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Dominik Lechler und Michael Hofmann Numerische Simulation ...

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<strong>Dominik</strong> <strong>Lechler</strong> <strong>und</strong> <strong>Michael</strong> <strong>Hofmann</strong><br />

<strong>Numerische</strong> <strong>Simulation</strong> turbulenter Strömungen<br />

Proseminar Numerik vom 07.08.06 - 09.08.06 im Kleinwalsertal<br />

1. Einführende Beispiele <strong>und</strong> Bemerkungen<br />

Wir wollen zunächst einige Beispiele nennen, um die Relevanz der Modellbildung<br />

- insbesondere der Turbulenzmodellbildung - zu demonstrieren <strong>und</strong> zu motivieren.<br />

Die angegebenen Beispiele können durchaus auch unter andere genannte Oberbegriffe<br />

fallen beziehungsweise es gibt viele Querverbindungen.<br />

• Allgemeine Idee von <strong>Simulation</strong><br />

– <strong>Simulation</strong>srechnungen ersetzen teure Experimente.<br />

– Veränderung von (z.B. Material-)Parametern oder (z.B. Schiffs-)Geometrien<br />

können sehr schnell an wenigen Stellen im Code erfolgen, dadurch sind<br />

schnellere Tests zur Optimierung ohne Versuchsumbauten möglich.<br />

Durch hohen Speicherplatz ist auch mehr Datenspeicherung möglich.<br />

– Es können Prozesse modelliert werden, bei denen Experimente zu lange<br />

dauern oder zu schnell ablaufen, bei denen die Dimension zu klein<br />

(Mikrochips) oder zu groß (Galaxiebildung) ist. Ebenso solche Prozesse<br />

bei denen man keine Versuche machen darf (Tanker-/Reaktorunfälle).<br />

• Strömungen in der Natur<br />

– Wolkenbildung (Meteorologie/Klimatologie)<br />

1


2<br />

– Luftströmung über Landschaften<br />

– (Wild-)bach, Wasserfall, Meereswellen (Ozeanologie)<br />

– Plattentektonik (Geologie)<br />

– Durchströmung poröser Medien wie z.B. dem Erdboden (Erdölförderung,<br />

Gr<strong>und</strong>wassertransport)<br />

– Sonnenwinde (Astrophysik)<br />

– Lawinen (Katastrophenschutz)<br />

• Strömungen im Alltag<br />

– Milch im Kaffee<br />

– Badewannenwirbel<br />

– Zigarettenrauch<br />

– Aerodynamik beim Segeln


• Strömungen in der Technik<br />

– Abhören von Turbulenzgeräuschen des Blutes bei der Blutdruckmessung,<br />

Herzklappengeräusche (Medizintechnik)<br />

– Einfluss von Heizungen <strong>und</strong> Klimaanlagen auf Luftströmung im Zimmer<br />

– Kaminplatzierung bei Gebäuden, Strömungen um Hochhäuser, in Häuserschluchten<br />

(Relevanz wg. Abgasen, Emissionen,...)<br />

– Schmelz-, Verfestigungs-, Verbrennungs- <strong>und</strong> Beschichtungsprozesse<br />

(z.B. sogenannte Vorhangbeschichtung bei Produktion fotographischer<br />

Filme)<br />

– Fahrzeugtechnik (Umströmung von Karosserien, Tragflügelprofile)<br />

– Flutwellensimulation bei brechenden Dämmen (typisches Testbeispiel<br />

für neuentwickelte Programme)<br />

– Schiffsbewegung (Beeinflussung des Gewässers oder durch das Gewässer)<br />

– Durchströmung technischer Bauteile wie Filter oder Katalysatoren<br />

– Kraftwerke, Kühltürme<br />

– Trinkwasserspeicherkonstruktion (Vermeidung von stehendem Gewässer)<br />

– Fluid-Festkörper-Wechselwirkungen (Auswirkungen sich bewegender<br />

Körper auf Strömung, Transport <strong>und</strong> Verformung von Körpern durch<br />

Strömung), Verhalten elastischer Körper<br />

3


4<br />

2. Strömungstypen (laminar <strong>und</strong> turbulent)<br />

Wir wenden uns nun turbulenten, d.h. chaotischen Strömungen zu. Ihre Analyse<br />

<strong>und</strong> <strong>Simulation</strong> stellt schwierigste Anforderungen an die Strömungsmechanik.<br />

2.1. Abhängigkeit von der Reynoldszahl.<br />

Definition 2.1.1. Die Reynoldszahl gibt das Verhältnis von Trägheitskraft zu Reibungskraft<br />

in einem strömenden Fluid an.<br />

• Stationäre Strömungen<br />

– Re < 1: Da die Reibungskräfte im Fluid größer sind als die Trägheitskräfte,<br />

werden Hindernisse eng umströmt.<br />

– Re > 4: Es entstehen zeitlich unveränderte (=stationäre) Rückströmungsgebiete<br />

hinter den Hindernissen.<br />

• Re > 40: Periodische Strömungen<br />

Rückströmungsgebiete trennen sich vom Hindernis ab, fließen mit der<br />

Strömung mit. Neue Rückströmungsgebiete bilden sich in periodischen Abständen.<br />

• Re ≫ 40: Quasi-Periodische Strömungen<br />

Die zeitliche Abfolge <strong>und</strong> Größe der Rückströmungsgebiete (Wirbel) wird<br />

zunehmend unregelmäßig.<br />

• Re > Rekrit ≈ 2340: Turbulente Strömungen<br />

Die Strömung ist völlig irregulär <strong>und</strong> es ist keine Periodizität zu erkennen.


2.2. Vergleich von laminaren <strong>und</strong> turbulenten Strömungen.<br />

In folgenden Eigenschaften unterscheiden sich laminare <strong>und</strong> turbulente Strömungen:<br />

laminare Strömung turbulente Strömung<br />

regelmäßig regellos<br />

linear nichtlinear<br />

geringe Diffusionsraten hohe Diffusionsraten<br />

keine bis wenig Wirbel viele Wirbel<br />

kein kontinuierliches Fourierspektrum kontinuierliches Fourierspektrum<br />

weitgehende Erhaltung kinetischer Energie Umwandlung der kinetischen Energie<br />

Bemerkung 2.2.1. Nichtlinearität: Da die Navier-Stokes-Gleichungen nichtlinearen<br />

Charakter haben, können sich kleine Störungen unter Umständen zu großen<br />

Störungen entwickeln, die über längere Zeit stabil sein können.<br />

Also muss für die Wirbel zusätzliche kinetische Energie aufgebracht werden. Der<br />

Strömungswiderstand ist nun nicht mehr wie im laminaren Fall proportional zur<br />

Geschwindigkeit, sondern zu ihrem Quadrat.<br />

Bemerkung 2.2.2. Da sich kleine <strong>und</strong> kleinste Wirbel isotrop, d.h. in alle Richtungen<br />

unabhängig ausbreiten, sind Diffusionsraten von Impuls, Masse <strong>und</strong> Wärme<br />

stark erhöht.<br />

Bemerkung 2.2.3. Zur Wirbeligkeit: Es existieren verschieden große Wirbel, von<br />

der Größenordnung des Strömungsgebietes Ω bis hinein in den mm-Bereich.<br />

Der Transport von Energie von großen zu immer kleiner werdenden Wirbeln, die<br />

in deren kompletter Umwandlung in Wärme mündet, nennt man Energiekaskade<br />

oder abklingende Turbulenz. Man vermutet außerdem noch getriebene Turbulenz<br />

oder inverse Kaskaden, das heißt die Abgabe kleinerer Energiemengen von kleinen<br />

an größere Wirbel.<br />

⇒ Turbulente Strömungen brauchen Energiezufuhr zur Aufrechterhaltung.<br />

2.3. Veranschaulichung als Stabilitätsproblem.<br />

Definition 2.3.1. Eine Stromlinie ist eine Kurve, die zur festen Zeit t in jedem<br />

Punkt (x1, x2, x3) eine zum zugehörigen Geschwindigkeitsvektor (u1, u2, u3) parallele<br />

Tangente besitzt. Die Höhenlinien der Stromfunktion sind gerade die Stromlinien<br />

des Geschwindigkeitsfelds �u.<br />

Weiter gilt: Bei laminaren Strömungen fließt zwischen 2 Stromlinien stets dieselbe<br />

Masse.<br />

• Zunächst sei eine Rohrströmung völlig laminar, also mit parallelen Stromlinien.<br />

Die Geschwindigkeit sei u, die Dichte sei ρ <strong>und</strong> die dynamische Viskosität<br />

sei µ. Sodann trete eine Störung der Größe r auf.<br />

• Eine Stromlinie wird verbogen.<br />

• Der Strömungsquerschnitt oberhalb der Störung wird kleiner <strong>und</strong> unterhalb<br />

größer.<br />

• Die Strömungsgeschwindigkeit steigt oberhalb <strong>und</strong> sinkt unterhalb der Störung.<br />

• Ein Druckgefälle proportional zu ρu2 resultiert <strong>und</strong> somit auch eine Trägheitskraft.<br />

Diese will die Strömung beschleunigen.<br />

• Die viskose Reibungskraft (proportional zu u<br />

r ) dagegen führt zu einem Abbau<br />

des Geschwindigkeitsgefälles.<br />

=⇒ Re = ρur<br />

µ<br />

bestimmt, ob die Störung Turbulenz verursacht oder nicht.<br />

5


6<br />

3. Turbulenzmodellierung<br />

3.1. Direkte numerische <strong>Simulation</strong> (DNS).<br />

Motivation.<br />

Jede inkompressible Strömung - laminar oder turbulent - wird mathematisch vollständig<br />

beschrieben durch die Navier-Stokes-Gleichungen in dreidimensionaler Form. Also<br />

wird man zunächst auf einem genügend feinen Gitter (so fein, dass auch die kleinsten<br />

Wirbel erfasst werden) diese Gleichungen diskretisieren <strong>und</strong> dann numerisch<br />

lösen.<br />

Problem.<br />

Die Größe der kleinsten Wirbel ist proportional zu ν −3/4 nach dem k −5/3 -Gesetz<br />

von Kolmogorov (1942).<br />

⇒ Wirbelauflösung durch 3D-Gitter erfordert N = O(ν −9/4 ) Gitterpunkte.<br />

Beispiel zur Verdeutlichung.<br />

Die Aerodynamik von Autos <strong>und</strong> Flugzeugen ist ein relevantes Problem. Dabei gilt<br />

meist νLuft ≤ 10 −6 ⇒ N = O((10 −6 ) −9/4 ) = O(10 27/2 )<br />

=⇒ Man bräuchte mehr als 10 13 = 10.000.000.000.000 (10 Billionen) Gitterpunkte.<br />

Speicherplatz <strong>und</strong> Rechenleistung sind heute <strong>und</strong> in näherer Zunkunft dafür nicht<br />

aufzubringen.<br />

Fazit.<br />

Die DNS eignet sich nur für Probleme mit kleinen Reynoldszahlen (also mit höherer<br />

Viskosität) oder aber für Probleme, bei denen man Effekte nicht aufzulösender<br />

kleinster Wirbel vernachlässigen kann. Die bisher höchste erreichte Auflösung<br />

(Stand Buch 1995) ist 1024 x 1024 x 1024 Gitterpunkte. Im Allgemeinen ist die<br />

DNS bis etwa Re = 10.000 sinnvoll.<br />

Das Dilemma besteht also darin, dass die direkte <strong>Simulation</strong> turbulenter Strömungen<br />

mit hohem Re auf genügend feinem Gitter technisch unmöglich ist, die Verwendung<br />

von groberem Gitter verfälscht dagegen das Resultat bis zur Unbrauchbarkeit.<br />

3.2. Gr<strong>und</strong>idee der Modellierung.<br />

Kleinste Details einer turbulenten Strömung sind in der Praxis oft weder messbar<br />

noch von Interesse. Vielmehr bilden bei Strömungswiderstand oder Durchfluss<br />

Mittelwerte die Berechnungsgr<strong>und</strong>lage. Daher liegt es nahe, die Strömung <strong>und</strong> die<br />

beschreibenden Größen aufzuteilen:<br />

• Die Hauptteile � U, P <strong>und</strong> � G der Größen der turbulenten Strömung werden<br />

direkt durch ein umströmtes Hindernis hervorgerufen.<br />

• Die Störungen �u ′ , p ′ <strong>und</strong> �g ′ werden durch die turbulente Anströmung hervorgerufen,<br />

d.h. durch die Anfangs- <strong>und</strong> Randbedingungen.<br />

Dabei gelten folgende additiven Zerlegungen:<br />

�u = � U + �u ′ , p = P + p ′ ,�g = � G + �g ′<br />

Die Hauptteile � U, P <strong>und</strong> � G werden durch einen Filter gebildet.<br />

Definition 3.2.1. Ein Filter 〈·〉 auf eine Größe angewendet erzeugt einen statistischen,<br />

zeitlichen oder räumlichen Mittelwert. Bei vektoriellen Größen wird der Filter<br />

komponenenweise angewendet. Unser Filter verfügt über folgende Eigenschaften<br />

(dabei seien q <strong>und</strong> r Größen <strong>und</strong> α, β ∈ R):


(F1) Linearität:<br />

〈αq + βr〉 = α〈q〉 + β〈r〉<br />

(F2) Kommutativität mit Ableitungen:<br />

� �<br />

∂q<br />

=<br />

∂t<br />

∂〈q〉<br />

∂t<br />

<strong>und</strong> � �<br />

∂q<br />

(F3) Idempotenz:<br />

∂xi<br />

= ∂〈q〉<br />

∂xi<br />

〈〈q〉〉 = 〈q〉<br />

(F4) Multiplikativität mit gefilterten Größen:<br />

(F5) Verschwinden von Störungen:<br />

〈r〈q〉〉 = 〈r〉〈q〉<br />

〈q ′ 〉 = 0<br />

Definition 3.2.2. Einen Tensor können wir uns als geometrisches Objekt vorstellen,<br />

das aus Vektoren aufgebaut ist. Tensoren der Ordnung Null sind Skalare,<br />

Tensoren erster Ordnung sind Spaltenvektoren. Tensoren zweiter Stufe sind quadratische<br />

Matrizen. Für zwei Tensoren erster Ordnung ist das Tensorprodukt ⊗ eine<br />

Verknüpfung mit folgenden Eigenschaften (dabei seien q1, q2 <strong>und</strong> q3 Tensoren der<br />

Stufe 1 <strong>und</strong> α ∈ R):<br />

(T1) Distributivgesetze:<br />

(q1 + q2) ⊗ q3 = q1 ⊗ q3 + q2 ⊗ q3<br />

q1 ⊗ (q2 + q3) = q1 ⊗ q2 + q1 ⊗ q3<br />

(T2) Assoziativität mit reellen Zahlen:<br />

(αq1) ⊗ q2 = α(q1 ⊗ q2) = q1 ⊗ (αq2)<br />

3.3. Filterung der Navier-Stokes-Gleichungen.<br />

Navier-Stokes-Gleichungen.<br />

Für instationäre laminare Strömungen inkompressibler viskoser Fluide gelten folgende<br />

Impulsgleichung <strong>und</strong> Kontinuitätsgleichung (mit Dichte ρ ≡ const):<br />

∂�u<br />

∂t<br />

+ div(�u ⊗ �u)<br />

� �� �<br />

(�u·∇)�u<br />

+∇p = 1<br />

∆�u + �g<br />

Re<br />

div �u = 0,<br />

wobei �u das Geschwindigkeitsfeld, p den Druck, ∇ = ( ∂<br />

∂x<br />

, ∂<br />

∂y<br />

7<br />

∂ , ∂z ) den Gradient,<br />

�g = (gx, gy, gz) äußere Kräfte (Erdanziehung etc.) <strong>und</strong> ∆ den Laplace-Operator<br />

bezeichne.<br />

Zur besseren Veranschaulichung wollen wir hier noch alles in 3D explizit angeben:<br />

∂u ∂p 1<br />

+ =<br />

∂t ∂x Re · (∂2 u<br />

∂x2 + ∂2u ∂y2 + ∂2u ∂z2 ) − ∂(u2 ) ∂uv ∂uw<br />

− − + gx<br />

∂x ∂y ∂z<br />

∂v ∂p 1<br />

+ =<br />

∂t ∂y Re · ( ∂2v ∂x2 + ∂2v ∂y2 + ∂2v ∂(uv)<br />

) −<br />

∂z2 ∂x − ∂(v2 )<br />

∂y<br />

− ∂vw<br />

∂z<br />

+ gy


8<br />

∂w<br />

∂t<br />

∂p 1<br />

+ =<br />

∂z Re · (∂2 w<br />

∂x2 + ∂2w ∂y2 + ∂2w ∂(uw)<br />

) −<br />

∂z2 ∂x<br />

Impulsgleichungen<br />

∂u ∂v ∂w<br />

+ + = 0<br />

∂x ∂y ∂z<br />

Kontinuitätsgleichung<br />

∂(vw)<br />

−<br />

∂y − ∂(w2 )<br />

+ gz<br />

∂z<br />

Nun versehen wir diese die Strömung beschreibenden Gleichungen mit dem Filter:<br />

(F 1)<br />

⇔<br />

wobei für * gilt:<br />

� � � �<br />

∂�u<br />

1<br />

+ div(�u ⊗ �u) + ∇p = ∆�u + �g<br />

∂t Re<br />

� �<br />

∂�u<br />

+ 〈div(�u ⊗ �u)〉 + 〈∇p〉 =<br />

∂t<br />

1<br />

〈∆�u〉 + 〈�g〉<br />

Re<br />

(F 2)<br />

⇔ ∂〈�u〉<br />

∂t<br />

+ div〈�u ⊗ �u〉<br />

� �� �<br />

∗<br />

+∇〈p〉 = 1<br />

∆〈�u〉 + 〈�g〉<br />

Re<br />

〈q〉=Q<br />

⇔ ∂ � U<br />

∂t + div(� U ⊗ � U) + div(�u ′ ⊗ �u ′ ) + ∇P = 1<br />

Re ∆� U + � G,<br />

〈�u ⊗ �u〉 = 〈( � U + �u ′ ) ⊗ ( � U + �u ′ )〉<br />

(T 1)<br />

= 〈 � U ⊗ � U〉 + 〈 � U ⊗ �u ′ 〉 + 〈�u ′ ⊗ � U〉 + 〈�u ′ ⊗ �u ′ 〉<br />

(F 5)<br />

= � U ⊗ � U + 〈�u ′ ⊗ �u ′ 〉<br />

Bei der Kontinuitätsgleichung verfahren wir analog:<br />

〈div �u〉 = 〈0〉<br />

(F 2)<br />

⇔ div〈�u〉 = 0<br />

〈q〉=Q<br />

⇔ div � U = 0<br />

Die so erhaltenen Gleichungen ensprechen fast den Navier-Stokes-Gleichungen<br />

mit gemittelten Größen. Sie heißen Reynoldsgleichungen. Allerdings haben wir<br />

in der Impulsgleichung den zusätzlichen Term R(�u ′ ) = −〈�u ′ ⊗ �u ′ 〉, den wir als<br />

Reynoldsschen Spannungstensor bezeichnen.<br />

3.4. Schließungsproblem der Turbulenzmodellierung.<br />

Der Reynoldsspannungstensor ist von den zusätzlichen Unbekannten �u ′ (Fluktuationen<br />

der Geschwindigkeit) abhängig. Wir benötigen deswegen weitere Gleichungen<br />

um das Differentialgleichungssystem lösen zu können. Aufgr<strong>und</strong> von Hypothesen<br />

<strong>und</strong> Näherungen entwickelt man verschiedene Modelle für den Spannungstensor R.


Die Reynoldssche Hypothese.<br />

Da Turbulenz meist in Gebieten mit hohen Geschwindigkeitsgradienten ∇ � U auftritt,<br />

nahm Reynolds an, dass die Approximation des Tensors nur von diesen großen<br />

Gradienten abhängt, genauer:<br />

R(�u ′ ) ≈ R(∇ � U + ∇ � U T )<br />

Ein Gegenbeispiel zu dieser Hypothese ist die laminare Strömung mit hoher Geschwindigkeit<br />

an der Vorderseite von Flugzeugflügeln.<br />

Der Smagorinsky-Ansatz.<br />

Die Gestalt von R ist so zu wählen, dass das Turbulenzmodell genau wie die Navier-<br />

Stokes-Gleichungen <strong>und</strong> die Reynoldsgleichungen gegenüber Verschiebungen <strong>und</strong><br />

Drehungen invariant ist. Folgender funktionaler Zusammenhang ist beispielsweise<br />

in 2D denkbar:<br />

R(∇ � U + ∇ � U T ) = η · Id + χ · (∇ � U + ∇ � U T )<br />

wobei Id die Einheitsmatrix bezeichne. Smagorinsky schlug<br />

χ = 0.01h 2<br />

�<br />

tr((∇� U + ∇� U T ) · (∇� U + ∇� U T ) T )<br />

vor, wobei h die Feinheit des Gitters bezeichne (1963).<br />

Dieser Ansatz ist nicht ausreichend für zu grobe Gitter oder Modellierung in 3D.<br />

3.5. Das k-ɛ-Modell.<br />

Das Innere des Strömungsgebiets.<br />

Zur genaueren Modellierung des Reynoldsschen Spannungstensors werden zwei weitere<br />

Größen eingeführt, nämlich:<br />

• die turbulente kinetische Energie k := 1<br />

2 〈|�u′ |〉 <strong>und</strong><br />

• deren Dissipationsrate ɛ := 1<br />

2Re 〈|∇�u′ + ∇(�u ′ ) T | 2 〉.<br />

Für die Modellbildung treffen wir folgende Annahmen:<br />

• Wir erweitern die Reynoldssche Hypothese zu R(�u ′ ) ≈ R(∇ � U + ∇ � U T , k, ɛ).<br />

• −R(�u ′ ) <strong>und</strong> ∇ � U + ∇ � U T sind proportional zueinander. Der Proportiona-<br />

litätsfaktor ist die turbulente Wirbelviskosität νT := cµ k2<br />

ɛ .<br />

• Die Turbulenz wirkt in alle Richtungen gleich.<br />

Wir wählen nun als Approximation<br />

R(�u ′ ) ≈ 2<br />

3 k · Id + νT · (∇ � U + ∇ � U T )<br />

<strong>und</strong> erhalten aus den Reynoldsgleichungen<br />

∂ � U<br />

∂t + div(� U ⊗ � U) + ∇P + 2<br />

�� �<br />

1<br />

�<br />

∇k − div + νT ∇<br />

3 Re � U + ∇� ��<br />

T<br />

U = � G.<br />

Zur Bestimmung von k <strong>und</strong> ɛ benutzt man die folgenden beiden Transportgleichungen.<br />

Sie schließen auch das Differentialgleichungssystems der Reynoldsglei-<br />

chungen.<br />

<strong>und</strong><br />

∂k<br />

∂t + � U∇k − νT<br />

2<br />

�<br />

�<br />

�∇� U + ∇� U T<br />

�<br />

�<br />

∂ɛ<br />

∂t + � U∇ɛ − c1k<br />

�<br />

�<br />

�∇<br />

2<br />

� U + ∇� U T<br />

�<br />

�<br />

� 2<br />

� 2<br />

− div(νT ∇k) + ɛ = 0<br />

− div( cɛ<br />

cµ<br />

ɛ<br />

νt∇k) + c2<br />

2<br />

= 0<br />

k<br />

9


10<br />

Die dabei verwendeten Konstanten cµ, cɛ, c1 <strong>und</strong> c2 werden empirisch, d.h. über<br />

experimentelle Daten gewählt. Oft verwendet man dann 2-3 Gr<strong>und</strong>typen von Problemen<br />

<strong>und</strong> hofft dann, ähnliche Probleme über diese Konstanten auch möglichst<br />

gut simulieren zu können. Man verwendet oft die Turbulenz hinter einem Gitter,<br />

die turbulente Scherströmung <strong>und</strong> die turbulente Strömung über eine Platte.<br />

Unter den Annahmen für das k-ɛ-Modell ergeben sich beispielsweise folgende Werte:<br />

cµ ≈ 0.09, cɛ ≈ 0.07, c1 ≈ 0.126 <strong>und</strong> c2 ≈ 1.92<br />

Randbedingungen.<br />

Das k-ɛ-Modell besitzt keine Gültigkeit in der Nähe fester Wände, da<br />

• die Geschwindigkeit der Strömung durch Reibung gebremst ist (d.h. niedrigere<br />

Re-Zahlen) <strong>und</strong><br />

• sich die turbulenten Schwankungen nicht in Wandrichtung ausbreiten können.<br />

Wir betrachten daher im Wandbereich drei Schichten:<br />

• Direkt an der Wand ist die Strömungsgeschwindigkeit sehr gering <strong>und</strong> die<br />

Strömung laminar.<br />

• Darüber ist die Strömung lokal instabil <strong>und</strong> besitzt ein logarithmisches<br />

Geschwindigkeitsprofil.<br />

• Weiter weg von der Wand ist die Strömung dann turbulent.<br />

Man ermittelt empirisch sogenannte Wandfunktionen, mit denen sich der laminare<br />

<strong>und</strong> logarithmische Bereich im k-ɛ-Modell simulieren lassen.<br />

In Niedrig-Reynolszahl-Modellen multipliziert man die Konstanten cµ, c1 <strong>und</strong> c2<br />

noch mit diesen Wandfunktionen <strong>und</strong> setzt als Randwerte<br />

• an festen Wänden die beweglichen Größen sowie ihre Ableitungen in Nomralenrichtung<br />

gleich Null,<br />

• am Einströmrand konkrete problemabhängige Einströmgrößen <strong>und</strong><br />

• am Ausströmrand die Ableitungen der beweglichen Größen in Normalenrichtung<br />

gleich Null, was tangentiales Ausströmen bedeutet.<br />

Man hat Zwei-Schicht-Modelle entwickelt, in denen wandnahe <strong>und</strong> wandferne<br />

Gebiete mit unterschiedlichen Modellen simuliert werden. Zum Beispiel mit einem<br />

Ein-Gleichungs-Modell in Wandnähe kombiniert mit einem Zwei-Gleichungs-Modell<br />

wie dem k-ɛ-Modell im turbulenten Zentrum.<br />

Diskretisierung.<br />

Diskretisierung ist nichts anderes als Gewinnung von Information in ausgewählten<br />

Punkten aus einer kontinuierlichen Information. Dabei wird ein Gitter über das<br />

Beobachtungsgebiet gelegt <strong>und</strong> Ableitungen durch Differenzenquotienten ersetzt.<br />

Die Diskretisierung des k-ɛ-Modells gestaltet sich sehr ähnlich zu der Diskretisierung<br />

der Navier-Stokes-Gleichungen.<br />

3.6. Weitere Turbulenzmodelle.<br />

Die bisher besprochenen Modelle vereinfachen das Problem stark, um Rechenkapazität<br />

zu sparen. Daher muss man sich eventuell mit ungenaueren Ergebnissen<br />

begnügen. Moderne Modelle liefern mit höherem Rechenaufwand genauere Resultate.


Large-Eddy-<strong>Simulation</strong>en (LES).<br />

Durch die Verfügbarkeit verhältnismäßig großer Rechenkapazitäten kann in jüngster<br />

Zeit auf eine Modellierung aller Turbulenzbereiche verzichtet werden. Bei großen<br />

Wirbeln, den sogenannten Large Eddies, mischt man Modellierung <strong>und</strong> DNS. Durch<br />

die Wahl spezifischer Filter kann der Aufwand stufenlos zwischen kompletter Vereinfachung<br />

durch das Modell <strong>und</strong> genauer aber aufwendiger <strong>Simulation</strong> gewählt<br />

werden.<br />

Die feineren Strukturen der Strömung werden weiterhin modelliert, z.B. wieder<br />

durch die k-ɛ-Methode.<br />

Die LES sind Gr<strong>und</strong>lage für sogenannte Feinstrukturmodelle, in denen nur die kleinen<br />

Wirbel modelliert werden:<br />

• Smagorinsky-Ansatz<br />

• dynamische Subgrid-Scale-Techniken<br />

Seit einiger Zeit werden auch Wavelet-Methoden verstärkt zur <strong>Simulation</strong> von<br />

Strömungen eingesetzt.<br />

Fazit.<br />

Mehr <strong>und</strong> mehr werden in der Zukunft also Verfahren angewendet werden, die<br />

nicht stur eine Methode verfolgen. Vielmehr werden adaptiv <strong>und</strong> problemspezifisch<br />

verschiedene Modellierungen kombiniert. Diese Flexibilität wird von der heutigen<br />

Komplexität der Anwendungen gefordert.<br />

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