26.12.2014 Aufrufe

Knop, Ingmar - Die Ethik des Jesus von Nazareth in der deutschen Rechtsgegenwart

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

JESESVONNAZARETH<br />

E<strong>in</strong> Ausblick <strong>in</strong> die Zukunft.<br />

<strong>Die</strong> Rechtsethik Jesu ist so schlicht, dass<br />

sie <strong>in</strong> ihrer Schlichtheit beängstigend wirken<br />

mag. Sie setzt alle<strong>in</strong> auf die Liebe - die<br />

Liebe zum Nächsten, vermittelt durch das<br />

Wissen, selbst geliebt zu se<strong>in</strong> <strong>von</strong> Gott.<br />

Der Ausgangspunkt <strong>des</strong> ethischen Sollens<br />

ist bei <strong>Jesus</strong> damit e<strong>in</strong>e Größe, die nicht<br />

selbst <strong>in</strong> Recht gegossen, die jedoch den<br />

Auslegungsmaßstab für Gesetzgebung<br />

und -anwendung bilden kann: das Gewissen.<br />

Der Staat und se<strong>in</strong>e Institutionen aber<br />

haben ke<strong>in</strong>e Macht über Glauben und<br />

Gewissen und sollen darum auch nicht<br />

versuchen, Glauben und Gewissen zu<br />

beherrschen und sich gefügig zu machen.<br />

„Erst die Unterscheidung zwischen dem Auftrag<br />

<strong>der</strong> Kirche und dem Auftrag <strong>des</strong> Staates<br />

erlaubt und ermöglicht e<strong>in</strong>e positive Beziehung<br />

zwischen beiden... Weil die demokratische<br />

Staatsform sich selbst solche Grenzen<br />

als verb<strong>in</strong>dlich setzt, kann und soll e<strong>in</strong>e positive<br />

Beziehung <strong>von</strong> Staat und Kirche <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Demokratie auch konkret wahrgenommen<br />

werden.“ (31)<br />

<strong>Die</strong> Rechtsethik Jesu setzt also nicht auf<br />

den Staat, son<strong>der</strong>n auf den e<strong>in</strong>zelnen, wie<br />

auch Gottes Liebe sich auf jeden e<strong>in</strong>zelnen<br />

Menschen bezieht. Bei alledem stellt<br />

sich für das Recht <strong>in</strong> Gegenwart und Zukunft<br />

die Aufgabe, se<strong>in</strong>e Geltung und<br />

Akzeptanz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft (wie<strong>der</strong>)<br />

auszubauen. Dabei spielt die Ges<strong>in</strong>nung<br />

sowohl <strong>der</strong> Rechtsetzenden wie <strong>der</strong> an<br />

das Recht Gebundenen die Hauptrolle.<br />

<strong>Die</strong> politische Tragweite <strong>des</strong> gegenwärtig<br />

trotz allem praktizierten Nichtachtens <strong>der</strong><br />

sittlichen Ges<strong>in</strong>nung und die Konsequenz<br />

dieses Versuchs, e<strong>in</strong>e Gesellschaft alle<strong>in</strong> im<br />

äußeren Handeln zu befrieden, s<strong>in</strong>d überdeutlich:<br />

• Wir müssen nicht gegen Recht und<br />

Gesetz verstoßen, um dennoch auf<br />

Kosten künftiger Generationen zu leben.<br />

• Wir bereichern uns rechtmäßig am E-<br />

lend <strong>der</strong> Dritten Welt, und nennen dies<br />

„Globalisierte Marktwirtschaft“,<br />

• und wir bereiten nach Recht und Gesetz<br />

militärisch und ökologisch das Ende <strong>der</strong><br />

Schöpfung vor.<br />

Wo dies alles rechtmäßig geschehen kann,<br />

bleibt e<strong>in</strong> gesellschaftlicher Verlust an<br />

Gesetzesakzeptanz nicht aus. Recht und<br />

Gesetz basieren auf <strong>Ethik</strong> und Ges<strong>in</strong>nung.<br />

Wenn über uns die Keule <strong>des</strong> Positivismus<br />

schwebt, wird sie das Recht <strong>in</strong> den <strong>Die</strong>nst<br />

<strong>des</strong> Ungewissens stellen. Zur Kategorie<br />

<strong>des</strong> „Rechtmäßig-Lebens“ muß <strong>der</strong> Aspekt<br />

<strong>der</strong> Liebesges<strong>in</strong>nung, als e<strong>in</strong>es über dem<br />

Recht stehenden Wertes, h<strong>in</strong>zutreten.<br />

<strong>Jesus</strong> <strong>von</strong> <strong>Nazareth</strong> <strong>in</strong> die heutige Zeit zu<br />

übersetzen, bedeutet zu erkennen, dass<br />

alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e auf Liebe beruhende Ges<strong>in</strong>nung<br />

sowohl den Geist <strong>des</strong> Wirtschaftens,<br />

als auch Gesetzgebung, Verwaltung und<br />

Rechtsprechung zu e<strong>in</strong>em die Schöpfung<br />

und den Menschen erhaltenden Gut zu<br />

formen vermag. Auch und gerade im<br />

Staat <strong>des</strong> Bonner Grundgesetzes s<strong>in</strong>d die<br />

rechtsethischen Pr<strong>in</strong>zipien Jesu nicht nur<br />

verfassungsrechtlich zulässig, son<strong>der</strong>n im<br />

Interesse <strong>der</strong> gesellschaftlichen Befriedung<br />

im Zeitalter <strong>der</strong> Globalisierung und<br />

damit im Interesse e<strong>in</strong>er Zukunft <strong>des</strong><br />

Menschen geboten.<br />

_________________________________<br />

(1) Johannes 14, 6.; zum Sendungs- und<br />

Vollmachtsanspruch Jesu s. a. Matthäus<br />

12, 50; 17, 5; Lukas 12, 8 f.; Johannes 5,<br />

24; 7, 16.<br />

(2) Matthäus 12, 9 ff.<br />

(3) Lukas 12, 13 f.<br />

(4) Matthäus 5, 21 f.<br />

(5) Matthäus 5, 28.<br />

(6) BVerfGE 93, 1 ff.<br />

(7) Gmür, Grundriß <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Rechtsgeschichte,<br />

S. 42.<br />

(8) BVerfGE 93, 1 [22].<br />

(9) BVerfGE, ebd.<br />

(10)EKD, Christentum und politische Kultur,<br />

S. 15.<br />

(11)BVerfGE 35, 366 [375].<br />

(12)BVerfGE, ebd.<br />

(13)BVerfGE 93, 1.<br />

(14)vgl. z.B. Benda, NJW 1995, 2470; L<strong>in</strong>k,<br />

NJW 1995, 3353; Isensee, ZRP 1996, 10.<br />

(15)Matthäus 6, 33.<br />

(16)Kaufmann/ Hassemer, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong><br />

Rechtsphilosophie und Rechtstheorie<br />

<strong>der</strong> Gegenwart, S. 30.<br />

(17)Müller, Theologische Realenzyklopädie,<br />

Band 28, S. 197 ff.<br />

(18)EKD, Geme<strong>in</strong>wohl und Eigennutz,<br />

1991, Rn. 155.<br />

(19)Alt, Frieden ist möglich, S. 23.<br />

(20)Matthäus 7, 26.<br />

(21)Alt, Frieden ist möglich, S. 30.<br />

(22)Alt, Frieden ist möglich, S. 28.<br />

(23)Paulus <strong>in</strong> Galater 6, 7.<br />

(24)vgl. z.B. Paulus <strong>in</strong> 2. Kor<strong>in</strong>ther 13, 13;<br />

Römer 5, 8.<br />

(25)Matthäus 9, 14.<br />

(26)Matthäus 19, 24.<br />

(27)Alt, Frieden ist möglich, S. 32.<br />

(28)Matthäus 7, 4.<br />

(29)Matthäus 7, 1.<br />

(30)Alt, Frieden ist möglich, S. 87.<br />

(31)EKD, Evangelische Kirche und freiheitliche<br />

Demokratie, S. 51.<br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!