Knop, Ingmar - Die Ethik des Jesus von Nazareth in der deutschen Rechtsgegenwart
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JESESVONNAZARETH<br />
E<strong>in</strong> Ausblick <strong>in</strong> die Zukunft.<br />
<strong>Die</strong> Rechtsethik Jesu ist so schlicht, dass<br />
sie <strong>in</strong> ihrer Schlichtheit beängstigend wirken<br />
mag. Sie setzt alle<strong>in</strong> auf die Liebe - die<br />
Liebe zum Nächsten, vermittelt durch das<br />
Wissen, selbst geliebt zu se<strong>in</strong> <strong>von</strong> Gott.<br />
Der Ausgangspunkt <strong>des</strong> ethischen Sollens<br />
ist bei <strong>Jesus</strong> damit e<strong>in</strong>e Größe, die nicht<br />
selbst <strong>in</strong> Recht gegossen, die jedoch den<br />
Auslegungsmaßstab für Gesetzgebung<br />
und -anwendung bilden kann: das Gewissen.<br />
Der Staat und se<strong>in</strong>e Institutionen aber<br />
haben ke<strong>in</strong>e Macht über Glauben und<br />
Gewissen und sollen darum auch nicht<br />
versuchen, Glauben und Gewissen zu<br />
beherrschen und sich gefügig zu machen.<br />
„Erst die Unterscheidung zwischen dem Auftrag<br />
<strong>der</strong> Kirche und dem Auftrag <strong>des</strong> Staates<br />
erlaubt und ermöglicht e<strong>in</strong>e positive Beziehung<br />
zwischen beiden... Weil die demokratische<br />
Staatsform sich selbst solche Grenzen<br />
als verb<strong>in</strong>dlich setzt, kann und soll e<strong>in</strong>e positive<br />
Beziehung <strong>von</strong> Staat und Kirche <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Demokratie auch konkret wahrgenommen<br />
werden.“ (31)<br />
<strong>Die</strong> Rechtsethik Jesu setzt also nicht auf<br />
den Staat, son<strong>der</strong>n auf den e<strong>in</strong>zelnen, wie<br />
auch Gottes Liebe sich auf jeden e<strong>in</strong>zelnen<br />
Menschen bezieht. Bei alledem stellt<br />
sich für das Recht <strong>in</strong> Gegenwart und Zukunft<br />
die Aufgabe, se<strong>in</strong>e Geltung und<br />
Akzeptanz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft (wie<strong>der</strong>)<br />
auszubauen. Dabei spielt die Ges<strong>in</strong>nung<br />
sowohl <strong>der</strong> Rechtsetzenden wie <strong>der</strong> an<br />
das Recht Gebundenen die Hauptrolle.<br />
<strong>Die</strong> politische Tragweite <strong>des</strong> gegenwärtig<br />
trotz allem praktizierten Nichtachtens <strong>der</strong><br />
sittlichen Ges<strong>in</strong>nung und die Konsequenz<br />
dieses Versuchs, e<strong>in</strong>e Gesellschaft alle<strong>in</strong> im<br />
äußeren Handeln zu befrieden, s<strong>in</strong>d überdeutlich:<br />
• Wir müssen nicht gegen Recht und<br />
Gesetz verstoßen, um dennoch auf<br />
Kosten künftiger Generationen zu leben.<br />
• Wir bereichern uns rechtmäßig am E-<br />
lend <strong>der</strong> Dritten Welt, und nennen dies<br />
„Globalisierte Marktwirtschaft“,<br />
• und wir bereiten nach Recht und Gesetz<br />
militärisch und ökologisch das Ende <strong>der</strong><br />
Schöpfung vor.<br />
Wo dies alles rechtmäßig geschehen kann,<br />
bleibt e<strong>in</strong> gesellschaftlicher Verlust an<br />
Gesetzesakzeptanz nicht aus. Recht und<br />
Gesetz basieren auf <strong>Ethik</strong> und Ges<strong>in</strong>nung.<br />
Wenn über uns die Keule <strong>des</strong> Positivismus<br />
schwebt, wird sie das Recht <strong>in</strong> den <strong>Die</strong>nst<br />
<strong>des</strong> Ungewissens stellen. Zur Kategorie<br />
<strong>des</strong> „Rechtmäßig-Lebens“ muß <strong>der</strong> Aspekt<br />
<strong>der</strong> Liebesges<strong>in</strong>nung, als e<strong>in</strong>es über dem<br />
Recht stehenden Wertes, h<strong>in</strong>zutreten.<br />
<strong>Jesus</strong> <strong>von</strong> <strong>Nazareth</strong> <strong>in</strong> die heutige Zeit zu<br />
übersetzen, bedeutet zu erkennen, dass<br />
alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e auf Liebe beruhende Ges<strong>in</strong>nung<br />
sowohl den Geist <strong>des</strong> Wirtschaftens,<br />
als auch Gesetzgebung, Verwaltung und<br />
Rechtsprechung zu e<strong>in</strong>em die Schöpfung<br />
und den Menschen erhaltenden Gut zu<br />
formen vermag. Auch und gerade im<br />
Staat <strong>des</strong> Bonner Grundgesetzes s<strong>in</strong>d die<br />
rechtsethischen Pr<strong>in</strong>zipien Jesu nicht nur<br />
verfassungsrechtlich zulässig, son<strong>der</strong>n im<br />
Interesse <strong>der</strong> gesellschaftlichen Befriedung<br />
im Zeitalter <strong>der</strong> Globalisierung und<br />
damit im Interesse e<strong>in</strong>er Zukunft <strong>des</strong><br />
Menschen geboten.<br />
_________________________________<br />
(1) Johannes 14, 6.; zum Sendungs- und<br />
Vollmachtsanspruch Jesu s. a. Matthäus<br />
12, 50; 17, 5; Lukas 12, 8 f.; Johannes 5,<br />
24; 7, 16.<br />
(2) Matthäus 12, 9 ff.<br />
(3) Lukas 12, 13 f.<br />
(4) Matthäus 5, 21 f.<br />
(5) Matthäus 5, 28.<br />
(6) BVerfGE 93, 1 ff.<br />
(7) Gmür, Grundriß <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Rechtsgeschichte,<br />
S. 42.<br />
(8) BVerfGE 93, 1 [22].<br />
(9) BVerfGE, ebd.<br />
(10)EKD, Christentum und politische Kultur,<br />
S. 15.<br />
(11)BVerfGE 35, 366 [375].<br />
(12)BVerfGE, ebd.<br />
(13)BVerfGE 93, 1.<br />
(14)vgl. z.B. Benda, NJW 1995, 2470; L<strong>in</strong>k,<br />
NJW 1995, 3353; Isensee, ZRP 1996, 10.<br />
(15)Matthäus 6, 33.<br />
(16)Kaufmann/ Hassemer, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong><br />
Rechtsphilosophie und Rechtstheorie<br />
<strong>der</strong> Gegenwart, S. 30.<br />
(17)Müller, Theologische Realenzyklopädie,<br />
Band 28, S. 197 ff.<br />
(18)EKD, Geme<strong>in</strong>wohl und Eigennutz,<br />
1991, Rn. 155.<br />
(19)Alt, Frieden ist möglich, S. 23.<br />
(20)Matthäus 7, 26.<br />
(21)Alt, Frieden ist möglich, S. 30.<br />
(22)Alt, Frieden ist möglich, S. 28.<br />
(23)Paulus <strong>in</strong> Galater 6, 7.<br />
(24)vgl. z.B. Paulus <strong>in</strong> 2. Kor<strong>in</strong>ther 13, 13;<br />
Römer 5, 8.<br />
(25)Matthäus 9, 14.<br />
(26)Matthäus 19, 24.<br />
(27)Alt, Frieden ist möglich, S. 32.<br />
(28)Matthäus 7, 4.<br />
(29)Matthäus 7, 1.<br />
(30)Alt, Frieden ist möglich, S. 87.<br />
(31)EKD, Evangelische Kirche und freiheitliche<br />
Demokratie, S. 51.<br />
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