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ÜBERLEGuNGEN ZuR VERFILMuNG VoN „ZWERG NASE“<br />
Das besondere an den Märchen von Willhelm Hauff ist,<br />
dass sie weniger archaisch und plakativ sind als beispielsweise<br />
die der Gebrüder Grimm. Die vielschichtigen<br />
Charaktere haben mich an „<strong>Zwerg</strong> Nase“ besonders<br />
gereizt.<br />
Wir hatten das Glück, mit dem Film die Kinderfilmreihe<br />
beim Filmfest München eröffnen zu dürfen und haben<br />
beim FÜNF SEEN FILM FESTIVAL (Starnberg, Herrsching,<br />
Seefeld) den Publikumspreis gewonnen. Auf diese Weise<br />
sehr unmittelbare Publikumsreaktionen zu erleben, ist<br />
eine wertvolle Erfahrung. Ich bin froh, dass unser Ansatz<br />
einer modernen Erzählhaltung, nämlich die tragische<br />
Grundgeschichte nach Willhelm Hauff immer wieder mit<br />
einem ironischen Augenzwinkern aufzulockern, offenbar<br />
so gut funktioniert. Die zeitlose Aussage des Films ist,<br />
dass es nicht nur um den äußeren Schein, sondern um<br />
innere Werte geht. Verpackt ist diese mehrdimensionale<br />
Botschaft in einen Film, der sich auf die Kraft seiner<br />
Bilder und sein eigenwilliges Darstellerensemble verlässt<br />
und die phantasievolle Geschichte bewusst nicht in die<br />
Neuzeit transponiert. Der Zeitgeist der Biedermeierzeit<br />
– ebenfalls von Äußerlichkeiten geprägt – passt zum<br />
Kern des Stoffes und ein historisches Umfeld übt auf<br />
Kinder visuell einen viel größeren Zauber aus. Und um<br />
Zauber und Atmosphäre geht es schließlich in einem<br />
Märchen. Wir begeben uns in eine ganz eigene Welt, in<br />
der eigene Gesetze herrschen. Einen spannungsreichen<br />
Kontrast zum optischen Erscheinungsbild um 1830 mit<br />
seinen warmen, tonigen Farben haben wir wiederum<br />
durch die Welt der Fee Kräuterweis geschaffen, die in<br />
kühlem Eisblau gehalten ist. Die Fee ist für mich die<br />
modernste, schillerndste und vielschichtigste Figur. Ihr<br />
Erscheinen bringt nicht nur Schlechtes, sondern auch<br />
Gutes für die Hauptfigur mit sich. So sollte sich unter der<br />
klassischen buckligen alten Hexe eine attraktive, Respekt<br />
einflössende Frau verbergen, die dem kleinen Jakob auf<br />
eindrückliche Art und Weise etwas für‘s Leben beibringt.<br />
Die Gratwanderung war außerdem, eine zweite Ebene<br />
für Erwachsene in die filmische Erzählung zu integrieren,<br />
ohne dabei die Kinder aus dem Blick zu verlieren.<br />
Hintersinnige Anspielungen auf Kochsendungen im<br />
Fernsehen oder kleine Dialog-Zitate des großen Komikers<br />
Loriot hindern Kinder nicht daran, dem zentralen Hand-<br />
lungsstrang zu folgen und sich von der Hauptfigur<br />
<strong>Zwerg</strong> Nase, seinem Leid, seinem Erfolg als Koch und seiner<br />
Suche nach Glück und Identität berühren zu lassen.<br />
Kinder lachen außerdem auch gern über Erwachsene<br />
mit schlechten Manieren. So haben wir den großen<br />
Raum, den das Thema Essen und Kochen rund um<br />
den bacchantischen Herzog Alois und seine Angebetete,<br />
die esoteri-sche Wilhelmine, einnimmt, für Kinder<br />
schmackhaft ge-macht. Es war wichtig, nichts mit<br />
erhobenem Zeigefinger zu erzählen. Vielmehr wollten<br />
wir, dass die Kinder von Herzen lachen, wenn Herzog<br />
und Gräfin sich genüsslich zanken, dass sie weinen,<br />
wenn <strong>Zwerg</strong> Nase ausgegrenzt wird, dass sie mit ihm<br />
und der sprechenden Gans Mimi bei der Suche nach<br />
dem magischen Kraut Niesmitlust mitfiebern und sich<br />
schließlich gruseln, wenn die böse Fee Kräuterweis<br />
auftaucht und den kleinen Jakob vom Markt entführt.<br />
Es war eine wunderschöne Herausforderung und zugleich<br />
eine große Ehre, so unmittelbar nach meinem<br />
Hochschulabschluss einen Fernsehfilm drehen zu<br />
dürfen. Darüber hinaus für ein Ziel-Publikum, das<br />
ehrlich und unbestechlich ist – Kinder. „<strong>Zwerg</strong> Nase“<br />
ist ein berührendes und vielschichtiges Märchen für<br />
die ganze Familie. Ich wünsche mir, dass Eltern, Großeltern<br />
und Kinder gemeinsam mitreißende und verzaubernde<br />
90 Minuten vor dem Fernseher erleben.<br />
Felicitas Darschin, Regisseurin und Co-Autorin<br />
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