Hurtig Kinder, kommt zu Tisch! - Netzwerk Gesunde Kita
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Tagungsdokumentation<br />
<strong>Hurtig</strong> <strong>Kinder</strong>,<br />
<strong>kommt</strong> <strong>zu</strong> <strong>Tisch</strong>!<br />
Ernährung in <strong>Kita</strong> und<br />
Familie – gut und gesund.
<strong>Hurtig</strong> <strong>Kinder</strong>, <strong>kommt</strong> <strong>zu</strong> <strong>Tisch</strong>!<br />
Ernährung in <strong>Kita</strong> und Familie – gut und gesund.
3<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Vorwort.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
2 Fachvorträge<br />
Lebenshungrig und erfahrungsdurstig. Essen in der <strong>Kita</strong> mit Bildungsqualität gestalten.<br />
Dr. Roger Prott, Bildungsreferent, Berlin.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
Bedeutung und Gestaltung des Essens in <strong>Kita</strong> und Familie.<br />
Prof. Dr. Heide Kallert, Universität Frankfurt, Institut für familiale und öffentliche .<br />
Erziehung, Bildung, Betreuung e.V., Frankfurt am Main. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
3 Aus den Workshops – Beispiele – Diskussionen – Handlungsmöglichkeiten<br />
Ist gesunde Ernährung bedingungslos machbar<br />
Verpflegungssysteme auf dem Prüfstand.<br />
Karsten Winke, nutriwin, Unternehmen für Catering und Ernährungsbildung, Potsdam.. . . . . . . . . 14<br />
Was es kostet Finanzierbarkeit gesunder Kost für <strong>Kita</strong> und Familie.<br />
Stephanie Wetzel, Ökotrophologin, Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />
Gelingende Kommunikation zwischen <strong>Kita</strong> und Familie – für ein gemeinsames<br />
(Ernährungs-) Verständnis.<br />
Heidrun Franke, Verbraucherzentrale Brandenburg e.V., Potsdam .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
„<strong>Kita</strong> mit Biss“ – Kariesprophylaxe und gesunde Ernährung für gesunde <strong>Kinder</strong>zähne.<br />
Dr. Petra Haak, Zahnärztlicher Dienst, Frankfurt (Oder).. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />
Mehr als nur Essen. <strong>Gesunde</strong> Ernährung zwischen Kommunikation, Atmosphäre<br />
und Raumgestaltung.<br />
Dr. Claudia Gölz, Ökotrophologin, Berlin.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
4 Informationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
5 ReferentInnenportrait und Kontakt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
Impressum.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
Vorwort<br />
5<br />
1 Vorwort<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
Ernährung bei <strong>Kinder</strong>n ist ein komplexes Thema. Egal, ob wir Erwachsenen der Meinung sind, dass etwas<br />
gesund oder ungesund ist, <strong>Kinder</strong> stellen ihre eigenen Ansprüche: sie haben hier Vorlieben für<br />
Nudeln mit Tomatensoße oder süße Speisen und dort Abneigungen gegenüber Salat oder Rosenkohl.<br />
Es kann eine Herausforderung sein, <strong>Kinder</strong> <strong>zu</strong> ernähren – sowohl in der Familie als auch in der <strong>Kita</strong>.<br />
Gleiches gilt für die Zubereitung des Essens. So müssen Speisepläne ausgearbeitet, Nahrungsmittel<br />
standardgerecht <strong>zu</strong>bereitet und die <strong>Kinder</strong> mit allen notwendigen Nährstoffen versorgt werden. Am<br />
Ende soll alles appetitlich schmecken sowie gesund und abwechslungsreich sein. Auch das ist eine<br />
komplexe Aufgabe.<br />
Hin<strong>zu</strong> <strong>kommt</strong> der pädagogische Anspruch. Die <strong>Kita</strong> ist ein hervorragender Ort, um kindliche Neugier <strong>zu</strong><br />
wecken, auf<strong>zu</strong>greifen und Essen sinnlich erfahrbar <strong>zu</strong> machen. So wird in der <strong>Kita</strong> geschmeckt, gerochen,<br />
ausprobiert, <strong>zu</strong>bereitet, geschnitten, gebacken. Es werden Erdbeeren gepflückt, Lämmer gestreichelt,<br />
Kräuter gesät, Fragen gestellt, Antworten gesucht und Lösungen entwickelt.<br />
Essen sollte vor allem auch Spaß machen. Wer kennt das nicht: gemütlich beisammen sitzen und gemeinsam<br />
mit Lust und Laune eine Mahlzeit einnehmen. In diesen Momenten erfahren <strong>Kinder</strong> sozialen<br />
Halt und spüren, dass sie Teil der Gemeinschaft sind.<br />
Die Fachtagung „<strong>Hurtig</strong> <strong>Kinder</strong>, <strong>kommt</strong> <strong>zu</strong> <strong>Tisch</strong>! Ernährung in <strong>Kita</strong> und Familie – gut und gesund.“ des<br />
<strong>Netzwerk</strong>es <strong>Gesunde</strong> <strong>Kita</strong> hat diese Themen aufgegriffen und gezeigt, dass die Debatte um eine gesunde<br />
Ernährung nicht nur spannend, sondern auch notwendig ist. Die vorliegende Dokumentation gibt<br />
einen Einblick in die Fachbeiträge, Workshops und Diskussionen.<br />
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen.<br />
Das Team <strong>Netzwerk</strong> <strong>Gesunde</strong> <strong>Kita</strong>
6<br />
2 Fachvorträge<br />
Lebenshungrig und erfahrungsdurstig. Essen in der<br />
<strong>Kita</strong> mit Bildungsqualität gestalten.<br />
Dr. Roger Prott, Bildungsreferent<br />
Nahrung an sich steht hier eher im Hintergrund.<br />
Zwar ist es gut und richtig, sich möglichst viel<br />
Wissen <strong>zu</strong>m Thema an<strong>zu</strong>eignen, wenn man gesunde<br />
Ernährung in der <strong>Kita</strong> einführen will. Doch<br />
nur, wenn der Fokus auf das Essen als Aktivität<br />
und soziales Ereignis gerichtet wird, kann die<br />
Umset<strong>zu</strong>ng des Ernährungswissens erfolgreich<br />
sein.<br />
Meine Damen und Herren,<br />
liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
in meinem Beitrag <strong>zu</strong>r gesunden Ernährung geht<br />
es mir insbesondere darum, auf Erfahrungs- und<br />
Erlebnisaspekte beim Essen hin<strong>zu</strong>weisen. Die<br />
Mir geht es demnach weniger um „gesunde Ernährung“,<br />
als vielmehr um „gesundes Essen“.<br />
Dieser Perspektivenwechsel hilft dabei, sich klar<br />
<strong>zu</strong> machen, dass es um das Esserlebnis jedes<br />
Einzelnen gehen sollte sowie darum, dieses Erlebnis<br />
positiv <strong>zu</strong> gestalten. In diesem Zusammenhang<br />
sollte man die Bereitschaft und die Grenzen<br />
des Kindes wahrnehmen und achten. Das ist das<br />
Wichtigste überhaupt. Andernfalls kann man größeren<br />
Schaden anrichten, als eine gesunde Ernährung<br />
nutzt. Wenn das Sachinteresse bzw. das<br />
Sachthema „gesunde Ernährung“ Oberhand gewinnt,<br />
kann es leicht passieren, dass allgemeine<br />
Erziehungsziele und übergreifende Werte in den<br />
Hintergrund geraten. Die Versuchung, das Kind<br />
darüber <strong>zu</strong> belehren, was gut und gesund ist – anstatt<br />
ihm Bildungsprozesse <strong>zu</strong> ermöglichen bzw.<br />
Bildungsgelegenheiten <strong>zu</strong> geben – ist groß. Belehrung<br />
und Bildung sind aber bei weitem nicht<br />
dasselbe. Und die größte Gefahr besteht darin,<br />
nicht nur die Botschaft <strong>zu</strong> transportieren: “Kind,
7<br />
du musst lernen, was gesund ist.“ sondern damit<br />
<strong>zu</strong>gleich „Kind, Du musst dich ändern, denn so<br />
wie du bist, bist Du nicht gut.“<br />
An dieser Stelle können wir uns auch als Erwachsene<br />
die Frage stellen, ob wir ohne weiteres hören<br />
wollen, dass wir uns ändern sollen. Vermutlich<br />
hat das niemand gern. Vor allem ist diese<br />
Aufforderung keine gute Basis für eine erfolgreiche<br />
Zusammenarbeit, und ebenso wenig für<br />
erfolgreiche Bildungsprozesse.<br />
Im Folgenden beschreibe ich nun sieben Elemente<br />
als qualitative Rahmenbedingungen der<br />
Ernährung in <strong>Kita</strong>s, die die Aufnahme gesunder<br />
Nahrung überlagern.<br />
1. Das Kind in uns<br />
Oftmals hilft ein kleiner Perspektivenwechsel<br />
bzw. die Erinnerung an frühere Zeiten: Wenn man<br />
<strong>zu</strong>m Beispiel an sein Lieblingsgericht der Kindheit<br />
denkt, <strong>kommt</strong> es oft vor, dass diese Mahlzeit<br />
mit einer besonderen Person oder Situation verbunden<br />
ist. Das Essen steht meistens nicht für<br />
sich alleine, sondern ist eingebettet in ein bestimmtes<br />
Ereignis, wie beispielsweise das Mittagessen<br />
am Wochenende bei den Großeltern. Damit<br />
ist die Verknüpfung <strong>zu</strong> einem sehr wichtigen<br />
Element geschaffen: Essen ist in einen sozialen<br />
Kontext eingebunden; es ist in der Regel eine<br />
soziale Erfahrung. Die Erfahrungen der Kindheit<br />
bilden die Grundlage vieler Handlungen, auch<br />
wenn sie im weiteren Lebensverlauf verändert<br />
oder ergänzt werden.<br />
2. Grundsätze <strong>zu</strong>m Essen<br />
Einige wichtige Grundsätze <strong>zu</strong>m Essen sollten<br />
immer klar sein: Das ungesündeste Essen ist –<br />
nicht <strong>zu</strong> essen. Keine Nahrung <strong>zu</strong> sich <strong>zu</strong> nehmen,<br />
ist nicht gesund. Das gilt für Nahrungsmangel<br />
und Nahrungsverweigerung gleichermaßen. Nahrungsverweigerung<br />
als Essstörung beginnt unter<br />
Umständen bereits im Kindesalter.<br />
Auch das Gegenteil ist möglich, was die Sache<br />
kompliziert macht. Menschen, die übermäßig<br />
oder nur einseitig essen, haben ebenfalls keine<br />
guten Chancen langfristig gesund <strong>zu</strong> bleiben,<br />
selbst wenn sie ausschließlich gesunde Lebensmittel<br />
<strong>zu</strong> sich nehmen.<br />
Eine weitere Relativierung, durch die man schnell<br />
an seine Grenzen stoßen kann, ergibt sich, wenn<br />
man „gesund“ definieren will. Schauen Sie sich in<br />
verschiedenen Ländern Europas um, was als „gesund“<br />
angesehen wird. Das variiert je nach kulturellem<br />
Hintergrund. Dies ist keineswegs nur eine<br />
Frage der geografischen Abgren<strong>zu</strong>ng. Bisher hat<br />
keine Kultur ein Optimum für sich gefunden, geschweige<br />
denn, dass andere es nachmachen<br />
könnten. Der Transfer von guten Essgewohnheiten<br />
scheitert auch an der Schwierigkeit, den<br />
eigenen Hintergrund <strong>zu</strong> kommunizieren bzw. <strong>zu</strong><br />
erklären.<br />
Weiterhin nehmen Zeitgeist und die Gesellschaft<br />
Einfluss auf die Definition: Manches, was vor einigen<br />
Jahren als „gesund“ galt, ist heute überholt.<br />
Ein Beispiel am Rande: In Japan sind nach dem<br />
Atomunglück die Strahlengrenzwerte um das<br />
zehn- bis zwanzigfache erhöht worden. Was davor<br />
noch als schädlich galt, schadet heute angeblich<br />
der Gesundheit nicht mehr. Früher dachte<br />
man auch, dass Spinat besonders gesund sei.<br />
Dann wurde festgestellt, dass sich eine Kommastelle<br />
in der Statistik verschoben hat; die Aussage<br />
wurde daraufhin relativiert.<br />
Darum denke ich: das allerwichtigste bei der gesunden<br />
Ernährung ist der Genuss, denn wer mit<br />
Genuss isst, ernährt sich in aller Regel auch gesund.<br />
3. Essen als soziales Ereignis<br />
Essen ist ein soziales Ereignis. Es geht um mehr<br />
als die Zufuhr gesunder Nährstoffe und Lebensmittel.<br />
Essen in der <strong>Kita</strong> findet immer gemeinsam<br />
mit anderen <strong>Kinder</strong>n statt. Das heißt, denn es<br />
geht um<br />
n das einzelne Kind, das sich beim Essen in doppeltem<br />
Sinne mit seinem Selbstgefühl auseinandersetzt:<br />
das Kind, das da ist und das da<br />
isst. Es ist für das Kind wichtig <strong>zu</strong> erkennen,<br />
wer es ist, was es mag oder nicht mag und was<br />
ihm gut tut bzw. was auch nicht.
8<br />
n Weiterhin geht es um die konkrete Essgesellschaft,<br />
also mit wem die Mahlzeiten eingenommen<br />
werden und wie das Verhältnis <strong>zu</strong> diesen<br />
Personen ist. Sind es Personen, mit denen man<br />
gern Zeit verbringt oder ist es eine Zweckgemeinschaft<br />
n Und es geht um den sozialen Rahmen und damit<br />
um die Frage, wer über das Essen bestimmt.<br />
Nach den anderen <strong>Kinder</strong>n, die erheblich beeinflussen,<br />
was in einer <strong>Kita</strong> als toll oder eklig gilt, ist<br />
in diesem Zusammenhang die Erzieherin am<br />
nächsten „am Kind dran“. In der zweiten Ebene<br />
ist es dann die Köchin und in der dritten Ebene<br />
der Träger, der bestimmt was eingekauft wird, ob<br />
selber in der <strong>Kita</strong> gekocht wird oder ein Caterer<br />
das Essen liefert etc.<br />
Aber auch die Familie muss berücksichtigt und<br />
beteiligt werden. Jede Familie hat ihre eigenen<br />
Essgewohnheiten; und sie greift unter Umständen<br />
gerne auch mal <strong>zu</strong> Fertigprodukten. Dies<br />
kann man Familien gar nicht verübeln, wurde<br />
doch festgestellt, dass Fertigprodukte z.T. sehr<br />
viel billiger sind als die Rohprodukte, die man<br />
kaufen kann. Auch braucht man weniger Zeit für<br />
die Zubereitung. Familien mit wenig Geld oder<br />
Zeit neigen daher <strong>zu</strong> Fertigprodukten. Da nützen<br />
die Appelle <strong>zu</strong> guter bzw. gesunder Ernährung<br />
nicht viel; sie bereiten allenfalls ein schlechtes<br />
Gewissen.<br />
Diese drei Punkte [das Selbstgefühl, die konkrete<br />
Essgemeinschaft und der weitere soziale Rahmen]<br />
sind auch im Zusammenhang mit dem Thema<br />
Bildung sehr wichtig. Die Vorausset<strong>zu</strong>ng für<br />
Bildungsprozesse und gesundes Essen ist Wohlbefinden,<br />
das von den benannten Faktoren maßgeblich<br />
beeinflusst wird.<br />
4. Essen und Wohlbefinden<br />
Es leuchtet ein: Essen und Wohlbefinden sind eng<br />
miteinander verknüpft. Gesund ist, wenn man<br />
gern isst und das isst, was schmeckt. Ohne Wohlbefinden<br />
aber auch keine Bildung. Insofern sind<br />
Mahlzeiten, die mit Wohlbefinden gegessen werden,<br />
nicht nur gesund, sondern tragen <strong>zu</strong>dem <strong>zu</strong>r<br />
Bildung bei. Den Umkehrschluss kennt jeder Erwachsene.<br />
In unangenehmen Situationen heißt<br />
es: „Ich bin jetzt schon satt“ oder „Mir ist der Appetit<br />
vergangen.“<br />
Wohlbefinden ist enorm wichtig. Daher gehört es<br />
<strong>zu</strong>r vorrangigen Aufgabe derjenigen Erwachsenen,<br />
die sich um die gesunde Ernährung der <strong>Kinder</strong><br />
kümmern wollen, für Rahmenbedingungen <strong>zu</strong><br />
sorgen, in denen die <strong>Kinder</strong> sich beim Essen wohl<br />
fühlen.<br />
5. Essen und Bildung<br />
Hier mache ich <strong>zu</strong>erst auf die Evaluationsbögen<br />
aufmerksam, welche den <strong>Kita</strong>s in Brandenburg<br />
<strong>zu</strong>r Verfügung stehen, um selbst <strong>zu</strong> prüfen, ob<br />
und inwiefern sie nach den „Grundsätzen elementarer<br />
Bildung“ arbeiten. Dort steht u.a.: Essen<br />
gehört <strong>zu</strong> den Erfahrungen von <strong>Kinder</strong>n, die<br />
mit Bildungsqualität <strong>zu</strong> gestalten sind. Um dieses<br />
Ziel <strong>zu</strong> erreichen, müssen Bildung und Ernährung<br />
im Zusammenhang mit Wohlbefinden betrachtet<br />
werden. Wichtig ist, die Würde des Kindes <strong>zu</strong> respektieren,<br />
d.h. dem Kind, soweit wie nur möglich,<br />
Verantwortung für sich selbst und Selbstbestimmung<br />
<strong>zu</strong> lassen und seine Integrität <strong>zu</strong> bewahren.<br />
Der würdevolle Umgang mit dem Kind ist im<br />
Grundgesetz [politische Grundlage] und in den<br />
„Grundsätzen elementarer Bildung des Landes<br />
Brandenburg“ [pädagogische Grundlage] festgeschrieben.<br />
Beide <strong>zu</strong>sammen geben die Vorausset<strong>zu</strong>ng<br />
für die Unterstüt<strong>zu</strong>ng von Bildungsprozessen<br />
eines jeden Kindes – auch beim Essen. Am<br />
Beispiel des sogenannten Kosthappens soll dies<br />
nun erläutert werden.<br />
6. Kosthappen als Bildungsereignis<br />
Er ist noch häufig in <strong>Kita</strong>s an<strong>zu</strong>treffen, egal ob er<br />
nun so oder Probierlöffel oder anders genannt<br />
wird. Das Prinzip ist immer gleich. Eine kleine<br />
Menge einer Speise oder einer Zutat wird vom Erwachsenen<br />
auf den Teller eines Kindes gegeben,<br />
wenn das Kind die Speise „eigentlich“ ablehnt.<br />
Doch das Kind soll nichts grundsätzlich verwei-
9<br />
gern. Es soll den Geschmack jeder Speise oder<br />
seiner bestimmten Zubereitungsform kennenlernen.<br />
Wird damit diese Maßnahme <strong>zu</strong> einem Bildungsereignis<br />
Neues kennen<strong>zu</strong>lernen hat <strong>zu</strong>mindest<br />
etwas mit Wissenserwerb <strong>zu</strong> tun, aber<br />
auch mit Bildung<br />
Kosthappen stehen meines Erachtens im Widerspruch<br />
<strong>zu</strong> den Grundsätzen elementarer Bildung,<br />
die darauf hinweisen, dass alles, was das Kind<br />
uns zeigt, Ausdruck seiner Persönlichkeit ist; diese<br />
gilt es <strong>zu</strong> achten und <strong>zu</strong> fördern. Die Evaluationsbögen<br />
machen die Vorgabe, das „Nein“ des<br />
Kindes als „Nein“ <strong>zu</strong> achten.<br />
Durch den Kosthappen aber macht das Kind die<br />
Erfahrung, dass sein „nein“ nichts oder nur wenig<br />
gilt (je nachdem, wie konsequent die Maßnahme<br />
des Probierens durchgeführt wird). Das „nein“ <strong>zu</strong><br />
achten, ist keine Strafmaßnahme gegen Erzieherinnen.<br />
Diese Regel hat etwas mit Pädagogik und<br />
Prävention von Missbrauch <strong>zu</strong> tun. <strong>Kinder</strong> sollen<br />
lernen „nein“ <strong>zu</strong> sagen. Das tägliche Essen kann<br />
davon nicht ausgenommen werden.<br />
Kindheit ist eine Zeit der Experimente und des<br />
sich Ausprobierens; es gehört da<strong>zu</strong>, sich von Zeit<br />
<strong>zu</strong> Zeit <strong>zu</strong> entscheiden, etwas gar nicht <strong>zu</strong> essen<br />
oder etwas deshalb nicht <strong>zu</strong> essen, weil der<br />
Freund oder die Freundin es nicht essen wollen.<br />
Wird das Kind gegen seinen Willen <strong>zu</strong>m Essen<br />
gezwungen, erfährt es, dass sein Selbstgefühl<br />
und der eigene Wille falsch sind. Die Erwachsenen<br />
wissen es anscheinend besser. Sie sind <strong>zu</strong>mindest<br />
stärker und mächtiger. Der Kosthappen<br />
behindert daher die Entwicklung des Selbst und<br />
steht damit im Gegensatz <strong>zu</strong> den „Grundsätzen<br />
elementarer Bildung“. Dort geht es nicht darum,<br />
dem Kind auf<strong>zu</strong>zeigen, was gut und richtig ist;<br />
das wäre Bevormundung. Vielmehr soll jedes<br />
Kind im Sinne der Ko-Konstruktion darin unterstützt<br />
werden, eigene Erfahrungen <strong>zu</strong> machen.<br />
Um sich und das Kind vor Bevormundung <strong>zu</strong><br />
schützen, hilft vielleicht wieder ein Perspektivenwechsel.<br />
Man kann sich fragen: „Möchte ich als<br />
erwachsene Person, dass mein/e Lebenspartner/<br />
in das mit mir macht“ Wer diese Frage für sich<br />
mit „nein“ beantwortet, sollte das auch mit dem<br />
ihm/ihr anvertrauten Kind nicht tun.<br />
7. Verantwortung wahrnehmen<br />
Jeder Einzelne muss Verantwortung wahrnehmen<br />
und darf diese nicht missbrauchen bzw. über seinen<br />
Bereich hinaus ausweiten. Das gilt für die Erzieherin,<br />
den Erzieher, den verantwortlichen Personen<br />
seitens des Trägers und für das Kind –<br />
jede/r auf ihrem/seinem Gebiet. Der Träger hat<br />
die Verantwortung dafür, was in welchen Mengen<br />
eingekauft und wie <strong>zu</strong>bereitet wird. Im Verantwortungsbereich<br />
der Erzieher/in liegt <strong>zu</strong>m Beispiel,<br />
ob das Frühstück mitgebracht wird, ob einmal<br />
in der Woche ein Frühstück gemeinsam gestaltet<br />
wird oder ob generell jeden Tag mit den<br />
<strong>Kinder</strong>n das Frühstück vorbereitet wird. Bei den<br />
Erwachsenen liegt immer auch die Verantwortung<br />
für die Gemeinschaft und die Atmosphäre beim<br />
Essen. Sie sind <strong>zu</strong>ständig für die Rahmenbedingungen,<br />
denn das können die <strong>Kinder</strong> nicht leisten.<br />
<strong>Kinder</strong> jedoch können die Verantwortung für sich<br />
selbst tragen, d.h. hier für das, was und wie viel<br />
sie davon essen. Diese Verantwortung muss ihnen<br />
bleiben, damit sie sich <strong>zu</strong> selbstbewussten<br />
Persönlichkeiten entwickeln und ihre eigene Verantwortungsfähigkeit<br />
stetig ausbauen können.<br />
Erzieherinnen und Erzieher sollten stets daran<br />
denken, dass das Essverhalten nur eine von ganz<br />
vielen Ausdrucksformen ist, wer das Kind ist. Es<br />
ist in diesem Zusammenhang für alle Pädagogen<br />
wichtig <strong>zu</strong> gucken, was das Kind über sich selbst<br />
ausdrückt und was es damit preisgibt, wie seine<br />
Persönlichkeit konstruiert ist.
10<br />
Bedeutung und Gestaltung des Essens in <strong>Kita</strong> und Familie.<br />
Prof. Dr. Heide Kallert, Universität Frankfurt, Institut für familiale und<br />
öffentliche Erziehung, Bildung, Betreuung e.V.<br />
Einführung: Essen – ein emotionales Thema<br />
Mein Vortrag mit dem Thema „Bedeutung und<br />
Gestaltung des Essens in <strong>Kita</strong> und Familie“ richtet<br />
den Blick auf das W i e des Essens und der Mahlzeiten.<br />
Dabei versuche ich <strong>zu</strong> zeigen, welche Verbindungen<br />
zwischen dem Was und dem Wie bestehen.<br />
Im Zentrum steht ein Forschungsprojekt, das über<br />
mehrere Jahre an der Frankfurter Goethe-Universität<br />
durchgeführt wurde. Der Anstoß <strong>zu</strong> dem<br />
Forschungsprojekt kam aus der Praxis. Das Thema<br />
„Essen“ wurde durch Berichte von Fachkräften<br />
aus <strong>Kinder</strong>betreuungseinrichtungen und aus<br />
der Familienbildung in den Blickpunkt gerückt als<br />
eines, das nicht selten für Probleme und Spannungen<br />
sorgt. Bei den Fachkräften ist der Eindruck<br />
entstanden, es habe in den Familien der<br />
<strong>Kinder</strong> einen gravierenden Wandel bezüglich der<br />
Ernährungs- und Essgewohnheiten gegeben: Immer<br />
weniger werde gemeinsam gegessen, es gebe<br />
selten frisch gekochtes Essen und wenig werde<br />
auf die Auswahl dessen geachtet, was die <strong>Kinder</strong><br />
in die <strong>Kita</strong> mitbringen. All dies drohe in den<br />
Familien der <strong>Kinder</strong>, die die <strong>Kita</strong> besuchen, unwichtig<br />
<strong>zu</strong> werden oder verloren <strong>zu</strong> gehen.<br />
Es wurde aber auch deutlich, dass „Essen“ auch<br />
in den <strong>Kita</strong>s selbst ein höchst bedeutsames Thema<br />
war, sowohl zwischen <strong>Kinder</strong>n und Erzieherinnen<br />
als auch im Team. Aus pädagogischer<br />
Sicht geht es nicht nur darum, welche Nahrungsmittel<br />
mehr oder weniger gesund sind bzw. für<br />
<strong>Kinder</strong> empfohlen werden. Ebenso interessieren<br />
die Gestaltung der Mahlzeiten, die Zuständigkeiten<br />
rund um das Essen (wie Einkaufen, Kochen,<br />
<strong>Tisch</strong>decken und –abräumen, Geschirrspülen)<br />
sowie die Rituale und Regeln beim Essen.<br />
Vor allem erschien es wichtig, dafür <strong>zu</strong> sensibilisieren,<br />
wie stark das Thema „Essen“ emotional<br />
besetzt ist. Das gelang, indem die Beteiligten als<br />
Kind erlebte Ess-Situationen mit ihren gegenwärtigen<br />
Essgewohnheiten verglichen.<br />
Dabei ging es um Fragen wie:<br />
n Welche Mahlzeiten gab es am Tag und wer war<br />
<strong>zu</strong>ständig für ihre Zubereitung Wer isst heute<br />
<strong>zu</strong>sammen<br />
n Wer hat damals dafür Sorge getragen, dass gesund<br />
gegessen wurde Wer tut das jetzt<br />
n Welche Verhaltensregeln gab es beim Essen<br />
Wurden die Regeln als Zwang empfunden, wurde<br />
Zwang ausgeübt, um die Regeln durch<strong>zu</strong>setzen<br />
n Welche Regeln werden heute von den nunmehr<br />
Erwachsenen eingehalten Haben sie sich von<br />
dem, was als Zwang empfunden wurde, be-
11<br />
freit Inwieweit praktizieren sie die Regeln aus<br />
der Kindheit weiter<br />
Die Fragen lassen erkennen, dass das Essen für<br />
<strong>Kinder</strong> nicht nur ein Akt der Sättigung ist und dem<br />
Aufbau eines gesunden Körpers dient. Vielmehr<br />
ist es auch mit Gefühlen <strong>zu</strong> denjenigen Personen<br />
verbunden, die das Essen <strong>zu</strong>bereiten und mit ihnen<br />
gemeinsam essen. Nicht <strong>zu</strong> vernachlässigen<br />
sind Aspekte der Erziehung und Bildung.<br />
Essen in Familien [Ausgewählte Ergebnisse]<br />
Mit der Befragung der Eltern wurde bestätigt,<br />
dass es werktags im besten Fall eine Mahlzeit am<br />
Tag gibt, bei der sich alle Familienmitglieder <strong>zu</strong>sammenfinden.<br />
Alle Mütter und Väter aus den<br />
verschiedenen Herkunftskulturen nannten die<br />
Abendmahlzeit als die gemeinsame Mahlzeit. Ob<br />
sie sich immer verwirklichen lässt, erscheint fraglich;<br />
der Wunsch nach dieser Gemeinsamkeit am<br />
Abend oder am Wochenende ist aber bei allen<br />
Befragten vorhanden.<br />
Sowohl die Eltern als auch die <strong>Kinder</strong> wurden<br />
nach den Aufgaben und Zuständigkeiten rund um<br />
das Essen gefragt. Von allen Befragten wurde die<br />
herausragende Rolle der Mutter, vor allem beim<br />
Kochen und bei der Auswahl der Speisen, betont.<br />
Der Vater übernimmt beim Einkaufen eine Funktion<br />
(in fast einem Viertel der Familien erledigt er<br />
das allein). Beim <strong>Tisch</strong>decken vor und <strong>Tisch</strong>abräumen<br />
nach dem Essen wird die Mutter entlastet,<br />
dabei helfen in fast allen Familien der Vater<br />
und/oder die <strong>Kinder</strong>. Für das Geschirrspülen ist<br />
wieder überwiegend die Mutter <strong>zu</strong>ständig.<br />
Über die Regeln, die in den Familien bei <strong>Tisch</strong><br />
gelten, geben vor allem die Beobachtungsberichte<br />
Auskunft. In fast allen Familien wird auf<br />
<strong>Tisch</strong>manieren, wie die korrekte Benut<strong>zu</strong>ng des<br />
Bestecks, geachtet, aber sie werden unterschiedlich<br />
streng durchgesetzt. In allen Familien darf<br />
während des Essens gesprochen und getrunken<br />
werden, aber ob mit vollem Mund gesprochen<br />
werden oder nach Belieben aufgestanden werden<br />
darf und vor allem, ob von allem probiert oder der<br />
Teller leer gegessen werden muss, wird ganz unterschiedlich<br />
gehandhabt. Meist gibt es für alle<br />
Familienmitglieder das gleiche Essen. Die Mahlzeit<br />
wird gemeinsam begonnen, aber in der Mehrzahl<br />
der Familien wird sie nicht gemeinsam beendet,<br />
sondern die <strong>Kinder</strong> dürfen aufstehen, wenn<br />
sie mit dem Essen fertig sind. <strong>Tisch</strong>rituale am Anfang<br />
der Mahlzeit sind selten und hygienische<br />
Aspekte, wie Händewaschen vor und Zähneputzen<br />
nach dem Essen, spielen eine eher untergeordnete<br />
Rolle.<br />
Beim Vergleich zeigte sich, dass die Vielfalt der<br />
von <strong>Kinder</strong>n in der <strong>Kita</strong> benannten Speisen weit<br />
größer war als die von <strong>Kinder</strong>n in der Familie, und<br />
zwar sowohl bei den besonders beliebten als<br />
auch bei den unbeliebten Speisen. Offensichtlich<br />
war es in den <strong>Kita</strong>s gelungen, den <strong>Kinder</strong>n wesentlich<br />
mehr verschiedene „gesunde“ Lebensmittel<br />
an<strong>zu</strong>bieten.<br />
Essen in <strong>Kinder</strong>tagesstätten<br />
[Ausgewählte Ergebnisse]<br />
Regeln spielen in der <strong>Kita</strong> eine große Rolle. Dies<br />
gilt auch im Zusammenhang mit dem Essen.<br />
Mit Abstand am häufigsten erwähnten die Befragten,<br />
die <strong>Kinder</strong> sollen während des Essens<br />
leise sein und sitzen bleiben. Durch das Befolgen<br />
dieser Regel soll verhindert werden, dass beim<br />
gemeinsamen Essen immer wieder Stresssituationen<br />
für alle Beteiligten entstehen. Aufmerksamkeit<br />
und Konzentration auf das Essen werden gefördert.<br />
Die Beobachtungen zeigen aber, dass<br />
sich die <strong>Kinder</strong> bei <strong>Tisch</strong> durchaus auch unterhalten<br />
können, soweit der Lärmpegel auf Zimmerlautstärke<br />
bleibt.<br />
Dass die <strong>Kinder</strong> mit Besteck essen sollen, ist eine<br />
gesellschaftliche und kulturelle Regel, die als<br />
bindend angesehen und nicht besonders erwähnt<br />
wird.<br />
Bei der Regel, dass die <strong>Kinder</strong> probieren sollen,<br />
gibt es <strong>zu</strong>m Teil große Unterschiede in der Umset<strong>zu</strong>ng.<br />
In einigen Fällen wird gefordert, die <strong>Kinder</strong><br />
sollen alles probieren, was auf dem <strong>Tisch</strong> steht, in<br />
anderen Fällen soll Neues probiert werden, um<br />
die Erfahrungen der <strong>Kinder</strong> <strong>zu</strong> erweitern. Zu dieser<br />
Regel ist generell an<strong>zu</strong>merken, dass das Pro-
12<br />
bieren niemals mit Zwang durchgesetzt werden<br />
sollte.<br />
Gleiches gilt für das Verständnis darüber, ob <strong>Kinder</strong><br />
alles aufessen sollen, was auf dem Teller ist.<br />
<strong>Kinder</strong> dürfen sich in den meisten Einrichtungen<br />
selbst bedienen und lernen dabei, ihren Appetit<br />
ein<strong>zu</strong>schätzen, das richtige Maß für sich <strong>zu</strong> finden<br />
und ihren Körper sowie ihre Bedürfnisse bewusst<br />
wahr<strong>zu</strong>nehmen. Einige Befragte üben jedoch<br />
Druck aus, das Essen dann auch auf<strong>zu</strong>essen. Dies<br />
wird nicht da<strong>zu</strong> führen, dass das Kind Freude an<br />
der Essensituation empfindet; Freude am Essen<br />
ist aber die Grundlage aller Ernährungsbildung.<br />
Ein gemeinsamer Beginn der Mahlzeit wird als<br />
organisatorisch sinnvoll angesehen, weil damit<br />
Struktur und Ruhe in die Essensituation <strong>kommt</strong><br />
und diese als Gemeinschaftserlebnis und Gemeinschaftserfahrung,<br />
die das Zusammengehörigkeitsgefühl<br />
der Gruppe stärkt,.hervorgehoben<br />
wird.<br />
Bei den Zuständigkeiten werden vor allem solche<br />
hervorgehoben, welche die Selbständigkeit von<br />
<strong>Kinder</strong>n durch eigenes Handeln und Tun fördern:<br />
Essen auf den Teller füllen; Einschenken; Nachschlag<br />
nehmen. In der Mehrzahl der Einrichtungen<br />
wird als Erziehungsziel angestrebt, dass<br />
die <strong>Kinder</strong> ihre Bedürfnisse bezüglich Hunger,<br />
Durst und Sättigung eigenständig wahrnehmen<br />
und angemessen einschätzen.<br />
Zuständigkeiten der <strong>Kinder</strong> hängen offenbar<br />
mehr von der Situation als vom Alter ab: Hortkinder<br />
werden nach der Schule von Pflichten entlastet,<br />
während die Jüngeren im <strong>Kinder</strong>garten an<br />
vielen Aufgaben beteiligt sind, das heißt, auch<br />
den Kleineren wird bereits Selbstständigkeit in<br />
hohem Maß <strong>zu</strong>getraut.<br />
Weniger von der Situation als vielmehr vom Konzept<br />
mag es abhängen, wie die Be<strong>zu</strong>gspersonen<br />
es bewerten, wenn <strong>Kinder</strong> ‘mit dem Essen spielen‘<br />
oder welches kindliche Verhalten sie als ‘mit<br />
dem Essen spielen’ wahrnehmen. In vielen Einrichtungen<br />
ist es erlaubt, dass die <strong>Kinder</strong> mit Essen<br />
experimentieren, z.B. ihm auf dem Teller eine<br />
andere Form geben oder die Nahrungsmittel anfassen,<br />
um neue sinnliche Erfahrungen machen.<br />
Exkurs: Esskultur und Ernährungserziehung<br />
(nach Barbara Methfessel)<br />
Wenn es ein Ziel ist, dass Menschen sich gesundheitsförderlich<br />
ernähren, müssen sie von<br />
klein auf mit gesunden Speisen „gefüttert“ werden,<br />
denn dann behalten sie diese Vorlieben ihr<br />
Leben lang mehr oder weniger bei. Die Esskultur<br />
wandelt sich zwar während des Lebens, aber<br />
die Grundmuster unserer Geschmäcker und<br />
Werte wirken sehr langfristig.<br />
Essen bzw. Lebensmittel sind emotional aufgeladen.<br />
Der Mensch kombiniert im limbischen<br />
System Gefühle und Gerüche. Mit Lust besetzte<br />
und angenehme Erinnerungen werden mit positiven<br />
Gefühlen verbunden. Alle, die mit <strong>Kinder</strong>n<br />
<strong>zu</strong>sammen essen, sollten also ein Vorbild für ein<br />
fröhliches Essen sein; sie sollen dafür sorgen,<br />
dass Essen positiv besetzt ist. Gerne und gut <strong>zu</strong><br />
essen, ist der beste Weg <strong>zu</strong>m gesunden Essen.<br />
Damit <strong>Kinder</strong> einen Be<strong>zu</strong>g <strong>zu</strong>m Essen bekommen,<br />
ist es unbedingt wichtig, sie beim Zubereiten<br />
der Speisen <strong>zu</strong> beteiligen. <strong>Kinder</strong> in den Alltag<br />
<strong>zu</strong> integrieren, ist ein wichtiger Teil des Bildungsprogramms<br />
und durch keine Sonderförderung<br />
<strong>zu</strong> ersetzen: Die psychomotorische Entwicklung<br />
wird gefördert, alle Sinne werden angesprochen.<br />
Beim Essen werden Regeln gebraucht, die Werte<br />
und Wertschät<strong>zu</strong>ng beinhalten: Wie respektieren<br />
wir einander und wie gehen wir mit dem<br />
Essen um Die Regeln enthalten Bestimmungen<br />
<strong>zu</strong>m sozialen Miteinander, wie z. B. das Teilen<br />
oder die Ordnung.<br />
Ebenfalls wichtig sind Rituale, die da<strong>zu</strong> dienen,<br />
den Prozess des Essens von anderen Tätigkeiten<br />
ab<strong>zu</strong>grenzen, z. B. der <strong>Kinder</strong>reim, der<br />
vor dem Essen aufgesagt wird.<br />
Die <strong>Kinder</strong> wachsen heute in einem Schlaraffenland<br />
auf, in dem es alles gibt. Sie sind „umzingelt“<br />
von Vielfalt und Verfügbarkeit sowie Verführung,<br />
die durch Fernsehen und Werbung<br />
noch verstärkt wird.
13<br />
Beim Umgang von Eltern mit ihren <strong>Kinder</strong>n lässt<br />
sich häufig beobachten: Die <strong>Kinder</strong> sind nicht<br />
mehr diejenigen, die dankbar sind, etwas <strong>zu</strong> essen<br />
<strong>zu</strong> bekommen, sondern die Eltern sind diejenigen,<br />
die sich freuen, wenn ihr Kind problemlos<br />
isst. Die Wirkung auf das Kind ist jedoch<br />
nicht unproblematisch: <strong>Kinder</strong> merken schnell,<br />
wenn ihren Eltern etwas wichtig ist, das heißt,<br />
sie merken, dass Erwachsene möchten, dass sie<br />
gut und richtig essen. Wenn <strong>Kinder</strong> dies als Erziehungsintention<br />
deuten, kann sich der Esstisch<br />
<strong>zu</strong>r Arena für Selbstbehauptungskämpfe<br />
und <strong>zu</strong>m Kampfplatz der Generationen entwickeln.<br />
Als Fazit kann festgehalten werden, dass Freude<br />
an gutem Essen und Beziehungen <strong>zu</strong> gewünschten<br />
Lebensmitteln der beste Weg <strong>zu</strong>r Ernährungsbildung<br />
sind.<br />
Ausblick: Freude am guten Essen –<br />
ein <strong>Kinder</strong>recht<br />
Zwei Aspekte wurden besonders häufig genannt,<br />
als die Befragten <strong>zu</strong>m Abschluss des Interviews<br />
benennen sollten, was sie aus der Erfahrung in<br />
der eigenen Einrichtung für andere als nachahmenswert<br />
empfehlen würden:<br />
n Frisches Kochen in eigener Küche<br />
n Kein Essenszwang, Entscheidungsfreiheit der<br />
<strong>Kinder</strong><br />
Frisches Essen in eigener Küche <strong>zu</strong><strong>zu</strong>bereiten,<br />
kann als ein wichtiges Entwicklungsthema für<br />
<strong>Kinder</strong>betreuungseinrichtungen gelten. Eine eigene<br />
Küche bietet Platz für eine besondere Beziehungs-<br />
und Arbeitsatmosphäre. Sie ermöglicht,<br />
die <strong>Kinder</strong> in hauswirtschaftliche Tätigkeiten mit<br />
Ernstcharakter ein<strong>zu</strong>beziehen; diese können sich<br />
so als nützliche Mitglieder der Gemeinschaft erle-<br />
ben. Die eigene Küche schafft aber auch erst den<br />
Rahmen dafür, bei der Ernährung den Besonderheiten<br />
familiärer oder nationaler Traditionen, die<br />
die <strong>Kinder</strong> mitbringen, experimentellen Raum <strong>zu</strong><br />
geben.<br />
Die Wunschformel „kein Essenszwang, Entscheidungsfreiheit<br />
der <strong>Kinder</strong>“ verweist schließlich auf<br />
pädagogische Kernfragen: die Balance zwischen<br />
kindlicher Freiheit und erwachsenem Verhalten.<br />
Wenn <strong>Kinder</strong> beim Essen <strong>zu</strong> nichts gezwungen<br />
werden, fördert dies ihre Eigenverantwortlichkeit<br />
und Selbstständigkeit in hohem Maß. Doch wie<br />
weit kann die Selbstbestimmung der <strong>Kinder</strong> beim<br />
Essen <strong>zu</strong>gelassen werden Wann sind doch Eingriffe<br />
der Erwachsenen erforderlich Wie kann<br />
trotz der Freiheit der <strong>Kinder</strong> sichergestellt werden,<br />
dass sie lustvoll und mit Spaß <strong>zu</strong> ihren Mahlzeiten<br />
gehen und das Vergnügen gemeinsamen<br />
Speisens erleben können<br />
Hier<strong>zu</strong> ist Selbstreflexion der Fachkräfte notwendig,<br />
denn jede von ihnen begegnet in ihrem Kontakt<br />
mit dem Kind letztlich zwei <strong>Kinder</strong>n: dem<br />
Kind in sich selbst und dem Kind, welches vor ihr<br />
steht. Klarheit der Be<strong>zu</strong>gspersonen, auch im Umgang<br />
mit Regeln und Grenzen, ist wichtig. Denn<br />
wenn <strong>Kinder</strong> Klarheit fühlen, gewinnen sie Orientierung.<br />
Damit bleibt die Gestaltung des Essens eine Gratwanderung<br />
zwischen zwei Polen. Ein von den Erwachsenen<br />
garantierter sicherer Rahmen ist notwendig.<br />
Doch der Grundsatz, <strong>Kinder</strong> als eigenständige<br />
Persönlichkeiten mit ihren verschiedenen<br />
Bedürfnissen und Neigungen ernst <strong>zu</strong><br />
nehmen, verbietet, beim Essen Druck und Zwang<br />
aus<strong>zu</strong>üben, und erfordert, ihnen Eigenständigkeit<br />
und Selbstbestimmung <strong>zu</strong> ermöglichen. Was <strong>Kinder</strong><br />
jetzt erleben, wird die Grundlage dafür sein,<br />
was sie später als Erwachsene weitergeben können.
14<br />
3 Aus den Workshops – Beispiele –<br />
Diskussionen – Handlungsmöglichkeiten<br />
Ist gesunde Ernährung bedingungslos machbar<br />
Verpflegungssysteme auf dem Prüfstand.<br />
Karsten Winke, nutriwin, Unternehmen für Catering und Ernährungsbildung, Potsdam<br />
Die Verantwortung für eine gesunde Ernährung<br />
des Kindes wird gemeinsam von der Familie und<br />
der <strong>Kita</strong> getragen, wobei sich beide Akteure als<br />
gleichberechtigte Partner wahrnehmen sollen. Dies<br />
ist oft schwierig <strong>zu</strong> realisieren, da es viele verschiedene<br />
Ansätze und Ansichten gibt, die es in<br />
den Einklang <strong>zu</strong> bringen gilt.<br />
Vor diesem Hintergrund stellt sich häufig die Frage,<br />
ob gesunde Ernährung bedingungslos machbar<br />
ist. Dies hängt unter anderem von Faktoren<br />
ab, die wir nur bedingt beeinflussen können.<br />
Heut<strong>zu</strong>tage sind viele Einflüsse im Detail schwierig<br />
nach<strong>zu</strong>vollziehen. Dies betrifft beispielsweise<br />
die Herkunft einzelner Lebensmittel, irreführende<br />
Werbe- und Marketingversprechen (vor allem im<br />
Bereich der kinderspezifischen Produkte), Lobbyinteressen<br />
oder hygienische Vorausset<strong>zu</strong>ngen.<br />
Außerdem konsumieren wir bewusst Lebensmittel,<br />
wie z.B. Süßigkeiten oder Fast-Food, die sich<br />
negativ auf die Gesundheit auswirken können.<br />
Eine ausgewogene und gesundheitsfördernde Ernährung,<br />
verbunden mit einer frühzeitigen Ernährungserziehung<br />
und -bildung, ist für die Familie<br />
und für die <strong>Kita</strong> dennoch machbar, sofern ein Be-
15<br />
wusstsein, das Wissen und entsprechende Rahmenbedingungen<br />
vorhanden sind.<br />
Was bedeutet „<strong>Gesunde</strong> Ernährung“<br />
in <strong>Kita</strong> und Familie<br />
In der <strong>Kita</strong><br />
n Die Einrichtung hat ein ganzheitliches Ernährungskonzept<br />
n Der Tagesablauf der einzelnen Familien ist<br />
durch Gespräche und Beobachtungen erfasst.<br />
n Die Mitarbeiter/innen der Einrichtung sind in<br />
Ernährungsfragen informiert und geschult; eine<br />
gemeinsame und klare Philosophie ist im<br />
Leitbild erkennbar.<br />
n Der Umgang mit Sonderfällen ist grundsätzlich<br />
bekannt und wird beachtet (z.B. adipöse Auffälligkeiten<br />
sowie Allergien und Unverträglichkeiten).<br />
n Die Wechselwirkung von körperlicher Bewegung<br />
und Entspannung wird berücksichtigt.<br />
n Die <strong>Kinder</strong> werden multisensorisch angeregt<br />
und so <strong>zu</strong>m Beispiel an der Zubereitung der<br />
Mahlzeiten beteiligt.<br />
n Das Thema Ernährung ist Bestandteil des <strong>Kita</strong>-<br />
Alltags und wird mit theoretischen und praktischen<br />
Inhalten begleitet, um den Essensprozess<br />
auch außerhalb der Mahlzeiten <strong>zu</strong> thematisieren.<br />
In der Familie<br />
n Diskussion grundsätzlicher Ernährungsfragen<br />
zwischen <strong>Kita</strong> und Eltern sollte möglichst frühzeitig<br />
stattfinden, um gemeinsame Lösungen<br />
<strong>zu</strong> finden und von Beginn an gemeinsame<br />
Handlungsweisen <strong>zu</strong> verfolgen.<br />
n Zustände werden nicht als gegeben hingenommen,<br />
eigenes Verhalten und Gewohnheiten<br />
werden regelmäßig geprüft.<br />
n Die Ernährung wird den verschiedenen Lebensphasen<br />
des Kindes entsprechend angepasst.<br />
n Eltern sind sich ihrer Vorbildwirkung bewusst.<br />
n Entspannung, Ruhe und gemeinsame Zeiten<br />
sollten als Chance <strong>zu</strong>r Kommunikation mit dem<br />
Kind betrachtet werden.<br />
Zwischenfazit<br />
<strong>Gesunde</strong> Ernährung ist ein zentrales Thema und<br />
betrifft jeden. Nur wenn die Familie und das soziale<br />
Umfeld einbezogen werden und das Bewusstsein<br />
für eine gesunde Ernährung vorhanden ist,<br />
kann die Arbeit an gemeinsamen Zielen erfolgreich<br />
sein. Die <strong>Kita</strong> kann sich externer Unterstüt<strong>zu</strong>ng<br />
bedienen. Mit den Ansprechpartnern in den<br />
Gesundheitsämtern, Krankenkassen oder Ernährungsberatern<br />
(staatl. anerkannte Diätassistenten<br />
mit Zulassung für die gesetzlichen Krankenkassen)<br />
sowie Fachverbänden und Gremien<br />
gibt es Spezialisten vor Ort. Auch die Lebensmittelhersteller<br />
richten sich verstärkt auf Problematiken<br />
wie Allergien und Unverträglichkeiten sowie<br />
Übergewicht ein. Die Wahrnehmung in der Gesellschaft<br />
für die Förderung einer gesunden Ernährung<br />
ist vorhanden. Das vorhandene Wissen muss<br />
jedoch in geeigneter Weise umgesetzt werden.<br />
Dabei geht es nicht nur um das, was wir essen,<br />
sondern auch darum, wie wir essen.<br />
Bewirtschaftungssysteme<br />
Es gibt nicht das perfekte Bewirtschaftungssystem<br />
oder ein allgemeingültiges Konzept, da in<br />
der Praxis unterschiedlichste Vorausset<strong>zu</strong>ngen<br />
vorhanden sind.<br />
Zunächst einmal gibt es zwei große Systeme,<br />
zwischen denen man sich entscheiden muss:<br />
Eigen- und Fremdbewirtschaftung<br />
Die erste Variante ist dann umsetzbar, wenn entsprechende<br />
Räumlichkeiten inklusive Ausstattung<br />
sowie Personal vorhanden sind. Dies kann<br />
mit einem großen finanziellen und zeitlichen Aufwand<br />
verbunden sein. Entscheidet man sich hingegen<br />
für die Fremdbewirtschaftung, liegen die<br />
meisten Zuständigkeiten beim Auftragnehmer,<br />
was jedoch die nicht <strong>Kita</strong> von dem Selbstverständnis<br />
und Anspruch eine gesunde Kost an<strong>zu</strong>bieten<br />
befreien sollte. Der Fremdversorger muss<br />
mit seinen Produkten die von der <strong>Kita</strong> gestellten<br />
Kriterien und Anforderungen erfüllen.<br />
Ob die Mahlzeiten in gestellten Räumlichkeiten<br />
<strong>zu</strong>bereitet werden oder von der Küche des Caterers<br />
angeliefert werden, hängt ebenfalls von den
16<br />
Rahmenbedingungen in der <strong>Kita</strong> ab. Der große<br />
Vorteil der Fremdbewirtschaftung besteht in der<br />
Planbarkeit der Kosten für die vereinbarte Vertragslaufzeit;<br />
der Nachteil hingegen in der eingeschränkten<br />
Flexibilität.<br />
Beide Bewirtschaftungssysteme geben die<br />
Grundlage für die Auswahl des entsprechenden<br />
Verpflegungssystems. Dies sieht im Detail folgendermaßen<br />
aus:<br />
n Frischeküche bzw. Frischkostsystem (Nut<strong>zu</strong>ng<br />
frischer Produkte)<br />
n Mischküche (Nut<strong>zu</strong>ng von Produkten unterschiedlicher<br />
Convenience-Stufen) .<br />
à nur umsetzbar, wenn eigene Räumlichkeiten<br />
vorhanden sind, da frisch vor Ort<br />
gekocht wird<br />
n Warmverpflegung (frische Zubereitung außer<br />
Haus, Mahlzeiten werden warm angeliefert) .<br />
à nur umsetzbar wenn eine Zentralküche in<br />
der Nähe ist<br />
n Tiefkühlkost bzw. Tiefkühlsystem (gefroren)<br />
oder Cook & Chill (gekühlt); Zubereitung außer<br />
Haus, späteres Erwärmen erfolgt meist vor Ort.<br />
Die Frischeküche ist die ursprünglichste Form der<br />
Verpflegung in der <strong>Kita</strong>. Andere Systeme haben<br />
sich erst später entwickelt und verbreitet, da der<br />
Unterhalt einer eigenen Küche <strong>zu</strong>nehmend<br />
schwer <strong>zu</strong> organisieren und <strong>zu</strong> finanzieren war.<br />
Inzwischen gibt es einen rückwärtsgewandten<br />
Trend, da man die Nachteile einer fehlenden Küche,<br />
wie z.B. die geringe sensorische Förderung<br />
oder den fehlenden Austausch mit dem Küchenpersonal,<br />
erkannt hat.<br />
Mit der Frischeküche kann man sich am besten<br />
auf die Bedürfnisse der einzelnen <strong>Kinder</strong> einstellen.<br />
Zudem kann es schwierig sein, einen Caterer<br />
<strong>zu</strong> finden, der sich auf <strong>Kinder</strong>ernährung spezialisiert<br />
und dabei die gewünschte Qualität liefert.<br />
Letztendlich gilt es aber, die Vor- und Nachteile<br />
ab<strong>zu</strong>wiegen, um eine Entscheidung für das individuell<br />
beste Konzept <strong>zu</strong> treffen.
17<br />
Was es kostet Finanzierbarkeit gesunder Kost für<br />
<strong>Kita</strong> und Familie.<br />
Stephanie Wetzel, Ökotrophologin, Berlin<br />
In der Praxis gibt es unterschiedliche Verpflegungsmodelle.<br />
Das ergibt für die einzelne <strong>Kita</strong><br />
ganz individuelle Kosten bzw. allgemein Unterschiede<br />
in der Kostenberechnung. Ein pauschaler<br />
Preis für die Versorgung eines Kindes in der <strong>Kita</strong><br />
ist daher nur schwer <strong>zu</strong> benennen.<br />
Der Kostendruck in der <strong>Kita</strong> ist groß. Dementsprechend<br />
wird häufig die Frage gestellt, inwieweit<br />
eine vollwertige Verpflegung überhaupt<br />
(noch) finanzierbar ist. Was darf das Essen in der<br />
<strong>Kita</strong> für das einzelne Kind kosten, damit es für die<br />
Eltern tragbar ist und bleibt Diese Frage wird<br />
auch durch weltweit steigende Rohstoff- und Lebensmittelpreise<br />
stetig verstärkt. Die Kosten für<br />
ein gesundes Essen müssen daher regelmäßig<br />
überprüft und angepasst werden.<br />
Problematiken im Umgang mit dem Budget<br />
n Welche Kosten werden berechnet (reine Lebensmittel<br />
bis hin <strong>zu</strong> <strong>zu</strong>sätzlichen Betriebsund<br />
Personalkosten)<br />
n Wie viele Mahlzeiten werden in der <strong>Kita</strong> angeboten<br />
(reines Mittagsangebot bis hin <strong>zu</strong>r Vollverpflegung)<br />
n Wie ist die Versorgung organisiert (eigene<br />
Küche, Catering, Elternverantwortung etc.)<br />
Bedingt durch das schnelle Wachstum haben <strong>Kinder</strong><br />
einen relativ hohen Energiebedarf, der mit<br />
steigendem Alter <strong>zu</strong>nimmt. So hat ein sieben- bis<br />
neunjähriges Kind etwa den gleichen Bedarf, wie<br />
eine Frau mittleren Alters. Die Richtwerte, die sich<br />
auch in der Ernährungspyramide wiederfinden,<br />
sind neben Alter und Geschlecht abhängig von<br />
Bewegungsaktivitäten und genetischen Faktoren.<br />
Dabei gilt eine Portionsempfehlung immer gemessen<br />
an einer Handvoll.<br />
Die Ernährungspyramide – Mengen und Kosten.<br />
Wo liegen Einsparpotenziale<br />
Getränke<br />
n Wasser und Tee sind sehr preiswert, die Leitungswasserqualität<br />
hier<strong>zu</strong>lande ist sehr gut<br />
und kann genutzt werden<br />
n <strong>zu</strong>sätzlich können <strong>Kita</strong>s in geringeren Mengen<br />
Saft (oder günstiger Schorlen) und Milchgetränke<br />
anbieten<br />
n <strong>Kinder</strong>n sollte jederzeit ausreichend Flüssigkeit<br />
<strong>zu</strong>r Verfügung stehen<br />
Obst und Gemüse<br />
n insgesamt ist dies ein großer Kostenblock (ca.<br />
1/3 der Ausgaben)<br />
n saisonal einkaufen, kann Kosten sparen<br />
n muss in der <strong>Kita</strong> verstärkt angeboten werden,<br />
da das nötige Obst- und Gemüseangebot <strong>zu</strong>
18<br />
Hause oftmals nicht gegeben ist (Kostenfaktor).<br />
Die wichtigen Inhaltsstoffe in der Ernährung<br />
des Kindes dürfen nicht fehlen, auch<br />
wenn der Sättigungseffekt dieser Lebensmittel<br />
nicht so groß ist<br />
n Portionen täglich sollten angestrebt werden<br />
Getreide und Vollkornprodukte<br />
n hier entstehen große Verzehrmenge, da hauptsächlich<br />
verantwortlich für die Sättigung<br />
n Müsli und verschiedene Vollkornprodukte können<br />
angeboten werden<br />
Milch und Milchprodukte<br />
n sind wichtig für Deckung des Proteinbedarfs<br />
n fettreduzierte Varianten nutzen<br />
n mindestens 2 Portionen in der <strong>Kita</strong><br />
Fleisch, Wurst und Fisch<br />
n in der <strong>Kita</strong> nicht unbedingt nötig, da es genug<br />
andere Eiweißquellen durch Milchprodukte<br />
und meist ausreichend Fleisch <strong>zu</strong> Hause gibt<br />
n Zusätzlich da<strong>zu</strong> ist der Bedarf eines Kindes mit<br />
1 Portion täglich sehr gering<br />
n ggf. 1x wöchentlich oder zweiwöchentlich Fisch<br />
anbieten<br />
n Man kann ruhigen Gewissens einen vegetarischen<br />
Speiseplan in der <strong>Kita</strong> anbieten; an<br />
dieser Stelle können Kosten gespart werden,<br />
um an anderer Stelle finanzielle Spielräume <strong>zu</strong><br />
ermöglichen.<br />
Fette und Öle<br />
n allgemein fettarme Kost in der <strong>Kita</strong> anbieten<br />
n Verwendung von Rapsöl, dieses hat wichtige<br />
Omega 3 Fettsäuren<br />
n <strong>zu</strong>sätzlich Angebot von Nüssen, auch in Kombination<br />
mit Müsli<br />
Berechnungen <strong>zu</strong>folge kosten die Lebensmittel<br />
für einen Tag Verpflegung, abhängig vom Alter<br />
der <strong>Kinder</strong>, zwischen zwei und vier Euro, wenn sie<br />
im Supermarkt gekauft werden. Möchte man mit<br />
Bio-Lebensmitteln die optimierte Mischkost realisieren,<br />
fallen <strong>zu</strong>weilen die doppelten Summen<br />
an. Dabei sind insbesondere Fleisch, Wurst und<br />
Fisch sowie Obst und Gemüse besonders teuer.<br />
Bei den weiteren Lebensmittelgruppen sind die<br />
Unterschiede nicht so stark ausgeprägt. Wenn<br />
man daher in der <strong>Kita</strong> einen größtenteils vegetarischen<br />
Speiseplan anbietet und das Obst und<br />
Gemüse saisonal einkauft, sind die Mehrkosten<br />
im Vergleich <strong>zu</strong> den herkömmlichen Lebensmitteln<br />
nicht gravierend.<br />
Dennoch gibt es immer Familien, die Probleme<br />
bei der Finanzierung der Verpflegung haben. Dies<br />
betrifft insbesondere Niedriglohnempfänger, Eltern<br />
die Arbeitslosengeld II empfangen oder<br />
.Alleinerziehende. Der eingeplante Satz von 2,50<br />
Euro bis 3,50 Euro am Tag für Nahrungsmittel<br />
reicht oftmals nicht aus, um das Kind optimal <strong>zu</strong><br />
ernähren. Dieses Defizit steigt mit <strong>zu</strong>nehmendem<br />
Alter der <strong>Kinder</strong>, da der Energiebedarf <strong>zu</strong>nimmt.<br />
Aus finanziellen Gründen sind Familien leider<br />
häufig nicht für gesunde Ernährung <strong>zu</strong> gewinnen,<br />
da sie mit dem geringen Einkommen sehr stark<br />
haushalten müssen. Dabei ist es schwer denkbar,<br />
den Eltern Laster und Kostentreiber, wie bpsw.<br />
den Zigarettenkonsum ausreden <strong>zu</strong> wollen, damit<br />
das Kind ausgewogen ernährt wird. Das kann<br />
nicht funktionieren, denn ein Leben am Existenzminimum<br />
ist ein extremer Stressfaktor. In solchen<br />
Situationen kann man über das Bildungspaket<br />
oder auf Antrag bei den <strong>zu</strong>ständigen Ämtern Zuschüsse<br />
bis hin <strong>zu</strong>r vollen Kostenübernahme erhalten.<br />
Auch die finanzielle Patenschaft für die<br />
Versorgung eines Kindes über <strong>Kita</strong>-Vereine oder<br />
Privatpersonen ist in seltenen Fällen denkbar.
19<br />
Für die <strong>Kita</strong>s an sich, also für <strong>zu</strong>sätzliches Personal<br />
oder Arbeitsstunden, gibt es keine direkte finanzielle<br />
Unterstüt<strong>zu</strong>ng, allenfalls im Bereich der<br />
Küchenausstattung. Doch auch dort werden Gelder<br />
oft nur im Rahmen konkreter Projekte bereitgestellt.<br />
Dementsprechend müssen die Mitarbeiter<br />
und Mitarbeiterinnen der <strong>Kita</strong> die Budgetplanung<br />
eigenverantwortlich durchführen, um die Kosten<br />
für die Familien möglichst gering <strong>zu</strong> halten. Da<strong>zu</strong><br />
kann man<br />
n wiederum saisonal einkaufen und Sonderangebote<br />
nutzen<br />
n möglichst portionsgenau planen und <strong>zu</strong>bereiten<br />
n den Speiseplans mit weitest gehendem Verzicht<br />
auf Fleisch, Wurst und Fisch gestalten sowie<br />
fettarme Milch- und Milchprodukte nutzen,<br />
da diese preiswerter sind<br />
n Eltern einbeziehen – Naturalien annehmen<br />
oder Lebensmittel einkaufen lassen<br />
n problematisch kann es dabei sein, für eine Elternbeteiligung<br />
gerechte Beteiligungsmodelle<br />
<strong>zu</strong> finden, da für die <strong>Kinder</strong> unterschiedliche<br />
Betreuungszeiten anfallen und die Ansprüche<br />
verschieden sind<br />
Die <strong>Kita</strong> allein muss nicht alle Anforderungen der<br />
Ernährungspyramide erfüllen, denn sie ist nicht<br />
für die Ganztagsverpflegung verantwortlich. Und<br />
dennoch wird in den Einrichtungen die Grundlage<br />
für eine gesunde Ernährung gelegt, die durch das<br />
Speisenangebot der Eltern <strong>zu</strong> Hause komplettiert<br />
wird. Vor allem Familien in schwierigen Lebenslagen<br />
wählen die Nahrungsmittel vorrangig nach<br />
dem Preis und ihrer Sättigungsfunktion aus. So<br />
werden Kartoffeln und preiswertes Fleisch anstelle<br />
von Obst und Gemüse angeboten. An dieser<br />
Stelle muss die <strong>Kita</strong> anknüpfen und Prioritäten in<br />
der Versorgung setzen, um den Nährstoffbedarf<br />
der <strong>Kinder</strong> in den wichtigsten Bereichen <strong>zu</strong> decken.
20<br />
Gelingende Kommunikation zwischen <strong>Kita</strong> und Familie –<br />
für ein gemeinsames (Ernährungs-) Verständnis.<br />
Heidrun Franke, Verbraucherzentrale Brandenburg e.V., Potsdam<br />
ebenso flexibel sollte sich das Eingehen auf deren<br />
Bedürfnisse gestalten. Es lohnt sich, einen<br />
Blick in die Familienverhältnisse <strong>zu</strong> werfen und<br />
sich mit der Herkunft bzw. den sozialen Hintergründen,<br />
aus denen die Familien stammen, <strong>zu</strong><br />
befassen. Denn nur so können möglichst viele Eltern<br />
erreicht werden.<br />
Eine gelingende Kommunikation der <strong>Kita</strong> mit den<br />
Eltern und den <strong>Kinder</strong>n ist die Grundlage für die<br />
Entwicklung eins gemeinsamen Ernährungsverständnis<br />
und der erfolgreichen Umset<strong>zu</strong>ng eines<br />
ganzheitlichen Ernährungskonzeptes in der Einrichtung.<br />
Es geht dabei nicht nur darum, gesunde<br />
Mahlzeiten an<strong>zu</strong>bieten, sondern vielmehr die<br />
<strong>Kinder</strong> und auch die Eltern langfristig für diese<br />
Thematik <strong>zu</strong> sensibilisieren und für eine gute,<br />
gesunde Ernähungsweise <strong>zu</strong> gewinnen.<br />
<strong>Kinder</strong> lernen von Erwachsenen und das, was sie<br />
durch ihr eigenes Verhalten ausdrücken, gibt<br />
häufig Aufschluss über ihre Erfahrungen aus dem<br />
Elternhaus. So unterschiedlich die <strong>Kinder</strong> und ihre<br />
Prägungen aus der Familienstruktur sind,<br />
Die Auseinanderset<strong>zu</strong>ng mit ihren Einstellungen,<br />
Interessen und Neigungen kann hilfreich sein,<br />
wenn es darum geht, zielgerichtet <strong>zu</strong> kommunizieren,<br />
auf unterschiedliche Elterngruppen <strong>zu</strong><strong>zu</strong>gehen<br />
und auch diejenigen an<strong>zu</strong>sprechen, die<br />
sich weniger integrieren lassen bzw. einbringen<br />
wollen. Damit die Familien effektiv erreicht werden,<br />
sollten die Erzieher/innen eine Kommunikation<br />
auf Augehöhe anstreben. Da<strong>zu</strong> kann man<br />
sich der Wissenschaft und ihren Erkenntnissen<br />
bezüglich gesellschaftlicher Strukturen bzw.<br />
möglicher Kategorisierungen bedienen, die einige<br />
grobe Unterteilungen vornimmt.<br />
Soziale Lage<br />
Wo Faktoren wie Bildung und Einkommen eine<br />
wichtige Rolle spielen und gesellschaftliche Unterschiede<br />
deutlich werden, wird aus wissenschaftlicher<br />
Sicht von der sozialen Lage gesprochen.<br />
In diesem Punkt gibt es typischerweise eine<br />
große Mittelschicht sowie eine kleinere Oberund<br />
Unterschicht.<br />
Eine weitere Segmentierung kann nach den individuellen<br />
Lebensstilen sowie Grund- und Werteeinstellungen<br />
in den Familien vorgenommen werden,<br />
welche sich oftmals schichtübergreifend
21<br />
darstellen. Tradition und Modernität sowie das<br />
Bedürfnis nach Selbstverwirklichung sind wichtige<br />
Kriterien, die dabei betrachtet werden. Auf<br />
der einen Seite gibt es die moderneren Familien,<br />
die aufgeschlossen gegenüber neuen pädagogischen<br />
Konzepten sind und den <strong>Kinder</strong>n oftmals<br />
sehr viele Freiheiten <strong>zu</strong>sprechen, um eigene Erfahrungen<br />
<strong>zu</strong><strong>zu</strong>lassen und die Selbständigkeit<br />
der <strong>Kinder</strong> <strong>zu</strong> fördern. Es gibt aber daneben auch<br />
eher traditionell ausgerichteten Familien, in denen<br />
Rituale beim Essen, wie das Probieren und<br />
Aufessen der Speisen oder das gemeinsame Beginnen<br />
und Beenden der Mahlzeiten, oft eine<br />
große Rolle spielen.<br />
Was genau bei den Familien auf den <strong>Tisch</strong> <strong>kommt</strong>,<br />
hängt neben dem Einkommen sehr stark von der<br />
persönlichen Einstellung ab. Also wie wichtig<br />
sind vollwertige Kost und tierische Produkte aus<br />
artgerechter Haltung, Biolebensmittel oder Produkte<br />
aus fairem Handel Wenn man sich eine<br />
bessere Qualität verspricht, sind viele Eltern auch<br />
oft bereit mehr Geld dafür aus<strong>zu</strong>geben, wenn es<br />
die finanzielle Situation erlaubt.<br />
Neben diesem monetären Faktor spielt auch die<br />
Zeit eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der<br />
Mahlzeiten. So gibt es „Fertiggerichtfamilien“,<br />
obwohl es eigentlich gar nicht ihrer persönlichen<br />
Überzeugung entspricht. Vom Anspruch her kochen<br />
sie am liebsten frisch, was sich aber oft nur<br />
am Wochenende realisieren lässt. Ebenso verhält<br />
es sich mit den gemeinsamen Mahlzeiten. Aufgrund<br />
des Zeitfaktors ist es oft nicht realisierbar,<br />
dass die gesamte Familie gemeinsam isst, obwohl<br />
dies durchaus gewünscht wird.<br />
Viele Eltern stehen diesen Themen nicht gleichgültig<br />
gegenüber, wollen aber die grundsätzliche<br />
Verantwortung dafür lieber abgeben, da sie <strong>zu</strong><br />
Hause nicht in der Lage sind, ihre eigenen Ansprüche<br />
<strong>zu</strong> realisieren. Solche Eltern fallen in der<br />
<strong>Kita</strong> häufig durch Anregungen aber auch Kritik<br />
auf. Dieses Potenzial muss genutzt werden, indem<br />
man durch gezielte Kommunikation und Integration<br />
einen gemeinsamen Weg sucht, die jeweiligen<br />
Ansprüche <strong>zu</strong> verwirklichen.<br />
Eine weitere Gruppe von Eltern, die in gewissem<br />
Maße auffällig, aber einem ganz anderen Milieu<br />
<strong>zu</strong><strong>zu</strong>ordnen sind, sind die Väter und Mütter aus<br />
eher sozial benachteiligten Lagen. Dort herrschen<br />
verbreitet soziale Ängste davor den Anschluss<br />
<strong>zu</strong> verlieren, ab<strong>zu</strong>rutschen oder ausgeschlossen<br />
<strong>zu</strong> werden. Von dieser Situation können<br />
verschiedenste Altersgruppen und Bildungshintergründe<br />
betroffen sein. Diese Personen sind<br />
für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der <strong>Kita</strong>s<br />
oftmals schwer erreichbar. Aus der Angst und<br />
teilweise auch dem Wissen heraus einiges falsch<br />
<strong>zu</strong> machen oder nicht mithalten <strong>zu</strong> können, sperren<br />
sie sich gegenüber Gesprächen und anderweitigen<br />
Beteiligungsformen. Um ihr schlechtes<br />
Gewissen <strong>zu</strong> unterdrücken und ohne Vorwürfe<br />
leben <strong>zu</strong> können, versuchen sie dies <strong>zu</strong> verstecken,<br />
indem sie sich konsequent <strong>zu</strong>rückziehen. In<br />
dieser Gruppe versuchen die Eltern ihre finanziellen<br />
Engpässe nicht nach außen sichtbar werden<br />
<strong>zu</strong> lassen, sie steckten häufig einen Großteil ihrer<br />
finanziellen Mittel in die <strong>Kinder</strong>, stellen ihre eigenen<br />
Bedürfnisse weitestgehend <strong>zu</strong>rück. In der<br />
materiellen Ausstattung der <strong>Kinder</strong> können so<br />
kaum Unterschiede gemacht werden, doch das<br />
Verhalten der <strong>Kinder</strong> ist häufig von den Nöten<br />
und Ängsten der Eltern geprägt. Auch diese Eltern<br />
wollen seitens der <strong>Kita</strong>s erreicht werden,<br />
müssen aber aktiviert werden. Denn auch sie<br />
wollen das Beste für ihre <strong>Kinder</strong>. Alle Eltern haben<br />
unterschiedliche Möglichkeiten und Fähigkeiten,<br />
die erkannt und eingebracht werden können.<br />
Die Erkenntnis der verschiedenen Milieus ist<br />
hilfreich, um <strong>zu</strong> verstehen, wie die Eltern am besten<br />
an<strong>zu</strong>sprechen sind und warum ein Kind bestimmte<br />
Verhaltensweisen an den Tag legt.
22<br />
Vor diesem Hintergrund gibt es einige wesentliche<br />
Punkte, die für eine gelungene Zusammenarbeit<br />
und Kommunikation mit den Eltern beachtet<br />
werden sollten:<br />
n das Bewusstsein wecken, Eltern aktivieren –<br />
für gesunde Ernährung und allgemein für die<br />
Wichtigkeit der Mitarbeit der Eltern im <strong>Kita</strong>alltag<br />
n unterschiedliche Ansprachen, um auf individuelle<br />
Hintergründe ein<strong>zu</strong>gehen (In manchen Fällen,<br />
meist auch bei den oberen sozialen<br />
Schichten, reicht es, einen Handzettel oder<br />
Flyer mit<strong>zu</strong>geben, um die Informationen <strong>zu</strong><br />
transportieren. Bei anderen, insbesondere den<br />
sozial schwächer gestellten, sollte man verstärkt<br />
das persönliche Gespräch beispielsweise<br />
in den Bring- und Abholzeiten suchen.)<br />
n Begegnung auf Augenhöhe, niemand darf sich<br />
bevormundet fühlen<br />
n einen gemeinsamen Standpunkt schaffen und<br />
gemeinsame Ziele formulieren, damit <strong>Kinder</strong><br />
nicht zwischen den Stühle (<strong>Kita</strong> versus Familie)<br />
sitzen<br />
n um Verantwortung <strong>zu</strong> teilen statt sie sich gegenseitig<br />
<strong>zu</strong><strong>zu</strong>schieben<br />
n <strong>zu</strong>r Förderung eines wechselseitige Verständnisses<br />
und kultureller Vermittlung<br />
n Verbündete suchen und <strong>Kinder</strong> als Mittler ansehen,<br />
denn das Interesse am Kind kann helfen,<br />
die Eltern <strong>zu</strong> aktivieren. <strong>Kinder</strong> tauschen<br />
sich untereinander aus und tragen die Dinge<br />
von außerhalb in das Elternhaus, die sie dort<br />
bisher nicht mitbekommen haben.<br />
n verschiedene Möglichkeiten der Partizipation<br />
bieten<br />
<strong>Kinder</strong> orientieren sich an ihren Be<strong>zu</strong>gspersonen,<br />
welche nicht nur die Eltern sind. Dementsprechend<br />
sollten sich alle gemäß ihrer Vorbildfunktion<br />
verhalten. Wichtig ist das Einbeziehen aller<br />
Beteiligten von Eltern und Großeltern über die<br />
<strong>Kinder</strong> selbst und Erzieher/innen bis hin <strong>zu</strong> sonstigen<br />
Partnern. Manche sind eher praktisch veranlagt,<br />
andere eher technisch und wieder andere<br />
sind sehr gut im Organisieren. Mit einer aufgaben-,<br />
ziel- und interessenorientierten Arbeitsweise<br />
und verschiedenen Projekten, kann es gelingen<br />
alle Eltern an<strong>zu</strong>sprechen und <strong>zu</strong> aktivieren,<br />
auch diejenigen, die sich sonst eher <strong>zu</strong>rückziehen.<br />
n konkrete Projekte anbieten<br />
Mit gemeinsamen Veranstaltungen oder Festen<br />
kann die Thematik praktisch erlebbar werden,<br />
anstatt den Fokus auf die Theorie und den Bildungsaspekt<br />
<strong>zu</strong> setzen. Die Angebote wie z.B.<br />
Themenabende oder Elterncafés sollten an die<br />
individuellen Interessen und Möglichkeiten der<br />
Eltern angepasst werden und an deren Voraussetz<strong>zu</strong>ngen<br />
anknüpfen. Auch die Veranstaltungszeit<br />
sollte flexibel gestaltet werden, um <strong>zu</strong> prüfen,<br />
wann die Resonanz am größten ist.<br />
n Kommunikation fördern<br />
Alle Interessierten sollen sich auf Augenhöhe begegnen,<br />
niemand darf sich benachteiligt oder bevormundet<br />
fühlen, damit ein anregender Austausch<br />
ermöglicht wird.<br />
n Dokumentation<br />
Die <strong>Kinder</strong> sollten ihre eigenen Vorstellungen<br />
und Wünsche für ihre Mahlzeiten entwickeln können<br />
und diese bei der Erstellung des Speiseplans<br />
einbringen. Dabei ist es wichtig, möglichst bildhaft<br />
<strong>zu</strong> arbeiten, um den <strong>Kinder</strong>n Orientierungen<br />
<strong>zu</strong> geben und es ihnen insgesamt leichter <strong>zu</strong> machen,<br />
den Eltern <strong>zu</strong> zeigen, welche Mahlzeiten<br />
ihnen besonders gut geschmeckt haben. Die Eltern<br />
sollen außerdem erkennen, was es in der <strong>Kita</strong><br />
<strong>zu</strong> essen gab, um diese Mahlzeiten <strong>zu</strong> Hause<br />
sinnvoll und individuell <strong>zu</strong> ergänzen. Da<strong>zu</strong> kann<br />
es sehr hilfreich sein, Fotos von den Zutaten oder<br />
den angerichteten Tellern an<strong>zu</strong>bringen und ggf.<br />
auch mit Farben in Anlehnung an die Ernährungspyramide<br />
<strong>zu</strong> arbeiten.
23<br />
Wenn es speziell um das Thema Essen und trinken<br />
geht, ist davon aus<strong>zu</strong>gehen, dass Teile der<br />
heutigen Elterngeneration nicht mehr in der Lage<br />
sind, vollwertig <strong>zu</strong> kochen. Viele Fähigkeiten sind<br />
abhandengekommen. Meist bilden sich die werdenden<br />
Eltern jedoch selbständig fort, wenn sie<br />
anfangen ihren neuen Lebensabschnitt <strong>zu</strong> überdenken.<br />
Dementsprechend ist insbesondere die<br />
<strong>Kita</strong> in der Lage dort an<strong>zu</strong>setzen, wo das Interesse<br />
der Eltern und der Einfluss auf die <strong>Kinder</strong> noch<br />
am größten ist.
24<br />
<strong>Kita</strong> mit Biss – Kariesprophylaxe & gesunde Ernährung<br />
für gesunde <strong>Kinder</strong>zähne<br />
Dr. Petra Haak, Gesundheitsamt Frankfurt (Oder), Sachgebietsleiterin Zahnärztlicher Dienst<br />
Milchzähne werden in ihrer Wertigkeit häufig unterschätzt,<br />
obwohl sie viele Aufgaben <strong>zu</strong> erfüllen<br />
haben. Sie werden nicht nur <strong>zu</strong>m Abbeißen und<br />
Kauen, sondern auch für das Erlernen des Sprechens,<br />
die Kommunikation und ein schönes Lächeln<br />
benötigt. Ein gesundes Milchgebiss beeinflusst<br />
das Selbstwertgefühl und das allgemeine<br />
Wohlbefinden eines Kindes positiv. Milchzähne<br />
halten den Platz für die bleibenden Zähne, die<br />
wiederum größere Chancen haben, gesund <strong>zu</strong><br />
bleiben, wenn sie in eine kariesfreie Mundhöhle<br />
hineinwachsen.<br />
In diesem Sinne ist es bereits im frühen Kindesalter<br />
von großer Bedeutung, Karies (Zahnfäule) <strong>zu</strong><br />
vermeiden.<br />
Vorrausset<strong>zu</strong>ng für die Kariesentstehung sind<br />
Zahnbelag und niedermolekulare Kohlenhydrate<br />
(Zucker), wobei der Zeitfaktor eine große Rolle<br />
spielt.<br />
Die Kariesprophylaxe wird durch 4 Säulen gestützt<br />
(nachstehende Grafik).<br />
Die vier Säulen der Prophylaxe<br />
1. Mundhygiene<br />
n Beginnt schon vor dem ersten Zahn mit der<br />
Massage des Kieferkamms<br />
n Zähneputzen ab Durchbruch des ersten Zahnes<br />
n dabei altersgerechte Nut<strong>zu</strong>ng von Zahnbürsten<br />
und fluoridhaltigen Zahnpasten<br />
n Zähneputzen nach der KAI-Technik (Abbildung)<br />
n Vorbildfunktion der Eltern, Zähneputzen als<br />
Selbstverständlichkeit kommunizieren (Herausbildung<br />
eines Alltagsrituals)<br />
n möglichst nach jeder Hauptmahlzeit die Zähne<br />
putzen<br />
n Eltern sollten die Zähne ihres Kindes nachputzen<br />
bis es flüssig die Schreibschrift beherrscht<br />
2. Fluoridierung<br />
Fluoride verbessern die Zahnschmelzqualität,<br />
hemmen den Stoffwechsel der Bakterien und fördern<br />
die Remineralisation (Wiederverkalkung)<br />
des Zahnschmelzes. Dabei ist die lokale Anwendung<br />
in der Mundhöhle des Kindes von kariespräventiver<br />
Bedeutung.<br />
n Altersgerechte Anwendung von fluoridhaltigen<br />
<strong>Kinder</strong>zahnpasten<br />
n Ergänzend da<strong>zu</strong> fluoridiertes Speisesalz<br />
n Bei <strong>Kinder</strong>n mit erhöhtem Kariesrisiko werden<br />
im Rahmen der Intensivprophylaxe Fluoridlacke,<br />
-gele bzw.-lösungen eingesetzt<br />
n Fluoridtabletten können ebenfalls bei erhöhtem<br />
Kariesrisiko nach einer Fluoridanamnese<br />
verabreicht werden
25<br />
4 Säulen der Prophylaxe<br />
Mundhygiene<br />
Fluoridierung<br />
ausgewogene<br />
Ernährung, Ernährungslenkung<br />
regelmäßiger<br />
Zahnarztbesuch<br />
3. Ernährungslenkung<br />
Ziel.ist.es.Art,.Zeit.und.Reihenfolge.der.Aufnahme.<br />
von.kariesfördernden.Kohlenhydraten.so.<strong>zu</strong>.steuern,.<br />
dass. eine. Schädigung. des. Zahnschmelzes.<br />
weitestgehend.reduziert.wird:.<br />
n <strong>zu</strong>ckerfreier.Vormittag<br />
n <strong>zu</strong>cker-.und.säurefreie.Nacht.<br />
n Zur.Anregung.des.Speichelflusses.ist.eine.kauintensive.Nahrung.insbesondere.am.Vormittag.<br />
wichtig<br />
Trinkempfehlungen:<br />
n Möglichst.<strong>zu</strong>ckerfrei.bspw..Wasser.oder.ungesüßter.Tee<br />
n Säfte. sind. sehr. säurehaltig,. daher. nur. stark.<br />
verdünnt.anbieten<br />
n <strong>Kinder</strong>,. die. an. süße. Geteränke. gewöhnt. sind,.<br />
langsam.an.neutraleren.Geschmack.gewöhnen<br />
n Vermeidung. des. Dauergebrauchs. von. Fläschchen.<br />
bzw.. Trinklerngefäßen. mit. süßem. bzw..<br />
saurem.Inhalt<br />
n Möglichst. frühzeitige. Nut<strong>zu</strong>ng. von. Bechern.<br />
bzw.. Tassen. anstelle. von. Fläschchen. (begonnen.werden.kann.damit,.sobald.das.Kind.sicher.<br />
sitzen.kann)<br />
Der. Pass. für. Vorschulkinder<br />
wird.<br />
den.zwei.Jahre.alten.<br />
<strong>Kinder</strong>n. in. den. <strong>Kita</strong>s.<br />
und. Tagespflegestellen.<br />
ausgehändigt..<br />
Die. gruppenprophy.lak.tische.<br />
Betreuung. und. individuelle.Prophylaxemaßnahmen.<br />
der.<br />
Zahnarztpraxen.<br />
wer.den. darin. vermerkt..<br />
Eltern. erhalten. so. einen. Überblick. über. die.<br />
Leistungen. der. gesetzlichen. Krankenversicherung.<strong>zu</strong>r.Verhütung.von.Zahnerkrankungen.ihrer.<br />
<strong>Kinder</strong>.und.praktische.Tipps..Eine.Einflussnahme.<br />
auf.das.Gesundheitsverhalten.der.Familien.ist.<strong>zu</strong>.<br />
beobachten.<br />
4..Zahnarztbesuch<br />
Damit.<strong>Kinder</strong>.sich.bereits.frühzeitig.an.Zahnarztbesuche.<br />
gewöhnen. können,. ist. neben. der. Teilnahme.an.den.zahnärztlichen.Untersuchungen.in.<br />
den.<strong>Kinder</strong>einrichtungen.im.Rahmen.der.zahnmedizinischen.<br />
Gruppenprophalyxe. der. Besuch. des.<br />
Hauszahnarztes. notwendig.. Hinweise. da<strong>zu</strong>. enthält.der.Zahnärztliche<br />
Prophylaxe- Pass für Mutter<br />
& Kind,.der.die.werdende.Mutter.während.der.<br />
Schwangerschaft.und.ihr.Kind.bis.<strong>zu</strong>m.2..Geburtstag.begleitet..
26<br />
Zahnputztechnik für <strong>Kinder</strong>: KAI<br />
Kauflächen<br />
Zuerst wird auf den Kauflächen<br />
hin und her geputzt. Begonnen<br />
wird unten. Rechtshänder beginnen<br />
auf der rechten Seite<br />
und gehen dann <strong>zu</strong>r linken Seite.<br />
Genauso oben.<br />
Außenflächen:<br />
Stelle die Zähne aufeinander.<br />
Rechtshänder beginnen<br />
in der rechten Wangentasche<br />
in Höhe der letzten<br />
.Backenzähne und bewegen<br />
die Zahnbürste kreisend<br />
nach vorn. Danach wird in der linken Wangentasche<br />
kreisend von hinten nach vorn geputzt.<br />
Lasse nun die Zahnbürste über alle Schneidezähne<br />
kreisen.<br />
Innenflächen:<br />
Zum Schluss kommen alle Innenflächen<br />
unten und oben<br />
dran. Dabei wird wieder ganz<br />
hinten angefangen und von<br />
Rot nach Weiß geputzt, vom<br />
Zahnfleisch <strong>zu</strong>m Zahn.<br />
„<strong>Kita</strong> mit Biss“ – ein interdisziplinäres<br />
Präven tionsprogramm für <strong>Kinder</strong>tagesstätten<br />
im Rahmen der zahnmedizinischen Gruppenprophylaxe<br />
Im Dezember 2003 startete der Zahnärztliche<br />
Dienst des Gesundheitsamtes Frankfurt (Oder)<br />
die Aktion „<strong>Kita</strong> mit Biss“. Anlass dafür waren die<br />
Befunde der zahnärztlichen Untersuchungen in<br />
den <strong>Kinder</strong>tagesstätten, die in keiner Weise <strong>zu</strong>frieden<br />
stellen konnten. Besonders die frühkindliche<br />
Karies in Form der Nuckelflaschenkaries trat<br />
bei vielen <strong>Kinder</strong>n in mehr oder minder ausgeprägter<br />
Form in fast allen Frankfurter <strong>Kinder</strong>einrichtungen<br />
auf. Ein Problem für Eltern und natürlich<br />
auch für <strong>Kinder</strong>. Denn diese Zähne sehen<br />
hässlich aus, verursachen häufig Schmerzen und<br />
beeinträchtigen die Nahrungsaufnahme, das<br />
Wohlbefinden sowie die Sprachentwicklung.<br />
Für diese Form der Zahnkaries gibt es eine klar<br />
definierte Ursache: Der dauerhafte Genuss von<br />
Getränken aus Nuckelflaschen oder anderen<br />
Trinkgefäßen mit Aufsatz. Dabei wird die Vielfalt<br />
der Getränke in diesen Flaschen immer größer.<br />
Gesüßte Tees, Saft oder Saftschorle, Multivitaminsäfte<br />
und Eistees sind typischer Inhalt. Wenn<br />
<strong>Kinder</strong> unbeaufsichtigt mehrmals täglich oder<br />
abends beim Einschlafen sich aus diesen Gefäßen<br />
bedienen können, <strong>kommt</strong> es <strong>zu</strong>r Auflösung des<br />
gesunden Zahnschmelzes und innerhalb kürzester<br />
Zeit wird aus dem weißen Milchzahn ein<br />
brauner Milchzahnrest.<br />
Der Zahnärztlichen Dienst des Gesundheitsamtes<br />
hat die Aktion „<strong>Kita</strong> mit Biss“, die sich an alle<br />
<strong>Kinder</strong>tagesstätten der Stadt Frankfurt (Oder)<br />
richtete, initiiert.<br />
Ziel der Aktion „<strong>Kita</strong> mit Biss“ war, frühzeitig etwas<br />
<strong>zu</strong> tun, dass die Milchzähnchen bei den Kleinen<br />
gar nicht erst krank werden können. So entstand<br />
die Idee, durch ein umfangreiches Ernährungs-<br />
und Aufklärungsprogramm für Erzieherinnen<br />
und Eltern diesen unbefriedigenden Ergebnissen<br />
entgegen <strong>zu</strong> wirken. Es wurden Handlungsleitlinien<br />
für <strong>Kinder</strong>tagesstätten <strong>zu</strong>r Vermeidung<br />
der frühkindlichen Karies entwickelt.<br />
„Die <strong>Kita</strong> mit Biss“<br />
… unterstützt und begleitet die tägliche Zahnpflege<br />
mit fluoridhaltiger <strong>Kinder</strong>zahnpasta,<br />
… verzichtet auf Nuckelflaschen und Trinklerngefäße,<br />
… fördert das Abstellen von Lutschgewohnheiten,<br />
… bietet gesunde Frühstücksaktionen an,<br />
… reicht vorwiegend kauintensive Obst- und Gemüsezwischenmahlzeiten,<br />
… bietet den <strong>Kinder</strong>n ungesüßte Getränke an,<br />
… gestaltet den Vormittag <strong>zu</strong>ckerfrei und<br />
… bezieht Eltern mit ein.
27<br />
2007 eine Evaluation unter Verwendung des Fragebogens<br />
„<strong>Kita</strong> mit Biss- Macht unsere <strong>Kita</strong> noch<br />
mit“ durchgeführt. Nach Auswertung der Fragebögen<br />
konnte festgestellt werden, dass es mit<br />
der Einführung von „<strong>Kita</strong> mit Biss“ gelungen ist,<br />
das gesundheitsfördernde Lebensumfeld der <strong>Kinder</strong><br />
in den „<strong>Kita</strong>´s mit Biss“ positiv <strong>zu</strong> verändern.<br />
Im Schuljahr 2010/2011 erfolgte die zweite Evaluation<br />
(www.frankfurt-oder.de) im Rahmen einer<br />
interviewbasierten Befragung der <strong>Kita</strong>- Leiterinnen<br />
in der <strong>Kinder</strong>tagesstätte in der Regel nach<br />
Abschluss der Basisprophylaxe.<br />
Die Umset<strong>zu</strong>ng dieser Handlungsleitlinien wird<br />
durch die Beitrittserklärungen der <strong>Kita</strong>s dokumentiert<br />
und mit einem Zertifikat bestätigt, das<br />
im Eingangsbereich der <strong>Kinder</strong>einrichtung angebracht<br />
wird. Das Zertifikat belegt, dass das <strong>Kita</strong>-<br />
Team diesen Qualitätsstandard umsetzt.<br />
29 <strong>Kinder</strong>tagesstätten der Stadt Frankfurt (Oder)<br />
haben sich inzwischen durch ihren schriftlichen<br />
Beitritt <strong>zu</strong>r Aktion „<strong>Kita</strong> mit Biss“ freiwillig verpflichtet,<br />
die Handlungsleitlinien in ihrer <strong>Kinder</strong>tagesstätte<br />
um<strong>zu</strong>setzen.<br />
Um die Wirksamkeit dieser Aktion nachvollziehen<br />
<strong>zu</strong> können, wurde erstmals im Schuljahr 2006/<br />
Nach Auswertung der Evaluationsinterviews mit<br />
den <strong>Kita</strong>-Leiterinnen ist fest<strong>zu</strong>stellen, dass „<strong>Kita</strong><br />
mit Biss“ Akzeptanz in den Einrichtungen und bei<br />
den Eltern findet. Die Einrichtungen identifizieren<br />
sich mit dem Programm und erweitern dadurch<br />
auch ihr eigenes (gesundheitsförderliches) Profil.<br />
Die Handlungsleitlinien werden gut in die Praxis<br />
umgesetzt, sodass der Anteil der <strong>Kinder</strong> mit frühkindlicher<br />
Karies <strong>zu</strong>rückgegangen ist. Der neu<br />
entwickelte Elternflyer unterstützt die Elternarbeit<br />
der Erzieherinnen und Erzieher.<br />
Aus der Aktion „<strong>Kita</strong> mit Biss“ ist ein interdisziplinäres<br />
Präventionsprogramm geworden, das von<br />
Jahr <strong>zu</strong> Jahr in mehr <strong>Kita</strong>s eingeführt und umgesetzt<br />
wird. Auch in den Städten Cottbus und Brandenburg<br />
an der Havel sowie in den Landkreisen<br />
Spree- Neiße und Teltow- Fläming gibt es inzwischen<br />
„<strong>Kita</strong>s mit Biss“, die alle ein Bestandteil<br />
der gruppenprophylaktischen Betreuung durch<br />
die Zahnärztlichen Dienste der Gesundheitsämter<br />
sind.<br />
Weitere Informationen hier<strong>zu</strong> finden Sie unter<br />
www.brandenburger-kinderzaehne.de.
28<br />
Mehr als nur Essen. <strong>Gesunde</strong> Ernährung zwischen<br />
Kommunikation, Atmosphäre und Raumgestaltung.<br />
Dr. Claudia Gölz, Ökotrophologin, Berlin<br />
à Kommunikation zwischen Erziehern/innen<br />
und <strong>Kinder</strong>n<br />
à Kommunikation zwischen <strong>Kita</strong> und Eltern<br />
à Wie fühlen sich <strong>Kinder</strong> beim Essen wohl<br />
à Was tun mir Suppenkasper Strategien für<br />
schwierige Situationen<br />
Kommunikation zwischen Erziehern/innen und<br />
<strong>Kinder</strong>n<br />
Vorweg sei gesagt, dass es nicht darum geht,<br />
<strong>Kinder</strong> über gesunde Ernährung auf<strong>zu</strong>klären.<br />
Vielmehr ist das Schaffen und Gestalten von Erfahrungsräumen<br />
wichtig, in denen <strong>Kinder</strong> durch<br />
Spiel, Spaß und mit all ihren Sinnen selbst kennen-<br />
bzw. erlernen können, was gut und gesund<br />
für sie ist. Ein sehr erfolgreicher Weg ist es dabei<br />
die kindliche Neugier <strong>zu</strong> nutzen. Denn für <strong>Kinder</strong><br />
ist alles Neue spannend, insbesondere dann,<br />
wenn sie (z.B. mit ihren Händen) etwas selbst<br />
machen können.<br />
Der Titel des Workshops Mehr als nur Essen<br />
spricht bereits für sich: Gutes und gesundes Essen<br />
ist mehr als das bloße Verzehren einer ausgewogenen<br />
Mahlzeit. Es ist ein Zusammenspiel von<br />
Faktoren wie Kommunikation, Ambiente und<br />
Raumgestaltung, die es <strong>Kinder</strong>n ermöglicht, die<br />
Freude an gesunder Ernährung für sich <strong>zu</strong> entdecken.<br />
Doch welchen Einfluss haben diese Faktoren<br />
genau auf unser Ernährungsverhalten und<br />
was lässt sich daraus für die Praxis ableiten<br />
Um das Thema differenziert betrachten <strong>zu</strong> können<br />
und für die <strong>Kita</strong>- Praxis auf<strong>zu</strong>bereiten, wird die<br />
Thematik anhand folgender Fragen konkretisiert:<br />
Verschiedene Ideen können dabei umgesetzt<br />
werden:<br />
n Jahreszeitliche Spaziergänge mit Sammeln,<br />
Pflücken, Kochen, Backen, Basteln<br />
n Verbindungen herstellen zwischen Basteln und<br />
Essen <strong>zu</strong>bereiten (Kürbis, Halloween, Kürbissuppe)<br />
n Verbindungen herstellen zwischen Sammeln<br />
und Essen <strong>zu</strong>bereiten (Streuobstwiese, Apfelmus/Apfelkuchen)<br />
n Malen/Probieren/Kochen mit Lebensmittelgruppen:<br />
z.B. Nüsse/Saaten, Beerenobst<br />
n Mahlzeiten gestalten: nach Farbe, nach Formen,<br />
nach Konsistenz, nach Jahreszeit<br />
n Obstratespiel (Ertasten), anschließend gemeinsame<br />
Obstsalat<strong>zu</strong>bereitung
29<br />
n Sensorik-Ratespiele (z.B. Vergleich von Püree<br />
aus Rote Beete, Karotten, Kartoffeln, Lauch,<br />
Kürbis; süß-sauer-bitter-scharf-salzig; Kräuter;<br />
Gewürze; Joghurt / Quark / Frischkäse / Kefir)<br />
n (selbst erfundene) Geschichten erzählen, in<br />
denen etwas über gesundes Essen vermittelt<br />
wird (Literaturhinweis: „Bettina im Schlaraffenland“)<br />
Kommunikation zwischen <strong>Kita</strong> und Eltern: Die<br />
Eltern mit ins Boot holen<br />
Damit <strong>Kinder</strong> erfahren können, wie sie auch mit<br />
Blick auf ihre Ernährung gesund durchs Leben<br />
gehen können und dabei von ihrem gesamten<br />
Umfeld unterstützt werden, ist die Zusammenarbeit<br />
der erziehenden Fachpersonen mit den Eltern<br />
unverzichtbar.<br />
Eltern können unter anderem an folgenden<br />
Aktionen beteiligt werden:<br />
n Gemeinsam ein Frühlings, Sommer-, Herbstoder<br />
Winterfest mit gesunden Leckereien gestalten<br />
n Gemeinsames Familienfrühstück am Wochenende<br />
(die <strong>Kinder</strong> bereiten das Frühstück <strong>zu</strong> und<br />
decken den <strong>Tisch</strong>)<br />
n <strong>Kinder</strong> basteln/malen/gestalten etwas mit Be<strong>zu</strong>g<br />
<strong>zu</strong> gesundem Essen als Geschenk für die<br />
Eltern<br />
n Ein kleines Theaterstück wird (mit Be<strong>zu</strong>g <strong>zu</strong>m<br />
Essen) für die Eltern aufgeführt<br />
n <strong>Kinder</strong> kochen/backen ein (leckeres) Menü unter<br />
Mithilfe der Eltern, anschließend gemeinsame<br />
Mahlzeit<br />
n Elternabend <strong>zu</strong>sammen mit Ernährungsfachfrau/<br />
-mann<br />
n Die Eltern sehen offen ausgehängt den Speiseplan<br />
für die Einrichtung und können damit die<br />
Kost <strong>zu</strong> Hause abstimmen<br />
Wie fühlen sich <strong>Kinder</strong> beim Essen wohl<br />
Wer beim Essen Positives empfindet (Gefühle, die<br />
sich z.B. durch ein gutes Geschmackserlebnis<br />
oder eine angenehme Atmosphäre einstellen),<br />
leistet damit einen wichtigen Beitrag für das eigene<br />
ganzheitliche Wohlbefinden. Welche Faktoren<br />
für das kindliche Wohlbefinden beim Essen von<br />
Bedeutung sind bzw. worauf bei einer Mahlzeit<br />
unter anderem geachtet werden sollte:<br />
n Geselligkeit<br />
n Gewisses Maß an Ruhe & Entspannung<br />
n Regelmäßigkeit<br />
n Sinnlichkeit (Farben, Konsistenz, Geruch, Geschmack)<br />
n Abwechslungsreichtum<br />
n Nicht <strong>zu</strong> scharf, gerne Mildes, Süßliches<br />
n Mit spielerischen/aktiven Anteilen<br />
n Angenehme Raum- und <strong>Tisch</strong>gestaltung<br />
Und wie <strong>kommt</strong> die Suppe <strong>zu</strong>m Kasper<br />
Mahlzeiten können sich manchmal als richtige<br />
Herausforderung herausstellen. Insbesondere<br />
bei <strong>Kinder</strong>n, die <strong>zu</strong> viel, <strong>zu</strong> wenig bzw. nicht das<br />
Richtige essen mögen oder bei <strong>Tisch</strong> einfach nicht<br />
<strong>zu</strong>r Ruhe kommen. Natürlich bedürfen einige Probleme<br />
einer individuellen Betrachtung. Ein Großteil<br />
der Schwierigkeiten lässt sich jedoch mit<br />
Strategien bewältigen, die bereits im <strong>Kita</strong>- und<br />
Familienalltag ansetzen.<br />
n <strong>Kinder</strong> in die Auswahl und Zubereitung des Essens<br />
einbeziehen<br />
n Aktivität nutzen (<strong>Tisch</strong> decken; Tätigkeiten, für<br />
die Kraft benötigt wird)<br />
n Vor dem Essen „auspowern“ lassen<br />
n Direkt vor dem Essen kurze Phase der „Sammlung“<br />
n Den Einfluss der Gruppe nutzen
30<br />
4 Informationen<br />
Literaturtipps:<br />
Bettina im Schlaraffenland:<br />
Moderne Ernährungsmärchen<br />
Rosemarie Franke & Susanne Illini; aid Infodienst<br />
Verbraucherschutz, Ernährung, Landwirtschaft<br />
<strong>Gesunde</strong>s Essen macht Spaß – das große Rätsel –,<br />
Ausmal- und Ernährungsbuch für die ganze<br />
Familie: Rätsel, Spiele, Spaß, Rezepte, .<br />
gesunde Ernährung.<br />
Barbara und Helga Rieger; Debehr Verlag<br />
<strong>Gesunde</strong> Mutter – <strong>Gesunde</strong>s Kind,<br />
Eva-Maria Schröder; Hirzel Verlag<br />
So macht Essen Spaß.<br />
Mal-, Spiel- und Bastelheft.<br />
Ingrid Brüggemann & Ruth Rösch; BZgA<br />
Internetadressen:<br />
www.daj.de<br />
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für<br />
Jugendzahnpflege<br />
www.dge.de<br />
Deutsche Gesellschaft für Ernährung<br />
www.fke-do.de<br />
Forschungsinstitut für <strong>Kinder</strong>ernährung,<br />
Dortmund<br />
www.mundraub.org<br />
kostenfreies Obsternten & -sammeln<br />
www.vzbv.de<br />
Verbraucherzentrale Bundesverband
31<br />
5 ReferentInnenportrait und Kontakt<br />
n Heidrun Franke, Verbraucherzentrale<br />
Brandenburg.<br />
Ernährungsberatung, Vorträge und Seminare.<br />
Kontakt:<br />
Verbraucherzentrale Brandenburg.<br />
Friedrich-Engels-Straße 101.<br />
14473 Potsdam.<br />
Telefon: 0331-2987151.<br />
E-Mail: h.franke@vzb.de<br />
n Dr. oec. troph. Claudia Gölz,<br />
Ernährungsberatung &<br />
ernährungswissenschaftliche Beratung, .<br />
Konzeptentwicklung, Seminare.<br />
Kontakt:<br />
Rhumeweg 16.<br />
14163 Berlin.<br />
Telefon: 030-8339520<br />
E-Mail: mail@dr-claudia-goelz.de<br />
www.dr-claudia-goelz.de<br />
n Dr. Petra Haak, Leitung Zahnärztlicher Dienst,<br />
Gesundheitsamt Frankfurt (Oder).<br />
Kontakt:<br />
Stadt Frankfurt (Oder).<br />
Gesundheitsamt .<br />
Zahnärztlicher Dienst .<br />
Bardelebenstraße 1 .<br />
15230 Frankfurt (Oder)<br />
Telefon: 0335-5525314.<br />
E-Mail: Petra.Haak@frankfurt-oder.de<br />
n Prof. Dr. Heide Kallert, Universität Frankfurt,<br />
Institut für familiale und öffentliche Erziehung,<br />
Bildung, Betreuung e.V.<br />
n Dr. Roger Prott,<br />
Bildungsreferent, Organisationsberater, Autor.<br />
2007: Zusammenarbeit von Erzieherinnen und<br />
Eltern – eine Aufgabe für das <strong>Kita</strong>-<br />
Management.<br />
2004: 12 Prinzipien für eine erfolgreiche<br />
Zusammenarbeit von Erzieherinnen und Eltern.<br />
Kontakt:.<br />
Sigmaringer Straße 12.<br />
10713 Berlin.<br />
www.rogerprott.de<br />
n Stephanie Wetzel, Diplom-Ökotrophologin<br />
Konzeptentwicklung, Projektmanagement,<br />
Seminare, Workshops.<br />
Kontakt:<br />
SW – Ernährungswissenschaftliche<br />
Dienstleistungen.<br />
Kantstraße 72.<br />
10627 Berlin.<br />
Telefon: 030-30695656.<br />
E-Mail: info@stephanie-wetzel.de<br />
n Karsten Winke, nutriwin<br />
Beratung, Coaching, Konzepte, Seminare,<br />
Lehrküche.<br />
nutriwin.<br />
Gregor-Mendel-Straße 7 .<br />
14469 Potsdam.<br />
Telefon: 0331-3795808 .<br />
E-Mail: info@nutriwin.de<br />
www.nutriwin.de
32<br />
Impressum<br />
<strong>Hurtig</strong> <strong>Kinder</strong>, <strong>kommt</strong> <strong>zu</strong> <strong>Tisch</strong>! Ernährung in <strong>Kita</strong> und Familie – gut und gesund.<br />
Dokumentation der Fachtagung am 4. November 2011 in der Staatskanzlei Potsdam<br />
Herausgeber<br />
Gesundheit Berlin-Brandenburg / <strong>Netzwerk</strong> <strong>Gesunde</strong> <strong>Kita</strong><br />
Redaktion<br />
Annett Schmok, Sandra Jentschke, Julia Waldhauer<br />
Gestaltung/Layout<br />
Connye Wolff, www.connye.com<br />
Fotos<br />
Alle Bilder: Cordia Schlegelmilch www.cordia-schlegelmilch.de<br />
Titel: www. fotolia.com<br />
Die Veranstaltung wurde vom <strong>Netzwerk</strong> <strong>Gesunde</strong> <strong>Kita</strong> in Zuständigkeit des Ministeriums für<br />
Arbeit, Soziales, Frauen und Familie sowie in Kooperation mit dem Ministerium für Bildung,<br />
Jugend und Sport des Landes Brandenburg konzipiert und durchgeführt.<br />
Gefördert aus Mitteln des MASF.<br />
.
Gesundheit Berlin-Brandenburg<br />
<strong>Netzwerk</strong> <strong>Gesunde</strong> <strong>Kita</strong><br />
Behlertstraße 3a, Haus H2<br />
14467 Potsdam