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Lesen - Golf Dornseif

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Droht Namibia Völker(selbst)mord durch HIV und AIDS?<br />

von <strong>Golf</strong> <strong>Dornseif</strong><br />

Namibia, Südafrika und einige Nachbarstaaten sind Rekordhalterinnen bei der Verbreitung<br />

von HIV/AIDS ohne erkennbare Aussicht auf eine Gesundung, weil die<br />

tribalistisch fundierte Herrschsucht der Männer den umfassenden Gebrauch von Kondomen<br />

blockiert.<br />

Im folgenden Bericht erfährt der Leser die jüngsten Ergebnisse der Feldforschung in<br />

Namibia, ausgeführt von internationalen Wissenschaftlern und einheimischen<br />

Soziologen, Medizinern, Anthropologen usw.<br />

Die Fragestellung, ob Namibia auf den Weg in den Völker(selbst)mord geraten ist, muss<br />

ernst genommen werden und darf nicht als Galgenhumor missverstanden werden.<br />

Der typische deutsche Safari Urlauber merkt nichts davon, will auch gar nichts weiter<br />

wissen. Trotzdem empfiehlt sich etwas mehr europäische Nachdenklichkeit.<br />

Eine Frau stirbt vereinsamt in einem überbelegten ländlichen Krankenhaus Namibias. Ihr Ehemann<br />

und die übrigen Angehörigen haben sie im Stich gelassen, nachdem die Diagnose HIV feststand.<br />

Eine Mutter erwartet die Ergebnisse einer Blutuntersuchung: Hat sie das HIV Virus auf ihren Säugling<br />

übertragen?<br />

Eine Großmutter weiß nicht weiter, wie sie ihre fünf Enkelkinder durchfüttern soll, nachdem die Jungen<br />

und Mädchen ihre Mutter durch HIV Infektion verloren. Sie pflegte den HIV positiven Ehemann und<br />

Vater der Kinder bis zu dessen Tod und fiel dadurch ebenfalls dem Virus zum Opfer.<br />

Aus dem Inhalt<br />

Das dreifache Risiko bei HIV<br />

Aufklärung durch Flugblätter?<br />

Fallstudien Männer/Frauen<br />

Kondome ja oder nein?<br />

Tunten und Freier in Windhuk<br />

Lesbische Damara Frauenliebe<br />

Prostitution an der Landstraße<br />

Drei Schicksale, alle typisch für die Lage im gegenwärtigen Namibia, wo man mit ungefähr 25 Prozent<br />

HIV infizierten Staatsangehörigen rechnet, verglichen mit mehr als 30 Prozent in der Republik<br />

Südafrika. Die „Gesellschaft der Frauen gegen AIDS in Afrika“ (Society of Women Against Aids in<br />

Africa) spricht von einem „dreifachen Risiko aller Frauen in Afrika“, früher oder später von AIDS<br />

betroffen zu werden.<br />

Aus biologischen, sozialen und wirtschaftlichen Gründen tragen Frauen das größte Risiko (in Afrika),<br />

HIV positiv zu werden und zugrunde zu gehen. Als Mütter können die Frauen das Virus auf ihre<br />

Neugeborenen übertragen. Als traditionelle „Fürsorgerin“ muss die Afrikanerin (ob Ehefrau oder<br />

Tochter) sich um erkrankte Väter, Ehemänner usw. pflegerisch kümmern, wenn sie in die AIDS Falle<br />

geraten sind und den Tod vor Augen haben. Gleichzeitig sollen diese Frauen aber auch den Unterhalt<br />

der Großfamilie „irgendwie“ erwirtschaften, weil sonst das soziale Gefüge zusammenbricht. Jener<br />

„Pflegenotstand“ wird auch dann den Frauen aufgebürdet, wenn die Patienten im familiären Umfeld<br />

(Mütter, Ehemänner, Liebhaber usw.) das Virus auch auf die Pflegerin übertragen haben!


Namibia genießt den traurigen Ruhm anno 2011, zu den am meisten verseuchten AIDS Staaten<br />

unserer Erde zu gehören. Die HIV Infektion wird dort fast ausschließlich durch heterosexuellen<br />

Geschlechtsverkehr weiter gegeben, weil Homosexualität (im Gegensatz zu Europa) nur eine geringfügige<br />

Rolle spielt. Übertragungen von der Mutter auf den Säugling sind durch Vorsorgeuntersuchungen<br />

etwas zurückgegangen.<br />

Wegen ihrer schwachen sozialen und wirtschaftlichen Stellung in ganz Afrika sind Frauen und<br />

Mädchen grundsätzlich einem hohen Risiko ausgesetzt, früher oder später mit HIV infiziert zu werden.<br />

Eine Afrikanerin darf traditionsgemäß die sexuelle Annäherung oder Gewalt eines Manns nicht<br />

zurückweisen. Genau so wenig hat sie das Recht, auf geschützten Geschlechtsverkehr mit einem<br />

Kondom zu beharren, ohne Rücksicht darauf, ob der zudringliche Partner HIV infiziert ist oder (noch)<br />

gesund erscheint!<br />

Die unterdrückte Afrikanerin pflegt fast immer nachzugeben, um nicht misshandelt zu werden. Zur<br />

Belohnung darf sie (nicht immer) mit Lebensmitteln, Bargeld oder Textilien rechnen. Statistiken der<br />

UNO verraten, dass die südlich der Sahara lebenden Frauen und Mädchen 57 Prozent aller Erwachsenen<br />

repräsentieren, die HIV infiziert sind. Am allermeisten sind Frauen und Mädchen zwischen<br />

15 und 24 Jahren betroffen. Ihr Risiko, infiziert zu werden, ist dreimal höher als bei Männern der<br />

gleichen Altersgruppe.<br />

Außenstehende fragen oft überheblich: Sind Afrikaner etwa unmoralischer als wir zivilisierten<br />

Westeuropäer? Es geht in Wirklichkeit aber nicht um die sogenannte Moral, sondern um den täglichen<br />

Kampf zu überleben innerhalb der afrikanischen Gesellschaftsordnung patriarchalischer Prägung.<br />

Wer chronisch unternährt ist, oft sogar hungert, wer unter Vitamin-Mangel groß wird, keine Spuren-<br />

Elemente erhält, unhygienisch sein Dasein fristet, nur miserables Trinkwasser hat, von Darmparasiten<br />

geplagt wird usw. ist „reif“ für tödliche Infektionen (nicht allein durch AIDS).<br />

Die Ethnien im südlichen Afrika haben keine andere Wahl, als ständig mobil zu sein auf der Suche<br />

nach Arbeitsmöglichkeiten nah und fern. Vor allem die Männer wandern in Nachbarstaaten (rings um<br />

Namibia und Südafrika), wo Jobs locken, sei es auch nur zeitlich befristet. Saison-Beschäftigung spielt<br />

eine Rolle zur Erntezeit, ebenso fehlender Landbesitz, Dürreperioden.<br />

„Unsozialer Wohnungsbau“: typisch für Namibia 2011


HIV-Prävalenzen pro Altersgruppe<br />

HIV-Fälle je Altersgruppe<br />

Der eingeborene Wanderarbeiter verliert schnell die soziale Bindung an seine Familie, an Frau und<br />

Kinder, unter solchen Umständen. Er ist etwa im Herero Land daheim und bekommt Arbeit im südafrikanischen<br />

Bergwerk. Heimaturlaub findet einmal im Jahr statt, höchstens zweimal. So entwickelt<br />

sich eine Parallel-Partnerschaftsbeziehung: zuhause die Ehefrau, in Südafrika die Zweitfrau oder gar<br />

Drittfrau (womöglich mit zusätzlichem Nachwuchs).<br />

Der „Urlauber“ kehrt mit Geschenken heim, alle freuen sich, und die sexuell entwöhnte Ehefrau Nummer<br />

1 wird mit AIDS infiziert, das sich der Kumpel bei der Zweitfrau „geholt“ hat. Die Tragödie breitet<br />

sich aus...<br />

Alle zwei Jahre unternimmt das „Namibische Ministerium für Gesundheit und Soziales“ eine Serie von<br />

Stichproben-Untersuchungen bei werdenden Müttern, die an vorgeburtlichen Beratungen teilnehmen.<br />

Es wird in Kliniken überprüft, ob die HIV Rate zu- oder abnimmt (auf anonyme Weise). Im Jahr 2004<br />

ergaben diese Stichproben – je nach Region – einen Infektionsstand zwischen neun Prozent und 43<br />

Prozent bei den Müttern (bzw. Durchschnitt 20 Prozent). Zwischen fünf namibischen Frauen der<br />

Altersgruppe 15 bis 49 findet man jeweils eine HIV infizierte weibliche Person!


In einem angeblich zivilisierten Staat wie Namibia herrschen nach wie vor archaische Überlieferungen<br />

mit furchtbaren Konsequenzen (genau so wie in Südafrika). Stirbt der Ehemann an AIDS, wird die<br />

überlebende Ehefrau von den Verwandten des Toten für dessen Hinscheiden „allein verantwortlich“<br />

gemacht und geächtet oder gar tätlich angegriffen. Die raffgierigen Clans des Toten nehmen dessen<br />

gesamten Besitz an sich und lassen die Witwe in Armut und Verzweiflung zurück.<br />

Wenn Afrikanerinnen in soziale Not getrieben werden, liegt der Gedanke an Prostitution nahe, um zu<br />

überleben. Populär ist in diesem Zusammenhang die Gestalt des „Sugar Daddy“ (vor allem in<br />

Südafrika): Er ist alt, oft hässlich, meistens verheiratet und vor allem gut situiert. „Sugar Daddy“ hält<br />

sich „nebenbei“ die eine oder andere Geliebte, finanziert deren Haushalt, die Kinder und anderes<br />

mehr. Sexuell ist der „Sugar Daddy“ fast stets ein „Kotzbrocken“ und eher widerwärtig im Gesamteindruck,<br />

jedoch als „Notlösung“ wie geschaffen.<br />

Es erübrigt sich zu überlegen, ob der „Sugar Daddy“ (ebenfalls) HIV infiziert und als abergläubischer<br />

Typ auf „Heilung durch eine frische Jungfrau“ fixiert ist. Das kommt häufig vor in afrikanischen<br />

Ländern.<br />

Aufklärung durch Flugblätter?<br />

Die Weltgesundheitsorganisation hat (speziell für die afrikanischen Verhältnisse) eine Reihe von<br />

Regeln aufgestellt, die durch Flugblätter in vielen Sprachen der Eingeborenen Namibias verbreitet<br />

werden (mit geringem Erfolg):<br />

1. Vergleicht man die Vagina einer Frau mit dem Penis eines Mannes, so ist die (größere) Oberfläche<br />

der Vagina erheblich anfälliger gegen Infektionen als die (kleinere) Hautoberfläche des Penis<br />

2. Die Vagina wird während des Geschlechtsverkehrs (auch unter normalen Umständen) durch<br />

Reibung so weit gereizt, dass mikroskopisch kleine Hautabschürfungen entstehen, in die sich Viren<br />

einlagern können. Bei erzwungenem Geschlechtsverkehr mit Gewalt nimmt die Verletzungsgefahr<br />

deutlich zu in diesem sensiblen Bereich.<br />

Im Caprivi Gebiet leben die meisten HIV / AIDS Erkrankten


Kindererziehung Namibia:<br />

HIV infizierter Mensch<br />

schaut durch die<br />

AIDS Schleife (weiblich).<br />

Kinderzeichnung Namibia mit<br />

folgenden Texten übersetzt:<br />

Sie ist HIV infiziert (links)<br />

Sie ist vollkommen gesund<br />

(Figur rechts, eine Weiße)<br />

Beide schütteln ihre Hände.<br />

Man wird nicht mit HIV<br />

infiziert durch einen<br />

Händedruck oder eine<br />

ähnliche Begrüßung!


3. Eine Frau bzw. ein junges Mädchen, dessen Körper noch nicht ausgereift ist oder bereits geschwängert<br />

wurde, riskiert beim Geschlechtsverkehr ein erhöhtes Risiko HIV infiziert zu werden.<br />

4. Männer sondern beim Geschlechtsverkehr reichlich Gleitflüssigkeit ab, vermischt mit Sperma. Auch<br />

dieser Vorgang erhöht die Gefahr einer Übertragung von HIV.<br />

Bezeichnend für Namibia ist überdies eine Sexualpraxis, die als DRY SEX (Trockener Verkehr)<br />

umschrieben wird (und unter männlichem Zwang erfolgt). Es findet eine Penetration statt in einer<br />

vorher „ausgetrockneten“ Vagina: Bestimmte Kräuter oder Zahnpasta dienen der „Vorbehandlung“,<br />

um extreme Trockenheit zu erzeugen. Auf diese Weise kommt es bei der Penetration zu einer starken<br />

(und schmerzhaften) Reibung (wie vom Partner erwünscht). Die dabei verursachten Abschürfungen<br />

begünstigen naturgemäß Infektionen.<br />

In Namibia und Südafrika fühlt sich die Männerwelt nach wie vor allen Frauen überlegen und erwartet<br />

Gehorsam ohne Widerspruch. Die angebliche „Demokratisierung“ der jungen Nationen nach ihrer<br />

Unabhängigkeit hat nicht zur Korrektur solcher archaischer und grausamer Ideologien geführt: eher im<br />

Gegenteil. Nie zuvor wurden (unter dem Buren Regime) täglich so viele Frauen vergewaltigt wie im<br />

gegenwärtigen Südafrika.<br />

Die Krankenschwester behandelt einen Patienten. Sprechblase links: „Meine<br />

Familie will mich nicht besuchen, weil alle eine Infektion mit HIV durch mich<br />

befürchten“. Sprechblase Krankenschwester rechts: „Keine Sorge, ich helfe<br />

Dir, obwohl ich nur eine Schwester bin. Wir kümmern uns um Dich, solange<br />

wie es nötig sein wird“. Schale mit Obst auf dem Tisch: Der Patient braucht<br />

eine gesunde Ernährung. – Text der Schleife: AIDS IST TÖDLICH –<br />

SICHERHEIT BEIM SEX RETTET MENSCHENLEBEN.


Kürzlich ermittelte die Weltgesundheitsorganisation der UNO, dass in Afrika monatlich 150.000 Menschen<br />

an AIDS sterben. In Namibia leben die meisten Waisenkinder bei ihren Großmüttern im Norden<br />

der Republik, weil beide Eltern durch AIDS zugrunde gingen. „Nördliches Namibia! bedeutet „Ovambo<br />

Stammesgesellschaft“ und dies wiederum verweist indirekt auf die Regierung Namibias, allein<br />

beherrscht von Angehörigen des Ovambo Volks.<br />

21 Prozent Männer und 79 Prozent Frauen lassen sich im Norden Namibias als HIV Infizierte<br />

medizinisch versorgen nach Informationen der Catholic Health Services (CHS) vom März 2006. Die<br />

Männer kommen erst zur Klinik, wenn ihre Erkrankung deutlich spürbar geworden ist, also zu spät zur<br />

Lebensrettung aus falscher Scham. Entsprechend hoch ist die Sterblichkeit der „Spätzünder“.<br />

Umfangreiche Befragungen der männlichen und weiblichen Bevölkerung Namibias durch internationale<br />

Organisationen haben überraschende Ergebnisse zutage gebracht:<br />

Frage: Warum riskieren die meisten Menschen in Namibia weiterhin lebensgefährliche sexuelle Praktiken,<br />

obwohl sie längst über deren Folgen aufgeklärt worden sind?<br />

Antwort: Die ABS Regel (Enthaltsamkeit oder Treue oder Kondomgebrauch) verstößt gegen unsere<br />

uralten Traditionen in Namibia und anderen Teilen Afrikas. Wenn man an AIDS stirbt, so ist das ein<br />

unabänderliches Schicksal und dem einzelnen durch eine höhere Macht bestimmt. 64 Prozent der<br />

interviewten Männer hielten Kondome für empfehlenswert, benutzen aber selber keine! 20 Prozent<br />

hielten eheliche Treue für wichtig als Schutz. Einige Befragte behaupteten, dass AIDS durch Zauberei<br />

und Hexenkult verursacht werde, sodass man nichts dagegen tun könne.<br />

Wenn Ethnien sich beharrlich weigern, logischen Gedankengängen zu folgen und wissenschaftliche<br />

Ermittlungen anzuerkennen, ist guter Rat teuer. Typisch scheint – wie die Interviews ergaben – das<br />

„sprunghafte Denken im Zickzackkurs“ je nach Lust und Laune (ohne Verantwortungsbewusstsein).<br />

Unter „Treue“ versteht ein Namibier keineswegs Monogamie, weil er unterschiedliche „Auslegungen“<br />

von Treue für richtig hält bezogen auf Sexualität. „Polygamie ist die Sitte unserer Vorväter und wert<br />

beherzigt zu werden“, erklärten viele Befragte. „Wir sind gute Christen, lassen uns aber nicht zur<br />

Monogamie bekehren“. Polygamie bedeutet: der Mann kann Macht ausüben über Frauen, deren<br />

Fruchtbarkeit, Arbeitsbereitschaft und Gehorsam. Das ist offensichtlich des Pudels Kern...<br />

Schwarze bevorzugen Kräuterheiler statt Kliniken


Nach der Unabhängigkeitserklärung Namibias 1990 verkündete die Regierung feierlich (unter<br />

anderem) die Gleichberechtigung der Geschlechter (wie zuvor im Dschungelkrieg Angolas). Diese<br />

„tribalistische Neuerung“ der Ovambo Chefs ist längst vergessen.<br />

Die Logik vieler Namibier ist sehr einfach: Ein wohlhabender Mann besitzt mehrere Frauen und erringt<br />

dadurch höheres gesellschaftliches Ansehen, also Sozialprestige. Ein richtiger Mann ist ein Bulle und<br />

der Bulle begnügt sich nicht mit einer Kuh zum Zeitvertreib!<br />

Fallstudien und sexuelle Verhaltensweisen<br />

Teilnehmer 1: Der Mann ist 24 Jahre alt und stammt aus dem Dorf Oshekasheke im Bezirk Oshana.<br />

Er zog mit seinen Eltern nach Windhuk im Jahr 2000, um dort seine Schulbildung zu ergänzen oder<br />

einen Job zu finden. Der Mann ist arbeitslos, aber seine Eltern haben beide eine bezahlte Beschäftigung.<br />

In ihrer Unterkunft gibt es Fließwasser, Stromanschluss und eine Toilette mit<br />

Wasserspülung.<br />

Sprechblase: „Mein Name ist HIV Virus und ich gehöre zur Familie AIDS, Ich<br />

zerstöre die Menschen, aber mich kann keiner töten, hahahaha ... Du kannst vor mir<br />

wegrennen, aber ich erwische Dich trotzdem in jedem Versteck, oh ja!“


Der Mann hat eine Freundin im Ovamboland sowie eine weitere Freundin in Windhuk, aber ohne<br />

sexuelle Beziehung. Er ist der Vater eines Kindes der ersten Freundin im Ovamboland, die dort bei<br />

ihrer Mutter lebt. Die beiden treffen sich während der Ferienzeit.<br />

Teilnehmer 2: Der Mann ist 28 Jahre alt und stammt aus Okahandja. 1999 ist er allein nach Windhuk<br />

umgezogen auf Arbeitsuche und wohnte dort bei einem Onkel. Regelmäßige Besuche führen den<br />

Mann immer wieder nach seinem Heimatort im Bezirk Otjozondjupa. Der Mann schlägt sich selbständig<br />

durch als Sanitärtechniker und Installateur (Klempner).<br />

Der Mann lebt mit einer Freundin zusammen und hat eine weitere Freundin in Okahandja, die er<br />

dreimal monatlich besucht. Jede Partnerin hat ein Kind von ihm. Die Unterbringung in Windhuk lässt<br />

zu wünschen übrig: kein Stromanschluss, kein Fließwasser, nur Gemeinschaftstoiletten, nur unregelmäßige<br />

Beschäftigung.<br />

Teilnehmer 3: Der Mann ist 47 Jahre alt und stammt aus dem Dorf Onamukulo im Bezirk Ohangwena.<br />

1976 wanderte er erstmals in den Süden aus. 1985 wollte ihm ein Neffe Arbeit in Windhuk verschaffen.<br />

In der Heimat hatte er eine Freundin, die zurück blieb. Der Mann fühlte sich wohl in der Stadt<br />

und kam mit dem Hausbesitzer seiner Unterkunft gut zurecht.<br />

1989 zog eine Freundin des Hausbesitzers dort ein und der Mieter musste sein Domizil verlassen und<br />

umziehen nach Oshandumbala. In jener Zeit hatte der Mann sechs Kinder mit sechs Frauen im<br />

Ovamboland. Die Hauptfreundin (Nr. 1) besucht ihn regelmäßíg während der Feiertage. 1993 musste<br />

der Mann wegen Streitigkeiten mit seinem Vermieter erneut umziehen nach Okuryangava. Dort gab es<br />

Wasser und Toiletten als Gemeinschaftseinrichtungen, aber keinen Stromanschluss.<br />

Kindergarten im schwarzen Ghetto Katutura-Windhoek


Dann heiratete er eine Frau aus dem Obvamboland. Seine Frau kommt regelmäßig zu Besuch und er<br />

fährt auch oft zu ihr. Er hat einen ordentlichen Arbeitsplatz und insgesamt 20 Kinder (17 vor der Heirat<br />

gezeugt). Zu diesen Kindern gehören 19 verschiedene Mütter, die teilweise in Windhuk wohnen!<br />

Teilnehmerin 1: Die Frau kam aus Odimbwa 1986 nach Windhuk und wurde wegen ihrer SWAPO<br />

Aktivität von der südafrikanischen Polizei gesucht. Sie musste sich deshalb von ihrem Mann trennen<br />

wegen dessen Guerilla-Engagement. Die Frau lebte in einer Siedlung der Ovambo Ethnie und zog<br />

1988 nach Shandumbala, um sich dort ein Zimmer mit ihrem Liebhaber zu teilen als Untermieterin.<br />

1989 fand sie Arbeit und trennte sich von dem Freund. Dann ließ sie sich mit ihren acht Kindern in<br />

Greenwell Matongo nieder. Sie ist mit ihren gegenwärtigen Lebensbedingungen zufrieden und konnte<br />

eine Unterkunft erwerben. Zur Zeit lebt dies Frau ohne Partner, weil ihr ehemaliger Liebhaber ein<br />

Ehefrau hatte und weil sie es satt hat sich auf Ehemänner einzulassen.<br />

Teilnehmerin 2: Sie kam aus Ohalushu und zog mit ihrem Kind zum Ehemann nach Windhuk im Jahr<br />

1989. Der Ehemann starb jedoch 1997. Nun musste die Frau nach Greenwell Matongo umziehen im<br />

Jahr 1998, weil das Haus finanziell nicht mehr tragbar war. Sie ist arbeitslos mit ihren vier Kindern und<br />

betreibt einen kleinen Handel nebenbei.<br />

Teilnehmerin 3: Sie kam aus Oshikuku 1997 nach Windhuk, besuchte dort ihren Bruder und konnte in<br />

ein Zimmer ziehen als Mieterin in Wanaheda. Später ging sie mit ihrem Bruder nach Greenwell<br />

Matongo. Im Jahr 2000 fand die Frau einen Job und lebte mit ihrem Liebhaber zusammen, der 2001<br />

verstarb. Sie arbeitet für eine Sozialstation, die sich um HIV/AIDS Patienten kümmert, und ist mit<br />

ihrem Schicksal zufrieden.<br />

Teilnehmerin 4: Die Frau ist 34 Jahre alt und stammt aus dem Bezirk Ohangwena. Ihr Bruder ließ sie<br />

1996 nach Windhuk kommen, weil sie keine Arbeit hatte. Sie bekam einen Job in einer Bar und<br />

kündigte bald, weil ihr der Wirt den vereinbarten Lohn verweigerte. Sie lernte einen Mann kennen und<br />

lebte mit dem Liebhaber zusammen. Der Freund besitzt eine kleine Kneipe mit Alkoholausschank, wo<br />

sie aushilft. Wasser und Toiletten stehen als Gemeinschaftseinrichtung zur Verfügung-<br />

Die meisten Kranken in Caprivi: wenige im Süden<br />

____________________________________________________________________________


Kondome nehmen oder nicht nehmen?<br />

Die wissenschaftlich fundierten Befragungen in Namibia haben ergeben, das die meisten Männer den<br />

Gebrauch von Kondomen einerseits befürworten, andererseits aber häufig darauf verzichten: ein<br />

schwer erklärbarer Widerspruch emotionaler Unreife, gepaart mit Macho Ideologie.<br />

Die befragten Männer fabulierten, dass „zum vollendeten Genuss Haut auf Haut treffen müsse“. Hartnäckig<br />

ist die Einstellung zu hören, dass Kondome „zur Ausrottung der schwarzen Bevölkerung<br />

dienen aus Sicht der Weißen“, um wünschenswerte Geburten zu verhindern. 74 Prozent aller<br />

interviewten Männer und 43 Prozent aller befragten Frauen vertraten die Meinung, dass „ein Mann<br />

ungeschützten Geschlechtsverkehr mit seiner Ehefrau praktizieren darf“. 61 Prozent dieser Frauen<br />

waren arbeitslos, aber nur 39 Prozent der interviewten Männer.<br />

Eine öffentliche und freimütige Diskussion über sexuelles Verhalten wird in Namibia nach wie vor<br />

tabuisiert. Die Allmacht der Männer ist ungebrochen, ebenso die wirtschaftliche und soziale Abhängigkeit<br />

der Frauen. Sie fürchten Misshandlungen, wenn sie Wünsche äußern, die sich auf ihre Sexualität<br />

beziehen. Häusliche Brutalität erzwingt Furcht und Schweigen.<br />

In der Herero Kultur darf eine Frau ihre Arme nicht auf die Hüften stützen, weil diese Haltung (angeblich)<br />

ausdrückt, dass sie sexuell eine Führungsposition übernehmen will! Wenn Frauen und Mädchen<br />

dies nicht respektieren, werden sie verprügelt (von den Eltern oder anderen Angehörigen).<br />

Sex, Ehe und Fortpflanzung (mit oder ohne HIV Risiko) werden von den Menschen in Namibia „als<br />

Paket“ betrachtet, das nicht aufgeschnürt werden darf (ohne Rücksicht auf Verluste). Es kursiert unter<br />

anderem der Aberglaube – vor allem unter Frauen – das Kondome „gesundheitsschädlich“ seien!<br />

Weiter ergaben die Forschungen, dass Frauen in Namibia wesentlich bereitwilliger bei Untersuchungen<br />

auf HIV Infektionen mitmachen als die Männer, die „davon lieber nichts wissen wollen“.<br />

Nach Reihen-Tests meldeten sich nur 51 Prozent der Männer zurück, um die Ergebnisse zu erfragen,<br />

während die andere Hälfte „ihre Ruhe haben“ wollte.<br />

Warum ist der Präsident ein Schwulenhasser?<br />

Im Jahr 1997 bezeichnete der namibische Staatspräsident Sam Nujoma Homosexualität als<br />

„scheußliche Verirrung eines altersschwachen und menschunwürdigen schmutzigen Verhaltens“,<br />

das „die strenge Verachtung und Abscheu des namibischen Volkes verdient und<br />

ausgerottet gehört“. (MAIL AND GUARDIAN, Februar 1997).<br />

Bei anderer Gelegenheit äußerte Nujoma, dass „Homosexuelle in unserem Staat vor Gericht<br />

gestellt und sozial ausgegrenzt werden müssten“. (WINDHOEK ADVERTISER, Dezember<br />

1996).<br />

Ein Minister des Kabinetts Nujomas versicherte: „Homosexualität ist genau so schlimm wie<br />

Krebs und AIDS, sodass wir alles tun müssen, um die Ausbreitung in Namibia zu verhindern“.<br />

Und er fügte hinzu, dass „Schwule und Lesbierinnen zwangsweise operiert werden sollten,<br />

um aus ihren Körpern unnatürliche Hormone zu entfernen“ (NEW ERA, Oktober 1995).<br />

Andere Minister des Kabinetts Nujoma betrachteten Homosexualität als „Geisteskrankheit mit<br />

Aussichten auf Heilung“ (THE NAMIBIAN, November 1995). Eine weitere ministerielle<br />

Stimme: „Schwule und Lesben müssen in Namibia ausgelöscht werden“ (THE NAMIBIAN,<br />

Oktober 2000).<br />

Offenbar bedroht Homosexualität den Männlichkeitswahn der Ovambo Herrenmenschen, die<br />

sich der marxistisch-leninistischen Heldenverehrung verschrieben haben und stalinistischen<br />

Idealen nachtrauern.


Männliche Homosexualität in Windhuk<br />

Interview mit Jason: Er ist 21 Jahre alt und lebt in der schwarzen Vorstadt Katutura. Jason kennt viele<br />

Männer mit Freundinnen, die auch sexuelle Beziehungen mit Tunten pflegen (Moffies genannt in<br />

Namibia). Sie glauben, dass Sex zwischen Männern weniger riskant sei als zwischen Mann und Frau<br />

wegen der Infektionsgefahr.<br />

Im Jahr 2001 drohte Staatsoberhaupt Sam Nujoma allen Homosexuellen in Namibia Gefängnisstrafen<br />

an mit anschließender Deportation ins Ausland. Er bezog sich dabei auf männliche Homosexuelle<br />

sowie auf Lesbierinnen, weil „solche Laster aus Europa importiert werden, um die nationale Identität<br />

zu vernichten“. Seit 1995 betreibt die Staatspartei SWAPO eine intensive Hetzkampagne gegen<br />

gleichgeschlechtliche Beziehungen in Namibia.<br />

Im Verlauf des RAINBOW PROJECTS zwischen 2001 und 2005 untersuchten Wissenschaftler die<br />

Situation der Homosexuellen und Lesben im Land, genauer gesagt in der Windhuker Schwarzen-<br />

Vorstadt Katutura. Es stellte sich bald heraus, dass vor allem die Damara Ethnie überraschend<br />

„offenherzig“ ihre gleichgeschlechtlichen Neigungen preisgab: Männer wie Frauen.<br />

Sprechblase links oben: „Ich werde Dich beschützen als Kondom!“ – Text<br />

unten rechts an der Schleife: „Mit dem Kondom hast Du sicheren Sex und<br />

das Virus kann Dich nicht erwischen! SICHERER SEX RETTET<br />

MENSCHELEBEN


Fallstudie Louami: Die Tunte Louami arbeitet auf dem Straßenstrich in Windhuk, prächtig aufgeputzt,<br />

ungefähr 1,85 Meter groß und eine imposante Erscheinung, sorgfältig geschminkt ohne Übertreibung:<br />

„Im Alter von sechs Jahren wurde mir klar, dass ich nicht so war wie die übrigen Jungen. Ich spielte<br />

am liebsten mit Puppen. Andere Boys durften meinen Hintern streicheln. Meine Mutter hat mich dann<br />

wie ein Mädchen behandelt. Man hat mir oft zu einer Operation geraten, aber ich fühle mich in meiner<br />

Haut wohl und lehne das ab“.<br />

Louami zeigte ein Foto Album: Drei befreundete Tunten waren nacheinander an AIDS verstorben,<br />

zwei andere lebten HIV infiziert. Dann hatte Louami noch ein Bild: Kostüm-Party, sie selber als „Drag<br />

Queen“ im Mittelpunkt, nackt bis auf ein Bikini-Unterteil nach Art der Stripperinnen, umgeben von<br />

johlendem Publikum in einer Kneipe (Shebeen) Auf dem Haupt war ein traditioneller Herero-Kopfputz<br />

zu erkennen.<br />

Andere Aufnahmen: Louami in Herero Festtracht mit den SWAPO Landesfarben, von ihrer/seiner<br />

Mutter liebevoll geschneidert für eine Demonstration gegen die SWAPO und ihren Hass auf<br />

Homosexuelle. Bitter bekannte Louami: „Mein Vater ist im Kampf für die SWAPO gefallen“. Anfang<br />

2003 starb die Mutter.


As der Interviewer Louami ein Jahr später nochmals aufsuchte, um das Gespräch abzurunden, trug er<br />

Männerkleidung. Er versicherte, er hätte den Alkohol und die Prostitution aufgegeben und sei religiös<br />

geworden Ihr/sein Freund sei inzwischen an AIDS gestorben, ehemals in der Prostitution tätig wie<br />

Louami. Dieser Partner (Transsexueller) hätte bevorzugt deutsche Touristen als Kunden gehabt, weil<br />

sie die höchsten Preise zahlten und keine Kondome duldeten beim Analverkehr.<br />

Louami reagierte mit Entsetzen, weil er/sie ebenfalls oft ungeschützt mit Kunden verkehrte. Zu einem<br />

Test war Louami nicht bereit, weil „mich das Resultat dann noch schneller umbringen wird“. Ich bin<br />

jetzt 30 und muss mich um die Kinder meiner Schwester kümmern. Wenn sie größer werden, sollen<br />

sie nicht erleben, dass ihr Onkel sich wie eine Frau kleidet“.<br />

Der Interviewer traf Louami bei anderer Gelegenheit, als er von einer Bestattung heimkehrte „im Herrenanzug<br />

mit kurzem Haarschnitt“. In der Kirchengemeinde ist Louami voll integriert. Er/sie hat<br />

männliche Freunde intimer Natur, aber „die Männerrolle sei ein guter Schutz“. Der treffende selbstkritische<br />

Kommentar: „Innerlich bin ich eine Frau, äußerlich will ich ein Mann sein!“<br />

In dieser Zwitterrolle war bisher die Suche nach einem Arbeitsplatz vergeblich. Louami möchte putzen<br />

gehen oder Bügelarbeit übernehmen. Die Gemeindeverwaltung drohte kürzlich mit der Kündigung des<br />

Mietverhältnisses wegen erheblicher Rückstände für das Haus. Unter solchen Umständen wäre die<br />

Rückkehr zur Prostitution ein letzter Ausweg.<br />

Fallstudie Winston: Bei der ersten Begegnung des Interviewers mit Winston war er 19 Jahre alt,<br />

auffallend geschminkt mit Nagellack und einem Hut aus Leopardenfell-Stoffdruck im Zuhälter Dekor.<br />

Winston ist ein Ovambo Schwuler und lebt deshalb in Katutura, weil dort keine Diskriminierung der<br />

SWAPO droht.<br />

Zu Katutura zählen Elend und Wohlstand gemischt


Aussage: „Als ich noch im Ovamboland lebte, musste ich Vieh hüten mit anderen Jugendlichen, wie<br />

das so üblich ist. Ich besuchte einen der Boys daheim. Er verlangte, dass ich Ongome mit Mahangu<br />

zubereitete in einem Topf, eine Art Wurzelgemüse, gemischt mit Zucker und Salz. So etwas ist bei uns<br />

im Norden üblich, wenn eine Frau einen Mann aufsucht, um ihn zu verführen. Eines Tages sagte der<br />

Boy zu den anderen, ich sei seine Freundin. Und wenn mich andere verspotteten, trat er dazwischen<br />

und bezeichnete mich immer wieder als seine Freundin, denn ich sah wie ein Mädchen aus“.<br />

„Später hat er mich geküsst und dabei eine Erektion bekommen. Ich war etwa 14 Jahre alt. Sein<br />

mächtiges Glied hat mich sehr beeindruckt. Dann hat er mich entkleidet und gevögelt, immer wieder<br />

ohne Kondom. Für mich war das alles ganz neu als Erfahrung“.<br />

„Meine Familie fühlte sich mit der SWAPO eng verbunden. Deswegen hat mich mein Vater häufig verprügelt,<br />

denn er wusste ja, dass ich schwul bin. Er gibt mir kein Geld. Meine Mutter bringt Verständnis<br />

auf für meine Veranlagung. Als mein Vater und meine Brüder entdeckten, dass ich ein Homosexueller<br />

bin, wollten sie mich als Geisteskranken in eine Klinik abschieben. Das gelang ihnen auch, und ich<br />

blieb dort zwei Monate unfreiwillig. Die Psychologen gaben mir Tabletten und Spritzen jeden Tag“.<br />

„Ich musste in einer Zelle eingesperrt leben, wo es nur eine Pritsche und eine Toilette gab. Es gelang<br />

mir trotzdem zu fliehen in Richtung Windhuk. Ich möchte so gern meine Mutter besuchen, aber wenn<br />

man mich im Ovamboland erwischt, wird mich mein Vater zusammenschlagen“.<br />

HIV Negativ und HIV Positiv als Paar<br />

(Kinderzeichnung Namibia)<br />

Als der Interviewer Winston kennenlernte, erzählte er unter anderem, dass er ab und zu Kokain von<br />

ausländischen Touristen bekomme im Tausch gegen Sex. Winston berichtete außerdem von gelegentlichen<br />

sexuellen Beziehungen mit maskulin orientierten schwarzen Lesbierinnen (Butch Lesbians),<br />

die in Kneipen verkehrten.<br />

Angeblich benutzte Winston fast immer Kondome beim Verkehr mit beiden Geschlechtern, aber unter<br />

dem Einfluss von Drogen war ihm alles gleichgültig. Zitat:“Dagga (Marihuana) und Kokain bringen dich<br />

in Stimmung, aber Koks ist verdammt kostspielig. Die weißen Kunden verschenken oft großzügig<br />

Rauschgift, wenn sie mit mir guten Sex erlebten. Die wohlhabenden Kunden nehmen dich mit in ihr<br />

Hotel oder in ihre Wohnungen“.


Beim Wiedersehen mit Winston im Jahr 2004 trug er keine weiblichen Attribute wie zuvor und auch<br />

kein Make-Up, sondern eine Baseball Kappe und eine militärische Jacke. Eine mit Winston<br />

befreundete Lesbierin erzählte dem Interviewer: „Winston betrachtet sich neuerdings als bi-sexuell<br />

und ist in die Männerrolle geschlüpft“. Und Winston grinste verständnisvoll: „Ich spiele jetzt den echten<br />

Kerl und gebe den Ton an!“<br />

Arbeitslos und mittellos freundete sich Winston mit zwei weißen Geschäftsleuten an, die sich in<br />

Frauenkleidung gefielen. Winston durfte bzw. musste mit ihnen anal verkehren. Hin und wieder nahm<br />

Winston die Gelegenheit wahr, um als Tunte in der Rolle einer Drag Queen Furore zu machen und<br />

sich an Wettbewerben zu beteiligen mit einer Modenschau.<br />

Winston erzählte im einzelnen: „Ich war in einer Bar und wurde beobachtet. Dort hat mich einer<br />

aufgegabelt und mit in sein Haus genommen im Stadtteil Klein Windhuk. Dort hat mir der Typ Porno<br />

Filme vorgeführt und mich angehimmelt, weil ich genau seine Kragenweite hätte. Dann hat er meinen<br />

Penis abgelutscht bis zur Ejakulation in seinen Mund. Schließlich sind wir in die Kneipe zurückgekehrt,<br />

haben allerhand getrunken und uns amüsiert. Der Kunde gab mir 50 Namibia Dollar. Wir treffen uns<br />

jetzt regelmäßig und er genießt es, mir einen zu blasen, ohne dass sonst etwas passiert“.<br />

Über den zweiten Kunden wusste Winston zu berichten: „Es ist ein Europäer, der ständig in Windhuk<br />

lebt. Er führt ein Geschäft und hat mir alle seine sexuellen Erwartungen vorgetragen, aber auch seine<br />

Abneigungen. Wir waren im Büro, haben etwa getrunken, ein paar Pornos angeschaut, Fotos und<br />

Filme. Später lud er mich ein zu einem Wochenendbesuch“.<br />

„Ich habe stets Kondome verwendet bei diesen Männern, die mir gegenüber unterwürfigen Sex<br />

praktizieren. Einmal hat einer dieser beiden Männer darauf bestanden, dass wir ohne Kondom zusammen<br />

kommen, und ich habe zögernd eingewilligt, immer wieder. Meine Belohnung betrug 600<br />

Namibia Dollar! Damit konnte ich nach Norden fahren und meine Mutter besuchen.“<br />

Kinderzeichnung: Tod und AIDS


Als das nächste Gespräch mit Winston zustande kam während der Langzeit-Recherchen, war sein<br />

Vater verstorben, und die Familie hatte sich endlich damit abgefunden, dass Winston ein Homosexueller<br />

ist. Der Interviewer fragte, wie die jungen Männer im Ovamboland neuerdings auf Winston<br />

zugehen:<br />

„Viele Jungen wollen mit mir Sex haben, vor allem die jüngere Generation. Manche sind verheiratet,<br />

aber Sex mit einem anderen Mann erscheint ihnen zu verlockend. Sogar ein freundlicher Polizist<br />

begehrte Sex mit Winston. Die Männer und Jugendlichen glaubten alle miteinander, dass Sex<br />

zwischen Männern niemals zu HIV Infektionen führt und dass man sich nur vor Frauen in acht nehmen<br />

muss“.<br />

Fallstudie Ron: Der 17 Jahre alte Ron in Windhuk ist mit einem wesentlich älteren „Sugar Daddy“ liiert,<br />

der den Jungen aushält und in sehr guten Verhältnissen lebt. Ron wirkte sowohl feminin als auch<br />

gepflegt und sportlich wie eine Augenweide. Er unterhielt Beziehungen mit mehreren älteren Herren.<br />

Bei einer Begegnung nach längerer Zeit sagte Ron zum Interviewer überraschend: „Neuerdings fühle<br />

ich mich eher Butch und trage deshalb Springerstiefel wie Fallschirmjäger. Ich bin weiter aktiv und<br />

passiv beim Sex mit Kunden und wechsele die Rolle, also bin ich ein schwuler Moffie“.<br />

Ron geriet auch an Freier, die harten Sex forderten mit brutalen Praktiken und ihn erheblich verletzten.<br />

Verlangte er den Gebrauch eines Kondoms, schlugen sie ihm ins Gesicht. Ron tröstete sich mit dem<br />

Zugeständnis, das die Sugar Daddies zum Ausgleich finanziell großzügig kompensierten.<br />

Fallstudie Fox: Er nennt sich Fox, ist 21 Jahre alt und lebt mit seiner Freundin zusammen in Katutura.<br />

Auf Fragen zum Thema Heirat antwortete er:<br />

Wird diese junge Frau überleben?


„Wenn ich eines Tages heirate, werde ich weiterhin sexuelle Beziehungen mit Männern unterhalten.<br />

Ich will keine Kinder zeugen, denn ihre Erziehung ist kostspielig. Ein Schuljahr allein kostet schon 150<br />

Namibia Dollar Gebühren. Zugegeben, ich habe eine Tochter, doch das reicht mir. Ich möchte in die<br />

Niederlande oder nach Deutschland reisen und dort einen Mann heiraten, was ja in diesen Ländern<br />

erlaubt ist. Ja, dort würde ich gern mein ganzes Leben verbringen. Wenn ich in eine Schwulenkneipe<br />

gehe, hängen dort genug Moffies herum und spendieren mir gern einen Drink“.<br />

„Sex mit Schwulen ist eine sichere Sache im Gegensatz zu Intimitäten mi Frauen, die vielleicht AIDS<br />

haben. Mit den Frauen hat man immer nur Ärger beim Sex".<br />

Fallstudie Dion: Dion ist 26 Jahre alt und stammt aus einer Verbindung zwischen Herero und Ovambo<br />

Partnern. Er erläuterte seine persönlichen Verhältnisse folgendermaßen:<br />

„Ich hatte einmal viele Ovambo Freunde bis zu den Hassausbrüchen des Präsidenten gegen alle<br />

Schwulen und Lesben. Daraufhin haben sich diese Freunde von mir zurückgezogen, auch meine Vettern.<br />

Jetzt hat mich mein letzter homosexueller Liebhaber verlassen nach einem Jahr, weil er nach<br />

Ablauf seines Arbeitsvertrags wieder in Europa leben möchte wie zuvor“. Dion verdient als Arbeiter in<br />

einer Klinik nur wenig.<br />

„Als mein Freund noch hier war, hat er mich sonntags mit in seine Kirche genommen. Der Schwager<br />

des Freundes gehört zur gleichen Gemeinde, aber er grüßte uns nicht. Im Verlauf des Gottesdienstes<br />

ging mein Freund nach vorn zum Altar, um dem Prediger seine Sünden zu bekennen und um Vergebung<br />

durch Gott zu bitten wegen der homosexuellen Neigungen.“<br />

„Dann hat der Pastor seine Hand auf den Kopf meines Freundes gelegt und mit ihm gebetet. Ich blieb<br />

inzwischen auf der Kirchenbank sitzen. Plötzlich erhob sich der Schwager, trat auf mich zu und<br />

forderte mich zum Verlassen des Gotteshauses auf. Ich weigerte mich und fragte nach dem Grund.<br />

Nun wiederholte der Mann seine Aufforderung sehr energisch und ich entfernte mich langsam in<br />

Richtung Tür. Plötzlich hob der Schwager hinter meinem Rücken einen Stuhl hoch und zerschmetterte<br />

ihn auf meinem Nacken, sodass mein Schlüsselbein splitterte. Ich brach zusammen, raffte mich auf<br />

und floh nach draußen“.<br />

„Nach der Beichte meines Freundes gingen wir gemeinsam zur nächsten Polizeistation, um Anzeige<br />

wegen Körperverletzung zu erstatten. Der Beamte fragte mich unter anderem, ob ich den Grund des<br />

Angriffs wüsste. Ich verneinte das. Danach meinte der Polizist grinsend: „Ist doch klar, weil du ein<br />

Schwuler bist!“ Meine Strafanzeige wurde schroff abgelehnt.“<br />

Dion berichtete außerdem über seine Teilnahme an Sex Parties mit ausländischen Touristen, bei<br />

denen Rauschgift eine große Rolle spielte neben dem Alkohol. „Kokain und Poppers“ (Nitrit Wirkstoffe)<br />

brachten uns in Stimmung. In solcher Laune – so versicherte Dion im Interview – denkt niemand an<br />

den Gebrauch von Kondomen, obwohl sie in greifbarer Nähe zu haben sind. Manchmal hat man sogar<br />

Kondome in der Hosentasche und muss sie bloß herausnehmen, aber es unterbleibt aus Gleichgültigkeit!<br />

Wer „high“ ist, kann nicht mehr klar handeln“.<br />

Abschließend erzählte Dion noch, dass einer seiner Sexfreunde ihn im Rausch mit einem Messer<br />

abstechen wollte, was beinahe gelungen sei. Jener Freund hatte sich mit AIDS infiziert und Dion<br />

fürchtete, ebenfalls von diesem Mann angesteckt worden zu sein. Dion lehnte aber einen Test auf<br />

AIDS strikt ab und meinte, dass ihm doch niemand helfen könne.<br />

Grundsätzlich verhindern die Polizeibehörden alle Strafanzeigen von Homosexuellen, die wegen einer<br />

angeblichen Vergewaltigung oder sonstigen Misshandlungen vorsprechen, und verweisen auf die<br />

Verdammungsurteile des Präsidenten.<br />

Damara Frauen schätzen lesbische Beziehungen<br />

Untersuchungen in jüngster Zeit haben ergeben, dass gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen<br />

(auch zwischen Frauen) im Damaraland seit eh und jeh üblich und akzeptiert sind. Die<br />

Wissenschaftlerinnen Elizabeth Khaxas und Saskia Wierings unterstützen die Organisation SISTER<br />

NAMIBIA und RAINBOW PROJECT zum Schutz von Lesbierinnen und männlichen Homosexuellen.<br />

Es folgt ein Auszug ihrer Forschungsarbeit:


„Ich habe zunächst vier Lesbierinnen vom Volk der Damara ausgiebig befragt. Alle leben in Katutura,<br />

der schwarzen Ghetto-Vorstadt nahe Windhuk. Keine dieser Frauen hat eine abgeschlossene<br />

Schulbildung, alle sind arbeitslos. Drei Frauen bezeichnen sich als „männlich orientiert“ mit<br />

männlichen Vornamen. Aus Gründen des Datenschutzes werden hier Decknamen verwendet wie<br />

Hans und Calvyn. Er/sie (Hans) wurde in Swakopmund geboren, ist 35 Jahre alt. Calvyn zählt 50<br />

Jahre und stammt aus Okombahe. In der Kultur des Damara Volks führen bei lesbischen<br />

Beziehungen die „maskulinen“ Frauen stets männliche Vornamen. Insgesamt wurden etwa 30<br />

„lesbische Kerle“ interviewt, die sich „Weiber halten“.<br />

„Die dritte befragte weibliche Person führt keinen männlichen Vornamen und wird in dem vorliegenden<br />

Untersuchungsbericht als „Helen“ bezeichnet. Helen ist 47 Jahre alt, geboren in Okahandja. Diese<br />

Frau stellt sich als überzeugte Christin vor und arbeitet aktiv für die „Evangelical Lutheran Church in<br />

the Republic of Namibia“ (ELCRN). Die meisten Damara Eingeborenen gehören dieser<br />

Glaubensrichtung an. Er/sie hat eine Tochter.“<br />

„interviewt wurde ebenfalls eine „feminine lesbische Partnerin“ (Frauenrolle) namens Marianne, 35<br />

Jahre alt und in Outjo geboren. Sie lebt mit Mihes zusammen, einem „Kerl“. Marianne unterhält<br />

sexuelle Beziehungen sowohl mit ihrem „Kerl“ als auch mit „normalen“ Frauen, die nicht lesbisch<br />

orientiert sind. Mit anderen Worten: zwei feminin geprägte Frauen lieben (ebenfalls) einander intim<br />

von Fall zu Fall“.<br />

Mühsal um die tägliche Nahrung


Das Damara Volk, einst Jäger und Sammler zur deutschen Kolonialzeit, unterscheidet sich von den<br />

meisten anderen Ethnien Namibias dadurch, dass es stets in kleinen Gruppierungen (höchstens 10<br />

Hütten) sein Dasein fristete, also nicht im Verbund mit Häuptlingen, Kapitänen oder Chiefs (wie die<br />

Herero und Ovambo usw.). Die Lebensführung war egalitär: Männer und Frauen teilten sich die<br />

notwendigen Arbeiten einvernehmlich bzw. gleichberechtigt! Es gab keine Hierarchie, doch kam es<br />

vor, dass Frauen von ihren Männern geschlagen wurden bei Auseinandersetzungen.<br />

Traditionell bauten die Damara Frauen ihre „eigenen“ Hütten und fühlten sich als Besitzerinnen,<br />

während die (Ehe)männer eine „Besucherrolle“ übernahmen. Daran hat sich bis heute nichts<br />

geändert. Kinder lebten stets bei den Müttern im Haushalt. Die Väter dieser Kinder übernehmen keine<br />

Verantwortung für den Unterhalt (in der Regel) und tauchen ab. Somit haben Männer keine<br />

Erbansprüche nach dem Tod dieser Mütter. Man kann von einer „demokratischen Lebensauffassung“<br />

sprechen. Die gegenwärtige „Ovambo Regierung“ ist exzessiv patriarchalisch geprägt ohne jedes<br />

Verständnis für die Lebensart der Damara (zum Vergleich).<br />

Nach der deutschen Kolonialperiode haben sich die Sitten der Damara zum Teil verändert, sei es<br />

durch die Missionierung oder Rassentrennung unter dem Buren Regime Südafrikas bis 1990.<br />

Unverändert geblieben ist die Existenz der kleinen Farmen mit Rinderzucht.<br />

Helen berichtete von traumatischen Erlebnissen. Sie verließ ihren Heimatort und wollte ungebunden<br />

sein ohne soziale Kontrolle einer Gemeinschaft. Helen kannte eine junge Lesbierin, die sich das<br />

Leben nahm: „Das Mädchen stammte aus Lüderitzbucht. Sie hatte Gewissensqualen, schrieb Briefe<br />

an den Pfarrer ihrer Gemeinde, an die Polizei und ihre Eltern mit dem Bekenntnis eine Lesbierin zu<br />

sein und so nicht weiterleben zu können! Dann erhängte sie sich. Bei der Bestattung hat man diese<br />

Briefe am Grab vorgelesen“.<br />

Dieser Mann liegt schon sehr lange im Krankenhaus, weil er an<br />

AIDS leidet. Deshalb ist er schwer krank: AIDS ist eine sehr<br />

gefährliche Krankheit und niemand kann sie heilen. Eine<br />

Behandlung ist aber möglich.


Helens Liebhaber(in) namens Khoes hat zuhause allerlei Probleme zu bewältigen. Weder die Mutter<br />

noch die Großmutter akzeptieren die Beziehung mit Helen. Nun leben die beiden Frauen in einem<br />

gemieteten Zimmer abseits der Verwandten.<br />

Helen: „Ich fühle mich in meiner sexuellen Beziehung sicher vor AIDS. Viele Freundinnen von früher<br />

sind schon an AIDS gestorben. Ich habe bis jetzt 35 Jahre überlebt ohne Sex mit Männern, die HIV<br />

infiziert sein mögen in diesem verseuchten Namibia!“<br />

Die Kirchengemeinde verhält sich unterschiedlich gegenüber den Lesbierinnen, teils tolerant und teils<br />

schroff diskriminierend. Fast alle Kirchen in Namibia verdammen lesbische Sexualität genau so wie<br />

männliche Homosexualität. Helen verfügt über eine schöne Gesangsstimme und spielt im Kirchenchor<br />

eine führende Rolle, was ihr Sympathien einbringt.<br />

Helen zitierte eine Versammlung in ihrer Gemeinde, in der vom Pastor folgender Kommentar zu<br />

vernehmen war: „Ihr alle wisst so gut wie ich, dass Frauen unserer Gemeinde sexuelle Beziehungen<br />

mit Ehemännern anderer Frauen unterhalten. Einige Frauen haben von ihren Arbeitgeberinnen Geld<br />

gestohlen. Gott vergibt allen, die bußfertig sind...<br />

Aber was ist mit unseren Lesbierinnen, die einander lieben und niemand etwas zum Leid tun? Sie sind<br />

von Gott erschaffen wie wir alle und gehören deshalb zu unserer Gemeinde. Merkt Euch das!“<br />

Die Milieu-Bezeichnungen „butch“ und „femme“ sind bei den Damara Frauen nicht üblich (wie sonst im<br />

englischen Sprachraum). Jüngere Feministinnen im südlichen Afrika benutzen jedoch solche<br />

Kennworte innerhalb ihrer Organisationen. In der Sprache des Damara Volks gibt es keine<br />

Bezeichnung für „Lesben“. Man kennt jedoch den Begriff „Ihama“ für Ziegen und andere Tiere mit<br />

Zwitter-Merkmalen, also männlichen und weiblichen Sexualorganen in einem Körper.<br />

Werbung für Kondome und gesunde Nahrung<br />

„Kerle“ betonen ihre „Männerrolle“ sehr stark im gemeinsamen Haushalt und lehnen „typische<br />

Frauenarbeit“ ab. Ein „Kerl“ spült kein Geschirr ab, fegt aber selbstverständlich den Hof und kann<br />

Autos reparieren. Soziale Verantwortung wird bei den Kerlen stets groß geschrieben in allen<br />

Lebenslagen. Kerle tragen männliche Unterwäsche, keine Schlüpfer, nur Männerschuhe und keine<br />

Pumps, klobige Armbanduhren statt damenhafte Zeitmesser. Die „Hosenrolle“ wird konsequent<br />

durchgezogen.<br />

Viele Damara Lesbierinnen sind dem Alkohol verfallen und schätzen eine Prügelei, um ihre Kräfte zu<br />

messen. Gewalt spielt in den Beziehungen oft eine beschämende Rolle, weil die „Kerle“ ihre<br />

„Weibchen“ zähmen wollen wie wilde Tiere. Die Übernahme de Männerrolle hat verheerende<br />

Nebenwirkungen, wie alle Interviews ergaben.


Zitat Calvyn: „Ja ich habe früher oft hart zugeschlagen, ohne alkoholisiert zu sein. Jetzt aber nicht<br />

mehr, man wird ja allmählich älter. Frauen müssen gehorchen ohne Widerspruch, das gehört sich so!“<br />

Manche „Weibchen“ wehren sich: „Hans“ wurde von der Geliebten so heftig gebissen dass eine<br />

Behandlung in der Klinik folgen musste (drei Monate). Eine Wundinfektion kam hinzu. Sowohl Helen<br />

als auch Hans berichteten, dass sie im Verlauf frauenärztlicher Routine-Untersuchungen auf<br />

„Anomalien“ ihrer primären Geschlechtsorgane hingewiesen wurden, genauer gesagt auf rudimentäre<br />

Penis-Missbildungen neben der Clitoris. Die Mediziner rieten zu chirurgischen Korrekturen, aber beide<br />

lehnten ab.<br />

Alle interviewten Lesbierinnen hatten Kinder und frühere sexuelle Beziehungen mit Männern.<br />

Gleichzeitig unterhielten die Frauen bzw. Mütter sexuelle Beziehungen mit anderen Frauen, ohne<br />

dass die männlichen Partner bzw. Väter etwas davon erfuhren. Calvyn hat beispielsweise fünf Kinder<br />

mit einem alten Herrn Anfang sechzig. Hans hat zwei Kinder zur Welt gebracht. Eine andere befragte<br />

Frau wurde vergewaltigt und gebar danach ein Kind.<br />

Dildos und Vibratoren wurden von den interviewten Frauen niemals verwendet. Sehr verbreitet ist<br />

dagegen „Koekstamp“ (Begriff aus der Afrikaans Sprache), wobei zwei nackte Frauenköper sich wie<br />

eine Schere aneinander pressen in Seitenlage und durch wechselseitige Reibung der Clitoris den<br />

Orgasmus stimulieren (übersetzt etwa „Rührteigsex“).<br />

Wie kompliziert die „Rangordnung“ in derartigen Beziehungen ist, verriet Hans in ihrer/seiner<br />

Eigenschaft als Kerl: „Ich dulde nicht, dass meine Partnerin unaufgefordert meine Geschlechtsteile<br />

berührt, falls überhaupt. Ich verlange Respekt und das gehört einfach dazu. Mein „Weib“ darf aber<br />

Kataturas Bezirke mit ethnischer Segregation


meinen Hintern liebkosen“. Oral Sex ist beliebt, gelegentlich auch mit weißen Frauen. Manche<br />

Lesbierinnen unterhalten intime Kontakte mit mehreren Frauen gleichzeitig, sodass oft Eifersucht<br />

ausbricht.<br />

Prostitution an der Landstraße<br />

Im Jahr 2005 untersuchten Teams die Auswirkungen von Prostitution im Caprivi Zipfel nahe der<br />

Grenze zu Angola, wo zahlreiche Lastkraftwagen im Fernverkehr unterwegs sind.<br />

Die Gegend um Katima Mulilo wies 43 Prozent Verseuchung durch HIV Infektionen auf unter der<br />

Bevölkerung. Rundu verzeichnete 22 Prozent und Oshikango 17 Prozent. In Rundu und Katima Mulilo<br />

herrscht bittere Armut, was zu „billigem Sex“ führt: Lebensmittel oder eine Stange Seife genügen als<br />

Bezahlung. Ein Fernfahrer brüstete sich im Interview, dass eine Flasche Bier zum Sex (mit Männern<br />

oder Frauen) genügt.<br />

Die Soziologen unterscheiden zwischen „transactional sex“ (Sex je nach Gelegenheit) und<br />

„commercial sex“ (professionelle Prostitution). Man kann den „transactional sex“ auch als<br />

nebenberufliche Tätigkeit umschreiben, doch gibt es fließende Übergänge.<br />

Aus Walvis Bay (25 Prozent HIV/AIDS Fälle) und Oshikango erfuhren die Interviewer, dass die<br />

weiblichen Prostituierten ständige Liebhaber hatten, die als finanzielle Stütze dienten, aber jederzeit<br />

mit dem Abtauchen solcher Männer rechneten wegen deren Unzuverlässigkeit. Eine Sex-Arbeiterin in<br />

Walvis Bay erklärte: „Ich möchte gern aufhören. Ich suche einen braven Mann zum Heiraten und<br />

Kinderkriegen, einen soliden Ernährer“.<br />

Die „commercial sex workers“ – erfahrene Profis in Windhuk – bestimmen ihr Honorar selbstbewusst.<br />

Am Monatsende ist Sex am teuersten wegen Lohnauszahlung der Freier; in der Monatsmitte gibt es<br />

beträchtlichen Rabatt. Weiße Männer müssen mehr blechen als Eingeborene. Der verlangte Preis<br />

Für stalinistische Heldendenkmale ist genügend Geld vorhanden wie hier nahe Windhuk.


hängt davon ab, ob Verkehr mit oder ohne Kondom gewünscht wird, ob spezielle Leistungen in Frage<br />

kommen usw. Profis haben stets „cell phones“ zur Hand (Mobiltelefone) und vergeben Termine in<br />

Hotelzimmern. Schulmädchen auf Abwegen sind am preisgünstigsten.<br />

Die befragten Freier räumten ein, dass sie sich nicht mehrere Frauen (Polygamie) daheim leisten<br />

könnten, sodass sie auf Prostituierte angewiesen seien (ohne Nebenkosten). Auch Eifersucht bleibe<br />

dem Mann erspart. Fernfahrer mit ihren Sattelschleppern sind traditionell die besten Kunden im<br />

Sexgeschäft. Manche Prostituierte sind mit Revolvern bewaffnet, um ihren Honorarforderungen<br />

Nachdruck zu verleihen, wenn der Freier ohne Bezahlung abhauen will.<br />

Verhängnisvoll ist vor allem die Sitte, dass die Freier für den Verkehr ohne Kondom mehr zu zahlen<br />

bereit sind als mit dem Gummischutz. Viele Frauen lassen sich darauf ein, weil das Geld lockt und die<br />

Armut quält. Neuerdings dürfen Prostituierte in namibischen Zeitungen ihren Service mit Rufnummer<br />

anbieten, aber nicht im Fernsehfunk oder Rundfunk. Auch Bordelle können durch Anzeigenwerbung<br />

Personal suchen und brauchen sich nicht mehr hinter „Massage Salons“ zu verbergen (wie früher).<br />

Schulmädchen tauchen immer häufiger in der Grauzone am Rand der Prostitution auf, ebenso<br />

Schüler. Die Mädchen lassen sich von „Sugar Daddies“ aushalten (und schwänzen den Unterricht<br />

unregelmäßig): ein klarer Fall von (meistens) „Senioren Sex“. Es gibt aber auch „Sugar Moms“,<br />

wohlhabende Ehefrauen, die sich einen „Lustknaben“ leisten können und ihn verwöhnen. Windhuk<br />

bietet die geeignete Bühne!<br />

Unter Feministinnen zirkulierte der sarkastische Ausspruch: „Der einzig zuverlässige Schutz gegen<br />

eine HIV Infektion ist eine solide lesbische Sexbeziehung solange die schwarzen Männer den<br />

Gebrauch von Kondomen in Namibia starrsinnig ablehnen“. Dem gegenüber warnten Sozialforscherinnen<br />

eindringlich von diesem Trugschluss mit folgendem Argument „Lesbische Beziehungen<br />

in Namibia sind erfahrungsgemäß häufig von Herrschsucht, Unterwürfigkeit, Gewalt und Eifersucht<br />

geprägt in einem erschreckenden Ausmaß!“<br />

Eine Nation mit Waisenkindern: Tendenz steigend<br />

Zur Zeit leben in Namibia nahezu 100.000 AIDS Waisenkinder. Jeder fünfte Bewohner des Landes<br />

leidet an einer HIV Infektion. 15 Prozent aller namibischen Kinder leben in Familien, zu denen mindestens<br />

eine HIV infizierte Person gehört, was eine erhöhte Gefahr für diese Jungen und Mädchen<br />

bedeutet wegen der Infektionsquelle.<br />

Waisenkinder geraten leicht auf die schiefe Bahn als Straßenkinder, wenn sich niemand um sie kümmert.<br />

Bis zur Prostitution ist es dann nur noch ein kleiner Schritt. Es wird geschätzt, dass zur Zeit nur<br />

etwa 38 Prozent aller AIDS Patienten in Namibia mit ART (Antiretrovirale Therapie Medikamente)<br />

behandelt werden (können). Eine ART kostet zur Zeit zu Weltmarktpreisen etwa 10.000 Euro je<br />

Patient und Jahr: ein Schwindel erregend hoher Preis. Wer soll/kann das bezahlen in Namibia?<br />

Nur 25 Prozent der HIV infizierten schwangeren Frauen in Namibia erhalten Arzneimittel zur Reduzierung<br />

der HIV Übertragung auf das Ungeborene. Ein weiteres Problem stellt für Namibia die<br />

Nutzung der preisgünstigen Generika dar, da sie meistens patentrechtlich geschützt sind.<br />

Weil in Namibia überwiegend die jungen produktiven Bevölkerungsgruppen von HIV/AIDS betroffen<br />

sind, hat die Pandemie hier massivere Auswirkungen als andere Erkrankungen es haben oder hatten.<br />

Die produktiven Altersgruppen werden durch HIV/AIDS ausgedünnt, was zu einem Mangel an<br />

Fachkräften führt. Das Wirtschaftswachstum im Land von knapp sechs Prozent im Jahr 2004 sank auf<br />

drei Prozent im Jahr 2005 dramatisch. Das bedeutete geringere Einnahmen des Staates, weniger<br />

Mittel für das Gesundheitswesen, weniger AIDS Fürsorge.<br />

Es fehlen in Namibia mindestens 1500 ausgebildete Krankenschwestern sowie Ärzte und sonstiges<br />

Pflegepersonal. In den nächsten 16 Jahren werden bis zu 26 Prozent aller Arbeitskräfte als Folge von<br />

HIV/AIDS verloren gehen. Die Säuglingssterblichkeit im Land liegt bei 47 Prozent. Zu den Opfern<br />

durch HIV/AIDS zählen überdies zahlreiche Lehrer, jährlich ungefähr 550.<br />

Dass auch immer wieder Politiker und andere Personen aus Regierungskreisen an HIV/AIDS erkranken<br />

und sterben, wird als Staatsgeheimnis behandelt und strikt geleugnet. Das Regime gibt sich keine<br />

Blöße. Akzeptable Todesursachen lassen sich leicht konstruieren.


Das Elendsquartier Katutura nahe Windhuk<br />

Viele der in diesem Artikel zitierten Interviews mit Schwulen und Lesben schwarzer Hautfarbe fanden<br />

im Wohngebiet Katutura nahe Windhuk statt, einfach „Tura“ genannt von den Ghetto-Schwarzen. In<br />

der Herero Sprache bedeutet Katutura „Ein Ort, an dem wir nicht leben möchten“. Nachdem sich seit<br />

1990 die dortigen Umweltverhältnisse gebessert haben, spricht man neuerdings von „Matutura“ (Ein<br />

Ort, an dem wir uns wohlfühlen) mit zaghaftem Optimismus.<br />

Katutura zählt zur Zeit etwa 70.000 Bewohner. Blättert der Chronist in die Vergangenheit zurück, so ist<br />

an die 1959 erfolgte Zwangsumsiedlung der in Windhuk wohnenden Schwarzen durch die<br />

südafrikanischen Mandatsbehörden zu erinnern. Windhuk sollte eine „rein weiße Stadt“ bleiben. Jetzt<br />

ist Windhuk zwischen der City und dem 10 Kilometer entfernten Katutura flächendeckend besiedelt,<br />

doch war die Ghetto-Ortschaft in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts durch viele<br />

Kilometer Ödland von der „weißen“ City getrennt.<br />

Der Burenstaat ließ Schulen, Kliniken, Einkaufszentren, Erholungseinrichtungen usw. in Katutura aufbauen,<br />

um die Schwarzen von der weißen Stadt fern zu halten. Vor der Zwangsumsiedlung lebten die<br />

Schwarzen auf der „Alten Werft“, damals „Old Location“ umschrieben, mittlerweile Stadtteil „Hochland<br />

Park“. Im neu geschaffenen Katutura errichtete der Staat Einheitshäuser mit jeweils 45 Quadratmeter<br />

Wohnfläche je Familie und gliederte die Wohnbezirke nach Stammeszugehörigkeit: Ovambo, Herero,<br />

Damara, um Reibereien der Ethnien zu vermeiden.<br />

„Farbige“ (Mischlinge) sollten in der Vorstadt Khomasdal eine Heimat finden, weil sie nicht mit<br />

Schwarzen zusammenleben wollten, wofür die Buren Verständnis aufbrachten.<br />

Am 10. Dezember 1959 kam es zu einem Aufstand im Gebiet der Alten Werft, an dem Sam Nujoma<br />

(später Staatspräsident Namibias und SWAPO Chef) teilnahm, sodass ihn die Polizei verhaftete. 11<br />

Aufständische wurden durch Polizeikugeln getötet, 44 verletzt. Der Tag wird seither als „Geburtsstunde<br />

der SWAPO Unabhängigkeitsbewegung“ gefeiert. 1968 schien die Zwangsumsiedlung abgeschlossen.<br />

Inzwischen ist Katutura mit Khomasdal und Wanaheda nahezu in das weiße Windhuk hinein<br />

gewuchert. Elektrifizierung, Wasserversorgung, Schulneubauten, Müllentsorgung, Straßenbau usw.<br />

haben erhebliche Fortschritte gemacht. Sehenswert sind das Katutura Community Art Centre (KCAC)<br />

und das Bernard Nordkamp Centre (BNC). 2005 eröffnete man das Sam Nujoma Sportstadion.<br />

Quellen<br />

Lafont/Hubbard: Unravelling Taboos – Gender and Sex in Namibia<br />

(Windhuk 2007)<br />

Lipinge/Hofnie/Friedman: Relationship Between Gender Roles and HIV Infection in Namibia<br />

(Windhuk 2004)<br />

Gronemeyer/Rompel: Essays by Young Namibians on HIV and AIDS<br />

(Windhuk 2003)<br />

Schröter, S.: HIV/AIDS als neue Herausforderung für Namibia<br />

(Berlin 2007)


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