre<br />

Währung an das Land der Währung mit der größten Reputation. Das war die D-Mark.<br />

- So wurde die D-Mark die n-te und damit Ankerwährung d<strong>es</strong> EWS.<br />

<strong>Deutschland</strong> gab die Politik vor, die die anderen Staaten zu befolgen hatten. Oft musste Frankreich<br />

wider Willen seine Zinsen erhöhen und seine Wirtschaft drosseln, um so den Wechselkurs <strong>zur</strong> D-<br />

Mark in der vorg<strong>es</strong>chriebenen Bandbreite zu halten. Verständlicherweise missfiel Frankreich die<br />

Dominanz der Deutschen Bund<strong>es</strong>bank. Es sprach vom „Diktat allemand“ und wollte die Bund<strong>es</strong>bank<br />

aus dem EWS hinausdrängen und die Wirtschafts- und Geldpolitik nicht länger einem Land <strong>–</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> <strong>–</strong> überlassen, sondern in die Hände aller Mitgliedstaaten legen.<br />

1988 brachte der französische Ministerpräsident Balladur Frankreichs Missbehagen vor den<br />

<strong>Euro</strong>päischen Rat in Hannover. Die Staats- und Regierungschefs nahmen das französische Anliegen<br />

ernst, erinnerten sich d<strong>es</strong> Werner Plans und der Erklärungen d<strong>es</strong> Rat<strong>es</strong> <strong>zur</strong> einer gemeinsamen<br />

Währung in der Einheitlichen <strong>Euro</strong>päischen Akte von 1986 und beauftragten den<br />

Kommissionspräsidenten Jacqu<strong>es</strong> Delors im Verein mit den EU-Zentralbankern einen Stufenplan <strong>zur</strong><br />

Verwirklichung einer Währungsunion zu erstellen (Delors 1989). Binnen ein<strong>es</strong> Jahr<strong>es</strong>, im April 1989<br />

legte Delors di<strong>es</strong>en Stufenplan vor. Erstaunlicherweise war darin all<strong>es</strong> enthalten, was sich die<br />

deutsche Seite von einer Währungsunion wünschte: Ein Verbot der Monetisierung öffentlicher<br />

Schulden (später Art. 123, 124 AEUV), die no-bailout-Klausel im Falle von Staatsbankrotten (Art. 125<br />

AEUV), ein Haushaltsausgleich <strong>für</strong> nationale Staatshaushalte (Art. 126 AEUV), das Preisstabilitätsziel<br />

der <strong>Euro</strong>päischen Zentralbank (Art. 127 AEUV) und die Unabhängigkeit der <strong>Euro</strong>päischen Zentralbank<br />

(Art. 282 AEUV). Auch die formalen nationalen Rechtanpassungen bis zum Beginn der<br />

Währungsunion waren f<strong>es</strong>tgelegt. Der Delors Plan stellt ein Meisterwerk logischer G<strong>es</strong>chlossenheit<br />

dar. Jeder Staat wusste, was seine Pflicht sein wird. Aber der Plan ließ weitgehend offen, wie die<br />

Regelerfüllung nach Beginn der Gemeinschaftswährung sicherg<strong>es</strong>tellt wird. Weil über letzter<strong>es</strong> nicht<br />

oder (im Fall d<strong>es</strong> Haushaltsausgleichs) nur vage g<strong>es</strong>prochen wurde, konnte sich die deutsche Seite,<br />

die auf den Grundsätzen b<strong>es</strong>tand, b<strong>es</strong>tätigt fühlen. Die Prinzipien der Deutschen Bund<strong>es</strong>bank fanden<br />

sich in der Verfassung der <strong>Euro</strong>päischen Zentralbank wieder. Aber auch Frankreich konnte<br />

zustimmen weil seine Regierung eine Wait-and-see-Position einnahm. Über die Prinzipien herrschte<br />

Einigkeit. Doch wie die Union mit dem, Vertrag leben sollte, wurde auf den Zeitpunkt aufg<strong>es</strong>choben,<br />

wenn die Probleme einmal auftreten werden, was der Position der französischen „Monetaristen“<br />

entsprach. Die sogenannten Konvergenzkriterien der Preisstabilität, d<strong>es</strong> Haushaltsausgleichs, der<br />

Staatsschulden, der Wechselkurse und langfristigen Zinsen sollten vorher erfüllt werden. Kein Staat<br />

3<br />

3


sollte in die Währungsunion aufgenommen werden, der zum Beitrittszeitpunkt die<br />

Konvergenzkriterien nicht erfüllte. 2<br />

II. Nach der Unterzeichnung d<strong>es</strong> Maastricht-Vertrags<br />

Am 7. Februar 1992 wurde der Vertrag von Maastricht und damit die Währungsunion feierlich<br />

unterzeichnet. Man <strong>kam</strong> überein, die Währungsunion spät<strong>es</strong>tens zum 1. Januar 1999 beginnen zu<br />

lassen (Art. 121 Abs. 4 EG). 3<br />

In der Vorgabe di<strong>es</strong><strong>es</strong> Datums reflektierte sich das B<strong>es</strong>treben der Vertragspartner mit der<br />

Währungsunion auch die politische Union, auf die Frankreich nach der Deutschen<br />

<strong>Wie</strong>dervereinigung b<strong>es</strong>onderen Wert legte, voranzubringen (Laursen und Vanhoonaker<br />

1992). Für die Seriosität der Währungsunion war die Vorgabe di<strong>es</strong><strong>es</strong> f<strong>es</strong>ten Datums aber<br />

fatal; denn die deutsche Seite musste nun mit dem Rücken <strong>zur</strong> Wand kämpfen. Sie konnte<br />

nicht mehr verhindern, dass auch die sogenannten Periphreri<strong>es</strong>taaten mit mangelhafter<br />

Budgetdisziplin wie Italien, Spanien und Portugal und später Griechenland in die<br />

Währungsunion aufgenommen wurden.<br />

Die Aufnahme der Preripheri<strong>es</strong>taaten wirkte sich in den ersten zehn Jahren der<br />

Währungsunion von 1999 bis 2009 noch nicht spürbar aus. Insb<strong>es</strong>ondere profitierten die<br />

südlichen Mitgliedstaaten und Irland aus der Einheitswährung. Das Wechselkursrisiko schien<br />

gebannt. Die Märkte akzeptierten jeden <strong>Euro</strong> als gleichwertig, gleichgültig ob er von<br />

<strong>Deutschland</strong> oder von Griechenland <strong>kam</strong>. Die Identität aller <strong>Euro</strong>s vermittelte den Märkten<br />

Sicherheit, das Anlagerisiko fiel, die Zinsen fielen, die Inv<strong>es</strong>titionen stiegen, zogen<br />

ausländisch<strong>es</strong> Kapital in die Peripheri<strong>es</strong>taaten und lösten dort einen nie dagew<strong>es</strong>enen Boom<br />

aus, derweil die Staatsverschuldung in di<strong>es</strong>en Staaten unbemerkt zunahm. Weil alle<br />

Beteiligten auf der gleichen Rutschbahn saßen, nahmen sie nur die relativen<br />

G<strong>es</strong>chwindigkeiten zueinender, nicht aber die absolute G<strong>es</strong>chwindigkeit ihrer Fahrt wahr.<br />

4<br />

Viele sagen, dass dir Fahrt auf der Rutschban mit der Bankenkrise der Jahre 2007/2008 und<br />

mit der Lehman-Pleite brüsk endete und bei den Peripheri<strong>es</strong>taaten die Staatsfinanz- und<br />

<strong>Euro</strong>krise einleitete. Das ist aber so nicht ganz richtig. Die Bankenkrise berührte die<br />

südlichen Mitgliedstaaten und Irland zunächst nicht, vgl. Abbildung 1. In dem Augenblick<br />

jedoch, in dem der <strong>Euro</strong>päische Rat am 13. Oktober 2008 als Reaktion auf die Bankenkrise<br />

2<br />

Erst im Amsterdam Vertrag von 1997 wurden die Defizit- und die Staatsschuldobergrenze als permanent zu<br />

erfüllend<strong>es</strong> Kriterium rechtlich verankert, wie sich jedoch später zeigte, nicht durchg<strong>es</strong>etzt.<br />

3<br />

Art. 121 Abs. 4 lautet: „Ist bis Ende 1997 der Zeitpunkt <strong>für</strong> den Beginn der dritten Stufe nicht f<strong>es</strong>tgelegt<br />

worden, so beginnt die dritte Stufe am 1. Januar 1999. Vor dem 1. Juli 1998 b<strong>es</strong>tätigt der Rat, der in der<br />

Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs tagt, nach einer <strong>Wie</strong>derholung d<strong>es</strong> in den Absätzen 1 und 2<br />

- mit Ausnahme von Absatz 2 zweiter Gedankenstrich - vorg<strong>es</strong>ehenen Verfahrens unter Berücksichtigung der<br />

Berichte nach Absatz 1 sowie der Stellungnahme d<strong>es</strong> <strong>Euro</strong>päischen Parlaments mit qualifizierter Mehrheit auf<br />

der Grundlage der Empfehlungen d<strong>es</strong> Rat<strong>es</strong> nach Absatz 2, welche Mitgliedstaaten die notwendigen<br />

Voraussetzungen <strong>für</strong> die Einführung einer einheitlichen Währung erfüllen.“ Di<strong>es</strong>er Satz ist als Endpunkt aller<br />

vorher zu regelnden Rechtsangleichungen zu sehen.<br />

4


jeden Mitgliedstaat dazu verpflichtete systemrelevante Banken nicht mehr Pleite gehen zu<br />

lassen, sondern sie auf eigene Rechnung zu retten, wurden die Kapitalmärkte hellhörig. Sie<br />

zweifelten, dass schwächere <strong>Euro</strong>staaten in der Lage sein werden die Bürde der<br />

Bankengarantie zu tragen. Infolged<strong>es</strong>sen steigen die Zinsspannen zwischen den<br />

Staatsanleihen der schwächeren <strong>Euro</strong>-Staaten und den Staatsanleihen der stärkeren Staaten,<br />

insb<strong>es</strong>ondere <strong>Deutschland</strong>s an (vgl. Abbildung 1).<br />

5<br />

Abbildung 1: Die Zinsabstände der Staatsanleihen von <strong>Euro</strong>-Staaten vom Zinsniveau<br />

deutscher Bund<strong>es</strong>anleihen (die auf null g<strong>es</strong>etzt sind) 2007-2010<br />

III. Die fragwürdige Rolle der EU-Kommission<br />

Von der EU-Kommission in Brüssel wurden di<strong>es</strong>e Warnungen an der Zinsfront in den Wind<br />

g<strong>es</strong>chlagen. Statt die Zeit zu nutzen und <strong>für</strong> den Fall einer Staatsinsolvenz ein<br />

Umschuldungsverfahren nach den Rahmenbedingungen der Nobailout-Klausel von Art. 125 AEUV zu<br />

entwickeln und dem Rat und dem Parlament <strong>zur</strong> Verabschiedung vorzulegen, wurde wie aus<br />

Abbildung 1 hervorgeht, mehr als ein Jahr vertan. Die Kommission sprach den Gläubigern von<br />

Staatsanleihen beruhigende Worte aus und stellte den gefährdeten Staaten einen Bailout in Aussicht.<br />

Der damalige Währungskommissar, Joaquin Almunia, versuchte am 4. März 2009, als die Spreads<br />

erstmals kulminierten, die Anleger zu b<strong>es</strong>chwichtigen: „Wenn eine solche <strong>Krise</strong> in einem <strong>Euro</strong>-Staat<br />

auftritt, so gibt <strong>es</strong> da<strong>für</strong> eine Lösung, bevor di<strong>es</strong><strong>es</strong> Land beim Internationalen Währungsfonds IWF<br />

um Hilfe bitten muss.“ Dann machte Almunia eine Pause und fügte hinzu: „…<strong>es</strong> ist aber nicht klug,<br />

5


öffentlich von di<strong>es</strong>er Lösung zu sprechen, aber sie b<strong>es</strong>teht“. 4 Durch di<strong>es</strong>e Worte Almunias <strong>kam</strong> die<br />

Nichtbeistandsklausel von Art. 125 AEUV erstmals ins Wackeln. Für jedermann wurde deutlich, dass<br />

Almunia etwas im Hintergrund hielt, aber di<strong>es</strong> nicht benennen wollte. Es brauchte wenig Phantasie,<br />

dass Almunia nicht den Staatsbankrott meinte, sondern einen Bail-out durch finanzkräftige <strong>Euro</strong>-<br />

Staaten, der nach EU-Vertrag verboten war.<br />

Almunia sagte: „…<strong>es</strong> ist aber nicht klug, öffentlich von di<strong>es</strong>er Lösung zu sprechen, aber sie b<strong>es</strong>teht“.<br />

Um die Bedeutung di<strong>es</strong>er scheinbar belanglosen Worte zu erkennen, mögen sich die L<strong>es</strong>erinnen und<br />

L<strong>es</strong>er einen bankrotten, unabhängigen Staat außerhalb d<strong>es</strong> <strong>Euro</strong> vorstellen. Wird ein solcher Staat<br />

zahlungsunfähig, so ist er auf sich allein g<strong>es</strong>tellt. Daher erklärt er zuerst einmal ein<br />

Moratorium. Damit erreicht er zum einen Zahlungsaufschub <strong>für</strong> Zinsen und Tilgung und zum<br />

anderen signalisiert er den Gläubigern, dass er zu Umschuldungsverhandlungen bereit ist.<br />

Als Verhandlungsrahmen stehen ihm zwei Institutionen <strong>zur</strong> Verfügung: Der Londoner Club<br />

<strong>zur</strong> Regelung seiner Schulden gegenüber Privaten und der Pariser Club <strong>zur</strong><br />

Schuldenbereinigung gegenüber anderen Staaten (Kirchner, Ehmke 2013). Zwar will keiner<br />

der in den Clubs auftretenden Gläubiger sein Geld verlieren. Doch ang<strong>es</strong>ichts der Situation<br />

d<strong>es</strong> Schuldners bleibt ihnen kaum etwas ander<strong>es</strong> übrig als widerwillig auf ein<br />

Schuldenbereinigungsabkommen mit quotaler Aufteilung der verwertbaren Aktiva<br />

einzugehen. Die Gläubiger müssen sich eing<strong>es</strong>tehen, dass sie falsch inv<strong>es</strong>tiert haben. Auf<br />

dem Weg zum Schuldenbereinigungsabkommen gibt <strong>es</strong> aber Störfaktoren. Manche<br />

Gläubiger mögen <strong>es</strong> als vorteilhaft ansehen vom Schuldner eine Vorwegauszahlung auf<br />

Kosten der anderen Gläubiger zu erreichen. Oder sie lassen vollstrecken, wo sie ein<br />

zuständig<strong>es</strong> Gericht finden. Eine staatliche Autorität, die solche Machenschaften unter Strafe<br />

stellt, gibt <strong>es</strong> in di<strong>es</strong>em internationalen Kontext nicht. Wohl aber können Londoner oder<br />

Pariser Club als Mediatoren wirken. Sie können gleichgerichtete Inter<strong>es</strong>sen identifizieren<br />

und di<strong>es</strong>e in Gruppen sammeln. So lassen sich auch tausende von Gläubigern zu<br />

verhandlungsfähigen Gruppen zusammenfassen. Es bildet sich Vertrauen und damit<br />

allmählich eine konstruktive Verhandlungsatmosphäre (Lipp 2011).<br />

6<br />

Im <strong>Euro</strong> ist aber eine solche Staatsinsolvenz von Anfang an versperrt. Zwischen Gläubiger<br />

und Schuldner stellt sich die <strong>Euro</strong>päische Kommission als Dritter. Man erinnere sich an die<br />

Worte Almunias. Sie tritt als „weißer Ritter“ auf, der sagt: „Ich bin Vermittler in <strong>Krise</strong>npolitik.<br />

Ich habe Zugang zu Geld und Rettungsschirm!“ Durch solche Versprechungen verhindert die<br />

Kommission, dass sich Schuldner und Gläubiger an einen Tisch setzen und nach einer Lösung<br />

suchen. Stattd<strong>es</strong>sen wird die Insolvenz zu einem Politikum. Darin übt die Kommission mit<br />

ihrem Vorschlagsmonopol gegenüber dem Rat einen großen Einfluss aus. Durch ihre schiere<br />

Existenz treibt sie einen Keil zwischen Schuldner und Gläubiger.<br />

Hielte sich die Kommission heraus, so müssten sich Schuldner und Gläubiger einigen. Es<br />

käme auch zu einer <strong>Krise</strong>. Aber der <strong>Krise</strong>nstaat hätte einen Anreiz aus der <strong>Euro</strong>-Union<br />

auszutreten und sich selbst zu sanieren. Somit wäre ein Ende abzusehen. So aber wird die<br />

<strong>Euro</strong>päische Kommission zum Hindernis. Sie hält sich als unabkömmlicher <strong>Krise</strong>nmanager<br />

4<br />

Zitat in Blankart und Fasten (2010)<br />

6


und will nicht sehen, dass sie durch ihr Auftreten als weißer Ritter eine Lösung verhindert.<br />

Schlimmer noch: Je länger <strong>es</strong> dauert, d<strong>es</strong>to mehr gewöhnen sich die Beteiligten an di<strong>es</strong><strong>es</strong><br />

und weitere Angebote d<strong>es</strong> weißen Ritters und d<strong>es</strong>to mehr schreitet die <strong>Euro</strong>krise voran. Ein<br />

anfänglich handhabbar<strong>es</strong> Problem wird zum Großproblem, das jetzt im Vergleich nur noch<br />

schwer zu bewältigen ist.<br />

Orthodoxe Politiker und Wissenschaftler lehnen solche Überlegungen ab. Sie sagen: Als<br />

Griechenland im April 2010 vor dem Konkurs stand wäre <strong>es</strong> unverantwortlich gew<strong>es</strong>en etwas<br />

ander<strong>es</strong> zu tun als Griechenland und mit ihm seine Gläubigerbanken zu retten. Die Gefahr,<br />

die mit einem No-Bailout verbunden gew<strong>es</strong>en wäre, wäre unverantwortlich groß gew<strong>es</strong>en.<br />

Doch auch di<strong>es</strong>er Einwand ist so nicht richtig. Selbst wenn die Gefahr im April 2010<br />

möglicherweise groß gew<strong>es</strong>en wäre, so führt das nicht an der vorgelagerten Frage vorbei,<br />

warum <strong>es</strong> die Kommission so weit hat kommen lassen? Schon im Oktober 2008, als die<br />

Zinsen <strong>für</strong> Staatsanleihen Peripheri<strong>es</strong>taaten erstmals anstiegen, hätte die Kommission den<br />

Weg zum No-Bailout eröffnen können. Einen Zweizeiler mit folgendem Text nach Athen zu<br />

senden, hätte genügt : „… und im Übrigen weisen wir darauf hin, dass der Maastricht Vertag<br />

im Konkursfall ein<strong>es</strong> Mitgliedstaat<strong>es</strong> zwingend den Nichtbeistand nach Art. 125 AEUV<br />

vorschreibt. Noch ist <strong>es</strong> nicht so weit. Aber ihr habt jetzt Zeit, Euch darauf vorzubereiten.<br />

Arrangiert euch! Es wird keine Ausnahmen geben. Denn am Vertrag führt nichts vorbei.“<br />

Durch ihr Geplänkel hat die Kommission ungute Anreize g<strong>es</strong>etzt.<br />

G<strong>es</strong>etze haben die Eigenschaft Handlungsfolgen frühzeitig anzuzeigen und unerwartete<br />

Schocks zu verhindern. In Griechenland hätten Regierung und Banken genügend Zeit gehabt<br />

sich <strong>Alternative</strong>n zu überlegen oder einen Verhandlungsantrag vor dem Londoner und<br />

Pariser Club zu stellen. Auch <strong>für</strong> Italien, Spanien und Portugal wäre das G<strong>es</strong>etz eine Warnung<br />

gew<strong>es</strong>en. Stattd<strong>es</strong>sen ließ die Kommission die Zeit verstreichen und verbreitete dann die<br />

Meinung ein Bailout sei „alternativlos“ und Damit machte sie sich politisch unentbehrlich.<br />

Sie ergatterte sich zum Verhängnis der Währungsunion einen sicheren Platz im <strong>Euro</strong>-<br />

Management.<br />

7<br />

IV. Die <strong>Euro</strong>päische Finanzstabilisierungsfazilität EFSF und der <strong>Euro</strong>päische Stabilitätsmechanismus<br />

ESM<br />

Die EU-Kommission ist aber nicht die einzige Institution, die dazu beitrug, die vertragsgemäße<br />

Durchführung d<strong>es</strong> Maastricht Vertrags zu verhindern und damit die <strong>Euro</strong>krise zu schüren. Auch die<br />

EZB trug w<strong>es</strong>entlichen Anteil. Vom Ausbruch der Bankenkrise im Jahr 2007 bis <strong>zur</strong><br />

Griechenlandrettung im Jahr 2010 befasste die EZB vorwiegend mit der Rettung ang<strong>es</strong>chlagener<br />

Banken von <strong>Euro</strong>staaten. Sie öffnete das Geldangebot und gab di<strong>es</strong>en Banken Kredite <strong>für</strong><br />

eingereichte Wertpapiere, auch wenn deren Bonität fragwürdig war. Das mag ang<strong>es</strong>ichts der<br />

schlechten Konjunktur der Jahre 2007/2008 hinnehmbar sein. Doch als schon 2009 die Konjunktur<br />

wieder anzog, waren solche Zug<strong>es</strong>tändnisse der EZB nicht mehr erforderlich. Denn auch die EZB muss<br />

auf die Solidität ihrer Bilanz achten. Ihre Aufgabe ist <strong>es</strong> nicht, wacklige Banken durch Hereinnahme<br />

fragwürdiger Aktiva zu retten. In der weiteren Folge haben die Banken mit der erhaltenen Liquidität<br />

7


Staatsanleihen gekauft. Somit schützte die EZB mit ihrer Geldpolitik gleichzeitig das Überleben der<br />

Staaten wie das der Banken. Weitere Liquidität wurde den G<strong>es</strong>chäftsbanken durch die Target2-<br />

Kredite zugeführt. Ausgangspunkt waren in di<strong>es</strong>em Fall die nationalen Zentralbanken. Sie gaben<br />

ihren G<strong>es</strong>chäftsbanken Kredite aus dem EZB-Zahlungsverkehr, die sie dort auflaufen ließen, statt sie<br />

ihren nationalen Partnerzentralbanken unmittelbar <strong>zur</strong>ückzubezahlen.<br />

Es scheint, dass sich EZB-Präsident Trichet di<strong>es</strong>er indirekten Staatenrettung durch die EZB entledigen<br />

wollte. Stattd<strong>es</strong>sen sollten die Staaten sich selbst retten. Den Anfang machte die zum 1. Mai 2010<br />

vom Rat b<strong>es</strong>chlossene und von den Mitgliedstaaten finanzierte Griechenlandhilfe von 100 Milliarden<br />

<strong>Euro</strong>. Leider brachte sie den Märkten in der Woche darauf nicht das erwartete Vertrauen. Vielmehr<br />

blieben di<strong>es</strong>e skeptisch. Schlechte Nachrichten über defizitäre Staatshaushalte der Peripherie-<br />

Staaten ließ schon wenige Tage nach der Verkündigung der Griechenlandhilfe die Nachfrage nach<br />

Staatspapieren der <strong>Euro</strong>-Peripheri<strong>es</strong>taaten einbrechen. Auch Banken, die di<strong>es</strong>e Staatsanleihen<br />

hielten <strong>kam</strong>en in Gefahr, wenngleich schon die Zustimmung d<strong>es</strong> deutschen Bund<strong>es</strong>tag<strong>es</strong> zum<br />

Griechenlandpaket am 7. Mai 2010 zum Ende der Woche wieder etwas Beruhigung in die Märkte<br />

brachte. Dennoch standen die Staats- und Regierungschefs noch unter dem Schock d<strong>es</strong><br />

Kurseinbruchs der Vortage, als sie sich am 7./8. Mai 2010 zum Gipfeltreffen in Brüssel einfanden. Das<br />

gab EZB-Präsident Trichet ein Signal Handeln.<br />

Einem Bericht d<strong>es</strong> Engländers Peter Ludlow (2010)folgend ergriff Trichet, obwohl nur als<br />

Gast und nicht als Mitglied zugelassen war, das Wort. In einem PP-Vortrag stellte er den<br />

Teilnehmern die Lage auf dem Markt <strong>für</strong> Staatsanleihen dar und verängstigte sie mit<br />

drastischen Bildern über das D<strong>es</strong>aster, das sich ereignen könnte, wenn am Montag, den 10.<br />

Mai, also in 60 Stunden die Börse in Tokio ihre Tore öffnete. So überzeugte Trichet die<br />

Staats- und Regierungschefs über die Notwendigkeit ein<strong>es</strong> gemeinsamen Rettungsschirms<br />

<strong>für</strong> alle <strong>Euro</strong>-Staaten. Denn welcher der vereinigten Staats- und Regierungschefs wollte<br />

schon seinen Staat dem Insolvenzrisiko aussetzen? So wurde vereinbart die so genannte<br />

„<strong>Euro</strong>päische Finanzstabilisierungsfazilität“ EFSF von 750 Milliarden <strong>Euro</strong> <strong>für</strong> die Staaten der<br />

<strong>Euro</strong>zone zu errichten. Davon <strong>kam</strong>en 440 Milliarden <strong>Euro</strong> aus den Staatshaushalten der<br />

<strong>Euro</strong>staaten, 250 Milliarden vom Internationalen Währungsfonds und 60 Milliarden <strong>Euro</strong> aus<br />

einem vorzeitigen Zugriff auf R<strong>es</strong>ervemittel d<strong>es</strong> EU-Haushalts der Kommission. Offenbar<br />

stellte sich Kanzlerin Merkel an die Spitze d<strong>es</strong> B<strong>es</strong>chluss<strong>es</strong> der Staats- und Regierungschefs.<br />

Dadurch <strong>kam</strong> sie Präsident Sarkozy von Frankreich entgegen, der drohte, den <strong>Euro</strong> zu<br />

verlassen, wenn <strong>Deutschland</strong> ihm nicht helfe. Sarkozy‘s Staatshaushalt war gefährdet, weil<br />

im Falle d<strong>es</strong> Staatsbankrotts ein<strong>es</strong> Peripheri<strong>es</strong>taat<strong>es</strong> französische Banken, die solche<br />

Staatsanleihen hielten, b<strong>es</strong>onders gefährdet gew<strong>es</strong>en wären. Der vom Gipfel b<strong>es</strong>chlossene<br />

Bailout war so indirekt ein Bailout Frankreichs.<br />

8<br />

Damit war das Ende der Nichtbeistandsklausel von Art. 125 AEUV und auch das Ende der<br />

Währungsunion nach dem Maastricht Vertrag b<strong>es</strong>iegelt. Die Staaten waren nicht mehr selbst<br />

<strong>für</strong> ihre Staatsfinanzen verantwortlich, sondern sie waren kollektiv alle <strong>für</strong>einander<br />

verantwortlich. Es entstand eine Transferunion, wie sie in den Verhandlungen zum<br />

Maastricht Vertrag gerade ausg<strong>es</strong>chlossen werden sollte.<br />

8


Der Gipfelb<strong>es</strong>chluss vom 7./8. Mai 2010 hatte weitrechende Folgen. Jeder Staat konnte seine<br />

Finanzrisiken auf den anderen abschieben. Moralisch<strong>es</strong> Risiko verbreitete sich. Innert kurzer<br />

Frist wurden immer mehr und immer größere Hilfspakete g<strong>es</strong>chnürt. Die einst als<br />

provisorisch gedachte „<strong>Euro</strong>päische Finanzstabilisierungsfazilität“ EFSF von 750 Milliarden<br />

<strong>Euro</strong> machte den Anfang, dann folgte die erweiterte EFSF mit 780 Milliarden <strong>Euro</strong> und dann<br />

der permanente <strong>Euro</strong>päische Stabilisierungsmechanismus ESM mit 820 Milliarden <strong>Euro</strong>.<br />

Letzterer umfasst etwa das 6 ½ Fache d<strong>es</strong> EU-Haushalts. Dazu kommen die genannten<br />

Target2-Kredite an die peripheren Staaten und an Frankreich von etwa 800 Milliarden <strong>Euro</strong><br />

(vgl. Sinn und Wollmershäuser 2012).<br />

Zur Unterstützung d<strong>es</strong> Gipfelb<strong>es</strong>chluss<strong>es</strong> vom 7./8. Mai 2010 startete EZB-Präsident Trichet<br />

sein SMP-Ankaufsprogramm notleidender Staatsschuldverschreibungen: Eine klare<br />

Verletzung von Art. 123 d<strong>es</strong> Maastrichter Vertrags, wie auch der Ratsb<strong>es</strong>chluss von 1993<br />

vorsorglich f<strong>es</strong>thält. 5 Denn Aufgabe der EZB ist <strong>es</strong> den <strong>Euro</strong> und nicht die <strong>Euro</strong>zone zu<br />

schützen.<br />

Die nach wie vor reichlich den G<strong>es</strong>chäftsbanken <strong>zur</strong> Verfügung g<strong>es</strong>tellte Liquidität erlaubte<br />

di<strong>es</strong>en Staatsschuldverschreibungen zu kaufen und sich so mit ihren Regierungen zu einem<br />

„staatsindustriellen Komplex“ von Banken und Staaten zu vereinen. Staaten und Banken<br />

wurden zu einem systemischen Risiko.<br />

V. Bankenregulierung<br />

Eingebettet in den staatsindustriellen Komplex konnten die G<strong>es</strong>chäftsbanken bisher darauf<br />

vertrauen von ihren Staaten gerettet zu werden. Die nationalen Banken-<br />

Regulierungsbehörden regulierten milde, um „ihren“ Banken in europäischen Wettbewerb<br />

zu helfen. „Regulation for laxity” trat an die Stelle einer “regulation for solvency”. Auch die<br />

mit der Aufsicht beauftragte <strong>Euro</strong>pean Banking Authority EBA griff nicht wirklich durch. Sie<br />

begnügte sich damit sicherzustellen, dass die nationalen Regulierungsregeln durchg<strong>es</strong>etzt<br />

wurden. Daher entging ihr die kritische Lage der spanischen Banken bis zum Jahr 2011. Im<br />

Schatten der Aufmerksamkeit baute sich in Spanien eine große Bankenkrise auf. Im Jahr<br />

2012 waren schätzungsweise 100 Milliarden <strong>Euro</strong> erforderlich, um die spanischen Banken zu<br />

sanieren. Doch die <strong>Euro</strong>-Kern-Staaten wollten keine unkontrollierte Hilfe gewähren.<br />

Systemrelevante Banken sollten in Zukunft einer strengen, bei der EZB ang<strong>es</strong>iedelten<br />

Regulierung unterstellt werden. Di<strong>es</strong>e sollte ein Abwicklungsregime nach einer strengen<br />

Gläubigerhierarchie entwickeln. Erst sollten die Aktionäre, dann die Anleihegläubiger, dann<br />

die Einleger und erst am Schluss (oder am b<strong>es</strong>ten gar nicht) die Steuerzahler der <strong>Euro</strong>staaten<br />

haften. Es versteht sich, dass Peripheri<strong>es</strong>taaten mit schwachen Banken gerade <strong>für</strong> die<br />

umgekehrte Haftungshierarchie plädierten. Aus ihrer Sicht sollten zuerst die <strong>Euro</strong>-Hilfsfonds<br />

wie der <strong>Euro</strong>päische Stabilisierungsmechanismus ESM und damit die euroweiten<br />

Steuerzahler und erst am Schluss die eigenen Aktionäre haften. Vor allem soll eine<br />

umfassende Einlag<strong>es</strong>icherung eingerichtet werden. Banken könnten so riskante G<strong>es</strong>chäfte<br />

9<br />

5<br />

Council Regulation (EC) No 3603/93<br />

9


auf Kosten der Allgemeinheit eingehen und sich so aus dem common pool bedienen. Derzeit<br />

neigt die Politik in di<strong>es</strong>e Richtung.<br />

Di<strong>es</strong>e Common-Pool-Probleme werden durch die nun b<strong>es</strong>chlossene Übertragung der<br />

Regulierungsverantwortung auf die EZB nicht wirklich behoben, sondern nur verlagert. Nach<br />

Art. 127 Abs. 1 AEUV ist die EZB in erster Linie <strong>für</strong> die Preisstabilität zuständig. In Art. 127<br />

Abs. 5 ist zwar die Bankenaufsicht als zusätzliche Aufgabe der EZB vorg<strong>es</strong>ehen. Di<strong>es</strong>e darf<br />

aber nicht dazu führen dass das in 127 Abs. 1 angeführte primäre Ziel der Preisstabilität<br />

relativiert wird. Genau das ist aber mit der nunmehr b<strong>es</strong>chlossenen Bankenaufsicht zu<br />

be<strong>für</strong>chten. Denn in dem geplanten "Supervisory Board" der Regulierung befinden sich<br />

Vertreter der Mitgliedstaaten wie der EZB.<br />

Kommen G<strong>es</strong>chäftsbanken in finanzielle Schwierigkeiten, so steht die EZB mit ihren zwei<br />

Funktionen in einem Dilemma. Als Gläubigerin von G<strong>es</strong>chäftsbanken, ist sie geneigt,<br />

Konkurse zu verschleppen, um eigene Verluste zu vermeiden. Als Regulierungsbehörde sollte<br />

sie demgegenüber die Ursachen der <strong>Krise</strong> bekämpfen und überschuldete Banken abwickeln.<br />

Gute Gründe mögen per Saldo <strong>für</strong> die EZB als Aufsichtsbehörde sprechen. Doch aus dem<br />

früheren Versagen der EBA kann nicht g<strong>es</strong>chlossen werden, dass die EZB zwingend eine<br />

b<strong>es</strong>sere Regulierung betreibt.<br />

VI. Wird der <strong>Euro</strong> zusammenbrechen?<br />

10<br />

Die Theorie der optimalen Währungsräume b<strong>es</strong>agt, dass Währungsunionen gelingen können, wenn<br />

die Wirtschaftsstrukturen der Teilnehmerstaaten zusammenpassen. Ist di<strong>es</strong> nicht der Fall, so braucht<br />

eine Währungsunion nicht zu scheitern. Denn der Markt erzwingt eine gegenseitige Anpassung der<br />

Märkte, und bewirkt, dass die Wirtschaftsstrukturen miteinander kompatibel werden. Wenn eine<br />

Währungsunion wie der <strong>Euro</strong> in der <strong>Krise</strong> liegt, so liegt der Grund vermutlich nicht in den<br />

Wirtschaftsstrukturen, sondern in den Staatstrukturen. Denn Märkte passen sich an, bei Staaten<br />

braucht di<strong>es</strong> nicht zuzutreffen.<br />

Di<strong>es</strong>e Aussage wird in Tabelle 1 präzisiert. Nicht alle Staaten sind bezüglich ihrer Wirtschafts- und<br />

Finanzpolitikpolitik gleich. Die einen praktizieren wie oben erwähnt ein Stabilitäts- die anderen<br />

Inflationsregime. Zeile 1 erklärt, dass eine Kombination beider Systeme funktioniert, solange zwei<br />

Staaten sich in einer Wirtschaftsunion mit getrennten Währungen befinden. Die Regierung d<strong>es</strong><br />

Inflationsregim<strong>es</strong> mag auf Staatsverschuldung setzen, die monetäre Mehrnachfrage kann sie nicht in<br />

das Stabilitätsregime exportieren, weil di<strong>es</strong> sofort gegenläufige Wechselkursanpassungen hervorruft<br />

und einen Raubzug vom Inflations- ins Stabilitätsregime unterbindet. In einer Wirtschaftsunion<br />

herrscht Verschuldungsautonomie (Feld 1/4). Jeder Staat haftet <strong>für</strong> seine eigenen Schulden.<br />

Entscheidung und Haftung bleiben vereint (Feld 1/5).<br />

In Zeile 2 ist eine Währungsunion, hier die Maastricht-Union, darg<strong>es</strong>tellt. Auch in di<strong>es</strong>em Fall kann<br />

eine Regierung ein Inflationsregime betreiben und die andere nicht. Wenn die Wirtschaftssubjekte<br />

d<strong>es</strong> Inflationsregim<strong>es</strong> mit ihrer Kaufkraft im Land d<strong>es</strong> Stabilitätsregim<strong>es</strong> einkaufen, so geht di<strong>es</strong> zu<br />

Lasten ihrer Staatsschuld. Irgendeinmal ist der Punkt erreicht, an dem das Inflationsregime wegen<br />

10


seiner exz<strong>es</strong>siven Staatsschuld insolvent wird und Konkurs anmelden muss. Weil nach dm Maastricht<br />

Vertrag ein Bailout nicht vorg<strong>es</strong>ehen ist, erzwingt die Maastricht Union eine Umkehr <strong>zur</strong><br />

Stabilitätspolitik. Eine Schuldenbremse im Rahmen ein<strong>es</strong> Fiskalpakt<strong>es</strong> kann den No-Bailout stärken.<br />

Denn sie signalisiert den Kapitalmärkten die Ernsthaftigkeit der Umkehr.<br />

Zeile (3) b<strong>es</strong>chreibt die Lage einer <strong>Euro</strong>-Union, in der Verschuldungsautonomie herrscht, jedoch der<br />

No-Bailout nach dem Gipfel vom 7./8. Mai 2010 b<strong>es</strong>eitigt und durch eine Schuldenbremse ersetzt<br />

worden ist. Die Regierung d<strong>es</strong> Inflationsregim<strong>es</strong> wird die Schuldenbremse nicht ernst nehmen und<br />

sich weiter verschulden. Denn sie weiß, am Ende werden wir von unseren Schulden erlöst, wie groß<br />

auch die vorgängigen Drohungen und Strafen auch ausfallen. Der letzte Zug d<strong>es</strong> Spiels b<strong>es</strong>teht in<br />

einem Bailout, und darum sind auch alle vorherigen Schuldenbremsen und dergl. wirkungslos. Die<br />

Regierung d<strong>es</strong> Inflationsregim<strong>es</strong> ist nicht beeindruckt. Sie wird ihren Bürgern sagen: Die Lage ist<br />

hoffnungslos, aber nicht ernst. Das Regime kann dank seiner Inflation unb<strong>es</strong>chränkt im<br />

Stabilitätsregime einkaufen, am Schluss werden die aufgelaufenen Staatsschulden geteilt. Jeder<br />

bezahlt <strong>für</strong> jeden. Die Währungsunion wird <strong>zur</strong> Transferunion. Die Regierung d<strong>es</strong> Stabilitätsstaat<strong>es</strong><br />

mag <strong>es</strong> bereuen sich mit dem Inflationsstaat eingelassen zu haben. Daher knüpft sie ihre Zahlungen<br />

im Rahmen der Transferunion an strikte Bedingungen einer Austeritätspolitik im Inflationsstaat. Erst<br />

dadurch kommt die <strong>Krise</strong> der Währungsunion mit Depr<strong>es</strong>sion, Arbeitslosigkeit und Hass gegenüber<br />

dem Zahlerstaat richtig zum Ausdruck.<br />

Stattd<strong>es</strong>sen plädieren wortgewaltige Politiker wie der ehemalige EZB-Präsident Jean-Claude Trichet<br />

<strong>für</strong> einen <strong>Euro</strong>-Einheitsstaat mit einem zentralen Finanzminister. Die Verschuldungsautonomie ist in<br />

Feld (5/4) b<strong>es</strong>eitigt und durch ein zentral<strong>es</strong> Befehlssystem ersetzt. Entscheidung und Haftung<br />

scheinen im Zentralstaat vereint (Feld 5/5). Das ist jedoch trügerisch. Auch in einem Befehlssystem<br />

ist die Macht ungleich verteilt. Wer beispielsweise damit drohen kann seine Zahlungen durch Austritt<br />

einzustellen, hat mehr Macht als wer mit der <strong>Euro</strong>-Union auf Gedeih und Verderben vereint ist. Ein<br />

Blick auf die Landkarte zeigt, dass <strong>Deutschland</strong> als europäische Mittelmacht nur über wenige<br />

Ausweichmöglichkeiten verfügt.<br />

11<br />

VII. Ein neuer Verfassungsvertrag<br />

Der Kern d<strong>es</strong> Maastricht-Vertrags ist auf Zeile 3 von Tabelle 1 darg<strong>es</strong>tellt. Die Tragik d<strong>es</strong> <strong>Euro</strong> liegt<br />

darin, dass seine Politiker in Kommission, Rat, <strong>Euro</strong>päischem Parlament und Gerichtshof di<strong>es</strong>en<br />

Vertrag b<strong>es</strong>tändig brechen, so ein Klima der internen Unsicherheit schaffen und Nichteurostaaten<br />

wie das Vereinigte Königreich, Schweden, Polen und Tschechien verunsichern und sie aus der EU<br />

hinausdrängen. Es bedarf m.E. einer neuen Anstrengung, um die <strong>Euro</strong>päische Union<br />

zusammenzuhalten, einen neuen Verfassungsvertrag, wie ihn die <strong>Euro</strong>pean Constitutional Group <strong>für</strong><br />

die EU im Jahr 1993 ausgearbeitet hat zu konzipieren. Mit oder ohne <strong>Euro</strong> muss der neue Vertrag auf<br />

dem Konsens aller beruhen und so das Vertrauen in die große Idee d<strong>es</strong> vereinigten <strong>Euro</strong>pas<br />

wiederbeleben.<br />

11


Tabelle 1: Wirtschaftsunion <strong>–</strong> Währungsunion <strong>–</strong>Stabilitätsregime <strong>–</strong> Inflationsregime<br />

(1)<br />

(1) EWS und<br />

Wirtschaftsunion<br />

(2) Maastricht<br />

1992<br />

(3) <strong>Euro</strong>-<br />

Ordnung<br />

nach 7./8.<br />

Mai 2010<br />

Währungen<br />

(2)<br />

Währungsvielfalt<br />

Einheitswährung<br />

Einheitswährung<br />

Währungsverfassung<br />

Nachgeordnete<br />

Gebietskörperschaften<br />

(3)<br />

Souveräne<br />

Staaten<br />

Souveräne<br />

Staaten<br />

Souveräne<br />

Staaten<br />

(4)<br />

Verschuldungsautonomie<br />

und<br />

No-Bailout<br />

Zentralbankwettbewerb<br />

Verschuldungsautonomie<br />

und<br />

No-Bailout<br />

Zentralbankmonopol<br />

Verschuldungsautonomie<br />

und<br />

Bailout<br />

(4) Einheitsstaat Einheitswährung Verwaltungseinheiten<br />

Haushaltsanweisungen<br />

Haushaltsordnung<br />

Entscheidung<br />

E u.<br />

Haftung H<br />

(5)<br />

E = H<br />

E = H<br />

E ≠ H<br />

E = H<br />

(6)<br />

Koordinationsfreiheit<br />

freier Einund<br />

Austritt<br />

Austritt<br />

schwierig;<br />

politischer<br />

Druck<br />

Moralisch<strong>es</strong><br />

Risiko;<br />

instabil<br />

Vertikale<br />

Befehlsketten.<br />

Kontrolle?<br />

Praktikabilität<br />

Zentralbankregime<br />

in<br />

<strong>Euro</strong>pa 6<br />

(7)<br />

Zentralbankmonopol<br />

Zentralbankmonopol<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

12<br />

6<br />

Noch gilt <strong>es</strong> in der Tabelle die Zentralbank zu betrachten (Spalte 7). Die Notwendigkeit der<br />

Zentralbankunabhängigkeit wird Lehrbüchern als wichtige Vorbedingung einer stabilen Währungsordnung<br />

ang<strong>es</strong>ehen. Unter den Bedingungen einer Wirtschaftsunion (Zeile 1) ist das richtig. Zentralbankautonomie<br />

entzieht die Zentralbanken der politischen Einflussnahme und unterstellt sie dem internationalen Wettbewerb<br />

der Zentralbanken. Das war das Statut der Bund<strong>es</strong>bank unter der D-Mark. Mit der (europaweiten)<br />

Einheitswährung haben jedoch die <strong>Euro</strong>-Staaten ihre Währungssouveränität preisgegeben und di<strong>es</strong>e an die EU,<br />

bzw. die EZB übertragen. Die EZB verfügt über einen beträchtlichen Monopolspielraum. Ihr Ziel b<strong>es</strong>teht nicht<br />

zwingend darin die Vorgaben d<strong>es</strong> Lissabon-Vertrags einzuhalten, wenn di<strong>es</strong>e ihren eigenen geldpolitischen<br />

Vorstellungen widerspricht. Für Vertragsverletzungen kann sie wegen ihrer Unabhängigkeit schwerlich <strong>zur</strong><br />

Verantwortung gezogen werden. Sie ist gegenüber den EU-Organen nur berichts-, aber nicht<br />

rechenschaftspflichtig. D<strong>es</strong>wegen ist <strong>es</strong> auch nicht verwunderlich, dass die EZB in den vergangenen Jahren weit<br />

über ihre Kompetenz hinaus faktisch fiskalpolitische Rettungsprogramme lanciert hat. Die Bändigung der EZB<br />

bleibt ein Problem.<br />

12


Literatur<br />

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Mittwoch, 5. Dezember 2012, S. 3.<br />

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13<br />

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13

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