er75-049 Mackintosh.indd
er75-049 Mackintosh.indd
er75-049 Mackintosh.indd
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Schreiner<br />
Design<br />
Nr. 8 24. Februar 2005 17<br />
Charles Rennie <strong>Mackintosh</strong><br />
Alle Sinne<br />
ansprechen<br />
Charles Rennie <strong>Mackintosh</strong>s Gesamtwerk wird heute weltweit<br />
gefeiert. Seine Heimatstadt Glasgow ist reich mit Architektur,<br />
Möbeln und bildender Kunst bestückt. Die Glasgow School<br />
of Art ist das gestalterische Zentrum Schottlands.<br />
Die grösste Stadt Schottlands ist für<br />
Schreiner besonders interessant. Denn<br />
Glasgow ist die Heimatstadt von<br />
Charles Rennie <strong>Mackintosh</strong> (1868–<br />
1928). Dort findet der Besucher leicht<br />
eine ganze Reihe von Arbeiten des<br />
Architekten und Designers. Abseits der<br />
grossen Zentren des Jugendstils auf<br />
dem Kontinent schuf <strong>Mackintosh</strong> eine<br />
eigene, schottische Variante voller<br />
Innovationskraft und Selbstbewusstsein.<br />
Der Nährboden, aus dem das Werk<br />
von <strong>Mackintosh</strong> erwachsen konnte, ist<br />
geprägt von dem Bekenntnis zu seiner<br />
kulturellen Identität und dem Einfluss<br />
der japanischen Kunst. Diese kam in der<br />
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in<br />
das graue, schmucklose und industrialisierte<br />
Glasgow. Die Sehnsucht nach<br />
Ästhetik der Fabrikbesitzer trug so<br />
dazu bei, den eigenen Weg schottischen<br />
Designs zu ebnen. <strong>Mackintosh</strong> war ein<br />
Teamplayer und arbeitete mit seiner<br />
Frau, ihrer Schwester und deren Ehemann<br />
zusammen. Gemeinsam auch<br />
«The Four» genannt, sollten sie den<br />
«Glasgow Style» kreieren, der auch<br />
heute, mehr als hundert Jahre später,<br />
immer noch fasziniert. Das Vierergespann<br />
hatte an der Glasgow School<br />
of Art (GSA) studiert, deren Neubau<br />
<strong>Mackintosh</strong> später als Architekt<br />
planen sollte. Die Schule mit ihrem<br />
Interieur gilt als Meisterwerk und ist<br />
der Öffentlichkeit genauso zugänglich<br />
wie viele andere Gebäude in Glasgow<br />
und der näheren Umgebung. Längst hat<br />
Das <strong>Mackintosh</strong>-Zimmer in der Glasgow School of Art.<br />
The Glasgow School of Art<br />
Die Kunsthochschule existiert bereits<br />
seit 1845. Neben Fächern wie<br />
Produktedesign, Modedesign, Keramik-<br />
oder Schmuckdesign kann man<br />
in Glasgow auch Interieurdesign und<br />
Architektur studieren. Heute lernen<br />
Menschen aus fast 70 Nationen in<br />
Glasgow. Bewerber aus dem Ausland<br />
müssen eine Mappe mit Arbeiten für<br />
eine erfolgreiche Einschreibung zusammenstellen.<br />
Für das Studium an<br />
der School of Art fallen Kosten zwischen<br />
£ 525 und 1150 pro Jahr an.<br />
Hinzu kommen jährlich zirka £ 200<br />
Materialkosten (gilt für den Studiengang<br />
Interieurdesign).<br />
Weitere Informationen unter<br />
www.gsa.ac.uk<br />
sich die Kunsthochschule zu einer<br />
festen Grösse für Studierende aus aller<br />
Welt entwickelt, und Glasgow besinnt<br />
sich mehr und mehr auf seinen Sohn,<br />
der ausserhalb Schottlands zu Lebzeiten<br />
Die Schrift von «The Four» wurde<br />
weltberühmt.<br />
Die Nordwestfassade der Glasgow<br />
School of Art.<br />
Der berühmte Bibliotheksraum der<br />
Glasgow School of Art.
Schreiner<br />
18<br />
Design<br />
Nr. 8 24. Februar 2005<br />
stets mehr Ruhm erntete, als in seiner<br />
Heimat.<br />
Als Architekt wandte sich <strong>Mackintosh</strong><br />
dem Primat der Funktion zu.<br />
Gerade die Glasgow School of Art gilt<br />
als Manifest der Schlichtheit und wurde<br />
zum Leitbild nachfolgender Architektengenerationen.<br />
Das spärliche Schmuckwerk<br />
beseelt den Bau und dynamisiert<br />
die einfache Form in schwieriger Baulage,<br />
ohne als blosser Dekor zu wirken.<br />
Dieser Einfachheit in der äusseren Form<br />
fügte er ein reiches Innenleben hinzu.<br />
Das Möbel war stets ein Kunstobjekt<br />
und das Interieur eines Raumes eine<br />
Komposition hin zum Gesamtkunstwerk.<br />
Dem <strong>Mackintosh</strong>-Kreis gelang<br />
die Schaffung einer Raumpoesie, die<br />
schliesslich für den Glasgow Style prägend<br />
wurde. Innen wurden die strengen<br />
Gebrauchsformen von einer sinnlichkörperlichen<br />
und mystischen Linienrhythmik<br />
durchbrochen.<br />
<strong>Mackintosh</strong> war eher Architekt und<br />
seine Frau Künstlerin. Typische Merkmale,<br />
wie die oft extrem hochgezogene<br />
Lehne der Stühle, die Ehrung des Quadrats<br />
und der Würfelform, die organischen<br />
und mystischen Liniengeflechte<br />
sind Konstanten der Entwürfe. Einzelmöbel<br />
müssen im Kontext ihrer gestalterischen<br />
Funktion im Gesamtbild gesehen<br />
werden. Sein Ziel: die Arrangements<br />
sollten alle Sinne des Betrachters<br />
ansprechen. <strong>Mackintosh</strong>s feinste Räume<br />
erreichten ein Niveau, das Zeitgenossen<br />
deshalb auch als wirklichkeitsfern kritisierten,<br />
stand es doch im krassen Widerspruch<br />
mit dem Alltagserleben der<br />
meisten Menschen.<br />
Heute ist Glasgow stolz auf seine<br />
Gruppe der «Four» und vermarktet<br />
<strong>Mackintosh</strong>s Erbe. Beim Rundgang<br />
durch die Stadt kann der Besucher so<br />
zahlreiche Glanzpunkte seines Schaffens<br />
besichtigen. In der Queen’s Cross<br />
Church ist auch die Charles Rennie<br />
<strong>Mackintosh</strong> Society untergebracht, die<br />
ausführliche Informationen zu Künstler<br />
und Werk bietet. Ganz praktisch und<br />
wirklichkeitsnah kann man <strong>Mackintosh</strong><br />
in dem gleichnamigen Haus erfahren,<br />
das in der Hunterian Art Gallery der<br />
Universität eingefügt ist. Die Reise nach<br />
Glasgow ist eine gute Gelegenheit, Urlaub<br />
als Gesamtobjekt zu begreifen, bei<br />
der Bildung und Sinnlichkeit, Nutzen<br />
und Erholung miteinander verschmelzen<br />
– ganz im Sinne von <strong>Mackintosh</strong>.<br />
Christian Härtel, Werkstatt innovativ<br />
nachhaltiger Konzepte<br />
<strong>Mackintosh</strong> in Glasgow – Tips für den<br />
Besuch<br />
Glasgow School Of Art<br />
167 Renfrew Street, Führungen um 11.00 und 14.00 Uhr von Montag bis Freitag,<br />
samstags ab 11.30 Uhr, im Juli und August auch öfter. www.gsa.ac.uk<br />
Frühere Schule von <strong>Mackintosh</strong> und der Gruppe «The Four». Später bedeutender<br />
Neubau von C. R. <strong>Mackintosh</strong>.<br />
Queen’s Cross Church<br />
870 Garscube Road, geöffnet von 10.00 bis 17.00 Uhr, Montag bis Freitag,<br />
sonntags von 14.00 bis 17.00 Uhr. www.crmsociety.com<br />
Im Internet ist ein virtueller Rundgang durch die Kirche möglich. Sitz der<br />
CRM-Society, die eine Reihe von Informationen und Veranstaltungen zum<br />
Leben und Schaffen von <strong>Mackintosh</strong> anbietet.<br />
<strong>Mackintosh</strong> House<br />
82 Hillhead Street, geöffnet Montag bis Samstag von 9.30 bis 17.00 Uhr.<br />
www.gla.ac.uk/museum<br />
Untergebracht auf dem Gelände der Universität und an das Hunterian<br />
Museum baulich angegliedert sind hier Räume von <strong>Mackintosh</strong> zu besichtigen.<br />
Willow Tearooms<br />
217 Sauchiehall Street. Montag bis Samstag von 9.00 bis 16.30 Uhr.<br />
www.willowtearooms.co.uk<br />
Eine Rekonstruktion eines im Jahre 1928 geschlossenen Tea-Rooms. Die<br />
Tea-Rooms wurden als gepflegte Gegenbewegung zum alkoholisierten Proletariat<br />
der Industrialisierung eingerichtet.<br />
Scotland Street School Museum<br />
225 Scotland Street, geöffnet von 10.00 bis17.00 Uhr von Montag bis Donnerstag<br />
und Samstag. Freitag und Sonntag von 11.00 bis 17.00 Uhr.<br />
www.glasgowmuseums.com<br />
Etwas schwer zu finden zeigt sich der massive Bau mit den typischen schlichten<br />
Merkmalen beeindruckend und unverkennbar.<br />
The Lighthouse<br />
11 Mitchell Lane, Montag, Mittwoch bis Samstag von 10.30 Uhr bis 17.00 Uhr.<br />
Dienstag von 11.00 bis 17.00 Uhr und Sonntag von 12.00 bis 17.00 Uhr geöffnet.<br />
www.thelighthouse.co.uk<br />
Die Ausstellung über <strong>Mackintosh</strong> bietet zahlreiche Möbel, Gebrauchsgegenstände,<br />
Grafiken und Architekturmodelle des Künstlers. Ausserdem: der<br />
<strong>Mackintosh</strong>-Tower.<br />
House for an Art Lover<br />
Bellahouston Park, 10 Drumbreck Road. April bis September von Montag bis<br />
Mittwoch zwischen 10.00 und 16.00 Uhr, Donnerstag bis Sonntag von 10.00 bis<br />
13.00 Uhr geöffnet. www.houseforanartlover.co.uk<br />
Im Internet sind die Räume zu besichtigen. Diese Arbeit kam dem ganzheitlichen<br />
Anspruch von <strong>Mackintosh</strong> sehr entgegen. Besonders deutlich wird dies<br />
im Musikzimmer.<br />
Hill House<br />
Helensburgh, 23 Meilen nordwestlich von Glasgow gelegen. Upper Colquhoun<br />
Street. Täglich geöffnet von 13.30 bis 17.30 Uhr. Weitere Infos über die Seite<br />
der Society www.crmsociety.com<br />
Das Hill House gilt als Meisterwerk des Architekten. Die Originalmöbel und<br />
Einrichtung sind entweder erhalten oder wurden nachgebaut.