AGG - fückert consult interim
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Aus dem Rechtsreferat<br />
Informationen zum<br />
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz<br />
Stand: 29. Juli 2006<br />
A. Nichtamtliche Fassung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (<strong>AGG</strong>)<br />
B. Fragen, Antworten und Beispiele S. 1-11<br />
C. Handlungsempfehlungen S. 12-15
Fragen, Antworten und Beispiele zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz<br />
(<strong>AGG</strong>)<br />
A. Einleitende Fragen<br />
I. Warum ist dieses Gesetz erlassen worden<br />
Das <strong>AGG</strong> setzt vier EU-Richtlinien um, die den Mitgliedsstaaten gewisse<br />
Vorgaben machen. Der deutsche Gesetzgeber war insofern nicht völlig frei<br />
in dem was er machte, sondern musste sich an den EU-Richtlinien orientieren.<br />
II. Warum geht mich das Gesetz als Arbeitgeber überhaupt was an<br />
Das Gesetz hat einen speziellen arbeitsrechtlichen Teil, der sich mit den<br />
Pflichten und Verboten ausschließlich an die Arbeitgeber richtet. Es ist also<br />
für einen Arbeitgeber notwendig, sich mit diesem Gesetz zu befassen.<br />
Das Gesetz beinhaltet zudem einen allgemeinen und einen zivilrechtlichen<br />
Teil. Der zivilrechtliche Teil gilt für den allgemeinen Rechtsverkehr und der<br />
allgemeine Teil gilt sowohl für den arbeitsrechtlichen als auch für den zivilrechtlichen<br />
Teil.<br />
III. Enthält das Gesetz völlig neue Wertungen oder gibt es Anhaltspunkte<br />
aus bisherigen Gesetzen oder Entscheidungen der Gerichte, die man<br />
heranziehen kann<br />
Es gab schon bisher einige Vorschriften zum Diskriminierungsschutz, die<br />
teilweise durch das <strong>AGG</strong> ersetzt werden, sofern sie von ihm umfasst sind.<br />
Am bekanntesten ist die Geschlechtergleichbehandlung in § 611a und §<br />
611 b BGB, die schon bisher dem Arbeitgeber aufgab, Stellenausschreibungen<br />
geschlechtsneutral zu verfassen. Bei Verstoß gegen diesen<br />
Grundsatz konnte der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entschädigung<br />
von bis zu drei Bruttomonatsgehältern erwerben.<br />
Auch über diese gesetzlichen Vorschriften hinaus kann man Entscheidungen<br />
des BAG und des EuGH heranziehen, die einen Anhaltspunkt liefern,<br />
wie man bestimmte Vorschriften des <strong>AGG</strong> auslegen und werten wird. Erinnert<br />
sei hier nur an das Urteil des EuGH, in dem die Befristung älterer Arbeitnehmer<br />
gem. § 14 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz wegen Verstoßes<br />
gegen das Gebot der Altersdiskriminierung verworfen wurde (Urteil<br />
vom 22.11.2005 – Rs. C-144/04 Mangold/Helm).<br />
B. Geschützte und verpflichtete Personen<br />
I. Wer wird nach diesem Gesetz geschützt<br />
Geschützt sind primär natürlich die Arbeitnehmer und Auszubildenden. Da<br />
aber auch der Zugang zum Arbeitsverhältnis vom Gesetz umfasst ist, wird<br />
auch der Bewerber mit in den Schutzbereich einbezogen werden. Und falls<br />
der ausgeschiedene Arbeitnehmer Ansprüche auf Geldleistungen des Ar-<br />
2
eitgebers hat, etwa in Form einer Betriebsrente, kann sich der Schutz<br />
auch auf diese ehemaligen Arbeitnehmer beziehen.<br />
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch arbeitnehmerähnliche<br />
Personen (Selbständige Personen, die wirtschaftlich besonders abhängig<br />
von einem Auftraggeber sind), Heimarbeiter und in eingeschränktem<br />
Maße Selbständige und Organmitglieder in den Schutzbereich des<br />
<strong>AGG</strong> aufgenommen worden sind.<br />
II.<br />
Wer wird durch das Gesetz mit neuen Pflichten versehen<br />
Wie schon erwähnt ist der Arbeitgeber durch dieses Gesetz zur Einhaltung<br />
besonderer Pflichten aufgefordert. Der Gesetzgeber hat in diese Verpflichtung<br />
im Falle der Zeitarbeit auch den Entleiher in die Pflichtenstellung mit<br />
hineingezogen. Das bedeutet, dass im Falle eines Verstoßes gegen das<br />
<strong>AGG</strong> der Entleiher haftet, wenn sein Verantwortungsbereich betroffen ist.<br />
Die Idee, die dahinter steckt, kennen wir schon aus dem AÜG, wo dem<br />
Entleiher für die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften (etwa Arbeitszeitgesetz)<br />
eine eigene Verantwortung übertragen wird (§ 11 Abs. 6<br />
AÜG).<br />
C. Die Benachteiligungsgründe<br />
I. Welche Benachteiligungsgründe beinhaltet das Gesetz<br />
Das Gesetz zählt die Gründe abschließend auf:<br />
Rasse<br />
Ethnische Herkunft<br />
Geschlecht<br />
Religion und Weltanschauung<br />
Behinderung<br />
Alter<br />
Sexuelle Identität<br />
Nur wenn eine Benachteiligung wegen eines dieser Gründe vorliegt, ist das<br />
<strong>AGG</strong> überhaupt betroffen.<br />
Beispiel: Der Inhaber des Zeitarbeitsunternehmens Z kann Opelfahrer nicht<br />
ausstehen und verweigert deshalb Bewerbern, die einen Opel besitzen,<br />
grundsätzlich die Einstellung.<br />
‣ Der abgelehnte Bewerber hat keinen Anspruch gegen Z nach dem<br />
<strong>AGG</strong>. Es dürfte auch sonst kein Anspruch bestehen, weil es niemand<br />
dem Z verbieten kann, unvernünftige Einstellungskriterien zu<br />
haben. Diese Freiheit nimmt auch das <strong>AGG</strong> nicht.<br />
3
II.<br />
Was hat es mit der „Rasse“ und der „ethnischen Herkunft“ auf sich<br />
Beide Merkmale stehen in einem engen Zusammenhang. Das Merkmal<br />
„Rasse“ wird wohl keine große Rolle spielen, da es eher aus politischen<br />
Gründen eingefügt wurde.<br />
Unter ethnischer Herkunft fällt all das, was der Diskriminierende als fremd<br />
empfindet. Dazu können gehören: Haut- und Haarfarbe, Sprache, Kleidung,<br />
Brauchtum. Die Frage der Sprachkenntnisse im Anforderungsprofil<br />
wird zukünftig eine große Rolle spielen; wir kommen darauf später zu<br />
sprechen.<br />
III.<br />
Warum ist nur von „Behinderung“ die Rede, nicht aber von „Schwerbehinderung“<br />
Der Begriff der „Behinderung“ ist weitergehender. Er wird in § 2 Abs. 1<br />
SGB IX wie folgt definiert: Menschen sind behindert, wenn die körperliche<br />
Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen<br />
Zustand und daher Ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft beeinträchtigt<br />
ist.<br />
Der EuGH hat in einer Entscheidung vom 11. Juli 2006 – Rs. C – 13/05<br />
festgestellt, dass Krankheit nicht mit Behinderung gleichzusetzen sei. Die<br />
Definition des EuGH, die eine Beeinträchtigung von wahrscheinlich „langer<br />
Dauer“ als Behinderung ansieht, lässt aber gerade die Langzeiterkrankungen<br />
in eine gefährliche Nähe zur Behinderung geraten. Völlig unklar ist<br />
zum einen, wann es von einer Langzeiterkrankung in eine Behinderung<br />
„umschlägt“ und welche Auswirkungen dies auf die krankheitsbedingte<br />
Kündigung haben könnte. Einige Beobachter sagen voraus, dass die Möglichkeit,<br />
wegen erheblicher krankheitsbedingter Fehlzeiten zu kündigen,<br />
noch weiter eingeschränkt wird, obwohl die Darlegungslast für den Arbeitgeber<br />
zurzeit schon sehr hoch ist.<br />
IV.<br />
Wie unterscheidet sich Religion und Weltanschauung<br />
Religion bedeutet der Glaube an eine überweltliche Macht (Transzendenz),<br />
während die Weltanschauung eine innerweltliche Angelegenheit ist.<br />
Die praktisch bedeutsame Frage wird in diesem Zusammenhang sein, ob<br />
die Frage nach einer Scientology-Mitgliedschaft im Bewerberbogen zulässig<br />
ist, oder ob sie vielmehr ein Indiz für eine Benachteiligung liefert. Zwar<br />
hat das Bundesarbeitsgericht Scientology nicht als Religionsgemeinschaft<br />
anerkannt, von Instanzgerichten wurde aber vereinzelt die Mitgliedschaft<br />
unter den Schutz der Religion gestellt. Sollte der EuGH über diese Frage<br />
einmal zu entscheiden haben, ist eine Entscheidung zugunsten Scientology<br />
nicht unwahrscheinlich, da diese Gemeinschaft außerhalb Deutschlands<br />
wesentlich unkritischer gesehen wird.<br />
V. Welche Bedeutung wird das Merkmal „Alter“ spielen<br />
Die Bedeutung dieses Merkmals wird nach aller Voraussicht ebenso groß<br />
sein wie die Notwendigkeit einer Umstellung in der Wirtschaft in Bezug auf<br />
die Behandlung des Alters als Differenzierungsgrund. Bisher wurde das Alter<br />
sehr großzügig in Stellenanzeigen als Differenzierungsgrund angegeben<br />
(„nicht älter als 35“). Das wird zukünftig nicht mehr möglich sein.<br />
4
Grundsätzlich müssen sich, sofern ganz entscheidende Gründe nicht dagegen<br />
sprechen, Stellenausschreibungen an Bewerber jeglichen Alters<br />
richten. Zu den Möglichkeiten der Rechtfertigung einer Benachteiligung<br />
siehe unten F.III.<br />
VI.<br />
Was ist mit „sexueller Identität“ gemeint<br />
Hierunter fallen Homosexualität, Bisexualität, Transsexualität und zwischengeschlechtliche<br />
Menschen.<br />
Im iGZ-Tarifvertrag ist dieses Benachteiligungsverbot schon vorweg genommen<br />
worden, in dem die Eintragung einer eingetragenen Lebensgemeinschaft<br />
und der Tod eines solchen Lebenspartners genauso wie die<br />
Eheschließung und der Tod eines Ehepartners mit einer bezahlten Arbeitsbefreiung<br />
bedacht ist (§ 5 iGZ-/DGB-Manteltarifvertrag).<br />
D. Handlungen des Arbeitgebers, die betroffen sein können<br />
I. Wann beginnt der Schutzbereich des <strong>AGG</strong><br />
Er beginnt grundsätzlich mit der Ausschreibung einer Stelle. Hier können<br />
die ersten Fehler gemacht werden, wenn etwa die veröffentlichte Stellenausschreibung<br />
nicht diskriminierungsfrei ist. Dann geht es über zum Bewerbungsgespräch,<br />
in dem die Auswahl der Fragen auf dem Prüfstand<br />
steht. Schließlich ist auf die Ablehnung der Bewerbung acht zu geben, die<br />
keine Anhaltspunkte für eine Benachteiligung liefern darf. (Was im Einzelnen<br />
zu beachten ist siehe Handlungsempfehlungen, S. 12 -15)<br />
Es betrifft den Verantwortungsbereich des Zeitarbeitsunternehmens, wenn<br />
der Arbeitnehmer eingestellt wird und an einen Dritten überlassen werden<br />
soll. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer ausschließlich auf<br />
Wunsch eines Kunden eingestellt werden soll. Es ist der Arbeitnehmer des<br />
Zeitarbeitsunternehmens und damit fällt das gesamte Einstellungsverfahren<br />
in seinen Verantwortungsbereich (zu der Rechtfertigung im Hinblick auf<br />
besondere Kundenanforderungen siehe unten F.VI.)<br />
II. Was ist während des Beschäftigungsverhältnisses zu beachten<br />
Hier geht es vor allem um die benachteiligungsfreie Ausübung des Weisungsrechts<br />
des Arbeitgebers. Da dies in der Zeitarbeit zwischen dem Verleiher<br />
und dem Entleiher aufgeteilt ist, ergeben sich auch entsprechend<br />
aufgeteilte Verantwortungsbereiche im Hinblick auf die Einhaltung des<br />
<strong>AGG</strong>.<br />
Das Zeitarbeitsunternehmen ist verantwortlich, soweit das Weisungsrecht<br />
des Zeitarbeitsunternehmens reicht. Das gilt zum Beispiel für die Zuweisung<br />
von Einsatzbetrieben<br />
Beispiel: Bei einem Kunden in Düsseldorf sind fünf Zeitarbeitnehmer der<br />
Firma Z eingesetzt, die dort mit vergleichbaren Aufgaben betraut sind. Z<br />
nimmt den türkischen Zeitarbeitnehmer T aus dem Auftrag und überlässt<br />
ihn nach Dresden.<br />
‣ Eine Benachteiligung ist gegeben, wenn Z für den Einsatz in Dresden<br />
gerade den T eingesetzt hat, weil er dessen deutschen Kollegen<br />
einen so weit entfernten Einsatz nicht zumuten möchte.<br />
5
Ebenso gehört der berufliche Aufstieg in den Verantwortungsbereich des<br />
Zeitarbeitsunternehmens. Gruppiert etwa im vorherigen Beispielsfall die<br />
vier deutschen Arbeitnehmer von EG 3 auf EG 4 hoch, unterlässt er dies<br />
aber beim T, so kann sich hieraus ebenfalls ein Verstoß gegen das <strong>AGG</strong><br />
geben, wenn es für die nachteilige Behandlung keinen sachlichen Grund<br />
gibt.<br />
Gleiches gilt für den Status des Arbeitnehmers, also alles das, was den<br />
Arbeitsvertrag betrifft. Auch hier ist allein der Verleiher verantwortlich. So<br />
ist es ihm nach dem <strong>AGG</strong> untersagt, unterschiedlich zu entlohnen, wenn<br />
dies auf einem Benachteiligungsgrund beruht.<br />
Soweit der Kunde sein Weisungsrecht ausübt, ist er für die Einhaltung des<br />
<strong>AGG</strong> vorrangig verantwortlich und damit auch etwaig der Adressat für eine<br />
Schadensersatz- oder Entschädigungshaftung.<br />
Beispiel: Im Kundenunternehmen K wird regelmäßig der türkische Zeitarbeitnehmer<br />
K damit beauftragt, den Arbeitsraum zu fegen, während vergleichbare<br />
interne und externe deutsche Arbeitnehmer sich bereits auf den<br />
Feierabend vorbereiten.<br />
‣ Sollte diese Ungleichbehandlung aus Gründen der ethnischen Herkunft<br />
erfolgen, ist ein Verstoß gegen das <strong>AGG</strong> gegeben.<br />
Das Zeitarbeitsunternehmen sollte sich aber nicht zu sehr auf dieser Verantwortungsverteilung<br />
ausruhen. Erzählt im vorgenannten Beispiel T seinem<br />
Arbeitgeber von den Vorgängen im Kundenbetrieb, darf das Zeitarbeitsunternehmen<br />
nicht untätig bleiben. Ansonsten könnte es zumindest in<br />
die Mithaftung geraten. Das Zeitarbeitsunternehmen muss beim Kunden<br />
auf eine Veränderung der Gegebenheiten drängen (im Einzelnen dazu unter<br />
G.IV.)<br />
III. Gilt das <strong>AGG</strong> auch bei Kündigungen<br />
In § 2 Abs. 4 <strong>AGG</strong> heißt es, für dass Kündigungen allein die Bestimmungen<br />
zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten.<br />
Allerdings hat der EuGH in einer Entscheidung vom 11. Juli 2006 (Rs. C-<br />
13/05) entschieden, dass die dem <strong>AGG</strong> zugrunde liegenden EU-Richtlinien<br />
auch für Kündigungen gälten. Deshalb spricht viel dafür, dass § 2 Abs. 4<br />
<strong>AGG</strong> europarechtswidrig ist.<br />
Für die Praxis gilt deshalb: Auch Kündigungen sind streng daraufhin zu<br />
überprüfen, ob die Maßstäbe des <strong>AGG</strong> eingehalten wurden. Es ist damit zu<br />
rechnen, dass in Kündigungsschutzprozessen zukünftig ein Verstoß gegen<br />
das <strong>AGG</strong> „angehängt“ wird, um auf diese Weise die Abfindungsverhandlungen<br />
zugunsten des Arbeitnehmers zu verändern (vgl. dazu auch Handlungsempfehlungen).<br />
E. Benachteiligungshandlungen<br />
I. Welche Benachteiligungshandlungen gibt es<br />
6
Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen unmittelbaren und mittelbaren<br />
Benachteiligungen, Belästigungen, sexuellen Belästigungen sowie der<br />
Anweisung zu einer Benachteiligung<br />
II.<br />
III.<br />
IV.<br />
Was ist eine unmittelbare Benachteiligung<br />
Eine unmittelbare Benachteiligung ist am einfachsten zu erkennen, da der<br />
Benachteiligungsgrund direkt Grundlage für ein bestimmtes Verhalten des<br />
Arbeitgebers ist. Die Benachteiligung kann auch gegeben sein, wenn die<br />
positive Behandlung einer Vergleichsperson in der Vergangenheit vorgefallen<br />
ist („erfahren hat“) oder sie kann sogar hypothetisch sein („erfahren<br />
würde“). Letzteres spielt eine Rolle, wenn es keine Vergleichsperson gibt,<br />
der angeblich Benachteiligte aber behauptet, eine andere Person wäre in<br />
einer vergleichbaren Situation besser behandelt worden.<br />
Was versteht man unter einer mittelbaren Benachteiligung<br />
Eine mittelbare Benachteiligung ist dann gegeben, wenn ein bestimmtes<br />
Verhalten des Arbeitgebers auf den ersten Blick neutral ist und nicht an einen<br />
Benachteiligungsgrund anknüpft. Das ist klassischerweise eine benachteiligende<br />
Regelung für Teilzeitbeschäftigte, die mittelbar Frauen besonders<br />
benachteiligt, weil sie zahlenmäßig häufiger in diese Gruppe fallen.<br />
Der Arbeitgeber muss deshalb in diesem Fällen um „eine Ecke denken“,<br />
zumal bei der mittelbaren wie auch bei der unmittelbaren Benachteiligung<br />
nicht erforderlich ist, dass er vorsätzlich jemanden diskriminieren<br />
will.<br />
Was ist eine Belästigung<br />
Der Gesetzgeber meint hier vor allem Verleumdungen, Beleidigungen oder<br />
körperliche Angriffe. Da ein bestimmtes negatives Umfeld geschaffen werden<br />
muss, dürfte die Erstbegehung faktisch nicht ausreichen. Die Verhaltensweise<br />
muss unerwünscht sein, wobei hier der objektive Betrachter gefragt,<br />
nicht das Opfer selbst, das möglicherweise besonders empfindsam<br />
ist. Solche Benachteiligungshandlungen werden vor allem im Kundenbetrieb<br />
auftreten.<br />
V. Wo ist der Unterschied zur sexuellen Belästigung<br />
Hier hat das ungewünschte Verhalten einen sexuellen Bezug. Aufgrund<br />
der Gesetzesfassung kann hier auch die Erstbegehung erfasst sein. In der<br />
Praxis könnten hierunter anzügliche Witze fallen oder Nacktfotos im Büro.<br />
Das Beschäftigtenschutzgesetz regelte diesen Sachverhalt bisher und fällt<br />
nach Wirksamwerden des <strong>AGG</strong> ersatzlos weg.<br />
VI.<br />
Sind dem Arbeitgeber diese Verhaltensweisen (Belästigung, sexuelle<br />
Belästigung) zurechenbar<br />
Diese Frage beantwortet der Gesetzgeber leider nicht eindeutig. Sofern<br />
vom Arbeitgeber Schadensersatz verlangt wird, dürfte eine Zurechnung für<br />
das Verhalten von Mitarbeitern, die keine Personalverantwortung tragen,<br />
nicht möglich sein. Hier könnte es nur dann zu einer Haftung kommen,<br />
wenn der Arbeitgeber von den Vorgängen wusste, aber nicht eingeschritten<br />
ist oder wenn er seine Mitarbeiter nicht genügend geschult hat. Sofern<br />
eine verschuldensunabhängige Entschädigung verlangt wird, stellt sich die<br />
Frage einer Zurechnung von Verschulden nicht. Hier wird man wohl von<br />
7
einer Haftung im Falle einer (sexuellen) Belästigung ausgehen müssen.<br />
Sie lässt sich möglicherweise reduzieren, wenn der Arbeitgeber eine ausreichende<br />
Schulung der Mitarbeiter nachweisen kann.<br />
VII.<br />
Was ist eine Anleitung zur Benachteiligung<br />
Sie wird wie eine unmittelbare Benachteiligung behandelt. Sie dürfte auf<br />
die Fälle begrenzt sein, in dem ein Vorgesetzter einen anderen zu einer<br />
Benachteiligung bestimmt.<br />
Beispiel: Der Regionalleiter weist den Personaldisponenten an, nur Bewerber<br />
westeuropäischer Herkunft einzustellen.<br />
F. Die Rechtfertigung von Benachteiligungen<br />
I. Welche Rechtfertigungsgründe gibt es<br />
Es gibt den allgemeinen Rechtfertigungsgrund in § 8 <strong>AGG</strong>, der Benachteiligungen<br />
aufgrund des Geschlechts, der Rasse/ethnischen Herkunft,<br />
Schwerbehinderung und Religion rechtfertigen kann. § 9 <strong>AGG</strong> ist ein spezieller<br />
Rechtfertigungsgrund für Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsorganisationen.<br />
§ 10 <strong>AGG</strong> nennt besondere Rechtfertigungsgründe<br />
für die Ungleichbehandlung wegen des Alters. § 5 <strong>AGG</strong> ermöglicht<br />
die Ungleichbehandlung, um bestehende Nachteile auszugleichen.<br />
Mittelbare Benachteiligungen müssen nicht gerechtfertigt werden. Sie sind<br />
schon dann rechtmäßig, wenn sie einen rechtmäßigen Zweck erfüllen und<br />
verhältnismäßig sind.<br />
II.<br />
III.<br />
Welche Anforderungen sind in § 8 <strong>AGG</strong> zu erfüllen<br />
Die Meßlatte liegt sehr hoch. Dieser Rechtfertigungsgrund gilt nur dann,<br />
wenn die Differenzierung eine wesentliche und entscheidende berufliche<br />
Anforderung darstellt. Die bisherige Rechtsprechung zum Merkmal „Geschlecht“<br />
macht deutlich, dass dies nur in den seltensten Fällen gegeben<br />
ist (zum Beispiel Ausschreibung nur an Frauen im Falle einer Frauenreferentin<br />
einer Partei, die ein feministisches Grundkonzept verfolgt). Es sind<br />
eindeutig Ausnahmefälle, und eben nicht die Fälle, in denen man etwa wegen<br />
schwerer körperlicher Beanspruchung dies der Frau nicht zutraut.<br />
Wie sehen die Rechtfertigungsmöglichkeiten beim „Alter“ aus<br />
§ 10 <strong>AGG</strong> nennt ausdrücklich einige Rechtfertigungsmöglichkeiten. So<br />
dürfte gem. § 10 Nr. 2 <strong>AGG</strong> die Festlegung einer bestimmten Berufserfahrung<br />
im Stellenprofil zulässig sein, auch wenn jüngere dadurch zumindest<br />
mittelbar benachteiligt werden. Erforderlich ist aber, dass für die Stelle die<br />
Berufserfahrung sachlich begründbar ist, etwa weil es sich um eine Leitungsposition<br />
handelt.<br />
Zulässig ist es gem. § 10 Nr. 3 <strong>AGG</strong>, ein Höchstalter festzulegen, wenn<br />
aufgrund der aufwendigen Ausbildung und Einarbeitung eine bestimmte<br />
Mindestarbeitszeit bis zur Verrentung aus Wirtschaftlichkeitsgründen erforderlich<br />
ist. Das dürfte für die Zeitarbeit kaum einschlägig sein, zumal dann<br />
nicht, wenn einfache Tätigkeiten besetzt werden sollen, die nach kurzer<br />
Einarbeitung ausgeübt werden können.<br />
8
Das Gesetz erlaubt auch die Befristung des Beschäftigungsverhältnisses<br />
bis zum 65. Lebensjahr, so wie es auch im iGZ-Tarifvertrag geregelt ist (§<br />
10 Nr. 5 <strong>AGG</strong>, § 2.1., 2. Absatz iGZ-/DGB-Manteltarifvertrag).<br />
IV.<br />
Ich kann nicht verstehen, warum etwas in § 10 Nr. 6 zur Sozialauswahl<br />
steht, wenn doch die Kündigung gem. § 2 Abs. 4 <strong>AGG</strong> allein den<br />
Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes unterliegen soll<br />
(vgl. oben D.III.)<br />
Das verstehen wir auch nicht. Es ist möglicherweise ein Versehen des Gesetzgebers.<br />
Nach dem oben Gesagten ist ohnehin das <strong>AGG</strong> auch bei Kündigungen<br />
zu beachten. Und bei der Sozialauswahl war es schon bisher<br />
wichtig, dass man nicht ein Kriterium, zum Beispiel das Alter, absolut wertet.<br />
Sofern Punkteschemata zur Anwendungen kommen, sollte das Merkmal<br />
„Alter“ im Vergleich zu den anderen Merkmalen der Sozialauswahl<br />
nicht zu stark bewertet werden.<br />
V. Was ist eine positive Maßnahme<br />
Mit einer positiven Maßnahme sollen bestehende Nachteile dadurch ausgeglichen<br />
werden, dass die benachteiligte Personengruppe bevorzugt wird.<br />
So ist es zulässig, in einer Ausschreibung Frauen besonders zur Bewerbung<br />
aufzufordern, männliche Bewerber aber nicht per se unberücksichtigt<br />
bleiben (so genannte „weiche“ Frauenquote). Unzulässig ist nach einer<br />
Entscheidung des EuGH allerdings, in einer Ausschreibung festzulegen,<br />
dass Frauen generell bevorzugt werden (so genannte „harte“ Frauenquote).<br />
Dieses Konzept der positiven Maßnahme ist insgesamt verfassungsrechtlich<br />
fragwürdig und sollte besser nicht zur Anwendung kommen. Jedenfalls<br />
besteht keine Verpflichtung, positive Maßnahmen durchzuführen.<br />
VI.<br />
Rechtfertigen diskriminierende Vorgaben des Kunden eine Diskriminierung<br />
durch den Personaldienstleister<br />
Nein! Die Verantwortung trifft allein den Personaldienstleister, da er als zukünftiger<br />
Arbeitgeber auftritt. Das bedeutet, dass er bei einer Klage eines<br />
aufgrund der diskriminierenden Vorgaben des Kunden abgelehnten Bewerbers<br />
haften würde. Ein Regress des Personaldienstleisters gegenüber<br />
dem Kunden kommt wohl nicht in Betracht, wenn das Auswahlverfahren in<br />
Kenntnis der diskriminierenden Vorgaben durchgeführt worden ist.<br />
G. Organisationspflichten des Arbeitgebers<br />
I. Was versteht der Gesetzgeber unter Schulungen<br />
Der Gesetzgeber möchte, dass Diskriminierungen schon im Vorfeld durch<br />
geeignete Maßnahmen verhindert werden (§ 12 Abs. 1 <strong>AGG</strong>). Der Gesetzgeber<br />
nennt namentlich das Erfordernis von Schulungen (§ 12 Abs. 2<br />
<strong>AGG</strong>). Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein Exemplar des <strong>AGG</strong> und § 61b<br />
ArbGG im Betrieb auszuhängen.<br />
II.<br />
Muss ich auch die Zeitarbeitnehmer schulen<br />
Der Gesetzgeber macht hier keine Unterschiede zwischen der Art der Beschäftigten.<br />
Besondere Sorgfalt sollte aber für die Schulung von Mitarbeitern<br />
mit Personalverantwortung aufgewendet werden, denn deren Ver-<br />
9
schulden wird dem Arbeitgeber ohne weiteres zugerechnet. In einem Zeitarbeitsunternehmen<br />
sind das grundsätzlich die Personaldisponenten.<br />
Bei den externen Mitarbeitern geht es vor allem um die Vermeidung von<br />
Belästigungen und sexuellen Belästigungen. Hier genügt eine „abgespeckte“<br />
Schulung, etwa in Form einer Betriebsversammlung. Es kommt hier<br />
auch in Betracht, dass der Entleiher, etwa auf Grundlage einer Vereinbarung<br />
zwischen Verleiher und Entleiher, diese Schulung mit übernimmt. Das<br />
könnte in Form von Betriebsversammlungen für alle Mitarbeiter, interne<br />
und externe, geschehen.<br />
III.<br />
IV.<br />
Was muss gemacht werden, wenn innerhalb des Unternehmens eine<br />
Benachteiligung eines Mitarbeiters etwa in Form einer Belästigung<br />
bekannt wird<br />
Der Arbeitgeber muss geeignete Maßnahmen ergreifen, etwa den Diskriminierenden<br />
abmahnen oder ihn versetzen oder bei schlimmeren Verstößen,<br />
eine Kündigung aussprechen (vgl. § 12 Abs. 3 <strong>AGG</strong>). Jedenfalls muss<br />
er alles Zumutbare tun, um dem Diskriminierten zu helfen.<br />
Muss das Zeitarbeitsunternehmen eingreifen, wenn es von einer Benachteiligung<br />
beim Kunden hört<br />
Ja, dazu ist es gem. § 12 Abs. 4 <strong>AGG</strong> verpflichtet. Das wird das in der Praxis<br />
der viel häufigere Fall sein als das bloß firmeninterne Problem, da sich<br />
der Zeitarbeitnehmer überwiegend im Kundenbetrieb aufhält.<br />
Das Zeitarbeitsunternehmen ist dann aufgefordert, mit dem Kunden ein<br />
ernstes Gespräch zu führen und ihn dazu aufzufordern, auf seine Mitarbeiter<br />
einzuwirken, damit die Benachteiligung aufhört.<br />
Geschieht dies nicht unverzüglich, muss der Verleiher weitere Maßnahmen<br />
treffen. Zu denken wäre an das Herausnehmen des Arbeitnehmers aus<br />
dem Kundenunternehmen, wobei allerdings darauf zu achten ist, dass eine<br />
neue Einsatzmöglichkeit besteht, die eine gleichwertige Position für den<br />
Arbeitnehmer bedeutet. Denn der diskriminierte Arbeitnehmer soll nicht<br />
bestraft werden. Der Abbruch der Kundenbeziehung dürfte gerade in der<br />
Zeitarbeit in aller Regel nicht zumutbar sein, zumal er für den betroffenen<br />
Arbeitnehmer im Vergleich zum Herausnehmen keinen weiteren Vorteil<br />
bedeutet.<br />
V. Was muss ich machen, damit ich eine Beschwerdestelle habe im Sinne<br />
des § 13 <strong>AGG</strong> habe<br />
Das hört sich schlimmer an als es ist. Der Arbeitgeber kann frei bestimmen,<br />
wen er zur Beschwerdestelle macht. Ist es ein kleineres Unternehmen,<br />
kann es der Arbeitgeber selbst sein, ansonsten bietet sich die Personalabteilung<br />
an.<br />
H. Rechtsfolgen bei Verstoß gegen <strong>AGG</strong><br />
I. Kann der Arbeitnehmer in einem solchen Falle die Arbeit einstellen<br />
Der Gesetzgeber gibt dem Arbeitnehmer nur im Falle der Belästigung<br />
/sexuellen Belästigung ein solches Leistungsverweigerungsrecht (§ 14<br />
<strong>AGG</strong>). Allerdings setzt die Vorschrift voraus, dass der Arbeitgeber keine<br />
oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung ergriffen<br />
hat. Man wird also voraussetzen müssen, dass der Arbeitgeber Kenntnis<br />
10
von den Vorgängen hatte oder bei ordnungsgemäßer Organisation hätte<br />
haben müssen. Außerdem trägt der Arbeitnehmer das Risiko für eine<br />
Fehleinschätzung. Hat er die Arbeit zu Unrecht verweigert, etwa weil nach<br />
Ansicht des Gerichts der Arbeitgeber alles Zumutbare getan hat oder<br />
Maßnahmen nicht erforderlich waren, hat er durch die Einstellung der Arbeit<br />
seine Arbeit zu Unrecht verweigert. Der Arbeitgeber kann die Entgeltzahlung<br />
verweigern und eventuelle abmahnen oder äußerstenfalls kündigen.<br />
In der Zeitarbeit könnte aber das Phänomen auftreten, dass Arbeitnehmer,<br />
die aus Unlust die Einsatzstelle verlassen haben, im Nachhinein behaupten,<br />
sie hätten dies gemacht, weil sie diskriminiert worden seien. Da eine<br />
bloße Behauptung nicht genügt, dürfte diese Vorgehensweise aber wenig<br />
Erfolgs versprechend sein.<br />
III.<br />
IV.<br />
Wann und unter welchen Voraussetzungen haftet der Arbeitgeber<br />
Das Gesetz kennt die Schadensersatzhaftung und die Entschädigungshaftung.<br />
Ersteres setzt einen materiellen Schaden voraus, also etwa Einnahmeinbußen<br />
wegen diskriminierender Nichteinstellung.<br />
Im Falle des Entschädigungsanspruchs braucht der Arbeitgeber einen konkreten<br />
Schaden nicht nachzuweisen. Ähnlich wie beim Schmerzensgeld<br />
kann der Benachteiligte immaterielle Schäden geltend machen, die man<br />
hier mit der Verletzung der Persönlichkeit begründen könnte.<br />
Was setzt der Schadensersatzanspruch voraus<br />
Neben dem Verstoß gegen das <strong>AGG</strong> setzt er voraus, dass der Arbeitgeber<br />
schuldhaft gehandelt hat. Der Arbeitgeber muss seine Schuldlosigkeit beweisen<br />
und kann das etwa bei Fehlverhalten von Mitarbeitern ohne Personalverantwortung<br />
tun, indem er deren ausreichende Schulung (§ 12 Abs. 2<br />
<strong>AGG</strong>) vorweisen kann. Das Verschulden von Mitarbeitern mit Personalverantwortung<br />
wird dem Unternehmen zugerechnet. Da jeder Personaldisponent<br />
Personalverantwortung trägt, ist die Zurechnung des Verschuldens in<br />
diesem Fall anzunehmen.<br />
Der Schadensersatzanspruch ist in der Höhe unbegrenzt.<br />
V. Wie sieht das mit der Zurechnung des Verschuldens aus, wenn ich<br />
einen Dritten zur Stellensuche einschalte<br />
Das Verschulden eines Dritten, etwa der Bundesagentur für Arbeit wird<br />
dem Arbeitgeber komplett zugerechnet. Das bedeutet: Hat erst die BA den<br />
Fehler gemacht, zum Beispiel die Stelle nur für Frauen auszuschreiben,<br />
dann haftet derjenige, für den die Stelle gesucht wird, also das Zeitarbeitsunternehmen.<br />
VI.<br />
VII.<br />
Wie ist die Haftung, wenn das Zeitarbeitsunternehmen als Personalberater<br />
eingesetzt wird und für einen anderen sucht<br />
Hier haftet nach den unter V. dargestellten Grundsätzen der Kunde als potentieller<br />
Arbeitgeber. Allerdings wird der Kunde Regress nehmen gegen<br />
den Personalberater; es ist zu erwarten, dass zukünftig entsprechende<br />
Regressklauseln in den Verträgen zwischen Auftraggeber und Personalberater<br />
eingefügt werden.<br />
Ist der Entschädigungsanspruch in der Höhe begrenzt<br />
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Da er kein Verschulden voraussetzt, sollte er es eigentlich sein. Der Gesetzgeber<br />
hat eine Beschränkung aber nur für den Fall vorgesehen, dass<br />
ein Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt<br />
worden wäre (etwa, weil die Zeugnisse nur mittelmäßig sind). Einen Anspruch<br />
in unbegrenzter Höhe kann deshalb nur der beste Bewerber verlangen.<br />
VIII.<br />
IX.<br />
Hat der abgelehnte Bewerber einen Anspruch auf Einstellung<br />
Nein, einen solchen Anspruch hat er nicht (§ 15 Abs. 6 <strong>AGG</strong>)<br />
Wie lange muss ich mit einer Geltendmachung eines Anspruchs<br />
rechnen<br />
Der Arbeitnehmer muss innerhalb von zwei Monaten nach Kenntnis von<br />
der Benachteiligung die Ansprüche aus dem <strong>AGG</strong> schriftlich geltend machen<br />
(§ 15 Abs. 4 <strong>AGG</strong>). Im Falle der Ablehnung einer Bewerbung beginnt<br />
die Frist mit dem Zugang der Ablehnung. Kann der Arbeitgeber diesen Zugang<br />
nicht beweisen, läuft die Frist weiter und der Arbeitgeber lebt in der<br />
Unsicherheit, noch viel später mit Ansprüchen behelligt zu werden. Deshalb<br />
müsste zur Vermeidung dieser Unsicherheit beweisbar zugestellt<br />
werden ähnlich wie eine Kündigung. Das aber dürfte den Arbeitgeber, gerade<br />
in der Zeitarbeit, vor ein unüberwindbares bürokratisches Hindernis<br />
stellen. Hier muss wohl das Bauchgefühl des Unternehmers helfen, in welchen<br />
Fällen eine beweissichere Zustellung angebracht ist.<br />
X. Kann ich mir das Geld von meinem Arbeitnehmer zurückholen, wenn<br />
ich gegen einem anderen haften musste<br />
Das ist wohl ein schwieriger Weg. Die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung<br />
sehen vor, dass der Arbeitnehmer nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit<br />
haftet und damit regresspflichtig sein kann. Bei mittlerer Fahrlässigkeit<br />
haftet er nur anteilig, bei leichter Fahrlässigkeit überhaupt nicht.<br />
Diese Grundsätze werden wohl auch das Maß eines möglichen Regresses<br />
bestimmen.<br />
XI.<br />
Muss ich im Prozess alles beweisen<br />
Nein! Aber der Gesetzgeber hat eine Beweiserleichterung eingefügt, die<br />
bedeutet, dass der angeblich Benachteiligte Indizien beweisen muss, die<br />
eine Benachteiligung für das Gericht wahrscheinlich macht. Hat der angeblich<br />
Benachteiligte diese Hürde übersprungen, ist der Arbeitgeber voll beweispflichtig<br />
dafür, dass er nicht aus Gründen der Diskriminierung sich so<br />
verhalten hat, oder dass ein Rechtfertigungsgrund eingreift.<br />
In der Rechtsprechung hat als Indiz schon genügt, dass die Stellenausschreibung<br />
nicht geschlechtsneutral erfolgte. Diese Rechtsprechung ist<br />
jetzt auf alle Benachteiligungsgründe auszuweiten. Eine Stellenanzeige mit<br />
einer Altersangabe etwa begründet das Indiz für eine Benachteiligung wegen<br />
des Alters. Das Aufführen von Sprachkenntnissen begründet das Indiz<br />
für eine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft. Dagegen genügt<br />
es nicht, einfach nur ins Blaue hinein etwas zu behaupten. Der bloße Hinweis<br />
des abgelehnten Bewerbers, er sei ausländischer Herkunft, dürfte ohne<br />
Hinzutreten weiterer Indizien nicht genügen.<br />
12
Checkliste für die verschiedenen Stationen eines Beschäftigungsverhältnisses<br />
A. Begründung eines Arbeitsverhältnisses<br />
I. Vorbereitung<br />
Transparenz: Genaues und ausführliches Stellenprofil erarbeiten,<br />
da es die spätere Darlegung der Entscheidungsfindung<br />
erleichtert<br />
Diskriminierende Vorgaben des Kunden führen zu eigener<br />
Haftung des Personaldienstleisters und rechtfertigen<br />
grundsätzlich keine Diskriminierung<br />
II.<br />
Ausschreibung<br />
Neutral gegenüber allen Benachteiligungsgründen<br />
Diskriminierungsfreiheit auch in den Online-Stellenbörsen<br />
herstellen<br />
Geschlecht:<br />
• Neutral auch dann, wenn körperlich schwere Arbeit<br />
• Neutral auch dann, wenn typischer Männer- oder<br />
Frauenberuf (z.B. Hebamme)<br />
Alter:<br />
• Keine Altersangaben in Stellenanzeigen<br />
• Auch nicht Umschreibungen: „jemanden für junges<br />
und dynamisches Team“<br />
• Beschreibung des Arbeitgebers als „jung und dynamisch“<br />
ist schon kritisch<br />
• „Belastbar“ Mittelbare Diskriminierung wegen Alter/Behinderung.<br />
Zulässig, wenn Tätigkeit dies beweisbar<br />
erfordert.<br />
Ethnische Herkunft:<br />
13
• Benennung von Haarfarbe oder besonderer Struktur<br />
der Haare („glatte Haare“) unzulässig<br />
• Sprachkenntnisse immer an konkrete Stelle anpassen.<br />
Sehr gutes Deutsch bei Sekretärin richtig, nicht<br />
aber bei Produktionshelfer.<br />
Bewerbungsfoto<br />
• Unklar, wie sich die Rechtsprechung hierzu entwickeln<br />
wird<br />
• Nicht ausdrücklich dazu auffordern, sondern nur „aussagekräftige<br />
Unterlagen“ verlangen. Unbedenklich<br />
sind Informationen, die der Bewerber von sich aus<br />
preisgibt.<br />
Zeugnisse<br />
• Ebenfalls unklar, da sich hieraus (ethnische) Herkunft<br />
ergibt<br />
• Hinweis siehe oben: „aussagekräftige Unterlagen“<br />
verlangen<br />
III.<br />
IV.<br />
Vorstellungsgespräch:<br />
Fragen, die ein Diskriminierungsmerkmal beinhalten,<br />
grundsätzlich vermeiden:<br />
Wie bisher deshalb nicht Fragen nach<br />
• Schwangerschaft, Mutterschaft<br />
• Religiösen Überzeugungen und<br />
• Herkunft, Geburtsort<br />
Unbedenklich sind Informationen, die der Bewerber unaufgefordert<br />
nennt.<br />
Sofern betrieblich möglich, einen weiteren Vertreter bei<br />
Gespräch dabei haben (Gefühl für Problemkandidaten<br />
entwicklen)<br />
Behinderung:<br />
• Frage nach (Schwer-)Behinderung im Bewerberbogen<br />
streichen, da Indiz für Benachteiligung<br />
• Tätigkeitsbezogene Fragen zulässig („Sind Sie in der<br />
Lage, Lasten von mehr als 20 KG zu tragen“)<br />
• Nicht aber Fragen nach freizeitmäßiger sportlicher<br />
Betätigung.<br />
Schulung der Mitarbeiter, die Personalgespräche führen;<br />
feste Gesprächsleitsätze entwickeln<br />
Entscheidungsfindung<br />
Auf Grundlage eines vorher festgelegten Anforderungsprofils<br />
entscheiden<br />
14
„Bauchentscheidungen“ zulässig, aber optimalerweise hat<br />
man sachliche Gründe in der Hinterhand<br />
Schriftliche Dokumentation der Entscheidungsfindung<br />
V. Ablehnung der Bewerbung<br />
In der Kürze liegt die Würze: Auf Begründungen verzichten,<br />
höflich bleiben.<br />
Keine telefonischen Auskünfte über die Gründe der Ablehnung<br />
geben, oder dazu nur einzelne Mitarbeiter nach<br />
besonderer Schulung dazu autorisieren.<br />
Beweissichere Übermittlung der Ablehnung<br />
• Bei Problemkandidaten übermitteln wie bei einer<br />
Kündigung<br />
• Schriftliche Erklärung des Bewerbers über die Aufnahme<br />
in einen Bewerberpool nach vorheriger Ablehnung<br />
der Bewerbung enthält zugleich den Beweis<br />
über den Zugang der Ablehnung<br />
Aufbewahrung der Bewerbungsunterlagen (Kopie oder O-<br />
riginal) sowie der schriflichen Dokumentation über die<br />
Entscheidungsfindung für zunächst 2 Monate (Frist für<br />
schriftliche Geltendmachung) nach Zugang der Ablehnung.<br />
Hat der Arbeitnehmer den Anspruch geltend gemacht,<br />
sind ohnehin alle Unterlagen für den anstehenden Prozess<br />
zu sichern.<br />
B. Während des Arbeitsverhältnisses<br />
I. Diskriminierungsfreie Ausübung des Weisungsrechts<br />
Z. B. bei Zuweisung eines Einsatzbetriebes<br />
Berücksichtigung von Religionsausübung (Gebetspause),<br />
sofern mit betrieblichen Notwendigkeiten vereinbar.<br />
Grundsätzlich müssen Sonderinteressen nicht beachtet<br />
werden<br />
II. Gleiches Entgelt für gleiche Arbeit (§ 8 Abs. 2 <strong>AGG</strong>)<br />
Erschwerniszulagen sind zulässig, obwohl mittelbare Benachteiligung<br />
von Behinderten<br />
Sofern unternehmenseinheitliche Vergütungssysteme,<br />
sollten sie an objektive, sachliche Punkte anknüpfen (Qualifikation,<br />
Leistung, Verantwortung, Belastung)<br />
III.<br />
Verantwortungsbereiche Verleiher/Entleiher<br />
Verleiher ist zuständig für den Status des Arbeitsverhältnisses<br />
und soweit sein Weisungsrecht reicht<br />
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Für Diskriminierungen im Kundenbetrieb während einer<br />
Überlassung besteht primäre Verantwortung des Kunden<br />
(bei Verstoß Haftung des Kunden)<br />
Sekundäre Verantwortung des Verleihers, wenn er von<br />
Diskriminierungen Kenntnis erhält<br />
• Auf Entleiher einwirken, damit Diskriminierung<br />
unverzüglich stoppt<br />
• Prüfen, ob Versetzung innerhalb des Entleihbetriebs<br />
möglich<br />
• Ansonsten Arbeitnehmer aus dem Entleihbetrieb<br />
herausnehmen und an anderes Unternehmen ü-<br />
berlassen (gleichwertige Position)<br />
• Abbruch der Kundenbeziehung dann nicht notwendig<br />
C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
I. Kündigung<br />
Trotz entgegenstehendem Gesetzeswortlaut sollte <strong>AGG</strong><br />
eingehalten werden<br />
Alter bei Sozialauswahl nicht überproportional werten<br />
Verstoß gegen <strong>AGG</strong> muss innerhalb der Präklusionsfrist<br />
von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung geltend gemacht<br />
werden (§§ 4, 7 KSchG)<br />
II.<br />
Befristung<br />
Befristung ist unwirksam, wenn diese nur aufgrund eines<br />
Benachteiligungsgrundes (z.B. ausländische Herkunft,<br />
obwohl unbefristete Arbeitsberechtigung) vereinbart wird.<br />
Nichtverlängerung einer Befristung evtl. Verstoß gegen<br />
<strong>AGG</strong>, wenn Nichtverlängerung aufgrund eines Benachteiligungsgrundes<br />
(zwischenzeitlich eingetretene Schwangerschaft).<br />
Rechtsfolge: Kein Anspruch auf Vertragsverlängerung,<br />
sondern Schadensersatz/Entschädigung.<br />
Die vorstehenden Einschätzungen und Handlungsempfehlungen zum Allgemeinen<br />
Gleichbehandlungsgesetz wurden nach bestem Wissen und nach gründlicher Auswertung<br />
der Rechtsprechung verfasst. Wie sich die Rechtsprechung in den einzelnen<br />
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vorstehenden Fragen entwickeln wird, muss abgewartet werden. Einige Antworten<br />
und Hinweise beruhen auf persönlichen Einschätzungen des Verfassers. Eine Haftung<br />
für den Inhalt kann deshalb nicht übernommen werden<br />
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