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Kutanes neuroendokrines Karzinom (Merkelzell-Karzinom)

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<strong>Kutanes</strong> <strong>neuroendokrines</strong> <strong>Karzinom</strong> (<strong>Merkelzell</strong>-<strong>Karzinom</strong>)<br />

Das kutane neuroendokrine <strong>Karzinom</strong> wurde zuerst unter dem Begriff des "trabekulären <strong>Karzinom</strong>s"<br />

beschrieben. Die meisten Autoren nehmen an, daß es aus der <strong>Merkelzell</strong>e der Haut, die<br />

die Tastempfindung an dermale Nervenendigungen weiterleitet, hervorgeht. Die <strong>Merkelzell</strong>e wird<br />

dem APUD-System (Amine Precursor Uptake and Decarboxylation-System) zugeordnet, das<br />

auch neuroendokrin wirksame Zellen des gastrointestinalen und bronchopulmonalen Trakts umfaßt.<br />

Der Tumor ist selten (Inzidenz: ca. 0,1-0,3 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner und<br />

Jahr.<br />

Das <strong>Merkelzell</strong>karzinom stellt sich meist als solider, rötlich-violetter, halbkugeliger oder kugeliger,<br />

manchmal auch plaqueförmiger Tumor dar. Ulzerationen können sekundär vorkommen. Die<br />

meisten Tumoren haben einen Durchmesser von weniger als 2 cm. Typischerweise zeigen sich<br />

die Tumoren im Bereich lichtexponierter Areale der Gesichtshaut oder an den Extremitäten. Nur<br />

etwa 10 % der <strong>Merkelzell</strong>karzinome treten am Rumpf auf.<br />

Histologisch ist das <strong>Merkelzell</strong>karzinom ein dermal gelegener Tumor, der sich bis ins subkutane<br />

Fettgewebe, selten auch in die Muskulatur ausdehnen kann. Es besteht aus kleinen Zellen mit<br />

chromatinreichen Kernen, die unterschiedlich große Stränge und solide Zellkomplexe mit einem<br />

charakteristischen trabekulären Muster bilden können. Die Tumorzellen sind monomorph, weisen<br />

einen runden bis ovalen Kern auf, zeigen vereinzelt Mitosen und Einzelzellnekrosen. Ein<br />

typisches Merkmal des <strong>Merkelzell</strong>karzinoms ist das nukleäre Chromatin-Muster.<br />

G 4.1 Diagnostik<br />

Das <strong>Merkelzell</strong>-<strong>Karzinom</strong> ist klinisch nicht sehr charakteristisch, die Diagnose wird daher in den<br />

meisten Fällen erst anhand des feingeweblichen Befundes gestellt. Die Diagnosesicherung erfolgt<br />

durch die Histologie und Immunhistologie. Histologisch ist das <strong>Merkelzell</strong>-<strong>Karzinom</strong> ein<br />

dermal gelegener Tumor. Es besteht aus kleinen epitheloiden Zellen, die unterschiedlich große<br />

Stränge und solide Zellkomplexe bilden. Ein typisches Merkmal des <strong>Merkelzell</strong>-<strong>Karzinom</strong>s ist<br />

das nukleäre Chromatinmuster.<br />

Die histogische Diagnose muss immer immunhistologisch bestätigt werden. Wie auch normale,<br />

nicht maligne veränderte <strong>Merkelzell</strong>en exprimieren <strong>Merkelzell</strong>-<strong>Karzinom</strong>e sowohl epitheliale als<br />

auch neuroendokrine Anti-gene. In der immunhistologischen Diagnostik wertvoll sind die Antikörper<br />

gegen Zytokeratin 8/18 und besonders Zytokeratin 20 sowie Antikörper gegen die neuronenspezifische<br />

Enolase (NSE) sowie gegen Chromogranin A.<br />

Nach Diagnose des Primärtumors sollte eine Ausbreitungsdiagnostik mittels Lymphknotensonographie<br />

der drainierenden Lymphknotenstation erfolgen. Auch eine Abdomen-Sonographie ist<br />

ebenso wie eine Röntgen-Thorax-Untersuchung zu fordern. Bei klinischem Verdacht auf eine<br />

Metastasierung werden die üblichen organspezifischen Untersuchungen wie z. B. die Magnetresonanztomographie<br />

des Hirns oder Computertomographie des Thorax bzw. des Abdomens. Als<br />

experimentell ist derzeit die so genannte „Somatostatinrezeptor-Szintigraphie“ als Staging-<br />

Instrument anzusehen. Ein serologischer Tumormarker existiert derzeit nicht. Wegen der Expression<br />

von NSE im Tumor kann eine Serumbestimmung dieses Markers erwogen werden.


Prognose und Stadieneinteilung<br />

Bei etwa 30% der Patienten mit einem <strong>Merkelzell</strong>-<strong>Karzinom</strong> ist mit einem letalen Ausgang der<br />

Erkrankung zu rechnen. Etwa die Hälfte aller Patienten wird meist innerhalb des ersten Jahres<br />

nach Entfernung des Primärtumors an einem Lokalrezidiv und/oder einer Lymphknotenmetastasierung<br />

erkranken. Retrospektive Studien an mehr als 400 in der Literatur publizierten Patienten<br />

zeigten folgende ungünstige prognostische Faktoren auf: fortgeschrittenes Tumorstadium (lokoregionäre<br />

Metastasen oder Fernmetastasen), männliches Geschlecht, Lokalisation des Primärtumors<br />

in der Kopf-Hals-Region oder am Rumpf, jüngeres Lebensalter (< 60 Jahre). Prognostische<br />

Bedeutung hat auch die Unterscheidung von drei histologischen Typen: dem trabekulären<br />

Typ, dem intermediären Zelltyp und dem kleinzelligen Typ. Der trabekuläre Typ ist der bestdifferenzierte,<br />

während der kleinzellige Typ am wenigsten differenziert ist.<br />

Tabelle 1: Prognostische Bedeutung histologischer Subtypen<br />

Subtyp<br />

Trabekulärer Typ<br />

Intermediärer Zelltyp<br />

Kleinzelliger Typ<br />

Prognose<br />

günstig<br />

mittel<br />

schlecht<br />

Eine allgemein eingeführte Stadieneinteilung für <strong>Merkelzell</strong>-<strong>Karzinom</strong>e existiert nicht. Aufgrund<br />

des differenten biologischen Verhaltens im Vergleich zum Plattenepithelkarzinom der Haut erscheint<br />

eine Übernahme der Stadieneinteilung für epitheliale Hauttumoren nicht sinnvoll. In der<br />

Literatur wird zumeist eine Einteilung wie in Tabelle 2 verwendet.<br />

Tabelle 2: Stadieneinteilung von <strong>Merkelzell</strong>-<strong>Karzinom</strong>en<br />

Stadium I<br />

Stadium II<br />

Stadium III<br />

G 4.2 Therapie<br />

Operative Therapie<br />

Primärtumor allein<br />

lokoregionäre Metastasen<br />

Fernmetastasen<br />

Bei <strong>Merkelzell</strong>karzinom-Primärtumoren ist die vollständige chirurgische Exzision als Basistherapie<br />

anzusehen. Wegen der hohen Rate von Lokalrezidiven in der Umgebung des Primärtumors sollte<br />

möglichst ein Sicherheitsabstand von etwa 3 cm angestrebt werden (Evidenzlevel IV). Natürlich ist<br />

der besonderen Lokalisation im Bereich des Gesichtes mit einem geringeren Sicherheitsabstand<br />

ggf. Rechnung zu tragen. In diesen Fällen sollten operative Verfahren mit Schnittrandkontrolle eingesetzt<br />

werden.<br />

Daten systematischer Auswertungen zur elektiven Lymphknotendissektion oder Wächterlymphknotenbiopsie<br />

z. B. im Rahmen prospektiv-randomisierter Studien liegen nicht vor. Eine Reihe von<br />

Fallberichten deutet darauf hin, daß die Ergebnisse der Wächterlymphknotenbiopsie ein verläßlicher<br />

prognostischer Parameter sind. Ob die Entfernung des Schildwächterlymphknotens eine Auswirkung<br />

auf die Gesamtüberlebenszeit hat, ist derzeit unklar. Beim Nachweis einer Mikrometastasierung<br />

sollte eine therapeutische Lymphadenektomie durchgeführt werden. Bei fehlendem Nach-


weis von Mikrometastasen im Wächterlymphknoten wird eine adjuvante Strahlentherapie in aller<br />

Regel empfohlen.<br />

Bei Lokalrezidiven oder Lymphknotenmetastasen ist die chirurgische Sanierung nach wie vor die<br />

Therapie der Wahl. Diese sollte mit kurativer Intention vorgenommen werden. Bei Lymphknotenbefall<br />

ist eine radikale Lymphadenektomie vorzunehmen (Evidenzlevel IV).<br />

Strahlentherapie<br />

<strong>Merkelzell</strong>karzinome sind in aller Regel radiosensitiv. Retrospektive Analysen zeigen, daß die<br />

hohe lokale Rezidivrate nach alleiniger R0-Operation des Primärtumors durch eine kombinierte<br />

lokoregionäre adjuvante Strahlenbehandlung (Exzisionsnarbenumgebung mit ca 3cm Sicherheitsabstand<br />

+ regionäre Lymphknotenstation) deutlich gesenkt wird (Evidenzlevel III). Für primäre<br />

<strong>Merkelzell</strong>karzinome oder Lokalrezidive wird daher die adjuvante Strahlentherapie der<br />

Tumorregion und der regionären Lymphabflußregion in der Regel empfohlen. Als erforderliche<br />

Gesamtdosis werden in der adjuvanten Situation 50 Gray mit einer Einzeldosis von 2 Gy fünf<br />

Mal wöchentlich betrachtet. Die adjuvante lokoregionäre Strahlentherapie ist nach neueren Daten<br />

auch bei nachgewiesenem Befall der regionären Lymphknotenstationen zu empfehlen.<br />

Bei metastasierendem <strong>Merkelzell</strong>karzinom wird die Bestrahlung häufig im Rahmen multimodaler<br />

Therapiekonzepte neben chirurgischen Exzisionen und/oder einer systemischen Chemotherapie<br />

eingesetzt.<br />

Chemotherapie<br />

Das <strong>Merkelzell</strong>-<strong>Karzinom</strong> ist als chemosensibler Tumor zu betrachten, bei dem im Stadium der<br />

Fernmetastasierung zum Teil komplette Remissionen erzielt werden können. Deshalb ist eine<br />

systemische Chemotherapie als Palliativmaßnahme bei Vorliegen von Fernmetastasen indiziert.<br />

Die verwendeten Therapieschemata lehnen sich im Allgemeinen an Behandlungskonzepte des<br />

kleinzelligen Bronchialkarzinoms an. Kombinierte Behandlungen wurden mit Cyclophosphamid/<br />

Me-thotrexat/5-Fluorouracil und mit Vp-16/Cisplatin/Doxorubicin/ Bleomycin beschrieben. Im<br />

Stadium der Fernmetastasierung hat die Chemotherapie bei einer ohnehin nur sehr kurzen<br />

Überlebenszeit von wenigen Monaten nur einen palliativen Charakter und die wenigen erzielten<br />

Remissionen halten im Allgemeinen nur kurz an.<br />

Immuntherapie<br />

Der genaue Stellenwert der Immuntherapeutika kann aufgrund der geringen Fallzahlen derzeit<br />

noch nicht beurteilt werden.<br />

G 4.3 Nachsorge<br />

Bis heute existieren keine wissenschaftlich gesicherten Studien zur Nachsorge des <strong>Merkelzell</strong>-<br />

<strong>Karzinom</strong>s. An den meisten deutschen dermatologischen Kliniken erfolgt wegen der bekannten<br />

Gefahr von Lokalrezidiven oder regionären Lymphknotenmetastasen innerhalb des ersten Jahres<br />

nach Entfernung des Primärtumors eine engmaschige Nachsorge in etwa vier- bis sechswöchigen<br />

Abständen. Danach wird auf eine Nachsorge in vierteljährlichen Abständen und später in<br />

halbjährlichen Abständen übergegangen. Im Rahmen dieser Nachsorgeuntersuchung erfolgt<br />

neben der klinischen Untersuchung mit Lymphknotenpalpation eine Lymphknotensonographie<br />

vor allem der regionären Lymphknotenstationen. Einmal jährlich wird eine Oberbauchsonogra-


phie und eine Röntgen-Thorax-Untersuchung vorgenommen. Der Nachsorgezeitraum umfasst<br />

mindestens 5 Jahre.<br />

Literatur<br />

Hauschild A, Garbe C (2005) Deutsche Leitlinie: <strong>Merkelzell</strong>karzinom (<strong>Kutanes</strong> <strong>neuroendokrines</strong><br />

<strong>Karzinom</strong>). In: Garbe C (Hrsg.) Interdisziplinäre Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung von<br />

Hauttumoren. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York S. 56 - 61<br />

Verfahren zur Konsensbildung<br />

Aktualisierte Kurzfassung erstellt im Auftrag der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen<br />

Dermatologischen Gesellschaft, basierend auf den „Interdisziplinären Leitlinien zur Diagnostik<br />

und Behandlung von Hauttumoren” (C.Garbe, ed.), Kapitel „Deutsche Leitlinie: <strong>Merkelzell</strong>karzinom<br />

(<strong>Kutanes</strong> <strong>neuroendokrines</strong> <strong>Karzinom</strong>)“ mit den Autoren Axel Hauschild, Kiel, und<br />

Claus Garbe, Tübingen.<br />

Leitlinienkoordination<br />

Prof. Dr. C. Garbe<br />

Universitäts-Hautklinik Tübingen Liebermeisterstraße 25 D-72076 Tübingen<br />

Nächste Aktualisierung geplant: Frühjahr 2008<br />

Der Leitlinienkoordinator wird außerdem jährlich vom ISTO in einer Umfrage zu notwendigen<br />

Aktualisierungen befragt. Falls diese erforderlich ist, wird die aktualisierte Version der Leitlinie<br />

unter www.krebsgesellschaft.de, www.ado-homepage.de und. unter www.awmf.org veröffentlicht.

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