November - Dezember: Boxenstopp - BewegungPlus
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14 online mission 15<br />
simple church<br />
Jürg bezeichnet sich als «Einfacher», sein Herz schlägt dafür, dass Gott jeden<br />
auch ohne grosse theologische Ausbildung brauchen kann. Geistliche Reife entfaltet<br />
sich da, wo andere angeleitet werden, wie sie Jesus nachfolgen können.<br />
Seit über zwanzig Jahren begleitet er Gemeindegründende in mehreren asiatischen<br />
Ländern, schult Laien und jüngert Leute aus einer noch nicht erreichten<br />
Volksgruppe. Aus Sicherheitsgründen verzichten wir auf weitere Angaben.<br />
Eine zentrale Frage<br />
online: Was ist eine Gemeinde? Ein Gebäude? Ein Anlass? «In welche<br />
Gemeinde gehst du?» oder «Ich war heute in der Gemeinde» – diese<br />
beiden Ausdrücke verraten die gängige westliche Ansicht. Was für ein<br />
Bild zeigt das Neue Testament?<br />
Jürg: Das Bild vom Leib (Römer 12,5, 1. Korinther 2,12ff.), er bildet eine<br />
Einheit und hat doch viele Teile. Jesus ist das Haupt, nicht der Pastor,<br />
und der Leib funktioniert nur, wenn jeder Teil seine Funktion übernimmt.<br />
Weiter wird das Bild vom Tempel beschrieben (1. Petrus 2,5): lebendige<br />
Steine, die als Bau zusammengefügt werden, und Jesus ist der Eckstein.<br />
Dann der Vergleich mit der Familie (Epheser 2,19): Es sind keine Fremdlinge,<br />
sondern Kinder Gottes. Menschen bilden die Gemeinde, kein Gebäude,<br />
kein Anlass. Gemeinde ist etwas, was man ist, nicht wohin man geht.<br />
Sie ist nicht einfach ein Gottesdienst, der von Einzelnen bestritten wird.<br />
Damit werte ich Gebäude und Veranstaltungen nicht ab. Jesus verheisst<br />
treffend: «Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, da bin<br />
ich mitten unter ihnen.»<br />
Eine Gemeinde hat für mich drei Aufträge:<br />
1. love Jesus – liebe Jesus<br />
2. love the world – liebe die Welt (die Menschen der Welt)<br />
3. love one another – liebt einander<br />
Was versteht man unter dem Begriff «simple church»?<br />
Früher brauchte man den Begriff «Hausgemeinde».<br />
Heute spricht man von «simple church», da diese Bezeichnung<br />
besser beschreibt, was damit gemeint ist.<br />
Der Leitgedanke: Man unterscheidet nicht zwischen<br />
Vollzeitern und Laien, 1. Korinther 14,26 beschreibt<br />
treffend: «Wenn ihr zusammenkommt, habe jeder etwas.»<br />
– «simple churches» sind kleine Gruppen, die<br />
sich zum «discovery bible study» (entdeckendes Bibelstudium)<br />
treffen. Man wählt einen Bibeltext, liest<br />
ihn zusammen und fragt sich anschliessend: Was lehrt<br />
uns dieser Text? Was sagt dieser Text über Gott, Jesus<br />
und uns Menschen aus? Was lernen wir für uns persönlich?<br />
Wem können wir das weitergeben? Wie setzen<br />
wir das um? Beim nächsten Treffen fragt man wieder<br />
nach. Zentral ist das Ziel, das Gehörte umzusetzen –<br />
anders als in traditionellen Kirchen geht es nicht so<br />
sehr um Wissensvermittlung, sondern um Umsetzung.<br />
In einer kleinen Gruppe ist zudem jeder gefragt, etwas<br />
beizutragen.<br />
Du wendest das praktisch an?<br />
Ich arbeite in hinduistischen und buddhistischen Ländern.<br />
In ein Gebäude mit einem Kreuz zu gehen, ist<br />
bereits eine grosse Hürde. Zudem ist das Wohl der<br />
Gruppe und Sippe kulturell viel wichtiger als das Individuum.<br />
Im Westen erwarten wir, dass sie über unsere<br />
Schwelle treten, Jesus aber spricht davon, dass<br />
wir hingehen und zu Jüngern machen sollen. Weiter<br />
kommt hinzu, dass in vielen Ländern Unterdrückung<br />
und Verfolgung herrscht, kleine Gruppen können sich<br />
unauffällig treffen, Gebäude sind sichtbar und kostspielig<br />
und schaffen leicht finanzielle Abhängigkeiten.<br />
Der Buddhismus wird nur von Mönchen ausgeübt, das<br />
Bild wird dann auf Pastoren übertragen, er ist «der<br />
Heilige», und nur er kann den Glauben ausüben, auch<br />
werden Frauen so ausgeschlossen. Durch gute Taten<br />
wollen sie zu Gott kommen; wir wollen ihnen die Beziehung<br />
zu ihm zeigen, kein weiteres religiöses Programm<br />
anbieten.<br />
Wäre das ein Modell für die Schweiz?<br />
Unser Denken muss sich erweitern, dass auch das<br />
Treffen in kleinen Gruppen Gemeinde ist. Ist die einzige<br />
Strategie, Aussenstehende an unsere Anlässe<br />
zu bringen, laufen wir Gefahr, irrelevant zu werden –<br />
denn oftmals ist für solche Personen der Schritt an einen<br />
Gemeindeanlass eine zu grosse Hürde. Der Fokus<br />
muss vom Sonntagmorgen wegkommen: z.B. anstatt<br />
zum Gottesdienst jemanden zum Picknick einladen<br />
und so den Glauben weitergeben. Die Prinzipien der<br />
«simple church» können auch in grössere Gemeinden<br />
integriert werden, z.B. in Hauskreisen. Diese sind besser<br />
geeignet, Aussenstehende einzuladen, als ein Gottesdienst.<br />
Mich bewegt zu erleben, wie einfache Leute<br />
andere Menschen für Jesus gewinnen. Ein Gemeindegründerpaar<br />
betete für ein Paar, das seit über 20 Jahren<br />
kinderlos war; prompt wurde die Frau schwanger<br />
und brachte einen Sohn zur Welt. Durch dieses Wunder<br />
kam eine ganze Sippe zum Glauben. Ein Polizist wurde<br />
durch seine Frau zu Jesus geführt, nun kommen auch<br />
andere Polizisten zum Glauben.<br />
Herausfordernde Paradigmen-Wechsel,<br />
die geschehen müssten:<br />
1. Jüngerschaft statt Gebäude – Radikal in<br />
Jüngerschaft investieren, statt in neue<br />
Gebäude.<br />
2. Laien als Gemeindegründer – Auch Laien<br />
befähigen, statt nur Vollzeiter ausbilden.<br />
3. Gehen statt Kommen – Zu den Kirchenfernen<br />
gehen, statt sie an Anlässe in die Gemeinden<br />
einzuladen.<br />
4. Von Addition zu Multiplikation – jeder Jünger<br />
jüngert wieder andere, jede gegründete<br />
Gemeinde gründet wiederum Gemeinden,<br />
statt zu erwarten, dass dies die Vollzeiter<br />
tun.<br />
5. Gehorsam statt Wissen – Die Gebote Jesu<br />
praktisch und radikal umsetzen helfen, statt<br />
nur theoretisches biblisches Wissen zu<br />
vermitteln.<br />
Interview: Romi Riva, Luzern<br />
r.riva@bewegungplus.ch