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Wie die Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Reken ...

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<strong>Wie</strong> <strong>die</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong><br />

<strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong><br />

<strong>nach</strong> <strong>Reken</strong> kamen und<br />

hier heimisch wurden<br />

Mariam Egazi · Jessica Hemmer · Lisa Hüppe · Georg Meirick · Gerda-Marie Möller · Susanne Struwe


Vorwort mit Ergänzung<br />

Wir sind Schülerinnen und besuchen <strong>die</strong> Klasse<br />

10B an der Overbergschule in <strong>Reken</strong>. Zu Beginn<br />

<strong>die</strong>ses Schuljahres fragte unser Schulleiter, Herr<br />

Capitain, in unserer Klasse, wer ehrenamtlich im<br />

Heimatarchiv des Heimatvereins <strong>Reken</strong> mitarbeiten<br />

wolle. Wir meldeten uns dafür.<br />

Unsere Arbeit bestand zunächst darin, Totenzettel<br />

einzuscannen und zu archivieren. Daraufhin sprach<br />

uns Herr Tenbohlen, der Leiter des Archivs, an,<br />

ob wir ein Projekt „Ausländer in <strong>Reken</strong>“ erarbeiten<br />

wollten. Herr Tenbohlen hatte Herrn Meirick,<br />

unseren <strong>ehemaligen</strong> Schulleiter, und Frau Möller,<br />

unsere ehemalige Lehrerin, gebeten uns zu unterstützen,<br />

was <strong>die</strong>se auch zusagten.<br />

Beim ersten Treffen einigten wir uns darauf, das<br />

Projekt auf ,,Zuwanderer <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong><br />

<strong>Jugoslawien</strong> <strong>nach</strong> <strong>Reken</strong>“ einzugrenzen. Dieses<br />

Projekt sagte uns viel mehr zu, denn hier in <strong>Reken</strong><br />

wohnen viele Bürger/innen <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong><br />

<strong>Jugoslawien</strong>, mit denen wir uns gut verstehen. Also<br />

fingen wir mit der Arbeit an.<br />

Als erstes stellten wir einen Arbeitsplan auf. Daraufhin<br />

sprachen wir zugewanderte Bürger, <strong>die</strong><br />

damals (vor ca. 40 Jahren) hierher kamen und<br />

deutsche Mitbürger, <strong>die</strong> mit ihnen Kontakt haben<br />

und hatten, an, um mit ihnen Interviews zu führen.<br />

Außer<strong>dem</strong> suchten wir Informationen <strong>aus</strong> <strong>dem</strong><br />

Truhenspiegel (Werkszeitung bei Langnese Iglo)<br />

und alten Ausgaben der Borkener Zeitung her<strong>aus</strong>.<br />

Die Interviews fassten wir zu Texten zusammen.<br />

Am Ende teilten wir das gesamte Thema in verschiedene<br />

Unterthemen auf und bearbeiteten sie<br />

einzeln und in Partnerarbeit. Dabei entwickelte<br />

sich dann auch der endgültige Titel des Projektes.<br />

Wir sehen das gesamte Projekt als Gemeinschaftsarbeit<br />

an.<br />

<strong>Reken</strong> im Frühjahr 2008<br />

Mariam Egazi, Jessica Hemmer,<br />

Lisa Hüppe, Susanne Struwe<br />

2


Ergänzung<br />

Nach der Fertigstellung der Arbeit durch <strong>die</strong> vier<br />

hier aufgeführten Schülerinnen wurde <strong>die</strong>se von<br />

der Gesellschaft für historische Landeskunde des<br />

westlichen Münsterlandes im Dezember 2008 mit<br />

einem Sonderpreis <strong>aus</strong>gezeichnet. Wir erhielten<br />

allerdings auch Rückmeldungen darüber, dass einige<br />

Aspekte zu kurz gekommen seien bzw. noch<br />

geklärt werden müssten. Daraufhin interviewten<br />

wir weitere Personen und konnten einige Gesichtspunkte,<br />

wie beispielsweise <strong>die</strong> Hilfsmaßnahmen<br />

während des <strong>Jugoslawien</strong>krieges oder auch<br />

das Vereinsleben des Klubs Sloga, heute Kroatia,<br />

vertiefen, aber auch weitergehende Erkenntnisse<br />

hinsichtlich der Integration der <strong>aus</strong> <strong>Jugoslawien</strong><br />

zugewanderten <strong>Menschen</strong> in <strong>Reken</strong> gewinnen.<br />

Bei zwei zusätzlichen Interviews erfuhren wir,<br />

dass bereits 1968 das <strong>Reken</strong>er Tiefbauunternehmen<br />

Mönke<strong>die</strong>k verheiratete und unverheiratete<br />

Männer <strong>aus</strong> Bosnien angeworben und eingestellt<br />

hat, <strong>die</strong> anfangs im Privath<strong>aus</strong> des Firmen in habers<br />

wohnten. Wir haben es <strong>aus</strong> zeitlichen Gründen<br />

unterlassen, hier weiter zu forschen, würden uns<br />

aber über weitere Informationen sehr freuen.<br />

<strong>Reken</strong> im März 2009<br />

Gerda-Marie Möller, Georg Meirick<br />

Briefkopf des digitalen Heimatarchivs<br />

3


Inhalt<br />

Seite<br />

Vorwort mit Ergänzung 2<br />

Einleitung: 5<br />

Findus-Jopa expan<strong>die</strong>rt in <strong>Reken</strong> zum kombinierten Tiefkühl- und Eiskremwerk 6<br />

Die Entstehung und Erweiterung des Findus-Werkes in Bahnhof <strong>Reken</strong> 6<br />

Gründe für <strong>die</strong> Standortwahl 7<br />

Gastarbeiter werden gebraucht 8<br />

Mangel an Arbeitskräften 8<br />

Werbemaßnahmen zur Gewinnung von Arbeitskräften 9<br />

Gründe der jungen jugoslawischen <strong>Menschen</strong>, ihre Heimat zu verlassen 11<br />

Gastarbeiter wurden gesucht – <strong>Menschen</strong> sind gekommen 12<br />

Unterbringung der neuen Mitarbeiter in und um <strong>Reken</strong> 12<br />

Verhältnisse untereinander, am Arbeitsplatz und in der Freizeit 12<br />

Einrichten in der neuen Heimat 14<br />

Dauerhaftes Bleiben, Eingliederung bzw. Einbürgerung in allen Ortsteilen <strong>Reken</strong>s 14<br />

Muttersprachlicher Unterricht für Kinder der zugewanderten <strong>Menschen</strong> 16<br />

Kulturverein „Sloga“, heute „Kroatia“ 18<br />

Der <strong>Jugoslawien</strong>krieg und seine Auswirkungen – Hilfe für <strong>die</strong> Not<br />

leidende Bevölkerung 21<br />

Schulpartnerschaft zwischen der Overbergschule in <strong>Reken</strong> und<br />

der Ivo-Lola-Ribar-Schule (jetzt Kaštanjer) in Pula 23<br />

Resümee mit Ergänzung 26<br />

Quellenverzeichnis 28<br />

Berichte zu den Interviews mit Zeitzeugen 29 - 50<br />

4


Einleitung<br />

Die Ausländerstatistik der Gemeinde <strong>Reken</strong> weist<br />

in den Jahren 1968-1974 eine erstaunliche Entwick<br />

lung auf: Wohnten 1968 noch insgesamt<br />

49 Ausländer im Gebiet der Gemeinde <strong>Reken</strong>, so<br />

waren es Ende 1969 bereits 131 Personen. Von<br />

<strong>die</strong>sen 131 Personen waren 91 Frauen. 1970 wuchs<br />

<strong>die</strong> Zahl der Ausländer auf 179 (davon 120 Frauen)<br />

und stieg bis Ende 1974 auf 450 Personen an<br />

(davon 257 Frauen).<br />

Eine Aufschlüsselung <strong>nach</strong> Nationalitäten liefert<br />

uns <strong>die</strong> Gemeindestatistik leider nicht, doch dürfen<br />

wir annehmen, dass der Löwenanteil <strong>die</strong>ser<br />

Ausländer <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong> kam.<br />

Dies ha ben wir nämlich bei unseren Untersuchungen<br />

zu unserer Arbeit „Migration und Integration<br />

von Gastar beitern <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong>“<br />

festgestellt.<br />

<strong>Wie</strong> es zu <strong>die</strong>ser Zuwanderung kam, welche Verhältnisse<br />

<strong>die</strong> zugewanderten <strong>Menschen</strong> hier bei<br />

uns vorfanden und wie sie sich in <strong>die</strong> Gesellschaft<br />

<strong>Reken</strong>s eingliederten, ist Gegenstand <strong>die</strong>ser<br />

Untersu chung.<br />

Ausländerstatistik <strong>Reken</strong> 1<br />

Stand: Jahr männlich weiblich Gesamt<br />

31.12. 1967 28 25 53<br />

31.12. 1968 24 25 49<br />

31.12. 1969 40 91 131<br />

31.12. 1970 59 120 179<br />

31.12. 1971 100 163 263<br />

31.12. 1972 150 207 357<br />

31.12. 1973 193 240 433<br />

31.12. 1974 193 257 450<br />

31.12. 1975 178 238 416<br />

31.12. 1980 215 216 431<br />

1 Statistik lt. Aufstellung der Gemeindeverwaltung <strong>Reken</strong><br />

5


Langnese-Iglo (ehemals Findus-Jopa) mit Eiskremwerk<br />

Findus-Jopa expan<strong>die</strong>rt in <strong>Reken</strong> zum<br />

kombinierten Tiefkühl- und Eiskremwerk<br />

Die Entstehung und Erweiterung des<br />

Findus-Werkes in Bahnhof <strong>Reken</strong><br />

Im Jahr 1963 wurde in Bahnhof <strong>Reken</strong> das Werk<br />

Findus-Jopa zur Herstellung von Tiefkühlgemüse<br />

gegründet. Zu <strong>die</strong>ser Zeit war Tiefkühlkost wenig<br />

bekannt, Familien gaben im Schnitt monatlich<br />

0,70 DM dafür <strong>aus</strong>, während der Familien-Bierkonsum<br />

20 DM 2 verschlang. Verarbeitet wurden<br />

Spinat, Grün kohl, Möhren, Porree, Petersilie,<br />

Rot kohl und Dill. Für <strong>die</strong> Gemüseproduktion<br />

schloss das Werk Findus-Jopa mit den umliegenden<br />

Bauern langfristige Lieferverträge ab, was zu<br />

Umbrüchen in der Landwirtschaft führte. Durch<br />

<strong>die</strong> Anbauverträge entfernten sich <strong>die</strong> Bauern von<br />

der Veredlung und der Viehwirtschaft und wandten<br />

sich <strong>dem</strong> intensiven Ackerbau zu, für den sie<br />

wesentlich weniger Ar beitskräfte benötigten. 3<br />

1965 kamen <strong>die</strong> Fisch- und 1966 <strong>die</strong> Fertiggerichtproduktion<br />

hinzu. 4<br />

1969 begann man mit der Errichtung des Eiskremwerks,<br />

das am 29. September 1970 <strong>die</strong> Produktion<br />

6


aufnahm. Es be stand <strong>aus</strong> einer Produk tionshalle,<br />

einer Mixabteilung, einer Kälteanlage und ei nem<br />

Packmateri alla ger. Zunächst sollten jährlich 20<br />

Millio nen Liter Eis krem pro duziert werden, eine<br />

Erhö hung der Pro duktion war jeder zeit möglich. 5<br />

Mit der In betriebnahme sollten zusätz lich 150<br />

Arbeitsplätze geschaffen werden. 6 Gleich zeitig<br />

übernahm Unilever das Werk in <strong>Reken</strong>, das jetzt<br />

Langnese-Iglo hieß. Mit der Eröffnung des Eiskremwerkes<br />

wurde <strong>die</strong> tiefgekühlte Pa lette erheblich<br />

erwei tert. Ein vielseiti ges Werk mit einem<br />

umfangreichen, fast perfek ten Tiefkühl-Programm<br />

entstand. 7<br />

1972 gab es im Werk eine Jahresproduktion von<br />

50.000 Tonnen Tiefkühlkost, darunter internationale<br />

Spezialitäten. Zu <strong>die</strong>ser Zeit war <strong>die</strong> Anzahl<br />

der Beschäftigten – in den Gründerjahren waren es<br />

300 Personen, <strong>die</strong> Pio niere genannt wurden – auf<br />

1.200 angewachsen. 8<br />

Gründe für <strong>die</strong> Standortwahl<br />

Anlässlich des 10-jährigen Bestehens der Firma<br />

wurde der damalige Werksdirektor Karl-Heinz<br />

Braun von <strong>dem</strong> Redakteur des Truhenspiegels,<br />

Benno Hölzen, gefragt, <strong>nach</strong> welchen Gesichtspunkten<br />

<strong>die</strong> Firma den Standort <strong>Reken</strong> gewählt<br />

hätte. Ers tens war <strong>die</strong> Nähe zum Ruhrgebiet wichtig,<br />

<strong>dem</strong> Haupt absatzgebiet in der Bundesre publik,<br />

zweitens gab es für ihre Zwecke genügend gute<br />

landwirtschaftli che Nutzflä che und drittens genügend<br />

Arbeitskräfte. Der Punkt 1 war 1973 nicht<br />

mehr wichtig, da es zur Versorgung der Bevölkerung<br />

bereits vier Werke in Deutschland gab, der<br />

Punkt 2 wurde dank der guten Zusammenarbeit<br />

mit <strong>dem</strong> Werk und den Landwirten erfüllt. Der<br />

Punkt 3 entwickelte sich zu ei nem großen Problem.<br />

9 Deshalb wurden Ende der sechziger Jahre<br />

Arbeiter/innen <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> damaligen <strong>Jugoslawien</strong><br />

angeworben.<br />

2 Vgl. Borkener Zeitung, 11.11.69 „Tiefkühlverband garantiert höhere Produktionsziffern für <strong>die</strong> Zukunft“<br />

3 Vgl. Truhenspiegel, 4/73, S. 12 „Gespräch am runden Tisch“<br />

4 Vgl. ebenda, S. 10<br />

5 Vgl. Truhenspiegel, 5/70 „ Das neue Werk im Werk, Eiskrem <strong>aus</strong> <strong>Reken</strong>“<br />

6 Vgl. Borkener Zeitung, 11.11.69 „Tiefkühlverband garantiert höhere Produktionsziffern für <strong>die</strong> Zukunft“<br />

7 Vgl. Truhenspiegel 5/70<br />

8 Vgl. Truhenspiegel, 4/73, S. 10 „10 Jahre Pionierleistung“<br />

9 Vgl. Truhenspiegel, 4/73, S.12-15 „Gespräch am runden Tisch“<br />

7


Gastarbeiter werden gebraucht<br />

Mangel an Arbeitskräften<br />

Am 16. Juli 1969 benennt <strong>die</strong> Borkener Zeitung das<br />

Problem in der Region mit der Schlagzeile: „Arbeitsmarkt<br />

weiterhin leergefegt, starke Nachfrage<br />

bei Gastarbeitern.“ Die Si tuation auf <strong>dem</strong> hiesigen<br />

Ar beitsmarkt war äußerst gespannt. Das Verhält nis<br />

zwischen offenen Stellen und <strong>dem</strong> Ange bot der zur<br />

Verfügung stehenden Arbeits kräfte blieb weiterhin<br />

ungüns tig, <strong>die</strong> Nachfrage <strong>nach</strong> <strong>aus</strong>ländischen Arbeitskräften<br />

wurde lauter und dringender. Entsprechend<br />

nahm <strong>die</strong> Ausländerbeschäftigung immer<br />

weiter zu. Im Bezirk Borken lag <strong>die</strong> Zahl der beschäftigten<br />

Ausländer im Juni 1969 bereits bei 40%<br />

über <strong>dem</strong> niedrigsten Stand von Januar 1968. 10<br />

Auch im Sep tember 1969 berich tet <strong>die</strong> Borkener<br />

Zei tung, der Kräftebedarfsdruck habe nicht <strong>nach</strong>gelassen.<br />

Während im Kreis Borken 1968 477 offene<br />

Stellen gemeldet wurden, waren es 1969 749<br />

Stellen. 11<br />

Am 8.10.1969 berichtet <strong>die</strong> Borkener Zeitung von<br />

einem „Gastarbei ter-Rekord: mehr als 1,5 Millionen“.<br />

<strong>Wie</strong> der Leiter der Bundesanstalt für Arbeit,<br />

Stingl, mitteilte, ließ der Arbeitskräftemangel in der<br />

Bundesrepublik <strong>die</strong> Betriebe weiterhin auf Ausländer<br />

zurückgreifen. 349 000 kamen <strong>aus</strong> Italien,<br />

264 800 <strong>aus</strong> <strong>Jugoslawien</strong>, 244 000 <strong>aus</strong> der Türkei,<br />

191 200 <strong>aus</strong> Griechenland, 142 800 <strong>aus</strong> Spanien<br />

und 29 500 <strong>aus</strong> Portugal 12 .<br />

Im Juni 1969 wandte sich eine Stellen<strong>aus</strong>schreibung<br />

der Firma Findus-Jopa an Männer, Frauen<br />

und Mädchen in Lette, Dülmen, Merfeld, Velen<br />

und Hochmoor. Sie bot Busverbindungen zum<br />

Werk an. Ebenfalls geboten wurden „Stun denlohn,<br />

5-Tage-Woche, wöchentlich wechselnde Früh- und<br />

Spätschichten, warmes Essen, kostenlose weiße<br />

Arbeitskleidung, <strong>die</strong> wir auch reinigen, freie<br />

Benutzung der Werksbusse, vorzügliche Sozialleistungen,<br />

zusätzli che Alters versorgung, Invalidenversicherung<br />

und Lebensversicherung in der<br />

Nestlé-Pensionskasse.“ 13 Am 20.9.1969 schrieb das<br />

Findus-Jopa Werk Stellen für Lohnbuchhalter, Maschinenbuchhalterin,<br />

Fachmann für Arbeits- und<br />

Zeitstu<strong>die</strong>n und Stenotypistin <strong>aus</strong>, da das Werk<br />

Schlagzeile in der Borkener Zeitung am 16. Juli 1969<br />

Im Kreis Borken gab es damals eine Arbeitslosenquote von 0,8 %<br />

10 Vgl. Borkener Zeitung, 16.07.1969 „ Arbeitsmarkt weiterhin leergefegt, starke Nachfrage bei Gastarbeitern“<br />

11 Vgl. Borkener Zeitung, 9.09.1969 „Anhaltend angespannte Arbeitsmarktlage<br />

12 Vgl. Borkener Zeitung 8.10.1969 „Gastarbeiter-Rekord: Mehr als 1,5 Millionen“<br />

13 Borkener Zeitung, Juni 1969,,Stellenanzeige Findus-Jopa, Werk Groß <strong>Reken</strong>“<br />

8


Panoramabild vom heutigen Drniš<br />

zu einem der größten und modernsten Lebensmittelwerke<br />

heran wuchs. Geworben wurde mit<br />

einem festen Arbeitsplatz für das ganze Jahr, mit<br />

Si cherheit für sich und <strong>die</strong> Familie und Sozialeinrichtungen,<br />

wie warmes Essen. 14 Am 4.10.1969 erschien<br />

eine ähnliche Anzeige, zusätzlich wurde ein<br />

Wächter gesucht. 15<br />

Am 10.10.1969 wirbt <strong>die</strong> Firma um Männer und<br />

Frauen mit durch bessere Maschinen automatisierten<br />

Arbeitsplätzen, neuen Löhnen und zusätzlichen<br />

sozialen Leistun gen. 16 Personalsachbearbeiter/in,<br />

Lohn buchhalter/in, junge Sachbearbeiter/<br />

in, Schreib kräfte, Telefonistin und Fernschreiberin<br />

werden in einer Annonce vom 12.12.1969 gesucht.<br />

17<br />

Werbemaßnahmen zur Gewinnung<br />

von Arbeitskräften<br />

Ab 1969 suchte <strong>die</strong> Firma Findus-Jopa GmbH<br />

(seit 1970 Unilever, Langnese-Iglo) auch <strong>aus</strong>ländische<br />

Arbeitskräfte für ihre erweiterten Produktionsanlagen<br />

im Werk <strong>Reken</strong>. Durch persönliche<br />

Gespräche der Eheleute Ankica (Anita) und Boris<br />

Karl mit Interessentinnen <strong>aus</strong> Donja Stubica (in<br />

der Nähe von Zagreb) kamen am 29. September<br />

1969 <strong>die</strong> ersten 15 jungen Frauen <strong>nach</strong> <strong>Reken</strong>; am<br />

14.10.1969 reisten weitere fünf Mädchen an. Sie<br />

alle wurden im Frauenwohnheim in Hülsten untergebracht.<br />

Das H<strong>aus</strong> <strong>die</strong>nte früher als Schule und<br />

wurde dann zum Wohnheim umgebaut. 18<br />

Drniš ist eine kroatische Stadt mit über 8.000 Einwohnern.<br />

Sie liegt im dalmatinischen Hinterland<br />

auf der Strecke zwischen Šibenik und Knin und<br />

besteht <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Zentrum (3.175 Einwohner) und<br />

zahlreichen Dörfern. 19<br />

Da Anita Karl <strong>aus</strong> Drniš stammte, wurden <strong>nach</strong> der<br />

ersten Anwerbeaktion nur noch Mitarbeiterinnen<br />

<strong>aus</strong> der Gegend um Šibenik und Drniš zum Werk<br />

in <strong>Reken</strong> vermittelt. Allerdings wurden <strong>die</strong> ersten<br />

20 Männer noch 1971 persönlich vom damaligen<br />

14 Vgl. Borkener Zeitung, 20.9.69 ,,Stellenanzeige Findus-Jopa GmbH, Werk Groß <strong>Reken</strong>.<br />

15 Vgl. Borkener Zeitung, 4.10.69 ,,Stellenanzeige Findus-Jopa GmbH, Werk Groß <strong>Reken</strong>.“<br />

16 Vgl. Borkener Zeitung, 10.10.69 ,,Stellenanzeige Findus-Jopa GmbH, Werk Groß <strong>Reken</strong>.“<br />

17 Vgl. Borkener Zeitung, 12.12.69 ,,Stellenanzeige Findus-Jopa GmbH, Werk Groß <strong>Reken</strong>.“<br />

18 Vgl. Bericht zum Interview mit Boris Karl<br />

19 Information von der Internetseite Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Drnis<br />

9


Perso nalleiter im Werk <strong>Reken</strong>, Joachim Giese,<br />

und Boris Karl in Donja Stubica für das Werk in<br />

<strong>Reken</strong> angeworben. Anita Karl war Heimleiterin<br />

in Hülsten geworden und reiste mit Herrn Giese<br />

Anfang der 70-er Jahre mehr fach <strong>nach</strong> Drniš, um<br />

weitere Mädchen im Alter von 18-20 Jahren anzuwerben.<br />

Bei ihrem ersten Besuch wurden sie von<br />

Anita Karls Eltern sehr herz lich aufgenommen und<br />

mit Schinken, Brot und an deren Köstlichkeiten der<br />

Region bewirtet. 20<br />

Die Mädchen wurden schon vor Ort ärztlich<br />

untersucht und sollten ein Jahr in Deutschland<br />

arbeiten. Sie ka men mit Bussen und Zügen. Ca.<br />

136 Mädchen zogen ins Wohnheim Hülsten ein.<br />

Im Kolping h<strong>aus</strong> Coesfeld waren ca. 50 Männer<br />

<strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong> untergebracht.<br />

Insge samt wurden 280 Männer und Frauen zur<br />

Arbeit <strong>nach</strong> Findus-Jopa ge holt. Beim Eintreffen<br />

in <strong>Reken</strong> mussten sie ihren Familienstand und ihre<br />

Religionszugehörig keit angeben. Da <strong>die</strong> Daten<br />

nicht überprüft werden konnten, wurden sie in<br />

<strong>die</strong> Lohnsteuer karten übernommen. Ihre Aufenthaltskarten<br />

mit Namen, Alter und Arbeitserlaubnis<br />

waren ein Jahr gültig, konnten dann aber auf 5 Jahre<br />

verlängert werden, da<strong>nach</strong> wurden <strong>die</strong> Gastarbeiter/innen<br />

unbefristet eingestellt. Es gab keine<br />

Probleme mit den Arbeitsbehörden. Die meisten<br />

Anita Karl<br />

Jugoslawen arbeiteten in der Produktion, manche<br />

wurden auch befördert. Die Männer übernahmen<br />

<strong>die</strong> Nachtschichten und <strong>die</strong> Frauen ar beiteten tagsüber.<br />

21<br />

Natürlich gab es anfangs auch Schwierigkeiten<br />

mit den Mädchen. Sie waren sehr schüchtern<br />

und mussten sich an <strong>die</strong> Mahlzeiten in <strong>Reken</strong> gewöhnen.<br />

So waren sie z. B. von H<strong>aus</strong>e <strong>aus</strong> daran<br />

gewöhnt, zum Essen Brot und Wasser gereicht zu<br />

bekommen und vermissten <strong>die</strong>se Zugaben in der<br />

Werkskantine. Allerdings kam ihnen hier <strong>die</strong> Firma<br />

entgegen. 22<br />

20 Vgl. Bericht zum Telefonat mit Joachim Giese, ehem. Leiter der Personalabteilung bei Langnese-Iglo<br />

in <strong>Reken</strong><br />

21 Vgl. Bericht zum Interview mit Boris Karl<br />

22 Vgl. Bericht zum Telefonat mit Karl-Heinz Braun, Werksdirektor von Findus-Jopa (später Langnese-Iglo)<br />

10


Den weit von ihrer Heimat lebenden Mädchen<br />

versuchte man das Leben angenehm zu gestalten,<br />

in <strong>dem</strong> z. B. Ausflüge gemacht wurden. Besonders<br />

Frau Karl kümmerte sich sehr gut um <strong>die</strong> Mädchen.<br />

Einige Mädchen heirateten deutsche Männer und<br />

blieben dann in <strong>Reken</strong>. Die meisten verheirateten<br />

sich natürlich mit ihren Landsleuten, <strong>die</strong> oft <strong>aus</strong><br />

ihrer näheren Heimat in Dalmatien stammten und<br />

z. B. in den Bergwerken des nahen Ruhrgebietes<br />

arbeiteten. Auch <strong>die</strong>se jungen Familien ließen sich<br />

zum großen Teil in <strong>Reken</strong> nieder. 23<br />

Gründe der jungen jugoslawischen<br />

<strong>Menschen</strong>, ihre Heimat zu verlassen<br />

Ende der 60-er und Anfang der 70-er Jahre war es<br />

schwer, in <strong>Jugoslawien</strong> Arbeit zu finden. „Als wir<br />

das Angebot bekamen, bei Findus in <strong>Reken</strong> zu<br />

arbeiten, nutzten wir es“, 24 so Borka Wahlers <strong>aus</strong><br />

Drniš. Viele wollten mit <strong>dem</strong> hier ver<strong>die</strong>nten Geld<br />

ihre Familien zuh<strong>aus</strong>e unterstützen, andere verließen<br />

ihre Heimat <strong>aus</strong> Abenteuerlust. Zunächst beabsichtigten<br />

<strong>die</strong> meisten nur für zwei bis vier Jahre<br />

zu arbeiten. Als sie aber im Laufe der Zeit <strong>nach</strong> und<br />

<strong>nach</strong> heirateten und Familien gründeten, entschieden<br />

sie sich zu bleiben. Noch 1973 antwortete der<br />

damalige Bürgermeister Hermann Illerhues zum<br />

10-jährigen Bestehen des Werkes Langnese- Iglo<br />

in einem Interview der Jubiläums<strong>aus</strong>gabe der<br />

Werkszeitschrift „Truhenspiegel“ auf <strong>die</strong> Frage<br />

des Reporters, was er denn mache, wenn <strong>die</strong> Kinder<br />

der Gastarbeiter in <strong>die</strong> Schule kämen: „Soweit<br />

kommt es gar nicht. Dann gehen sie doch zurück<br />

<strong>nach</strong> <strong>Jugoslawien</strong>.“ 25 Der damalige Werksdirektor<br />

Braun ahnte bereits, dass viele der Gastarbeiter<br />

doch wohl am Ort bleiben und ihre Kinder auch<br />

hier zur Schule schicken würden. Auch ein Grund<br />

zu bleiben war, dass ihnen <strong>die</strong> Arbeit bei Findus<br />

sehr gefiel. Sie hatten dort auf Grund ihrer Qualifikationen<br />

gute Aufstiegschancen (Giese). Manche<br />

folgten auch ihren Lebenspartnern, <strong>die</strong> bereits in<br />

<strong>Reken</strong> waren. (A. Baliban)<br />

Karl-Heinz Braun,<br />

Werksdirektor<br />

23 Vgl. Bericht zum Interview mit Boris Karl<br />

24 Interview mit Borka und Heinz Wahlers<br />

25 Truhenspiegel 3/1973 (<strong>Reken</strong> hat Geburtstag), S. 15<br />

11


Gastarbeiter wurden gesucht<br />

– <strong>Menschen</strong> sind gekommen<br />

Unterbringung der neuen Mitarbeiter<br />

in und um <strong>Reken</strong><br />

Nach<strong>dem</strong> <strong>die</strong> neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

mit Bussen in <strong>Reken</strong> angekommen waren,<br />

wurden sie in Wohnheimen untergebracht.<br />

Laut Aussa gen der Werksdirektors Braun war das<br />

Wohnheim in der <strong>ehemaligen</strong> Schule in Hülsten<br />

für Frauen bereits umgebaut und eingerichtet<br />

worden. 26 Vier bis sechs Frauen wohnten zusammen<br />

in gemütlich eingerichteten Zimmern.<br />

Es gab auch einen Gemein schaftsraum für Feste,<br />

Feiern und ge meinschaftli che Unternehmungen.<br />

Außer<strong>dem</strong> errichtete <strong>die</strong> Firma auf <strong>dem</strong> Schulhof<br />

eine zusätzliche Unterkunft mit 50 Wohnplätzen<br />

für weitere Mädchen. Draußen schachteten <strong>die</strong><br />

Frauen ein Schwimm bad <strong>aus</strong>, welches Maurer einer<br />

Baufirma, <strong>die</strong> bei Findus unter Vertrag stand,<br />

betonierten. So entstand eine kleine Badeanstalt. 27<br />

Anfang der 70-er Jahre lebten weitere 40-50 jugoslawische<br />

Mädchen in Heiden in der ebenfalls zum<br />

Wohnheim umgebauten <strong>ehemaligen</strong> Landschule<br />

Leblich-West. 28<br />

Die Männer wurden getrennt von den Frauen in<br />

verschiedenen Einrichtungen untergebracht, es<br />

wa ren das Kolpingh<strong>aus</strong> in Coesfeld (ca. 50 Personen)<br />

und eine Wohnung über der Tankstelle der<br />

Firma Bruns. Auch <strong>die</strong>se Wohnung wurde von Findus<br />

her gerichtet. 29<br />

26 Vgl. Bericht zum Telefonat mit Werksdirektor Karl-Heinz<br />

Braun<br />

27 Vgl. Interview Werksdirektor Karl-Heinz Braun und Boris Karl<br />

28 Vgl. Bericht zum Interview mit Nada und Dieter Rosenkötter<br />

Gemeinschaftsraum im Wohnheim Hülsten<br />

Verhältnisse untereinander am<br />

Arbeitsplatz und in der Freizeit<br />

Frau Borka Wahlers berichtete von der tollen<br />

Gemeinschaft in <strong>dem</strong> Wohnheim und der Heimleiterin<br />

Anita Karl, <strong>die</strong> gleichzeitig auch eine gute<br />

Freundin war. Durch feste Regeln im Wohnheim<br />

eskalierte nie etwas. In <strong>die</strong>ser Zeit entstanden zahlreiche<br />

Freundschaften. 30<br />

Manche Frauen wie Ana Baliban kamen <strong>nach</strong><br />

Deutschland, als sie schon verhei ratet waren. Diese<br />

Leute wohnten be reits in ihren eigenen Wohnungen.<br />

„Wir hatten es jedoch,“ wie Frau Baliban sagte<br />

„damals schwieriger als <strong>die</strong> Mädchen im Heim,<br />

weil wir unseren Alltag mit unse rem Mann alleine<br />

bewältigen und selbst ständig unseren H<strong>aus</strong>halt<br />

führen muss ten“. 31<br />

29 Aussage Hermann Bruns<br />

30 Vgl. Bericht zum Interview mit Borka und Heinz Wahlers<br />

31 Interview Ana Baliban<br />

12


In der Firma zeichneten sich <strong>die</strong> jungen Frauen<br />

durch großen Fleiß <strong>aus</strong>. Deshalb waren sie bei allen<br />

Mitarbeitern sehr be liebt. Sie wurden Mitglied<br />

der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten<br />

(NGG), einige wurden in den Betriebsrat gewählt.<br />

Frau Baliban fand schnell Freunde. „Die Arbeiter<br />

bei Findus haben sich immer gegenseitig unterstützt,<br />

auch privat. In der Firma Langnese Iglo sind<br />

heute noch alle Mitarbeiter/innen sehr freundlich,<br />

egal welche Nationalität sie haben. Ich komme<br />

heute noch im Arbeitsleben gut klar.“ 32<br />

Nada Rosenkötter erzählte von den guten Kontakten<br />

der Mädchen <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong><br />

mit ihren deutschen Arbeitskolleginnen und -kollegen<br />

sowie zur Werksleitung. So packten sie für<br />

<strong>die</strong> Kinder der deutschen Mitarbeiter/innen in der<br />

Advents- und Weih<strong>nach</strong>tszeit Nikol<strong>aus</strong>tüten und<br />

für das Heim gab es einen großen Adventskranz<br />

und einen Weih<strong>nach</strong>tsbaum von der Firma. Im<br />

Gegenzug wurden der Direktor Karl-Heinz Braun<br />

und andere leitende Angestellte zur Weih<strong>nach</strong>tsfeier<br />

eingeladen. 33<br />

Ausfl ug <strong>nach</strong> Amsterdam Anfang der 70-er Jahre<br />

Vorn: Personalchef Joachim Giese<br />

Auch Herr Vujnić berichtete von freundschaftlichen<br />

Verhältnissen zwischen Deutschen und Jugoslawen.<br />

Schon kurz <strong>nach</strong> seiner An kunft spielte er<br />

im Fußballverein in Marbeck. „Der Fußballsport<br />

half mir sehr bei meiner Integration in Deutschland,<br />

ich gewann Freunde und lernte <strong>die</strong> deutsche<br />

Sprache“. 35 Seit <strong>dem</strong> Jahr 2000 betrei ben er und<br />

seine Frau ein Restaurant, in <strong>dem</strong> beide mit vielen<br />

Deutschen freundschaftlich verbunden sind,<br />

das merkt man auch sehr deutlich, wenn man das<br />

Lokal besucht.<br />

Weniger Kontakte gab es während des Heimataufenthaltes<br />

zur <strong>Reken</strong>er Bevölkerung. Anita Karl<br />

hatte es nicht gern, dass <strong>die</strong> Mädchen <strong>die</strong> nahe gelegene<br />

Gastwirtschaft in Hülsten besuchten oder<br />

einen „<strong>aus</strong>schweifenden Lebenswandel“ führten.<br />

Gewundert hat sich Nada darüber, dass sie <strong>die</strong><br />

<strong>Menschen</strong> <strong>aus</strong> Hülsten beim Schützenfest als sehr<br />

kontaktfreudig und gelöst kennen lernte, was sich<br />

aber <strong>nach</strong> den Feiertagen legte. 34<br />

32 Ebenda<br />

33 Vgl. Bericht zum Interview mit Nada und Dieter Rosenkötter<br />

34 Vgl. ebenda<br />

35 Bericht zum Interview mit Branco Vujnić<br />

Frauen bei der Fließbandarbeit im<br />

Werk Langnese-Iglo<br />

13


Einrichten in der<br />

neuen Heimat<br />

Dauerhaftes Bleiben, Eingliederung<br />

und Einbürgerung in den Ortsteilen<br />

Die in den Jahren 1969 - 1972 angeworbenen Frauen<br />

und Männer be gannen sich <strong>nach</strong> anfänglichen<br />

Schwierigkeiten zum Teil gut einzuleben. Ein Jahr<br />

lang wurden sie in ihren Wohn heimen in Deutsch<br />

unterrichtet, was für <strong>die</strong> Eingliederung in ihre<br />

Arbeits welt auch wichtig war. 36<br />

Bereits 1972 berichtete der Truhenspiegel von<br />

30 Kollegin nen und Kollegen, <strong>die</strong> Landsleute oder<br />

deutsche Partner geheiratet hatten und in privaten<br />

Wohnungen wohnten. 37 Die jugoslawi schen Mitarbeiter<br />

waren laut Aussage des Werksdirektors<br />

Karl-Heinz Braun keine Saison kräfte wie beispielsweise<br />

in Heppenheim. Ihre zunächst einjährigen<br />

Arbeitsverträge wurden immer weiter verlängert,<br />

besonders, als <strong>die</strong> Bundesrepublik Deutschland<br />

Ende 1973 einen Gastarbeiter-Stopp einrichtete.<br />

Man hätte dann <strong>die</strong> <strong>aus</strong>län dischen Arbeitskräfte,<br />

wären für sie immer in ihre Heimat zurückgekehrt,<br />

nicht ersetzen können. 38<br />

Titelseite der Werkszeitung<br />

„Truhenspiegel“ von 1974<br />

Immer mehr jugoslawische Mitbürger/innen zogen<br />

<strong>aus</strong> den Heimen <strong>aus</strong> und fanden Woh nungen<br />

in allen Ortsteilen der Gemeinde <strong>Reken</strong>. Als zu<br />

Beginn der 80-er Jahre nur noch wenige Frauen im<br />

Heim in Hülsten waren, wurde <strong>die</strong>ses geschlossen.<br />

Heute leben hier noch zwei allein stehende Frauen,<br />

<strong>die</strong> private Mietverträge abgeschlossen haben. Viele<br />

Zuwanderer grün deten Familien, deren Kinder<br />

deutsche Kindergärten und Schulen besuchten.<br />

Neben der Brauchtums pflege in ihrem Kulturverein<br />

Sloga, später Kroatia, lernten sie auch deutsche<br />

Bräuche kennen. Nikola Dedivanović, Mitbegründer<br />

des Klubs Sloga, hob hervor, <strong>die</strong> <strong>ehemaligen</strong><br />

Jugoslawen seien in <strong>Reken</strong> gut integriert. Zu <strong>die</strong>ser<br />

Integration habe das vorbildliche Verhalten der<br />

<strong>Reken</strong>er Behörden und der Bevölkerung wesentlich<br />

beigetragen. 39<br />

Bald war es auch üblich, jugoslawische und deutsche<br />

Feste gemeinsam zu feiern. Viele Jahre lang<br />

36 Vgl. Bericht zum Interview mit Borka und Heinz Wahlers<br />

37 Vgl. Truhenspiegel 4/72 Oktober, Seite 11<br />

38 Vgl. Truhenspiegel 3/74, Seite 3<br />

39 Vgl. Bericht zum Interview mit Nicolai Dedivanović<br />

14


oten <strong>die</strong> Kroaten auf <strong>dem</strong> jährlich stattfindenden<br />

Weih<strong>nach</strong>tsmarkt kroatische Spezialitäten an.<br />

Auch Marijan Renić, Diplompädagoge beim Caritasverband<br />

des Kreises Borken und Berater für<br />

Migranten, hält <strong>die</strong> Integration der <strong>Menschen</strong> <strong>aus</strong><br />

<strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong> in vielen Fällen für<br />

gelungen. Jetzt sei bereits <strong>die</strong> dritte Generation<br />

herangewachsen, gut integriert und inzwischen<br />

sehr bildungsbewusst. 40<br />

Trotz<strong>dem</strong> macht er deutlich darauf aufmerksam:<br />

„Jetzt sind viele arm und einsam“. 41 Von den vielen<br />

Frauen sind einige allein geblieben und kaum erreichbar,<br />

da sie kein Telefon haben und auf Briefe<br />

nicht reagieren. Auch Leute, <strong>die</strong> äußerlich gut integriert<br />

sind, pendeln zwischen alter und neuer Heimat.<br />

Sie haben wenig in ihre Wohnungen investiert<br />

und viel Geld <strong>nach</strong> H<strong>aus</strong>e geschickt, weil sie immer<br />

zurück wollten. Wenn sie zurückkehren, versterben<br />

sie oft bald. Die Gastarbeiter/innen sind<br />

ins Rentenalter gekommen, worauf medizinische<br />

Dienste und Pflege<strong>die</strong>nste sich noch einstellen<br />

müssen. Dabei ist auf <strong>die</strong> kulturellen Besonderheiten<br />

der neuen Patienten zu achten. 42<br />

Die <strong>ehemaligen</strong> Zuwanderer fühlen sich durch den<br />

Aufenthalt ihrer Kinder oder auch der Enkelkinder<br />

hier in Deutschland gebunden. Die 2. und 3. Generation<br />

wählt ihren Aufenthaltsort <strong>nach</strong> der Möglichkeit,<br />

Arbeit zu finden. Gelingt es hier nicht,<br />

sucht man auch in der Heimat. 43<br />

<strong>Wie</strong> Familie Vujnić sagen auch viele andere heimisch<br />

ge wordene <strong>Menschen</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong><br />

<strong>Jugoslawien</strong> : „Wir wollen nicht mehr <strong>aus</strong> <strong>Reken</strong><br />

weg.“ Ihre Kinder wie auch <strong>die</strong> anderer Familien<br />

haben bereits selbst geheiratet und haben auch<br />

wieder Kinder. Die Kin der der 1. Generation besuchten<br />

noch den muttersprachlichen Unterricht<br />

und beherrschen ihre jugoslawische Muttersprache<br />

in Wort und Schrift, ihre Enkel jedoch sprechen<br />

fast nur deutsch. Alle Familienangehörigen haben,<br />

wie viele andere, <strong>die</strong> deutsche Staatsangehörigkeit<br />

angenommen. 44<br />

Nahezu alle in Deutschland geborenen Kinder haben<br />

in der Regel ab <strong>dem</strong> 4. Lebensjahr mit deutschen<br />

Gleichaltrigen den Kindergarten besucht.<br />

Bisher zuh<strong>aus</strong>e zweisprachig aufgewachsen, lernten<br />

sie nun bis zum Eintritt in <strong>die</strong> Grundschule<br />

<strong>die</strong> deutsche Sprache tadellos zu sprechen. „Nur<br />

<strong>die</strong> deutschen Zahlen bereiteten mir beim Sprechen<br />

Schwierigkeiten“, erinnert sich Edisa Terzić.<br />

„Bei uns liest man <strong>die</strong> Zahlen <strong>nach</strong>einander, wie<br />

man sie schreibt und verdreht sie beim Sprechen<br />

Interview mit Marijan Renić<br />

im Februar 2008<br />

40 Vgl. Bericht zum Interview mit Marian Renić<br />

41 Zitat deutscher Caritasverband Münster, Pressemeldung,<br />

26.09.2007<br />

http://www.caritasverband.de/<br />

presseid=14014&page=4&area=dicvmst<br />

42 Vgl. Deutscher Caritasverband Münster, Pressemeldung<br />

26.09.2007<br />

http://www.caritasverband.de/<br />

presseid=14014&page=4&area=dicvmst<br />

43 Vgl. Interview mit Ana Baliban<br />

44 Vgl. Bericht zum Interview mit Branco Vujnić<br />

15


nicht.“ 45 Die Kinder untereinander verstanden<br />

sich gut, von den Lehrer/innen wurden alle gleich<br />

behandelt. Die Empfehlungen zum Besuch der<br />

weiterführenden Schulen wurden gemäß der erbrachten<br />

Leistungen gerecht von den Lehrkräften<br />

<strong>aus</strong>gesprochen. Bei der Lehrstellensuche fühlten<br />

sich <strong>die</strong> Kinder der 2. Generation der Zuwanderer<br />

doch bisweilen be<strong>nach</strong>teiligt, da sie den Eindruck<br />

hatten, wegen ihres <strong>aus</strong>ländischen Namens und<br />

ihrer Nationalität erst <strong>nach</strong> den deutschen Bewerbern<br />

berücksichtigt zu werden. 46<br />

Beim Ausbruch des Krieges gingen sich <strong>die</strong> Schüler/Innen<br />

der verschiedenen Nationalitäten <strong>aus</strong><br />

<strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Weg, „Es<br />

kam zu Klübchenbildungen, und manchmal auch<br />

zu verbalen Auseinandersetzungen.“ 47<br />

Trotz in der Regel guten deutschen Sprachkenntnisse<br />

der Zuwanderer sind bei der ersten Generation<br />

<strong>die</strong> Kenntnisse im Lesen und Schrei ben<br />

zu wenig geschult worden. Frau Suhra Terzić,<br />

<strong>die</strong> 1972 mit ihrem Mann <strong>nach</strong> <strong>Reken</strong> kam, bedauert<br />

das für sich sehr, freut sich aber, dass<br />

ihre Kinder es in der Schule gelernt haben, da<br />

sie dauerhaft in Deutschland leben wollen. 48<br />

Muttersprachlicher Unterricht für <strong>die</strong><br />

Kinder der zugewander ten <strong>Menschen</strong><br />

Anfang der 80-er Jahre wurde in Nordrhein Westfalen<br />

für <strong>die</strong> Kinder der <strong>aus</strong>ländischen Gastarbeiter<br />

ein so genannter Muttersprachlicher Ergänzungsunterricht<br />

eingerichtet. Er sollte dazu <strong>die</strong>nen, den<br />

<strong>aus</strong>ländischen Kindern ihre heimatlichen Wurzeln<br />

(Sprache) zu erhalten. Im entsprechenden Runderlass<br />

des Kultusministers heißt es dazu wörtlich:<br />

„Für <strong>die</strong> Persönlichkeitsentwicklung der <strong>aus</strong>ländischen<br />

Kinder und Jugendli chen sind <strong>die</strong> Muttersprache<br />

und <strong>die</strong> nationale Kultur von besonderer<br />

Bedeutung, insbe sondere als Grundvor<strong>aus</strong>set zung<br />

für <strong>die</strong> Rückkehr in <strong>die</strong> Heimat ihrer Eltern.“ 49 Am<br />

9. Januar 1985 be gann Marija Skifić (heute Marija<br />

Baf) mit <strong>die</strong>sem Unterricht an der Antoniusschule<br />

in Klein <strong>Reken</strong>. 50 Zu <strong>die</strong>ser Zeit unterrichtete<br />

sie hier ca. 30- 40 jugoslawische Kinder in der<br />

Antonius schule, und seit <strong>dem</strong> 12. Oktober 1985<br />

kamen montags und mittwochs je drei Gruppen<br />

Kinder und Jugendliche <strong>aus</strong> <strong>Reken</strong>, Wulfen und<br />

Heiden. 51<br />

Dieser Unterricht wurde von der Gemeinde mit<br />

25 DM pro Schüler unter stützt, und das Schulamt<br />

Bor ken hatte <strong>die</strong> Schul aufsicht. Die Lehrpläne<br />

wurden vom Land Nord rhein-Westfalen vorge-<br />

Marija Baf beim Interview im Februar 2008<br />

45 Bericht zum Interview mit Edisa und Suhra Terzić<br />

46 Vgl. Bericht zum Interview mit Edisa und Suhra Terzić<br />

47 Vgl. ebenda<br />

48 Vgl. ebenda<br />

49 Runderlass des Kultusministeriums vom 23.3.1982 (GABl.<br />

NW S. 140)<br />

50 Vgl. Bericht zum Interview mit Marija Baf<br />

51 Vgl. Buch: Als Bennätzken zur Schule ging S.185<br />

16


Das Foto mit der Bildunterschrift gehörte zu einem Artikel in der BZ vom 10. Mai 1986, der von einem Besuch<br />

des jugoslawischen Konsuls Zrnc in der Antoniusschule berichtete. Konsul Zrnc zeigte sich bei seinem<br />

Besuch angetan von der Ausländerfreundlichkeit der Gemeinde <strong>Reken</strong>.<br />

schrieben. Die Bücher kamen <strong>aus</strong> <strong>Jugoslawien</strong>,<br />

wurden aber von der deutschen Seite bezahlt. 52<br />

Ihr Unterricht beruhte auf frei williger Basis. Es<br />

gab zwar für Klassenarbeiten Zensuren, <strong>die</strong> aber<br />

nicht für <strong>die</strong> Versetzung gewertet wurden. Neben<br />

den Kenntnissen der serbokroatischen Spra che<br />

in Wort und Schrift wurden <strong>die</strong> Kinder auch mit<br />

der Ge schichte und der traditionellen Kultur ihres<br />

Heimatlandes ver traut ge macht. 53<br />

Anfang der 90-er Jahre wurde der muttersprachliche<br />

Unterricht von der Antoniusschule in Klein<br />

<strong>Reken</strong> an <strong>die</strong> Overbergschule in Groß <strong>Reken</strong> verlegt,<br />

weil hier inzwischen mehr Kinder <strong>aus</strong> <strong>dem</strong><br />

<strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong> als in der Antoniusschule<br />

wa ren. Mit <strong>die</strong>ser Maßnahme sparte <strong>die</strong> Gemeinde<br />

Buskosten. 54<br />

Nach<strong>dem</strong> 1991 Kroatien seinen Austritt <strong>aus</strong> <strong>dem</strong><br />

Jugoslawischen Staatsverband erklärt hatte, 55 kam<br />

52 Vgl. Bericht zum Interview mit Marija Baf<br />

53 Vgl. Buch: Als Bennätzken zur Schule ging S.186 (Zeitungs<strong>aus</strong>schnitt)<br />

54 Vgl. Bericht zum Interview mit Marija Baf<br />

55 Vgl. Wikipedia: Zerfall <strong>Jugoslawien</strong>s<br />

17


es zu Differenzen zwi schen den kroatischen Eltern<br />

in <strong>Reken</strong> und der Lehrerin für Muttersprachlichen<br />

Ergänzungsunterricht.<br />

Im Interview sagte uns Frau Baf: „Mein Verhältnis zu<br />

den Jugoslawen war ursprünglich gut, <strong>die</strong> Prob leme<br />

fingen erst an, als Kroatien selbstständig wurde. Die<br />

Kriegssituation brachte Nationalismus und Intoleranz<br />

mit sich. So ließen sich auch Konflikte mit den<br />

El tern der Schüler/Innen nicht vermeiden.“ 56<br />

Ab <strong>dem</strong> Jahre 1994 übernahm Frau Irina Möllers<br />

<strong>aus</strong> Münster den Muttersprachlichen Unterricht<br />

von Frau Baf und unterrichtet bis heute an der<br />

Overbergschule.<br />

Kulturverein „Sloga“, heute<br />

„Kroatia“<br />

Zur Gründung das Kulturvereins „Sloga“ in <strong>Reken</strong><br />

kam es, als viele Gastarbeiter solche Ver eine<br />

zur Traditions- und Identitätspflege gründeten.<br />

Herr Dedivanović, der in den 80-er Jah ren als Kfz-<br />

Schlos ser und Busfahrer in Dorsten-Wulfen lebte<br />

und zahlreiche Kontakte zu seinen Landsleuten in<br />

<strong>Reken</strong> hatte, wurde vom damals jugoslawischen<br />

Konsul <strong>aus</strong> Düssel dorf, Herrn Zrnc, auf einem<br />

Fest des Kulturvereins in Bocholt angesprochen,<br />

ob er in <strong>Reken</strong> einen ähnlichen Verein gründen<br />

könne. Dar aufhin hat er einige Landsleute in <strong>Reken</strong><br />

angespro chen, und gemeinsam beschlossen<br />

Eine der ersten Veranstaltungen des<br />

Kulturvereins „Sloga“<br />

56 Vgl. Bericht zum Interview mit Marija Baf<br />

18


sie, einen Kul turverein namens ,,Sloga“ zu gründen.<br />

Am 15. März 1985 erfolgte <strong>die</strong> Eintragung<br />

des Vereins im Vereinsre gister beim Amtsgericht<br />

Bor ken, und Herr Dedivanović wurde dann erster<br />

Vorsitzender. Zweiter Vor sitzender wurde Ante<br />

Baliban. 57 Der Name Sloga bedeutet ,,Einigkeit“.<br />

Frau Baf hat <strong>dem</strong> Kulturver ein bei der Vereinsarbeit<br />

geholfen, in<strong>dem</strong> sie das Pro gramm des Clubs<br />

mitgestaltet hat. 58 Der Club übte mit den Kindern<br />

heimatli che Tänze in Trach ten ein, <strong>die</strong> auf Festen<br />

vorgeführt wur den. Oft spielten auch jugoslawische<br />

Kapellen. Die einhei mischen <strong>Reken</strong>er haben<br />

hervorragend auf solche Veran staltungen rea giert<br />

und stellten sogar ihre Hilfe unentgelt lich zur Verfügung.<br />

59 So fei erte zum Beispiel der Kulturverein<br />

im März 1986 unter <strong>dem</strong> Symbol der roten Nelke<br />

den Internatio nalen Frauen tag, 60 und wenig später,<br />

am 25. Mai 1986, den Tag der Jugend. Herr<br />

Dedivanović appel lierte bei <strong>die</strong>ser Veranstaltung<br />

an <strong>die</strong> Eltern, <strong>die</strong> Freundschaft zwischen der<br />

deutschen und jugos lawi schen Jugend zu stärken.<br />

Bürgermeister Heinrich Kuhrmann, der auch<br />

am Fest teilnahm, unterstützte den Gedanken. 61<br />

Am 26. Januar 1991 eröffnet der Kulturverein<br />

,,Sloga“, das lang geplante Freizeitzentrum in<br />

Bahnhof <strong>Reken</strong>. Träger des Freizeitraumes war<br />

jedoch nicht der Verein ,,Sloga“, sondern <strong>die</strong><br />

Arbeiterwohl fahrt, <strong>die</strong> den Kulturverein bei der<br />

Suche tatkräftig unterstützt hatte. Die AWO,<br />

<strong>die</strong> sich in der Bundes republik um <strong>die</strong> Belange<br />

der jugoslawischen Mitbürger küm merte, trug<br />

57 Vereinsregister beim Amtsgericht Borken<br />

58 Vgl. Bericht zum Interview mit Nikola Dedivanović<br />

59 Vgl. ebenda<br />

60 Vgl. Borkener Zeitung März 1986 „Nationalfeiertag für<br />

Jugoslawische Mitbürger“<br />

61 Vgl. Borkener Zeitung 27. Mai 1986 „Tänzerin riß alt und<br />

jung von den Stühlen“<br />

Asim Kadribašić<br />

mit 15.000 Mark ein Drittel der Umbaukosten,<br />

<strong>die</strong> restlichen zwei Drittel teilten sich das Land<br />

NRW und <strong>die</strong> Gemeinde <strong>Reken</strong>. Der Club hatte<br />

jetzt einen festen Treffpunkt, und so musste<br />

nicht mehr auf Gaststätten <strong>aus</strong>gewichen werden. 62<br />

Inzwischen zeigten sich auch <strong>die</strong> Vorboten des beginnenden<br />

<strong>Jugoslawien</strong>konfliktes im Kulturverein<br />

„Sloga“ in <strong>Reken</strong>. Nikola Dedivanović, selbst <strong>aus</strong><br />

Montenegro stammend mit albanischer Nationalität,<br />

kandi <strong>die</strong>rte jetzt nicht mehr für den Vorsitz,<br />

weil er – <strong>nach</strong> eigener Aussage – wollte, dass<br />

nunmehr Kroaten selbst den neuen Verein mit<br />

<strong>dem</strong> Namen „Kroatia“ leiten sollten. 63 Mit Datum<br />

vom 18.6.1991 ist Vlade Mil jak im Vereinsregister<br />

als neuer Vorsitzender eingetragen. 64 Am 15. Mai<br />

1992 wurde der Name des Kulturver eins von ,,Sloga“<br />

in ,,Kroatia“ umgeän dert, 65 da, als der Bürger-<br />

62 Vgl. Borkener Zeitung 28. Januar 1991 „Eine Heimstätte für<br />

<strong>die</strong> Pfl ege heimatlicher Bräuche“<br />

63 Vgl. Bericht zum Interview mit Herrn Dedivanović<br />

64 Vereinsregister beim Amtsgericht Borken<br />

65 Ebenda<br />

19


krieg begann, der Name „Sloga“ fehl am Platz war.<br />

Es gab trotz des Krieges keine offen <strong>aus</strong>getragene<br />

Feindseligkeit zwischen den Volksgruppen des<br />

ehema ligen <strong>Jugoslawien</strong>s in <strong>Reken</strong>, aber Serben<br />

und Moslems mieden jetzt den Kulturver ein. 66<br />

Asim Kadribašić war Bosnier, seine Frau Antica<br />

Kroatin. Als der jugoslawische Bürgerkrieg <strong>aus</strong>brach,<br />

hat das ihre Ehe in keiner Weise belastet.<br />

Nach ihrem Kenntnisstand sind in <strong>Reken</strong> keine<br />

Ehen zwischen den Nationalitäten des <strong>ehemaligen</strong><br />

<strong>Jugoslawien</strong>s in <strong>die</strong> Brüche gegangen. Überhaupt<br />

gab es keine offenen Feindschaften in <strong>Reken</strong> zwischen<br />

den Nationalitäten. 67<br />

Ende 1992/Anfang 1993 gab es, nicht zuletzt<br />

durch den Bosnienkrieg <strong>aus</strong>gelöst, viele bosnische<br />

Flüchtlinge in <strong>Reken</strong>. Damals gründeten <strong>die</strong> Bosnier<br />

einen eigenen Club, der im „Weißen H<strong>aus</strong>“ im<br />

Unterdorf Groß <strong>Reken</strong> einige Räume angemietet<br />

hatte. Asim wurde dort 1. Vorsitzender. Etwa 50<br />

Personen gehörten <strong>dem</strong> Club an. Die Gemeinde<br />

<strong>Reken</strong> hat keine finanzielle Unterstützung für den<br />

Club geleistet, da sie wohl befürchtete, dass weitere<br />

Clubs entstehen könnten. Schließlich wurde<br />

es immer schwieriger, <strong>die</strong> Miete für <strong>die</strong> Räume<br />

aufzubringen, sodass Asim 1995 den Vorsitz niederlegte.<br />

Kurz da<strong>nach</strong> wurde der Club dann auch<br />

aufgelöst. 68<br />

Über den Kulturverein „Kroatia“ liefen jetzt zahlreiche<br />

humanitäre Hilfsaktionen in <strong>die</strong> vom Bürgerkrieg<br />

betroffenen kroatischen Gebiete (siehe<br />

Fußballmannschaft CROATIA <strong>Reken</strong> <strong>nach</strong> einem<br />

Fußballturnier in Essen<br />

Kapitel: Der <strong>Jugoslawien</strong>krieg und seine Auswirkungen<br />

...). Nun erwies es sich als vorteilhaft, dass<br />

<strong>die</strong> in <strong>Reken</strong> ansässigen Kroaten so gut in ihrem<br />

Gastland integriert waren; denn zahlreiche deutsche<br />

Stellen und Privatpersonen spendeten Geld<br />

und lebensnotwendige Güter oder leisteten organisatorische<br />

Hilfe. 69 Bei den Hilfsaktionen des Clubs<br />

„Kroatia“ haben unter anderem auch <strong>die</strong> Eheleute<br />

Kadribašić mitgemacht. Sie berichten, dass Hilfslieferungen<br />

<strong>aus</strong> <strong>Reken</strong> nicht nur Kroaten, sondern<br />

auch Bosniern zugute kamen. 70<br />

Von 1997 bis heute leitet Boris Karl den Kulturverein,<br />

Stellvertreter ist Ante Vicković. Der Verein<br />

wird von den Kroaten in <strong>Reken</strong> sehr gut angenommen.<br />

In den Räumen an der Bahn hofstraße trifft<br />

man sich zu Veranstaltungen unterschiedlichster<br />

Art (z. B. Nationalfeiertag, Weih<strong>nach</strong>ts- und<br />

Nikol<strong>aus</strong>fei ern), aber auch Familienfeiern der Mitglieder<br />

finden dort statt. 71<br />

66 Vgl. Bericht zum Interview mit Vorstandsmitgliedern des<br />

Kulturvereins Kroatia<br />

67 Vgl. Bericht zum Interview mit Antica und Asim Kadribašić<br />

68 Vgl. ebenda<br />

69 Vgl. Bericht zum Interview mit Vorstandsmitgliedern des<br />

Kulturvereins „Kroatia“<br />

70 Vgl. Bericht zum Interview mit Antica und Asim Kadribašić<br />

71 Aussage Boris Karl<br />

20


Die Tätigkeiten des Vereins ge hen in verschie dene<br />

Richtungen: Im Gemeindele ben <strong>Reken</strong>s en gagiert<br />

sich Kroa tia auch weiterhin. Über mehrere Jahre<br />

waren <strong>die</strong> Kroa ten beim Schul fest des Gymnasiums<br />

Maria Veen vertreten, und sie halfen auch<br />

der Overbergschule einige Male beim Schüler<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch<br />

mit der Partner schule in Pula. Bei der Eröffnung<br />

des neuen Bahn hofsgebäudes 2005 hatten<br />

sie einen Stand aufgebaut und organisierten ein<br />

Boccia-Turnier. 72<br />

Jedes Jahr hilft Kroatia <strong>Reken</strong> kranken oder in Not<br />

geratenen Landsleuten und sozialen Einrichtungen<br />

in Kroatien mit großzügigen Geldspenden. Aber<br />

auch andere Teile der Welt bekamen Spenden, z.<br />

B. <strong>die</strong> Opfer der Flutkatastrophe in Asien. Für <strong>die</strong><br />

Kirche in Drniš wur den in den Jahren 2000 und<br />

2001 größere Geldbeträge zur Verfügung gestellt. 73<br />

Erwähnt sei in <strong>die</strong>sem Zusammenhang noch, dass<br />

„Kroatia“ im September 1997 500 DM den Opfern<br />

der Jahrhundertflut an der Oder gespendet hat. 74<br />

der Kirchenlie der einübt. Darüber hin<strong>aus</strong> nutzt<br />

eine Gruppe von Frauen zweimal wöchentlich <strong>die</strong><br />

Räume für sportli che Aktivitäten. 77<br />

Der <strong>Jugoslawien</strong>krieg und seine<br />

Auswirkungen – Hilfe für <strong>die</strong> Not<br />

leidende Bevölkerung<br />

Als am 25. Juni 1991 Kroatien und Slowenien<br />

ihren Austritt <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> jugoslawischen Staatsverband<br />

erklärten und unabhängig wurden (durch<br />

internationale Anerkennung am 15. Januar 1992<br />

bestätigt), entbrannte im <strong>aus</strong>einander brechenden<br />

<strong>Jugoslawien</strong> ein lange anhaltender Krieg, der<br />

sich auf wechselnden Schauplätzen in Kroatien,<br />

Bosnien-Herzegowina und im Kosovo abspielte<br />

und im Jahre 1995 mit <strong>dem</strong> Vertrag von Dayton<br />

für Kroa tien und Bosnien endete. 78 Für <strong>die</strong> Zivilbevölkerung<br />

brachte <strong>die</strong>ser Krieg unvorstellbare<br />

Leiden mit sich.<br />

Die katholische Kirche spielt für das Leben und<br />

den Zusammenhalt der Kroaten in <strong>Reken</strong> eine<br />

wich tige Rolle. Kroatia ist heute selbstständig,<br />

wird aber von der Caritas – auch finan ziell - unterstützt.<br />

75<br />

Die Aktivi täten sind in den letzten Jahren <strong>aus</strong>geweitet<br />

worden: 2001 wurde eine Fußball mannschaft<br />

„CROATIA <strong>Reken</strong>“ ge gründet, <strong>die</strong> regelmäßig<br />

an Turnieren teilnimmt. 76 Jetzt sind auch mehr<br />

Mädchen und Frauen im Club mit aktiv: Es gibt<br />

einen gemischten Folklore club sowie einen Chor,<br />

Mitglieder des Clubs Kroatia mit Kleintransporter im<br />

Hof des Vereinsh<strong>aus</strong>es in den 90-er Jahren<br />

72 Vgl. Tätigkeitsberichte „Kroatia Kulturverein <strong>Reken</strong> e. V.“ der<br />

Jahre 2001 - 2007<br />

73 Vgl. ebenda, Jahre 2000 - 2007<br />

74 Vgl. Borkener Zeitung vom 6. September 1997 „Nicht nur<br />

nehmen, auch geben“<br />

75 Vgl. Bericht zum Interview mit Marijan Renić<br />

76 Vgl. Tätigkeitsberichte „Kroatia Kulturverein <strong>Reken</strong> e. V.“ der<br />

Jahre 2001 - 2007<br />

77 Vgl. ebenda<br />

78 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Kroatien<br />

21


Beim <strong>Reken</strong>er Kulturverein „Sloga“, ab 1992<br />

„Kroatia“, begann der neue Vorstand bereits Anfang<br />

1991, Geld bei den kroatischen Mitbürgern<br />

einzusammeln, welches <strong>die</strong> Entstehung und das<br />

Überleben des sich in Umrissen abzeichnenden<br />

eigenständigen neuen Staates Kroatien sichern<br />

sollte. Bis August 1991 wurden insgesamt 40.900<br />

DM gesammelt und als Barbetrag <strong>nach</strong> Kroatien<br />

gebracht. 79<br />

Ab November 1991 wurden Hilfsgüter wie Grundnahrungsmittel,<br />

Kleidung, Wäsche, Medikamente,<br />

Verbandsmaterial usw. über den Club in <strong>die</strong> unterschiedlichsten<br />

Regionen Kroatiens (in einem Falle<br />

auch Medikamente und Sanitäts<strong>aus</strong>rüstung in Höhe<br />

von 22.000 DM <strong>nach</strong> Sarajewo) transportiert.<br />

Bei <strong>die</strong>sen Hilfslieferungen konnten <strong>die</strong> Kroaten<br />

auf <strong>die</strong> tatkräftige Unterstützung von deutschen<br />

Privatpersonen und Firmen <strong>aus</strong> <strong>Reken</strong> und Umgebung<br />

bauen. Der Anteil der Spenden von deutscher<br />

Seite wird von Boris Karl auf etwa 50% geschätzt.<br />

So stellte z. B. <strong>die</strong> Firma Langnese-Iglo Nahrungsmittel<br />

zum Einkaufspreis oder <strong>die</strong> Firma Weddeling<br />

<strong>aus</strong> Borken LKWs zur Verfügung. Der Verein<br />

hat eine Liste mit 35 Transporten aufgestellt, unter<br />

denen 5 von den deutschen Arbeitskollegen<br />

Heinz-Theo Krampe und Helmut Glose begleitet<br />

wurden. 80<br />

Milan Šafran, der von 1992 bis 1993 zahlreiche<br />

Hilfstransporte über den Club „Kroatia“ organisierte,<br />

berichtet ebenfalls, dass er bei seinen Aktionen<br />

in vielfacher Weise in <strong>Reken</strong> und Umgebung<br />

große Unterstützung fand. Auch Pater Jakov von<br />

der Kroatischen Mission sammelte mit seinem unermüdlichen<br />

Einsatz Spenden. Die Hilfstransporte<br />

bestanden <strong>aus</strong>schließlich <strong>aus</strong> Sachspenden. Geld<br />

dafür wurde auf vielfache Weise zusammengetragen,<br />

z. B. durch <strong>die</strong> Teilnahme des Klubs Kroatia<br />

am Groß <strong>Reken</strong>er Weih<strong>nach</strong>tsmarkt, den auch<br />

bosnische Frauen mit ihren typischen heimatlichen<br />

Speisen unterstützten. 81<br />

Mit den Herren Miljak und Mujan und seinen<br />

Arbeitskollegen, Herrn Glose und Herrn Krampe,<br />

fuhr Herr Šafran an den freien Wochenenden<br />

nur bis an <strong>die</strong> kroatische Grenze, da sie <strong>die</strong> Krisengebiete<br />

nicht passieren durften. In Kroatien<br />

organisierte <strong>die</strong> dortige Caritas in der Regel <strong>die</strong><br />

Transporte weiter. Eine Ladung, <strong>die</strong> 350 000 DM<br />

wert war, wurde an der Grenze nicht in Empfang<br />

genommen. Von Polizei begleitet, fuhren <strong>die</strong> Männer<br />

mit ihrer Hilfsladung <strong>nach</strong> Varaždin, wo auch<br />

bosnische Flüchtlinge mit Hilfsgütern versorgt<br />

wurden. Dieser Transport wurde von serbischen<br />

Flugzeugen <strong>aus</strong> der Luft beobachtet. Während <strong>die</strong>ser<br />

Reisen waren <strong>die</strong> Frauen in großer Sorge, da sie<br />

fast immer ohne Nachrichten von ihren Männern<br />

zuh<strong>aus</strong>e <strong>aus</strong>harrten. Natürlich waren sie und viele<br />

andere Kroaten und Deutsche in hohem Maße an<br />

allen Vorbereitungen beteiligt. 82<br />

Bis Oktober 1995 wurden Hilfslieferungen von insgesamt<br />

mehr als 1,2 Millionen DM organisiert. 83<br />

79 Vgl. Bericht zum Interview mit Vorstandsmitgliedern des 82 Vgl. ebenda<br />

Kulturvereins Kroatia<br />

83 Vgl. Bericht zum Interview mit Vorstandsmitgliedern des<br />

80 Vgl. ebenda<br />

Kulturvereins Kroatia<br />

81 Vgl. Bericht zum Interview mit Milan Šafran<br />

22


Pula-Gruppe <strong>aus</strong> <strong>Reken</strong> vor <strong>dem</strong> historischen Rath<strong>aus</strong> der Stadt im Jahre 2002<br />

Schulpartnerschaft zwischen der<br />

Overbergschule in <strong>Reken</strong> und der<br />

Ivo-Lola-Ribar-Schule (jetzt<br />

Kaštanjer) in Pula<br />

Im Sommer 1987 besuchte Marija Škifić, <strong>die</strong> damals<br />

den muttersprachlichen Ergänzungsunterricht<br />

in Serbokroatisch an der Antoniusschule in<br />

Klein <strong>Reken</strong> leitete, ein Schulfest der Overbergschule<br />

in Re ken. Sie machte <strong>dem</strong> damaligen Rektor,<br />

Herrn Meirick, den Vorschlag, eine Schulpartnerschaft<br />

mit der Ivo-Lola-Ribar-Schule in ihrer<br />

Heimatstadt Pula in Istrien zu schließen. Es gab<br />

seinerzeit schon et liche jugoslawische Kinder in<br />

der Hauptschule, und es war zu erwarten, dass ihre<br />

Zahl zunehmen würde. Lehrer, Eltern und Schüler<br />

der Overbergschule erklärten sich einverstanden,<br />

und so begann ein reger Schüler<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch mit Besuchen<br />

in Pula und Gegenbesuchen in <strong>Reken</strong>. 84<br />

Die erste Begegnung fand vom 16. bis 24. April<br />

1988 in Pula statt. 36 Schülerinnen und Schüler <strong>aus</strong><br />

der Overbergschule, <strong>die</strong> in Familien un tergebracht<br />

wurden, fuhren mit. Den Bus steuerte Nikola De-<br />

84 Vgl. Georg Meirick, bis 2002 Rektor der Overbergschule: „Die Schulpartnerschaft der Overbergschule ...“<br />

23


immer dabei zur Seite, er <strong>die</strong>nte z. B. als abendliche<br />

Anlaufstelle für <strong>die</strong> jugoslawischen Kinder<br />

und be wirtete sie mit Köstlichkeiten beim Abschiedsabend.<br />

86<br />

Zeitungsmeldung in Pula über den Besuch der<br />

Overbergschule in Pula, der im Zusammenhang mit<br />

einem großen Schulfest mit Delegationen <strong>aus</strong> 36<br />

Schulen <strong>Jugoslawien</strong>s stattfand.<br />

divanovic, Marija Škifić war natürlich auch dabei<br />

und Josef Heinen von der Antoniusschule. 85<br />

Von 1989 bis 1991 fanden insgesamt noch drei<br />

weitere Begegnungen (zwei in <strong>Reken</strong> und eine in<br />

Pula) statt, an denen insgesamt ca. 150 Kinder <strong>aus</strong><br />

Pula bzw. <strong>Reken</strong> teilnahmen. Am 27. April 1990<br />

wurde <strong>die</strong> Schulpartnerschaft mit einer Urkunde,<br />

künstlerisch gestaltet von Hans Winking, von der<br />

stellvertretenden Bür germeisterin Gerda-Marie<br />

Möller und Ratsmitglied Walter Wullen in einer<br />

Fei erstunde in Pula besiegelt. Der jugosla wische<br />

Club Sloga in <strong>Reken</strong> stand der Overbergschule<br />

Die Begegnung im Juni 1991 stand schon im<br />

Zeichen des beginnenden jugoslawischen Bürgerkriegs,<br />

der mit <strong>dem</strong> 10-Tage-Krieg am 27. Juni<br />

1991in Slowenien begann und letztlich zum<br />

Auseinanderbrechen <strong>Jugoslawien</strong>s führte. Allerdings<br />

zeigten sich jetzt <strong>die</strong> ersten Früchte der Partnerschaft<br />

: Zweimal wurden in der Overbergschule<br />

und in der Antoniusschule Hilfspakete für <strong>die</strong><br />

kroatischen Krisengebiete gepackt und verschickt.<br />

Marija Škifić und Ingrid Freidank, Vorsitzende der<br />

Elterninitiative der Over bergschule, engagierten<br />

sich hier in besonderer Weise. Im Frühjahr 1992<br />

packten beide Schulen er neut einen LKW mit<br />

Hilfsgütern, der von Andreas Fraune, Konrektor<br />

der Antoniusschule, und Herbert Wortmann <strong>aus</strong><br />

Klein <strong>Reken</strong> <strong>nach</strong> Pula gefahren und dort freudig<br />

in Empfang genommen wurde. 87<br />

Nach <strong>dem</strong> Bürgerkrieg stockte zunächst der Schüler<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch.<br />

Zwar kam eine Einladung <strong>aus</strong> Pula<br />

im Jahre 1993, der <strong>die</strong> Overbergschule allerdings<br />

nicht <strong>nach</strong>kommen konnte, da <strong>die</strong> <strong>Reken</strong>er Eltern,<br />

verschreckt durch <strong>die</strong> vielen im Fernsehen gezeigten<br />

Gräuel <strong>die</strong>ses schrecklichen Krieges, nicht bereit<br />

waren, ihre Kinder <strong>nach</strong> Kroatien zu schicken,<br />

obwohl wieder Frieden herrschte.<br />

1994 ging es dann mit <strong>dem</strong> Schüler<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch weiter.<br />

Zunächst lud <strong>die</strong> Overbergschule <strong>die</strong> Pulaner<br />

<strong>nach</strong> <strong>Reken</strong> ein. 88 Erst 1996 gelang es wieder, eine<br />

85 Vgl. Als Bennätzken zur Schule ging ..., Seite 187 - 189<br />

86 Vgl. Georg Meirick „Die Schulpartnerschaft der Overbergschule<br />

...“<br />

87 Vgl. ebenda<br />

88 Vgl. Kinder <strong>aus</strong> Pula besuchen <strong>die</strong> Overbergschule, Borkener<br />

Zeitung vom 18.2.1994<br />

24


kleine Schülergruppe <strong>aus</strong> <strong>Reken</strong> für einen Aust<strong>aus</strong>ch<br />

zu gewinnen, denn bei vielen Eltern war <strong>die</strong><br />

Sorge um <strong>die</strong> Sicherheit der Kinder geblieben. 89<br />

Da<strong>nach</strong> wurde der alte Rhythmus wieder aufgenommen.<br />

Die Schule in Pula hatte einen neuen<br />

Namen (Kaštanjer) bekommen, und so wurde<br />

1998 das 10-jährige Bestehen der Partnerschaft in<br />

der Overbergschule gefeiert. 90<br />

Bei allen Begegnungen waren <strong>die</strong> Gemeinde <strong>Reken</strong><br />

und <strong>die</strong> Stadt Pula großzügige Partner, <strong>die</strong><br />

nicht nur Zuschüsse gewährten, sondern auch <strong>die</strong><br />

jeweiligen Gäste im Rath<strong>aus</strong> empfingen. 93<br />

Bis heute ist es so zu 10 Begegnungen gekommen,<br />

an denen schätzungsweise 350 bis 400 junge <strong>Menschen</strong><br />

<strong>aus</strong> Deutschland und Kroatien teilgenommen<br />

haben.<br />

Auch <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> Ausscheiden <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Schul<strong>die</strong>nst<br />

von Herrn Meirick im Jahre 2002 ging <strong>die</strong> Schulpartnerschaft<br />

weiter. Im Jahre 2004 besuchten<br />

25 Schüler/innen und 4 Lehrkräfte <strong>aus</strong> Pula <strong>die</strong><br />

Overbergschule. Diesmal stand im Mittelpunkt<br />

der Begegnung ein Römerprojekt. In <strong>die</strong>sem Rahmen<br />

besuchten <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler <strong>aus</strong><br />

<strong>Reken</strong> und Pula <strong>die</strong> Römermuseen in Xanten und<br />

Haltern, wo viel über den römischen Alltag zu erfahren<br />

war. Zum Abschluss stellten viele Schülerinnen<br />

und Schüler vor ihren Familien Szenen <strong>aus</strong><br />

<strong>dem</strong> römischen Leben dar. 91<br />

Im Jahre 2005 stand der Gegenbesuch in Pula mit<br />

26 Schüler/innen und 4 Lehrkräften an. Dort wurde<br />

das Römerprojekt weitergeführt. Aufgesucht<br />

wurden <strong>die</strong> antiken römischen Stätten in Pula, u. a.<br />

das sechstgrößte römische Amphitheater der Welt,<br />

und <strong>die</strong> Insel Brijuni. Zum Abschluss der Woche<br />

führten <strong>die</strong> kroatischen Schüler ein von ihrer Lehrerin<br />

eigenhändig komponiertes Musical in lateinischer<br />

Sprache auf <strong>dem</strong> Forum in Pula auf. 92<br />

Urkunde über <strong>die</strong> Schulpartnerschaft, von Hans<br />

Winking 1997 angefertigt. Sie ersetzt <strong>die</strong> alte<br />

Urkunde <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Jahre 1990, da sich der<br />

Name der Schule in Pula geändert hatte.<br />

89 Vgl. Georg Meirick „Die Schulpartnerschaft der Overbergschule<br />

...“<br />

90 Vgl. Borkener Zeitung 1998 „Schüler <strong>aus</strong> Pula kommen im<br />

Mai“<br />

91 Vgl. Borkener Zeitung, Mai 2004 „<strong>Wie</strong> <strong>die</strong> alten Römer<br />

leben“<br />

92 Vgl. Borkener Zeitung, 11.06.2005 „ Auf den Spuren der<br />

Römer“<br />

93 Vgl. Georg Meirick „Die Schulpartnerschaft der Overbergschule<br />

...“<br />

25


Resümee mit Ergänzung<br />

Unser Thema „Migration und Integration“ versuchte<br />

auch <strong>die</strong> Frage zu beantworten, ob es in <strong>Reken</strong><br />

zu einer gelungenen Eingliederung der <strong>Menschen</strong><br />

<strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong> gekommen ist.<br />

Diese Frage konnten wir abschließend nicht beantworten.<br />

Wir haben in der Arbeit aufgezeigt,<br />

dass es sowohl von deutscher als auch von ehemals<br />

jugoslawischer Seite viele Bemühungen gab, <strong>die</strong><br />

den Integrationsprozess zweifellos voran getrieben<br />

haben. Auch haben wir persönlich den Eindruck<br />

gewonnen, dass zum Beispiel in unserer Schule<br />

ein positives Klima zwischen deutschen Schülern<br />

und Schülern <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong><br />

herrscht. Als am 12.06.2008 Kroatien Deutschland<br />

bei der Fußball EM geschlagen hat, feierten <strong>die</strong><br />

kroatischen Fans lautstark den Sieg ihrer Mannschaft<br />

auch in <strong>Reken</strong>, ohne dass es zu irgendwelchen<br />

Streitigkeiten gekommen wäre.<br />

Um <strong>die</strong> Frage endgültig zu beantworten, müssten<br />

andere Befragungen angewandt werden, <strong>die</strong> wir im<br />

Rahmen unserer Arbeit nicht leisten konnten.<br />

Leider konnten wir auch nicht her<strong>aus</strong>finden, wie<br />

das Verhältnis der verschiedenen Nationalitäten<br />

<strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong> in <strong>Reken</strong> untereinander<br />

genau ist. Aber fest steht auf jeden Fall,<br />

dass <strong>die</strong> Kroaten in der Überzahl sind und so auch<br />

öffentlich stärker wahrgenommen werden.<br />

Mariam Egazi, Jessica Hemmer,<br />

Lisa Hüppe, Susanne Struwe<br />

Ergänzung<br />

Die von uns <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> Abschluss der Schülerarbeit<br />

durchgeführten Interviews verfestigten das Bild<br />

einer durch<strong>aus</strong> gelungenen Integration der Zuwan-<br />

26


derer <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong> hier in <strong>Reken</strong>.<br />

So wird z. B. <strong>die</strong> Aufnahme in <strong>die</strong> hiesige Gesellschaft<br />

von den Vorstandsmitgliedern des Klubs<br />

„Kroatia“ mit den Schulnoten „Gut“ bis „Sehr gut“<br />

bewertet. 94 Dass <strong>die</strong>ser Eindruck richtig ist, zeigt<br />

<strong>die</strong> große Hilfsbereitschaft der <strong>Reken</strong>er Bevölkerung<br />

für <strong>die</strong> Not leidenden <strong>Menschen</strong> während des<br />

Krieges und zahlreiche Freundschaften zwischen<br />

<strong>Reken</strong>er Familien und denen der Zuwanderer. Die<br />

Kinder der Einwanderer fühlen sich <strong>nach</strong> Meinung<br />

der von uns befragten <strong>Menschen</strong> vorwiegend als<br />

Deutsche und <strong>Reken</strong>er, fahren aber gern in <strong>die</strong><br />

kroatische Heimat, um dort Urlaub zu machen.<br />

Nur wenige Kroaten der zweiten Generation sind<br />

bisher <strong>nach</strong> Kroatien übergesiedelt. 95<br />

Das Verhältnis zwischen den Mitgliedern der verschiedenen<br />

Nationalitäten des <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong>s<br />

zu ermitteln, war nicht Gegenstand unserer<br />

Untersuchung. Es scheint aber jetzt deutlich entspannter<br />

zu sein als in den 90-er Jahren.<br />

Die Kontakte mit den „Zeugen“ <strong>die</strong>ses Kapitels <strong>Reken</strong>er<br />

Zeitgeschichte hat uns persönlich sehr viel<br />

Respekt vor der Lebensleistung <strong>die</strong>ser <strong>Menschen</strong>,<br />

aber auch vor der Offenheit und Freundlichkeit<br />

der <strong>Reken</strong>er Bevölkerung abgenötigt. Was <strong>die</strong> Firma<br />

Langnese-Iglo – ganz offensichtlich bestärkt<br />

und veranlasst durch den Betriebsrat – an sozialer<br />

Verantwortung für <strong>die</strong> Zuwanderer gezeigt hat, findet<br />

man heute im Wirtschaftsleben – leider – immer<br />

weniger. Nicht zuletzt den Verantwortlichen<br />

in der <strong>Reken</strong>er Politik und Verwaltung gebührt ein<br />

hohes Maß an Anerkennung für ihre Leistungen in<br />

<strong>die</strong>sem Bereich.<br />

Gerda-Marie Möller, Georg Meirick<br />

94 Vgl. Bericht zum Interview mit Vorstandsmitgliedern des Kulturvereins „Kroatia“<br />

95 Vgl. ebenda<br />

27


Quellenverzeichnis<br />

Ausländerstatistik der Gemeinde <strong>Reken</strong><br />

Runderlass des Kultusministeriums vom 23.3.1982 (GABl. NW S. 140)<br />

Borkener Zeitung<br />

Ausgaben vom Juni 1969, 16.Juli 1969, 09.September 1969, 20. September1969, 04. Okto ber 1969,<br />

08. Oktober 1969, 11. November 1969, 10. Oktober 1969, 12. Dezember 1969, März 1986, 27. Mai 1986,<br />

28. Januar 1991, April (wahrscheinlich) 1998, Mai 2004, 11. Juni 2005<br />

Truhenspiegel (Werkszeitung der Firma Langnese-Iglo)<br />

5/70, 3/73, 4/73<br />

Als Bennätzken zur Schule ging ... , Schulchronik Klein <strong>Reken</strong>,<br />

Her<strong>aus</strong>geber Antonius-Grundschule Klein-<strong>Reken</strong>, 1989<br />

Internetseiten von Wikipedia<br />

Interviews<br />

Baf, Marija, ehemalige Lehrerin für Muttersprachlichen Ergänzungsunterricht an der Antoniusschule<br />

und an der Overbergschule in <strong>Reken</strong><br />

Baliban, Ana, Mitarbeiterin bei Langnese-Iglo<br />

Braun, Karl-Heinz (†), ehemaliger Werksdirektor von Langnese-Iglo<br />

Bubalo, Ivica, ehemaliger Bergmann auf der Zeche Prosper-Haniel, Schatzmeister beim Kulturverein „Kroatia“<br />

Dedivanović, Nikola, Gründer und Vorsitzender des Vereins Sloga<br />

Giese, Joachim, ehemaliger Leiter der Personalabteilung bei Langnese-Iglo<br />

Goreta, Bere, ehemaliger Mitarbeiter bei Langnese-Iglo, ehemaliger stellvertretender Vorsitzender<br />

des Kulturvereins „Kroatia“<br />

Kadribašić, Antica, ehemalige Mitarbeiterin bei Langnese-Iglo<br />

Kadribašić, Asim, ehemaliger Mitarbeiter bei Langnese-Iglo<br />

Karl, Boris, langjähriger Mitarbeiter bei Langnese-Iglo, heute Vorsitzender des Kulturvereins „Kroatia“<br />

Meirick, Georg, ehemaliger Rektor der Overbergschule in <strong>Reken</strong><br />

Miljak, Vlade, ehemaliger Bauleiter, war von 1990 bis 1997 (mit kurzer Unterbrechung) Vorsitzender von „Kroatia“<br />

Renić, Marijan, Diplompädagoge, ar beitet bei der Caritas beim Fach<strong>die</strong>nst für Integration und Mig ration in Borken<br />

Rosenkötter (geborene Pospišil), Nada, ehemalige Mitarbeiterin und Betriebsratsmitglied bei Langnese-Iglo und<br />

stellvertretende Heimleiterin<br />

Rosenkötter, Dieter, ehemaliger Betriebsingenieur bei Langnese-Iglo<br />

Šafran, Milan, ehemaliger Mitarbeiter bei Langnese-Iglo und Betriebsratsmitglied<br />

Tersić, Edisa, Tochter bosnischer Eltern mit deutscher Staatsangehörigkeit<br />

Tersić, Suhra, ehemalige Mitarbeiterin <strong>aus</strong> Bosnien bei Langnese-Iglo, heute mit deutscher Staataangehörigkeit<br />

Vicković, Ante, Bauarbeiter, stellvertretender Vorsitzender von Kroatia<br />

Vujnić, Branco, früherer Mitarbeiter bei Langnese-Iglo, heute Restaurantbetreiber<br />

Wahlers, Borka, ehemalige Mitarbeiterin <strong>aus</strong> Drniš bei Langnese-Iglo, heute Postangestellte<br />

verschiedene Schülerinterviews<br />

Aussage von Hermann Bruns, Busunternehmer in Groß <strong>Reken</strong><br />

Deutscher Caritasverband Münster, Pressemeldung, 26.09.2007<br />

Vereinsregister beim Amtsgericht Borken (Verein Croatia <strong>Reken</strong> e. V.)<br />

Tätigkeitsberichte „Kroatia Kulturverein <strong>Reken</strong> e. V.“ der Jahre 2000 – 2007<br />

28


Bericht zum Interview mit Marija Baf<br />

(vormals Marija Škifić)<br />

Frau Baf ist in Kroatien in Babina Greda geboren,<br />

kam im Al ter von zwei Jahren <strong>nach</strong> Istrien und lebte<br />

dort bis zu ihrem 19. Lebensjahr. In Pula machte<br />

sie ihr Abitur und begann ihr Stu dium in Pädagogik.<br />

Nach einem Jahr brach sie es ab und reiste<br />

1973 wegen ihres Verlobten <strong>nach</strong> Deutschland, um<br />

dort mit ihm zu leben.<br />

1978 beendete sie in Kroatien ihr Studium und<br />

ein Jahr spä ter hat sie mit <strong>dem</strong> damaligen serbokroatischen<br />

Mutter sprachlichen Unterricht in<br />

Gelsenkirchen begonnen. 1985 kam sie <strong>nach</strong> <strong>Reken</strong><br />

und Velen um dort zusätzlich zu unter richten. Ab<br />

1987 gab sie nur noch in Klein Re ken Muttersprachlichen<br />

Ergän zungsunterricht. Die Lehrpläne<br />

wurden vom Land NRW vorge schrieben, vorher<br />

ka men sie <strong>aus</strong> <strong>Jugoslawien</strong>. Die Bücher kamen weiterhin<br />

<strong>aus</strong> <strong>Jugoslawien</strong>, wurden aber von der deutschen<br />

Seite bezahlt. Die Gemeinde <strong>Reken</strong> zahlte<br />

pro Schüler 25 DM. Die Schulaufsicht über den<br />

Muttersprachlichen Ergän zungsunterricht hatte<br />

das Schulamt Borken.<br />

Frau Bafs Verhältnis zu den Jugoslawen war ursprünglich<br />

gut, Probleme fingen erst an, als in Kroatien<br />

<strong>die</strong> Bestrebungen, sich vom jugoslawischen<br />

Staatsverband zu lösen, immer stärker wurden. Die<br />

Kriegssituation brachte Nationalismus und Intoleranz<br />

mit sich. So ließen sich auch Konflikte mit den<br />

Eltern der Schüler nicht vermeiden.<br />

Frau Baf hat von Anfang an mit <strong>dem</strong> jugoslawischen<br />

Kulturverein „Sloga“ zusammengear beitet.. Ihre<br />

Schülerinnen und Schüler<br />

haben dort gesungen oder<br />

Gedichte vorgetragen. Ihr<br />

späterer 2. Mann, Branko<br />

Baf, hat damals bei den<br />

Veranstaltungen <strong>die</strong> Schüler<br />

instrumental begleitet.<br />

1988 begann der Schüler<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch der Overbergschule<br />

in <strong>Reken</strong> mit der „Ivo-Lola-Ribar-Schule“<br />

(jetzige Schule „Kaštanjer) in Pula. Die Schulpartnerschaft<br />

hat sie ins Leben gerufen, weil sie etwas<br />

für <strong>die</strong> jugoslawischen und deutschen Schüler sowie<br />

für deren Lehrer tun wollte. Da mit wollte sie<br />

bei den Jugoslawen Heimatliebe wecken und bei<br />

den Deutschen ein bes seres Verständnis zu den<br />

Jugoslawen schaffen.<br />

Den Bürgerkrieg hat sie von Deutschland <strong>aus</strong> vor<strong>aus</strong>gesehen.<br />

Als er dann <strong>aus</strong>brach, hat sie sich besonders<br />

um ihre Verwandten <strong>aus</strong> Osijek gesorgt.<br />

Sie hat dann auch zwei Cousinen mit drei Kindern<br />

bei sich in Gelsenkirchen aufgenommen. Außer<strong>dem</strong><br />

hat sie viele Pakete <strong>nach</strong> Bosnien ge schickt,<br />

da ihre ehemalige Stammschule in Gelsenkirchen<br />

eine Schulpart nerschaft mit einer bosnischen<br />

Schule hatte. So konnte sie auch vielen Flüchtlingen<br />

helfen.<br />

Anfang der 90-er Jahre wurde ihr Muttersprachlicher<br />

Unterricht von der Antonius schule in Klein<br />

<strong>Reken</strong> an <strong>die</strong> Overbergschule in Groß <strong>Reken</strong> verlegt,<br />

weil hier inzwi schen <strong>die</strong> meisten kroatischen<br />

29


Kinder waren. So konnte <strong>die</strong> Gemeinde bei den<br />

Buskosten sparen.<br />

Die <strong>Menschen</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong><br />

waren und sind gut in <strong>Reken</strong> in tegriert. Sie bedauert<br />

aber, dass man <strong>die</strong> jugoslawischen Völker <strong>aus</strong>einander<br />

gebracht hat. Sie sagt, es sei egal wie ein<br />

Land heißt, was wichtig sei, ist ein friedliches und<br />

tolerantes Miteinander.<br />

Bericht zum Interview mit Frau Ana Baliban<br />

Im Interview mit Frau<br />

Baliban haben wir sie zur<br />

Einwanderung <strong>aus</strong> <strong>dem</strong><br />

<strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong><br />

<strong>nach</strong> <strong>Reken</strong> befragt. Sie hat<br />

uns erzählt, wie sie <strong>nach</strong><br />

Deutschland bzw. <strong>Reken</strong><br />

gekommen ist und wie es<br />

ist hier zu leben.<br />

Am 1. November 1975 kam sie im Alter von 21<br />

Jahren von <strong>Jugoslawien</strong> <strong>nach</strong> Groß <strong>Reken</strong>. Sie war<br />

bereits verheiratet und im 4. Monat schwanger. In<br />

<strong>Jugoslawien</strong> hatte sie 8 Jahre <strong>die</strong> Schule besucht.<br />

Ihr Mann wollte eigentlich nur ein Jahr in Deutschland<br />

arbeiten. Auch sie fand Arbeit bei Iglo. Beide<br />

wollten nur 2-4 Jahre in Deutschland arbeiten.<br />

Nach der Geburt ihrer Kinder entschieden sie sich<br />

zunächst in Deutschland zu bleiben, auch viele andere<br />

Kroaten blieben hier in Deutschland wegen<br />

ihrer Kinder.<br />

Als beide <strong>nach</strong> Deutschland kamen, konnten<br />

sie kein Deutsch, doch sie lernten es dann recht<br />

schnell. Auch konnten viele deutsche Mitarbeiter<br />

bei Langnese ein bisschen kroatisch spre chen. Die<br />

ersten 2 Jahre waren für sie und ihren Mann ohne<br />

ihre Familien sehr schwer.<br />

Bei ihrer Ankunft hatte ihr Mann ihre Wohnung<br />

schon eingerichtet. Ana hatte sich Deutsch land<br />

ganz anders vorgestellt. Sie besitzt zur Zeit eine<br />

unbefristete Aufenthaltsgenehmigung wie auch<br />

ihr Söhne.<br />

Zuerst lebte Familie Baliban in Groß <strong>Reken</strong>, <strong>nach</strong><br />

ein paar Jahren zogen sie <strong>nach</strong> Bahnhof <strong>Reken</strong> um.<br />

In <strong>die</strong>ser Zeit machte Ana auch ihren Führerschein.<br />

Sie hatte es damals schwe rer als <strong>die</strong> Mädchen im<br />

Heim, weil sie ihren Alltag mit ihrem Mann alleine<br />

bewältigen und selbstständig ihren H<strong>aus</strong>halt führen<br />

musste.<br />

Sie fand schnell Freunde. In der Firma Langnese-Iglo<br />

sind heute noch alle Mitarbeiter sehr<br />

freundlich, egal welche Nationalität sie haben. Sie<br />

kommt immer noch im Arbeitsleben gut klar. Die<br />

Arbeiter bei Iglo – damals Findus-Jopa – haben<br />

sich immer gegenseitig unterstützt, auch privat.<br />

Der Lohn bei Iglo in den Anfangsjahren war<br />

nicht sehr hoch.<br />

In den ersten Jahren wurde bei Iglo viel manuell<br />

gearbeitet, aber jetzt ist <strong>die</strong>se Ar beit viel durch<br />

Maschinen ersetzt worden. Trotz<strong>dem</strong> ist sie immer<br />

noch mit ihrer Arbeit bei Iglo zufrieden, wo sie<br />

jetzt in einer Gemüseabteilung arbeitet. Da immer<br />

30


noch Kroaten bei Iglo arbeiten, wird in den P<strong>aus</strong>enräumen<br />

kroatisch gesprochen.<br />

Ihre Söhne leben gern hier in Deutschland. Sie<br />

waren in Kroatien beim Militär. Früher sprach sie<br />

zu H<strong>aus</strong>e mit ihren Söhnen nur kroatisch. Heute<br />

werden beide Sprachen ge sprochen. Sie besitzt<br />

noch ein H<strong>aus</strong> in Kroatien. Einer ihrer Söhne, der<br />

jüngere , hat ver sucht in Kroatien Arbeit zu finden,<br />

da er in Deutschland erfolglos gesucht hat. Hätte<br />

er dort etwas gefunden, wäre er <strong>nach</strong> Kroatien gezogen.<br />

Karl-Heinz Braun (†),<br />

Werksdirektor der Firma Langnese-Iglo<br />

Telefonat Gerda-Marie Möller<br />

Da <strong>die</strong> Zuwanderung nahezu 40 Jahre zurückliege,<br />

seien seine Erin nerungen an <strong>die</strong> Zeit eher blass.<br />

Trotz<strong>dem</strong> erinnert er sich an Folgen des:<br />

Bei der Ankunft der Mädchen, <strong>die</strong> in ihrer Heimat<br />

insbesondere von Herrn Joachim Giese, Herrn<br />

Boris Karl und seiner Frau persönlich angeworben<br />

wurden und völlig legal <strong>nach</strong> Deutschland<br />

einreisten, war das Wohnheim in der <strong>ehemaligen</strong><br />

Schule in Hülsten bereits umgebaut und eingerichtet<br />

gewesen.<br />

Die Mädchen und Frauen waren zunächst sehr<br />

schüchtern und ver ängstigt. Sie waren zwischen<br />

16 und 25 Jahre alt. Das Ehepaar Karl half ihnen<br />

bei behördlichen Angelegenheiten, in<strong>dem</strong> sie als<br />

Übersetzer fungierten.<br />

Die Essenszubereitung stellte sich zunächst als ein<br />

wenig schwierig her<strong>aus</strong>. Die jungen Frauen aßen<br />

lieber Brot und Suppen statt der hier üblichen<br />

Speisen, besonders unbekannt waren ihnen Kartoffeln,<br />

<strong>die</strong> in verschiedenen Variationen angeboten<br />

wurden. Sie bekamen<br />

das von ihnen erwünschte<br />

Essen.<br />

Dass nun in Hülsten hübsche<br />

junge Mädchen wohnten,<br />

sprach sich schnell herum.<br />

Einige junge Männer<br />

belagerten das Wohnheim.<br />

Ein Mal musste <strong>die</strong> Polizei eingeschaltet werden.<br />

Nach kurzer Zeit beruhigte sich <strong>die</strong> Lage.<br />

In der Firma zeichneten sich <strong>die</strong> jungen Frauen<br />

durch großen Fleiß <strong>aus</strong>. Auch ihren Wohnbe reich<br />

gestalteten sie mit Bildern <strong>aus</strong> ihrer Heimat. Im<br />

Hofbereich schachteten sie ein Schwimmbecken<br />

<strong>aus</strong>, welches Maurer der Baufirma, <strong>die</strong> bei der Firma<br />

Findus unter Vertrag stand, betonierten. So<br />

entstand ein kleine Badeanstalt.<br />

Karl-Heinz Braun ist am 22. Juni 2008 verstorben.<br />

31


Bericht zum Interview mit Nikola Dedivanović<br />

Kolja (Nikola) Dedivanović<br />

ist in Montenegro(Titograd)<br />

geboren und auch<br />

aufgewachsen. Nach der<br />

Volksschule hat er in<br />

Monte negro eine Gastronomiefachschule<br />

besucht,<br />

aber nicht abge schlossen,<br />

weil er zur Armee eingezogen<br />

wurde.<br />

1969 kam er mit 20 Jahren als Gastarbeiter <strong>nach</strong><br />

Deutschland und wohnte zunächst in Rhade/Dorsten.<br />

In Deutschland hat er 2 Jahre in einer Molkerei<br />

und da<strong>nach</strong> als Lkw-Fahrer gearbeitet. Seine weiteren<br />

Berufe waren Kfz Schlosser und Busfahrer (bis<br />

1989). Seit 1989 ist er selbständiger Gastronom.<br />

Zur Zeit führt er ein Re stau rant in Duisburg.<br />

Mit den in <strong>Reken</strong> lebenden Jugoslawen ist er in<br />

Kontakt gekommen, als er sie mit <strong>dem</strong> Bus <strong>nach</strong><br />

<strong>Jugoslawien</strong> und wieder zurückgefahren hat. Zur<br />

Gründung des Kulturvereins „Sloga“ kam es, als<br />

viele Gastarbeiter solche Vereine zur Traditionsund<br />

Identitätspflege gründeten. Im Münsterland<br />

gab es bereits jugoslawische Kulturvereine<br />

z. B. in Münster, Bocholt und Lengerich. Herr<br />

Dedivanović wurde vom jugoslawischen Konsul<br />

<strong>aus</strong> Düsseldorf, Herrn Zrnc, auf einer Veranstaltung<br />

des Kulturvereins in Bocholt angesprochen,<br />

ob es in <strong>Reken</strong> einen Kulturverein gäbe. Da das<br />

nicht der Fall war, fragte er, ob denn <strong>die</strong> in <strong>Reken</strong><br />

lebenden Ju goslawen daran Interesse hätten und<br />

ob er, Nikola Dedivanović, einen solchen Verein<br />

gründen wolle. Daraufhin hat er <strong>die</strong> Jugoslawen in<br />

<strong>Reken</strong> angesprochen, von denen dann ei nige in einem<br />

Privath<strong>aus</strong> zusammengekommen sind. Dabei<br />

wurde beschlossen, einen Kultur verein namens<br />

„Sloga e.V.“ zu gründen. Der Name Sloga bedeutet<br />

„Einigkeit“. Dies war etwa Mitte der 80-er Jahre,<br />

und er wurde dann erster Vorsitzender.<br />

Der Club hat zum Beispiel mit den Kindern heimatliche<br />

Tänze in Trachten eingeübt und auf<br />

Festen vorgeführt. Bei <strong>die</strong>sen Feierlichkeiten gab<br />

es Essen und Trinken <strong>nach</strong> Landessitte, und <strong>die</strong><br />

<strong>Reken</strong>er Bevölkerung wurde dazu eingeladen. Oft<br />

spielten auch jugoslawische Ka pellen. Dazu stand<br />

<strong>die</strong> Halle Besseling immer – und zwar kostenlos -<br />

zur Verfügung. Die ein heimi schen <strong>Reken</strong>er haben<br />

hervorragend auf solche Veranstaltungen reagiert<br />

und stellten sogar ihre Hilfe unentgeltlich zur Verfügung.<br />

Der jugoslawische Staat hat den Club nicht<br />

be einflusst, aber auch nicht finanziell oder ideell<br />

unterstützt. Es wurde lediglich gewünscht, bei<br />

öffentli chen Veranstaltungen eine deutsche und<br />

eine jugoslawische Fahne aufzuhängen. Die Gemeinde<br />

<strong>Reken</strong> hat „Sloga“ finanziell unterstützt.<br />

Frau Baf, damals noch Frau Škifić, war <strong>die</strong> Lehrerin<br />

seiner Kinder. Sie hat <strong>dem</strong> Kulturverein bei<br />

der Vereinsarbeit geholfen, in<strong>dem</strong> sie z. B. das Programm<br />

des Clubs mitgestaltet hat.<br />

Herr Dedivanović wiederum hat <strong>die</strong> Schulpartnerschaft<br />

der Overbergschule insofern unter stützt, als<br />

er in seinem Verein dafür geworben hat, der Schule<br />

zu helfen. Dazu hat der Verein noch <strong>die</strong> Räumlichkeiten<br />

und Getränke zur Verfügung gestellt und bei<br />

den Abschieds feiern der Begegnungen gegrillt und<br />

gekellnert. Herr Dedivanović hat selbst den Bus zur<br />

ers ten Begegnung von <strong>Reken</strong> <strong>nach</strong> Pula gefahren.<br />

32


Als der Bürgerkrieg in <strong>Jugoslawien</strong> begann, war der<br />

Name „Sloga“ für den Kulturverein fehl am Platz.<br />

Da es in <strong>Reken</strong> viele Kroaten gab, nannten sie den<br />

Kulturverein <strong>nach</strong> der Selbstän digkeit Kroatiens<br />

nunmehr „Croatia“. Nikola Dedivanović, selbst <strong>aus</strong><br />

Montenegro stammend, hatte nicht mehr für den<br />

Vorsitz kandi<strong>die</strong>rt. Er wollte, dass nunmehr Kroaten<br />

selbst den neuen Verein mit <strong>dem</strong> Namen „Croatia“<br />

leiten sollten.<br />

Herr Dedivanović bedauert es nicht, dass der Name<br />

geändert wurde, weil <strong>die</strong> Ereignisse in seiner<br />

Heimat <strong>die</strong> alte Form kaputt gemacht hatten. Wegen<br />

des neuen Namens mieden jetzt Serben und<br />

Moslems den Kulturverein.<br />

In <strong>Reken</strong> sind <strong>die</strong> <strong>ehemaligen</strong> Jugoslawen seiner<br />

Meinung <strong>nach</strong> gut integriert. Zu <strong>die</strong>ser In teg ration<br />

hat für ihn das vorbildliche Verhalten der <strong>Reken</strong>er<br />

Behörden und der Bevölkerung we sent lich beigetragen<br />

Herr Dedivanović hat <strong>die</strong> albanische Nationalität,<br />

<strong>die</strong> montenegrinische Staatsangehörigkeit und ist<br />

römisch-katholisch. Als <strong>Jugoslawien</strong> <strong>aus</strong>einander<br />

brach, hat er darunter sehr gelitten, tut es heute<br />

aber nicht mehr.<br />

Joachim Giese, Leiter der<br />

Personalabteilung bei Langnese Iglo<br />

Telefonat 2007 u. Briefwechsel 2009 mit Gerda-Marie Möller<br />

Herr Giese war kurz von seiner guten Bekannten,<br />

Frau Gertrud Hölker, wohnhaft in <strong>Reken</strong>, über unser<br />

Projekt informiert worden. Seine Reaktion war<br />

bereitwillig und freundlich. Im Februar 2009 übersandte<br />

er uns sein Passbild mit einem Brief, in <strong>dem</strong><br />

er nochmals <strong>die</strong> Fähigkeiten der kroatischen Frauen<br />

hervorhob. „Das Gelingen (<strong>die</strong> Eingliederung)<br />

ist in erster Linie unseren „Mädchen“ zu verdanken,<br />

ihren menschlichen Qualitäten und <strong>dem</strong> „Stall“,<br />

<strong>aus</strong> <strong>dem</strong> wir sie gewonnen haben. Und dann sind<br />

sie hervorragend von unserer Heimleiterin, Frau<br />

Karl, betreut und geführt worden, unserer zu früh<br />

von uns gegangenen Frau Karl. Sie ist von Nada<br />

Pospišil, heute Frau Rosenkötter, damals um <strong>die</strong> 20<br />

Jahre alt, vertreten worden“. Ferner schreibt er: „Ich<br />

bin Ihnen von Herzen dankbar für <strong>die</strong> Mühen um<br />

<strong>die</strong> Darstellung der Geschichte unserer kroatischen<br />

Mitarbeiterinnen. Sie dürfte einmalig sein in der<br />

Geschichte unserer <strong>aus</strong>ländischen Gastarbeiter“.<br />

Herr Boris und seine Frau Anita Karl und auch er<br />

und seine Frau Irma sind wiederholt <strong>nach</strong> <strong>Jugoslawien</strong><br />

gereist, um junge Jugoslawinnen für <strong>die</strong> Arbeit<br />

bei der Firma Findus anzuwer ben. Dabei wurde<br />

sehr auf eine gute Schulbildung geachtet, auch <strong>die</strong><br />

Eltern wurden mit be urteilt. Die jungen Frauen<br />

mussten gute Kenntnisse im Lesen, Schreiben und<br />

Rechnen haben.<br />

Sie waren sozusagen handverlesen. Deshalb konnten<br />

sie <strong>nach</strong> ihrer Einarbeitung schnell zu Maschinenführerinnen<br />

aufsteigen. Sie mussten ihre Maschi-<br />

33


nen gut kennen und auch Pro duktionsprotokolle<br />

anfertigen. Manche arbeiteten in der Produktionskontrolle,<br />

andere im La bor. Eine junge Frau arbeitete<br />

vertretungsweise in seinem Büro. Eine andere<br />

war in der Te lefonzentrale und nahm natürlich auch<br />

Telefonate von hiesigen Landwirten an, <strong>die</strong> für Findus<br />

Gemüse anbauten. Die konnte <strong>nach</strong> einer Zeit<br />

sogar <strong>die</strong> plattdeutsche Sprache.<br />

Frauen, <strong>die</strong> später <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Ruhrgebiet herangefahren<br />

wurden, hatten nicht <strong>die</strong> Fähigkeiten der jugoslawischen<br />

Mädchen und Frauen. Herr und Frau<br />

Giese reisten u. a. <strong>nach</strong> Drniš, der Heimatgemeinde<br />

von Frau Karl und lernten deren Eltern kennen. Sie<br />

wurden hier wunderbar mit Schinken, Brot und anderen<br />

Köstlichkeiten der Region bewirtet.<br />

Bei einem anderen Besuch mit seiner ganzen Familie<br />

in <strong>die</strong>ser Gegend besuchten sie das Kloster Kirko.<br />

Hier bei den Mönchen waren Gieses bereits gut<br />

bekannt, weil <strong>die</strong> Mädchen, <strong>die</strong> nun in Deutschland<br />

in <strong>Reken</strong> waren, zu ihren Schäfchen gehörten. Gemeinsam<br />

wurden sie in der engen Kl<strong>aus</strong>ur von den<br />

Patres beköstigt.<br />

Den weit von ihrer jugoslawischen Heimat lebenden<br />

Frauen versuchte man das Leben an genehm<br />

zu gestalten, in<strong>dem</strong> Ausflüge gemacht wurden. Mal<br />

ging es in <strong>die</strong> Niederlande <strong>nach</strong> Winterswijk oder<br />

zum Openluchtmuseum <strong>nach</strong> Arnheim. Weih<strong>nach</strong>ten<br />

wurde fröhlich im Wohnheim in Hülsten gefeiert,<br />

dabei tanzten <strong>die</strong> jungen Frauen <strong>die</strong> Volkstänze<br />

<strong>aus</strong> ihrer Heimat.<br />

Auch <strong>nach</strong> ihrer Abwanderung <strong>nach</strong> Deutschland<br />

behielten <strong>die</strong> Frauen ihr Ansehen in ihrer Heimat.<br />

Viele heirateten Männer von dort, <strong>die</strong> dann <strong>nach</strong><br />

<strong>Reken</strong> <strong>nach</strong>zogen und Arbeit fan den. Andere wiederum<br />

heirateten Deutsche.<br />

Bericht zum Interview mit Antica und Asim Kadribašić<br />

Antica Kadribašić<br />

stammt <strong>aus</strong> Tisno<br />

bei Šibenik in Kroatien,<br />

Asim <strong>aus</strong><br />

Tuzla in Bosnien.<br />

Kennen ge lernt<br />

haben sie sich Anfang<br />

der 70-er Jahre,<br />

als Asim – er ist<br />

gelernter Anstreicher – in einer Feriensiedlung bei<br />

Šibenik mit Renovierungsarbeiten beschäftigt war.<br />

Antica bewarb sich <strong>nach</strong> ihrer Ausbildung als<br />

Schneiderin 1971 beim Arbeitsamt in Šibenik um<br />

eine Arbeitsstelle in Deutschland. Das Geld für<br />

<strong>die</strong> dazu notwendige ärztliche Untersu chung in<br />

Kroatien ver<strong>die</strong>nte sie sich mit Schneiderarbeiten.<br />

Zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt war sie be reits mit ihrem<br />

späteren Mann verlobt, der zunächst seinen Militär<strong>die</strong>nst<br />

in der jugoslawi schen Armee absolvieren<br />

musste. Sie bekam eine Zusage für eine Anstellung<br />

im Werk Langnese-Iglo in <strong>Reken</strong>.<br />

Die Fahrt von Šibenik über Zagreb <strong>nach</strong> Deutschland<br />

war anfangs für sie ein großes Aben teuer. Der<br />

Zug war voll mit jungen Frauen und Männern,<br />

<strong>die</strong> alle in Deutschland arbeiten wollten. Nach<br />

<strong>dem</strong> Umsteigen in München und Köln wurde sie<br />

34


von Anita Karl am Bahnhof in Borken abgeholt<br />

und zum Wohnheim <strong>nach</strong> Hülsten gefahren. Das<br />

Leben in der „Einsamkeit“ des Wohnheimes war<br />

anfangs ein Schock, aber mit Hilfe von Anita Karl<br />

und Nada Pospošil (später Rosenkötter) wurde der<br />

Einstieg in <strong>die</strong> neue Umgebung doch sehr erleichtert.<br />

Die Firma Langnese-Iglo sorgte damals nicht<br />

nur für <strong>die</strong> Unterkunft und Verpflegung der Mädchen,<br />

sondern war auch um eine gute Integration<br />

der Gastarbeiterinnen bemüht.<br />

Als Antica im Sommer 1973 in Tisno Urlaub<br />

machte, hatte Asim seinen Militär<strong>die</strong>nst be endet.<br />

Er wohnte bei seiner ältesten Schwester in Tuzla<br />

und wollte auf eigenen Füßen stehen. So entschieden<br />

sich Antica und Asim spontan zu heiraten,<br />

und in Tuzla wurde <strong>die</strong> Hochzeit gefeiert. Antica<br />

ließ ihren Jahresurlaub verlängern, und das junge<br />

Paar machte seine Hoch zeitsreise <strong>nach</strong> Deutschland.<br />

Hier reifte bei Asim der Entschluss, ebenfalls<br />

in Deutschland zu bleiben und sich vor Ort eine<br />

Arbeit zu suchen. Da in Deutschland gerade ein<br />

Anstellungs stopp für jugoslawische Gastarbeiter in<br />

Kraft getreten war, arbeitete er zunächst ohne Vertrag<br />

bei einer Anstreicherfirma in Dorsten. Antica<br />

blieb im Mädchenheim in Hülsten noch zwei Monate<br />

wohnen, wurde aber mit sanftem Druck dazu<br />

gebracht, sich zusammen mit ihrem Mann eine<br />

Wohnung zu suchen. Nach einer kurzen Zeit in<br />

einer winzig kleinen Woh nung fanden <strong>die</strong> jungen<br />

Eheleute ein passende Wohnung in Bahnhof <strong>Reken</strong>.<br />

Antica wurde bei ihrer Ankunft 1971 zunächst<br />

in der Produktion bei Langnese-Iglo eingesetzt,<br />

wechselte aber bereits <strong>nach</strong> neun Monaten in<br />

<strong>die</strong> Qualitätssicherung, wo sie bis zu ihrem Ausscheiden<br />

<strong>aus</strong> der Firma blieb. Im April 1974 hatte<br />

es Asim mit Hilfe seiner Frau und von Freunden<br />

ebenfalls geschafft, mit einem ordentlichen Arbeitsvertrag<br />

bei Langnese-Iglo im Lager eingestellt<br />

zu werden. Auch er blieb dort bis zum Eintreten in<br />

den Vorruhestand. Asim war 12 Jahre im Betriebrat<br />

von Langnese-Iglo in <strong>Reken</strong>.<br />

Beide Eheleute schwärmen von der Hilfsbereitschaft<br />

der Jugoslawen untereinander und der deutschen<br />

Arbeitskollegen und Nachbarn. Obwohl<br />

es keine besonderen Sprachkurse gab, haben sie<br />

relativ schnell <strong>die</strong> deutsche Sprache durch den<br />

täglichen Umgang gelernt. Sie sprechen fließend<br />

Deutsch, können deutsche Texte gut lesen, es<br />

fällt ihnen aber schwer, in deutscher Sprache zu<br />

schreiben. Ihre beiden Töchter sind zweisprachig<br />

groß geworden und haben gute Schulabschlüsse<br />

gemacht. Sie besuchten den Muttersprachlichen<br />

Ergänzungsunterricht in Serbokroatisch bzw. später<br />

in Kroatisch.<br />

Anfangs haben Antica und Asim gemeint, <strong>nach</strong> ein<br />

paar Jahren Arbeit in Deutschland <strong>nach</strong> Šibenik<br />

zurückzukehren. Aber als <strong>die</strong> Kinder geboren wurden,<br />

gaben sie <strong>die</strong>se Pläne auf, weil sie sich immer<br />

stärker in <strong>Reken</strong> heimisch fühlten und hier auch<br />

Freunde gewannen. Asim spielte Fußball in der Betriebssportmannschaft<br />

und zusätzlich in Lembeck.<br />

Sie haben inzwischen zusammen mit Anticas Bruder<br />

in Tisno ein Appartementh<strong>aus</strong> gebaut, in <strong>dem</strong><br />

sie Urlaub machen und das sich auch vermieten.<br />

Asim war Mitglied im Kulturverein Sloga. Als der<br />

jugoslawische Bürgerkrieg <strong>aus</strong>brach, hat das ihre<br />

Ehe in keiner Weise belastet. Nach ihrem Kenntnisstand<br />

sind in <strong>Reken</strong> keine Ehen zwischen den<br />

Nationalitäten des <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong>s in <strong>die</strong><br />

Brüche gegangen. Überhaupt gab es keine offenen<br />

Feindschaften in <strong>Reken</strong> zwischen den Nationalitä-<br />

35


ten. Bei den Hilfsaktionen des Clubs Sloga haben<br />

sie mitgemacht. Sie berichten, dass Hilfslieferungen<br />

<strong>aus</strong> <strong>Reken</strong> nicht nur Kroaten, sondern auch<br />

Bosniern zugute kamen.<br />

Ende 1992 oder Anfang 1993 gab es, nicht zuletzt<br />

durch den Bosnienkrieg <strong>aus</strong>gelöst, viele bosnische<br />

Flüchtlinge in <strong>Reken</strong>. Damals gründeten <strong>die</strong> Bosnier<br />

einen eigenen Club, der im „Weißen H<strong>aus</strong>“ im<br />

Unterdorf Groß <strong>Reken</strong> einen Raum mit Nebenraum<br />

angemietet hatte. Asim wurde dort 1. Vorsitzender.<br />

Etwa 50 Personen gehörten <strong>dem</strong> Club<br />

an. Die Gemeinde <strong>Reken</strong> hat keine finanzielle<br />

Unterstützung für den Club geleistet, da sie wohl<br />

befürchtete, dass weitere Clubs entstehen könnten.<br />

Schließlich wurde es immer schwieriger, <strong>die</strong> Miete<br />

für den Verein aufzubringen, sodass Asim 1995<br />

den Vorsitz niederlegte. Kurz da<strong>nach</strong> wurde der<br />

Club dann auch aufgelöst.<br />

Bericht zum Interview mit Boris Karl<br />

Im Interview mit Boris<br />

Karl haben wir ihn zur Einwanderung<br />

<strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong><br />

Jugosla wien <strong>nach</strong><br />

<strong>Reken</strong> befragt. Er hat uns<br />

erzählt, wie <strong>die</strong> <strong>Menschen</strong><br />

<strong>nach</strong> Deutschland (in <strong>die</strong>sem<br />

Falle <strong>nach</strong> <strong>Reken</strong>) gekommen<br />

sind und wie es<br />

ihnen ergangen ist.<br />

1969 hat <strong>die</strong> Firma Findus-Jopa GmbH (seit 1970<br />

Unilever, Langnese-Iglo) Arbeitskräfte für ihre erweiterten<br />

Produktionsanlagen im Werk <strong>Reken</strong> gesucht.<br />

Durch persönliche Gespräche der Eheleute<br />

Ankica (Anita) und Boris Karl mit Interessentinnen<br />

<strong>aus</strong> Donja Stubica (in der Nähe von Zagreb)<br />

kamen am 29. September 1969 <strong>die</strong> ersten 15 jungen<br />

Frauen <strong>nach</strong> <strong>Reken</strong>; am 14.10.1969 sind 5<br />

weitere (Mädchen) angereist. Sie alle wurden im<br />

Frauenwohnheim in Hülsten untergebracht. Das<br />

H<strong>aus</strong> <strong>die</strong>nte früher als Schule und wurde dann zum<br />

Wohnheim umgebaut. Zwei Jahre später wurden<br />

<strong>die</strong> ersten 20 Männer persönlich vom damaligen<br />

Perso nalleiter im Werk <strong>Reken</strong>, Joachim Giese, und<br />

Boris Karl in Donja Stubica für das Werk in <strong>Reken</strong><br />

angeworben.<br />

Da Anita Karl <strong>aus</strong> Drniš<br />

stammte, wurden in den<br />

folgenden Jahren nur noch<br />

Mitarbeiter/innen <strong>aus</strong> der<br />

Gegend um Šibenik und<br />

Drniš zum Werk in <strong>Reken</strong><br />

vermittelt. Anita Karl wurde<br />

Heimleiterin in Hülsten<br />

und reiste mit Herrn Giese<br />

Anfang der 70-er Jahre mehr fach <strong>nach</strong> Drniš, um<br />

weitere Mädchen im Alter von 18-20 Jahren anzuwerben.<br />

Die Mädchen wurden schon vor Ort ärztlich<br />

untersucht und sollten ein Jahr in Deutschland<br />

arbeiten. Sie ka men mit Bussen und Zügen. Ca.<br />

136 Mädchen zogen ins Wohnheim Hülsten ein.<br />

Im Kolping h<strong>aus</strong> Coesfeld waren ca. 50 Männer<br />

<strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong> untergebracht.<br />

Insge samt wurden 280 Männer und Frauen zur<br />

36


Arbeit <strong>nach</strong> Findus-Jopa ge holt. Beim Eintreffen<br />

in <strong>Reken</strong> mussten sie ihren Familienstand und ihre<br />

Religionszugehörig keit angeben. Da <strong>die</strong> Daten<br />

nicht überprüft werden konnten, wurden sie in <strong>die</strong><br />

Lohnsteuer karten übernommen. Ihre Aufenthaltskarten<br />

mit Namen, Alter und Arbeitserlaubnis waren<br />

ein Jahr gültig, konnten dann aber auf 5 Jahre<br />

verlängern werden, da<strong>nach</strong> wurden sie unbefristet<br />

eingestellt. Es gab keine Probleme mit den Arbeitsbehörden.<br />

Die Neuankömmlinge arbeiteten zunächst in der<br />

Produktion, manche wurden später auch be fördert.<br />

In den meisten Fällen arbeiteten <strong>die</strong> Männer in der<br />

Nachtschicht und <strong>die</strong> Frauen tagsüber. Nach der<br />

ersten Lohnabrechnung gab es Klärungsbedarf<br />

zum Brutto- und Nettolohn. Abzüge für Steuern<br />

und Sozialversicherungsbeiträge waren den Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong><br />

<strong>Jugoslawien</strong> nicht bekannt. Da der Monatslohn auf<br />

ein Konto überwiesen wurde, musste ihnen <strong>die</strong>ses<br />

Verfahren vom Vorstand der Spar- und Darlehenskasse<br />

(Herr Renke, Herr Schürmann) erklärt<br />

werden. Fast alle Frauen und Männer traten in <strong>die</strong><br />

Gewerkschaft ein. Im Betriebsrat wurden sie durch<br />

ihre Landsleute Anita Karl, Milan Šafran und Asim<br />

Kadribašić vertreten.<br />

Die Gastarbeiter/innen, <strong>die</strong> <strong>nach</strong> <strong>Reken</strong> kamen,<br />

stammten <strong>aus</strong> der Gemeinde Drniš, <strong>dem</strong> Kreis<br />

Šibenik, <strong>dem</strong> Kreis Knin und <strong>dem</strong> Kreis Donja<br />

Stubica, also alle <strong>aus</strong> der damaligen So zialistischen<br />

Republik Kroatien innerhalb <strong>Jugoslawien</strong>s. Circa<br />

60-70% von ihnen waren Ka tholiken und 30-40%<br />

orthodoxe Christen. Durch <strong>die</strong>se unterschiedlichen<br />

Bekenntnisse wurde im Heim Hülsten zweimal<br />

Weih<strong>nach</strong>ten gefeiert: Am 25.12. für <strong>die</strong> Katholiken<br />

und am 7.1. für <strong>die</strong> Orthodoxen.<br />

Bis zum Jahre 1991/92 wurde in der Kapelle<br />

in Hülsten einmal im Monat vom katholischen<br />

Pastor Kruno Bekaveć eine Messe gefeiert,<br />

später wurden <strong>die</strong> katholischen Kroaten durch<br />

Pater Jakov Kupresanin <strong>aus</strong> Bocholt betreut,<br />

der 14-tägig in Bahnhof <strong>Reken</strong> eine Messe in<br />

kroatischer Sprache las. Seit 2004 werden <strong>die</strong><br />

Katholiken von der Kroatisch-Katholischen-Mission<br />

Münster durch Pater Dr. Luka Marković<br />

seelsorgerisch betreut.<br />

Einmal im Jahr fuhren <strong>die</strong> Mitarbeiter/innen in<br />

den Urlaub <strong>nach</strong> H<strong>aus</strong>e, hierfür wurden Bus fahrten<br />

durch <strong>die</strong> Personalabteilung und Frau Karl organisiert.<br />

Die Fahrtkosten musste jeder selbst tragen.<br />

In <strong>dem</strong> Wohnheim gab es natürlich eine H<strong>aus</strong>ordnung,<br />

in der z. B. geregelt war, wann man abends<br />

zu H<strong>aus</strong>e sein musste und welche Mädchen Reinigungs<strong>die</strong>nst<br />

hatten. Außer<strong>dem</strong> wur den sie<br />

in Deutsch unterrichtet. Viele Mädchen haben<br />

Landsleute geheiratet, <strong>die</strong> im nahe ge legenen<br />

Bergbau arbeiteten, es wurden aber auch Ehen<br />

mit deutschen Männern bzw. Frauen geschlossen.<br />

Wenn eins der Mädchen geheiratet hatte, durfte es<br />

nicht mehr im Heim wohnen. Frau Karl half ihnen<br />

dann, eine Wohnung zu finden.<br />

1972 erkannte <strong>Jugoslawien</strong> <strong>die</strong> DDR an, und es gab<br />

vorübergehend einen Einreisestopp für jugoslawische<br />

Gastarbeiter <strong>nach</strong> Deutschland. Da<strong>nach</strong> wurden<br />

10 Mädchen <strong>aus</strong> Irland und einige <strong>aus</strong> anderen<br />

Ländern, wie der Türkei, geholt. Die blieben aber<br />

nur kurze Zeit und wa ren dann verschwunden.<br />

1981 wurde das Heim dann in der damaligen Form<br />

und Größe geschlossen, weil sich <strong>die</strong>se Art der Unterbringung<br />

für <strong>die</strong> meisten Frauen überholt hatte.<br />

Heute beherbergt das H<strong>aus</strong> einen Kindergarten<br />

und mehrere Wohnungen.<br />

37


Am 1. Juli 2006 wurde <strong>die</strong> Iglo GmbH gegründet.<br />

Im Herbst 2006 wurden <strong>die</strong> europäischen Iglo-<br />

Tiefkühlkostunternehmen (und damit auch das<br />

Werk <strong>Reken</strong>) an <strong>die</strong> britische Investmentgesellschaft<br />

Permira verkauft.<br />

Es bleibt noch anzumerken, dass 1970 männliche<br />

Gastarbeiter <strong>aus</strong> der Republik Bosnien und<br />

Herzegowina <strong>nach</strong> <strong>Reken</strong> kamen, <strong>die</strong> von der<br />

Tiefbau firma Mönke<strong>die</strong>k angeworben wurden. Sie<br />

wohnten zunächst kurze Zeit in Coesfeld, da<strong>nach</strong><br />

in <strong>Reken</strong>. Später kamen weitere Män ner, deren<br />

Frauen bald <strong>nach</strong>zogen.<br />

Langnese Iglo<br />

Langnese = Eis<br />

Iglo = Tiefkühlkost<br />

Bericht zum Interview mit Vorstandsmitgliedern des<br />

Kulturvereins „Kroatia“<br />

1990 kam es im Club „Sloga“ zu Neuwahlen, da<br />

sich Nikola Dedivanović im Zusammenhang mit<br />

<strong>dem</strong> sich anbahnenden Nationalitätenkonflikt <strong>aus</strong><br />

der Arbeit zurückgezogen hatte. Vlade Miljak wurde<br />

Vorsitzender, Bere Goreta sein Stellvertreter.<br />

Der neue Vorstand begann umgehend, Geld bei<br />

den kroatischen Mitbürgern einzusammeln, welches<br />

<strong>die</strong> Entstehung und das Überleben des sich<br />

in Umrissen abzeichnenden eigenständigen neuen<br />

Staates Kroatien sichern sollte. Bis August 1991<br />

wurden insgesamt 40.900 DM gesammelt und als<br />

Barbetrag <strong>nach</strong> Kroatien gebracht.<br />

1992 wurde der Name des Kulturvereins „Sloga“ in<br />

„Kroatia“ umgeändert und ins Vereinsregister beim<br />

Amtsgericht in Borken eingetragen.<br />

Vorstandmitglieder des Kulturvereins „Kroatia“ vor<br />

den Pokalen der vereinseigenen Fußballmannschaft,<br />

v. l.: Ivica Bubalo, Bere Goreta, Vlade Miljak,<br />

Ante Vicković, Boris Karl<br />

Nach<strong>dem</strong> sich Kroatien für unabhängig erklärt<br />

hatte und der Krieg mit Serbien <strong>aus</strong>gebrochen<br />

war, wurden in der Zeit von November 1991 bis<br />

Oktober 1955 Hilfslieferungen von insgesamt<br />

mehr als 1,2 Millionen DM über den Club Kroatia<br />

von <strong>Reken</strong> in <strong>die</strong> unterschiedlichsten Regionen<br />

Kroatiens (in einem Falle auch Medikamente und<br />

Sanitäts<strong>aus</strong>rüstung in Höhe von 22.000 DM <strong>nach</strong><br />

Sarajewo) transportiert, wobei oft <strong>die</strong> kroatische<br />

Caritas Ansprechpartnerin und Vermittlerin war.<br />

Es handelt sich bei <strong>die</strong>sen Hilfslieferungen vor-<br />

38


wiegend um Hilfsgüter wie Grundnahrungsmittel,<br />

Kleidung, Wäsche, Medikamente, Verbandsmaterial<br />

usw.<br />

Bei <strong>die</strong>sen Hilfslieferungen konnten <strong>die</strong> Kroaten<br />

auf <strong>die</strong> tatkräftige Unterstützung von deutschen<br />

Privatpersonen und Firmen <strong>aus</strong> <strong>Reken</strong> und Umgebung<br />

bauen. Der Anteil der Spenden von deutscher<br />

Seite wird von Boris Karl auf etwa 50% geschätzt.<br />

So stellte z. B. <strong>die</strong> Firma Langnese-Iglo Nahrungsmittel<br />

zum Einkaufspreis oder <strong>die</strong> Firma Weddeling<br />

<strong>aus</strong> Borken LKWs zur Verfügung. Der Verein<br />

hat eine Liste mit 35 Transporten aufgestellt, unter<br />

denen 5 von den deutschen Arbeitskollegen<br />

Heinz-Theo Krampe und Helmut Glose begleitet<br />

wurden.<br />

Lebensläufe und Funktionen einiger<br />

Vorstandsmitglieder<br />

Ivica Bubalo, Jahrgang<br />

1954, kam 1979 <strong>nach</strong><br />

Deutschland. Er hat bis<br />

1995 unter Tage auf der<br />

Zeche Prosper-Haniel<br />

in Bottrop gearbeitet. Er<br />

heiratete 1992 seine Frau,<br />

<strong>die</strong> bei Langnese-Iglo arbeitet, und ist <strong>nach</strong> <strong>Reken</strong><br />

gezogen. Er war und ist Schatzmeister des Kulturvereins<br />

„Kroatia“.<br />

Bere Goreta, Jahrgang<br />

1954, stammt <strong>aus</strong> Drniš<br />

und kam 1974 <strong>nach</strong><br />

Deutschland. Er arbeitete<br />

18 Monate auf der Zeche<br />

Nordstern in Gelsenkirchen<br />

und da<strong>nach</strong> bis 2007<br />

bei der Firma Langnese-<br />

Iglo. 1976 hat er geheiratet und wohnt seit<strong>dem</strong> in<br />

Maria Veen. Bere Goreta war viele Jahre stellvertretender<br />

Vorsitzender im Club „Kroatia“.<br />

Boris Karl ist seit 1997 ununterbrochen<br />

Vorsitzender<br />

des Kulturvereins „Kroatia“.<br />

Weitere Informationen<br />

finden sich in unserem<br />

Bericht zu einem eigenen<br />

Interview mit ihm.<br />

Vlade Miljak, Jahrgang<br />

1946, stammt <strong>aus</strong> <strong>dem</strong><br />

Dorf Aržano, östlich von<br />

Split nahe der bosnischen<br />

Grenze. Als er 1968 <strong>nach</strong><br />

Dortmund kam, halfen<br />

ihm seine deutschen<br />

Sprachkenntnisse <strong>aus</strong> der<br />

Schule. Er arbeitete 1 Jahr<br />

im Straßenbau, da<strong>nach</strong> bis zur Rente im Jahre 2006<br />

bei zwei Firmen im Fertigbau, stieg rasch zum Polier<br />

auf und war auf B<strong>aus</strong>tellen in Frankreich, Belgien,<br />

Holland und Polen. Er war von 1990 bis 1997<br />

(mit kurzer Unterbrechung) Vorsitzender von<br />

„Kroatia“ <strong>Reken</strong>.<br />

Ante Vicković ist seit einigen<br />

Jahren zweiter Vorsitzender<br />

des Kulturvereins<br />

Kroatia. Er ist Jahrgang<br />

1952 und stammt <strong>aus</strong><br />

Divojević, einem sehr<br />

kleinen Ort in der Umgebung<br />

von Split. 1991 kam<br />

er während der Kriegsereignisse in Kroatien <strong>nach</strong><br />

Deutschland und arbeitete bei verschiedenen Bau-<br />

39


firmen, auch in <strong>Reken</strong>. Heute ist er bei einer Leiharbeiterfirma<br />

angestellt. Ante ist seit 1992 verheiratet<br />

und hat einen Sohn im Alter von 15 Jahren.<br />

Aktivitäten des Kulturvereins<br />

„Kroatia“, Verhältnis der<br />

nichtkroatischen Bürger zum Klub,<br />

Integration in <strong>Reken</strong><br />

Der Kulturverein „Kroatia“ versteht sich als Anlauf-<br />

und Begegnungsstätte in Bahnhof Re ken. Die<br />

Aktivitäten finden sich im Bericht zum Interview<br />

mit Marijan Renić. Laut Satzung steht er allen<br />

Nationalitäten offen. Auch Deutsche sind Mitglieder.<br />

Die Vorstandsmitglieder bestätigen, dass mit<br />

Beginn der politischen Auseinandersetzungen in<br />

<strong>Jugoslawien</strong> <strong>die</strong> Nicht kroaten <strong>dem</strong> Club fernblieben,<br />

einige sich jetzt aber wieder annäherten. In<br />

der Zeit der kriege rischen Auseinandersetzungen<br />

gab es in Deutschland zwar Spannungen, aber<br />

wenige Ausschreitungen zwischen den Volksgruppen,<br />

in <strong>Reken</strong> keine.<br />

Die Aufnahme in <strong>Reken</strong> und <strong>die</strong> Integration in<br />

<strong>die</strong> hiesige Gesellschaft wird von allen Vorstandsmitgliedern<br />

mit den Schulnoten „Gut“ bis „Sehr<br />

gut“ bewertet. Die Kinder der Einwanderer fühlen<br />

sich <strong>nach</strong> ihrer Meinung vorwiegend als Deutsche<br />

und <strong>Reken</strong>er, fahren aber gern in <strong>die</strong> kroatische<br />

Heimat, um dort Urlaub zu machen. Nur wenige<br />

Kroaten der zweiten Generation sind bisher <strong>nach</strong><br />

Kroatien übergesiedelt. Ab <strong>dem</strong> Jahre 2000 erhalten<br />

<strong>die</strong> Nachkommen der Kinder bei ihrer Geburt<br />

in Deutschland <strong>die</strong> deutsche Staatsangehörigkeit.<br />

Die Eltern haben <strong>die</strong> Möglichkeit, ihre Kinder bei<br />

der kroatischen Botschaft anzumelden. Die Kinder<br />

können bis zum 22. Lebensjahr entscheiden, ob sie<br />

<strong>die</strong> kroatische oder eine doppelte Staatsangehörigkeit<br />

annehmen wollen.<br />

Die Schulpartnerschaft der Overbergschule mit der<br />

Schule „Kaštanjer“ (vor mals „Ivo-Lola-Ribar“) in Pula<br />

von Georg Meirick, Hauptschulrektor a. D.<br />

Auf unserem Schulfest im<br />

Sommer 1987 besuchte<br />

uns Marija Škifić, <strong>die</strong> damals<br />

den muttersprachlichen<br />

Ergänzungsun terricht<br />

in Serbokro atisch an der<br />

Antoniusschule in Klein<br />

<strong>Reken</strong> leitete. Sie machte<br />

mir den Vorschlag, eine<br />

Schulpartnerschaft unserer<br />

Haupt schule mit der<br />

„Ivo-Lola-Ribar-Schule“ in ihrer Heimatstadt Pula<br />

in Ist rien zu schlie ßen. Wir hatten damals schon<br />

etliche jugoslawische Kin der in der Hauptschule,<br />

und es war zu erwarten, dass ihre Zahl in den<br />

nächsten Jahren weiter anwachsen würde. Nach<br />

kurzer Bedenkzeit stimmte ich zu – und erlebte in<br />

den folgenden Jahren einen Schüler <strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch, der<br />

das Schul leben unserer Schule sehr bereichert und<br />

eine Menge dazu beigetragen hat, <strong>die</strong> Mentalität<br />

un serer <strong>aus</strong>ländischen Mitbürger zu verstehen und<br />

ihre Herzlichkeit schätzen zu lernen.<br />

40


Die erste Begegnung fand vom 16. bis 24. April<br />

1988 in Pula statt. 36 Schülerinnen und Schüler<br />

<strong>aus</strong> der Overbergschule fuhren mit. Den Bus<br />

steuerte Nikola Dedivanović, Vorsitzen der des<br />

Jugoslawischen Kulturvereins Sloga in <strong>Reken</strong>,<br />

Marija Škifić war natürlich dabei und Josef Heinen<br />

von der Antoniusschule. Unsere Elternvertreterin,<br />

Frau Donjes, sowie zwei Lehrkräfte <strong>aus</strong><br />

der Overbergschule und ich als Schulleiter fuhren<br />

mit. Der Empfang in Pula war unkompliziert und<br />

herzlich. Unsere Kinder wurden in Familien untergebracht,<br />

wir Er wachsene logierten im Hotel<br />

Brioni. Es gab in <strong>Jugoslawien</strong> damals etwa 30<br />

Schulen, <strong>die</strong> den Namen „Ivo-Lola-Ribar“ trugen.<br />

Die Schulen trugen den Namen eines <strong>ehemaligen</strong><br />

Kampfge fährten des 1980 verstorbenen jugoslawischen<br />

Staatspräsidenten Tito. Während unseres<br />

Be suches fand in Pula <strong>die</strong> so genannte „Loliada“<br />

statt, d. h. <strong>die</strong> ca. 30 „Ivo-Lola-Ribar-Schu len“<br />

<strong>aus</strong> allen Republiken des <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong>s<br />

hatten Abordnungen von Schülern und Lehrern<br />

<strong>nach</strong> Pula ge schickt, <strong>die</strong> irgendwie untergebracht<br />

werden mussten. Die organi satorische<br />

Leistung der Schullei tung (Herr Gulobović, Frau<br />

Hiseni) war enorm und bewun dernswert. An<br />

einem Kultur abend zeigte jede Gastschule, was<br />

sie drauf hatte an Gesangs-, Tanz-, Varieté- und<br />

Schau spieldarbietungen, dass es uns <strong>die</strong> Sprache<br />

verschlug. Wir selbst hatten einen Kunterdanz<br />

vorbereitet, der dank Josef Heinens Improvisationsgabe<br />

einigerma ßen passabel über <strong>die</strong> Bühne<br />

ging und großen (höflichen) Beifall fand. Die<br />

Abende im Hotel Brioni waren für uns Erwachsene<br />

insofern besonders bemerkenswert, als wir<br />

ein herzliches Miteinander der Lehr kräfte aller<br />

Schulen mit Gesang und Tanz erlebten, in das<br />

auch wir ein bezogen waren.<br />

Von 1989 bis 1991 fanden insgesamt noch drei<br />

weitere Begegnungen (zwei in <strong>Reken</strong> und eine in<br />

Pula) statt, an der insgesamt ca. 150 Kinder <strong>aus</strong><br />

Pula bzw. <strong>Reken</strong> teilnahmen. Am 27. April 1990<br />

wurde <strong>die</strong> Schulpartnerschaft mit einer Urkunde,<br />

künstlerisch gestaltet von Hans Winking, von der<br />

stellvertretenden Bürgermeisterin Gerda-Marie<br />

Möller und Ratsmitglied Walter Wullen in einer<br />

Feierstunde in Pula besiegelt. Der jugoslawi sche<br />

Club Sloga in <strong>Reken</strong> stand uns dabei zur Seite,<br />

<strong>die</strong>nte als abendliche Anlaufstelle für <strong>die</strong> jugoslawischen<br />

Kinder und bewirtete uns mit Köstlichkeiten<br />

beim Abschiedsabend. Die letzte Begegnung<br />

im Juni 1991 stand schon im Zeichen<br />

des beginnenden jugoslawischen Bürger kriegs,<br />

der mit <strong>dem</strong> 10-Tage-Krieg am 27. Juni 1991 in<br />

Slowenien begann und letztlich zum Auseinanderbrechen<br />

<strong>Jugoslawien</strong>s führte. Als wir zwei Monate<br />

vorher mit einer Erwachse nengruppe Istrien<br />

besucht hatten, lag schon eine fast körperlich<br />

spürbare Spannung über <strong>dem</strong> Land. Die Region<br />

Istrien mit Pula wurde nicht direkt in <strong>die</strong> kriegerischen<br />

Auseinandersetzun gen hineingezogen, an<br />

eine Fortführung der Begegnungen war allerdings<br />

vorerst nicht zu denken. Jetzt zeigten sich jedoch<br />

<strong>die</strong> Früchte der Partnerschaft: Zweimal wurden<br />

in der Overbergschule Hilfspa kete für <strong>die</strong> kroatischen<br />

Krisengebiete gepackt und verschickt.<br />

Marija Škifić und der Vorsit zenden unserer Elterninitiative,<br />

Ingrid Freidank, gebührt hier das<br />

Ver<strong>die</strong>nst, sich aufopfernd engagiert zu haben. Im<br />

Frühjahr 1992 packten <strong>die</strong> Antoniusschule und<br />

wir erneut einen LKW mit Hilfsgütern, der von<br />

Andreas Fraune, Konrektor der Antonius schule,<br />

und Herbert Wort mann <strong>aus</strong> Klein <strong>Reken</strong> <strong>nach</strong><br />

Pula gefahren und dort freudig in Emp fang genommen<br />

wurde.<br />

41


Nach <strong>dem</strong> Bürgerkrieg ging es nur zögernd mit der<br />

Schulpartnerschaft weiter. Einer Einla dung <strong>aus</strong> Pula<br />

im Jahre 1993 konnten wir nicht <strong>nach</strong>kommen,<br />

da <strong>die</strong> <strong>Reken</strong>er Eltern, ver schreckt durch <strong>die</strong> vielen<br />

im Fernsehen gezeigten Gräuel <strong>die</strong>ses schrecklichen<br />

Krieges, nicht bereit waren, ihre Kinder mitzuschicken,<br />

obwohl in Istrien Friede herrschte und<br />

es auch so gut wie keine Kampfhandlungen gegeben<br />

hatte. Ich beschloss, mit meiner Frau privat<br />

<strong>nach</strong> Pula zu fahren, und wir besuchten dort <strong>die</strong><br />

Partnerschule, <strong>die</strong> inzwischen einen „neutralen“<br />

Namen bekommen hatte und jetzt „Kaštanjer“<br />

(Kastanien) hieß. Kroatien war inzwischen als<br />

selb ständiger Staat international anerkannt, aber<br />

erfreulicherweise hatte sich <strong>die</strong> Schule nicht von<br />

<strong>dem</strong> häufig anzutreffenden überzogenen Nationalismus<br />

anstecken lassen.<br />

1994 ging es dann mit <strong>dem</strong> Schüler<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch weiter.<br />

Zu nächst luden wir <strong>die</strong> Pulaner <strong>nach</strong> <strong>Reken</strong><br />

ein. Erst 1996 gelang es uns, wieder eine kleine<br />

Schülergruppe <strong>aus</strong> Re ken für einen Aust<strong>aus</strong>ch zu<br />

gewinnen, so groß war das Misstrauen bei unseren<br />

Eltern gegenüber stabilen politischen Verhältnissen<br />

in Kroatien, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Sicherheit der Kinder garantierten.<br />

Da<strong>nach</strong> ging der Schüler<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch wieder<br />

im gewohnten Rhythmus wei ter, so dass 1998<br />

das 10-jährige Bestehen mit <strong>dem</strong> Aus t<strong>aus</strong>ch von<br />

Urkunden gefeiert werden konnte.<br />

Bei allen Begegnungen war uns <strong>die</strong> Gemeinde<br />

<strong>Reken</strong> ein großzügiger Partner, der nicht nur Zuschüsse<br />

gab, son dern auch <strong>die</strong> Gäste im Rath<strong>aus</strong><br />

empfing. Die Bürger meister ließen es sich nehmen,<br />

den Gästen auf einer Rundfahrt <strong>die</strong> Gemeinde zu<br />

erklären. Aber auch in Pula wurden wir stets im<br />

historischen Rath<strong>aus</strong> empfangen und dort bewirtet.<br />

Der Kulturverein „Kroatia“, der an <strong>die</strong> Stelle<br />

des Vereins „Sloga“ getreten war, half uns ebenfalls<br />

bei den Be gegnungen in <strong>Reken</strong>.<br />

Auch <strong>nach</strong> meinem Ausscheiden <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Schul<strong>die</strong>nst<br />

im Jahre 2002 ging <strong>die</strong> Schulpartner schaft<br />

weiter, so dass es bis heute zu 10 Begegnungen<br />

gekommen ist, an denen schätzungs weise 350 bis<br />

400 junge <strong>Menschen</strong> <strong>aus</strong> Deutschland und Kroatien<br />

teilgenommen haben.<br />

Bericht zum Interview mit Marijan Renić<br />

Marijan Renić ist 1967 in<br />

Kroatien geboren und kam<br />

mit 5 Jahren <strong>nach</strong> Deutschland.<br />

Sein Vater hatte <strong>aus</strong><br />

politischen Gründen <strong>Jugoslawien</strong><br />

verlassen. Herr<br />

Renić besitzt <strong>die</strong> deutsche<br />

und kroati sche Staatsangehörigkeit.<br />

Er hat noch<br />

Kontakte zu seiner Heimat<br />

und reist regelmä ßig dort hin. Herr Renić fühlt sich<br />

eher als Euro päer denn als Kroate oder Deutscher.<br />

Die Deut schen erlebt er als ganz normal wie <strong>Menschen</strong><br />

<strong>aus</strong> anderen Ländern auch.<br />

Marijan Renić hat Diplompädagogik stu<strong>die</strong>rt und<br />

arbeitet jetzt auch in <strong>die</strong>sem Beruf. Bereits während<br />

seines Studiums im Jahre 1991 hat er sich als<br />

Student um bosnische Flüchtlinge in Osna brück<br />

gekümmert. Dann war er 1994 beim Ministerium<br />

42


für Euro paangelegenheiten an gestellt und für <strong>die</strong><br />

Unterbringung von Flüchtlingen <strong>aus</strong> Bosnien-Herze<br />

gowina in Niedersach sen zuständig. Seit 1996<br />

ar beitet er bei der Caritas im Fach<strong>die</strong>nst für Integration<br />

und Mig ration in Borken. Dort berät und<br />

betreut er alle Migranten und unter stützt auch Vereine<br />

wie z. B. „Kroatia <strong>Reken</strong> e. V.“ mit seinem Fußballclub<br />

und Frauenchor. Zusammen mit <strong>dem</strong> Vorsitzenden<br />

Boris Karl hat er <strong>nach</strong> der Auflösung des<br />

Kulturvereins „Sloga“ den Kulturverein „Kroatia<br />

<strong>Reken</strong> e. V.“ reorganisiert.<br />

Bei der Beratung sucht <strong>die</strong> Caritas <strong>die</strong> Leute auch<br />

auf und lässt sie nicht nur <strong>nach</strong> Borken kommen.<br />

Es wurden auch Hilfsprojekte, z. B. in Bosnien unterstützt.<br />

Inzwischen ist <strong>die</strong> dritte Generation der<br />

Kroaten herangewachsen. Sie sind sehr gut integriert<br />

und inzwi schen auch sehr bildungsbewusst.<br />

Spezielle Probleme zwischen Kroaten und Deutschen<br />

sieht er nicht. Bedingt durch den Bürgerkrieg<br />

war <strong>die</strong> Lage zwischen den Nationalitäten<br />

des <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong>s auch in Deutschland<br />

gespannt. Jedoch gab es trotz des Krieges keine<br />

Ausschreitungen zwischen den Volksgruppen,<br />

denn sie gingen sich <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Weg. Offene Feindseligkeiten<br />

hat er auch in Re ken nicht wahrgenommen.<br />

Inzwischen sind <strong>die</strong> sechs Republiken des<br />

<strong>ehemaligen</strong> Ju gosla wiens selbstständige Staaten:<br />

Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien,<br />

Mazedo nien, Montenegro (und neuerdings<br />

noch das Kosovo, das früher keine eigene Repu blik<br />

war, sondern zu Serbien gehörte).<br />

Der Kulturverein Kroatia <strong>Reken</strong> wird von seinen<br />

Landsleuten in <strong>Reken</strong> gut angenom men. Jetzt sind<br />

sogar Mädchen und Frauen im Club mit aktiv. Der<br />

Verein ist selbstständig, wird aber von der Caritas<br />

unterstützt, auch finanziell. Fußball hat viel zur<br />

Sozialisation und Integration von Jugendlichen<br />

beigetra gen. Mit der Gemeinde und den örtlichen<br />

Politikern gab es immer eine gute Zusammenarbeit.<br />

Weitere Einrichtungen zur Integration zwischen<br />

Deut schen und Kroaten in <strong>Reken</strong> kennt<br />

Herr Renić nicht.<br />

Die katholische Kirche spielt in Kroatien eine sehr<br />

große Rolle, da sie viel zur nationalen Identität<br />

beigetragen hat. Die Kroaten werden auch heute<br />

noch von der kroatischen katholischen Mission<br />

<strong>aus</strong> Münster betreut. In Bahnhof <strong>Reken</strong> finden regelmäßig<br />

alle 14 Tage Gottes<strong>die</strong>nste in der Landessprache<br />

statt.<br />

Bericht zum Interview mit Nada und Dieter Rosenkötter<br />

Als wir das Ehepaar Rosenkötter<br />

in ihrem H<strong>aus</strong><br />

besuchten, hatten es sich<br />

wegen einer bevorstehenden<br />

Veranstaltung in<br />

ihrem Fitness-Studio ihre<br />

Sportkleidung angezogen.<br />

Nada Rosenkötter, geborene Pospišil, erinnert<br />

sich, dass sie genau am 29.9.1969 gegen 9 Uhr vormittags<br />

in Hülsten angekommen ist. Sie gehörte zu<br />

den ersten 16 Mädchen, <strong>die</strong> in das Mädchenheim<br />

in der <strong>ehemaligen</strong> Hülsterner Schule einzogen und<br />

am 1. Oktober 1969 ihre Arbeit bei Findus-Jopa<br />

aufnahmen. Nada stammt <strong>aus</strong> Zagreb, war gelernte<br />

43


Friseurin und im <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong> zur damaligen<br />

Zeit arbeitslos geworden. Sie war von Ankica<br />

(Anita) Karl in Zagreb angesprochen worden<br />

und hatte sich sehr schnell entschlossen, das Angebot,<br />

in Deutschland zu arbeiten, anzunehmen.<br />

Nach<strong>dem</strong> sie zunächst in der Produktion eingesetzt<br />

wurde, kam sie kurze Zeit später in <strong>die</strong> Qualitätskontrolle,<br />

bevor sie ab <strong>dem</strong> 11.02.1972 im<br />

Personalbüro ihre endgültige Stellung bei Langnese-Iglo<br />

(vormals Findus-Jopa) fand. Sie teilte sich<br />

im Mädchenheim in Hülsten ein Zimmer mit einer<br />

Arbeitskollegin, was sie sehr gemütlich einrichteten<br />

und wurde <strong>nach</strong> einiger Zeit Stellvertreterin<br />

Anita Karls in der Heimleitung. Anfang der 70-er<br />

Jahre lebten auch 40-50 jugoslawische Mädchen<br />

in Heiden in einem Heim in der <strong>ehemaligen</strong> Landschule<br />

Leblich-West, um <strong>die</strong> sich Nada während<br />

der Urlaubszeit des dortigen Heimleiterehepaares<br />

auch kümmern musste.<br />

Zunächst ging es Nada darum,<br />

<strong>die</strong> deutsche Sprache<br />

so zu lernen, dass man sich<br />

gut verständigen konnte.<br />

Boris Karl gab Unterricht,<br />

aber den größten Teil der<br />

deutschen Sprachkenntnisse<br />

erwarb sie durch eigene<br />

Bemühungen. Noch<br />

heute bewahrt sie das kleine Notizbuch auf, in das<br />

sie deutsche Redewendungen und Sätze eintrug,<br />

<strong>die</strong> sie zuh<strong>aus</strong>e mit Hilfe eines Lexikons übersetzte<br />

und dann lernte.<br />

Ursprünglich wollte Nada nur zwei Jahre in<br />

Deutschland bleiben, dar<strong>aus</strong> wurden dann bis<br />

heute fast 40 Jahre. Sie erinnert sich gerne an ihre<br />

Arbeit bei Langnese-Iglo. Das lag vor allem auch<br />

an der guten Betreuung in ihren Unterkünften und<br />

der großen Akzeptanz am Arbeitsplatz. Dafür und<br />

auch, weil sie keine familiären und andere Bindungen<br />

hatten, waren <strong>die</strong> Mädchen auch immer<br />

bereit, Sonderschichten einzulegen, wenn es nötig<br />

wurde.<br />

Die Mädchen <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong><br />

pflegten gute Kontakte zu ihren Arbeitskolleginnen<br />

und –kollegen sowie zur Werksleitung. In der<br />

Advents- und Weih<strong>nach</strong>tszeit gab es für das Heim<br />

einen großen Adventskranz und einen Weih<strong>nach</strong>tsbaum<br />

von der Firma. Im Gegenzug wurden<br />

der Direktor Karl-Heinz Braun und andere leitende<br />

Angestellte zur Weih<strong>nach</strong>tsfeier eingeladen. Für<br />

<strong>die</strong> Kinder all ihrer Mitarbeiter/innen im Schichtbetrieb<br />

packten <strong>die</strong> Mädchen in ihrer Freizeit Geschenktüten<br />

zu Nikol<strong>aus</strong>.<br />

Nur wenige Kontakte gab es während des Heimataufenthaltes<br />

zur <strong>Reken</strong>er Bevölkerung. Anita Karl<br />

hatte es nicht gern, dass <strong>die</strong> Mädchen <strong>die</strong> nahe gelegene<br />

Gastwirtschaft in Hülsten besuchten oder<br />

einen „<strong>aus</strong>schweifenden Lebenswandel“ führten.<br />

Gewundert hat sich Nada darüber, dass sie <strong>die</strong><br />

<strong>Menschen</strong> <strong>aus</strong> Hülsten beim Schützenfest als sehr<br />

kontaktfreudig und gelöst kennen lernte, was sich<br />

aber <strong>nach</strong> den Feiertagen legte.<br />

1979 hat Nada Pospišil<br />

Dieter Rosenkötter geheiratet,<br />

der Betriebsingenieur<br />

bei Langnese-Iglo<br />

und Chef der Feuerwehr<br />

bis zu seinem Ausscheiden<br />

<strong>aus</strong> der Firma im Jahre<br />

2000 war. Als <strong>die</strong> Tochter<br />

Anja geboren wurde,<br />

44


arbeitete Nada zunächst noch eine kurze Zeit bei<br />

Langnese-Iglo , ist dann aber 1982 <strong>aus</strong> der Firma<br />

<strong>aus</strong>geschieden. Ihre Tochter wuchs zweisprachig<br />

auf, d. h. Nada sprach mit ihr von Anfang an neben<br />

Deutsch auch Kroatisch. Anja besitzt <strong>die</strong> deutsche<br />

Staatsangehörigkeit und fühlt sich auch als Deutsche,<br />

wobei sie immer wieder gern in <strong>die</strong> Heimat<br />

ihrer Mutter fährt und sich dort fließend mit den<br />

Verwandten unterhalten kann.<br />

Die Gräueltaten beim Auseinanderbrechen des<br />

jugoslawischen Staates verurteilt Nada Rosenkötter<br />

<strong>aus</strong> tiefstem Herzen. Sie persönlich war wenig<br />

davon betroffen, da ihre Verwandtschaft in Zagreb<br />

wohnt. Sie erinnert sich gut daran, dass in den 70-<br />

er Jahren sowohl das katholische (für <strong>die</strong> Kroatinnen)<br />

als auch das orthodoxe Weih<strong>nach</strong>tsfest (für<br />

<strong>die</strong> Serbinnen) im Mädchenheim zu unterschiedlichen<br />

Zeiten miteinander gefeiert wurde, ohne dass<br />

<strong>die</strong>s zu irgendwelchen Schwierigkeiten führte .<br />

Bericht zum Interview mit Milan Šafran<br />

Herr Šafran wurde 1949 in<br />

der Nähe von Varaždin, einer<br />

Stadt mit knapp 50.000<br />

Einwohnern im Norden<br />

Kroatiens, geboren. Er<br />

kommt <strong>aus</strong> einem katholischen<br />

Elternh<strong>aus</strong>, hatte<br />

6 Geschwister, besuchte <strong>die</strong> Volksschule, dann das<br />

Gymnasium und begann ein Studium der Philosophie<br />

in Kroatien. Um seine Schwester finanziell zu<br />

unterstützen, <strong>die</strong> ebenfalls ein Studium begonnen<br />

hatte, kam er 1971 <strong>nach</strong> Deutschland, <strong>nach</strong><strong>dem</strong><br />

er seins unterbrochen hatte und in Zagreb für <strong>die</strong><br />

Firma Langnese-Iglo vermittelt worden war. Er arbeitete<br />

in der Produktion und wohnte im Kolpingh<strong>aus</strong><br />

in Coesfeld. Nach kurzer Zeit lernte er seine<br />

deutsche Frau Mechthild kennen, <strong>die</strong> ebenfalls<br />

bei Langnese-Iglo arbeitete. Es handelte sich von<br />

Anfang an um eine echte Liebesbeziehung, <strong>die</strong> bis<br />

heute Bestand hat. Sie heirateten 1973 und zogen<br />

eine Tochter und einen Sohn groß, <strong>die</strong> Deutsch<br />

als ihre Muttersprache haben. 1983 bauten sie gemeinsam<br />

ihr H<strong>aus</strong>, weshalb sie von vielen Landsleuten,<br />

<strong>die</strong> seiner Meinung <strong>nach</strong> zu wenig über ihre<br />

Zukunft und <strong>die</strong> ihrer Kinder <strong>nach</strong>gedacht hatten,<br />

belächelt wurden.<br />

Die Einarbeitung in seinen Job bereitete ihm keine<br />

großen Schwierigkeiten, zumal er sich mit großem<br />

Engagement um <strong>die</strong> rasche Aneignung der deutschen<br />

Sprache bemühte. Geärgert hat ihn ein wenig,<br />

dass deutsche Mitarbeiter - sicherlich in guter<br />

Absicht - oft selbst in gebrochenem Deutsch mit<br />

ihm sprachen. Von Anfang an unterstützte ihn seine<br />

spätere Ehefrau bei <strong>dem</strong> Erlernen der deutschen<br />

Sprache. So stieg Herr Šafran rasch zum Vorarbei-<br />

45


ter auf. Immer wieder dolmetschte er im Werk und<br />

auch für <strong>die</strong> <strong>Reken</strong>er Gemeindeverwaltung zur<br />

Verständigung mit Nachsiedlern und Flüchtlingen<br />

<strong>aus</strong> <strong>dem</strong> damaligen <strong>Jugoslawien</strong>. Er wurde Mitglied<br />

der Werksfeuerwehr bei Langnese-Iglo, trat<br />

der Gewerkschaft NGG bei und wurde in den Betriebsrat<br />

gewählt. 1973 beschäftigte Langnese-Iglo<br />

353 Mitarbeiter <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> früheren <strong>Jugoslawien</strong>.<br />

„Das damalige soziale Engagement von Langnese-<br />

Iglo gab mir und meinen Mitarbeitern Sicherheit<br />

und Vertrauen, und man arbeitete gerne in <strong>Reken</strong>“,<br />

ist sich Herr Šafran sicher.<br />

Nach<strong>dem</strong> Kroatien 1992 <strong>nach</strong> heftigen kriegerischen<br />

Auseinandersetzungen mit <strong>Jugoslawien</strong> seine<br />

Selbständigkeit durchgesetzt hatte, organisierte<br />

Milan Šafran von 1992 bis 1993 zahlreiche Hilfstransporte<br />

<strong>aus</strong>schließlich für <strong>die</strong> Zivilbevölkerung<br />

in seiner Heimat. Dabei fand er in vielfacher Weise<br />

in <strong>Reken</strong> und Umgebung große Unterstützung.<br />

Der Klub Kroatia gehörte mit seinen vielen Spendensammlungen<br />

dazu, auch Pater Jakov von der<br />

Kroatischen Mission sammelte mit seinem unermüdlichen<br />

Einsatz Spenden. Über <strong>die</strong> Vertragslieferanten<br />

der Firma Langnese-Iglo erwarb man<br />

Materialien für den täglichen Lebensunterhalt<br />

zum Einkaufspreis, bzw. bekam sie sogar gespendet.<br />

Konserven und andere Hilfsgüter kaufte man<br />

von der Bundeswehr. Es gab zahlreiche Medikamentenspenden.<br />

Die Hilfstransporte bestanden<br />

<strong>aus</strong>schließlich <strong>aus</strong> Sachspenden. Geld dafür wurde<br />

auf vielfache Weise zusammengetragen, z. B. durch<br />

<strong>die</strong> Teilnahme des Klubs Kroatia am Groß <strong>Reken</strong>er<br />

Weih<strong>nach</strong>tsmarkt, den auch bosnische Frauen mit<br />

ihren typischen heimatlichen Speisen unterstützten.<br />

LKWs für <strong>die</strong> Transporte stellte das Transportunternehmen<br />

Weddeling <strong>aus</strong> Borken kostenlos zur<br />

Verfügung. Mit den Herren Miljak und Mujan und<br />

seinen Arbeitskollegen, Herrn Glose und Herrn<br />

Krampe, fuhr Herr Šafran an freien Wochenenden<br />

nur bis an <strong>die</strong> kroatische Grenze, da sie <strong>die</strong><br />

Krisengebiete nicht passieren durften. In Kroatien<br />

organisierte <strong>die</strong> dortige Caritas in der Regel <strong>die</strong><br />

Transporte weiter. Eine Ladung, <strong>die</strong> 350 000 DM<br />

wert war, wurde an der Grenze nicht in Empfang<br />

genommen. Von Polizei begleitet, fuhren <strong>die</strong> Männer<br />

mit ihrer Hilfsladung <strong>nach</strong> Varaždin, wo auch<br />

bosnische Flüchtlinge mit Hilfsgütern versorgt<br />

wurden. Dieser Transport wurde von serbischen<br />

Flugzeugen <strong>aus</strong> der Luft beobachtet.<br />

Während <strong>die</strong>ser Reisen waren <strong>die</strong> Frauen in großer<br />

Sorge, da sie fast immer ohne Nachrichten von ihren<br />

Männern zuh<strong>aus</strong>e <strong>aus</strong>harrten. Natürlich waren<br />

sie und viele andere Kroaten und Deutsche in hohem<br />

Maße an allen Vorbereitungen beteiligt.<br />

Milan Šafran freute sich darüber, dass sich heute<br />

das Verhältnis der zugewanderten <strong>Menschen</strong> unterschiedlicher<br />

Nationalität <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong><br />

<strong>Jugoslawien</strong> gegenüber <strong>dem</strong> vor 10 Jahren deutlich<br />

verbessert hat, <strong>nach</strong><strong>dem</strong> es damals nicht immer<br />

ganz spannungsfrei war.<br />

Heute sehen <strong>die</strong> Kinder der Zuwanderer <strong>aus</strong> Kroatien<br />

und anderen Teilen des <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong>s<br />

ihre Chance für <strong>die</strong> Zukunft im Streben <strong>nach</strong><br />

guten Schulabschlüssen und Ausbildungen und<br />

bewerben sich vereinzelt um eine Ausbildung im<br />

Werk Iglo..<br />

46


Zusammenfassend sagt Milan Šafran: „Ohne das<br />

Entgegenkommen der <strong>Reken</strong>er und <strong>die</strong> Bereitschaft<br />

des Zusammenlebens wäre es zu keiner Integration<br />

gekommen. Ich lebe mit meiner Familie<br />

gerne in <strong>Reken</strong> und habe ein erfülltes Familienleben<br />

. Ich wollte immer mehr für andere machen als<br />

für mich.“ Diese Einstellung bestätigt sich in der<br />

Atmosphäre beim Gespräch mit ihm und seiner<br />

Frau.<br />

Interview mit Edisa Terzic und ihrer Mutter Suhra Terzic<br />

Edisa ist im Juni 1981 als<br />

jüngstes Kind bosnischer<br />

Eltern in Borken geboren<br />

und mit zwei älteren<br />

Brüdern in <strong>Reken</strong> aufgewachsen.<br />

In ihrer frühen<br />

Kindheit wuchs sie in ihrer<br />

Familie zweisprachig auf.<br />

Während ihre Eltern mit<br />

ihr immer serbokroatisch sprachen, fand <strong>die</strong> Kommunikation<br />

mit ihren Brüdern, wie auch heute<br />

noch, immer in deutscher Sprache statt.<br />

Im Kindergarten, den sie ab ihrem 4. Lebensjahr<br />

besuchte, lernte sie bis zum Eintritt in <strong>die</strong> Grundschule<br />

durch den Umgang mit deutschen Kindern<br />

und ihren Erzieherinnen den sicheren Umgang<br />

mit der deutschen Sprache. In der Schule bereitete<br />

ihr nur im Fach Mathematik das Lesen der<br />

Zahlen gewisse Schwierigkeiten, da <strong>die</strong>se in ihrer<br />

Muttersprache einfach <strong>nach</strong>einander gelesen werden<br />

und sich <strong>die</strong> Schreib- und Sprechweise nicht<br />

unterscheidet.<br />

Sowohl im Kindergarten als auch in der Schule<br />

gab es zwischen jugoslawischen und deutschen<br />

Kindern keine Streitigkeiten. Von den Lehrern<br />

wurden <strong>die</strong>se gen<strong>aus</strong>o behandelt wie alle anderen<br />

Kinder und bekamen auch den Leistungen gemäß<br />

Empfehlungen zu allen weiterführenden Schulen.<br />

Ebenso lebten <strong>die</strong> Kinder der unterschiedlichen<br />

Nationalitäten <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong> <strong>Jugoslawien</strong><br />

vorurteilslos miteinander, auch unterschieden sich<br />

ihre Sprachen nur unwesentlich voneinander.<br />

Beim Ausbruch des Krieges in ihrer Heimat änderte<br />

sich <strong>die</strong>ses Verhältnis untereinander. In der<br />

Schule kam es zu „Klübchenbildungen“ , wie Edisa<br />

anmerkt. „Man verkehrte nicht mehr miteinander.<br />

Auch kam es vereinzelt zu verbalen Angriffen.<br />

Heute ist das Verhältnis untereinander wieder vorurteilsloser.“<br />

Die Lehrstellensuche <strong>nach</strong> der Schulzeit gestaltete<br />

sich <strong>aus</strong> Edisas Sicht für sie und ihre Landsleute<br />

schwieriger als für ihre deutschen Mitschüler/<br />

innen. Allein <strong>die</strong> <strong>aus</strong>ländischen Namen machten<br />

47


<strong>die</strong> Firmeninhaber stutzig. Es wurden doch lieber<br />

deutsche Bewerber, falls vorhanden, eingestellt.<br />

Edisa machte eine 2-jährige Lehre als Verkäuferin<br />

und arbeitete anschließend in verschiedenen<br />

Einzelhandelsgeschäften. Heute bearbeitet sie als<br />

Büroangestellte in einer Zeitarbeiterfirma <strong>die</strong> Eingänge<br />

von Reklamationen für Elektrogeräte.<br />

Ihre Eltern stammen <strong>aus</strong> der Stadt Prijedor, <strong>die</strong> in<br />

der Nähe von Banja Luka in Bosnien liegt. 1970 verließen<br />

sie ihre Heimat und fanden zunächst Arbeit<br />

in der Nähe von Ludwigshafen, in der Gemeinde<br />

Bobenheim-Roxheim bei der Firma Arktis, einer<br />

Lebensmittelfabrik, ähnlich der Firma Langnese<br />

Iglo. Auch <strong>die</strong>se Firma warb gezielt Arbeitskräfte<br />

in Bosnien an, <strong>die</strong> vor Ort von deutschen Ärzten<br />

untersucht wurden, <strong>die</strong> beispielsweise fehlende<br />

Impfungen und Zahnreparaturen anordneten. Sie<br />

wurden mit gültigen Arbeitspapieren <strong>aus</strong>gestattet.<br />

Nach zwei Jahren zogen beide <strong>nach</strong> <strong>Reken</strong>, wo ein<br />

Schwager von ihnen lebte, der ihnen sagte, in <strong>Reken</strong><br />

würden Arbeitskräfte gesucht. Nun arbeitete<br />

Frau Terzic, wegen der Versorgung ihrer Kinder<br />

mit Unterbrechungen, bis 2005 bei der heutigen<br />

Firma Langnese- Iglo. Ihr Mann ist seit seiner Ankunft<br />

ununterbrochen bei der Firma Mönke<strong>die</strong>k<br />

tätig.<br />

Bereits 1968 ist Herr Mönke<strong>die</strong>k mit einem in Dülmen<br />

lebenden Bosnier in dessen Heimat gereist,<br />

um Arbeitskräfte für sein Tiefbauunternehmen<br />

anzuwerben, für <strong>die</strong> er auch <strong>die</strong> nötigen Arbeitspapiere<br />

beschaffte. Es gelang ihm, sowohl unverheiratete<br />

als auch verheiratete bosnische Männer<br />

in seiner Firma in <strong>Reken</strong> einzustellen. Letztere<br />

ließen ihre Familien zurück, kehrten <strong>nach</strong> einer<br />

gewissen Zeit wieder in <strong>die</strong> Heimat zurück oder<br />

ließen ihre Angehörigen <strong>nach</strong> geraumer Zeit <strong>nach</strong><br />

<strong>Reken</strong> <strong>nach</strong>kommen. Die<br />

Männer lebten zum Teil<br />

im H<strong>aus</strong> des Ehepaares<br />

Mönke<strong>die</strong>k.<br />

Suhra Terzic bedauert es<br />

sehr, dass sie damals bei<br />

ihrer Ankunft in Deutschland<br />

keine Möglichkeit erhielt,<br />

<strong>die</strong> deutsche Sprache in Schrift und Bild zu<br />

lernen. Heute könne jeder Zuwanderer <strong>die</strong> deutsche<br />

Sprache erlernen, was sie sehr begrüßt. Sie ist<br />

froh über <strong>die</strong> umfangreichen Kenntnisse ihrer Kinder<br />

in der deutschen Sprache, weil sie schließlich<br />

dauerhaft hier leben.<br />

Das Ehepaar Terzic bewohnt ein Eigenheim.<br />

Frau Terzic und ihre Tochter Edisa haben 1999 <strong>die</strong><br />

deutsche Staatsangehörigkeit angenommen, <strong>die</strong><br />

doppelte Staatsbürgerschaft gab es zu <strong>dem</strong> Zeitpunkt<br />

nicht. Diese würde heute den Besuch in der<br />

Heimat sehr vereinfachen, da sie nun als Deutsche<br />

Einreisepapiere benötigen und sich nur 4 Wochen<br />

dort aufhalten dürfen.<br />

Während der Kriegswirren waren etliche ihrer<br />

Verwandten <strong>nach</strong> Deutschland, bzw. <strong>Reken</strong> geflüchtet<br />

und bei ihnen und in anderen Wohnungen<br />

untergebracht. Bitter war es für <strong>die</strong> Familie Terzic,<br />

dass <strong>die</strong> Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren<br />

mussten, obwohl sie selbst ihren Lebensunterhalt<br />

erarbeiteten, ihre Kinder <strong>die</strong> Schule hier besuchten<br />

und sie zunächst nicht in ihr ursprüngliches<br />

Heimatdorf zurückkehren durften, sondern in<br />

abgelegenen Orten notdürftig untergebracht wurden.<br />

Erst jetzt beginnt sich ihr Leben allmählich<br />

zu normalisieren.<br />

48


Bericht zum Interview mit Branco Vujnić<br />

Herr Vujnić kam 1970 <strong>aus</strong><br />

Kroatien <strong>nach</strong> Deutschland.<br />

Er ist gelernter<br />

Maurer, hatte in seiner<br />

Heimat eine feste Arbeit<br />

und er ver<strong>die</strong>nte dort nicht<br />

schlecht. Trotz<strong>dem</strong> wollte<br />

er <strong>nach</strong> Deutschland, was<br />

für ihn wie ein Abenteuer<br />

war.<br />

Von 1970 – 1976 arbeitete er bei Langnese, anschließend<br />

bei der Baufirma Brun mit 11 weiteren<br />

Mitarbeitern. Vor seiner Heirat lebte er mit 25 anderen<br />

Männern im Kolpingh<strong>aus</strong> in Coesfeld.<br />

Seine Frau kam eineinhalb Jahr später <strong>nach</strong>. Zusammen<br />

wohnten sie mit einer anderen ju goslawischen<br />

Familie über der Tankstelle der Firma<br />

Bruns. Diese Wohnung, <strong>die</strong> vorher eine Art Männerwohnheim<br />

für jugoslawische Mitarbeiter der<br />

Findus Werke war, ist von der Firma umgebaut und<br />

hergerichtet worden.<br />

1972 kam ihre Tochter zur Welt, ihr folgte noch ein<br />

Sohn und eine weitere Tochter.<br />

Er verspürte nie Fremdenfeindlichkeit. Seine<br />

Deutschkenntnisse erwarb er sich bei der Arbeit<br />

und im Sportverein in Marbeck, wo er Fußball<br />

spielte. Der Fußballsport half ihm sehr bei sei ner<br />

Integration in Deutschland<br />

Branco Vujnićs ganze Familie besitzt <strong>die</strong> deutsche<br />

Staatsangehörigkeit. Er und seine Frau schickten<br />

ihre beiden älteren Kinder zum muttersprachlichen<br />

Unterricht. Die Kinder, auch seine jüngste<br />

Tochter, können ihre Muttersprache lesen, sprechen<br />

und auch schreiben. Die Enkelkinder sprechen<br />

kaum Kroatisch. Die älteste Tochter arbeitet<br />

in einer kroatischen Firma.<br />

Seit acht eineinhalb Jahren betreibt das Ehepaar<br />

Vujnic seine Gaststätte in Groß <strong>Reken</strong>, in der es<br />

viele deutsche Freunde kennen gelernt hat. Frau<br />

Vujnić arbeitete vorher neun Jahre in der Gaststätte<br />

Vogelwiesche. Sie machten dabei gute Erfahrungen<br />

für ihren eigenen Betrieb.<br />

Familie Vujnić will <strong>aus</strong> <strong>Reken</strong> nicht mehr wegziehen,<br />

sondern hier bleiben. Ihre Kinder sind mittlerweile<br />

hier verheiratet.<br />

Nach einem Jahr Aufenthalt in Deutschland fuhr<br />

Herr Vujnić zurück in seine Heimat, <strong>die</strong> er aber sofort<br />

wieder verließ, da er keine Arbeit fand.<br />

49


Bericht zum Interview mit Frau Borka Wahlers<br />

und Herrn Heinz Wahlers<br />

In <strong>dem</strong> Interview mit<br />

Herrn und Frau Wahlers<br />

haben wir sie zur Einwanderung<br />

<strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>ehemaligen</strong><br />

<strong>Jugoslawien</strong> <strong>nach</strong><br />

Deutschland bzw. <strong>Reken</strong><br />

befragt. Sie berichteten<br />

uns, wie Frau Wahlers<br />

<strong>nach</strong> <strong>Reken</strong> kam und wie<br />

es ihr hier erging.<br />

Im Jahr 1969 war der Arbeitsmarkt in <strong>Jugoslawien</strong><br />

sehr schlecht. Als Frau Wahlers dann das Angebot<br />

bekam, <strong>nach</strong> Deutschland zu fahren und dort zu arbeiten,<br />

nahm sie es an, obwohl sie noch zur Schule<br />

ging und nicht alt genug war. Daraufhin ist sie mit<br />

anderen Mädchen in einem Bus <strong>nach</strong> Deutschland<br />

gekommen. Hier wohnte sie in Hülsten im Wohnheim<br />

bis 1974. Mit <strong>dem</strong> Geld, das Frau Wahlers<br />

und <strong>die</strong> anderen Mädchen <strong>aus</strong> Jugosla wien hier<br />

ver<strong>die</strong>nten, wollten sie ihre Familien unterstützen.<br />

Sie schickten alle paar Wochen Geld <strong>nach</strong> H<strong>aus</strong>e.<br />

Sie berichtete von der der tollen Gemeinschaft in<br />

<strong>dem</strong> Wohnheim und der Heimleiterin Anita Karl,<br />

<strong>die</strong> gleichzeitig auch eine gute Freundin war. Sie<br />

erzählte uns von den Regeln im Heim, wie z. B. dass<br />

sie sich in einem Buch eintragen mussten, wenn sie<br />

<strong>aus</strong>gehen wollten oder dass keine Männerbesuche<br />

erlaubt waren. Auch erzählte sie, dass in <strong>dem</strong><br />

Zimmern im Heim oft 4-6 Mädchen untergebracht<br />

waren und dass dadurch viele neue Freundschaften<br />

entstanden sind.<br />

Frau Borka Wahlers musste kurz vor ihrer Heirat<br />

mit Herrn Heinz Wahlers im Jahr 1972 ihre Geburtsurkunde<br />

wieder ändern. Sie hatte sich vorher<br />

ein wenig älter gemacht, um mit <strong>nach</strong> Deutschland<br />

kommen zu können.<br />

Herr und Frau Wahlers leben heute noch in<br />

<strong>Reken</strong>.<br />

Die Mädchen, <strong>die</strong> ins Wohnheim zogen, um bei<br />

Iglo zu arbeiten, wurden ein Jahr in Deutsch unterrichtet.<br />

Frau Wahlers wollte ursprünglich Chemietechnikerin<br />

werden, fing aber erst so an zu arbeiten.<br />

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Impressum<br />

Autoren:<br />

Mariam Egazi, Jessica Hemmer, Lisa Hüppe,<br />

Georg Meirick, Gerda-Marie Möller,<br />

Susanne Struwe<br />

Her<strong>aus</strong>geber:<br />

Heimatverein <strong>Reken</strong> e.V.<br />

Layout, Satz, Gesamtherstellung:<br />

P<strong>aus</strong> Me<strong>die</strong>n GmbH<br />

Industriestraße 23<br />

48653 Coesfeld-Lette<br />

An der Erstellung des Layouts hat teilweise eine<br />

Schülergruppe der Overbergschule mitgewirkt.<br />

Diese Schrift wurde mit finanzieller Unterstützung<br />

der Firma Iglo, Werk <strong>Reken</strong>, sowie der<br />

Gemeinde <strong>Reken</strong> gedruckt.


„Die Arbeiter bei Findus haben sich immer<br />

gegenseitig unterstützt, auch privat.“<br />

(Ana Baliban)

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