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Meinradskapelle bei Maria<br />
Bildstein am falschen Ort gebaut<br />
Vor 100 Jahren wurde auf dem Benkner Büchel am angeblichen Standort<br />
des Klosters Babinchova ein Denkmal in der Gestalt einer Grotte eingeweiht<br />
Blick über den Linthkanal Richtung Benkner<br />
Büchel, Speer und Federispitz im Hintergrund.<br />
(Flugbild Bruno <strong>Paradowski</strong>)<br />
Dr. <strong>Stefan</strong> <strong>Paradowski</strong>, Glarus<br />
Das Geschichtsfieber bricht in<br />
Benken aus. Vor über 100 Jahren<br />
treibt die Frage des Standortes<br />
des einstigen Klosters Babinchova im<br />
Kastletwäldchen auf dem Oberen Buchberg<br />
das Dorf um. Beweise für dessen<br />
Existenz werden anscheinend gefunden:<br />
Zwei Personen bestätigen, Baureste des<br />
frühmittelalterlichen Gebäudes erspäht<br />
zu haben.<br />
«Ich bezeuge hiermit, dass ich auf dem Boden<br />
des Kastletwäldchens noch Gebäudegrundmauern<br />
gesehen (habe).» Landwirt<br />
Franz Landolt, Kaltbrunn, ehemals Besitzer<br />
des erwähnten Benkner Grundstücks,<br />
gibt am 15. Mai 1906 diese Erklärung zu<br />
«Urkunde» respektive zu Protokoll und<br />
setzt darunter drei Kreuze, ist er doch<br />
des Schreibens unkundig. Sechs Tage<br />
später beglaubigt Gemeindammann Fäh,<br />
Kaltbrunn, die Angabe. Kantonsrat Alois<br />
Kühne, Grüt, Benken, doppelt nach: «Ich<br />
… schliesse mich … Franz Landolt … an<br />
und bezeuge hiermit, dass auch ich in meiner<br />
Jugend im obgenannten Kastletwäldchen<br />
Gebäudemauern gesehen (habe).»<br />
Nicht Anlage der Hallstattzeit,<br />
sondern der Frühbronzezeit<br />
Über 30 Jahre später sollte die wahre<br />
Bedeutung der angeblichen «Gebäudegrundmauern»<br />
zutage treten: In der Absicht,<br />
die Fundamente des Klosters Babinchova,<br />
von dem der Name Benken<br />
kommt, freizulegen, unternimmt Josef<br />
Grüninger um 1938 Grabungen. Er weist<br />
die vorgefundenen mauerähnlichen Nagelfluhrippen,<br />
Wälle, Gräben, Knochen<br />
und verzierten Topfscherben einer befestigten<br />
Anlage der Hallstattzeit zu. In dieser<br />
frühkeltischen Periode entsteht bei Hallstatt<br />
in Österreich – daher der Name – eine<br />
reiche Kultur, die sich, so Josef Grüningers<br />
Einschätzung, bis in unsere Gegend ausbreitet.<br />
Allerdings ereilen uns vom Leiter<br />
der kantonalen Archäologie, Martin<br />
Schindler, St. Gallen, zu den Kastletfunden<br />
aus den Dreissigerjahren brandneue<br />
Nachrichten: «Nach neueren Erkenntnissen<br />
lässt sich vor allem die frühbronzezeitliche<br />
Besiedlung (1700 –1500 v. Chr.)<br />
anhand der Scherben nachweisen. Die<br />
Hallstattzeit (8.–5. Jahrhundert v. Chr.) ist<br />
nicht gesichert.»<br />
Angeblicher Standort<br />
des Klosters Babinchova<br />
Dass der Standort des Klosters Babinchova<br />
im Benkner Kastletwäldchen angenommen<br />
wird, hängt mit den Forschungen des Einsiedler<br />
Paters Odilo Ringholz zusammen.<br />
Im 10. Jahrhundert schreibt ein Reichenauer<br />
Chronist die Lebensgeschichte des<br />
heiligen Meinrad nieder. Der spätere<br />
Gründer des Klosters Einsiedeln lehrt von<br />
824 an während vier Jahren in einer Schule<br />
und Klosterzelle – «sitam juxte lacum<br />
Turicum, quem interfluit Lindemacus<br />
fluvius» – direkt neben dem Zürichsee,<br />
den die Linth durchfliesst, gelegen. Im<br />
14. Jahrhundert kommt eine neue Lebensbeschreibung<br />
heraus, die «Vita sancti<br />
Meginradi Martyris», die den Standort<br />
des Klosters nach Jona verlegt. Im 15. Jahrhundert<br />
erscheint die dritte Meinradslegende,<br />
ein sogenanntes Blockbuch. Darin<br />
sehen wir auf einer Veranschaulichung<br />
den Heiligen als Lehrer mit zwei Mönchen<br />
nach dem Kloster «zenauwe» – bei der<br />
Aue – ziehen. Das Bild zeigt in damals<br />
gebräuchlicher Darstellungsweise einen<br />
bewaldeten und kubisch-felsigen Hügel<br />
im Hintergrund und einen Fluss im Vordergrund.<br />
Auf einer zweiten Illustration<br />
ist ein Kloster im Hintergrund und ein<br />
Schiff im Vordergrund mit dem Heiligen<br />
und drei Begleitern zu erkennen. Im<br />
16. Jahrhundert wird – unter Mithilfe des<br />
Glarner Historikers Aegidius Tschudi – die<br />
vierte Meinrad-Lebensgeschichte veröffentlicht,<br />
die Oberbollingen als Standort<br />
des Klosters nennt. So entsteht denn<br />
Im Kastletwäldchen über dem Leisitalweg nach Giessen auf dem Benkner Büchel, wo angeblich<br />
das Kloster Babinchova stand, entsteht 1909 eine Meinradskapelle.<br />
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Im Benkner Kastletwäldchen: Befestigte Siedlung aus der Hallstattzeit (um 500 v. Chr.), entdeckt/ausgegraben um 1938 (Bild: Jahrbuch der<br />
Schweizerischen Gesellschaft für Urgeschichte 1938, S. 19), ein künstlich angelegter Wall (Bild rechts), drei davon befinden sich exakt der Meinradskapelle<br />
gegenüber. Allerdings: Anhand der hier vorgefundenen Scherben lässt sich nach neueren Erkenntnissen eine frühbronzezeitliche Siedlung<br />
(1700–1500 v. Chr.) nachweisen.<br />
auch am Zürcher Obersee 1626/27 eine<br />
Meinradskapelle. Keine der vier Lebensgeschichten<br />
jedoch nennt den Namen des<br />
Klosters, beschreibt es aber so, dass man<br />
glaubt, es finden zu können.<br />
1897 legt Odilo Ringholz die wissenschaftliche<br />
Arbeit «Oberbollingen oder<br />
Benken, eine ortsgeschichtliche Frage aus<br />
dem Leben des hl. Meinrad» vor. Er unterzieht<br />
die Ortsangaben des Klosters einer<br />
gründlichen Kritik. Besonders betont er<br />
die Verbindung des kleinen Klosters Babinchova<br />
mit dem grossen Mutterkloster<br />
Reichenau (Insel im Bodensee) und dass<br />
in Benken gemäss zweier Urkunden von<br />
741 und 744 schon um diese Zeit ein<br />
Kloster vorhanden gewesen sein müsse.<br />
Bei der Standortbestimmung des Klosters<br />
im Kastletwäldchen lässt er sich wohl<br />
von einem Archäologen leiten. Für die<br />
Annahme werden Sagen, Volksüberlieferungen<br />
und «Zeugen» (Franz Landolt/<br />
Alois Kühne) eine Rolle gespielt haben.<br />
Vielleicht verleitet zur Festlegung auch<br />
Zwei Illustrationen aus einem Blockbuch mit der Legende des Meinrad um 1465:<br />
Meinrad in Begleitung zweier Mönche zieht nach dem Kloster «zenauwe» – bei der Aue am Zürichsee.<br />
Das Bild zeigt in damals gebräuchlicher Darstellungsweise einen bewaldeten und kubischfelsigen<br />
Hügel im Hintergrund und einen Fluss im Vordergrund (Bild links). Meinrad fährt mit seinen<br />
jungen Schülern «über den Zürichsee», im Hintergrund über dem Ufer ist ein Kloster zu sehen<br />
(Bild rechts). (Bilder aus: Geschichte der Pfarrei Benken, 1941, zwischen S. 16 und S. 17)<br />
die Ortsbezeichnung «Kastlet», worin das<br />
lateinische Wort «castrum» (Burg) und<br />
das romanische Wort «castra» (Lager) anklingt.<br />
Kloster an der Linthmündung<br />
Vor allem aber scheint vor über 100 Jahren<br />
zur Wahl des Standortes im Kastletwäldchen<br />
die Vorstellung verleitet zu haben,<br />
dass im 9. Jahrhundert der Benkner Büchel<br />
mit dem Kloster als Inselberg aus dem<br />
Tuggnersee ragt. Sicherlich sind in unserer<br />
Gegend der Obere Buchberg (Benkner<br />
Büchel), das Gasterholz sowie der Untere<br />
Buchberg (Tuggner Büchel) Inseln in<br />
einem riesigen, u-förmigen, oder fjordähnlichen<br />
See, der sich vor rund 14 000<br />
Jahren nach dem Abschmelzen des Rheinund<br />
des Linthgletschers bildet und sich<br />
von Konstanz über Chur, Sargans und<br />
Glarus bis Zürich erstreckt. Aus den 2004<br />
bekannt gewordenen Untersuchungen<br />
und publizierten Geologiekarten von<br />
Professor Conrad Schindler, Oetwil am<br />
See, geht hervor, dass der südliche Teil des<br />
Zürcher Obersees im 9. Jahrhundert noch<br />
bis Reichenburg reicht. Meinrad muss<br />
demnach den durchgehenden Zürichsee<br />
befahren haben. Dieses Flachgewässer jedenfalls<br />
umspült den Fuss des Benkner<br />
Büchels zu diesem Zeitpunkt schon lange<br />
nicht mehr. Die Abschnürung des Tuggnersees<br />
vom Zürcher Obersee scheint kurz<br />
vor dem Jahr 1000 an der Grynau-Stelle<br />
erfolgt zu sein.<br />
Das Seeufer liegt zu Meinrads Lebzeit links<br />
des heutigen Linthkanals. Wo ist er an<br />
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2
Um 500 n. Chr.<br />
reicht der Zürichsee<br />
respektive der Zürcher<br />
Obersee bis nach Reichenburg<br />
(Bild links).<br />
Mit der Abschnürung<br />
in der Zeit vor 1000<br />
n. Chr. entsteht der<br />
Tuggnersee (Bild rechts).<br />
(Bilder aus: Zum Quartär<br />
des Linthgebiets<br />
zwischen Luchsingen,<br />
dem Walensee und<br />
dem Zürcher Obersee,<br />
von Conrad Schindler,<br />
2004, S. 122)<br />
Land gegangen, um ins Kloster zu gelangen<br />
Dieses liege bei der Linthmündung,<br />
berichtet eine Lebensbeschreibung. Ein<br />
damaliger Lintharm fliesst, bevor er sich<br />
in den Tuggnersee ergiesst, beim heutigen<br />
«Mönchhof» (!) vorbei. Theoretisch<br />
könnte hier, in der Ebene und nicht auf<br />
dem Benkner Büchel, das Kloster Babinchova<br />
gestanden haben. Wir wissen es bis<br />
heute nicht.<br />
Zuerst Meinradsklause,<br />
dann Meinradskapelle<br />
Als Folge der neuen Erkenntnis von Odilo<br />
Ringholz, dass das Kloster, wo Meinrad<br />
im 9. Jahrhundert als Lehrer aktiv ist, in<br />
Benken gewesen sein muss, entsteht 1899<br />
zuerst im Wallfahrtsort Maria Bildstein<br />
eine Klause, ein aus Baumrinden gefertigtes<br />
Kleingehäuse mit der Holzskulptur<br />
des Heiligen im Innern, der einen rätischen<br />
Edelknaben unterrichtet und der<br />
von einem Raben begleitet ist.<br />
Mit dem bescheidenen Memorialbau hat<br />
es jedoch nicht sein Bewenden. Im Jahr<br />
1905 erwirbt die Gesellschaft Maria Bildstein,<br />
etwa eine Viertelstunde von der<br />
Wallfahrtskirche entfernt, käuflich das<br />
Kastletwäldchen und ein Wegrecht. Dekan<br />
und Wallfahrtspriester Johann Anton<br />
Hafner informiert in einem (undatierten)<br />
Brief, es sei dort die «Aufstellung eines<br />
würdigen Denkmals beabsichtigt, und das<br />
nicht in der Form einer gewöhnlichen<br />
Kapelle, sondern mehr ein Grottenbau»<br />
wie jener vom «Verlorenen Sohn» auf<br />
Maria Bildstein, allerdings mit einem Al<br />
Meinradsklause auf Maria Bildstein, entstanden 1899 (Bild aus: Maria Bildstein, Benken 1979,<br />
S. 100), im Innern eine Holzskulpturengruppe (kleines Bild) mit dem Heiligen, der einen rätischen<br />
Edelknaben unterrichtet.<br />
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tar. Der Bau werde «im alten Burgstil, wie<br />
das Kastel, aus rohen Natursteinen ohne<br />
den Verputz sowohl innen und aussen gewölbt,<br />
so dass kein Holz verwendet wird».<br />
Die Rede ist auch von einer Darstellung<br />
mit Meinrad, «wie er im Gebete versunken<br />
den Ruf zum Einsiedlerleben erhält».<br />
Anstelle dieses Gemäldes ist heute über<br />
dem Altar ein Bild mit dem Heiligen und<br />
seinen Schülern eingefügt.<br />
Maria Bildstein:<br />
«Theatrum Sacrum»<br />
Die ersten drei Kleinarchitekturen auf<br />
Maria Bildstein – die Lourdesgrotte, die<br />
Ölberggrotte und die Bethlehemsgrotte<br />
– entstehen 1884. Insgesamt gehören<br />
fast ein Dutzend solcher Bauten mit<br />
plastischen und beinahe lebensgrossen<br />
Darstellungen aus der Heils- und Heiligengeschichte<br />
zum «Sacro Monte», dem<br />
«heiligen Berg» in Benken nach oberitalienischem<br />
Vorbild. In gegenreformatorischem<br />
Eifer schiessen in der Barockzeit<br />
allenthalben in der Lombardei und<br />
Die ersten Kleinarchitekturen<br />
auf<br />
dem «Sacro Monte»<br />
(heiligen Berg)<br />
Maria Bildstein –<br />
darunter die Ölberggrotte<br />
(Bild oben)<br />
– entstehen nach<br />
oberitalienischem<br />
Vorbild 1884 als<br />
«Theatrum Sacrum»<br />
(heiliges Theater);<br />
die Grotte vom<br />
«Verlorenen Sohn»<br />
(Bild links) wird<br />
1899 errichtet.<br />
im Piemont Wallfahrtsanlagen vom Typ<br />
«Theatrum Sacrum» aus dem Boden.<br />
1899 entsteht auf Maria Bildstein als<br />
Fortsetzung des «frommen Spektakels»<br />
die Grotte vom «Verlorenen Sohn». Während<br />
die zuvor errichteten Kleinbauten<br />
aus Sandsteinen und Nagelfluh sind, besteht<br />
diese Grotte fast ganz aus Verrucano,<br />
einem rötlich braunen Gestein, das<br />
vielleicht aus dem Glarnerland herbeigeschafft<br />
wird oder von einem Findling<br />
stammt.<br />
Höhepunkt der Grottenbauten<br />
Die Meinradskapelle im Kastletwäldchen,<br />
genau vor 100 Jahren gebaut, erscheint<br />
als Schluss- und Höhepunkt der Reihe<br />
der Grottenbauten auf Maria Bildstein:<br />
Das Kirchlein über dem Leisitalweg nach<br />
Giessen überragt sie indessen alle hinsichtlich<br />
der Grösse, der Ausgestaltung,<br />
der Verwendung der Steinarten – und der<br />
Funktion, kann doch hier, im Gegensatz<br />
zu den Grotten auf Maria Bildstein, die<br />
Messe gelesen werden.<br />
«Alt» und modern<br />
Das Kastletkirchlein ist im Vergleich mit<br />
der Grotte des «Verlorenen Sohnes» höher,<br />
massiger und ausdrucksstärker. Der Bau<br />
mit dem gleichsam wuchernden Mauerwerk<br />
aus zumeist unbehauenen und<br />
wild angeordneten Bruchsteinen kommt<br />
jedoch kaum im «alten Burgstil» daher,<br />
wie es sich einmal Wallfahrtspriester Johann<br />
Anton Hafner ausmalt, sondern erinnert<br />
eigenartigerweise an eine Ruine.<br />
Der neue kleine Sakralbau gibt vor, «alt»<br />
zu sein, und verweist insofern auf etwas,<br />
das verfallen, verschwunden ist – auf das<br />
Kloster Babinchova. So widerspiegelt die<br />
Meinradskapelle die Auffassung des Historismus,<br />
einer in der zweiten Hälfte des<br />
19. Jahrhunderts bekannten Konzeption,<br />
die sich rückwärts orientiert und sich<br />
der Stilformen der Vergangenheit bedient.<br />
Grotten, künstliche Höhlen, gewinnen in<br />
der Gartenarchitektur der Renaissance<br />
und der Barockzeit an Bedeutung. Möglich,<br />
dass die Grottenbauer auf Maria Bildstein<br />
– es sind italienische Arbeiter – diese<br />
Vorbilder in ihrem Land kennen.<br />
Und doch sind in gewissen Details der<br />
Kastletkapelle Spuren des Zeitgeistes<br />
auszumachen. Die schmiedeisernen Formen<br />
der Fenstergitter etwa geben sich<br />
verhalten im Jugendstil, der Ende des<br />
Die Meinradskapelle im Kastletwäldchen auf<br />
dem Benkner Büchel, am Pfingstmontag,<br />
31. Mai 1909, eingeweiht, mit Inschrifttafel<br />
über dem Eingang: ein Grottenbau, der wie<br />
eine Ruine wirkt.<br />
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Unvermutet moderne<br />
Elemente in der Art<br />
des Jugendstils bei<br />
der Meinradskapelle:<br />
schmiedeisernes Fenstergitter<br />
(Bild links)<br />
und Altarpodest als<br />
Einlegearbeit mit<br />
Blüte.<br />
19. Jahrhunderts in Europa modern ist.<br />
Oder das Altarpodest: Die Oberschicht<br />
dieser Stufe ist eine Art Intarsie, wo nussgrosse<br />
Rundsteine in den Mörtel eingelegt<br />
sind und ein Muster mit einer grossen<br />
Blüte bilden. Florale Motive sind dem<br />
Jugendstil eigen.<br />
Kloster Babinchova: geistige<br />
Geburtsstätte von Einsiedeln<br />
Die Meinradslegende<br />
Meinrad wird um 800 zur Zeit Karls des<br />
Grossen geboren. Der Vater bringt den<br />
Jüngling ins Benediktinerkloster Reichenau,<br />
auf eine Insel im Untersee bei<br />
Konstanz. Der Junge kommt nicht als<br />
Fremder. Abt Heito, zugleich Bischof<br />
von Basel, ist ein Verwandter. (Dieser<br />
schickt um 820 dem St. Galler Abt<br />
Gozberg den berühmten Klosterplan<br />
mit dem Kernstück einer Abteikirche,<br />
einer dreischiffigen Basilika.) Nach der<br />
Priesterweihe im Alter von etwa 25<br />
Jahren wird Meinrad 824 als Schulvorsteher<br />
in ein gewisses Kloster gesandt,<br />
das am Zürcher Obersee liegt, der um<br />
In einem 1907 verfassten Brief an einen<br />
«hochwürdigen, verehrtesten Herrn»<br />
schlägt der Einsiedler Pater Odilo Ringholz<br />
dem Adressaten die «In- oder Anschrift»<br />
für die neue Kapelle vor: «Stätte<br />
des ehemaligen Benediktinerklosters Babinchova<br />
(Benken), wo der hl. Meinrad<br />
824–828 als Vorsteher der Schule wirkte.»<br />
Eine Steintafel mit genau diesem Wortlaut<br />
ist heute noch über dem Eingang angebracht.<br />
Der Kapellenbau entsteht mit Unterstützung<br />
des Klosters Einsiedeln und<br />
wird am Pfingstmontag, 31. Mai 1909,<br />
eingeweiht. Folgerichtig hält Odilo Ringholz<br />
die Festpredigt. In seiner Ansprache<br />
hebt er die «Führungen Gottes im Leben<br />
des hl. Meinrad» hervor. Er skizziert den<br />
Weg des Heiligen vom Kloster Babinchova<br />
zur Kartause im Finsterwalde, die<br />
«die Gnadenstätte Unserer Lieben Frau<br />
von Einsiedeln» werden sollte. Und folgert<br />
daraus: «Babinchova ist somit die geistige<br />
Geburtsstätte von Einsiedeln und verdient<br />
daher unsere Hochschätzung und Verehrung.»<br />
Maria-Bildstein-<br />
Gründungsmythos bleibt<br />
Odilo Ringholz erhebt das Benkner Kloster<br />
zu einer wichtigen Station im Leben<br />
diese Zeit bis Reichenburg reicht. Nach<br />
der vierjährigen Benkner Episode geht<br />
Meinrad 828 als Einsiedler in den Finsterwald,<br />
um dort als geistiger Stammvater<br />
den Grund zur Gnadenstätte der<br />
Lieben Frau von Einsiedeln zu legen.<br />
Zwei Räuber glauben bei ihm Schätze<br />
zu finden und erschlagen ihn 861. Zwei<br />
Raben, die Meinrad aufgezogen hat,<br />
verfolgen die Mörder. Diese werden in<br />
Zürich festgenommen und hingerichtet.<br />
Zunächst auf der Reichenau bestattet,<br />
werden Meinrads Reliquien 1039 an<br />
den Ort seines Todes zurückgebracht.<br />
Aus der Zelle des Heiligen ist inzwischen<br />
das Benediktinerkloster Einsiedeln geworden.<br />
pas<br />
Meinrads und sieht in dessen Weiterzug<br />
den entscheidenden Karrieresprung, der<br />
den Heiligen an den Ort des späteren<br />
Benediktinerklosters Einsiedeln führen<br />
sollte. Das einstige Kloster Babinchova<br />
erscheint in dieser Perspektive als Vorposten<br />
oder Geburtshelfer. So wird Maria<br />
Bildstein mittels der neu gewerteten<br />
Meinradsgeschichte nicht nur stärker an<br />
Einsiedeln, eine katholisch-konservative<br />
Festung, gebunden. Vor allem erfährt der<br />
Benkner Wallfahrtsort «Unserer Lieben<br />
Frau zum Siege», symbolisiert durch die<br />
Meinradsklause und die Meinradskapelle,<br />
eine neue kirchengeschichtliche Verankerung<br />
und insofern eine religiös-historische<br />
Rechtfertigung. Diese Rückwärtsausrichtung<br />
will allerdings den Maria-Bildstein-<br />
Gründungsmythos – Jan Jud, Schänis,<br />
rettet 1519, in den unruhigen Zeiten des<br />
zwinglianischen Bildersturms, eine Marienstatue<br />
in den dichten Buchenwald auf<br />
dem Benkner Büchel – weder verdrängen<br />
noch ersetzen.<br />
Literatur<br />
– Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für<br />
Urgeschichte, S. 89 f., Frauenfeld 1938.<br />
– Geschichte der Pfarrei Benken, Uznach 1941.<br />
– Odilo Ringholz: Die Führungen Gottes im Leben<br />
des hl. Meinrad, in: Maria Bildstein – Wallfahrtsgeschichte<br />
Unserer Lieben Frau vom Siege, 1944.<br />
– Maria Bildstein, Benken 1979.<br />
– Jubiläumsbuch Benken 741–1991 – Eine ländliche<br />
Gemeinde im Linthgebiet, Benken 1991.<br />
– Conrad Schindler: Zum Quartär des Linthgebiets<br />
zwischen Luchsingen, dem Walensee und dem<br />
Zürcher Obersee, Bern 2004.<br />
– Mail am 20. März 2009 von Martin Schindler,<br />
Leiter Archäologie, St. Gallen, an Ruedi Mullis,<br />
Benken.<br />
– Diverse Dokumentkopien (Briefe, Kaufverträge,<br />
Urkunden) aus der Zeit um 1909.<br />
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