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Dokumentation zur 1. Bremer Kinderschutzkonferenz 2007

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<strong>1.</strong> <strong>Bremer</strong><br />

Kinderschutz-Konferenz<br />

9. Mai <strong>2007</strong>


Impressum<br />

Veranstalter/Herausgeber:<br />

Freies Hansestadt Bremen<br />

Amt für Soziale Dienste Bremen in Kooperation mit<br />

dem Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales,<br />

dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Bremen e. V. und<br />

dem Gesundheitsamt Bremen<br />

Anschrift:<br />

Amt für Soziale Dienste<br />

Abt. Junge Menschen / Herbert Holakovsky<br />

Contrescarpe 73 / 28195 Bremen<br />

E-Mail: Herbert.Holakovsky@afsd.bremen.de<br />

Vorankündigung:<br />

2. <strong>Bremer</strong> Kinderschutz-Konferenz<br />

Mittwoch, 14. November <strong>2007</strong><br />

12:00 bis 18:00 Uhr<br />

im Haus der Bürgerschaft


Inhalt<br />

S. 2 Vorwort<br />

Barbara Hellbach (Referatsleiterin Erziehungs- und Eingliederungshilfen bei der Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales)<br />

S. 4 Tagungsprogramm<br />

S. 5 Grußworte<br />

Ingelore Rosenkötter (Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales)<br />

Dr. med. Stefan Trapp (Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Bremen e.V.)<br />

Frank Nerz (Stellv. Leiter des Amtes für Soziale Dienste Bremen AfSD)<br />

S. 10 Dr. med. Eberhard Motzkau (Ärztliche Kinderschutzambulanz am Ev. Krankenhaus Düsseldorf)<br />

Vernachlässigung und Missbrauch an Kindern wahrnehmen und erkennen<br />

S. 19 Dr. med. Hans-Iko Huppertz (Prof. Hess Kinderklinik, Bremen)<br />

Praktischer Kinderschutz aus Sicht der <strong>Bremer</strong> Kinderärzte<br />

S. 27 Dr. med. Heidrun Gitter (Klinikum Bremen-Mitte)<br />

Kinderchirurgie - Wie kann ich Kindesvernachlässigung erkennen?<br />

S. 36 Prof. Dr. med. Eberhard Schulz (Uni-Klinik Freiburg, Ärztlicher Direktor der Abt. für Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter)<br />

Früherkennung - Frühzeitiges Erkennen von Risiken der sozialen Entwicklung<br />

S. 37 Prof. Dr. Dr. hc. Reinhard Wiesner (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend BMFSFJ)<br />

Kinderschutz und Jugendhilfe<br />

S. 45 Kerstin Reiners (Sozial-Zentrum Mitte/Östliche Vorstadt/Findorff, Bremen)<br />

Ambulanter Sozialdienst - Beispiele der Fallbearbeitung<br />

S. 47 Sabine Heinke (Amtsgericht Bremen, Familiengericht)<br />

Kinderschutz aus Sicht des Familiengerichts / Anlage: Sorgerechtsentziehungsbeschluss<br />

S. 57 Prof. Dr. Ekke Dahle (Fachbereichssprecher Polizeivollzugsdienst, Fachgebiet: Kriminalwissenschaften/Schwerpunkte Strafrecht und Kriminologie)<br />

Kindeswohlgefährdung aus Sicht der Polizei<br />

S. 61 Thomas Kothe (Polizeioberkommissar, Kontaktpolizist Bremen Kattenturm)<br />

Fallbeispiele sozial-familiärer Notlagen aus Sicht der Polizei<br />

S. 65 Eberhard Zimmermann (Leiter der Sozialpädiatrischen Abteilung, Gesundheitsamt Bremen)<br />

'Gesund ins Leben' - Präventive Gesundheitssicherung von Risikofamilien durch das Gesundheitsamt<br />

S. 74 Herbert Holakovsky (Referatsleiter Erzieherische Hilfen im Amt für Soziale Dienste Bremen)<br />

Kinderschutz aus Sicht des Amtes für Soziale Dienste<br />

S. 77 Teilnehmer/innen-Liste<br />

<strong>1.</strong> <strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong> Mai <strong>2007</strong> 1


Barbara Hellbach<br />

Referatsleiterin Erziehungs- und Eingliederungshilfen bei der Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales<br />

E-Mail: Barbara.Hellbach@soziales.bremen.de Tel.: (0421) 361-6727<br />

<strong>1.</strong> <strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong><br />

Gemeinsam auf dem Weg zu einer gelingenden Interdisziplinären Zusammenarbeit im Kinderschutz<br />

Die Forderung nach einer qualitativ verbesserten und verbindlichen<br />

interdisziplinären, einrichtungs- und hilfesystemübergreifenden Zusammenarbeit<br />

im Kinderschutz ist ein Fachstandard, über dessen<br />

fachpolitische Reklamation wir uns in gemeinsamen Veranstaltungen<br />

wie dieser <strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong> schnell einig sind.<br />

Die Realität: Es gibt einerseits langjährige gute und tragfähige Kooperationsnetzwerke.<br />

Die Praxis der Zusammenarbeit stellt jedoch andererseits<br />

alle Beteiligten in Jugend-, Gesundheitshilfe, Schule, Polizei,<br />

Justiz, bei freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe und bei anderen<br />

Kooperationspartnern vor deutliche Herausforderungen, oft auch vor<br />

Überforderung und Hilflosigkeit:<br />

• wer macht was,<br />

• wer ist zuständig und wie weit,<br />

• wer trägt welche Verantwortung,<br />

• wie finden wir gemeinsame Deutungen und Gefährdungseinschätzungen,<br />

• wie hoch setzen wir Interventionsschwellen an,<br />

• wo ist Datenschutz ein Hindernis bei der gemeinsamen Problembewältigung,<br />

• wo ist er unabdingbar notwendig, um überhaupt Zugang zu Familien<br />

zu finden und Vertrauen herzustellen,<br />

• wann darf und wann muss gehandelt werden,<br />

• wann steht Kinderschutz unabweisbar vor elterlichen Rechten und<br />

Pflichten,<br />

• wann bestehen (noch) oder wieder Chancen für eine (Re-) Stabilisierung<br />

oder erstmalige Herstellung elterlicher Erziehungskompetenz<br />

und Sorgerechtsfähigkeit.<br />

Die Entwicklung gemeinsamer Sichtweisen und Deutungsmuster zu<br />

Interventionsschwellen, das Herstellen einvernehmlicher Fachstandards<br />

zu Fragen fachlicher Kompetenz, das Herstellen einer verlässlichen<br />

Kooperationsstruktur und abgestimmter Verfahren, der Aufbau<br />

einer tragfähigen Vertrauenskultur wie das dazu erforderliche Wachsen<br />

wechselseitiger fachlicher und persönlicher Wertschätzung über<br />

professionelle Grenzen hinweg gelingt bei unterschiedlichen Rollen<br />

und Funktionen nicht quasi automatisch, sondern ist unstrittig gemeinsame<br />

Zielsetzung und Aufgabe, aber auch eine personelle Ressourcen<br />

bindende Netzwerkarbeit.<br />

Die <strong>1.</strong> <strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong> hat bei allen unseren Kooperationspartnern<br />

eine hohe Resonanz gefunden und damit einen wichtigen<br />

Auftakt geleistet zu dem, was ein tragfähiges "<strong>Bremer</strong> Bündnis für<br />

Kinderschutz und frühe Prävention" zukünftig leisten soll.<br />

Ein gemeinsames lokales Netzwerk erfordert wechselseitigen Wissens-<br />

und Kompetenztransfer <strong>zur</strong> besseren Diagnostik und Hilfepla-


nung wie auch <strong>zur</strong> Qualitätssicherung und Qualitätsweiterentwicklung<br />

von Hilfen, <strong>zur</strong> fachlichen Standardisierung und Anwendung von Hilfen,<br />

Programmen und Maßnahmen auf dem Stand neuester fachwissenschaftlicher<br />

Kenntnisse, Methoden und rechtlicher Rahmenbedingungen<br />

gemeinsamen Handelns, d.h. unter idealtypischen Gelingensbedingungen.<br />

Es erfordert ebenso die gemeinsame kritische wie kreativ-konstruktive<br />

Reflexion realer Fallverläufe unter konkreten Handlungsmöglichkeiten<br />

unter echten alltäglichen Arbeitsbedingungen.<br />

Die Tagung hat beides in den Fokus der Diskussion gestellt und daher<br />

in besonderer Weise dazu beigetragen, Fachwissen zu aktualisieren<br />

und interdisziplinär zu erweitern, ohne von der notwendigerweise oft<br />

pragmatisch geprägten Alltagspraxis abzuheben. Ich betrachte dies als<br />

ein gutes Ergebnis und eine gute Basis für eine zukünftig noch besser<br />

gelingende Zusammenarbeit, die sich eben nicht nur auf Fachtagungen,<br />

sondern jeden Tag aufs Neue unter belasteten und belastenden<br />

Bedingungen "in den Höhen und Tiefen" des Alltags beweisen muss.<br />

Ich danke allen Beteiligten und bin zuversichtlich, dass wir auf unserer<br />

geplanten 2. <strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong> bereits über weitere erfolgreiche<br />

Schritte auf dem gemeinsamen Weg berichten können.


<strong>1.</strong> <strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong><br />

Mittwoch, 9. Mai <strong>2007</strong><br />

Moderner Kinderschutz ist grundsätzlich auf Hilfe<br />

orientiert, klientenfreundlich und partnerschaftlich<br />

ausgerichtet. Durch ihn wird versucht, die Lebensbedingungen<br />

von Kindern und Familien positiv zu verändern,<br />

indem er die Eigenkräfte der Familien stärkt,<br />

soziale Konflikte und Notlagen erkennt und konkret<br />

Hilfe leistet. Insoweit ist Kinderschutz partnerschaftliche<br />

Aktion im Gemeinwesen <strong>zur</strong> Schaffung einer<br />

kinderfreundlichen Kultur des Aufwachsens. Kinderschutz<br />

ist Familienschutz und als solcher Garant des<br />

Kindeswohls.<br />

Er hat somit eine doppelte Aufgabe:<br />

• Familien zu unterstützen, Kindern und Eltern zu<br />

helfen (Hilfefunktion)<br />

• Für den Fall, dass Eltern nicht in der Lage oder<br />

bereit sind, ihr Kind vor einer Gefährdung zu<br />

schützen, sichern die Fachkräfte des Kinderschutzes<br />

stellvertretend das Wohl der Kinder. In<br />

Wahrnehmung ihres öffentlichen Wächteramtes<br />

(Garantenpflicht) engagieren sich die Fachkräfte<br />

des Jugendamtes im Interesse der Wahrnehmung<br />

dieser Rechte.<br />

Das gesunde Aufwachsen von Kindern und der<br />

Schutz vor Gefährdungen ist nicht nur ein "Gebot der<br />

Menschlichkeit“, sondern auch Ausdruck gesamtgesellschaftlicher<br />

Verantwortung. Wir alle - und dazu<br />

zählen alle gesellschaftlichen Kräfte - müssen eine<br />

Kultur des Hinschauens entwickeln und nicht die des<br />

Wegschauens.<br />

Ein erster Schritt soll mit der <strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong><br />

vollzogen werden. Experten der unterschiedlichen<br />

Berufsfelder im Bereich der Jugend- und<br />

öffentlichen Gesundheitshilfe, niedergelassene und<br />

klinisch tätige Kinder- und Jugendärzte sowie die<br />

Justiz bringen ihr Expertentum und ihre Erwartungen<br />

an einen modernen Kinderschutz ein mit dem Ziel,<br />

Risiken rechtzeitig zu erkennen, die Kooperation der<br />

unterschiedlichen Fachdisziplinen zu verbessern und<br />

Netzwerke in den Sozialräumen zu knüpfen.<br />

Insoweit richtet sich die Konferenz an die Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter des öffentlichen Gesundheitsdienstes,<br />

der öffentlichen und Freien Jugendhilfe, an<br />

die Kinder- und Jugendärzte in Klinik und Praxis, an<br />

die Politik und weitere gesellschaftliche Kräfte.<br />

Programm<br />

10:00 Uhr<br />

Eröffnung und Grußworte<br />

Ingelore Rosenkötter (Senatorin für Arbeit,<br />

Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales)<br />

Dr. med. Stefan Trapp (Berufsverband der Kinder-<br />

und Jugendärzte Bremen e.V.)<br />

Frank Nerz (Amt für Soziale Dienste Bremen)<br />

Eberhard Zimmermann (Gesundheitsamt Bremen)<br />

10:30 Uhr<br />

Vernachlässigung und Missbrauch an<br />

Kindern wahrnehmen und erkennen<br />

Dr. med. Eberhard Motzkau (Ärztliche Kinderschutzambulanz<br />

Düsseldorf)<br />

11:30 Uhr<br />

Praktischer Kinderschutz aus Sicht der<br />

<strong>Bremer</strong> Kinder- und Jugendärzte<br />

Prof. Dr. med. Hans-Iko Huppertz (Prof.-Hess-<br />

Kinderklinik Bremen)<br />

12:00 Uhr<br />

Kinderchirurgie - Wie kann ich Kindesvernachlässigung<br />

erkennen?<br />

Dr. med. Heidrun Gitter (Klinikum Bremen-Mitte)<br />

12:30 Uhr<br />

Früherkennung - Frühzeitiges Erkennen von<br />

Risiken der sozialen Entwicklung<br />

Prof. Dr. med. Eberhard Schulz (Uni-Klinik<br />

Freiburg)<br />

13:15<br />

Mittagspause<br />

14:15 Uhr<br />

Kinderschutz und Jugendhilfe<br />

Prof. Dr. Dr. hc. Reinhard Wiesner (Bundesministerium<br />

für Familie, Senioren, Frauen und<br />

Jugend)<br />

15:15 Uhr<br />

Ambulanter Sozialdienst - Beispiele der<br />

Fallbearbeitung<br />

Kerstin Reiners (Amt f. Soziale Dienste Bremen)<br />

15:35 Uhr<br />

Kinderschutz aus Sicht des Familiengerichts<br />

Sabine Heinke (Familiengericht Bremen)<br />

16:00 Uhr Kaffeepause<br />

16:20 Uhr<br />

Kindeswohlgefährdung aus Sicht der Polizei<br />

Prof. Dr. Ekke Dahle (Hochschule für öffentliche<br />

Verwaltung Bremen)<br />

16:50 Uhr<br />

Fallbeispiele sozial-familiärer Notlagen aus<br />

Sicht der Polizei<br />

Thomas Kothe (Polizei Bremen)<br />

17:10 Uhr<br />

'Gesund ins Leben' - Präventive Gesundheitssicherung<br />

von Risikofamilien durch das<br />

Gesundheitsamt<br />

Eberhard Zimmermann (Gesundheitsamt Bremen)<br />

17:40 Uhr<br />

Kinderschutz aus Sicht des Jugendamtes<br />

Herbert Holakovsky (Amt für Soziale Dienste)<br />

18:00 Uhr Schlussworte<br />

Nach jedem Beitrag ist Raum für Nachfragen<br />

und Diskussion.


Ingelore Rosenkötter<br />

Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales<br />

Grußwort<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

ich begrüße Sie ganz herzlich zu der heutigen interdisziplinären<br />

<strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong>.<br />

Der unmittelbare Anlass zu dieser <strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong><br />

ist sicherlich der tragische Tod des zweieinhalbjährigen<br />

Kevin im Oktober des vergangenen Jahres. Ob Kevin in Bremen,<br />

Jessica aus Hamburg oder Jaqueline aus Hessen - diese<br />

Schicksale haben viele Namen.<br />

Sie weisen auf die Notwendigkeit hin, die Sensibilität und die<br />

Wahrnehmung für alle Belange der Kinder zu erhöhen und zu<br />

stärken.<br />

Der Schutz vor Misshandlung und Vernachlässigung von Kindern<br />

ist eine komplexe Aufgabe, bei der verschiedene Institutionen<br />

und verschiedene Professionen abgestimmt zusammen<br />

wirken müssen.<br />

Wie komplex sich dieser Sachverhalt darstellt, wird vielleicht<br />

auch an dem Umstand deutlich, dass die Ursache für Misshandlung<br />

und Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen<br />

nicht nur dem individuellen Versagen der Familien angelastet<br />

werden kann. Wir müssen hier auch die Rahmenbedingungen<br />

in den Blick nehmen und die Familien vor diesem<br />

Hintergrund stärken.<br />

Deshalb gehört zu der fachpolitischen Offensive auch die generelle<br />

Verbesserung der Lebensbedingungen. Mit der Auftaktveranstaltung<br />

Ende letzten Jahres wurde die Initiative <strong>zur</strong><br />

Entwicklung "Integrierter Handlungsstrategien für Quartiere<br />

mit besonderen Förderbedarfen" ergriffen. Unter der Zielsetzung<br />

übergreifender politischer Strategien erscheint es ratsam,<br />

mit erhöhter Aufmerksamkeit fallübergreifende Handlungskonzepte<br />

aufzubauen.<br />

Wir beschäftigen uns aktuell mit vielfältigen Lösungsmöglichkeiten<br />

und Alternativen zu den Verfahrensabläufen, Strukturen<br />

und Ausstattungen im Bereich der Jugendhilfe. Dazu hat auch<br />

der Untersuchungsausschuss in seiner umfangreichen Untersuchung<br />

und dem nun vorliegenden Bericht beigetragen. Ferner<br />

hat sowohl die städtische Deputation als auch der JHA ein<br />

umfangreiches Maßnahmepaket auf den Weg gebracht. Dies<br />

gilt es nunmehr auch finanziell abzusichern.<br />

Die Jugendministerkonferenz machte zuletzt darauf aufmerksam,<br />

dass "die professionelle Kompetenz der beteiligten<br />

Fachkräfte nicht selten an Grenzen stößt, was zu Unsicherheit<br />

im Umgang mit besonderen Risiko- und Gefährdungssituationen<br />

und zu Fehleinschätzungen der rechtlichen Möglichkeiten<br />

<strong>zur</strong> Sicherung des Kindeswohls im Verhältnis zum Elternrecht<br />

führt. Hier macht sich bemerkbar, dass eine gezielte Unterstützung<br />

und Begleitung der Fachkräfte nicht in allen Fällen<br />

als Regel vorhanden sind".


Heute soll mit dieser Veranstaltung dazu beitragen werden,<br />

diese Lücke zu schließen.<br />

Im Wissen um die vielfältigen und tagtäglichen Belastungen,<br />

Erwartungen und Anstrengungen besonders in den Bereichen<br />

der Jugendhilfe und der Gesundheitsdienste ist der Kinderschutz<br />

eine Herausforderung von großer Dimension.<br />

Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Akteuren vor Ort,<br />

gebührt an dieser Stelle unsere besondere Anerkennung.<br />

Qualität ist im Dialog zu entwickeln. Das war das herausgearbeitete<br />

Ergebnis auf dem Fachtag "Kindeswohlsicherung" im<br />

Januar dieses Jahres. Dazu soll auch diese Konferenz zum<br />

Schutz der Kinder in unserer Stadt - zum Schutz vor Misshandlungen,<br />

Gewaltanwendungen und Vernachlässigungen<br />

beitragen.<br />

Wir sind uns sicherlich darüber einig, dass nicht alle notwendigen<br />

und einzubeziehende Felder auf dieser ersten Konferenz<br />

abgebildet sind. Dies würde den heute vorgesehen dichten<br />

Rahmen sprengen.<br />

Angesprochen werden heute nicht die vielfältigen Hilfen <strong>zur</strong><br />

Erziehung, die Angebote der freien Träger, die Rolle der Kindertagesbetreuung,<br />

der Schulen, der Familienbildung und des<br />

Strafrechts.<br />

Ich gehe aber davon aus, dass diese Felder in einem weiteren<br />

Diskurs bearbeitet und präzisiert werden und dass sich die<br />

Erkenntnis weiterhin durchsetzt, dass solche Verbundsysteme<br />

zugunsten von Kindern und Jugendlichen zwingend notwendig<br />

und unentbehrlich sind.<br />

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Veranstaltung.<br />

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


Dr. Stefan Trapp<br />

Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V., Vorsitzender des Landesverbandes Bremen<br />

Grußwort<br />

Sehr geehrte Frau Senatorin, sehr geehrte Damen und Herren!<br />

Ich bedanke und freue mich, Sie hier heute <strong>zur</strong> Ersten <strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong><br />

im Namen des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte<br />

begrüßen zu dürfen.<br />

Alle, die wir hier zusammengekommen sind, haben täglich mit Kindern<br />

und Jugendlichen zu tun – vielen, die glücklich und ungefährdet aufwachsen,<br />

aber auch häufig mit Kindern, deren Lebensbedingungen<br />

schwierig sind oder auch gefährlich. Wir sehen in dieser Arbeit die<br />

Chancen und Ressourcen der Kinder – und erleben oft, wie diese aufgebraucht<br />

und zu häufig zu verpassten Chancen werden.<br />

Wir alle bemühen uns, gefährdeten Kindern und Jugendlichen und ihren<br />

Familien beizustehen – teilweise mit erheblichem eigenem Engagement.<br />

Auch das gern gebrauchte Stichwort „Vernetzung“ ist ja nicht neu für<br />

uns. Dennoch kennen wir alle das Scheitern vieler Bemühungen, erleben<br />

das "Ins-Leere-Laufen".<br />

Allerdings habe ich persönlich das Gefühl, dass in Folge der schrecklichen<br />

Ereignisse des letzten Jahres viele Beteiligte sich neu auf- und<br />

zusammenraufen!<br />

Hier sehe ich eine Chance unserer heutigen Konferenz: Dass wir gemeinsam<br />

– zunächst – Strategien entwickeln, akut gefährdeten Kindern<br />

wirksam zu helfen. Ansätze sind gemacht, die wir weiter entwickeln<br />

können.<br />

Meine große Hoffnung ist es aber, dass wir über diese Akuthilfe hinaus<br />

Signale an die Politik und die Öffentlichkeit senden, dass viele Kinder,<br />

Jugendliche und ihre Familien unsere Unterstützung brauchen.<br />

Junge Menschen sind die Zukunft unserer Gesellschaft – sie haben ein<br />

Recht, glücklich, ungefährdet und mit allen Chancen aufzuwachsen.<br />

Dieses Ziel erreicht man nicht mit Einzelaktionen und nicht mit Lippenbekenntnissen!<br />

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und mir eine interessante und ertragreiche<br />

Tagung!


Frank Nerz<br />

Stellvertretender Leiter des Amtes für Soziale Dienste Bremen<br />

Grußwort<br />

Kinderschutz aus Sicht des Jugendamtes<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

auch ich begrüße Sie ganz herzlich zu der heutigen interdisziplinären<br />

<strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong>.<br />

Die Wahrnehmung des Wächteramtes und des Kinderschutzes war<br />

und ist weiterhin eine der wichtigsten Aufgaben der öffentlichen Jugendhilfe.<br />

Dieser Aufgabe stellen sich die Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter des Amtes für Soziale Dienste tagtäglich und ich freue<br />

mich, dass Sie Frau Senatorin diese wichtige und zugleich schwierige<br />

Aufgabe bei unterschiedlichen Gelegenheiten und auch heute so wertschätzend<br />

in Ihrer Begrüßung aufgegriffen haben. Die Aufgabe des<br />

Kinderschutzes liegt aber nicht nur in der ausschließlichen Zuständigkeit<br />

des Staates, sondern ist eine Aufgabe aller gesellschaftlicher Kräfte<br />

dieser Stadt und dieses Landes und liegt damit auch in der Verantwortung<br />

des Gemeinwesen.<br />

In den Kindern sind die Zukunftschancen des einzelnen und der Gesellschaft<br />

gegenwärtig. Das Wohl des Kindes entscheidet deshalb<br />

zugleich über das individuelle Schicksal wie über die gesamtgesellschaftliche<br />

Entwicklung.<br />

Staat und Gesellschaft, Parlamente, Regierungen, Kommunen und<br />

freie gesellschaftliche Kräfte sind daher aufgerufen, die Lebensbedin-<br />

gungen von Kindern zu verbessern. In allen Bereichen des gesellschaftlichen<br />

Lebens müssen Fortschritte zu mehr Kinderfreundlichkeit<br />

erreicht werden - bei der finanziellen Sicherung von Familien mit Kindern,<br />

im Wohnungsbau, in der Familienerziehung, in Kindertageseinrichtungen,<br />

Schule, Jugendarbeit und Ausbildung und in vielen anderen<br />

Bereichen mehr.<br />

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Amtes für Soziale Dienste<br />

sind tagtäglich in der Verantwortung im Sinne des Kinderschutzes eine<br />

Doppelrolle zwischen Hilfe und Kontrolle wahrzunehmen. Sie bewegen<br />

sich in einem sensiblen Dreieck, das durch die Pole Elternverantwortung<br />

- Rechte des Kindes - Aufgaben des Staates markiert wird.<br />

Hierzu bedarf es eines verantwortungsvollen Umgangs und einer<br />

qualifizierten fachlich fundierten Einschätzung der Gefährdungssituation<br />

des Kindes sowie einer Beurteilung im Hinblick auf die Fähigkeit<br />

und Bereitschaft der Eltern bzw. des verantwortlichen Elternteils, diese<br />

abzuwenden.<br />

Neben den an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestellten Qualitätsanforderungen<br />

und den fachlichen Rahmenbedingungen bedarf es<br />

hierzu auch der strukturellen verbesserten Rahmenbedingungen und<br />

damit ausreichender personeller Ressourcen. Darüber hinaus erscheint<br />

es mir besonders wichtig zu sein, sozialraumbezogene Netzwerke<br />

bzw. Frühwarnsysteme zu entwickeln und fachlich zu pflegen.


Ich sehe in der heutigen Veranstaltungen auch unter Berücksichtigung<br />

der großen Resonanz einen wichtigen Meilenstein <strong>zur</strong> Erreichung<br />

dieses Zieles.<br />

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Amtes für Soziale Dienste<br />

erwarten, dass - neben der Wertschätzung ihrer Arbeit - die Politik die<br />

strukturellen Rahmenbedingungen für die Arbeit der öffentlichen und<br />

freien Jugendhilfe so gestaltet, dass eine effektive risikominimierende<br />

Kinderschutzarbeit in der Breite möglich ist.<br />

Nach Professor Wolff versucht moderner Kinderschutz, die Lebensbedingungen<br />

von Kindern und Familien positiv zu verändern, indem er<br />

die Eigenkräfte der Familien stärkt, soziale Konflikte und Notlagen erkennt<br />

und konkret Hilfe leistet. Er formuliert weiter "Kinderschutz ist<br />

partnerschaftliche Aktion im Gemeinwesen <strong>zur</strong> Schaffung einer kinderfreundlichen<br />

Kultur des Aufwachsens. Kinderschutz ist Familienschutz<br />

und als solcher Garant des Kindeswohls.“<br />

In diesem Sinne wünsche ich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern<br />

der <strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong> einen anregenden erkenntnisreichen<br />

Tag und verbinde damit die Hoffnung, dass wir in dieser Stadt<br />

gemeinsam mit allen gesellschaftlichen Kräften eine Kultur des Hinschauens<br />

und nicht die des Wegschauens stärken, damit Kinder zu<br />

ihrem Recht kommen und Familien die Unterstützung erhalten, um sie<br />

zu befähigen, den Kinderschutz selbst wahrnehmen zu können.<br />

Und mit Blick auf den kommenden Sonntag wünsche ich mir, dass die<br />

Politik über alle Fraktionsgrenzen hinaus hier in Bremen die Rahmenbedingungen<br />

und damit die Ressourcenausstattung im Sinne eines<br />

starken Kinderschutzes schafft.<br />

Geben Sie uns die Rahmenbedingungen! Wir werden gemeinsam -<br />

Professionelle und Familien - diesen Rahmen verantwortlich füllen.


Vernachlässigung und<br />

Missbrauch an Kindern<br />

wahrnehmen und<br />

erkennen<br />

<strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong><br />

9. Mai <strong>2007</strong><br />

Eberhard Motzkau<br />

Ärztliche KinderschutzAmbulanz am Evangelischen<br />

Krankenhaus Düsseldorf<br />

Evangelisches<br />

Krankenhaus<br />

Düsseldorf


Vernachlässigung<br />

Definition<br />

� Unterlassen fürsorglichen Handelns für<br />

physische/psychische Versorgung<br />

� durch Eltern oder Betreuer<br />

� aktiv/passiv, zu wenig Einsicht/Wissen<br />

� nachhaltiges Nichtberücksichtigen,<br />

Missachten, Versagen der Lebensbedürfnisse<br />

> chron. Unterversorgung<br />

� >Entwicklungsschäden (körperl., geistig,<br />

seelisch) oder Tod<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Grundbedürfnisse<br />

� Befriedigung der phys. Bedürfnisse<br />

� Schutz vor äußeren Einwirkungen und<br />

Krankheiten<br />

Dr. E. Motzkau 2<br />

� Ermöglichen einer kindgemäßen Entwicklung in<br />

Sicherheit<br />

� Soziale Bindungen<br />

� Seelische + körperliche Wertschätzung<br />

� Angemessene Anregung / Förderung<br />

� Aufbau eines eigenen funktionellen Selbst-<br />

Konzeptes / Identitätsbildung<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Dr. E. Motzkau 3<br />

� Ressourcen<br />

� Stärken/Fähigkeiten<br />

� Individuelle Situation<br />

� Realitäten subjektiv<br />

� Komplexität macht<br />

hilflos<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Die Balance!<br />

� Schwächen<br />

� Defizite/Unkenntnis<br />

� Verallgemeinerung<br />

� Hypothesenbildung!<br />

� „Verstehen von<br />

Gesetzmäßigkeiten“<br />

Dr. E. Motzkau 4<br />

Elemente der Vernachlässigung<br />

Abhängigkeit<br />

� Ohnmacht - Allmacht<br />

� Suchtstrukturen<br />

� Nichts – Alles – nie genug, keine Zufriedenheit, keine<br />

eigenen Wünsche, aber illusionäre Realität<br />

� Angst vor Verzicht und Bedürfnisaufschub<br />

� Kein Gefühl für Persönlichkeitsgrenzen, Verstrickung,<br />

das Kind sorgt für das Selbstgefühl der Eltern,<br />

„Rollenumkehr“<br />

� Ruhe = Tod = Verlust >> Angst<br />

Dr. E. Motzkau 5


Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Elemente der Vernachlässigung<br />

Infantile Persönlichkeit<br />

� Vermeiden von Verantwortung<br />

� Kein (stabiles) Selbstkonzept<br />

� Kind wird nicht als eigenständige Person<br />

wahrgenommen sondern als Selbst-anteil oder als<br />

Repräsentant einer anderen Person<br />

� Fehlende Steuerung<br />

� Hohe Stressanfälligkeit<br />

� Grenzenlose Bedürftigkeit<br />

� illusionäre Autarkie<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Dr. E. Motzkau 6<br />

Elemente der Vernachlässigung<br />

Entwertung<br />

� Keine Selbstliebe, keine Selbstachtung<br />

� Schwache Liebe zu den Kindern, eher<br />

projektive Erwartungen und Bestätigung bei<br />

Erfüllung<br />

� Keine eigenen Selbstwertkategorien, nur<br />

orientiert an Anderen<br />

� Keine Erfahrung mit Selbstwirksamkeit<br />

� Gefühl von Bedeutungslosigkeit<br />

� Abwehr von Bedürftigkeit und Trauer<br />

� Neid auf Versorgung der Kinder durch Andere<br />

Dr. E. Motzkau 7<br />

Elemente der Vernachlässigung<br />

Narzisstische Wut<br />

� Aggressionsbereitschaft oder<br />

� Opferbereitschaft<br />

� Entwertung Anderer<br />

� Inszenierung der eigenen Ohnmacht<br />

und Schuldzuweisung nach außen<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Dr. E. Motzkau 8<br />

Elemente der Vernachlässigung<br />

Abspaltung/Verleugnung<br />

� Verkennen der kindlichen Bedürfnisse<br />

� Empathiemangel<br />

� Misstrauen<br />

� Fehlende Kontinuität:<br />

� Nur „gut“: anwesend, gewährend<br />

� Nur „schlecht“: abwesend, versagend<br />

Dr. E. Motzkau 9


Hoch-Risikofaktoren bei<br />

Säuglingen und Kleinkindern<br />

� Sehr niedriges Geburtsgewicht < 1500 g<br />

� Postpartale Depression der Mutter<br />

� Drogenabusus der Mutter<br />

� Unerwünschte Schwangerschaft<br />

� Sehr junge Mütter<br />

� Broken-home Erfahrung, Heimaufenthalte,<br />

eigene Misshandlungserfahrung<br />

der Eltern<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Dr. E. Motzkau 10<br />

Vernachlässigung<br />

Bindung und Bedeutung von Bindung<br />

� Bindung meist unsicher-ambivalent (C)<br />

� bei zusätzlicher Traumatisierung<br />

desorientierte / desorganisierte Muster (D)<br />

� Mütter selbst verstrickt, entwertet/<br />

traumatisiert in der Herk. - Familie<br />

� „Arbeitsmodelle“ inkohärent<br />

� ( Idealisierung, Wut, Abhängigkeit )<br />

� mütterliches Verh.: unvorhersehbar,<br />

narzißtisch, vernachlässigend<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Dr. E. Motzkau 11<br />

Vernachlässigung<br />

Bindungsorganisation<br />

� Keine Kommunikation von Gefühlen<br />

� fehlende Gefühlseinschätzung<br />

� bei Stress wechselnde Strategie:<br />

� aggressiv-abwehrend / fordernd-klammernd<br />

� In eigenen Beziehungen:<br />

� Idealisierung von Partnern<br />

� Nähe / Distanz-Problem<br />

� Selbstbild: negativ,vage, unrealistisch<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Dr. E. Motzkau 12<br />

Resilienz<br />

und Risiko-Belastung<br />

� Resilienz = Fähigkeit,<br />

� Entwicklungsrisiken zu mindern/<br />

kompensieren,<br />

� neg. äußere Einflüsse zu überwinden<br />

� <strong>zur</strong> Aneignung gesundheitsförderlicher<br />

Kompetenzen<br />

Dr. E. Motzkau 13


Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Schutzfaktoren bei<br />

Risikobelastung<br />

� Eigenschaften des Kindes, die pos.<br />

Reaktionen im soz. Umfeld auslösen<br />

� günstiges Temperament, Anpassungsfähigkeit,<br />

Intelligenz, weibliches Geschlecht<br />

� Emot. Bindungen und Sozialisierungspraktiken<br />

> Vertrauen, Selbstständigkeit,<br />

Initiative<br />

� Frühe Interaktion, pos. Bindungsbeziehung,<br />

Erfahrung gelungener Bewältigung!<br />

� Externale Unterstützungssysteme<br />

Vernachlässigung<br />

Generationendynamik Großeltern<br />

„Unser gutes Kind“<br />

Angst<br />

Abhängigkeit<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Idealisierung<br />

Dr. E. Motzkau 14<br />

Desintegration Desintegration<br />

Elternteil<br />

„Retten“<br />

Verantwortung<br />

Kompetenz<br />

Empathie?<br />

Ambivalenz<br />

Konkurrenz<br />

Vernachlässigung<br />

Kind<br />

Verleugnung, Abspaltung<br />

Ablehnung<br />

Entwertung<br />

Neid<br />

„Das schwierige Kind“<br />

Neg. Selbstwert<br />

Wut<br />

Sehnsucht<br />

Abhängigkeit<br />

„Scheitern“<br />

Dr. E. Motzkau 15<br />

Vernachlässigung<br />

Generationendynamik II<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Kind<br />

Verantwortung<br />

Zuwendung<br />

Loyalitätskonflikt<br />

„Eltern“<br />

Großeltern<br />

Neid, Enttäuschung, Misstrauen<br />

„Geschwister“<br />

Konkurrenz<br />

Entwertung<br />

Verleugnung, Abspaltung<br />

Elternteil<br />

Dr. E. Motzkau 16<br />

„Beziehungsspiele“ in<br />

Vernachlässigungsfamilien<br />

� Das Geschwister-Spiel<br />

� Jetzt bist Du mal dran, sind ja auch Deine Kinder!<br />

� Das Jugendlichen-Ambivalenzspiel<br />

� Seht her. Eltern, ich habe von Euch nicht gelernt, Kinder<br />

zu versorgen. Jetzt geschieht es Euch Recht, dass ich<br />

meine Kinder schlecht versorge!<br />

� Das Wohngemeinschafts – Spiel<br />

� Hier holt sich jeder, was er braucht. Wer sich nicht<br />

meldet, kriegt nichts.<br />

Dr. E. Motzkau 17


„Beziehungsspiele“ in<br />

Vernachlässigungsfamilien<br />

� Der Traum vom Leben – Mir darf es<br />

nicht gut gehen<br />

� Mir könnte es so gut gehen, wenn ich Euch Kinder nicht<br />

hätte. Wie konnte ich nur auf den/die..... hereinfallen?<br />

Alles ist möglich, morgen fängt mein Glück an!<br />

� Das „als – ob – Spiel“<br />

� Ist alles nicht so schlimm, war schon mal schlimmer.<br />

Wenn das hier vorbei ist werden unsere Wünsche wahr –<br />

sind es ja schon.<br />

� „Staatsanwalt“, „Verteidiger“<br />

� Projektion von Anklage/Rechtfertigung<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Vernachlässigung<br />

- mögliche Auswirkungen<br />

� Körperlich:<br />

Dr. E. Motzkau 18<br />

� Tod, Untergewicht, Übergewicht, Minderwuchs,<br />

Mangelkrankheiten, Kr.- Anfälligkeit/auffällige Resistenz,<br />

verzögerte motorische Entwicklung, Hyperaktivität, Herz-<br />

Kreislauferkrankungen<br />

� Kognitiv:<br />

� Störungen der Sprachentwicklung und der Sprachfunktion,<br />

Leitsymptom verz. Sprachentwicklung!<br />

Intelligenzminderung, (Ausbleiben von synaptischen<br />

Vernetzungen, Abbau von Neuronen.)<br />

� Sozial:<br />

� Störung von Kontakt und Nähe-/Distanzregulierung,<br />

Aggression, wenig Konfliktlösungsstrategien, Misstrauen,<br />

Entwertung, Grenzüberschreitung/Überanpassung<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Dr. E. Motzkau 19<br />

Vernachlässigung<br />

- mögliche Auswirkungen<br />

� Psychisch:<br />

� Hospitalismus, „Regulationsstörungen“,<br />

Bindungsstörung, depressive Persönlichkeitsentwicklung,<br />

Störg. der Symbolbildung und der<br />

Phantasietätigkeit, Identitätsstörung, geringer Selbstwert,<br />

Störung der Selbst-wahrnehmung u. des Selbstbildes,<br />

verm. Schmerzwahrnehmung, Unfallneigung,<br />

Selbstverletzung, Störg. der Impulskontrolle, emot.<br />

Störung, vermindertes Neugierverhalten, Borderline -<br />

Störung, erhöhtes Risiko für Alkoholabusus (X 7,4),<br />

Drogenmissbrauch (X 10,3), Suizid (X 12,2)<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Familiendynamik bei<br />

Vernachlässigung<br />

Dr. E. Motzkau 20<br />

� Oft eigene Vernachlässigungserfahrung der<br />

Eltern, geringer Selbstwert, Fehlen von<br />

Zuversicht und Selbstwirksamkeitserfahrung<br />

� Enge Verstrickung und Konkurrenz zu<br />

Großelterngeneration<br />

� fehlende Selbst- und Fremdwahrnehmung<br />

(v.a. für Bedürfnisse der Kinder)<br />

� theoretisches Wissen und Vorstellungen über<br />

Versorgung sind vorhanden, aber innere<br />

Modelle und Erfahrungen sind blass oder<br />

fehlen<br />

� Misstrauen nach außen, Abwehr<br />

Dr. E. Motzkau 21


Vernachlässigung<br />

Helferdynamik<br />

� Übertragung und Gegenübertragung:<br />

� Ohnmacht, Hilflosigkeit<br />

� Resignation, Hoffnungslosigkeit,<br />

� Gleichgültigkeit,<br />

� Ablehnung, Lästigkeit, Unlust<br />

� Wut<br />

� Ekel<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Vernachlässigung<br />

Fallen für Helfersysteme<br />

� Konkurrenz, Machtkampf, Entwertung<br />

� Isolierung, Tabuisierung<br />

� Unklarheit, Strukturlosigkeit<br />

� Ressourcenverleugnung<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Dr. E. Motzkau 22<br />

� Vergessen, Lähmung, Abschieben<br />

� Überfordern mit Anforderung +Verantwortung<br />

� Überfordern mit Überversorgung<br />

� Umzingeln mit Hilfen<br />

� Nicht - Wahrnehmen<br />

Dr. E. Motzkau 23<br />

Kooperationshindernisse<br />

mit Familien bei<br />

früher Intervention und Hilfe<br />

� Problembeschreibung> Entwertung<br />

� Mißtrauen: Hilfe> feindl. Machtausübung<br />

� Inkonstanz in Kompetenz und Verantwortung<br />

� Identifikation mit neg. Anteilen> Kritik und<br />

projektive Schuldvorwürfe<br />

� Angst vor Stetigkeit in Beziehungen<br />

� Gefahr des Abbruchs> zentrale Verantwortung!<br />

� Balance von Hilfe und Kontrolle<br />

� Balance Hilfe für Eltern und Kindeswohl<br />

� Elternverantwortung Machtoptionen der Hilfen<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Sexuelle Gewalt<br />

Diagnostische Ebenen<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Dr. E. Motzkau 24<br />

� Körperlich<br />

� kindergynäkologische U.<br />

� ganzkörperliche Inspektion<br />

� Sicherung/Untersuchung von Kleidung<br />

� Abstriche, Schwangerschaftsdiagnostik<br />

� Psychologisch/Kinderpsychiatrisch<br />

� traumaspezifisch<br />

� allgemeine Psychodiagnostik<br />

� Familiendiagnostik<br />

Dr. E. Motzkau 25


Sexuelle Gewalt<br />

Psychodynamik<br />

� Opfer<br />

� übernehmen Verantwortung<br />

� Schuldgefühle, Selbstzweifel, -entwertung<br />

� Angst, Scham, Ekel<br />

� Hilflosigkeit, Resignation, Passivität<br />

� Abspaltung, Dissoziation, Verdrängung<br />

� Wut, ungesteuerte Aggression<br />

� Blockierung, Isolation<br />

� Gegenübertragung berücksichtigen!<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Dr. E. Motzkau 26<br />

Sexuelle Gewalt,<br />

Symptomatik, Initialwirkungen<br />

� Unangemessenes Sexualverhalten:<br />

� Exzessive sex. Neugier, frühe sexuelle<br />

Beziehungen, offenes Masturbieren,<br />

Exhibitionismus, sexualisiertes Verhalten<br />

� Somatische/psychosomatische Folgen<br />

� Verletzungen anal, genital, oral;<br />

Schwangerschaft, Vener. Erkrankung,<br />

� Schmerzen, Atembeschwerden,<br />

Essstörung, Schlafstörung, Obstipation,<br />

Enuresis, Enkopresis<br />

Dr. E. Motzkau 27<br />

Sexuelle Gewalt<br />

Symptomatik, Initialwirkungen<br />

(nach Browne und Finkelhor, (1986)<br />

� Emotional:<br />

� Ängste, PTBS, Depression, niedriger<br />

Selbstwert, Suizidalität, Schuld- + Schamgefühle,<br />

aggr. Ausagieren, selbstschädigendes<br />

Verhalten, Suchtverhalten<br />

� Sozialverhalten:<br />

� Weglaufen, Schul- + Leistungsschwierigkeiten,<br />

Rückzug, Hyperaktivität,<br />

Aggression und Vandalismus, Delinquenz<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Sexuelle Gewalt<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Dr. E. Motzkau 28<br />

Häufigste Symptome nach sex. Gewalterfahrung<br />

� Vorschulalter<br />

� Angst, Albträume, sexualisiertes Spiel,<br />

Aggression, Rückzug, Regression<br />

� Schulalter<br />

� Probleme mit Leistung, Konzentration und<br />

Gedächtnis, Hyperaktivität, Aggression,<br />

Regressives Verhalten<br />

� Jugendliche<br />

� Depression, Isolation, Suizidalität,<br />

Selbstbeschädigung, Somatisierung,<br />

Delinquenz, Weglaufen, Drogen, Prostitution<br />

Dr. E. Motzkau 29


Sexuelle Gewalt<br />

Langzeitfolgen<br />

� Emotional und kognitiv:<br />

� Depression, Angstsymptomatik,<br />

Schamgefühle, Kontaktstörung,<br />

Selbstverletzung, Suizidalität, neg.<br />

Selbstbild und Selbstwert, Schuldgefühl<br />

für alle neg.. Ereignisse,<br />

ext.Kontrollüberzeugung bei positiven<br />

Ereignissen,<br />

� niedrige Selbstwirksamkeitserwartung<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Sexuelle Gewalt<br />

Langzeitfolgen<br />

� Psychiatrisch<br />

Montag, 23. Juli <strong>2007</strong><br />

Dr. E. Motzkau 30<br />

� PTBS, Amnesien, Dissoziation, Borderline-<br />

Störung., Multiple Pers.-Störung.,<br />

Suchterkrankungen,<br />

� Psychosomatisch<br />

� Schlafstörung, Essstörung, Schmerzsymptome,<br />

umschriebene Psychosomatische<br />

Krankheitsbilder, sex. Funktionsstörungen<br />

� Sozial<br />

� Reviktimisierung, Misstrauen, Anpassung,<br />

Prostitution<br />

Dr. E. Motzkau 31


Praktischer Kinderschutz<br />

aus der Sicht der <strong>Bremer</strong><br />

Kinder- und Jugendärzte<br />

Prof. Dr. med. Hans-Iko Huppertz<br />

Prof.-Hess-Kinderklinik<br />

Klinikum Bremen-Mitte<br />

Sankt-Jürgen-Strasse<br />

Bremen


• Alkohol<br />

• Allergien<br />

• Autoabgase<br />

• Drogen<br />

• Elektrosmog<br />

• Entführung<br />

• Fernsehen<br />

• Gewalt<br />

Gefahren für Kinder<br />

• Internet<br />

• Intoxikationen<br />

• Lärm<br />

• Missbrauch<br />

• Passivrauchen<br />

• Radioaktive Strahlung<br />

• Überernährung<br />

• Ultraviolette Strahlung<br />

• Verkehrsunfälle<br />

Internationale Gefahren für<br />

Kinder<br />

• Kinderarbeit<br />

• Kinderprostitution<br />

•Migration<br />

• Kinderhandel<br />

• Brutalisierung<br />

• Diskriminierung<br />

Kinderrechtskonvention der<br />

UNO 1989: 10 Grundrechte<br />

<strong>1.</strong> Recht auf<br />

Gleichbehandlung<br />

2. Recht auf Namen und<br />

Nationalität<br />

3. Recht auf Gesundheit<br />

4. Recht auf Bildung und<br />

Ausbildung<br />

5. Recht auf Freizeit und<br />

Spielen<br />

6. Recht auf Information<br />

und Kommunikation<br />

7. Recht auf Privatsphäre,<br />

Erziehung im Sinne von<br />

Gleichberechtigung und<br />

Frieden<br />

8. Recht auf Hilfe in Not<br />

9. Recht auf Familie<br />

10. Recht auf Betreuung bei<br />

Behinderung<br />

Kinderrechtskonvention<br />

• Von Deutschland nur unter Vorbehalt<br />

ratifiziert: das Ausländerrecht hat Vorrang<br />

vor diesen Rechten<br />

• Kinder sitzen nur in Deutschland in<br />

Abschiebehaft


Recht auf Ausbildung der<br />

Kinderkonvention (4)<br />

• Abgelehnte, geduldete Asylbewerber-<br />

Familie aus dem Libanon<br />

• 17 Jahre alter Sohn, seit 7 Jahren in<br />

Deutschland, mit Realschulabschluss<br />

• Darf keine Lehrstelle annehmen, hängt statt<br />

dessen mit „Kollegen“ am Bahnhof rum<br />

⇒ Interpretationsmöglichkeit: Staatlich<br />

verordnete Verletzung der<br />

Chancengleichheit<br />

Recht auf Bildung (4), Freizeit (5)<br />

und Hilfe bei Behinderung (10)<br />

• 12 Jahre alter verhaltensauffälliger Junge<br />

• Wegen Aggressivität laut Schulbehörde nur 3<br />

Stunden pro Tag morgens beschulbar<br />

• Keine Hausaufgaben, keine Noten<br />

• Allein erziehende Mutter arbeitet bis 17 Uhr<br />

• Junge verbringt seine Tage vor dem Fernseher<br />

⇒ Interpretationsmöglichkeit: Der Staat entzieht<br />

sich der allgemeinen Schulpflicht,<br />

Vernachlässigung („Neglect“)<br />

Recht auf Gesundheit (3) und<br />

Schutz vor Grausamkeit und<br />

Vernachlässigung (8)<br />

• Eltern verweigern ihren Kindern die<br />

Masernimpfung aus ideologischen Gründen<br />

und feiern „Masernparties“<br />

• Freude über Rekonvaleszenz nach 1 Woche<br />

mit hohem Fieber und schwerer Erkrankung<br />

• Pneumonie, Enzephalitis (1:<strong>1.</strong>000), Subakut<br />

sklerosierende Panenzephalitis (SSPE;<br />

1:10.000)<br />

Beispiele von Zielgruppen für<br />

Verbesserungsmöglichkeiten des<br />

Kinderschutzes<br />

• Kinder mit Migrationshintergrund<br />

• Kinder mit Leistungseinschränkungen und<br />

Verhaltensauffälligkeit<br />

• Kinder mit medizinischer Unterversorgung


Wünsche der <strong>Bremer</strong> Kinderund<br />

Jugendärzte im Interesse des<br />

Kindeswohles:<br />

Gute, vertrauensvolle<br />

Zusammenarbeit mit dem<br />

Jugendamt / Amt für soziale<br />

Dienste !<br />

Selbstverständnis der Kinderärzte<br />

• Kinderärzte kennen und berücksichtigen die<br />

soziale Situation ihrer Patienten im<br />

Zusammenhang von Krankheit und Gesundheit<br />

• Kinderärzte verstehen sich als die natürlichen<br />

Anwälte der Interessen des Kindes, fast immer mit<br />

den Eltern gegen Kassen, Bürokratie, Schule, etc.<br />

• Manchmal Abwägung Interesse der Eltern und<br />

Interesse des Kindes<br />

• Extrem selten, aber möglich: Schutz des Kindes<br />

vor den Eltern<br />

Battered Child Syndrome<br />

• Kempe 1962<br />

• Non-accidental trauma<br />

• Niedergelassener Kinderarzt hat Verdacht<br />

• Einweisung ins Kinderkrankenhaus<br />

• Mitteilung an das Jugendamt<br />

• Vernachlässigung (Neglect), Sexueller<br />

Missbrauch, Münchhausen-by-proxy-<br />

Syndrom<br />

Basisüberlegungen für die Zusammenarbeit<br />

von Kinderärzten und Jugendamt<br />

• Gemeinsame Anstrengungen <strong>zur</strong> richtigen<br />

Erkennung von Misshandlung,<br />

Vernachlässigung und Missbrauch<br />

• Gegenseitige Information bei der Betreuung<br />

von Index-Kind, Eltern und Geschwistern<br />

• Rekonstruktion der Familie (gegen Chaos,<br />

Gewalt) hat Vorrang (Alternative Heim:<br />

Abwägen Partizipation versus Intervention)


Hypothetischer Beispielfall: 6<br />

Monate alter Säugling<br />

• Bei U5 (6 Monate) wundert sich der Kinderarzt<br />

über un<strong>zur</strong>eichenden Gewichtszuwachs und<br />

schlechten Pflegezustand<br />

• Mutter lehnt Einweisung in Kinderklinik ab, aber<br />

verspricht, in 1 Woche <strong>zur</strong> Gewichtskontrolle<br />

wiederzukommen<br />

• Kinderarzt ruft Jugendamt an, ob Familie bekannt<br />

sei: er spricht auf Anrufbeantworter<br />

• Bei Wiedervorstellung keine Rückmeldung des<br />

Jugendamtes, aber leichter Gewichtszuwachs<br />

Fortsetzung des Falles: jetzt 7<br />

Monate alter Säugling<br />

• Kind wird mit schwerer Entwässerung,<br />

Übersäuerung und Übersalzung bei seit 1 Woche<br />

bestehendem Erbrechen und Durchfall<br />

notfallmäßig in die Kinderklinik aufgenommen<br />

• Trotz Intensivtherapie Hirnüberwässerung mit ⇒<br />

4 Wochen Intensivstation, später werden kognitive<br />

Defizite festgestellt<br />

• Ursache: Vernachlässigung des Kindes<br />

Retrospektive<br />

• Allein erziehende Mutter bei Jugendamt<br />

bekannt<br />

• 1 Kind in Pflege, 1 Kind bei der Großmutter<br />

• Grund der Fremdplazierung:<br />

Vernachlässigung mit Unterernährung<br />

Information<br />

• Fester Ansprechpartner<br />

• Telefon mit Anrufbeantworter<br />

• Zeitnahe Rückmeldung erbeten an<br />

Kinderkrankenhaus und niedergelassenen<br />

Kinderarzt!


Umgang mit Auflagen des<br />

Jugendamtes<br />

• Partnerschaft mit Eltern: gemeinsames<br />

Interesse des Kindeswohles<br />

• Autorität des Amtes bewahren!<br />

• Umgang mit schwierigen, Gewalt<br />

ausstrahlenden Eltern (Regeln!)<br />

• Konsequenz, Transparenz und<br />

Berechenbarkeit der Entscheidungen des<br />

Jugendamtes<br />

• Vertrag einhalten!<br />

Hypothetischer Fall eines 6<br />

Wochen alten Frühgeborenen<br />

• Mehrere Sozialarbeiter, Drogenhelfer, und andere<br />

sollen entscheiden, ob ein Frühgeborenes nach 6<br />

Wochen stationärer Drogenentwöhnung zu seiner<br />

Mutter nach Hause entlassen werden kann oder in<br />

eine Pflegefamilie kommt („Helferkonferenz“)<br />

• Sitzung in Gegenwart der Mutter, des Vaters und<br />

der mütterlichen Großmutter<br />

• Entscheidung für die häusliche Versorgung durch<br />

die Mutter auch zu ihrer eigenen Stabilisierung<br />

unter Auflagen (Gewicht 4500g)<br />

Fortsetzung Fall<br />

• Keine Rückmeldung<br />

• Einlieferung auf Intensivstation im Alter<br />

von 5 Monaten (Gewicht 4500g) mit<br />

Atemstillstand, Blausucht und Schläfrigkeit<br />

• Lichtstarre Pupillen,<br />

Schnittbilduntersuchung:<br />

Hirnüberwässerung, multiple Einblutungen:<br />

Schütteltrauma<br />

• Tod trotz Intensivtherapie<br />

Verantwortung für das Kind<br />

• Persönliche Verantwortung des Mitarbeiters<br />

des Jugendamtes<br />

• Helferkonferenz in Gegenwart der Eltern?<br />

• Kind kein Therapeutikum!<br />

• Spezielle Problematik drogenabhängiger<br />

Eltern


Aktuelle Entwicklung<br />

• Kinder- und Jugendärzte Bremens wiesen<br />

auf die Möglichkeit hin, die<br />

Zusammenarbeit mit dem Jugendamt zu<br />

verbessern<br />

• Gemeinsame Konferenz nach Absprache<br />

am 12. Dezember 2006<br />

• Vom Jugendamt betriebene Veränderungen<br />

günstig<br />

• Probleme mit administrativen Mitteln<br />

alleine nicht zu lösen<br />

Mögliche weitere Aspekte<br />

• Familiengericht<br />

• Mögliche Anzeige („Rollenunklarheit“)<br />

• Organisation des Jugendamtes (6<br />

Sozialzentren (alle sozialen Leistungen);<br />

fachliche Hierarchie; eigenes Budget)<br />

• Verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen<br />

Wünsche der Kinder- und<br />

Jugendärzte an das Jugendamt<br />

• Zeitnahe Rückmeldung<br />

• Verantwortung<br />

• Verträge und Konsequenzen<br />

• Objektive Helferkonferenz im Interesse des<br />

Kindes<br />

• Kind kein „Therapeutikum“<br />

Fortsetzung der Zusammenarbeit<br />

mit dem Jugendamt<br />

• Angebot der Mitwirkung, z.B. durch<br />

regelmäßige Vorstellungen und<br />

Untersuchungen durch die <strong>Bremer</strong><br />

Kinderärzte<br />

• Fortbildung der Kinderärzte und<br />

Sozialarbeiter in der Erkennung von<br />

Misshandlung und Vernachlässigung<br />

• Weitere gemeinsame Konferenzen?


Hypothetischer Fall: 2 Kinder<br />

• 2 Kinder (4 und 2 Jahre) werden mit<br />

Rauchvergiftung ins Kinderkrankenhaus<br />

eingeliefert<br />

• 20-jährige allein erziehende Mutter war auf<br />

Freimarkt; Kinder allein zu Hause, haben<br />

Herd angestellt, Zimmerbrand<br />

• Nachbarn: immer Krach, Chaos und Dreck:<br />

Unglück war vorherzusehen!<br />

• Schlussfolgerung?<br />

Kinderschutz alleine durch<br />

staatliche Maßnahmen?<br />

• Staatliche (bürokratische) Maßnahmen, Geld,<br />

mehr Mitarbeiter alleine können<br />

Kindesmisshandlung nicht verhindern<br />

• Gesellschaftlicher Wandel notwendig<br />

• Kinderfreundlichkeit der Gesellschaft und des<br />

einzelnen<br />

• Heute: der Bürger beobachtet etwas, das auf<br />

Kindesmisshandlung hindeuten könnte ⇒<br />

Wegschauen oder Melden und dann Abwenden,<br />

statt Hilfe<br />

Verbesserung des Schicksals der<br />

uns anvertrauten Kinder<br />

• Verbesserung der Zusammenarbeit<br />

Jugendamt – Kinderärzte<br />

• Gegenseitige zeitnahe Information<br />

• Nutzung der Expertise des<br />

Kinderkrankenhauses (Krisenintervention,<br />

Beurteilung)<br />

• Nutzung von Vertrauen und Expertise des<br />

niedergelassenen Kinderarztes


Kindesmisshandlung:<br />

Erkennen - verhindern<br />

Dr. Heidrun Gitter<br />

Kinderchirurgische Klinik<br />

Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin<br />

Klinikum Bremen-Mitte


Formen der Kindesmisshandlung<br />

• Physisch: unplausible Verletzungen<br />

• Sexuell: Alle Aktivitäten mit dem Kind, die der<br />

sexuellen Befriedigung des/r Täters/in dienen<br />

• Psychisch: Zurückweisung, Abwerten, fehlende<br />

emotionale Zuwendung<br />

• Vernachlässigung: häufigste Form von Untergewicht<br />

bei jungen Kindern ist vernachlässigte Ernährung;<br />

mangelnder Schutz vor Unfällen<br />

• „Münchhausen-by-Proxy“-Syndrom<br />

Kindesmisshandlung-Prävalenz<br />

• Häufigkeit unklar, hohe Dunkelziffer, fließende<br />

Übergänge; 1: 100 – 1: 1000 Kinder/Jahr<br />

• Ca. 10 % der Verletzungen bei Kindern unter 5 Jahren,<br />

die in einer Notfallambulanz vorgestellt werden<br />

• Ca. 15 % der thermischen Verletzungen<br />

• Ca. 50 % der Frakturen bei Kindern unter 1 Jahr<br />

• USA: ca 58 % Vernachlässigung, ca 21 % Phys.<br />

Misshandlung, ca 11% sex. Missbrauch (Anteile unter<br />

allen gemeldeten bestätigten Misshandlungsfällen)<br />

• Misshandler: 62 % weibl., sex.Missbraucher meist männl.<br />

Kindesmisshandlung-Risikoprofile<br />

• Fehlende Eltern-Kind-Bindung (Frühgeburten,<br />

Krankheiten des Neugeborenen z.B.)<br />

• Chron. Erkrankung / Behinderung des Kindes<br />

• Drogenabhängigkeit der Eltern<br />

• Soziale Stressfaktoren wie Arbeitslosigkeit<br />

• Junge Eltern /alleinerziehende Mutter<br />

• Falsche Erwartungen, Unwissen<br />

• Gewalterfahrung, Missbrauchserfahrung in der Familie<br />

⇒Risikokonstellationen wahrnehmen<br />

Kindesmisshandlung-physisch<br />

• Verletzungshergang ist unplausibel, passt nicht <strong>zur</strong><br />

Verletzung<br />

• Unterschiedlich alte Verletzungen (blaue Flecken etc)<br />

• Verspätetes Aufsuchen medizinischer Hilfe<br />

• Auffällige Form von Hautverletzungen<br />

• Symmetrische Verletzungen, beidseitige Verletzungen<br />

• Verletzungen an eigentlich „geschützten“ Stellen (nicht<br />

dort, wo Knochen dicht unter der Haut), z.B. Gesäß,<br />

Rücken, „Abwehrverletzungen“, „Hutkrempenregel“<br />

• Über 70% der misshandelten Kinder haben<br />

Hautverletzungen (Blutergüsse etc)


• Typ.<br />

Misshandlungsverletzungen<br />

• Akzidentelle<br />

Verletzungen<br />

• Misshandlung<br />

versus akzidentell<br />

am Kopf


Kindesmisshandlung-Frakturen<br />

• Frakturen unterschiedlichen Alters (radiologische Zeichen<br />

„ corner sign“)<br />

• Multiple Rippenfrakturen, insbesondere bei kleinen<br />

Kindern<br />

• Frakturen, die nicht zum geschilderten Hergang oder<br />

Entwicklungszustand des Kindes passen (Frakturen an<br />

den Beinen bei noch nicht gehfähigen Kindern z.B.)<br />

• Beckenfrakturen ohne signifikante Gewalteinwirkung<br />

durch „bekannten“ Unfall


Kindesmisshandlung-thermisch<br />

• Verbrühungen / Verbrennungen machen ca 10 % der<br />

physischen Misshandlungsfälle aus, insbesondere im<br />

Kleinkindalter ( wo auch akzidentelle thermische<br />

Verletzungen häufig sind)<br />

• Zigarettenbrandwunden (typ. „ausgestanzte“ runde Form)<br />

• Eintauchverbrühungen (Verbrühungsmuster!)<br />

• Natürlicherweise reflektorisches „Wegziehen“ – fehlt bei<br />

Zwang / Gewaltanwendung<br />

• Entwicklungszustand/Fähigkeiten des Kindes passen<br />

nicht zum geschilderten Hergang<br />

Kindesmisshandlung-innere Organe<br />

• Verletzungen der Bauchorgane sind sehr gefährlich, sie<br />

sind die zweithäufigste Todesursache bei misshandelten<br />

Kindern<br />

• Wegen der weichen Bauchwand können äußere<br />

Verletzungsanzeichen an der Haut fehlen<br />

• Erbrechen, gespannter Bauch, Schmerzen, Schock


Kindesmisshandlung-“shaken baby“<br />

• Die häufigste Todesursache bei Kindesmisshandlung ist<br />

das zugefügte SHT – häufig Schütteltrauma<br />

• Schwere neurologische Zeichen führen <strong>zur</strong><br />

Krankenhausaufnahme<br />

• Diskreter: Lethargie, Erbrechen, Irritabilität,<br />

Entwicklungsverzögerung<br />

• MRT / CCT / Augenhintergrundsuntersuchung (retinale<br />

Blutungen, in 85 % der „shaken babies“)<br />

• Schwere Blutungen, Gefäßzerreißungen,<br />

Hirngewebsschäden<br />

• ⇒ Aufklärung: Kein Schütteln <strong>zur</strong> „Beruhigung“ des<br />

Kindes oder aus anderen Gründen!


Kindesmisshandlung-sex. Missbrauch<br />

• Sehr hohe Dunkelziffer (m. bes. unterschätzt?)<br />

• Missbraucher meist männl. und aus dem<br />

familiären Umfeld<br />

• Missbrauch beginnt mit der Auswahl des<br />

verletzbaren und verfügbaren Kindes<br />

(Behinderung, geringes Selbstbewusstsein, fehlender Schutz,<br />

familiäre Gelegenheit, Gehorsamsstrukturen, Vertrauensbruch,<br />

Missbrauchserfahrung bei der Mutter)<br />

• Ca 1/3 < 6 J, 1/3 6-12 J.,1/3 12-18 J<br />

Kindesmisshandlung-sex. Missbrauch<br />

• Offenbarung an Mutter/Bekannte<br />

• Verhaltensänderung (Kindergarten, Schule)<br />

• Altersinadäquates sex. Wissen und Verhalten<br />

• Bauchschmerzen, Einnässen, HWIs, Obstipation<br />

• Schwere psychopathol. Symptome<br />

(Selbstverletzung, Suizidalität, Essstörungen,<br />

Substanzmissbrauch, multiple Persönlichkeit)<br />

⇒ „ungutem Gefühl“ nachgehen, „Helferkonferenz“!<br />

Kindesmisshandlung-sex. Missbrauch<br />

• Dringliche med. Untersuchung i.d.R. nur geboten<br />

bei V.a. behandlungspflichtigen Verletzungen u.<br />

Erkrankungen und wenn Übergriff < 72 h<br />

(Beweissicherung)<br />

• Retraumatisierung vermeiden, keine neuerliche<br />

Missachtung der Selbstbestimmung<br />

• Erfahrene Untersucher, Standardisiertes<br />

Vorgehen, Spurensicherung, <strong>Dokumentation</strong>,<br />

• Untersuchung auch für Sicherheit von Kind/Eltern<br />

• Ggf. Narkoseuntersuchung<br />

Kindesmisshandlung-sex. Missbrauch<br />

• Beweisende Untersuchungsbefunde sind selten<br />

• Normalbefunde schließen sex. Missbrauch nicht<br />

aus!<br />

• Auch vaginale Penetration ohne nachweisbare<br />

(Hymenal-)Verletzung möglich!<br />

• Schleimhautwunden/oberflächl. Wunden können<br />

rasch und ohne nachweisbare Residuen abheilen<br />

• Falsche Anschuldigungen durch die Kinder sind<br />

selten (cave: Sorgerechtskonflikte, Probleme erw. Kinder)


Kindesmisshandlung-Vernachlässigung<br />

• Gedeihstörung / Unterernährung / Fehlernährung<br />

(Rasche Gewichtszunahme bei unlimitierter Fütterung in<br />

der Klinik z.B.)<br />

• Mangelnde Körperhygiene / Gesundheitsvorsorge<br />

(Evidenz, dass U-Unters. präventiv f. Misshandlung/deren Folgen?,<br />

fehlende etablierte Rückmeldung Arzt-Amt, fehlende lokale<br />

Auswertung von Entwicklungsverläufen/ Begleitforschung)<br />

• Entwicklungsverzögerung<br />

• Verminderter Mutter-(Vater-)Kind-Kontakt<br />

(Interaktion,Zuwendung, Ansprache, Spielen,<br />

Körperkontakt)<br />

• Ablehnung, Abwerten des Kindes<br />

Kindesmisshandlung-Vernachlässigung<br />

• Fließende Übergänge zum „Normalen“<br />

• Einflussmöglichkeiten?<br />

• Diese Kinder brauchen Kinderkrippen und<br />

Kindergärten<br />

• Zusammenarbeit mit den Kinderärzten (Auf<br />

Einhaltung der U-Unters. achten ist besser als<br />

Meldepflicht!, „gelbes Heft“ ansehen!)<br />

• Elternrecht – Elternpflicht - Kindesrecht<br />

Kindesmisshandlung-Fallbeispiel 1<br />

• Mit 1 ½ J stat wg OS-Fraktur („Treppensturz“),<br />

multiple Hämatome („von der älteren 4j Schwester<br />

verursacht“), jüngere Schwester als Säugling stat.<br />

wg. Schädelfraktur,v.a. „battered child“, AfSD<br />

involviert,Tagespflege<br />

• Mit 2 J stat. bei V.a. „battered child“ mit supracond.<br />

Humerusfraktur, multiple Hämatome,<br />

Entwicklungsverzögerung (Sprache!),<br />

Unfallhergang verschieden geschildert, zeitl.<br />

verzögerter Arztkontakt, Tagespflege<br />

unregelmäßig, Sorgerechtsentzug<br />

Kindesmisshandlung – Fallbeispiel 2<br />

• Wohnungsaufbruch bei schreiendem Kleinkind, 22<br />

Mon alter Junge in kühlen nassen Kleidern im<br />

Schock hilflos alleine vorgefunden mit Verbrühungen<br />

ca 40 % KO tief II° insbes. Beine, Arme , etwas auch<br />

Rumpf, auffälliges Verletzungsmuster und<br />

Aussparungen durch Bekleidungsschutz. Kind war<br />

vom Vater betreut, Mutter seit ca 1 Wo nicht mehr<br />

zugegen gewesen (war auf Besuch in ihrem<br />

Heimatland)<br />

• Gerichtsverhandlung, intensive Betreuung, derzeit ist<br />

das Kind bei der jetzt reiferen Mutter<br />

• Nach der Geburt bereits erster „Jugendamtskontakt“,<br />

Entzug (?) durch Umzug


Kindesmisshandlung-Prävention<br />

• Hinsehen – Nachfragen - dokumentieren<br />

• Risiken wahrnehmen – Verdacht aussprechen<br />

• Zweitmeinung – Supervision – Teamkultur<br />

• Niemals dran gewöhnen<br />

• Eigene Überforderung wahrnehmen und anzeigen<br />

(dürfen), Mängel benennen (dürfen), Fehlerkultur<br />

• Respekt – Offenheit - Ehrlichkeit<br />

• Hilfen anbieten aber Mithilfe einfordern<br />

• Vernetze Strukturen (Helfer, Ärzte, ÖGD, Schulen,<br />

Kindergärten, Polizei, Rechtsberatung ...)<br />

• Begleitforschung


Prof. Dr. med. Eberhard Schulz<br />

Uni-Klinik Freiburg, Ärztlicher Direktor der Abt. für Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter<br />

Früherkennung - Frühzeitiges Erkennen von Risiken der sozialen Entwicklung<br />

Der Beitrag von Prof. Dr. med. Eberhard Schulz war bis <strong>zur</strong> Drucklegung nicht verfügbar und wird ggf. in der <strong>Dokumentation</strong> <strong>zur</strong> 2. <strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong><br />

veröffentlicht.


Reinhard Wiesner<br />

Kinderschutz und Jugendhilfe<br />

<strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong><br />

9. Mai <strong>2007</strong>


Der mehrdimensionale Auftrag der Jugendhilfe<br />

„Die strukturelle Ambivalenz von Hilfe und Kontrolle“<br />

• Der Auftrag nach § 1 Abs. 3 SGB VIII<br />

„Jugendhilfe soll <strong>zur</strong> Verwirklichung des Rechts nach Absatz 1 insbesondere<br />

<strong>1.</strong> junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und<br />

dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen,<br />

2. Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und<br />

unterstützen,<br />

3. Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen,<br />

4. dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre<br />

Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu<br />

schaffen.“<br />

• Kinderschutz ist deshalb immer schon ein zentraler Auftrag der<br />

Kinder- und Jugendhilfe<br />

Kinderschutz umfasst.....<br />

ein breites Spektrum von Maßnahmen<br />

• von primärer Prävention (Aufklärung,<br />

Information, Beratung über Pflege und Erziehung)<br />

• über sekundäre Prävention (Unterstützung von<br />

Eltern in belastenden Lebenssituationen, die<br />

spezifische Risiken für Kinder bergen)<br />

• bis <strong>zur</strong> Intervention bei akuter<br />

Kindeswohlgefährdung<br />

Zugang, Kooperation und Verweisung<br />

zwischen den Systemen<br />

• Gesellschaftliche Akzeptanz von ärztlicher Hilfe<br />

• Gesellschaftliche Stigmatisierung von „Hilfe“<br />

durch das Jugendamt (strukturelle Ambivalenz<br />

von Hilfe und Kontrolle)<br />

• Das Gesundheitssystem als Türöffner<br />

• Weitergabe von Daten und Vertrauensverhältnis<br />

Das Instrumentarium des SGB VIII<br />

vor dem Hintergrund von Art. 6 GG (1)<br />

• Der Schutz des Kindes vor Gefahren für ihr Wohl ist Teil der<br />

elterlichen Erziehungsverantwortung nach Art. 6 Abs.2 Satz 1 GG<br />

• Die primäre Aufgabe des Staates ist es, die Eltern bei der<br />

Wahrnehmung dieser Aufgabe zu unterstützen<br />

• Ist das Wohl des Kindes oder Jugendlichen gefährdet und<br />

sind die Eltern nicht bereit oder in der Lage, die Gefährdung<br />

abzuwenden bzw. an der Abwendung mitzuwirken,<br />

so hat „der Staat“ die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz des<br />

Kindes (durch rechtsverbindliche Einflussnahme auf die elterliche<br />

Erziehungsverantwortung) zu treffen<br />

• Adressaten, Aufgaben und Befugnisse sind gesetzlich geregelt (SGB<br />

VIII, BGB)


Das Instrumentarium des SGB VIII<br />

vor dem Hintergrund von Art. 6 GG (2)<br />

Das SGB VIII verpflichtet die Jugendämter<br />

• <strong>zur</strong> Gewährung von Hilfen <strong>zur</strong> Erziehung , wenn die<br />

Voraussetzungen des § 27 gegeben sind und die Eltern einverstanden<br />

sind<br />

• <strong>zur</strong> Anrufung des Familiengerichts, wenn die Gefährdung des<br />

Kindeswohls nicht durch Hilfen an die Eltern abgewendet werden<br />

kann<br />

• <strong>zur</strong> Inobhutnahme des Kindes oder Jugendlichen, wenn eine<br />

dringende Gefahr die Inobhutnahme erfordert und eine<br />

familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden<br />

kann.<br />

Kooperation mit den Eltern<br />

als Basis des Hilfeprozesses<br />

• Das Jugendamt gewährt Hilfen,<br />

– dabei nimmt es die Eltern in die Pflicht<br />

– trifft mit ihnen Vereinbarungen über die Ausgestaltung<br />

der Hilfe (Schutzkonzept)<br />

– zeigt die Konsequenzen mangelnder Kooperation auf<br />

– ist fachlich auf ein Mindestmaß von Kooperation mit<br />

den Eltern und dem Kind/ Jugendlichen angewiesen<br />

– kann die Inanspruchnahme von Hilfen durch die Eltern<br />

aber rechtlich nicht erzwingen<br />

Kooperation von<br />

Jugendamt und Gericht (1)<br />

• Das Familiengericht hat die Pflicht,<br />

eine Kindeswohlgefährdung abzuwenden,<br />

wenn die Eltern nicht bereit oder in der Lage sind,<br />

an der Abwendung der Gefährdung mitzuwirken<br />

• Seine Maßnahmen reichen von Ge- und Verboten<br />

an die Eltern bis zum (teilweisen) Entzug der<br />

elterlichen Sorge<br />

• Diskutiert wird eine Konkretisierung des<br />

Maßnahmenrepertoires in § 1666 BGB<br />

Kooperation von<br />

Jugendamt und Gericht (2)<br />

• Das Jugendamt ruft das Gericht (erst) an,<br />

wenn es sein Handlungspotential<br />

ausgeschöpft hat<br />

• Trifft das Gericht keine Maßnahmen, so<br />

bleibt das gefährdete Kind schutzlos<br />

• Notwendig ist daher eine<br />

Verantwortungsgemeinschaft zwischen<br />

Jugendamt und Gericht


Besserer Schutz von Kindern und Jugendlichen<br />

vor Gefahren für ihr Wohl<br />

als Schwerpunkt<br />

des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes<br />

• Konkretisierung des Schutzauftrags des Jugendamts bei<br />

Kindeswohlgefährdung (§ 8a)<br />

• Systematische Neuordnung der Inobhutnahme (§ 42)<br />

• Versagung der Betriebserlaubnis für Einrichtungen<br />

fundamentalistischer Träger (§ 45)<br />

• Erweiterte Befugnis <strong>zur</strong> Erhebung und Weitergabe von Daten bei<br />

Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung (§§ 64, 65)<br />

• Verschärfte Prüfung der persönlichen Eignung von Personen mit<br />

bestimmten Vorstrafen (§ 72 a)<br />

Konkretisierung und Strukturierung<br />

des Schutzauftrags –<br />

Der Hintergrund (1)<br />

• Dramatische Fälle von Kindesmisshandlung und<br />

Kindesvernachlässigung<br />

• Strafverfahren gegen Fachkräfte der Jugendhilfe<br />

wegen Verletzung der Garantenpflicht<br />

• Unsicherheiten und Missverständnisse im<br />

Zusammenhang mit der Dienstleistungsdebatte<br />

• Die Rechtsprechung des BGH <strong>zur</strong> Amtshaftung<br />

bei Amtspflichtverletzung im Jugendamt<br />

Konkretisierung und Strukturierung<br />

des Schutzauftrags –<br />

Der Hintergrund (1)<br />

• Dramatische Fälle von Kindesmisshandlung und<br />

Kindesvernachlässigung<br />

• Strafverfahren gegen Fachkräfte der Jugendhilfe<br />

wegen Verletzung der Garantenpflicht<br />

• Unsicherheiten und Missverständnisse im<br />

Zusammenhang mit der Dienstleistungsdebatte<br />

• Die Rechtsprechung des BGH <strong>zur</strong> Amtshaftung<br />

bei Amtspflichtverletzung im Jugendamt<br />

Konkretisierung des Schutzauftrags – Der<br />

Hintergrund (2)<br />

• Das Jugendamt „zwischen“ den<br />

Forderungen nach<br />

– effektivem Kindesschutz und<br />

– Achtung der Elternautonomie<br />

• Die Entwicklung von Verfahrensstandards<br />

in der Praxis


„Helfen mit Risiko“<br />

• „Kinder schützen- Eltern unterstützen“<br />

• Der Zugang zu den Eltern als Schlüssel für<br />

die Hilfe für das Kind<br />

• Das Gefährdungsrisiko für das Kind und die<br />

Schutzpflicht des Staates<br />

Konzeption der Regelung in § 8a<br />

• (Reaktive) Informationsgewinnung und<br />

Gefährdungseinschätzung als Aufgabe des<br />

Jugendamts<br />

• Beteiligung des Kindes oder Jugendlichen und der<br />

Personensorgeberechtigten<br />

• Wahrnehmung des Schutzauftrags durch die<br />

Leistungserbringer<br />

• Reaktionsalternativen des Jugendamts in eigener<br />

Kompetenz<br />

• Einschaltung anderer Stellen<br />

„Gewichtige Anhaltspunkte“<br />

• Funktion: Eingangsschwelle für die<br />

Wahrnehmung des Schutzauftrags<br />

• Definition: „Konkrete Hinweise, ernst zu<br />

nehmende Vermutungen“<br />

• Prozesscharakter der Klärung von Gefährdungen<br />

• Je höher die Eingangsschwelle<br />

– Umso weniger „Fälle“<br />

– Umso größer die Gefahr, weniger sichtbare Anzeichen<br />

zu übersehen<br />

Optionen<br />

• Intensiveres Raster und häufiger „blinder<br />

Alarm“<br />

oder<br />

• Konzentration auf markante Fälle und<br />

Gefahr der Ignoranz weniger eindeutiger<br />

Hinweise


Zentrale Anforderungen an die<br />

Umsetzung des Schutzauftrages<br />

• „Wahrnehmen – Deuten - Urteilen - Handeln“<br />

• Etablierung eines Verfahrens im Jugendamt über<br />

den Umgang mit Meldungen<br />

• Qualifizierung der Fachkräfte in der<br />

Gefährdungseinschätzung und Entwicklung von<br />

Arbeitshilfen (Beobachtungskatalogen)<br />

• <strong>Dokumentation</strong> der Verfahrenschritte im<br />

Einzelfall<br />

• Monitoring und Fehleranalyse<br />

Indikatoren für eine<br />

Kindeswohlgefährdung<br />

• Die Feststellung einer Kindeswohlgefährdung ist<br />

keine Tatsachenbeschreibung, sondern eine<br />

zwangsläufig hypothetische (Risiko)Einschätzung<br />

auf der Grundlage relevanter Informationen<br />

• Es gibt kein gesichertes System von Indikatoren<br />

• Anhaltspunkte beim Kind<br />

• Anhaltspunkte im sozialen Bezugssystem<br />

• Anhaltspunkte für eine mangelnde Fähigkeit/<br />

Bereitschaft der Eltern <strong>zur</strong> Mitwirkung<br />

Einbeziehung der Leistungserbringer (§ 8a Abs. 2)<br />

• Adressaten: alle Leistungserbringer nach dem SGB VIII<br />

• Instrument: Vereinbarung<br />

• Inhalt:<br />

– Eigenverantwortliche Abschätzung des Gefährdungsrisikos<br />

– Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte, von denen eine eine<br />

insoweit erfahrene Fachkraft sein muss<br />

– Einbeziehung der Personensorgeberechtigten sowie des Kindes<br />

oder Jugendlichen<br />

– Hinwirken auf die Inanspruchnahme von Hilfe bei den Eltern<br />

– Information des Jugendamts, wenn<br />

• die Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, Hilfe in Anspruch zu<br />

nehmen<br />

• die angenommene Hilfe nicht ausreicht<br />

• Die Ausgestaltung der Vereinbarung muss dem jeweiligen<br />

Leistungsprofil der Einrichtung/ des Dienstes Rechnung<br />

tragen<br />

Fachkräfte als Akteure des Schutzauftrags<br />

nach § 8a<br />

• Die Wahrnehmung des Schutzauftrags nach § 8a ist<br />

Aufgabe von Fachkräften<br />

• Maßgeblich ist die Definition der Fachkraft in § 72 SGB<br />

VIII<br />

• Unerheblich ist das Beschäftigungsverhältnis<br />

• „Erfahrene“ Fachkräfte i.S. von § 8 a Abs.2 sind solche,<br />

die über spezifische Kompetenzen <strong>zur</strong><br />

Gefährdungseinschätzung verfügen<br />

• Diese können je nach Leistungsprofil der Einrichtung/ des<br />

Dienstes dort tätig sein oder müssen von außen<br />

hinzugezogen werden


Beteiligung von Vormund/ Pfleger<br />

• Ist für das Kind bereits ein Vormund oder Pfleger bestellt,<br />

so ist er (vom ASD/ RSD) unverzüglich über<br />

Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung zu<br />

informieren und in die Risikoabschätzung<br />

einzubeziehen (§ 8a Abs.1 Satz 2)<br />

• Alle weiteren Entscheidungen über die Abwendung einer<br />

Kindeswohlgefährdung hat der Vormund oder Pfleger<br />

eigenverantwortlich zu treffen (sofern nicht er selbst das<br />

Kindeswohl gefährdet und <strong>zur</strong> Abwendung nicht bereit<br />

oder in der Lage ist)<br />

• Eine Anrufung des FamG ist in der Regel nicht<br />

erforderlich, weil der Vormund personensorgeberechtigt ist<br />

Sozialdatenschutz und<br />

Kindeswohlgefährdung<br />

• Datenschutz als zentraler fachlicher Standard<br />

• Informationelle Selbstbestimmung und<br />

fremdnütziges Elternrecht<br />

• Informationsverschaffung bei dritten Personen<br />

• Weitergabe anvertrauter Daten <strong>zur</strong><br />

Risikoeinschätzung<br />

–im Fachteam<br />

– bei Wechsel der Fachkraft<br />

– bei Wechsel der örtl. Zuständigkeit<br />

Informationsverschaffung<br />

bei dritten Personen (§ 62 Abs. 3)<br />

• Ist die Erhebung von Sozialdaten bei den Eltern<br />

nicht möglich,<br />

– weil die Eltern sich weigern, an der Risikoeinschätzung<br />

mitzuwirken<br />

– weil bei einer Erhebung der Geheimhaltungsdruck auf<br />

das Kind erhöht würde<br />

so dürfen Sozialdaten auch bei dritten Personen<br />

(z.B. Nachbarn, Erzieherin im Kindergarten)<br />

erhoben werden<br />

Weitergabe anvertrauter Daten<br />

(§ 65 Abs.1)<br />

• Befugnis <strong>zur</strong> Weitergabe anvertrauter Daten<br />

<strong>zur</strong> Abschätzung des Gefährdungsrisikos<br />

– an die hinzugezogenen Fachkräfte <strong>zur</strong><br />

Abschätzung des Gefährdungsrisikos (Nr.4)<br />

– an die neu zuständige Fachkraft<br />

• nach Wechsel der Fallzuständigkeit im Jugendamt<br />

(Nr.3 Alt.1)<br />

• nach Wechsel der örtl. Zuständigkeit (Nr. 3 Alt.2)


Arbeitshilfen (1)<br />

• Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht –<br />

DIJuF (Hrsg.): Verantwortlich handeln- Schutz und Hilfe<br />

bei Kindeswohlgefährdung – Saarbrücker Memorandum –<br />

Köln 2004<br />

• Deutsches Jugendinstitut (DJI): Handbuch<br />

Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB und<br />

Allgemeiner Sozialer Dienste (ASD) – www.dji/asd.de<br />

• Institut für soziale Arbeit (ISA): Der Schutzauftrag bei<br />

Kindeswohlgefährdung –Arbeitshilfe <strong>zur</strong> Kooperation<br />

zwischen Jugendamt und Trägern der freien Jugendhilfe<br />

(Stand März 2006)<br />

Arbeitshilfen (2)<br />

• Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke)<br />

Kindesschutz und Beratung, Empfehlungen <strong>zur</strong> Umsetzung des<br />

Schutzauftrags, Fürth 2006<br />

• Deutscher Verein für öffentl. und private Fürsorge<br />

– Empfehlungen <strong>zur</strong> Umsetzung des § 8a SGB VIII: NDV 2006, 494<br />

– Empfehlungen <strong>zur</strong> Umsetzung des § 72 a SGB VIII (Stand 26.5.2006)<br />

• Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter<br />

(www.bagljae.de)<br />

– Hinweise <strong>zur</strong> Umsetzung des Schutzauftrags nach § 8a SGB VIII<br />

– Hinweise <strong>zur</strong> Eignungsüberprüfung von Fachkräften der Kinder- und<br />

Jugendhilfe nach § 72 a SGB VIII<br />

Arbeitshilfen (3)<br />

• Jordan, Erwin (Hrsg.):<br />

Kindeswohlgefährdung- Rechtliche Neuregelungen und<br />

Konsequenten für den Schutzauftrag der Kinder- und<br />

Jugendhilfe - Weinheim und München 2006<br />

• Bundesministerium der Justiz (bmj.bund.de)<br />

Arbeitsgruppe „Familiengerichtliche Maßnahmen bei<br />

Gefährdung des Kindeswohls“<br />

Abschlussbericht vom 17.1<strong>1.</strong>2006<br />

Arbeitshilfen (4)<br />

• IKK-Nachrichten Heft 1-2/ 2006<br />

§ 8a SGB VIII<br />

Herausforderungen bei der Umsetzung<br />

Themenheft mit Beiträgen von<br />

R.Wiesner, G. Schindler, H.Kindler/ S.Lillig,<br />

R. Schone, K.Theißen,St. Rietmann, Chr. Gerber,<br />

C. Bundschuh, I. Johns


Ambulanter Sozialdienst<br />

Beispiel der Fallbearbeitung<br />

Eine junge Frau (19 Jahre)<br />

verlässt im Streit ihr<br />

Elternhaus. Später bemerkt<br />

sie, dass sie schwanger ist.<br />

Der Sozialdienst Junge<br />

Menschen wird zuständig.<br />

Eine Einbindung in eine<br />

Mutter-Kind Einrichtung<br />

scheitert. Ebenso eine<br />

Unterstützung der werdende<br />

Mutter über eine Intensive<br />

Sozialpädagogische<br />

Einzelmaßnahme. Die<br />

Begleitung der jungen Frau in<br />

der eigenen Wohnung wird<br />

zunächst durch den<br />

Sozialdienst sichergestellt.<br />

Später wird eine<br />

Familienhebamme eingesetzt,<br />

die angenommen wird.<br />

Kerstin Reiners<br />

ISE<br />

SDJM<br />

<strong>Kinderschutzkonferenz</strong> Mai <strong>2007</strong> Ambulanter Sozialdienst – Kerstin Reiners 2<br />

M&K<br />

Das Kind (hier Ole) wird<br />

geboren und nach kurzer Zeit<br />

wird eine mehrfach<br />

Schwerstbehinderung<br />

diagnostiziert. Oles<br />

gesundheitliche Situation ist<br />

instabil und bedarf großer<br />

Fürsorge. In der Folgezeit<br />

wird er häufig stationär in der<br />

Kinderklinik aufgenommen.<br />

Nachdem die<br />

Familienhebamme nach<br />

einem Jahr ihr Tätigkeit in<br />

dieser Familie beendet, droht<br />

das empfindliche System<br />

zusammenzubrechen.<br />

Als die junge Mutter ein<br />

weiteres Kind bekommt, wird<br />

ein Sozialpädagogische<br />

Familienhilfe eingesetzt.<br />

SDJM<br />

<strong>Kinderschutzkonferenz</strong> Mai <strong>2007</strong> Ambulanter Sozialdienst – Kerstin Reiners 3<br />

Durch die schwere<br />

Behinderung von Ole, die<br />

damit verbundene ärztliche<br />

Versorgung und<br />

therapeutische Einbindung,<br />

sowie durch die notwendige<br />

Unterstützung und Kontrolle<br />

des Sozialdienstes Junger<br />

Menschen sind effektive<br />

Kooperationen, also eine<br />

Vernetzung aller beteiligten<br />

Professionen unumgänglich.<br />

Die Sozialpädagogische<br />

Familienhilfe wird nach zwei<br />

Jahren beendet, da die im<br />

Hilfeplan formulierten Ziele<br />

erreicht sind. Kurze Zeit<br />

danach kippt das<br />

Familiensystem erneut.<br />

<strong>Kinderschutzkonferenz</strong> Mai <strong>2007</strong> Ambulanter Sozialdienst – Kerstin Reiners 4<br />

SpFH<br />

SpFH<br />

SDJM


Ole wurde von seiner Mutter<br />

aufgrund seiner gesundheitlich<br />

schlechten Situation erneut in<br />

die Kinderklinik gebracht. Der<br />

behandelnde Arzt wollte nach<br />

der Stabilisierung eine<br />

Entlassung <strong>zur</strong> Mutter nicht<br />

verantworten. Es wurden in<br />

Kooperationsgesprächen<br />

mehrer Hilfemöglichkeiten<br />

besprochen: das Ergebnis war<br />

die vorübergehende stationäre<br />

Heimaufnahme von Ole. Da<br />

eine Rückführung in die Familie<br />

eine Perspektive der Hilfe sein<br />

sollte, kam eine auswärtige<br />

Unterbringung nicht in Betracht.<br />

In den in Frage kommenden<br />

Einrichtungen war nicht sofort<br />

ein Platz frei. Es kam <strong>zur</strong><br />

Verzögerung bei der<br />

Unterbringung, dies erforderte<br />

eine gute Kommunikation der<br />

beteiligten Fachkräfte.<br />

<strong>Kinderschutzkonferenz</strong> Mai <strong>2007</strong> Ambulanter Sozialdienst – Kerstin Reiners 5<br />

An diesem Fall wird<br />

deutlich, wie wichtig ein<br />

engmaschige Vernetzung<br />

und eine gute Kooperation<br />

mit Fallkonferenzen ist.<br />

Weiter ist erkennbar, dass<br />

an einigen Punkten ein<br />

Umdenken bzw. ein<br />

veränderter Blickwinkel<br />

notwendig ist, um eine<br />

Gesamtsituation neu zu<br />

beurteilen.<br />

SDJM<br />

<strong>Kinderschutzkonferenz</strong> Mai <strong>2007</strong> Ambulanter Sozialdienst – Kerstin Reiners 6<br />

SDJM


Sabine Heinke<br />

Richterin am Amtsgericht/Familiengericht Bremen<br />

Sabine.Heinke@Amtsgericht.Bremen.de; Tel. (0421) 361-4256<br />

Kinderschutz aus Sicht des Familiengerichts<br />

Zuständigkeit des Familiengerichts<br />

- Sorgerechtsentziehungsverfahren, §§ 1666, 1666a BGB<br />

Überprüfungs- und Ermahnungsverfahren, § 8a SGB VIII<br />

- Unterbringung Minderjähriger in geschlossener Einrichtung,<br />

§ 1631b BGB<br />

- Herausnahme aus der Pflegefamilie, § 1632 Abs. 4 BGB<br />

- Regelungen nach dem Tod/Erkrankung eines Elternteils,<br />

§ 1680 BGB<br />

- Untersagung von Kontakt, § 1632 Abs. 1 BGB<br />

- Sorgerechtsregelung zwischen streitenden Eltern, Umgangsrechte<br />

verschiedener Erwachsener mit dem Kind<br />

Wer kann sich an den Familienrichter wenden?<br />

Jeder, der meint, dass ein Kind gefährdet sein könnte.<br />

Kein Antragserfordernis, keine Formalvorgaben, außer Zivilcourage.<br />

Was versteht der Familienrichter unter Kindeswohlgefährdung<br />

?<br />

Grundsätzlich jede Gefährdung des körperlichen, geistigen und seelischen<br />

Wohls eines Kindes.<br />

- Auffälligkeiten beim Kind<br />

- Fehlhaltungen bei den Eltern<br />

Standardsituationen: Entwicklungsverzögerungen, Lernschwierigkeiten,<br />

unregelmäßiger Schulbesuch, Aggressivität, Depressivität,<br />

körperliche Auffälligkeiten beim Kind, Hunger, Zeichen von<br />

Mangelernährung, zuweilen auch Überernährung, vernachlässigte<br />

äußere Erscheinung, Äußerungen des Kindes<br />

Eltern: Alkohol-, Drogen- und/oder Tablettenkonsum, Partnerschaftsproblematik,<br />

Partnerschaftsgewalt, psychische Erkrankung,<br />

wechselnde Partner, wirtschaftliche Probleme, Leistungsstress,<br />

häufige Wohnungswechsel, sonstige Stressfaktoren (Krankheiten,<br />

Behinderungen, Todesfälle, Krisen)<br />

Es kommt nicht darauf an, ob die Eltern an der krisenhaften Entwicklung<br />

Schuld tragen. Es kommt allein darauf an, dass und wie<br />

sich das Verhalten belastend und schädigend auf die Kinder auswirkt<br />

oder voraussichtlich auswirken wird.


Was tut der Richter?<br />

Der Richter braucht ein Vorverständnis über die Gefährlichkeit von<br />

Situationen und Verhaltenweisen. Er ist Jurist, braucht folglich Hinweise<br />

der Fachleute.<br />

Der Richter<br />

- führt Ermittlungen durch (hat dafür kein Hilfspersonal), Ziel<br />

der Ermittlungen: Klärung der Gefährdungslage<br />

- ergreift Sicherheitsmaßnahmen<br />

- überprüft und diskutiert Abhilfemöglichkeiten mit den Eltern<br />

und den Hilfeleistern<br />

- vereinbart Kontrollen<br />

- ändert vormals getroffene Entscheidungen, wenn die Tatsachenlage<br />

sich ändert.<br />

Die Fragen, die immer wieder gestellt werden müssen:<br />

- Was ist mit dem Kind? Wie gefährdet ist sein Wohl?<br />

- Ist damit zu rechnen, dass die Eltern ihr Verhalten ändern<br />

können?<br />

- Welche Voraussetzungen müssen dafür gegeben sein?<br />

- Kann dies dem Kind zugemutet werden?<br />

- Was passiert, wenn die Eltern voraussichtlich ihr Verhalten<br />

nicht ändern werden?<br />

Zur Klärung hat der Richter verschiedene Möglichkeiten:<br />

- Anhörung von Kind und Eltern<br />

- Hausbesuche<br />

- Ärztliche/psychiatrische Untersuchungen<br />

- Befragungen von Zeugen<br />

- Beziehen von Akten und Unterlagen<br />

- Schweigepflicht<br />

Es besteht keine Pflicht von Eltern (und Kindern), an Untersuchungen<br />

aller Art mitzuwirken, hier ist Einverständnis erforderlich (z.B.<br />

Drogentest nur einvernehmlich).<br />

Wenn das Einverständnis nicht erteilt wird, muss der Richter sich<br />

Indizien zusammen suchen - über den Drogenkonsum beispielsweise<br />

- und die Weigerung der Eltern/des Elternteils wertend berücksichtigen.<br />

Das Gericht trifft Entscheidungen, die rechtliche Auswirkungen haben.<br />

- Vorläufige Anordnungen, Herausnahme der Kinder<br />

- Sorgerechtsentzug<br />

- Bestellung eines (Amts)vormundes<br />

Das Gericht ist nicht Fachbehörde, sondern Rechtsdurchsetzungsinstanz.<br />

In Bremen gibt es seit Anfang <strong>2007</strong> die schon mehrfach geforderte<br />

richterliche Sonderzuständigkeit für Sorgerechtsentziehungsverfahren<br />

und vergleichbare Verfahren. Zwei Richterinnen (Abteilung 61<br />

und 67) sind für diese Verfahren ausschließlich zuständig, es sei<br />

denn, die Sorgerechtsüberprüfung erfolgt im Rahmen eines Scheidungsverfahrens,<br />

dann ist der für das Scheidungsverfahren der<br />

Eltern zuständige Richter auch für das Sorgerechtsentziehungsverfahren<br />

zuständig.


etr. mdj. K. M., geb. am 03.10.2004 und<br />

S. M., geb. am 0<strong>1.</strong>12.2005<br />

Amt für Soziale Dienste, Sozialdienst Junge Menschen -<br />

Jugendamt Bremen<br />

Antragsteller<br />

gegen<br />

1) B. M., geb. am 20.09.1986, F.-Str., Bremen<br />

2) A. L., O-Straße, Bremen<br />

Verfahrensbevollm.: für Antragsgegnerin zu 1:<br />

RAe X, Bremen,<br />

Verfahrensbevollm.: für Antragsgegner zu 2:<br />

RAe Y, Bremen,<br />

Beteiligt:<br />

Amt für Soziale Dienste, Amtsvormundschaft<br />

AMTSGERICHT BREMEN<br />

Beschluss (*)<br />

Mutter/Antragsgegnerin<br />

Antragsgegner/Beteiligter<br />

In der Familiensache<br />

I. Die Verfahren 61 F ... (Entziehung der elterlichen Sorge<br />

betr. mdj. K. M.) und 61 F ... (Entziehung der elterlichen<br />

Sorge betr. mdj. S. M.) werden zu gemeinsamer Entscheidung<br />

verbunden.<br />

II. Das Sorgerecht für den am 03.10.2004 geborenen K. M.<br />

wird den Eltern entzogen, zugleich wird der Mutter das Sorgerecht<br />

für die am 0<strong>1.</strong>12.2005 geborene S. M. entzogen.<br />

III. Für beide Kinder wird eine Vormundschaft eingerichtet.<br />

IV. Zum Vormund wird jeweils das Jugendamt Bremen bestellt.<br />

V. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben;<br />

außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.<br />

VI. Der Gegenstandswert wird auf 6.000 EUR festgesetzt.<br />

(*) Sorgerechtsentziehungsbeschluss: Anlage zum Vortrag von Sabine Heinke,<br />

Richterin am Amtsgericht/Familiengericht Bremen, auf der <strong>1.</strong> <strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong><br />

am 9. Mai <strong>2007</strong>.<br />

Der Beschluss weist aus, was das Gericht prüfen muss, welche Fakten es gesammelt<br />

hat und wie es die Abwägung der einzelnen Risikofaktoren vornimmt.


Gründe:<br />

I. Frau M. und Herr L. sind nicht miteinander verheiratet. Sie sind die<br />

Eltern des Kindes K., geboren am 03.10.2004. Sie haben für dieses<br />

Kind im Mai 2005 eine Sorgeerklärung gem. § 1626a BGB abgegeben.<br />

Frau M. lebte mit dem Baby K. zunächst bei ihrer eigenen Mutter in<br />

einer 2-Zimmer-Wohnung mit 3 Erwachsenen. Zunächst wurde eine<br />

Familienhelfermaßnahme eingerichtet, um die Mutter bei der Versorgung<br />

des Kindes zu unterstützen. Im November 2004 verließ sie mit<br />

dem Baby die Wohnung ihrer Mutter und zog zu den Eltern des Kindesvaters,<br />

wo sie bis Dezember blieb. Dort „flog sie“ nach ihren eigenen<br />

Worten nach kurzer Zeit „raus“. Da sie eine Unterkunft nicht hatte,<br />

ließ sie sich vom Jugendamt schließlich dazu bewegen, zum<br />

02.02.2005 mit K. in eine Mutter-Kind-Einrichtung umzuziehen, in der<br />

Zwischenzeit hatte sie noch einmal Unterkunft bei ihrer Mutter gefunden,<br />

die als Alkoholikerin bekannt ist.<br />

Die Betreuung in der Mutter-Kind-Einrichtung wurde mit 24 Stunden<br />

wöchentlich durchgeführt, gestaltete sich aber von Anfang an schwierig,<br />

weil Frau M. die Hilfsmaßnahmen als Kontrolle empfand und dies<br />

auch äußerte. Wie sich aus dem Bericht der Mutter-Kind-Einrichtung<br />

ergibt, war die Mutter nicht in der Lage, K. richtig zu füttern und zu versorgen,<br />

im Einzelnen hat sie ihm zu wenig und nicht altersgerechte<br />

Nahrung gegeben, sie hat ihm, einem nur wenige Monate alten Kind,<br />

allein die Flasche überlassen, so dass er nicht ausreichend trinken<br />

konnte und außerdem die Gefahr bestand, dass er sich verschluckt<br />

und erstickt, sie hat sich dem Kind nicht gewidmet, hat es oft ins Bett<br />

gelegt, sie war nicht in der Lage, ihren Tagesablauf auf den des Kindes<br />

einzustellen, sie war nicht in der Lage, ihr Geld so einzuteilen,<br />

dass sie für K. auch am Monatsende noch Nahrung hatte. Hilfestellung<br />

in Bezug auf das Haushalten lehnte sie als Kontrolle ab. K. war nicht<br />

witterungsgemäß gekleidet, sie achtete nicht auf die Sicherheit des<br />

Kindes, so dass er beispielsweise vom Bett fiel. Frau M. fühlte sich oft<br />

überfordert und war nicht bereit, sich auf die Bedürfnisse des Kindes<br />

nach Zuwendung einzustellen, auch konnte sie nicht altersangemessen<br />

mit ihm spielen. Wenn er schrie, steckte sie ihn ins Bett, um ihn<br />

erklärtermaßen vor ihren eigenen Wutausbrüchen zu schützen.<br />

Herr L. besuchte die Mutter der Mutter-Kind-Einrichtung, bekam aber<br />

Hausverbot, weil er sich nicht an die Hausordnung hielt. Zwischen ihm<br />

und Frau M. kam es nach den Schilderungen der Mitbewohner wiederholt<br />

zu lautstarken, teils gewalttätigen Auseinandersetzungen, Frau<br />

M. trug Verletzungen davon. Es wurde auf ihre Initiative hin begleiteter<br />

Umgang installiert.<br />

Am Wochenende 20./2<strong>1.</strong>02.2005 muss es zu einer Misshandlung des<br />

Kindes gekommen sein, wobei nicht geklärt werden konnte, wer das<br />

Kind misshandelt hat und wie die näheren Umstände waren. Am<br />

22.02. entdeckten die Mitarbeiterinnen der Mutter-Kind-Einrichtung<br />

mehrere Hämatome an K.s Gesäß und Oberschenkel, die die Mutter<br />

bis dahin nicht bemerkt haben wollte. Anlässlich eines Impftermins am<br />

23.02.2005 hat Frau M. sodann den Kinderarzt auf die Hämatome<br />

aufmerksam gemacht, die K. hatte und deren Herkunft sie sich nicht<br />

erklären konnte. Der Arzt stellte bei dem zum damaligen Zeitpunkt 4,5<br />

Monate alten Kind auf der rechten Gesäßhälfte ein handflächengroßes<br />

massives Hämatom fest, am rechten Oberschenkel ein etwa 6 x 6 cm<br />

großes Hämatom und auf der linken Gesäßhälfte ein ca. 5 x 5 cm großes<br />

Hämatom, allesamt mehrere Tage alt. Der Arzt hat sich dahin geäußert,<br />

dass die festgestellten Hämatome auf massive Gewalteinwirkung,<br />

allenfalls auf einen Unfall <strong>zur</strong>ückzuführen seien. Von einem Unfall,<br />

den K. gehabt haben könnte, berichtet die Mutter nichts.<br />

Sie erklärt, dass ein Bekannter einige Zeit mit dem Kind allein gewesen<br />

ist und dieser das Kind geschlagen haben könnte.<br />

Der Vater hat am 20.04.2005 über seinen Anwalt dem Jugendamt<br />

mitteilen lassen, Frau M. habe K. um Weihnachten 2004 zweimal auf<br />

den Bauch gehauen, auch habe sie das Kind wiederholt durchgeschüttelt,<br />

wenn es geschrieen habe. Er berichtet von wechselnden Männer-


eziehungen der Mutter, Anfang April hatte er sich bereits an das Jugendamt<br />

gewendet und erklärt, er habe Bedenken, ob K. bei der Mutter<br />

ausreichend versorgt werde.<br />

Am 26.04.2005 verlässt Frau M. mit K. die Mutter-Kind-Einrichtung,<br />

weil sie wieder „frei“ sein wolle. K. wird vom Jugendamt in Obhut genommen<br />

und in einer Übergangspflegestelle untergebracht, die damals<br />

noch allein sorgeberechtigte Mutter stimmt dem zunächst zu.<br />

Zuvor hatten die Mitarbeiterinnen der Einrichtung mitgeteilt, dass sie<br />

trotz verstärkter Kontrolle nicht für die Sicherheit von K. einstehen<br />

könnten. K. ist zum Zeitpunkt der Inobhutnahme gesund, aber ungepflegt.<br />

Die Kindesmutter erklärte in der Folge, sie habe eine Wohnung in der<br />

G.-Straße angemietet, in der sie gemeinsam mit dem Vater des Kindes<br />

und dem Kind wohnen wolle.<br />

Der Vater erklärte in etwa zeitgleich, er habe sich einer anderen Frau<br />

zugewandt, Frau W.. Er wolle zu ihr und ihrem Kind nach Delmenhorst<br />

ziehen und könne und wolle K. dann zu sich nehmen. Frau W. könne<br />

K. dann betreuen, während er tagsüber berufstätig sei. Von Frau M.<br />

habe er sich getrennt.<br />

Frau W. wird zu diesem Zeitpunkt von einer Familienhebamme unterstützt,<br />

es besteht auch eine Familienhelfermaßnahme. Frau W. leidet<br />

nach eigenen Angaben an einem Hirntumor. Frau W. ihrerseits teilt<br />

dem Jugendamt im Juli 2005 mit, dass sie die Beziehung zu Herrn L.<br />

beendet habe.<br />

Herr L. zog demzufolge nicht nach Delmenhorst, sondern suchte gemeinsam<br />

mit Frau M., die erneut schwanger war, eine Wohnung, die<br />

sie schließlich in Bremen-Nord fanden.<br />

Die Eltern besuchten K. in dieser Zeit erst in den Räumen des Jugendamtes,<br />

dann im Rahmen eines begleiteten Umgangs in den<br />

Räumlichkeiten des Trägers. Auf ihren Wunsch hin wurde der Besuchstermin<br />

nach Weihnachten in ihrer Wohnung in Bremen-Nord<br />

durchgeführt. Die Begleiterin stellte bei dieser Gelegenheit fest, dass<br />

das Kinderzimmer nicht eingerichtet, sondern mit Abfall und nicht benötigten<br />

Gegenständen voll gestellt war. Die Wohnung habe sich in<br />

einem chaotischen Zustand befunden und sei wegen diverser Gefahrenquellen<br />

für den Aufenthalt eines (Klein)kindes nicht geeignet gewesen.<br />

Diese Wohnung ist zwischenzeitlich bereits wieder aufgegeben,<br />

Herr L. wohnt wieder bei seinen Eltern.<br />

Am 0<strong>1.</strong>12.2006 wurde Frau M. von ihrer Tochter S. entbunden. Vater<br />

des Kindes soll Herr L. sein, die Vaterschaft ist bislang aber weder<br />

anerkannt noch festgestellt (Anmerkung: Das Vaterschaftsfeststellungsverfahren<br />

läuft, Vater und Mutter sind <strong>zur</strong> Probenentnahme nicht<br />

erschienen). Die Mitarbeiter der Entbindungsklinik informierten das<br />

Jugendamt darüber, dass die Mutter mit S. nicht angemessen umgehe.<br />

Das Gericht hat auf Antrag des Jugendamtes der Mutter u.a. das Aufenthaltsbestimmungsrecht<br />

und die Gesundheitsfürsorge entzogen. S.<br />

wurde in die gleiche Pflegestelle gegeben, in der K. bereits versorgt<br />

wurde. Über Weihnachten musste S. in die Intensivstation gebracht<br />

werden. Sie hatte plötzlich einen Pulsschlag von über 200 pro Minute<br />

und nahm keine Flüssigkeit mehr auf. Die Pflegeeltern haben sie dann<br />

schnell ins Krankenhaus gebracht. Die nachfolgenden Untersuchungen<br />

haben ergeben, dass das Kind wohl eine Verengung in einem der<br />

zum Herzen führenden Blutgefäße hat. Bei dieser Gelegenheit stellte<br />

sich im Übrigen heraus, dass S. nicht krankenversichert war, weil die<br />

Eltern sie nicht angemeldet hatten; auch war die Geburt noch nicht<br />

beurkundet worden. Diese Beurkundung und Versicherung wurden<br />

dann von dem vom Gericht entsprechend eingesetzten Amtsvormund<br />

in die Wege geleitet.<br />

Das Jugendamt beantragt, den Eltern bzw. der Mutter das Sorgerecht<br />

für K. und S. zu entziehen.


Die Eltern wenden sich gegen diese Anträge. Sie möchten, dass ihre<br />

Kinder bei ihnen leben und begehren zugleich die Aufhebung der gerichtlichen<br />

Eilmaßnahmen.<br />

Das Gericht hat die Eltern und das Jugendamt angehört, die Zeugin<br />

W. und die Mitarbeiterin der Mutter-Kind-Einrichtung, Frau C. Vernommen<br />

sowie ein psychologisches Sachverständigengutachten eingeholt.<br />

Wegen des Vorbringens der Beteiligten wird auf die <strong>zur</strong> Akte<br />

gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften<br />

Bezug genommen. Die Ausführungen der Sachverständigen finden<br />

sich in ihrem schriftlichen Gutachten und in der Sitzungsniederschrift.<br />

Auf die vom Jugendamt vorgelegten Berichte wird ebenfalls Bezug<br />

genommen.<br />

II. Den Kindeseltern ist das Sorgerecht für K. zu entziehen, denn das<br />

körperliche, geistige und seelische Wohl des Kindes ist durch Vernachlässigung<br />

des Kindes und durch unverschuldetes Versagen der Eltern<br />

gefährdet. Die Eltern sind nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden.<br />

Auch öffentliche Hilfen reichen nicht aus, um die Eltern hierzu in die<br />

Lage zu versetzen, §§ 1666, 1666a BGB. Das gleiche gilt in Bezug auf<br />

S., wobei hier allein die Mutter Sorgerechtsinhaberin ist. Eine Bestellung<br />

von Herrn L. als Vormund gem. § 1680 Abs. 3 BGB scheitert bereits<br />

an der fehlenden Vaterschaftsanerkennung; sie ist aber auch<br />

deshalb ausgeschlossen, weil Herr L. genauso wie Frau M. nicht als<br />

erziehungsfähig anzusehen ist.<br />

<strong>1.</strong> Die Gefährdung von K. ergibt sich aus Folgendem:<br />

a) Das körperliche Wohl des Kindes wird in verschiedener Weise beeinträchtigt:<br />

K. ist im Februar 2005 misshandelt worden. Die Hämatome<br />

auf beiden Gesäßhälften und am Oberschenkel lassen sich schon<br />

kaum durch einen Sturz erklären, denn man stürzt nicht zugleich auf<br />

zwei gegenüber liegende Körperhälften. Vielmehr muss das Kind gewaltsamen<br />

Handlungen von Erwachsenen ausgesetzt gewesen sein.<br />

Dies war entweder die Mutter selbst oder aber ein Dritter, vor dem sie<br />

das Kind nicht geschützt hat.<br />

Nach Angaben des Vaters schüttelt die Mutter das Kind, für einen<br />

Säugling schlicht lebensgefährlich, genauso wie der Umstand, dass<br />

die Mutter den Säugling allein gelassen hat, obwohl er sich schon auf<br />

die Seite drehen konnte, in der Folge fiel er vom Bett, zum Glück, ohne<br />

sich zu verletzen.<br />

Beim Fotografieren des Kindes anlässlich der Besuche ließ die Mutter<br />

K. so knapp an der Tischkante sitzen, dass die Besuchsbegleiterin sich<br />

zum Einschreiten veranlasst sah, damit das Kind nicht vom Tisch fiel.<br />

In der Wohnung in Bremen-Nord waren während des Besuches von K.<br />

gefährliche Gegenstände in dessen Reichweite (Besteck, Essensreste,<br />

Meerschweinchenkot), so dass Verletzungs- und/oder Infektionsgefahr<br />

bestand. Frau M. ist mit der Haushaltführung überfordert, sie kann es<br />

offensichtlich nicht. Die Mutter-Kind-Einrichtung stellte fest, dass sich<br />

ihre Wohnung fast durchgängig in einem unordentlichen und dreckigen<br />

Zustand befindet. Das wird auch für die Wohnung in Bremen-Nord<br />

berichtet, sowohl von der Sachverständigen wie von der Besuchsbegleiterin.<br />

Die Ernährung des Kindes war nicht altersgemäß und nicht ausreichend.<br />

Frau C. berichtet, dass der Junge nicht die empfohlene Nahrung<br />

bekam, dass die Mutter mit den Milchpackungen 5 Tage reichte,<br />

obwohl diese nur für 2,5 Tage bemessen gewesen seien, auch habe<br />

sie angegeben, dass der Junge bei ihrer Mutter Gulasch zu essen<br />

bekomme (mit 5 Monaten) und sie selbst fütterte ihn mit Keksen und<br />

Schokolade, was für ein fünf Monate altes Kind keine verdauliche Nahrung<br />

ist.<br />

Außerdem ließ sie ihn mit der Flasche allein. Ein fünf Monate altes<br />

Kind kann aber selbst die Flasche nicht zielgerichtet halten, er bekommt<br />

also keine Nahrung. Außerdem kann er sich, wenn ihm dies


zuweilen doch gelingt, beim Trinken verschlucken und ersticken. Die in<br />

ihrem Handeln liegende Gefahr sah die Mutter nicht und war auch<br />

Ratschlägen nicht zugänglich.<br />

Ärztliche Vorgaben <strong>zur</strong> Behandlung von Erkrankungen – Eisenmangel<br />

und Bindehautentzündung – hielt die Mutter nicht ein.<br />

Die Mutter ist auch nicht in der Lage, ihr Geld einzuteilen, so dass sie<br />

gegen Ende des Monats für K. kein Essen mehr kaufen konnte. Sie<br />

achtet auch nicht darauf, dass die Grundbedürfnisse – Wohnen, Strom<br />

– etc. gedeckt sind, teilweise war sie obdachlos.<br />

Aus dem zuvor Geschilderten ergibt sich, dass K.s körperliche Unversehrtheit<br />

und seine Gesundheit, aber auch seine körperliche Entwicklung<br />

überhaupt, durch das Verhalten der Mutter gefährdet werden.<br />

b) Das seelische Wohl des Kindes wird dadurch gefährdet, dass die<br />

Mutter keine Bindung zu ihm hat und der Junge umgekehrt auch keine<br />

sichere Bindung <strong>zur</strong> Mutter. Der Mutter fehlt es an Empathie. Die Mitarbeiter<br />

der Mutter-Kind-Einrichtung, die Umgangsbegleiterin, die<br />

Sachverständige berichten übereinstimmend, dass die Mutter nur<br />

höchst selbst Blickkontakt zu K. aufnimmt und sich ihm auch körperlich<br />

nicht zuwendet, vielmehr die Notwendigkeit körperlicher Zuwendung<br />

als Zumutung oder zu schwer abwehrt. Hierbei mag allerdings eine<br />

Rolle spielen, dass Frau M. klein gewachsen und zierlich ist, was sie<br />

allerdings nicht hindert, sich mit Gleichaltrigen körperliche Auseinandersetzungen<br />

und Kämpfe zu liefern, wie aus ihrem Aufenthalt in der<br />

Mutter-Kind-Einrichtung berichtet wird.<br />

Sie hat kein Gespür für die Bedürfnisse eines noch kleinen Kindes. Es<br />

wird verschiedentlich berichtet, dass sie von K., der noch keiner Sprache<br />

mächtig ist, verlangte, zu gehorchen. Die Mutter-Kind-Einrichtung<br />

teilt mit, dass die Mutter vergeblich versucht, das schreiende Kind zu<br />

beruhigen und ihn dann beschimpft mit dem Satz: „Du verarschst mich<br />

nur“. Der Kinderarzt teilt mit, dass die Mutter ihm berichte, dass sie<br />

Pamperswindeln zusammenknüllt und massiv auf ihre Hand schlägt,<br />

damit K. vor Schreck seine Schreiattacken beende, er sei aber nicht<br />

immer einsichtig (!). Zum damaligen Zeitpunkt war K. knapp 5 Monate<br />

alt, einsichtig konnte er also unter keinen Umständen sein. Frau W.,<br />

die die Mutter ebenfalls mit K. zusammen erlebt hat, berichtet, dass sie<br />

dem Kind ärgerliche Vorhaltungen gemacht habe, als es, wie Säuglinge<br />

es nun mal tun, nach dem Essen gespuckt habe, etwa derart, er<br />

solle doch einmal sehen, was er da angerichtet habe. Er spucke nur,<br />

um sie zu ärgern.<br />

Die Mutter versuchte im Übrigen, das Kind an andere Personen abzugeben,<br />

wenn sie mit ihm nicht <strong>zur</strong>echt kommt. Dies berichtet auch<br />

der Vater über seinen Anwalt, des gleichen berichtet er, das Kind werde<br />

permanent angeschrieen.<br />

c) Das geistige Wohl wird gefährdet, weil der Junge keine Anregung<br />

erhält und seine Möglichkeiten nicht entwickelt und ausgeschöpft werden.<br />

Er erfährt keine Ansprache, keine Zuwendung, Spiele werden,<br />

wie von der Sachverständigen beobachtet, auf die Interessen der Eltern<br />

ausgerichtet, nicht am Kind und dessen Bedürfnis, die Welt zu<br />

erkunden und Lernerfolge zu erzielen. K. verfügt sehr wohl über Fähigkeiten,<br />

Durchhaltevermögen, Neugier, um ausreichend zu lernen.<br />

Wie die Sachverständige festgestellt hat, verhält er sich auch entsprechend<br />

in entsprechend förderlicher Umwelt. In der Gegenwart der Eltern<br />

hingegen wird er inaktiv und zieht sich <strong>zur</strong>ück. Auf sie macht er<br />

den Eindruck eines bereits traumatisierten, weil nicht wahrgenommenen<br />

und nicht geförderten Kindes, so dass es sich hier nicht um die<br />

Frage gradueller Erziehungsunterschiede handelt, sondern um die<br />

Befriedigung von Grundbedürfnissen des Kindes.<br />

Das geschilderte Verhalten der Mutter ist teils als Missbrauch der elterlichen<br />

Sorge zu kennzeichnen, jedenfalls dann, wenn sie K. körperlich<br />

misshandelt, durch Schläge oder auch Schütteln. Hat sie ihn nicht<br />

misshandelt, sondern Dritten die Möglichkeit eröffnet, dies zu tun, liegt<br />

hierin ein Versagen, wie auch sonst in ihrer Unfähigkeit, die kindlichen


Bedürfnisse nach Nähe und Zuwendung, aber auch nach zuverlässiger<br />

Versorgung zu erkennen und ihrer fehlenden Bereitschaft, diese<br />

Bedürfnisse auch zu befriedigen. Auch ihre Unfähigkeit, ihr Lebensumfeld<br />

und ihren Lebensrhythmus auf die Bedürfnisse des Kindes einzustellen,<br />

muss als Versagen angesehen werden, teilweise wird man es<br />

auch als Vernachlässigung begreifen können.<br />

2. Der Junge hat nach den Feststellungen der Sachverständigen auch<br />

keine Bindung an den Vater. Der Vater ist zwar der Auffassung, er<br />

könne mit dem Kind besser umgehen als die Mutter, dabei handelt es<br />

sich nach Überzeugung des Gerichts allerdings nur um graduelle Unterschiede.<br />

Der Vater ist gar nicht bereit und hat auch nicht das Ziel, den Jungen<br />

selbst zu versorgen, sondern will den Jungen aktuell von der Mutter<br />

versorgen lassen. Er selbst versteht sich offenbar eher als Kontrolleur<br />

mütterlicher Sorgeausübung. Dabei verkennt er, wie die Sachverständige<br />

auch ausführt, dass die Mutter <strong>zur</strong> Versorgung des Kindes nicht in<br />

der Lage ist und dass sie vor allem aufgrund ihrer biografischen Vorgaben<br />

und persönlichen Einschränkungen auch nicht in der Lage ist zu<br />

lernen. Insbesondere wird sie ihre Fähigkeit, dem Kind mit Empathie<br />

und Einfühlungsvermögen zu begegnen und ihrerseits sich selbst mit<br />

der nötigen Selbstkritik, auf absehbare Zeit nicht entwickeln können,<br />

wenn überhaupt. Seine Einschätzung, Frau M. habe sich entwickelt<br />

und gewandelt, geht völlig an der Realität vorbei. Die Sichtweise des<br />

Vaters ist hier nicht von den Bedürfnissen des Kindes geprägt, sondern<br />

von der Dynamik seiner Auseinandersetzungen mit der Kindesmutter.<br />

Verstehen sich die Eltern gerade als Paar, wird das Verhalten<br />

der Mutter vom Vater gerechtfertigt und beschönigt, im Stadium des<br />

Streites oder der Trennung hingegen werden die Versäumnisse und<br />

Untiefen in der mütterlichen Erziehungshaltung kritisiert und veröffentlicht.<br />

Dass es für das Kind darauf ankommt, dass mütterliches Fehlverhalten<br />

sofort bemerkt und abgestellt wird, jedenfalls dann, wenn es<br />

teilweise so gefährlich ist, wie vorliegend, ist dem Kindesvater offenbar<br />

nicht klar. Wenn der Vater das Kind der Mutter überlässt, was erklär-<br />

termaßen sein Plan ist, kann er für die Unversehrtheit des Kindes nicht<br />

eintreten, er kann es vor der Mutter und ihrer Unbeherrschtheit und<br />

Unfähigkeit nicht schützen. Auch Herr L. hat sich letztlich nicht darum<br />

gekümmert zu erfahren, woher K. die großen Hämatome hatte, die im<br />

Februar 2005 festgestellt wurden.<br />

Strategien, wie er etwa dafür sorgen kann, dass K. das Richtige und<br />

ausreichend zu essen bekommt, hat er nicht. Seine Interventionen<br />

scheinen sich, auch nach seinen Schilderungen, auf den Vorhalt von<br />

Fehlverhalten zu beschränken. Auch erkennt er selbst mögliche Gefahrenquellen<br />

im Haushalt nicht.<br />

Auch ihm fehlt es letztlich an der Fähigkeit, sich in das Kind hineinzuversetzen,<br />

die von der Sachverständigen geschilderten und analysierten<br />

Spielsequenzen zeigen deutlich, dass es dem Vater hier an Gespür<br />

mangelt. Dies mag allein nicht die Erziehungsunfähigkeit begründen;<br />

wenn allerdings schwerpunktmäßig eine erkennbar nicht erziehungsgeeignete<br />

Mutter das Kind versorgen soll, ist das Kind existentiell<br />

darauf angewiesen, dass sein anderer Elternteil hoch sensibel,<br />

wachsam und handlungsfähig ist. Daran mangelt es aber beim Kindesvater.<br />

Letztlich zeigen seine in jeder Verhandlung unterschiedlichen, also<br />

spätestens vierteljährlich, wenn nicht monatlich wechselnden Pläne für<br />

Wohnen, Beziehung, berufliche Zukunft, dass der Vater weder Stabilität<br />

noch Kontinuität bieten kann und auch von daher dem Kind keine<br />

kindgerechte Versorgung wird zuteil werden lassen.<br />

Auch sein Plan, K. einer fast fremden Person zu überlassen, die ihrerseits<br />

hoch belastet ist durch Krankheit und Versorgung eines Kleinkindes<br />

lässt erkennen, dass der Vater die nötige Stabilität der Lebensverhältnisse<br />

und des Beziehungsgefüges für K. nicht herstellen und sicherstellen<br />

kann. Das Hin und Her in der Beziehung <strong>zur</strong> Mutter, die<br />

Gefahr gewalttätiger Auseinandersetzungen, die das Kind dann eben-


falls miterleben würde, stellen eine weitere vom Vater ausgehende<br />

Gefahrenquelle dar.<br />

Schließlich sind auch deshalb Zweifel an der Erziehungsfähigkeit des<br />

Vaters angezeigt, weil auch er letztlich aus familiären Verhältnissen<br />

stammt, in denen er nicht die Chance hatte zu lernen, was Kinder an<br />

Zuwendung und Stabilität benötigen. Dies hat er in der Anhörung<br />

durch das Gericht deutlich werden lassen, wenn er erklärt, seine Mutter<br />

könne nichts dafür, dass ihr erstes (?) Kind gestorben sei, denn das<br />

liege daran, dass der Vater der Mutter der Vater dieses Kindes gewesen<br />

sei, ohne auch nur im Mindesten erkennen zu lassen, dass es sich<br />

beim Inzest nicht gerade um eine förderungswürdige Familienstruktur<br />

handelt. Das Ausmaß der familiären Dysfunktion in der Herkunftsfamilie<br />

ist ihm, wie der Mutter auch, nicht deutlich. Gerade dies bedingt<br />

aber die fehlende Sensibilität für die Bedürfnisse des eigenen Kindes.<br />

Auch war er nicht einmal in der Lage zu erkennen, dass K. in der Tat,<br />

wie die Sachverständige auch geschildert hat, aktiv den Blickkontakt<br />

vermieden hat, als der Vater sich ihm während des Besuches zuwandte.<br />

Die vom Vater vorgespielte Videosequenz zeigte dies sehr deutlich,<br />

der Junge wandte immer wieder den Kopf weg, und zwar nicht, um<br />

gleich wieder her zu gucken und zu schäkern, wie Kleinkinder dies tun,<br />

sondern, um auf Dauer wegzugucken und nicht Kontakt aufzunehmen.<br />

Der Vater konnte selbst beim Vorspielen des von ihm selbst aufgenommenen<br />

Videos dies nicht sehen und wahrnehmen, ein deutlicher<br />

Beleg dafür, dass auch der Vater seinen Sohn nicht versteht und dessen<br />

Bedürfnisse letztlich nicht oder nicht zutreffend interpretiert.<br />

3. Mutter wie Vater sind nicht bereit und nicht in der Lage, die Gefahren,<br />

die durch ihr Verhalten für den Jungen gesetzt werden, abzuwenden.<br />

Ihnen fehlt, wie ausgeführt, die Fähigkeit, die Bedürfnisse ihres<br />

Kindes zu erkennen und sie als unterschiedlich von ihren eigenen zu<br />

begreifen und ihnen nachzukommen. Mutter, aber auch Vater, wie die<br />

Sachverständige beobachtet hat, haben keine Vorstellung davon, was<br />

ein Kind im Alter von K. (Säugling, jetzt Kleinkind) an Fähigkeiten ü-<br />

berhaupt haben kann. Sie wenden sich an das Kind auf einer Erwachsenenebene<br />

(Mutter zum Kinderarzt: K. sei nicht immer einsichtig; Vater<br />

zu K.: Der Papa verreist für 1 Monat mit dem Flugzeug). Frau M. ist<br />

nicht bereit, Hilfen anzunehmen und dazu zu lernen, dies empfindet sie<br />

als Einschränkung ihrer Freiheit. Möglicherweise fehlen ihr hierzu einfach<br />

auch die nötigen Kapazitäten, worauf der Umstand, dass bei ihr<br />

als Kind eine Alkoholembryopathie festgestellt wurde, zumindest hinweist.<br />

Sie empfindet Hilfestellungen als Kontrolle, äußert dies auch<br />

freimütig. Als nötige Stufe zu besseren Fähigkeiten kann sie Hilfestellungen<br />

nicht erkennen.<br />

Zudem hat sie die Haltung, dass die Anforderungen der Kinderversorgung<br />

ihr Mühe machen, ihr Opfer abverlangen und dass sie dies dem<br />

Kind letztlich zum Vorwurf macht. Genau diese Haltung aber ist ein<br />

großer Gefährdungsfaktor für Kinder, denn die Hilfsbedürftigkeit in allem<br />

ist gerade untrennbar mit dem Stadium der frühen Kindheit verbunden.<br />

Dem Kind dies zum Vorwurf zu machen, setzt im Verhalten<br />

der Eltern die Grenzen für aggressives Verhalten deutlich herab.<br />

Die Mutter wiederholt im Übrigen die bei K. gemachten Fehler bei S.,<br />

wenn sie auch hier nicht bereit ist, die Ratschläge für das gefahrfreie<br />

Füttern zu befolgen.<br />

Der Vater ist letztlich auch nicht bereit, Hilfen zu akzeptieren, wenn er<br />

darauf hinweist, dass nicht er ein Problem habe, sondern das Jugendamt,<br />

das ihn fälschlich für erziehungsunfähig halte.<br />

4. Es ist auch nicht möglich, die Defizite im elterlichen Erziehungsverhalten<br />

durch öffentliche Hilfen zu beseitigen. Dies ist in Bezug auf Frau<br />

M.s Verhalten gegenüber K. ausführlich versucht worden durch Familienhelfermaßnahmen,<br />

durch den Einsatz von 4 mal soviel Stundenkapazität<br />

wie üblich in der Mutter-Kind-Einrichtung, ohne dass nennenswerte,<br />

vor allem aber, ohne dass dauerhafte Veränderungen im Verhalten<br />

der Mutter herbeigeführt werden konnten. Kleinschrittige Verhaltensvorgaben,<br />

wöchentliche Gespräche mit dem Sozialdienst haben


nicht dazu geführt, dass die Mutter in irgendeiner Weise ihr Verhalten<br />

geändert hätte. Ihr Umgang mit K. während der Besuche zeigt, dass<br />

sie letztlich keine größere Bereitschaft gewonnen hat, sich auf das<br />

Kind einzustellen. Ihre letztlich völlige Weigerung oder auch fehlende<br />

Möglichkeit dazu zu lernen lässt öffentliche Hilfen als wenig Erfolg versprechend<br />

erscheinen. Alle Hilfen müssen darauf ausgerichtet sein,<br />

Eltern in die Lage zu versetzen, das in ihrem Verhalten liegende Gefahrpotential<br />

für ihr Kind zu erkennen und wirksam gegen zu steuern.<br />

Diese Chance besteht vorliegend nicht, weder bei der Mutter, noch<br />

beim Vater.<br />

Daher ist beiden Eltern das Sorgerecht für K. zu entziehen, §§ 1666,<br />

1666a BGB. Das umfasst auch die Vermögenssorge, denn weder Vater<br />

noch Mutter sind in der Lage, eigenständig finanziell ihr Leben zu<br />

gestalten.<br />

5. In Bezug auf die Tochter S. ist festzustellen, dass diese durch ihre<br />

instabile körperliche Konstitution noch intensivere und aufmerksamere<br />

Betreuung benötigt als ihr Bruder K. Wenn die Eltern aber schon nicht<br />

in der Lage sind, ein relativ unkompliziertes, weil letztlich körperlich<br />

und auch geistig gesundes Kind zu versorgen, sind sie erst recht nicht<br />

in der Lage, ein Kind zu betreuen, das noch höhere Anforderungen an<br />

sie stellt, das noch mehr Aufmerksamkeit, Empathie und mehr Opferbereitschaft<br />

verlangt. Wenn sie sich in Anwesenheit des Arztes dahin<br />

äußert, S. solle aufhören zu schreien, sie würde sie sonst ersäufen,<br />

zeigt sich dies auch hier deutlich. Für Frau M. sind die Anforderungen,<br />

die die Versorgung eines hilflosen Kindes an sie stellt, schlicht zu viel.<br />

Ihrer mehrfach geäußerten angeblichen Fähigkeit, sie habe sich aber<br />

im Griff, ist nicht zu trauen. Dagegen sprechen schon die Schilderungen<br />

des Vaters, aber auch der Zeugin W..<br />

Ihre fehlende Bereitschaft zu lernen und Hilfen zu akzeptieren, ist für<br />

ein körperlich geschwächtes Kind wie S. noch bedrohlicher. Es gibt<br />

daher keine Möglichkeit, die Mutter hier „probieren“ zu lassen, ob sie<br />

nun vielleicht mit ihrer Tochter besser <strong>zur</strong>echt kommt als mit ihrem<br />

Sohn.<br />

Der Mutter ist daher auch für S. das Sorgerecht zu entziehen, §§ 1666,<br />

1666a BGB.<br />

Herr L. steht als Vater noch nicht fest, auch gibt es für S. keine Sorgeerklärung,<br />

so dass § 1680 Abs. 3 BGB keine Anwendung findet. Trotzdem<br />

ist zu prüfen, ob er, wie eine andere dritte Person, als Vormund in<br />

Betracht käme. Dies ist jedoch aus den bereits oben geschilderten<br />

Gründen, die auch für eine Erziehungsunfähigkeit des Vaters sprechen,<br />

nicht der Fall. Auch der Umstand, dass S. weder beim Standesamt<br />

noch bei der Krankenkasse gemeldet war, obwohl der Vater als<br />

Arbeitsloser sicher ausreichend Zeit und Gelegenheit gehabt hätte,<br />

dies zu erledigen, lässt erkennen, dass er für eine solche Aufgabe<br />

nicht geeignet ist. Außerdem fehlt es an der nötigen Bereitschaft <strong>zur</strong><br />

Kooperation mit dem Jugendamt, so dass er auch aus diesem Grunde<br />

als Rechtsvertreter im Interesse des Kindes ausscheidet.<br />

6. Da die Eltern resp. die Mutter nicht mehr Inhaber der elterlichen<br />

Sorge sind, muss für die Kinder ein Vormund bestellt werden, §§<br />

1773ff. BGB. Zum Vormund ist das Jugendamt zu bestellen, § 1791b<br />

BGB, da geeignete Einzelpersonen nicht benannt wurden.<br />

7. Die Kostenregelung basiert auf § 13a FGG, die Wertfestsetzung auf<br />

§ 30 Abs. 2 KostO.<br />

Bremen, den 28.04.2006<br />

gez. Heinke<br />

Richterin am Amtsgericht


Prof. Ekke Dahle<br />

Hochschule für Öffentliche Verwaltung (HfÖV), Bremen, Ekke.Dahle@HFOEV.Bremen.de<br />

Kindeswohlgefährdung aus der Sicht der Polizei<br />

Gliederung<br />

<strong>1.</strong> Themeneingrenzung zum Begriff<br />

„Kindeswohlgefährdung“<br />

2. Gesamtbild Bremen/BRD (Polizeiliche Kriminalstatistik)<br />

3. Polizeiliche Aufgaben und Mittel<br />

3.1 Gefahrenabwehr<br />

3.2 Strafverfolgung<br />

4. Exkurs:<br />

Schweigepflicht von Ärzten/Zeugnisverweigerungsrechte<br />

<strong>1.</strong> Themeneingrenzung<br />

zum Begriff "Kindeswohlgefährdung"<br />

- Eltern, Familie, Pflegefamilien (auch Geschwister)<br />

- andere Erwachsene (z.B. Erzieher, auch Fremde)<br />

- Mitschüler (Mobbing, Abziehen)<br />

- Peer Groups (Cliquen, Banden)<br />

§ 174 StGB: Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen<br />

I Wer sexuelle Handlungen<br />

<strong>1.</strong> an einer Person unter sechzehn Jahren, die ihm <strong>zur</strong> Erziehung,<br />

<strong>zur</strong> Ausbildung oder <strong>zur</strong> Betreuung in der Lebensführung<br />

anvertraut ist,<br />

2. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm <strong>zur</strong> Erziehung,<br />

<strong>zur</strong> Ausbildung oder <strong>zur</strong> Betreuung in der Lebensführung<br />

anvertraut oder im Rahmen eines Dienst- oder<br />

Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch<br />

einer mit dem Erziehungs-, Ausbildungs-, Betreuungs-,<br />

Dienst- der Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit<br />

oder<br />

3. an seinem noch nicht achtzehn Jahre alten leiblichen oder<br />

angenommenen Kind<br />

vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen<br />

lässt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren<br />

bestraft.<br />

§ 225 StGB: Misshandlung von Schutzbefohlenen<br />

I Wer eine Person unter achtzehn Jahren (...), die<br />

<strong>1.</strong> seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,<br />

2. seinem Hausstand angehört,


3. von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen<br />

worden oder<br />

4. ihm im Rahmen eines Dienst oder Arbeitsverhältnisses<br />

untergeordnet ist,<br />

quält oder roh misshandelt oder wer durch böswillige Vernachlässigung<br />

seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit<br />

schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn<br />

Jahren bestraft.<br />

II (...)<br />

III Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen,<br />

wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in<br />

die Gefahr<br />

<strong>1.</strong> des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung<br />

oder<br />

2. einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen<br />

Entwicklung bringt.<br />

2. Gesamtbild Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS)<br />

Land Bremen 2005<br />

DELIKT ANZAHL FÄLLE AUFGEKLÄRTE<br />

FÄLLE<br />

SEXUELLER MISSBRAUCH<br />

VON SCHUTZBEFOHLENEN<br />

KINDERN, § 174 STGB<br />

SEXUELLER MISSRAUCH<br />

VON KINDERN, §§ 176 FF<br />

STGB<br />

MISSHANDLUNG VON<br />

SCHUTZBEFOHLENEN KIN-<br />

DERN, § 225 STGB<br />

VERLETZUNG DER FÜR-<br />

SORGE- ODER ERZIE-<br />

HUNGSPFLICHT, § 171<br />

STGB<br />

3 3<br />

100%<br />

149<br />

107<br />

7<strong>1.</strong>8%<br />

29 29<br />

100%<br />

9 9<br />

100%<br />

Bundesrepublik Deutschland 2005<br />

DELIKT<br />

SEXUELLER MISSBRAUCH<br />

VON SCHUTZBEFOHLENEN<br />

KINDERN § 174 STGB<br />

SEXUELLER MISSBRAUCH<br />

VON KINDERN, §§ 176 FF<br />

STGB<br />

MISSHANDLUNG VON<br />

SCHUTZBEFOHLENEN KIN-<br />

DERN, § 225 STGB<br />

VERLETZUNG DER FÜR-<br />

SORGE- OD. ERZIEHUNGS-<br />

PFLICHT § 171 STGB<br />

ANZAHL<br />

FÄLLE STEIGE-<br />

RUNGSRATE<br />

ZU 2004<br />

ERMITTELTE TAT-<br />

VERDÄCHTIGE<br />

3<br />

95<br />

31<br />

796 - 17,3% 96,9%<br />

13962 - 8,5% 81,7%<br />

2905 - 0,4% 97,6%<br />

1178 0,7% 97,5%<br />

9<br />

AUFKLÄRUNGS-<br />

QUOTE


Probleme der Erkenntnisgewinnung durch PKS:<br />

Dunkelfeld<br />

Zahl aller begangenen Straftaten<br />

(nicht zu ermitteln)<br />

- Delikt muss überhaupt<br />

erkennbar sein<br />

- Delikt muss von jemandem<br />

bemerkt werden<br />

- Delikt muss <strong>zur</strong> Kenntnis<br />

der Polizei / Staatsanwaltschaft<br />

gelangen<br />

Wirkliche Kriminalitätsentwicklung<br />

3. Polizeiliche Aufgaben<br />

Gefahrenabwehr<br />

Bremisches Polizeigesetz<br />

- Abwehr von Gefahren<br />

für die öffentliche<br />

Sicherheit<br />

- Ziel: "Problembereinigung"<br />

- eher zukunftsbezogen<br />

- richterliche Kontrolle<br />

Hellfeld<br />

Zahl der Straftaten, die der Polizei<br />

bekannt werden<br />

- Anzeigeverhalten<br />

- Polizeiliche Kontrolle<br />

- Änderungen des Strafrechts<br />

- Echte Kriminalitätsänderung<br />

Vermeintliche Kriminalitätsentwicklung<br />

durch Aufmerksamkeit in den<br />

Medien<br />

Strafverfolgung<br />

Strafprozessordnung<br />

- Ermittlung verfahrensbezogener<br />

Informationen<br />

- Hauptverhandlung vor dem<br />

zuständigen Gericht<br />

- Vergangenheitsbezogen (Rekonstruktion<br />

des Geschehenen)<br />

- Richterliche Entscheidung<br />

3.1 Gefahrenabwehr<br />

- Informationserhebung und Informationsverarbeitung<br />

- Sonstige Maßnahmen<br />

3.2 Strafverfolgung<br />

� Befragung und Auskunftspflicht § 13 BremPolG<br />

� Datenerhebung, §§ 27, 28 BremPolG<br />

� Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener<br />

Daten, §§ 36a, 36b BremPolG<br />

� Datenübermittlung bei erheblicher sozialer Notlage,<br />

§ 36f Abs.1 BremPolG<br />

� Platzverweisung, § 14 BremPolG<br />

� Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot<br />

zum Schutz vor häuslicher Gewalt, § 14a Brem-<br />

PolG<br />

� Gewahrsam, § 15 BremPolG<br />

� Durchsuchung von Personen, Sachen und<br />

Wohnungen, §§ 19, 20, 21 BremPolG<br />

� Sicherstellung, § 23 BremPolG<br />

� Unmittelbarer Zwang, §§ 41 ff BremPolG<br />

• Körperliche Gewalt<br />

• Hilfsmittel der körperlichen Gewalt<br />

• Fesselung<br />

• Schusswaffengebrauch<br />

- Beweisführung durch Informationserhebung<br />

� Sachverständige<br />

� Augenschein<br />

� Urkunden<br />

� Zeugen<br />

� Aussage des Beschuldigten


- Beweissichernde Maßnahmen<br />

- Körperliche Untersuchung des Beschuldigten § 81a<br />

StPO<br />

- Körperliche Untersuchung von anderen Personen §<br />

81c StPO<br />

- Beschlagnahme von Beweismitteln<br />

- Durchsuchung von Personen und Sachen, §§ 102 ff<br />

StPO<br />

- Einschränkungen der Beweisführung<br />

- Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen, § 52<br />

StPO<br />

- Zeugnisverweigerungsrecht bestimmter Berufsgruppen,<br />

§ 53 StPO<br />

- Untersuchungsverweigerungsrecht, § 81c Abs.3<br />

StPO<br />

4. Schweigepflicht/Zeugnisverweigerungsrecht der Ärzte<br />

3.1 Schweigepflicht gem. § 202 StGB<br />

3.2 Zeugnisverweigerungsrecht/Zeugnisverweigerungspflicht<br />

nach § 53 Abs.1 Nr. 3, Abs.2; 53a StPO


Thomas Kothe<br />

Polizeioberkommissar, Kontaktpolizist (KoP) Kattenturm<br />

E-Mail: Thomas.Kothe@Polizei.Bremen.de, Tel.: (0421) 361-17219<br />

Fallbeispiele sozial-familiärer Notlagen aus Sicht der Polizei<br />

Seit über sieben Jahren bin ich nun Kontaktpolizist - KoP - und war<br />

vorher fast 20 Jahre im Streifendienst des Polizeireviers Kattenturm.<br />

Ich arbeite eher kleinräumig in dem Ortsteil Kattenturm, einem Teil des<br />

Revierbereichs und bin dadurch dort, wo die Menschen leben. Der<br />

Stadtteil Kattenturm gilt als ein sozialer Brennpunkt, in dem meine Arbeit<br />

nicht ganz einfach ist.<br />

Als KoP kann ich mir meinen Dienst so einteilen, wie es mein Bezirk<br />

erfordert. Mein Zuständigkeitsbereich zieht sich durch alle soziale<br />

Schichten und Altersgruppen des Stadtteils. Bedingt durch meine lange<br />

Dienstzeit am Revier kenne ich manche Eltern schon seit ihrer<br />

Kindheit.<br />

Ich besuche regelmäßig Kindergärten, Schulen und soziale Einrichtungen.<br />

Besonders an Schulen fällt es auf, dass ich dort gerne gesehen<br />

werde und sogar regelmäßige Sprechstunden habe, Unterrichtsprojekte<br />

begleite, Lehrer/innen und Eltern berate und vieles mehr. Es<br />

existiert eine sehr positive Vernetzung zwischen den im Stadtteil arbeitenden<br />

Menschen. Auch dadurch habe ich einen tiefen Einblick in die<br />

Strukturen der Problemfamilien, die diese Probleme manchmal schon<br />

in der dritten Generation haben.<br />

In den meisten Fällen handelt es sich bei den von mir festgestellten<br />

Notlagen nicht um die dramatischen Ereignisse oder Vorfälle, die<br />

durch die Presse gehen, sondern um langfristige familiäre soziale<br />

Probleme von Kindern, die aber von den Folgen her oftmals genauso<br />

schlimm sind.<br />

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, gerade als Kontaktpolizist, auf<br />

solche Notlagen aufmerksam zu werden, die ich hier exemplarisch an<br />

drei völlig unterschiedlichen Fallbeispielen darstellen möchte.<br />

Normenverdeutlichende Gespräche<br />

Vor einigen Jahren wurde nach einem Modelversuch im <strong>Bremer</strong> Westen<br />

das Projekt 'Normenverdeutlichende Gespräche' bei straffällig gewordenen<br />

Kinder flächendeckend in Bremen eingeführt.<br />

Bisher war es so: Wird ein Kind beim Ladendiebstahl erwischt, so bekommen<br />

die Eltern nach einigen Wochen einen schriftlichen Einstellungsbescheid,<br />

auf dem unter Nennung der entsprechenden Paragraphen<br />

erklärt wird, dass das Verfahren gegen das Kind eingestellt worden<br />

ist. Dann nimmt man rasch seine StPO <strong>zur</strong> Hand und schaut nach,<br />

was unter dem Paragraphen steht: Kinder sind strafunmündig. Eine<br />

weitere Reaktion des Staates erfolgte in der Regel nicht.<br />

Bei diesem Projekt kommt nun der zuständige KoP auf den Plan und<br />

sucht die Familie dieses Kindes in Uniform zuhause auf, um zusammen<br />

mit dem Kind über die begangene Straftat zu sprechen und um


ihnen das Unrecht der Tat deutlich zu machen. Er berät die Eltern und<br />

macht Hilfsangebote, falls erforderlich. Danach fertigt er über diesen<br />

Besuch einen Bericht mit einer entsprechenden Prognose an, der auch<br />

dem AfsD zugeleitet wird.<br />

Nach diesen Gesprächen hatte man beim Modelversuch eine deutlich<br />

geringere Rückfallquote festgestellt.<br />

Zu diesen Gesprächen könnte ich über eine Vielzahl von Einzelfällen<br />

sprechen, bei denen mein Einschreiten letztendlich dazu geführt hat,<br />

dass die Erziehungsberechtigten überhaupt auf die Idee gekommen<br />

sind, professionelle Hilfe zu suchen und auch anzunehmen.<br />

Exemplarisch möchte ich einen Fall herausgreifen: Ein 10jähriger Junge<br />

hatte einen Ladendiebstahl begangen und ich erhielt den Vorgang<br />

auf den Schreibtisch. Die Familie war mir noch nicht häufiger aufgefallen.<br />

Es handelte sich um eine allein erziehende Mutter mit zwei Jungen,<br />

10 und 13 Jahre. Als ich mich zu einem Termin verabredete,<br />

konnte ich schon nach dem ersten Eindruck wahrnehmen, dass die<br />

Mutter mit der Erziehung und dem Haushalt völlig überfordert ist.<br />

Bei der Mutter handelt es sich um eine sehr einfache Frau, die es mit<br />

der Ordnung und Sauberkeit nicht so genau nahm. Sie hatte finanzielle<br />

Probleme und war stark übergewichtig. Ihre eigene Lage und Hilflosigkeit<br />

stellte sie ihren Jungen als negatives Beispiel dar, mit der Bemerkung:<br />

"Wenn ihr nicht fleißig in der Schule seid, werdet ihr so wie ich."<br />

Auch eine vordergründig tolerante Erlaubnis, der 13jährige dürfe in<br />

seinem Zimmer rauchen - und dort steht dann tatsächlich auch ein<br />

prall gefüllter Aschenbecher - ist sicherlich nicht ganz altersgerecht.<br />

Das ist nicht die richtige Form der Erziehung von Jungen in dem Alter,<br />

denn eigentlich sollte man ihnen das Richtige vorleben. Leider konnte<br />

man nicht einmal einen gewissen Ansatz oder Versuch sehen, ihr Leben<br />

in den Griff zu bekommen. Ihre Möglichkeiten waren eben be-<br />

grenzt, und vermutlich ist es auch ohne fremde Hilfe zu diesem Zeitpunkt<br />

nicht mehr zu schaffen.<br />

Leider ist der Leidensdruck in diesem Stadium noch immer nicht groß<br />

genug, um fremde Hilfe zu wollen. Als dann in diesem Fall schließlich<br />

noch massive Schulprobleme dazu kommen und ich mich mehrfach<br />

mit ihr über die Probleme unterhalte, ist es dann doch soweit, dass<br />

Hilfe beim AfsD gesucht wird: Eine Familienhelferin kümmert sich um<br />

die Familie - und alles wird gut !? - Natürlich nicht sofort, sondern es<br />

verbessern sich viele Dinge. Sofort ist augenscheinlich, dass besonders<br />

der Jüngste nicht immer so schmuddelig aussieht und der Schulbesuch<br />

regelmäßig wird. Auch im Zusammenhang mit Straftaten fallen<br />

die Jungen nicht mehr auf. Bleibt nur zu hoffen, dass sie "noch mal die<br />

Kurve bekommen haben".<br />

Mama, was machen die Arbeiter da?<br />

Vor einigen Jahren wurden bei uns an der Dienststelle die Fenster<br />

erneuert. Ich verließ zu Fuß gerade die Wache und konnte eine Frau<br />

mit ihren Zwillingen beobachten. Einer der beiden Jungen fragte seine<br />

Mutter, was die Arbeiter dort machen würden. Die 'erschöpfende' Auskunft<br />

der Mutter lautete: "Die arbeiten da".<br />

Mir waren die zu diesem Zeitpunkt ungefähr 6jährigen Zwillinge bekannt,<br />

und sie waren auch schon aufgefallen. Von dem beschriebenen<br />

Eltern-Kind-Dialog war ich jedoch ziemlich erschüttert, und einige Dinge<br />

wurden mir dann später aber sehr klar. Besonders in den folgenden<br />

Jahren, in denen es immer wieder Vorfälle gab, bei denen man die<br />

Hände über den Kopf schlägt, was sie sich nun wieder ausgedacht<br />

hatten.<br />

Die Zwillinge sind Kinder von sehr einfachen Eltern, die auch noch<br />

getrennt sind. Der Vater ist ein Waffennarr und versucht sich gegenüber<br />

seinen Kindern auf diese Art beliebt zu machen. Da wird den Kindern<br />

auch schon einmal eine Luftpistole überlassen, die sie dann mit in


die Schule nehmen. Glücklicherweise wird die Pistole schnell von der<br />

Lehrerin gesehen, bevor etwas passiert und dann sichergestellt. Sie<br />

ging jedoch zuerst davon aus, dass es sich um eine Spielzeugpistole<br />

handelt.<br />

Inzwischen weiß man, wie enorm wichtig die ersten Lebensjahre von<br />

Kindern sind, weil sie in der Zeit unglaublich aufnahmefähig sind. Umso<br />

erschreckender ist die Gewissheit, dass diese Zwillinge in einer<br />

geistig und emotionalen Verarmung aufwachsen. Das kann auch später<br />

keine Schule ausgleichen, weil sie auf einen gewissen Grundstock<br />

aufbaut, der bei den beiden einfach nicht vorhanden ist. Das wenige<br />

Wissen erhalten sie aus den natürlich frühzeitig <strong>zur</strong> Verfügung stehenden<br />

elektronischen Medien. Ein Fernsehgerät steht ohne jede Kontrolle<br />

im Kinderzimmer. Die Auswirkungen sind gravierend, wie ich an<br />

einigen Beispielen aufzeigen möchte:<br />

• Mit Freunden werden Enteneier zerschlagen und Enten getötet.<br />

• Sie begehen Straftaten wie Körperverletzung, Bedrohungen,<br />

Sachbeschädigungen, Ladendiebstahl, Spendenbetrug, Brandstiftung,<br />

Trickdiebstahl, Automatenaufbruch, Einbrüche in Geschäfte<br />

usw.. Die einzelnen Straftaten zu schildern, würde den Rahmen<br />

dieser Veranstaltung sprengen. Dabei muss man einfach sehen,<br />

dass es sich hier um Kinder handelt, die noch strafunmündig sind.<br />

• Noch im letzten Jahr gab es eine Zeit, in der ich die beiden Jungen<br />

täglich durchsucht hatte und ihnen jeweils Feuerzeuge oder Messer<br />

abnahm, die sie angeblich gerade gefunden hatten. Das hatte<br />

ich mit der Mutter so abgesprochen und wurde ihr auch jeweils<br />

mitgeteilt.<br />

• Durch ihre sehr einfache Denkstruktur haben sie eine unglaublich<br />

einfache Logik <strong>zur</strong> Beurteilung von Zusammenhängen. Als ein Kripobeamter<br />

bei einer Befragung nach einem Einbruch auch eine<br />

erkennungsdienstliche Behandlung mit der Abnahme von Fingerabdrücken<br />

ankündigt, kam die Entgegnung von einem der Jungen:<br />

"Wenn ich mir die Fingerkuppen abschneide, bringt das doch gar<br />

nichts!"<br />

Natürlich ist in dieser Familie frühzeitig eine Familienhilfe vom AfsD<br />

eingesetzt. Wegen der schwierigen Aufgabe und der letztendlich mangelnden<br />

Mitarbeit der Eltern wechseln die Familienhelfer häufiger.<br />

Einer weitergehenden Maßnahme, wie einer Fremdplatzierung stimmen<br />

die Eltern nicht zu. Zu dieser Einsicht zu gelangen bedeutet auch,<br />

zuzugeben, es selbst nicht zu schaffen.<br />

Der Vater versucht deshalb, die Erziehung selbst in die Hand zu nehmen.<br />

Die Zwillinge lebten mit ihrem Vater in seiner 10 m² Parzelle. Als<br />

ich mir bei einem Gespräch nach einem erneuten Einbruchsversuch<br />

der beiden Jungen einen Überblick über die Wohnverhältnisse verschaffte,<br />

fiel mir dazu nur eines ein: So kann man keine 12jährigen<br />

Jungen aufwachsen lassen. Das AfsD erhielt von mir Kenntnis von<br />

meinen Beobachtungen und beendete diesen Zustand dann bald.<br />

Nachdem dann auch eine potentielle Drogengefährdung durch Cannabis,<br />

Probleme in der Schule, Gefahr schwerster Schäden durch den<br />

Versuch, ihre ehemalige Grundschule anzuzünden, Einbruch in die<br />

elterliche Wohnung, dazu kam, wurde der 'Leidensdruck' auf die Eltern<br />

so groß, dass sie schließlich einer Fremdplatzierung zustimmten, die<br />

nun noch andauert.<br />

Tiere und Kinder<br />

Wie so häufig kam dieser Anruf an einem Freitag gegen 15:00 Uhr und<br />

es ist dann nur noch selten jemand in anderen Behörden zu erreichen.<br />

Bezüglich des Jugendamtes hat sich das aber inzwischen geändert.<br />

Vom für Tierschutz und Lebensmittelüberwachung zuständigen Veterinär<br />

bekamen wir folgendes <strong>zur</strong> Kenntnis:


Eine nicht näher bekannte Frau hatte sich eine Mietwohnung angesehen<br />

und dann einer Dame vom Tierschutzverein Bremen von den<br />

schlimmen Zuständen berichtet. In dieser Wohnung wohnte eine Frau<br />

mit 4 Kindern und vielen Tieren (2 Hunde, Katzen, Kleintiere und<br />

mehr). Die Kinder sollen dort zwischen Müll und Kot hausen. Die Frau<br />

vom Tierschutzverein forderte die Anruferin auf, dem Veterinär und<br />

Jugendamt Details zukommen zu lassen. Das geschah aber nicht und<br />

nun meldet sich die Frau vom Tierschutz beim Veterinär und der wiederum<br />

meldet es per Fax und telefonisch dem zuständigen Revier.<br />

Erstaunlich und erschreckend zugleich ist, dass man sich zuerst um<br />

die Tiere Sorgen machte und deshalb jemanden benachrichtigt, der für<br />

die Tiere zuständig wäre.<br />

Recherchen am Revier ergaben, dass dort eine Mutter mit ihren 4 Kindern<br />

wohnt: 1, 5, 10 und 14 Jahre). Für die ältesten Kinder ist die Mutter<br />

allein und für die jüngsten ist der getrennt lebende Vater mit erziehungsberechtigt.<br />

Mit in der Wohnung wohnt der neue Lebensgefährte<br />

der Mutter.<br />

Vom Revier wurde dann ein Funkstreifenwagen eingesetzt, um die<br />

Wohnung in Bezug auf mögliche Gesundheitsschäden der Kinder,<br />

sowie der Unterbringung der Tiere im Haus zu prüfen.<br />

Die angetroffenen Kinder waren sauber gekleidet , wiesen keine äußeren<br />

Verletzungen auf und machten einen normalen Eindruck auf die<br />

Kollegen. Die Kinder lebten auf jeden Fall in keinem verwahrlosten<br />

Zustand. Von den einschreitenden Beamten wurden die hygienischen<br />

Verhältnisse als 'nicht gerade optimal' bezeichnet.<br />

Im Haus befanden sich folgende Tiere: 2 frei laufende Hunde und 2<br />

Katzen, 1 größerer Papagei im Käfig, 1 Beo im Käfig, 1 Tausendfüßler<br />

im Käfig sowie eine Würgeschlange in einem Terrarium. Ob eine artgerechte<br />

Haltung der Tiere vorliegt, besonders bei den Exoten, vermochten<br />

die Beamten abschließend nicht zu beurteilen.<br />

Eine Prüfung durch die zuständigen Behörden erscheint auf jeden Fall<br />

zwingend notwendig.<br />

Das Jugendamt und der Veterinärdienst erhalten von dem Vorfall<br />

Kenntnis und bearbeiten es in eigener Zuständigkeit.<br />

In diesem Fall erhielt das Jugendamt von den Lebensumständen der<br />

Kinder erst Kenntnis, weil sich jemand um die Tiere Gedanken machte.<br />

Diese Wertung muss in den Köpfen unserer Gesellschaft noch verändert<br />

werden – Kinder zuerst!!


Präventive Gesundheitssicherung<br />

für Risikofamilien durch das<br />

Gesundheitsamt<br />

Eberhard Zimmermann<br />

Sozialpädiatrische Abteilung<br />

Gesundheitsamt Bremen<br />

<strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong><br />

09.05.<strong>2007</strong> Bremen


Präventive Gesundheitssicherung für<br />

Risikofamilien durch das Gesundheitsamt<br />

-- <strong>Bremer</strong> Familienhebammen<br />

-- TippTapp – Gesund ins Leben<br />

-- Bremisches Kindeswohlgesetz<br />

Perinatalstudie Niedersachsen<br />

und Bremen 1983<br />

• Die fetoinfantile Mortalität ist immer noch sehr ausgeprägt<br />

mit den Lebensumständen der schwangeren<br />

Frauen bzw. der Mütter verknüpft.<br />

• Die Lebensumstände der Schwangeren und der<br />

Mütter sind vielfach den Ärzten nicht bekannt,<br />

soziale Risiken werden häufig nicht beachtet ...<br />

• Schwangere mit Risiken werden nicht häufiger oder<br />

intensiver versorgt als Schwangere ohne Risiken.<br />

• Soziale Risikogruppen ... werden schlechter versorgt<br />

als Frauen aus höheren Sozialschichten ... (Collatz u.<br />

Rhode, 1986).<br />

3<br />

Erstes Modellprojekt<br />

„Aktion Familien-Hebamme“<br />

Der erste Modellversuch konzentrierte sich u.a. auf die<br />

Ziele:<br />

• Alle Frauen möglichst umfassend und ihre jeweils<br />

konkrete Lebenswirklichkeit berücksichtigend zu<br />

beraten,<br />

• Frauen mit bestimmten sozialen und medizinischen<br />

Risiken besonders intensiv und kontinuierlich zu<br />

betreuen,<br />

• Eine enge Zusammenarbeit mit allen an der Versorgung<br />

beteiligten sozialen und medizinischen Institutionen zu<br />

verwirklichen (Collatz u. Rhode, 1986)<br />

Zweites Modellprojekt „Familien-<br />

Hebammen an Krankenhäusern“<br />

In dem zweiten, 1983 installierten Modellprojekt<br />

• wurden die Familien-Hebammen an den<br />

kommunalen Krankenanstalten in Bremen und<br />

<strong>Bremer</strong>haven angestellt.<br />

• Ein Viertel ihrer Arbeitszeit leisteten die Familien-<br />

Hebammen im Stationsdienst der geburtshilflichen<br />

oder pädiatrischen Kliniken ab.<br />

• Der Ansatz, flächendeckend bei allen Familien mit<br />

Neugeborenen eine Erstberatung durchzuführen,<br />

wurde verlassen.<br />

4<br />

5


Die „ABM-Phase“<br />

• Als Option auf eine dauerhafte Fortführung wurden<br />

zehn ABM-Stellen bereit gestellt.<br />

• Erste, noch vorläufige Anbindung an das<br />

Gesundheitsamt.<br />

• Familien-Hebammen sind nicht mehr Angestellte der<br />

kommunalen Krankenhäuser.<br />

• Jedoch weiterhin, zunächst regelmäßig, später nach<br />

Bedarf „Sozialmedizinische Visite“ auf den<br />

geburtshilflichen Stationen und in den Kinderkliniken.<br />

Die sozialmedizinische Visite<br />

verfolgt die Ziele:<br />

• Neues Stationspersonal mit Existenz und Auftrag der<br />

Familien-Hebammen bekannt zu machen.<br />

• Die Kenntnis der Indikatoren, die eine Betreuung<br />

durch die Familien-Hebammen sinnvoll erscheinen<br />

lassen, zu aktualisieren.<br />

• Und ggf. mit stationären Schwangeren oder Müttern<br />

im Wochenbett Kontakt aufzunehmen.<br />

6<br />

7<br />

Indikatoren <strong>zur</strong><br />

Familien-Hebammen-Betreuung<br />

• Schwerwiegende familiäre Probleme<br />

• Schwierige materielle Situation<br />

• Unklare ausländerrechtliche Situation<br />

• Seelische Störung / Sucht<br />

• Chronische Krankheit / Behinderung<br />

• Minderjährigkeit / Multiparität<br />

• Extrem Frühgeborene und Mehrlingsgeburten<br />

• Versorgungsinkompetenz / Analphabetismus<br />

• Gestörte Mutter-Kinder-Interaktion<br />

• Mißhandlungs- / Vernachlässigungsanamnese<br />

• Bereits fremdplatziertes Kind<br />

Familien-Hebammen am Gesundheitsamt<br />

Bremen (Stadt)<br />

Seit Juli 1988 sind die Familien-Hebammen fester Bestandteil des<br />

Dienstleistungsangebots des Gesundheitsamtes.<br />

• 5,5 Planstellen (560.000 Einwohner).<br />

• Je <strong>zur</strong> Hälfte Hebammen und Kinderkrankenschwestern.<br />

• Vor 25 Jahren unter 10, heute über 150 freiberufliche<br />

Hebammen.<br />

• Fortschreitende und sich fixierende Verelendung sozial<br />

benachteiligter Familien.<br />

• Deutliche Zunahme drogenabhängiger und psychisch<br />

auffälliger / kranker Schwangerer.<br />

Neu !!! 1 zusätzliche Planstelle ab 0<strong>1.</strong>06.<strong>2007</strong><br />

8<br />

9


Wege in die Betreuung<br />

Familien-Hebammen 2003<br />

Meldung | Freq Percent (n=166)<br />

-------------+----------------<br />

Selbst | 68 4<strong>1.</strong>0%<br />

Vermittlung | 98 59.0%<br />

-------------+----------------<br />

Betreuung |<br />

(n=166)<br />

-------------+----------------<br />

Erste | 142 85.5%<br />

Zweite | 24 14.5%<br />

-------------+----------------<br />

Erstbesuch |<br />

-------------+----------------<br />

Vor Geburt | 77 47.0%<br />

Nach Geburt | 87 53.0%<br />

-------------+----------------<br />

(n=164)<br />

Klientel bei Betreuungsaufnahme<br />

Familien-Hebammen 2003<br />

Alter d. Mutter | Freq Percent (n=166)<br />

----------------+----------------<br />

UNTER20 | 44 26.5%<br />

20bis34 | 100 60.2%<br />

UEBER34 | 22 13.3%<br />

----------------+----------------<br />

Nationalität | (n=165)<br />

----------------+----------------<br />

Deutsch | 121 73.3%<br />

Türkisch | 5 3.0%<br />

Sonstige | 39 23.6%<br />

----------------+----------------<br />

10<br />

11<br />

Führende Thematik in der Betreuung<br />

Familien-Hebammen 2003<br />

Sonstiges<br />

Materielle Situation<br />

Lebensweise Klientin<br />

Gesundheit Klientin<br />

Gesundheit Kind<br />

Fam. Beziehungsgefüge<br />

Versorgungskompetenz<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

4,8<br />

5,4<br />

10,2<br />

12,0<br />

12,0<br />

15,7<br />

31,9<br />

0 5 10 15 20 25 30 35<br />

Beendigung der Betreuung durch (n=166)<br />

Klientin<br />

26,5%<br />

Ortswechsel<br />

6,6%<br />

Hebamme<br />

66,9%<br />

12<br />

13


Gründe für Beendigung der Betreuung<br />

Grund |bei bei<br />

|Initiat. Initiat.<br />

|Hebamme Klientin Gesamt<br />

|(n=111) (n=44) (n=155)<br />

-----------------+---------------------------<br />

Problem gelöst | 8.1% 18.2% 1<strong>1.</strong>0%<br />

Problem im Griff |16.2% 15.9% 16.1%<br />

Hilfe greift | 9.9% 4.5% 8.4%<br />

Ablehnung | 6.3% 54.5% 20.0%<br />

Sonstige |16.2% 6.8% 13.6%<br />

Kind 1 Jahr |43.2% 0.0% 3<strong>1.</strong>0%<br />

-----------------+---------------------------<br />

Anzahl der Hausbesuche<br />

Betreuungsaufnahmen 2003 (n=162)<br />

Fälle<br />

18<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

1<br />

4<br />

7<br />

10<br />

13<br />

16<br />

19<br />

22<br />

25<br />

28<br />

31<br />

34<br />

Hausbesuche<br />

37<br />

40<br />

43<br />

46<br />

49<br />

14<br />

15<br />

Dauer der Betreuung in Monaten<br />

Betreuungsaufnahmen 2003 (n=150)<br />

Fälle<br />

18<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20<br />

Dauer der Betreuung in Monaten<br />

Systemberatung und Vernetzungsarbeit<br />

Familien-Hebammen<br />

• AK 0-3-Jährige Jugend-, Familien-, Gesundheitshilfe<br />

• Treffen von Gesundheitsdienstleistern in HB-Nord, HB-Süd,<br />

HB-Ost, HB-Mitte-West<br />

• AK Schwangere in Not (Beratung im Kontext Abtreibung)<br />

• AK Minderjährige Schwangere und Mütter (Schulabschluss)<br />

• AK postpartale Depression<br />

• Forum Frauengesundheit<br />

• AK Kinder psychisch kranker Eltern<br />

• AK Kinder drogenabhängiger Eltern<br />

• AK Kindesmißhandlung-/Vernachlässigung<br />

• AK Migration<br />

16<br />

17


Rahmenbedingungen erfolgreicher<br />

Gesundheitsarbeit mit benachteiligten<br />

Zielgruppen<br />

• Klare Aufgabenstellung und gesicherte<br />

Ressourcen für das Arbeitsfeld<br />

• Ein funktionierendes Regelversorgungssystem<br />

• Netzwerke <strong>zur</strong> Rekrutierung der Klienten.<br />

• Zuverlässige Kooperationspartner bei<br />

krisenhaften Entwicklungen<br />

Präventive Gesundheitssicherung für<br />

Risikofamilien durch das Gesundheitsamt<br />

-- <strong>Bremer</strong> Familienhebammen<br />

-- TippTapp - Gesund ins Leben<br />

-- Bremisches Kindeswohlgesetz<br />

18<br />

TippTapp – Gesund ins Leben<br />

ist ein<br />

sozialindexgestütztes, sozialraumbezogenes<br />

Flächenkonzept der Frühprävention<br />

mit den Elementen:<br />

• Vorausschauende Beratung<br />

• Soziale Vernetzung im Wohnquartier<br />

• Screening auf Kindeswohlgefährdung<br />

TippTapp – Gesund ins Leben<br />

Vorgehensweise:<br />

Die Eltern erhalten nach der Geburt sowie im Alter des Kindes<br />

von 6 und 12 Monaten Beratung durch eine Kinderkrankenschwester<br />

im Rahmen eines angekündigten Hausbesuchs.<br />

Zur Einschätzung des kindlichen Versorgungsniveaus wird ein<br />

Gefährdungs- und Beobachtungsbogen eingesetzt.<br />

Der Arbeitsansatz soll als Gemeinschaftsprojekt der Familienhebammen<br />

und der Stadtteilteams des Kinder- und Jugend -<br />

gesundheitsdienstes des Gesundheitsamtes durchgeführt<br />

werden.<br />

Einbezogen werden die 13 sozial benachteiligsten Ortsteile<br />

Bremens. Damit werden etwa 25% der Säuglinge eines<br />

Geburtsjahrgangs und deren Eltern erreicht.


TippTapp – Gesund ins Leben<br />

In das Besuchsprogramm einbezogene Ortsteile<br />

Rang Ortsteil Geburten/Jahr<br />

1 373 Tenever 130<br />

2 442 Gröpelingen 105<br />

3 443 Ohlenhof 89<br />

4 441 Lindenhof 76<br />

5 112 Bahnhofsvorstadt 35<br />

6 212 Hohentor 42<br />

7 242 Sodenmatt 74<br />

8 522 Grohn 46<br />

9 332 Neue Vahr Nord 94<br />

10 218 Huckelriede 66<br />

11 533 Lüssum-Bockhorn 115<br />

12 233 Kattenturm 131<br />

13 383 Hemelingen 113 gesamt 1117<br />

TippTapp – Gesund ins Leben<br />

Ziele des Projekts<br />

im Bereich Beratung:<br />

Individuelle Beratung zu Bedürfnissen des<br />

Kindes im jeweiligen Alter<br />

Hinführung an die einschlägigen Netzwerke<br />

des jeweiligen Wohnquartiers<br />

Motivation <strong>zur</strong> Teilnahme an den Krankheitsfrüherkennungsuntersuchungen<br />

TippTapp – Gesund ins Leben<br />

Ziele des Projekts<br />

im Bereich Screening:<br />

Einschätzung der Familiensituation und des<br />

weiteren Entwicklungsumfelds des Kindes im<br />

Hinblick auf langfristige Beratungs- bzw.<br />

Unterstützungsbedarfe<br />

Bei Bedarf verbindliche Aktivierung der<br />

Regelunterstützungssysteme, ggf. Einleitung<br />

von Maßnahmen <strong>zur</strong> Sicherung des Kindeswohls<br />

TippTapp – Gesund ins Leben<br />

Zusammenfassung<br />

• Das Projekt stellt einen vergleichsweise kostengünstigen<br />

Beratungsansatz im Hochrisikomilieu dar, obwohl das Projekt<br />

primär aufsuchend arbeitet.<br />

• Es schließt eine Lücke im Bereich der Erkennung jugendhilferelevanter<br />

Problemlagen und deren Zuweisung an<br />

etablierte Angebote der Jugend- und Gesundheitshilfe.<br />

• Es erfüllt die Türöffnerfunktion, die im aktuellen Jugendhilfediskurs<br />

den elternseitig meist positiv bewerteten<br />

Gesundheitsberatungsangeboten zugeschrieben wird.<br />

• Übereinstimmung mit den Vorgaben der Obersten Landesjugendund<br />

Gesundheitsbehörden: Vorhandene Strukturen müssen<br />

effektiver genutzt, „Gehstrukturen“ für bestimmte Zielgruppen<br />

verstärkt und Hilfen für junge Familien besser vernetzt werden.


Präventive Gesundheitssicherung für<br />

Risikofamilien durch das Gesundheitsamt<br />

-- <strong>Bremer</strong> Familienhebammen<br />

-- TippTapp - Gesund ins Leben<br />

-- Bremisches Kindeswohlgesetz<br />

Beteiligung* des Einschulungsjahrganges<br />

2006 in Bremen an den Früherkennungsuntersuchungen<br />

für Kinder<br />

bezogen auf die Kinder, die ihr Vorsorgeheft vorgelegt<br />

haben (3909 von 4529 = 86,3 Prozent)<br />

Unter- Untersuchungs- Beteiligungsuchung<br />

zeitraum in Prozent<br />

U2 03. bis 10. L.-Tag 97,0<br />

U3 04. bis 06. Woche 96,9<br />

U4 03. bis 04. Monat 96,3<br />

U5 06. bis 07. Monat 94,4<br />

U6 10. bis 12. Monat 94,3<br />

U7 2<strong>1.</strong> bis 24. Monat 91,8<br />

U8 3,5 bis 04 Jahre 87,6<br />

U9 5,0 bis 5,25 Jahre 84,9<br />

Kindeswohlgesetz<br />

§ 14a Früherkennungsuntersuchungen für Kinder<br />

(1) Das zuständige Gesundheitsamt lädt die gesetzliche<br />

Vetreterin ... jedes Kindes, dessen Früherkennungsuntersuchung<br />

U4 bis U9 ... bevorsteht, <strong>zur</strong> Teilnahme<br />

des Kindes an der jeweiligen Früherkennungsuntersuchung<br />

... schriftlich ein.<br />

(3) Das Gesundheitsamt stellt fest, für welche ...<br />

eingeladenen Kinder die Rückmeldung durch eine<br />

niedergelassene Ärztin ... innerhalb einer angemessenen<br />

Frist nach der Einladung nicht vorliegt.<br />

Soweit ... keine Rückmeldung vorliegt, erinnert das<br />

Gesundheitsamt zeitnah ... an die Durchführung ...<br />

Kindeswohlgesetz<br />

§ 14a Früherkennungsuntersuchungen für Kinder<br />

(4) Erhält das Gesundheitsamt auch nach der Erinnerung<br />

... keine Rückmeldung ... über die Durchführung der<br />

Früherkennungsuntersuchung ... nimmt das Gesundheitsamt<br />

gezielt Kontakt mit der gesetzlichen Vertreterin<br />

... auf und bietet ... einen Hausbesuch und gleichzeitig<br />

die Durchführung der Früherkennungsuntersuchung<br />

... an.<br />

(5) Wird die Durchführung der Früherkennungsuntersuchung<br />

... ohne hinreichende und nachgewiesene<br />

Gründe abgelehnt, teilt das Gesundheitsamt dies<br />

unverzüglich dem Jugendamt mit.


Kindeswohlgesetz<br />

Fragen<br />

• Ermöglicht die gegenwärtige zeitliche Abfolge der Früherkennungsuntersuchungen<br />

Kindeswohlgefährdungen im Kleinkindesalter zu<br />

erkennen ?<br />

• Sind die Früherkennungsuntersuchungen überhaupt der geeignete<br />

Ansatz zuverlässig Kindeswohlgefährdungen zu diagnostizieren ?<br />

• Wird das sogenannte „Tracking“ überwiegend fehlenden Mitteilungen<br />

über durchgeführte Früherkennungsuntersuchungen oder<br />

doch vornehmlich versäumten Terminen gelten ?<br />

• Ist der Imageschaden der Behörden bei unbegründetem Nachfragen<br />

wegen versäumter U-Termine nicht größer als der mögliche<br />

Benefit durch frühzeitige Interventionen ?<br />

• Rechtfertigt der Nutzen der Maßnahme insgesamt den erheblichen<br />

bürokratischen Aufwand ?<br />

Ich danke für<br />

Ihre Aufmerksamkeit !<br />

Eberhard Zimmermann<br />

Sozialpädiatrische Abteilung<br />

Gesundheitsamt Bremen<br />

Tel. 0421/ 361-6229<br />

Fax: 0421/ 361-15600<br />

eberhard.zimmermann@<br />

gesundheitsamt.bremen.de<br />

31


Herbert Holakovsky<br />

Referatsleiter Erzieherische Hilfen, Eingliederungshilfen, Familienrechtshilfen, SGB IX beim Amt für Soziale Dienste Bremen<br />

E-Mail: herbert.holakovsky@afsd.bremen.de<br />

Kinderschutz verbessern: Fachpolitische Eckpunkte <strong>zur</strong> Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung<br />

von Fachstandards im Rahmen der Fortschreibung des ASD Konzeptes<br />

Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe ist es, Kinder und Jugendliche<br />

davor zu bewahren, dass sie in ihrer Entwicklung durch den Missbrauch<br />

elterlicher Rechte oder eine Vernachlässigung Schaden erleiden.<br />

Bereits § 1 Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII nennt den Schutz von Kindern<br />

und Jugendlichen vor Gefahren für ihr Wohl als Ziel der Kinder- und<br />

Jugendhilfe.<br />

Vor dem Hintergrund der primären elterlichen Erziehungsverantwortung<br />

(Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) bedeutet dies, dass das Instrumentarium<br />

der öffentlichen Jugendhilfe nicht nur auf Hilfen beschränkt sein<br />

kann, über deren Inanspruchnahme die Eltern entscheiden können,<br />

sondern auch Befugnisse zum Schutz von Kindern umfassen muss,<br />

die mit Eingriffen in die Rechtsposition (der Eltern) verbunden sind und<br />

damit nicht den Kriterien von Sozialleistungen entsprechen. Scheitern<br />

Beratung und Unterstützung, so ist das Jugendamt verpflichtet, von<br />

Amts wegen und ggf. ohne Zustimmung der Eltern Maßnahmen zum<br />

Schutz des Kindes zu ergreifen oder zu initiieren, die aus der Perspektive<br />

der Eltern als Entlastung, aber auch als Eingriff oder Kontrolle<br />

empfunden werden. Durch die von der Kinder- und Jugendhilfe wahrzunehmende<br />

Garantenstellung für Kinder und Jugendliche unterscheidet<br />

sie sich von allen anderen Sozialleistungsträgern.<br />

In den verschiedenen Fachvorträgen haben wir heute viel über die<br />

Lebensrealitäten vernachlässigter Kinder erfahren, gespiegelt durch<br />

den Blick verschiedener Fachdisziplinen sowie über die Inhalte des<br />

„Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung“ durch den neu eingefügten<br />

§ 8a SGB VIII.<br />

Immer wieder wurde in unterschiedlicher Weise deutlich wie wichtig<br />

das frühzeitige Erkennen von Entwicklungsrisiken ist und das fachlich<br />

adäquate Reagieren darauf. Daraus lässt sich m.E. sehr anschaulich<br />

ableiten, dass erst im Zusammenwirken verschiedener Fachdisziplinen<br />

sich das Gefährdungsrisiko am ehesten einschätzen, erkennen und<br />

bewerten lässt und die notwendigen Handlungsstrategien mit einem<br />

höheren Grad an Sicherheit und Verbindlichkeit operrationalisiert werden<br />

können.<br />

Unbestritten kommt den staatlichen Stellen und insbesondere dem<br />

Jugendamt bei dieser Aufgabenstellung eine Schlüsselrolle zu, da die<br />

Garantenstellung für die Kindeswohlsicherung letztlich in der Verantwortung<br />

des Staates (Wächteramt) liegt.<br />

Insoweit liegt es nahe nunmehr auch die Qualitätsentwicklung und<br />

Qualitätssicherung sowie die Handlungsstrategien des Jugendamtes in<br />

den Blick zu nehmen.<br />

Ich will mich zu diesem Zeitpunkt auf die wesentlichen Aspekte beschränken.


<strong>1.</strong> Verbesserung der Erreichbarkeit des Jugendamtes durch<br />

Einrichtung eines kommunalen Kinder- und Jugendnotdienstes<br />

Bereits zum 0<strong>1.</strong>02.<strong>2007</strong> ist ein Kinder- und Jugendschutztelefon<br />

gesamtstädtisch eingerichtet worden. Seit dieser Zeit ist sichergestellt,<br />

dass über die zentrale Telefonnummer 6 99 11 33 täglich „rund um die<br />

Uhr“ eine im Kinderschutz erfahrene Fachkraft erreichbar ist, um eine<br />

telefonische Erstberatung durchzuführen. Von Montag bis Freitag in<br />

der Zeit von 8.00 bis 16.30 Uhr erfolgt die Beratung durch die Fachkraft<br />

des Jugendamtes. Krisenmeldungen werden unmittelbar an das<br />

zuständige Sozialzentrum weitergeleitet. Durch eine verbindliche Anwesenheitsregelung<br />

ist in den sechs Sozialzentren sichergestellt, dass<br />

jeweils ein Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin des ambulanten Sozialdienstes<br />

Junge Menschen erreichbar ist, um der Krisenmeldung unmittelbar<br />

selber nachzugehen oder um die Mitteilung an die zuständige<br />

sozialpädagogische Fachkraft <strong>zur</strong> Überprüfung zu übergeben. Da die<br />

Einschätzung des Gefährdungsrisikos durch das Zusammenwirken<br />

mehrerer Kinderschutzfachkräfte notwendig ist wird in naher Zukunft<br />

der Aufbau eines so genannter „Hintergrunddienstes“ im Sinne einer<br />

Rufbereitschaft mit - in der Wahrnehmung des Kinderschutzes erfahrenen<br />

Fachkräften - angestrebt. Um das Fachwissen der freien Träger<br />

zu nutzen, wird dieser Hintergrunddienst in Kooperation mit den freien<br />

Trägern aufgebaut und eingerichtet. Damit soll in dieser Stadt sichergestellt<br />

werden, dass für Familien und Kinder in akuter Not die Jugendhilfe<br />

rund um die Uhr erreichbar ist.<br />

2. Fortbildung und Qualifizierung - Personalentwicklung<br />

Die Wahrnehmung des Kinderschutzes durch den Träger der öffentlichen<br />

Jugendhilfe gehörte bisher und gehört auch zukünftig zu seinen<br />

Kernaufgaben. Mit der Verstärkung ökonomischer Ungleichheitsverhältnisse<br />

und konfliktreicher Familienbeziehungen wachsen auch die<br />

Gefährdungen von Kindern zumal in sozialbenachteiligten Gebieten.<br />

Ausgehend von der Veränderungen und Entwicklungen und aufgrund<br />

der Garantenstellung des Jugendamtes insbesondere vor dem Hintergrund<br />

der Präzisierungen durch den § 8a SGB VIII, wird noch in diesem<br />

Jahr ein umfassender Qualitätsentwicklungsprozess für den am-<br />

bulanten Sozialdienst Junge Menschen eingeleitet, mit dem eine<br />

Qualifizierung im Bereich des Kindesschutzes einhergehen.<br />

Eine im Rahmen eines Fachtages im Januar <strong>2007</strong> durchgeführte Bedarfsanalyse<br />

ist zum Anlass genommen worden, Herrn Prof. Wolff mit<br />

der Entwicklung eines Curriculums <strong>zur</strong> Qualitätsentwicklung im Kontext<br />

Kinderschutz zu beauftragen.<br />

Folgende Grundkurse/Fachseminare sind demnach vorgesehen:<br />

3. „Methoden der Risikoeinschätzung bei Kindesmisshandlung und<br />

Vernachlässigung“<br />

4. „Grundkurs: Kindesmisshandlung und Vernachlässigung – Erkennen<br />

und Verstehen, Eingreifen und Helfen“<br />

5. „Qualitätssicherung und Risikomanagement in der Kinderschutzarbeit<br />

– Das <strong>Bremer</strong> Konzept“<br />

6. „Die Zusammenarbeit im Kinderschutz fördern – ein Netzwerk der<br />

Hilfe aufbauen“<br />

Insbesondere mit der letzt benannten Qualifizierungsmaßnahme ist<br />

vorgesehen <strong>zur</strong> Aktivierung der gesellschaftlichen gemeinwesenorientierten<br />

Kräfte in der Stadtgemeinde Bremen die Entwicklung von<br />

Netzwerken zu fördern und das gesellschaftliche Bewusstein für die<br />

Wahrnehmung des Kinderschutzes zu erweitern.<br />

Mit der heutigen <strong>1.</strong> <strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong> ist uns gemeinsam<br />

ein eindrucksvoller erster Schritt gelungen.<br />

3. Sicherstellung von Supervision<br />

Die Tätigkeiten innerhalb des Jugendamtes mit den Aufgaben der Beratung<br />

und Unterstützung von Personensorgeberechtigten sowie der<br />

Einleitung, Begleitung und Überprüfung von Maßnahmen und ggf. der<br />

Entwicklung passgenauer Hilfen stellt besondere Herausforderungen<br />

an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dieses insbesondere auch<br />

aufgrund des „doppelten Mandats“ - Beratung und Unterstützung so-


wie ggf. sofortiges Eingreifen und Herausnahme zum Schutz von Kindern<br />

und Jugendlichen gemäß § 42 SGB VIII. Zur Bewältigung dieser<br />

komplexen Arbeitsprozesse wird zukünftig eine regelmäßige Teamsupervision<br />

angeboten. Darüber hinaus soll aufgrund zunehmender<br />

komplexer Einzelfälle, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Zeiten für<br />

Einzelsupervision <strong>zur</strong> Verfügung gestellt werden.<br />

4. Handlungsleitfaden <strong>zur</strong> Umsetzung des § 8a SGB VIII im<br />

Ambulanten Sozialdienst Junge Menschen<br />

Mit der Einführung des § 8a SGB VIII sind die Aufgaben und das<br />

Verfahren des Kindesschutzes für die freien Träger und den öffentlichen<br />

Jugendhilfeträger präzisiert worden. In einem Handlungsleitfaden<br />

für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Amtes und zusätzlich<br />

durch eine Vereinbarung, die zwischen dem öffentlichen Jugendhilfeträger<br />

und den freien Trägern der Jugendhilfe gemäß § 8a SGB VIII<br />

abgeschlossen werden soll, soll die Wahrnehmung des Kindesschutzes<br />

auch durch die freien Träger sichergestellt bzw. die Sicherstellung<br />

optimiert und das Meldeverfahren von Kindeswohlgefährdungen an<br />

das Jugendamt entsprechend standardisiert werden. In diesem Kontext<br />

liegen standardisierte Indikations-, Schutz- und <strong>Dokumentation</strong>sbögen<br />

vor, die von der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und<br />

Sozialplanung Bremen e.V. (GISS) im Rahmen einer Evaluation mit<br />

den freien Trägern entwickelt worden sind.<br />

<strong>1.</strong> Nachqualifizierung des Casemangement durch systematische<br />

Verankerung von Hausbesuchen sowie dem Instrumentarium<br />

der Kollegialen Beratung und interdisziplinärer Fallkonferenzen<br />

2. Stärkere Verzahnung der Angebotsstrukturen - im Rahmen der<br />

Frühprävention - vor Ort - Schaffung von Frühwarnsystemen<br />

Netzwerken unter Einbeziehung der Häuser der Familie, der<br />

Erziehungsberatungsstellen, der Frühberatung, Kindertagesheime<br />

und des öffentlichen Gesundheitswesen sowie der niedergelassenen<br />

Kinderärzte.<br />

3. Bedarfsgerechte personelle Ausstattung der öffentlichen Jugendhilfe<br />

<strong>zur</strong> Wahrnehmung der Aufgaben des Kinderschutzes.<br />

Der Jugendhilfeausschuss / die städtische Deputation für Soziales,<br />

Jugend, Senioren und Ausländerintegration hat sich mit der Neujustierung<br />

der öffentliche Jugendhilfe in seiner Sitzung am 17. April bzw. 19.<br />

April <strong>2007</strong> fachpolitisch auseinandergesetzt und die eingeleitete Entwicklung<br />

einhellig begrüßt. Dabei war unverkennbar, dass auch die<br />

Politik die Notwendigkeit sieht, den Ressourcenrahmen den notwendigen<br />

Anforderungen anzupassen und die in den letzten Jahren entstandene<br />

Schieflage zugunsten der Kinder und deren Familien positiv<br />

zu verändern.<br />

Gleichwohl darf nicht verkannt werden und ich zitiere hier Prof. Dr.<br />

Wolff aus einem Artikel "Inwiefern können Fachkräfte des Sozialen<br />

Dienstes durch ihr Handeln Kindern schaden bzw. <strong>zur</strong> Kindeswohlgefährdung<br />

beitragen?“: der allgemeine Sozialdienst des Jugendamtes<br />

ist ein Arbeitsfeld mit einem hohen Sicherheitsrisiko, besteht doch die<br />

Aufgabe dieser öffentlichen Kinderschutz-Organisation geradezu darin,<br />

mit verbindlichem Auftrag in Extremsituationen einzugreifen, die weder<br />

zuverlässig vorauszusehen noch sicher zu kontrollieren sind. Familien,<br />

zumal in lebensgeschichtlichen Krisen, sind nämlich lebende, sich<br />

selbst reproduzierende Systeme, deren Bewegungen man zwar wahrnehmen<br />

und beeinflussen, aber nicht ausrechnen, messen, oder in<br />

den Griff bekommen kann. Insofern geht es in der Praxis des ASD der<br />

immerhin einen institutionellen Rahmen mit Richtlinien und Regelungen<br />

aber zugleich lebendige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (lebende<br />

Personensysteme) hat, die keine Maschinen sind und die es in ihrem<br />

organisierten Miteinander immer wieder mit spontan sich ergebenden<br />

Chaotisierungen zu tun haben, grundsätzlich darum, dass Unerwartete<br />

zu managen. Kinderschutz hat es mit komplexen, dynamischen - d.h.<br />

nicht trivialen - Extremsituationen zu tun und ist selbst komplex."


Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der <strong>1.</strong> <strong>Bremer</strong> <strong>Kinderschutzkonferenz</strong><br />

Adam Annelie HdF Vegesack<br />

Ahlers Sandra AfSD SZ 04<br />

Ahrens Monika Kinder- u. Jugendges.dienst<br />

Allison Gerhild Hans-Wendt-Stiftung<br />

Apel Friederike St. Petri Kinder u. Jugendhilfe<br />

Assouroko Anke Kinder u. Jugendschutztelefon, Kinderschutzbund<br />

Balle Ingrid Amt f. Jugend u. Familie, <strong>Bremer</strong>haven<br />

Balser Ulrike comeback GmbH<br />

Bankowski Sabine Amt f. Jugend u. Familie, <strong>Bremer</strong>haven<br />

Bargen Dorothea von AfSD SZ 01<br />

Bargfrede Stefanie Lebenhilfe Bremen e. V.<br />

Becker Angelika Kinder- u. Jugendges.dienst<br />

Berauer Brigitte SOS Kinder- u. Jugendhilfe<br />

Bergmann-Klee Martina Lebenhilfe Bremen e. V.<br />

Beyersmann Inge Familienzentrum Hemelingen, Frühberatung<br />

Blandow Dorothea AfSD<br />

Blumenberg Anja AfSD STL JM, SZ 02<br />

Bock-Mathiaszyk Klaus AfSD SZ 03<br />

Bodhammer Robert SPI Kinderzentrum<br />

Bohne Jennifer <strong>Bremer</strong> Familienkrisendienst<br />

Böseler Annika AfSD SZ 03<br />

Braaksma Susanne Gesundheitsamt KIPSY<br />

Brandt Petra VAJA e. V.<br />

Brennecke Petra AfSD SZ 05<br />

Brünjes Heike AfSD SZ 01<br />

Bücken Michael Caritas Bremen<br />

Bücker Heike Kath. Gemeindeverband<br />

Burggraf Viktoria AfSD EB SZ 02<br />

Bury Carola Arbeitnehmerkammer<br />

Christoph Caritas Bremen<br />

Crasemann, Dr. Hendrik Kinderärztliche Gemeinschaftspaxis<br />

Crueger Jens<br />

Dahle, Prof. Dr. Ekke Hochschule f. öffentliche Verwaltung<br />

Damke Petra Lebenhilfe Bremen e. V.<br />

Dauer Sieglinde AfSD SZ 02<br />

Denker Vanessa AfSD SZ 06<br />

Diener Rolf AfSD SZL 06<br />

Dierks-Baumann Gisela AfSD SZ 02<br />

Dietzmann Nicole AfSD Steuerungsstelle<br />

Ebend Claudia Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Eckelmann Dagmar Kindertagesstätte<br />

Egbers Kathrin Magistrat <strong>Bremer</strong>haven<br />

Egmont, Dr. Conradi Kinderarzt<br />

Ehmann Claudia Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Ehmke Matthias AfSD SZ 01<br />

Ernst-Pawlik Ernst AfSD SZL 05<br />

Eschke Elke Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Essmann Siegfried AfSD SZL S 3<br />

Evers Helma HdF Vahr<br />

Evers Hagret Kita Jaburgstr.<br />

Ewert Paul-Thomas Fachstelle f. Gewaltprävention<br />

Falke Regina SfAFGJS<br />

Fetchenhauer Mathias AfSD SZ 05<br />

Fiegen Anne-Meike AfSD<br />

Filter Jaona Klinikum Bremen-Mitte<br />

Fixsen-von Cleve Uta<br />

Floemer Carsten DRK Jugendhilfe Kleine Marsch<br />

Franzky-Witte Claudia Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Frick Waltraud Kath. Gemeindeverband<br />

Friedrich Günter AfSD SZ 06<br />

Fröhlich-Heidenreich Frau Hermann Hildebrand Haus<br />

Gaida Joachim comeback GmbH<br />

Garbe Beate AfSD SZL 01<br />

Geppert Nicole AfSD SZ 1<br />

Gitter, Dr. med. Heidrun Klinikum Bremen Mitte<br />

Gremerich Ingeborg PiB<br />

Greve, Dr. Axel<br />

Gros-Uhlenberg Lisa Lebenhilfe Bremen e. V.<br />

Grünewald Kristin Lebenhilfe Bremen e. V.<br />

Gschwendtner Franziska Caritas Bremen<br />

Günther Jörn KBO<br />

Haas Monika Kinder u. Jugendges.dienst


Häger Marion Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Hamann Björn AfJ e.V. Jugendwohnhaus<br />

Hamann Ann-Kathrin Stadtteilprojekt Huchting<br />

Hansen-Crasemann, Dr. Martina Kinderärztliche Gemeinschaftspaxis<br />

Harm Vera<br />

Heinke Sabine Familiengericht Bremen<br />

Heinrich Sonja AfSD FA 2<br />

Heinze Heike GA Bremen<br />

Heitmann Gisela Ambulante Drogenhilfe<br />

Heitmann Gundula Hans-Wendt-Stiftung<br />

Hellbach Barbara S.f.AFGJS<br />

Helmers Karen HdF Hemelingen<br />

Hempel Ulrike AfSD FA 2<br />

Hennigsen Silke Ev. Kindertagesheim<br />

Herzog, Dr. Brigitte Kinderarztpraxis<br />

Heuer Denise Bürgerzentrum Vahr<br />

Hillebrand-Stein Marita Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Hoffer Antje GA <strong>Bremer</strong>haven<br />

Hoffmann Silvia AfSD SZ 03<br />

Holakovsky Herbert AfSD FA 2<br />

Holschen Maria Amt für Jugend u. Familie <strong>Bremer</strong>haven<br />

Homberg Dirk AfSD SZ 01<br />

Höppner Silke AfSD<br />

Hornkohl Christiane Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Horstkotte Elisabeth Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Hottmann Christine Lebenhilfe Bremen e. V.<br />

Hübotter Imke GA Bremen<br />

Hüller Michael Amt f. Jugend u. Familie <strong>Bremer</strong>haven<br />

Huppertz, Prof. Dr. med. Hans-Ilko Prof.-Hess-Kinderklinik Bremen<br />

Ihle Christiane Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Ihlo-Griese Inge HdF Obervieland<br />

Jahn Marina Verbund <strong>Bremer</strong> Kindergruppen e. V.<br />

Jähn Kristina Kriz e. V.<br />

Jakob Christine Kita Pastorenweg<br />

Jakobs Irmgard Kindertagesstätte St. Hedwig<br />

Janssen Julia HdF Hemelingen<br />

Janssen Karin Mutter-Kind-Haus Bethanien<br />

Järleby Karin Hans-Wendt-Stiftung<br />

Jelinek Heiko EB Mitte<br />

Jeschke Regina KITA<br />

Jörn-Tryggve Günther Klinikum Bremen-Ost<br />

Jung-Schneider Julia Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Kahmann Beate Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Kastendiek Barbara Kita Hohentor<br />

Keil Margit PiB<br />

Kessenich-Reiss Edna Heilpraktikerin<br />

Kette, Dr. Stefan niedergelassener Kinder u.Jugendpsychiater<br />

Klahr Roland Afj-ev.<br />

Kleen Christiane Kath. Gemeindeverband<br />

Klein-Ellinghaus Funda GA Bremen<br />

Kleine-Tebbe Maren Schattenriss e. V.<br />

Kleinschmidt Michael Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Kleinschmidt-Ratz Jutta Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Klene Gerda Kath. Gemeindeverband<br />

Kludt-Rathjen Petra Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Knappe Werner AfSD<br />

Knoop Christiane Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Kobbe Kirsten AfSD SZ 01<br />

Koopmann Christina AWO Bremen<br />

Kothe Thomas Polizei Bremen<br />

Kramer Birgit Hans-Wendt-Stiftung<br />

Kreienborg Kirsten Kath.Gemeindeverband<br />

Krumbholz Monika PiB<br />

Krüner-Reuß Ilka HDF Lüssum<br />

Kruse-Johannes Elisabeth SKF Kinder-Krippe<br />

Küfe Bianca AfSD<br />

Kunze Sabine GA <strong>Bremer</strong>haven<br />

Lahann Hans-Jürgen Hans-Wendt-Stiftung<br />

Lammers Heike Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Lang Peter AfSD<br />

Laxa-Zimmermann Bärbel Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Lehmann Steffi Kita Hohentor<br />

Lettau Simone Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Lindenberg Andrea Mutter-Kind-Haus Bethanien<br />

Lindhorst Andreas Hans-Wendt-Stiftung<br />

Lippmann Petra Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Loos Rosemarie AfSD<br />

Lorenz, Dr. Alfred GA Bremen Kipsy


Loschky Anne AfSD EB SZ 02<br />

Louis-Hodde Petra Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Mahnken Regina AfSD SZ 06<br />

Mehr, Dr. Burkhard Klinikum Bremen-Mitte, Kinderzentrum<br />

Meier Christine Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Meinrenken, Dr. Wolfgang Berufsverband d. Kinder und Jugendärzte Bremen e. V.<br />

Meyerhoff Tina HdF Hemelingen<br />

Meyer-Wiedemann Hubert AfSD Qualifizierung<br />

Mick-Pratska Marion HdF Mitte<br />

Mohr-Lüllmann Rita<br />

Möklmann Heike Klinikum Bremen-Mitte, Kinderzentrum<br />

Mosler Marion AWO Bremen<br />

Motzkau, Dr. med. Eberhard Ärztliche Kinderschutzambulanz, Düsseldorf<br />

Mpinazes Lena AfSD FA 2<br />

Mumme Inga AfSD SZ 02<br />

Nahnsen Yvonne AfSD SZ 02<br />

Navel Frank Lerncauch<br />

Nerz Conny HdF Hemelingen<br />

Nerz Frank AfSD AL/V<br />

Ney Claudia AfSD SZ 02<br />

Nölke-Hartz Birgit AfSD EB West<br />

Nolle Isa Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.<br />

Ogon Renate AfSD SZ 06<br />

Ohlebusch Heike Mädchenhaus Bremen e.V.<br />

Oltmanns Heidrun GA <strong>Bremer</strong>haven<br />

Ostermann Joachim S.f.AFGJS, LJA<br />

Ottem Susanne GA <strong>Bremer</strong>haven<br />

Otto Doris Heinrich-von-Zütphen-Haus<br />

Paeplow Heike Klinikum Links d.Weser, Sozialdienst<br />

Palinski Astrid GA <strong>Bremer</strong>haven<br />

Pape Herr Hermann Hildebrand Haus<br />

Pawlik Dagmar AfSD SZ 05<br />

Peters Caritas Bremen<br />

Pietsch-Kavurmaci Doris Lebenhilfe Bremen e. V.<br />

Ploghöft Ute SfAFGJS<br />

Pörksen Marianne Drogenberatungsstelle Mitte<br />

Porrath, Dr. Kerstin Kinderklinik Links der Weser<br />

Prüser Kathrin AfSD<br />

Purnhagen Irmtraut HdF Osterholz<br />

Quellhorst Michaela Kindertagesstätte St. Hedwig<br />

Ramirez Chavez Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Raub Barbara Kinderärztin<br />

Rehmstedt Kerstin AfJ e. V. Jugendhilfe<br />

Rehwinkel Evelyn GA <strong>Bremer</strong>haven<br />

Rein Bernd S.f.AFGJS<br />

Reincke Antje Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Reiners Kerstin AfSD SZ 03<br />

Reinhardt Monika Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Rexin Holger Kriz e. V.<br />

Ribbentrop, Dr. Christian Klinikum Bremen-Nord<br />

Richter Joachim St. Petri Kinder u. Jugendhilfe<br />

Riehm Rüdiger St. Theresienhaus<br />

Riekers Cindy Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Rodolph Sabine Kriz e. V.<br />

Roepke Linda St. Johannis Kinder u. Jugendhilfe<br />

Roger Wolfram Schubertstr.7 28209 Bremen<br />

Rohn Anja Jugendamt <strong>Bremer</strong>haven<br />

Rosenkötter Ingelore Senatorin für AFGJS<br />

Rudolph Anne Praxis Dr. Deetz<br />

Russ Inga AfJ e.V. Jugendwohnhaus<br />

Sadowski Gabriele Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Salata Anna JHW Delmenhorst<br />

Sander, Dr. Ute GA <strong>Bremer</strong>haven<br />

Schäfer Bernd AfSD Amtsvormundsch.<br />

Schafstädt Klaus AfSD<br />

Scheland-Büttner Gudrun Kita Osterhop<br />

Scherf Monika AfSD<br />

Schilling Viviane AfSD Amtsvormundsch.<br />

Schlottmann Christine Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Schmidt Reinhard AOK Bremen/<strong>Bremer</strong>haven<br />

Schmidt Frank GA Bremen, Drogenhilfe<br />

Schmidt Jan Reisende Werkschule Scholen<br />

Schmidt-Bojahr Elke GA <strong>Bremer</strong>haven<br />

Schmitz Maria-<br />

Elisabeth<br />

Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Schoppe Gabi AfSD FA 2<br />

Schröder Hilke Psychotherapeutenkammer Bremen<br />

Schulmann Ute Soz. Dienste der Justiz HB-Nord


Schulte Erika AfSD SZ 02<br />

Schulz, Prof. Dr. med. Eberhard Uni-Klinik Freiburg<br />

Schulze Rudolf PiB<br />

Schwarz, Dr. Michael S.f.AFGJS, LJA<br />

Schwarze Christa HdF Obervieland<br />

Schweppe Georg Schule an der Fritz-Gansberg-Str.<br />

Schwert-Jeger Jochen AfJ e. V.<br />

Senft Sandra AfSD Amtsvormundsch.<br />

Setzepfand-Olliges Bettina Lebenhilfe Bremen e. V.<br />

Sextro Ralf AfSD Amtsvormundsch.<br />

Sickinger Fridolin AfSD<br />

Sinsch Anja Amt f. Jugend u. Familie <strong>Bremer</strong>haven<br />

Soppa Rieke<br />

Speckels-Hüll Anneliese BEKLV<br />

Spies Carsten Deutscher Kinderschutzbund, LV Bremen<br />

Spöttel Mathias <strong>Bremer</strong> Familienkrisendienst<br />

Stapke Thomas effect GmbH<br />

Steffen Ino GA <strong>Bremer</strong>haven<br />

Steffen Katrin comeback GmbH<br />

Stege Monika Kita Schwedenhaus<br />

Steging-Lüken Johanne HdF Vegesack<br />

Stemmer Ilkona Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Steuber Christian Kinderklinik Links der Weser<br />

Stöer Martina GA <strong>Bremer</strong>haven<br />

Stütz Sabrina AfSD SZ 02<br />

Tautkus Regina AfSD FA 2<br />

Teebken Anke DPWV<br />

Tegtmeier Heike AfSD SZ 05<br />

Theis Jela AfSD SZ 02<br />

Theuerkauf Hartmut AfSD SZ 05<br />

Thiel-Falk Brigitte Kita Betty Gleim Haus<br />

Thießen Kirsten Lebenhilfe Bremen e. V.<br />

Thim Anja Lebenhilfe Bremen e. V.<br />

Trapp, Dr. med. Stefan Berufsverband d. Kinder und Jugendärzte Bremen e. V.<br />

Tretter Susanne Ev. Kinderhaus Schnecke<br />

Tryborczyk Dunja Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Tümmel Gisbert AfSD<br />

Vogelsang Hildegard Kita Waller Park<br />

Voßmeyer Angelika Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Wahlers, Dr. Dirk-Hinrich Facharzt f. Kinderheilkunde<br />

Wardin Elke HdF Mitte<br />

Warna Martina Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Warnecke Liselotte Ev. Kirchengemeinde, KTH in der Neuen Vahr<br />

Wattenberg Agnes Landesverband Ev. Kindertagesstätten<br />

Weber, Dr. Dagmar Arztpraxis<br />

Wedlich Ingrid Schattenriss e. V.<br />

Wegner-Echtermann Hermann Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Wekerle Emma AfSD SZ 02<br />

Wellbrock Astrid HdF Osterholz<br />

Wetzel Katin AWO Bremen<br />

Wetzel Ursula Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Wichert-Wilde Adelheid Sprachheilkindergarten Nienburg<br />

Wichmann Ute Kinder u. Jugendges.dienst<br />

Wiechmann Sandra HdF Vegesack<br />

Wiechmann Daniele Lebenhilfe Bremen e. V.<br />

Wiesner, Prof. Dr. Dr. hc. Reinhard BM f. Familie, Senioren, Frauen u. Jugend<br />

Wilde Eberhard EB Nord<br />

Wilke Ursula KTH St. Markus-Gemeinde<br />

Witte-Soppa Birgit AfSD SZ 03<br />

Witting Marcus AfSD SZ 02<br />

Wojtowicz Brunhilde GA <strong>Bremer</strong>haven<br />

Wührmann Peter AfSD SZ 04<br />

Zand Atessa AfSD<br />

Ziegler Gerd AfJ e.V. Jugendwohnhaus<br />

Zielinski Christine GA <strong>Bremer</strong>haven<br />

Zimberlin Tina AfSD<br />

Zimmermann Eberhard GA Bremen Kinder u. Jugendgesundheitsdienst<br />

Zockoll Bettina HdF Osterholz<br />

zu Klampen Miriam Bürgerzentrum Vahr<br />

Zywica Maria Kinder u. Jugendges.dienst

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