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Die Underbergs und der Oberberg - Geschichte ... - Sven Heitkamp

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<strong>Die</strong> <strong>Un<strong>der</strong>bergs</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Oberberg</strong> -<br />

<strong>Geschichte</strong> eines<br />

seltenen Deals<br />

Wie <strong>der</strong> weltberühmte<br />

Schnapskönig im Fichtelberghaus<br />

eine Lizenz für 1 Euro ausgab<br />

LVZ, April 2009<br />

Oberwiesenthal. Den Hoteliers des<br />

Fichtelberghauses drohte wegen ihres<br />

selbst kreierten Hausschnapses<br />

„<strong>Oberberg</strong>” mächtig Ärger mit dem<br />

Hause Un<strong>der</strong>berg. Doch <strong>der</strong><br />

heraufziehende Streit wurde bei einem<br />

Festessen mit Firmenchef Emil<br />

Un<strong>der</strong>berg gütlich beigelegt.<br />

Als Ria <strong>und</strong> Harry Meinel vor sieben<br />

Jahren das Hotel Fichtelberghaus<br />

übernahmen, hatten sie eine klassische<br />

gastronomische Idee: Sie erfanden<br />

einen hauseigenen Kräuterschnaps,<br />

ließen ihn in <strong>der</strong> kleiner Familie-<br />

Destille des Ehepaars Sieber im nahen<br />

Sehmatal herstellen <strong>und</strong> nannten den<br />

feinen Tropfen „<strong>Oberberg</strong>”. Es sollte<br />

ein wohltuen<strong>der</strong> Gruß vom höchsten<br />

Haus Sachsens in 1200 Metern Höhe<br />

sein, die Anlehnung des Namens an<br />

Un<strong>der</strong>berg war durchaus beabsichtigt,<br />

erzählt Harry Meinel.<br />

Das kleine Nebengeschäft lief lange<br />

gut. Bis zu 10 000 r<strong>und</strong>liche<br />

Portionsfläschchen des 35-prozentigen<br />

Kräuterschnapses gingen jährlich über<br />

den Tresen. Bis eines Tages ein<br />

Mitarbeiter des Familienkonzerns<br />

Un<strong>der</strong>berg auf dem Gipfel erschien <strong>und</strong><br />

den „<strong>Oberberg</strong>” entdeckte. Was folgte,<br />

war ein böser Brief aus <strong>der</strong><br />

Firmenzentrale des Rheinberger<br />

Kräuters. Tenor: <strong>Die</strong> Schnapsbrennerei<br />

habe die Produktion des alkoholischen<br />

Erzeugnisses unter <strong>der</strong> Bezeichnung<br />

O<strong>der</strong>berg einzustellen. Tatsächlich<br />

schützt <strong>der</strong> schon 1846 gegründete<br />

Magenbitterproduzent Un<strong>der</strong>berg auf<br />

dem Markt <strong>der</strong> Kräuterschnäpse fast<br />

alles, was auf Namen wie „Unter” <strong>und</strong><br />

„Berg” hört. Seit 1894 gab es dazu<br />

Eintragungen beim Kaiserlichen<br />

Patentamt.<br />

„Auch die Marke <strong>Oberberg</strong> ist für uns<br />

beim Deutschen Patent- <strong>und</strong><br />

Markenamt geschützt <strong>und</strong> wurde schon<br />

1930 verteidigt”, berichtet Frank<br />

Barwinski, Prokurist <strong>und</strong> Mitglied <strong>der</strong><br />

Un<strong>der</strong>berg-Geschäftsleitung in<br />

Rheinberg. „Wir mussten aus<br />

juristischen Gründen intervenieren,<br />

damit unsere Marke nicht verwässert<br />

wird.” <strong>Die</strong> Gastleute reagierten<br />

erschrocken. Sie ließen es nicht zu<br />

weiteren Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />

kommen <strong>und</strong> unterzeichneten eine<br />

Unterlassungserklärung. „<strong>Die</strong><br />

Androhung gerichtlicher Schritte <strong>und</strong><br />

einer hohen Geldstrafe haben uns<br />

sofort handeln lassen”, erzählt Harry<br />

Meinel.<br />

Doch das war nur die erste Etappe für<br />

den Gastronom aus Klingenthal, <strong>der</strong><br />

noch auf eine Chance hoffte. Er<br />

erzählte dem Unternehmen auch, dass<br />

<strong>Un<strong>der</strong>bergs</strong> hartes Vorgehen dem<br />

betagten Schnapsbrenner-Ehepaar<br />

schwer zugesetzt hatte. „<strong>Die</strong> Familie<br />

Sieber hat mit ihrer kleinen Firma die<br />

Nazizeit <strong>und</strong> das SED-Regime<br />

überstanden. Doch durch Un<strong>der</strong>berg<br />

fühlten sie sich in einer verzweifelten<br />

Lage.” <strong>Die</strong> Familie machte den<br />

Hoteliers schließlich ein<br />

fre<strong>und</strong>schafltiches Angebot: „Was<br />

halten Sie davon, wenn wir ihnen<br />

gestatten, doch weiterzumachen” Man<br />

sprach kurz über die Lizenzgebühr <strong>und</strong><br />

wurde sich rasch einig: Für einen<br />

symbolischen Euro gibt es nun<br />

weiterhin den „<strong>Oberberg</strong>”, jetzt mit<br />

Erlaubnis von höchster Stelle.<br />

„Immer wenn wir wie<strong>der</strong> 100 Liter<br />

<strong>Oberberg</strong>, abgefüllt in 5000 2cl-<br />

Fläschchen, bestellen, schicke ich


einen Euro an Un<strong>der</strong>berg”, erzählt<br />

Meinel. Dazu kommen drei<br />

Probefläschchen, um die Rezeptur zu<br />

überprüfen. „Für uns war<br />

entscheidend, dass Herr Meinel unsere<br />

Rechte sofort <strong>und</strong> vollständig<br />

anerkannt hat” erzählt Barwinski. Er<br />

sei froh, „eine wirtschaftlich<br />

vernünftige, juristisch abgesicherte<br />

<strong>und</strong> praktikable Lösung gef<strong>und</strong>en zu<br />

haben, ohne Anwälte <strong>und</strong> Gerichte zu<br />

bemühen.”<br />

Das richtige Happy End aber sollte<br />

noch folgen: Ende Juni besuchte<br />

Firmenlenker Emil Un<strong>der</strong>berg II<br />

persönlich das Fichtelberghaus <strong>und</strong><br />

besiegelte die Einigung bei einem<br />

Festessen mit Rehrücken <strong>und</strong><br />

Kräuterschnaps. „Ein versöhnlicher<br />

Abschluss”, freut sich Gastgeber<br />

Meinel. „Es war Herrn Un<strong>der</strong>berg<br />

wichtig, als Familieunternehmer fair<br />

mit einem an<strong>der</strong>en Familienbetrieb<br />

umzugehen”, sagt Barwinski. Zudem<br />

sei es für ihn eine Frage <strong>der</strong> Solidarität<br />

zwischen West <strong>und</strong> Ost: Un<strong>der</strong>berg<br />

hatte schon 1973 als erstes<br />

westdeutsches Unternehmen per<br />

Gestattungsvertrag seinen Original-<br />

Magenbitter beim Berliner VEB<br />

Bärensiegel produzieren lassen.<br />

Heute wird <strong>der</strong> Verdaungs-Tropfen in<br />

120 Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Welt vertrieben,<br />

immer unter dem selben Namen <strong>und</strong> in<br />

<strong>der</strong> selben Aufmachung. <strong>Die</strong> Rezeptur<br />

ist so geheim wie die von CocaCola,<br />

nur noch älter. Angeblich kennen nur<br />

drei katholische Geistliche <strong>und</strong> drei<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Familie die Kombination<br />

<strong>der</strong> Kräuter aus 43 Län<strong>der</strong>n. Der<br />

entschiedene Kampf um den<br />

Markennamen gehört dabei zur<br />

Unternehmensgeschichte wie das<br />

weiß-bräunliche Wickelpapier: „<strong>Die</strong><br />

früheren Generationen <strong>der</strong><br />

Gesellschafter haben in den<br />

vergangenen 163 Jahren die Marke<br />

permanent gegen Nachahmungen<br />

verteidigen müssen”, erzählt<br />

Barwinski. In mehr als 1200 Fällen<br />

musste sich Un<strong>der</strong>berg gegen<br />

Plagiatsversuche von Flaschenform,<br />

Verpackung, Etikett <strong>und</strong> Namen<br />

wehren. <strong>Die</strong> „<strong>Oberberg</strong>”-Familie bildet<br />

da eine glückliche Ausnahme.

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