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Mumien - Schilm, Petra

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SEHNSUCHT NACH EWIGEM LEBEN –<br />

ÄGYPTISCHE MUMIEN ALS HOFFNUNG AUF UNSTERBLICHKEIT<br />

In diesem vierten Kolumnenzyklus geht es um den Umgang mit Tod und Jenseits im Alten Ägypten.<br />

Wir erfahren faszinierende Details über den altägyptischen Totenkult, über die Gründe, die der<br />

Mumifizierung hochrangiger Menschen (und auch Tiere) zugrunde lagen.<br />

• Am Anfang war der Wüstensand …<br />

• Leinen und Gips – Die ersten Schritte<br />

• Magische Wiederbelebung der <strong>Mumien</strong><br />

• Mumifizierung I<br />

• Mumifizierung II, die griechische Sicht<br />

• Ausgewählte Amulette und Grabbeigaben<br />

• Mumifizierte Tiere<br />

• <strong>Mumien</strong>portraits aus römischer Zeit<br />

• <strong>Mumien</strong> im Zeitalter des Computers<br />

Am Anfang war der Wüstensand – natürliche Konservierung der Toten<br />

Ich begrüße Sie ganz herzlich zum Auftakt der vierten Beitragsreihe über das Alte Ägypten.<br />

Um <strong>Mumien</strong> soll es in den nächsten Monaten gehen, um Versuche, dauerhafte Körper für die<br />

Ewigkeit zu erschaffen. Und wir werden uns die Zeit nehmen, möglichst viel darüber zu erfahren,<br />

warum den Menschen am Nil der Erhalt ihrer sterblichen Hülle so unendlich wichtig war.<br />

Lange bevor es eine gezielte Präparation von Verstorbenen mit chemischen Substanzen gab,<br />

sorgten die klimatischen Verhältnisse in Ägypten für eine natürliche Konservierung der Toten.<br />

Am Rand der Wüste wurden die Verstorbenen in flachen Gräbern beigesetzt, in ovalen Gruben,<br />

ohne Särge und Leinenbinden. Ihre Körper wurden in Felle, Tierhäute oder in eine Matte eingehüllt<br />

und dem ägyptischen Wüstensand übergeben. Dieser enthielt eine hohe Konzentration an Natron.<br />

Gemeinsam mit der Wärme der Sonne trocknete der heiße Wüstensand das Körpergewebe aus,<br />

noch bevor die Verwesung einsetzen konnte. Auf diese Weise wurde die Unversehrtheit des Körpers<br />

durch das Wirken der Natur gewährleistet. Die schnelle Austrocknung verhärtete das<br />

Muskelgewebe, so dass es nicht mehr von Bakterien oder Insekten zersetzt werden konnte. Die<br />

inneren Organe, Bindegewebe, Haut und Sehnen blieben erhalten, ebenso die Haare und Nägel.<br />

Untersuchungen des Magen- und Darmtraktes dieser natürlich erhaltenen <strong>Mumien</strong> erlaubten einen<br />

einzigartigen Einblick in den Speiseplan der Ägypter und Ägypterinnen des 4. Jahrtausends v. Chr.<br />

Die Menschen ernährten sich ausgewogen von Blattgemüse und Wildgräsern, Hirse, Erdmandeln<br />

und Melonen, Fisch und Kleintieren wie Mäusen.


Natürlich konservierte Mumie, Anfang des 4. vorchristlichen Jahrtausends, genannt "Ginger", British Museum.<br />

Die natürlichen <strong>Mumien</strong> der vorgeschichtlichen Zeit Ägyptens wurden überwiegend in Oberägypten<br />

aufgefunden, in Naga ed-Deir. In ovalen Gruben wurden sie in Hockerstellung begraben und lagen<br />

in Embryo-Haltung auf ihrer linken Körperseite. Die Knie angezogen und die Hände vor das Gesicht<br />

gehalten, zeigte ihr Kopf nach Westen, dorthin, wo die Sonne untergeht. Ihnen wurden gefüllte<br />

Keramikgefäße mit Nahrungsmitteln mit ins Grab gegeben, Steinwerkzeuge, Knochenkämme,<br />

Schmuck und verzierte Töpfe.<br />

Der Wüstensand, der den Ägypterinnen und Ägyptern auf natürliche Weise gezeigt hatte, dass das<br />

Erhalten eines Körpers auch über den Tod hinaus möglich war, hatte irgendwann ausgedient. Man<br />

ging dazu über, die Toten nun vor dem Sand zu schützen, indem man zunächst ihre Gesichter mit<br />

umgedrehten Körben bedeckte, damit kein Sand in Augen und Mund eindringen konnte. Die später<br />

einsetzende Bestattungsform in Kistensärgen mit Holzdecken und Grabwänden aus Ziegeln hatte<br />

zur Folge, dass die Körper verwesten und schließlich zerfielen. Obwohl erstmals ab ca. 3000 v. Chr.<br />

die Körper der Verstorbenen vor ihrem Begräbnis behandelt wurden (sie wurden äußerlich mit<br />

Wasser gereinigt und mit Leinenbinden umwickelt, die vorher in Harz getränkt worden waren),<br />

zersetzte sich das Körpergewebe unter den Bandagen.<br />

Aus diesem Grund wurden ab ca. 2500 v. Chr. die inneren Organe der Toten entfernt, um den<br />

Verwesungsvorgang aufzuhalten.<br />

Über die ersten Schritte auf dem Weg zur künstlichen Mumifizierung im Alten und im Mittleren<br />

Reich und die religiösen Vorstellungen, die den Erhalt eines unversehrten Körpers über den Tod<br />

hinaus nötig machten, berichte ich in der nächsten Folge.<br />

Leinen und Gips – Die ersten Schritte auf dem Weg zur künstlichen<br />

Mumifizierung im Alten und Mittleren Reich<br />

Um verstehen zu können, warum der Erhalt eines unversehrten Körpers über den Tod hinaus so<br />

lebensnotwendig für das Alte Ägypten war, hole ich ein wenig aus.<br />

Es war entscheidend für die religiöse Überzeugung der Ägypterinnen und Ägypter, die Körper der<br />

Verstorbenen zu erhalten und sie möglichst lebendig aussehen zu lassen. Ein Verfall der Leiche<br />

hätte ein Weiterleben im Jenseits unmöglich gemacht. Nach altägyptischem Verständnis löste der<br />

körperliche Tod die Einheit der verschiedenen Komponenten, die eine Person ausmachen,<br />

vorübergehend auf.<br />

Die Ägypterinnen und Ägypter waren nicht der Ansicht, dass eine Person aus Körper und Seele<br />

besteht. Ihr Personenverständnis war wesentlich differenzierter. Neben dem Ka (einer Art<br />

Doppelgänger eines Menschen zu Lebzeiten) gehörten auch der Ba, der Schatten und der Ach zu<br />

den Erscheinungsformen, die einen Menschen ausmachten.


Der Ba, einer der Aspekte des Wesens einer Person, trennte sich im Augenblick des Todes vom<br />

Körper. Es war der Ba, der es dem Verstorbenen ermöglichte, das Grab zu verlassen, um<br />

beispielsweise die aufgehende Sonne zu verehren, im Schatten eines Baumes zu ruhen oder<br />

Wasser aus einem Teich zu trinken. Der Ba des Menschen ermöglichte seine Bewegungsfreiheit<br />

nach dem Tod und wurde gewöhnlich als Vogel mit menschlichem Kopf (und manchmal mit<br />

menschlichen Armen) dargestellt.<br />

Ba-Vogel aus der Spätzeit (6.-4. Jahrhundert v. Chr.). Holz mit Stucküberzug und Resten von Vergoldung,<br />

Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim.<br />

Der Ba konnte jede beliebige Gestalt annehmen, brauchte aber immer wieder den Kontakt zu dem<br />

Körper der toten Person, von dem er sich getrennt hatte. Der Ba war ohne einen intakten und<br />

funktionsfähigen Körper dem Untergang geweiht. Daher musste der Verstorbene unter allen<br />

Umständen seinen Körper für ewige Zeiten erhalten. Der Erhalt eines unversehrten Körpers über<br />

den Tod hinaus war lebensnotwendig für eine neue Existenz im Jenseits.<br />

Dieses Jenseits verstanden die Menschen in Ägypten nicht nur als das Leben nach dem Tod. Für<br />

sie war das Jenseits auch die Welt, in der die Götter und Göttinnen wohnten und die der<br />

Sonnengott auf seiner täglichen Reise durchfuhr. Bereits in den Pyramidentexten des Alten Reiches<br />

(den ältesten bekannten Totentexten Ägyptens) wird ein Jenseitsbezirk beschrieben, der im<br />

Nachthimmel angesiedelt ist. Seine Bewohner/innen existieren als Sterne. Die Pyramidentexte<br />

betonen immer wieder, dass das Jenseits im Himmel liegt. Der Verstorbene wird dazu aufgerufen,<br />

in einer Wolke aus Staub oder als Vogel auf einer Leiter zum Himmel aufzusteigen.<br />

Die Texte sprechen aber auch von einer Unterwelt unterhalb der Erdoberfläche, die ebenfalls als<br />

jenseitiger Bezirk genannt wird. Den Ägypterinnen und Ägyptern erschienen diese Vorstellungen<br />

nicht als widersprüchlich, sondern eher als verschiedene Weisen, Aspekte der Wirklichkeit zu<br />

beschreiben. Vom Mittleren Reich an wurden die Darstellungen der Unterwelt konkreter. Auf die<br />

Bodenbretter einiger Sarkophage sind sogar vollständige Karten der Unterwelt aufgezeichnet. Eine<br />

noch spätere Ausführung über die Unterwelt erscheint in den Totentexten des Neuen Reiches, etwa<br />

im Amduat und dem Pfortenbuch. Diese befinden sich in den Gräbern im Tal der Könige.<br />

Schließlich wurde die Unterwelt auch als Göttin personifiziert, als Mutter, die den Toten<br />

wiedergebiert und ihm zu neuem Leben verhilft.<br />

Die Pyramidentexte beschäftigen sich mit dem Weiterleben der Verstorbenen im Jenseits. Einige<br />

dieser Sprüche sollen den Verstorbenen in einen Ach verwandeln. Die Formulierungen weisen<br />

darauf hin, dass sie von dem Verstorbenen selbst laut gesprochen werden sollten.<br />

Zu einem Ach wurde ein Verstorbener, wenn an seinem Körper im Verlauf der Mumifizierung und<br />

der Bestattung bestimmte Rituale von Totenpriestern durchgeführt worden sind. Als "Verklärter"<br />

und "Strahlender" konnte der Vorstorbene nun unter die Sterne des himmlischen Jenseits<br />

gelangen. Die Pyramidentexte kennen den Spruch:<br />

"Der Ach gehört zum Himmel, der Körper zur Erde".<br />

Nach diesem kurzen Exkurs kommen wir wieder zu den <strong>Mumien</strong> zurück. Im Alten Reich (es<br />

umfasste die 3. bis 6. Dynastie Ägyptens, um 2635 bis 2155 v. Chr.) kamen Leinen und Gips zur<br />

Erhaltung der Körper der Verstorbenen zum Einsatz. Leinen wurde aus Flachs hergestellt, und<br />

Darstellungen des Anbaus und der Verarbeitung von Flachs sind in zahlreichen Gräbern abgebildet.<br />

Die Flachsernte konnte zu unterschiedlichen Zeiten stattfinden, je nach Verwendungszweck des<br />

Flachses. In der Phase, bevor der Flachs reifte (wenn die Pflanzen gelb waren), waren die Fasern<br />

am geeignetsten für die Leinenherstellung.


Mit Leinenbinden wurden der Kopf, der Rumpf, die Arme und die Beine fest umwickelt, der Körper<br />

in Leinen nachgebildet. Im Grab des Nefer in Sakkara ist eine Leinenmumie gefunden worden, die<br />

Bemalungen auf dem Stoff enthält: eine Perücke ist aufgezeichnet. Die Augenbrauen und ein<br />

Oberlippenbart aus feinem Stuck sind erhalten, die Ohren und das Geschlechtsteil in Leinen<br />

modelliert. Der Penis lässt sogar noch eine Beschneidung des Nefer zu Lebzeiten erkennen.<br />

Gelegentlich wurden auch die Organe durch einen Schnitt im Bauchraum entfernt, einzeln in Leinen<br />

gewickelt und den Toten, um ihre "Vollständigkeit" zu gewähren, mit ins Grab gegeben. Diese<br />

entnommenen Organe wurden zunächst wie ein Paket zusammengeschnürt und mit ins Grab<br />

gegeben. Später wurden sie in besondere Gefäße gelegt, die die in Leinen eingewickelten<br />

Eingeweide aufnahmen.<br />

Diese Eingeweidegefäße oder Kanopen bestanden aus vier Einzelgefäßen.<br />

Die ältesten Eingeweidekrüge mit Organen, in Leinen eingeschlagen und in einer Natronlösung,<br />

stammen aus den Gräbern zweier Königinnen aus der 4. Dynastie. In der 6. Dynastie (ca. 2290 bis<br />

2155 v. Chr.) wurden Gipsmumien hergestellt, indem der leinenumwickelte Körper mit einer<br />

dünnen Gipsschicht umgeben wurde. Meistens wurde nicht der ganze Körper mit Gips überzogen,<br />

sondern nur der Kopf.<br />

Im Alten und im Mittleren Reich wurde mit neuen Mumifizierungstechniken experimentiert. Oft<br />

wurden die Organe entfernt, manchmal wurden sie aber auch im Körper belassen oder nur<br />

teilweise entnommen. Die Körperhöhlen wurden mit Leinen und Sägespänen und Nilschwamm<br />

ausgefüllt. Im Mittleren Reich (um 2000 bis 1785 v. Chr.) war es auch noch nicht verbindlich, das<br />

Gehirn zu entfernen. Bei einigen <strong>Mumien</strong> ist das Hirn entnommen worden, bei anderen nicht.<br />

Bei den <strong>Mumien</strong> des Mittleren Reiches fällt auf, dass sie – im Gegensatz zur präzisen Wicklung aller<br />

Einzelgliedmaßen im Alten Reich – durch die Verwendung von Unmengen an Leinentüchern ihre<br />

Gestalt verloren. Bis zu 375 m² Leinen wurde für eine einzige Mumie verwendet.<br />

Bei der Mumie des In-em-achet (gefunden in Abusir, heute im Ägyptischen Museum von Berlin)<br />

hat sich das Körpergewebe aufgelöst. Die Organe sind entnommen und der Bauchraum enthält kein<br />

Füllmaterial. Dafür besticht sie durch eine wunderschöne <strong>Mumien</strong>maske aus Leinenkartonage:<br />

Hergestellt wurde die Kartonage aus einem Material, das aus mehreren aufeinander geklebten<br />

Leinenlagen besteht, die mit einer Stuckschicht überzogen und so bemalt werden konnten.<br />

Das Gesicht der <strong>Mumien</strong>kartonage liegt höher als das Gesicht des Verstorbenen, wie eine 3D-<br />

Rekonstruktion des Kopfes von In-em-achet zeigt:


Auch im Mittleren Reich war die Technik der Einbalsamierung noch nicht vollständig ausgereift und<br />

noch keineswegs einheitlich. Unter den Leinenbinden ist nur wenig Körpergewebe erhalten<br />

geblieben. Konserviert wurde das Körpergewebe durch die Verwendung von Natronsalz.<br />

Ich möchte an dieser Stelle unbedingt auf die Forschungen der Biologin und Ägyptologin Frau PD<br />

Dr. Renate Germer vom Archäologischen Institut der Universität Hamburg hinweisen.<br />

In der nächsten Folge wird es um die magische Wiederbelebung und Zusammenführung der<br />

einzelnen Personenbestandteile an <strong>Mumien</strong> gehen und um das Bestattungsritual im Alten Ägypten.<br />

BESTATTUNG<br />

MAGISCHE WIEDERBELEBUNG DER MUMIEN – ASPEKTE DER<br />

Der Übergang in die jenseitige Existenz wurde durch das Bestattungsritual möglich gemacht,<br />

durch verschiedene Einzelhandlungen zur Grablegung der Verstorbenen. Die einzelnen Phasen<br />

einer Beisetzung sind uns als Bilder aus Beamtengräbern und als Illustrationen des Totenbuchs<br />

erhalten.<br />

Aus dem Grab des Pa-iri in Theben-West, Neues Reich, um 1380 v. Chr.<br />

Die Wandmalerei zeigt die fertig präparierte Mumie in ihrem Sarg. Der Sarg liegt auf einer Bahre,<br />

über ihm befindet sich ein Baldachin. Der Sarg steht auf einem Schlitten, der von Rindern gezogen<br />

und von einem Priester mit Pantherfell begleitet wird.<br />

Schriftliche Informationen über das ägyptische Bestattungsritual stammen aus der Erzählung des<br />

Sinuhe (12. Dynastie, 20. Jahrhundert v. Chr.).<br />

Sinuhe, der als junger Mann nach Palästina geflüchtet ist, erhält im fortgeschrittenen Alter einen<br />

Brief des Pharao, der ihn mit der Aussicht auf ein rituelles Begräbnis nach seinem Tod nach<br />

Ägypten zurückholen will:<br />

Man bereitet Dir eine Nacht mit Salböl und Binden aus den<br />

Händen der Webgöttin.<br />

Man macht Dir einen Leichenzug am Tag Deiner Bestattung.<br />

Der Innensarg ist aus Gold, sein Kopf aus Lapislazuli.


Der Himmel ist über Dir, während Du auf der Bahre liegst.<br />

Rinder ziehen Dich, Chorsänger gehen Dir voran.<br />

Man tanzt den Tanz der Müden am Eingang Deines Grabes ...<br />

Bilder und Texte erzählen also davon, dass ein Trauerzug den Verstorbenen von der<br />

Balsamierungsstätte bis zu seinem Grab geleitet. Diese Gräber lagen gewöhnlich im Westen der<br />

Siedlungen, dort, wo die Sonne untergeht und "stirbt", um am nächsten Morgen wiedergeboren zu<br />

werden.<br />

Die Prozession startet am frühen Morgen von der Balsamierungshalle aus. Gegen Mittag sind die<br />

Teilnehmer/innen, die Totenpriester, Klagefrauen, Verwandte, Freunde, Nachbarn und Kollegen,<br />

am Grab angekommen. Der Tote wird von den Muu-Tänzern empfangen und freudig begrüßt. Ihr<br />

Tanz ist ein Ausdruck der Wiederbelebung des Toten. An der Mumie und dem Sarg wird nun ein<br />

Wieder-Belebungsritual vollzogen, das dem Toten eine andauernde Lebensfähigkeit schenken<br />

sollte, das Mundöffnungsritual. Es fand vor dem Eingang zum Grab statt.<br />

Durch die Mundöffnung (ägyptisch "upet-ra") sollte dem Verstorbenen durch magische Handlungen<br />

und Sprüche der volle Gebrauch seiner Organe und alle seine Sinne zurückgeben werden. Das<br />

Ritual diente dazu, dem Mund des Toten das Sprechen und Essen zu ermöglichen, die Augen,<br />

Ohren und Nase wieder zu aktivieren.<br />

Vor allem sollte das Ritual den Verstorbenen in die Lage versetzen, seine umfangreiche<br />

Grabausstattung (Lebensmittel, Gebrauchsgegenstände, Luxusartikel) im jenseitigen Leben<br />

benutzen zu können.<br />

Das Mundöffnungsritual war ursprünglich für die Belebung und Beseelung von Statuen gedacht,<br />

aber später wurde es auch an <strong>Mumien</strong> durchgeführt. Absatz Mit speziellen Geräten aus dem<br />

Bereich des Handwerks (der Holzverarbeitung und der Bildhauerei) wurde der Mund der Mumie,<br />

des mumienförmigen Sarges und der Grabstatue des Verstorbenen berührt. Unter Begleitung von<br />

magischen Sprüchen wurde der Mund so weit geöffnet, dass der Tote Speiseopfer empfangen<br />

konnte.<br />

... Mögen die Gottesworte Dich reinigen,<br />

möge Dein Mund geöffnet werden mit dem Meißel des Ptah.<br />

Deine beiden Augen mögen für Dich geöffnet werden.<br />

Gebracht werde Dir der Bedarf eines Edlen ...<br />

(Aus einem thebanischen Totenspruch)<br />

Eines dieser rituellen Werkzeuge ist das "Fischschwanzmesser", das "Pesesch-kaf", dessen Ende<br />

wie ein Fischschwanz geformt ist.<br />

Ein Fischschwanzmesser aus Feuerstein, 20 cm lang, vorgeschichtliche Zeit. Heute im Roemer- und Pelizaeus-<br />

Museum Hildesheim.<br />

Eine schöne altägyptische Illustration aus der 19. Dynastie lässt uns das Mundöffnungsritual, das<br />

aus bis zu 75 Einzelhandlungen bestehen konnte, ganz anschaulich im Bild vor Augen treten.


Totenbuch des Hunefer, um 1280 v. Chr., British Museum.<br />

Am rechten Bildrand sehen wir das Grab des Verstorbenen Hunefer, das mit einer Pyramide<br />

geschmückt ist. Davor befindet sich seine abgerundete Grabstele. Im Zentrum des Geschehens<br />

steht die Mumie des Hunefers, die mit dem Gesicht nach Süden vor der Grabanlage aufgerichtet ist<br />

und von einem Priester mit der Maske des Gottes Anubis festgehalten wird.<br />

Vor dem Verstorbenen befinden sich zwei Klagefrauen, die sich als Zeichen der Trauer Asche auf<br />

ihr Haupt streuen. Zwei Priester führen verschiedene Gegenstände zum Mund der Mumie, kugelige<br />

Gefäße zur Reinigung mit Wasser und Weihrauch, einen Schlangenstab und einen Holzdechsel.<br />

Auf der linken Seite sehen wir den Sem-Priester, der ein Pantherfell trägt und in seinen Händen<br />

einen Räuchergegenstand und eine Vase hält. Der Sem-Priester hatte die Aufgabe im Totenkult,<br />

Reinigungen und Räucherungen über die Speise-Opfergaben auszuführen. Vor ihm liegen runde<br />

Opferbrote.<br />

Diese Totenriten wurden vor dem Grab, also im Licht der Sonne und im Angesicht des<br />

Sonnengottes Re, an der Mumie vollzogen, damit der Ba des Verstorbenen nun zum Himmel<br />

aufsteigen konnte. Sein Leichnam ging nach der Beendigung der Totenriten, wozu auch ein rituelles<br />

Speiseopfer- und Tieropfer gehörte (die Vorderschenkel und das Herz eines geschlachteten Rindes<br />

wurden der Mumie dargereicht) sowie Verklärungsriten, in die Unterwelt ein. Das bedeutet, die<br />

Mumie wurde in die Sargkammer getragen, in den Sarg gelegt, die Kanopen wurden gebracht,<br />

Grabbeigaben gestiftet, Vorräte niedergelegt. Anschließend wurde das Grab versiegelt.<br />

Mumie, Grabstatue und der mumienförmige Sarg des Verstorbenen waren durch das Bestattungs-<br />

und Mundöffnungsritual magisch wiederbelebt worden. Der Tote war nun dazu in der Lage, sein<br />

irdisches Leben im Jenseits fortzusetzen. Dazu benötigte er all diejenigen Dinge, die ihm während<br />

seines Lebens auf Erden zur Verfügung standen, Essen, Trinken, Möbel, Abzeichen seiner sozialen<br />

Stellung. Sie wurden ihm als Grabbeigaben mit auf die Reise gegeben.<br />

Um auch zukünftig Speise- und Trankopfer zu erhalten, schlossen einige Ägypter zu Lebzeiten<br />

Verträge mit Totenpriestern oder Tempeln, um dies abzusichern. Sie wandten sich auch an<br />

zukünftige Besucher/innen der Nekropole und forderten sie mit Texten auf Stelen und Grabwänden<br />

zu einer Opfergabe auf.<br />

Um aber ganz sicher zu gehen, dass auch im Jenseits für das leibliche Wohl der Toten gesorgt war,<br />

wurden in den Gräbern Darstellungen von Speisen in Form von Opferlisten und Scheinspeisen<br />

angebracht und Modelle von Häusern, Kornspeichern, Bäckereien, Brauereien und dergleichen mit<br />

ins Grab gelegt. Miniaturen von Booten sollten die Mobilität des Verstorbenen im Jenseits<br />

garantieren.<br />

Der Tod hatte die Auflösung der verschiedenen Bestandteile des Körpers zur Folge. Darüber hatten<br />

wir beim letzten Mal gehört. Dieser Zerfall der körperlichen Einheit konnte durch die Riten und<br />

Rezitationen in einer neuen Form wiederhergestellt werden. Die auseinander gestrebten<br />

Personenbestandteile sollten in eine neue Beziehung treten und in Verbindung miteinander bleiben.<br />

Die Einheit der Person musste wieder gewonnen werden. Der mumifizierte Körper diente als eine<br />

Art "Anlaufstelle" für die Teile der Persönlichkeit, die sich mit ihm vereinigen konnten, um Kraft zu<br />

tanken, aber auch wieder gehen zu können.


Damit wurde der Tod überwunden und der Eintritt in die jenseitige Welt ermöglicht.<br />

In den nächsten beiden Folgen werde ich darüber berichten, wie die eigentliche Prozedur der<br />

Mumifizierung vor sich ging, welche altägyptischen Zeugnisse es darüber gibt und was nichtägyptische<br />

Berichterstatter über die Herstellung von <strong>Mumien</strong> aussagen.<br />

Die Mumifizierung I<br />

Ich möchte heute und in der nächsten Folge den eigentlichen Mumifizierungsvorgang vorstellen.<br />

Aus dem Alten Ägypten existieren keine Texte oder Bilder, die die Technik der Mumifizierung im<br />

Detail beschreiben. Es gibt kein "Lehrbuch". Wir sind hier auf Darstellungen auf Särgen und an<br />

Grabwänden angewiesen, auf die Untersuchung der erhaltenen <strong>Mumien</strong> und auf Werkzeuge, die bei<br />

der Mumifizierung eingesetzt worden sind.<br />

Ausführliche Angaben über den Mumifizierungsvorgang in seiner Abfolge stammen von Autoren, die<br />

Ägypten bereist und ihre Beobachtungen aufgeschrieben haben. Über diese nicht-ägyptischen<br />

Quellen werden wir in der nächsten Folge hören.<br />

Heute soll es um die Andeutung der Balsamierung auf altägyptischen Särgen, in Bildzeugnissen aus<br />

Gräbern Ägyptens und um Sprüche aus Totenpapyri gehen.<br />

Ein schönes Beispiel für die Abbildung des ägyptischen Balsamierungsrituals ist die Vorderseite des<br />

Sarges des Died-bastet-iuef-anch ("Die Göttin Bastet sagt, er möge leben") aus der Ptolemäerzeit,<br />

2./1. Jahrhundert v. Chr.<br />

Dieser mumienförmige Sarg ist in El-Hibeh in Mittelägypten gefunden worden und<br />

befindet sich heute im Roemer- und Pelizaeusmuseum in Hildesheim. Er ist 176 cm lang und 49,5<br />

cm breit und besteht aus Sykomorenholz.<br />

(Die Sykomore war eine Erscheinungsform der Baumgöttin, die wiederum Nahrung personifiziert).<br />

An dem Bildprogramm des Sarges lässt sich die Hoffnung auf Wiedergeburt ablesen. Der Sarg als<br />

"Herr des Lebens" oder als "Kasten des Lebens" ist mit dem geflügelten Skarabäus dekoriert, dem<br />

Symbol des verjüngten Sonnengottes am Anfang des Tages).


Detailaufnahme<br />

Einige Register der Sargvorderseite enthalten Ausschnitte aus dem Balsamierungsritual, das<br />

idealerweise an jedem Verstorbenen vollzogen wurde. Im unteren Register sieht man den toten,<br />

nackten Körper, der von zwei Priestern mit Reinigungsflüssigkeit übergossen wird. Das Register<br />

darüber zeigt den Verstorbenen auf einer Löwenbahre liegend. Unter ihm sprießen Pflanzen, die mit<br />

dem Gott Osiris in Verbindung stehen, dem Garant für das sich zyklisch erneuernde Leben und die<br />

Wiedergeburt des Toten. Vor dem Verstorbenen steht ein Priester mit der Maske des Gottes<br />

Anubis, der Binden und einen gebogenen Haken in den Händen hält. Im dritten Bildfeld von unten<br />

sehen wir den bereits mumifizierten und in Binden eingewickelten Körper auf einer Löwenbahre.<br />

Ein Priester mit der Maske des Anubis beugt sich über ihn.<br />

Anubis ist der Gott der Einbalsamierung und wird als schakalähnliches Wesen dargestellt.<br />

Schakale standen von je her in Beziehung zu Toten, weil sie bei den Gräbern auf dem Westufer des<br />

Nils nach Beute suchten. Diese Nähe zu den Verstorbenen veranlasste die Ägypterinnen und<br />

Ägypter dazu, ihnen die Sorge um den toten Körper anzuvertrauen und Gefahr von ihm<br />

abzuwehren. Die Aufgabe des Anubis war es, sich in ritueller Hinsicht um die Verstorbenen zu<br />

kümmern, die Feinde des Osiris während der Totenwache zu vertreiben und beim<br />

Mundöffnungsritual vor der Bestattung zu helfen. Diese Aufgaben wurden gewöhnlich von Priestern<br />

in der Maske des Gottes ausgeführt, was Darstellungen in Gräbern des Neuen Reiches belegen.<br />

Eine dieser Masken ist erhalten und im Besitz des Pelizaeus-Museums in Hildesheim. Die linke<br />

Darstellung im dritten Bildfeld zeigt die Mumie auf einer größeren Bahre.<br />

Über den tatsächlichen Ablauf der Mumifizierung sagen die Bilderfelder des Sarges nichts aus.<br />

Bildliche Darstellungen in den Gräbern lassen vermuten, dass der Verstorbene von seinem<br />

Wohnhaus in die Nekropole gebracht wurde, in das "Reinigungszelt", ägyptisch Ibu. Um an diesen<br />

Ort zu gelangen, muss der Tote den Nil überqueren. Seine Überfahrt in einem Boot ist der<br />

lebensverjüngenden Fahrt des Sonnengottes Re nachempfunden. Bei dieser überfahrt wird der<br />

Verstorbene von zwei klagenden Frauen beweint, die die Göttinnen Isis und Nephthys und ihre<br />

Trauer um den toten Osiris symbolisieren.<br />

Das Ibu lag am Wasser. Hier wurde der Körper ausgezogen und gewaschen, mit einer Mischung<br />

aus Nilwasser und Natron. Danach wurde die gereinigte Leiche in das Per-Nefer, das "schöne<br />

Haus", gebracht, wo die eigentliche Mumifizierung stattfand.<br />

Das Gehirn wurde durch die Nase entfernt, die Eingeweide durch einen Schnitt in die Körperseite<br />

entnommen. Die verbleibenden Weichteile und Körperflüssigkeiten wurden in einer Lauge aus<br />

Natron und Harz aufgelöst und anschließend rektal entfernt.


Das Herz erfuhr eine gesonderte Behandlung: Es wurde bandagiert und dem toten Körper wieder<br />

zurückgegeben. Das Herz als Sitz des Verstandes, der Erinnerung und der Gefühle durfte auf gar<br />

keinen Fall in der Unterwelt gestohlen werden oder verloren gehen. Es musste beim Göttergericht<br />

im Jenseits die moralische Aufrichtigkeit seiner Trägerin/seines Trägers bezeugen. Das Totenbuch<br />

zeigt viele Darstellungen, bei denen das Herz des Verstorbenen gegen eine Feder, die die Göttin<br />

Maat darstellt, aufgewogen wird. Neben der Waage sitzt das Monster Ammit, sofort bereit, das<br />

Herz zu verschlingen, falls das Ergebnis negativ ist. Dem Verstorbenen würde in diesem Fall der<br />

Eingang ins Jenseits für immer verschlossen bleiben. Den Verstorbenen wurde ein Herzskarabäus<br />

mitgegeben, der ihnen über diesen kritischen Moment im Gericht hinweghelfen und das Herz daran<br />

hindern sollte, einen negativen Ausgang zu verursachen.<br />

Nach der mehrwöchigen Austrocknung des Körpers wurde der auf Haut und Knochen reduzierte<br />

Leichnam wieder aufgebaut. Die getrocknete Haut wurde mit Ölen einmassiert, um einen Teil der<br />

Elastizität wieder zu gewinnen. Das Innere des Körpers wurde ausgefüllt mit Harzen, Stoffen,<br />

Gummi arabicum, Holzwolle. Künstliche Augen wurden eingesetzt, der Körper geschminkt, der Kopf<br />

mit einer Perücke versehen. Über den Schnitt an der linken Seite wurde ein Horusauge (Udjatauge)<br />

gelegt, durch welches der Schnitt magisch geheilt wurde.<br />

Der letzte Schritt der Mumifizierung war das Einwickeln des Körpers in feste Bandagen. Danach<br />

wurde dem Toten die Totenmaske aufgesetzt, wodurch der Ka und der Ba den Toten erkennen<br />

konnten.<br />

Aus dem Verstorbenen ist nun eine Mumie geworden, die "mit Zauber angefüllt" ist, ein sachu, ein<br />

verklärtes Machtwesen. Aber nicht nur die chemische Behandlung des Verstorbenen war wichtig.<br />

Entscheidender waren die Rezitationen, die der Vorlesepriester während der Arbeiten der<br />

Balsamierer über den Toten sprach. Sprache und Handlung standen in engem Bezug zueinander:<br />

Sprüche, in denen die Göttinnen und Götter selbst den Toten wieder zusammenfügen, begleiteten<br />

die Einbalsamierungshandlungen.<br />

"Anubis und Horus richten deine Balsamierung schön her,<br />

Thoth macht deine Glieder heil durch den Zauber seiner Aussprüche ...<br />

Dein Kopf kommt zu dir, damit er nicht fern von dir sei.<br />

Er tritt zu dir und trennt sich nicht von dir in Ewigkeit."<br />

Über die ausführliche Schilderung griechischer Schriftsteller über die Herstellung einer Mumie<br />

berichte ich beim nächsten Mal.<br />

Die Mumifizierung II, die griechische Sicht<br />

Eine wesentlich genauere Schilderung des Mumifizierungsvorgangs geben uns griechische<br />

Schriftsteller, allerdings erst Jahrhunderte nach der Blütezeit der altägyptischen<br />

Balsamierungskunst, die in der Zeit der 18. bis 21. Dynastie ihren Höhepunkt erreichte.<br />

Der Grieche Herodot, der um 450 v. Chr. das Land Ägypten bereiste und seine Eindrücke<br />

schriftlich festhielt, berichtet folgendes:<br />

"Nach der Totenklage ... bringen sie den Toten zur Einbalsamierung. Es gibt Leute, die<br />

sich zu diesem Zweck niedergelassen haben und diese Kunst als erblichen Besitz<br />

ausüben."


Der Tod eines Familienmitgliedes wurde öffentlich und mit großer Emotionalität beklagt. Die Frauen<br />

streuten Asche auf ihre Köpfe und Gesichter und entblößten ihre Brüste. Die Männer schlugen sich<br />

selbst und rissen sich ihre Kleider vom Leib.<br />

Nach dieser Phase der öffentlichen Trauer wurde der Verstorbene den Einbalsamierern übergeben,<br />

an Spezialisten, die den Körper für die Ewigkeit herrichten sollten. Ihre Werkstätten befanden sich<br />

außerhalb der Ortschaften und mussten direkt am Wasser gelegen sein, um die Leiche ausreichend<br />

reinigen zu können. Außerdem zwang das Geruchsproblem zu einer Ansiedlung des<br />

Balsamierungsstandes vor die bewohnten Ortschaften.<br />

Die Angehörigen brachten auch die Kanopengefäße mit in die Balsamierungsstätte, die die inneren<br />

Organe des Toten aufnehmen sollten. Und sie hatten große Mengen von Leinen zum Einwickeln des<br />

Körpers zur Verfügung zu stellen. In der Regel gab es keine speziell für den Totenbereich gewebten<br />

Leinenbinden. Es wurden bereits benutzte Kleidungsstücke, Bettücher und Handtücher verwendet,<br />

die in Streifen gerissen wurden.<br />

Im Per-Nefer (dem "schönen Haus", dem Ort der Mumifizierung) wurden den Angehörigen drei<br />

verschiedene Mumifizierungsmethoden angeboten, unter denen sie wählen konnten und die ganz<br />

unterschiedliche Preise hatten. Herodot hat nachfolgend die teuerste Methode der Mumifizierung<br />

beschrieben, welche angeblich bei Osiris selbst angewendet worden ist:<br />

"Das ist ihre beste Methode der Einbalsamierung. Zuerst ziehen sie mit einem<br />

gekrümmten Eisendraht das Gehirn durch die Nasenlöcher heraus. Wenn sie alles<br />

herausgenommen haben, tröpfeln sie eine harzige Flüssigkeit hinein."<br />

Der tote Körper wurde auf einen Arbeitstisch aus Holz oder Stein gelegt. Dieser hatte eine leichte<br />

Neigung oder eine Rinne, damit die Körperflüssigkeiten und das Wasser, mit dem er gereinigt<br />

wurde, ablaufen konnten.<br />

Eisendraht wurde nicht benutzt, wie Herodot angibt, sondern Bronzehaken bis zu 40 cm Länge.<br />

Drei Haken zur Entfernung des Gehirns. Spätzeit, Bronze. Heute im Rijksmuseum von Oudheden,<br />

Leiden.<br />

Diese Instrumente hatten ein gebogenes Ende, das nadelartig bis schneckenförmig aufgerollt sein<br />

konnte. Damit wurde die Siebbeinplatte im Schädelinneren durchstoßen und der Zugang zum<br />

Gehirn freigemacht. Die auch gebräuchliche Technik, das Gehirn durch das Hinterhauptloch des<br />

Schädels zu entfernen, beschreibt Herodot nicht.<br />

Nach der Entnahme des Gehirns wurde Salböl in den Schädel eingeflößt, wo es unter Ausbildung<br />

eines Oberflächenspiegels erstarrte. Dieses Salböl besteht überwiegend aus Koniferenharzen,<br />

Bienenwachs und mit Pflanzen aromatisierten Ölen, gelegentlich aus Bitumen.<br />

Als nächsten Schritt beschreibt Herodot die Entnahme der Eingeweide aus dem Brust- und<br />

Bauchraum:<br />

"Dann schneiden sie mit einem scharfen äthiopischen Stein [aus Obsidian] den Leib an<br />

den Weichteilen und holen die Eingeweide heraus. Wenn sie es aber gereinigt und mit


Palmwein ausgespült haben, behandeln sie es noch mal mit zerriebenem Räucherwerk.<br />

"<br />

Herodot unterscheidet hierbei zwei Kategorien von Einbalsamierern, die Paraschistes (die<br />

Einschneider) und die Taricheutes (die Einleger). Nur das Herz wurde nach der Mumifizierung<br />

wieder zurück in den Körper gegeben. Die übrigen Eingeweide wurden mit Natronsalz behandelt, in<br />

Leinentücher gewickelt und die einzelnen Eingeweidepakete in den Kanopenkrug gelegt, der für das<br />

entsprechende Organ vorgesehen war.<br />

Herstellung von Kanopen und Uschebtis. Aus einem thebanischen Grab aus dem Neuen Reich.<br />

"Danach überhäufen sie die Leiche mit Natron für 70 Tage, aber nicht länger, und dann<br />

ist die Mumie fertig. Nach 70 Tagen waschen sie den Leichnam und wickeln ihn in feine<br />

Bandagen und tragen darüber Harz auf."<br />

Zunächst wurde der Körper mit Natronsalz behandelt. Es wurde wohl kein flüssiges Natron benutzt,<br />

in das der Körper eintauchte. Man weiß heute, dass trockenes Natronsalz in Säckchen gefüllt und<br />

in den Körper eingefüllt wurde und auch um ihn herum geschichtet wurde. Das hatte den Vorteil,<br />

dass feucht gewordenes Salz ohne Problem ausgetauscht werden konnte. Natron ist eine natürlich<br />

vorkommende Verbindung von Natriumkarbonat und Natriumhydrogenkarbonat, das dem<br />

Körpergewebe Wasser entzieht. Natron kam im Altertum in großen Mengen am Ufer mehrerer alter<br />

Seen vor, vor allem an jenem des Wadi en-Natrun, war aber auch anderswo zu finden. Natron<br />

wurde hauptsächlich für Reinigungszwecke, sowohl im Alltag als auch im religiösen Bereich,<br />

verwendet. Es gab zahlreiche Rituale, bei denen Natron eine wichtige Rolle spielte, darunter die<br />

Mumifikation. Es wurde auch zur Herstellung von Weihrauch, Glas und Glasuren verwendet.<br />

Diese Behandlung mit Natron dauerte 35 bis 40 Tage. Danach wurde die ausgetrocknete Haut mit<br />

verschiedenen Ölen wieder geschmeidig gemacht. Als letzter Schritt des Einbalsamierungsvorgangs<br />

wurde die entleerte Leibeshöhle nach der Organentnahme aufgefüllt. Dazu wurde Leinen oder<br />

Sägespäne verwendet, auch Nilschlamm oder Eichenmoos, Holzwolle und Häcksel. In die<br />

Augenhöhlen wurden Zwiebeln oder Leinenbäusche oder künstliche Augen aus Halbedelsteinen<br />

gegeben, weil auch die Augenäpfel durch die Behandlung mit Natronsalz stark schrumpften. Zum<br />

Schluss wurde der Einschnitt in die Bauchdecke mit einen Leinenpfropf verschlossen. Nun konnte<br />

die Mumie durch Amulette geschützt werden. Über die Funktion der Amulette zum magischen<br />

Schutz der Mumie berichte ich in der nächsten Folge. Abschließend wurde die Mumie wurde nun<br />

kunstvoll eingewickelt, was 10 bis 15 Tage dauerte.<br />

[...] Schließlich geben sie den Körper der Familie zurück, die ihn in einen Sarg legt,<br />

bevor sie ihn, aufrecht an die Mauer angelehnt, im Grab einsperrt.<br />

Etwa vierhundert Jahre nach Herodot beschrieb der griechische Historiker Diodorus Siculus die<br />

ägyptischen Balsamierungstechniken. Nach eigenen Angaben bereiste er Ägypten in den Jahren 60<br />

bis 57 v. Chr. Diodorus überliefert uns, dass die Paraschistes (die Einschneider) den toten Körper<br />

aufgeschnitten haben und dann von den Taricheutes (den Einlegern) rituell verjagt wurden, die ihre<br />

Arbeit fortsetzten.<br />

Nachdem die Bauchhöhle des Verstorbenen geöffnet worden war, ging die Mumifizierung laut<br />

Diodorus wie folgt weiter:


" [...] einer von ihnen steckt seine Hand in die Brust der Leiche und nimmt außer Herz<br />

und Nieren alles heraus. Ein anderer wäscht jedes Organ mit Palmwein und Weihrauch.<br />

Schließlich, nachdem sie den ganzen Körper gewaschen haben, behandeln sie ihn 30<br />

Tage lang sorgfältig mit Zedernöl und anderen Dingen, und dann mit Myrrhe, Zimt und<br />

Gewürzen [...]<br />

Dann geben sie die Leiche der Familie zurück und jedes Glied ist so perfekt erhalten,<br />

dass sogar die Wimpern und die Augenbrauen noch vorhanden sind. Das ganze<br />

Aussehen des Körpers ist unverändert und die Gesichtszüge sind erkennbar."<br />

Auch die preiswerte und weniger arbeitsintensive Methode, einen Körper für die Ewigkeit zu<br />

präparieren, überliefert Diodorus:<br />

"Die Einbalsamierer füllen ihre Spritzen mit Zedernöl auf und geben es dann in den<br />

Unterleib. Sie schneiden den Rumpf nicht auf und nehmen die Organe nicht heraus,<br />

sondern spritzen das Öl durch den Anus, der dann zugestopft wird. Dann mumifizieren<br />

sie den Leichnam so lange, wie es vorgeschrieben ist, und lassen dann das Öl wieder<br />

heraus fließen. Dabei werden die Organe in flüssiger Form herausgespült."<br />

Nach so viel Technik möchte ich in der nächsten Folge die verschiedenen Amulette und ihre<br />

Wirkung vorstellen und die Uschebtis, die "Arbeiter fürs Jenseits", die den Verstorbenen mit ins<br />

Grab gegeben wurden.<br />

Ausgewählte Amulette und Grabbeigaben<br />

Im Leben der Ägypterinnen und Ägypter spielten Amulette eine wichtige Rolle. Sie sollten Böses<br />

abwehren und vor allen Gefahren schützen. Sie wurden an einem Golddraht oder einem Faden am<br />

Hals getragen, am Handgelenk oder in Ringe eingefasst.<br />

Dieser magische Schutz sollte auch die Verstorbenen begleiten: man gab ihnen Amulette mit auf<br />

den Weg ins Jenseits. Je nach der sozialen Stellung des Toten waren sie unterschiedlich zahlreich<br />

und von unterschiedlicher Qualität.<br />

Ein beliebtes Amulett war das Udjat-Auge, das über den Schnitt am Unterbauch gelegt wurde, aus<br />

dem die Organe entnommen worden waren.<br />

Es galt als Auge des Osiris-Sohnes Horus, das er im Kampf mit Seth verlor. Er erlangte später sein<br />

Auge heil und gesund wieder zurück (udjat = "intakt, vollständig, gesund"). Dieses Auge wurde das


Symbol für alles, was mit Vervollständigung und Heilung zusammenhing, war aber auch mit<br />

Schutz, Vollkommenheit und Macht verbunden.<br />

Daher war das Udjat-Auge eines der häufigsten Amulette, ein apotropäisches Symbol als Schutz<br />

gegen den Bösen Blick und in einem weiteren Sinne gegen alle vorstellbaren Gefahren. Als<br />

unabhängig funktionierendes Wesen konnte das Auge teilweise personifiziert und mit Armen oder<br />

Flügeln versehen werden. Was seine äußere Gestalt anbetrifft, ist das Udjat-Auge ein Mischwesen.<br />

Die Form und die Augenbraue stammen vom menschlichen Auge, während die Linien darunter der<br />

Zeichnung eines Falkenauges entsprechen. Als Auge des Horus war es ursprünglich das Mondauge<br />

bzw. das linke Auge des Himmelsgottes, aber die meisten Amulette bilden das rechte Auge ab, das<br />

ursprünglich das Sonnenauge des Re war. Dies beruhte teilweise auf der Beziehung, die die<br />

Ägypterinnen und Ägypter zwischen rechts und positiven und guten Dingen herstellten. Weiterhin<br />

ist die Sonne viel mehr als der Mond das Symbol des eigentlichen Sieges, weil sie an jedem Morgen<br />

die nächtliche Dunkelheit besiegt hat.<br />

Sprüche aus dem Totenbuch nennen die Materialen, aus denen ein Amulett hergestellt werden<br />

sollte, an welcher Stelle der <strong>Mumien</strong> es anzubringen war und in welchem Stadium der<br />

Mumifizierung dieses zu geschehen hatte.<br />

In der 26. Dynastie wurde der gesamte <strong>Mumien</strong>körper mit kleinformatigen Amuletten belegt, jedes<br />

hatte seinen festgelegten Platz auf der Mumie. Die meisten von ihnen waren aus blau-grüner<br />

Fayence gefertigt.<br />

Fayence besteht zu über 90% aus Quarz, das in Sand und zerstoßenem Quarzit vorkommt. Ein<br />

Alkali, wie etwa Natron, wurde dann zugesetzt, hinzu kam etwas Kalk und ein Farbstoff, gewöhnlich<br />

zerkleinertes Kupfer. Letzteres gibt der Fayence ihre typische blaugrüne Farbe. Wasser wurde<br />

hinzugefügt, um eine Paste herzustellen, die von Hand oder in einer Form modelliert werden<br />

konnte.<br />

Fayence wurde in erster Linie wegen ihres symbolischen Wertes geschätzt. Sie wurde als eine<br />

Manifestation des Lichtes betrachtet. Das ägyptische Wort für Fayence ist tjehenet = "das<br />

Glänzende".<br />

Fayence ist vor dem Brennen stumpf und farblos, danach aber glänzend und von leuchtender<br />

Farbe. Die Ägypter verbanden dies mit der Auferstehung der Sonne von den Toten und mit dem<br />

Licht, das für den Verstorbenen in seinem Grab so unentbehrlich war. Die leuchtend grüne Farbe<br />

wurde ebenfalls mit der Regeneration in Verbindung gebracht.<br />

Bevor ein Gegenstand gebrannt wurde, konnte er entweder mit schwarzer Farbe oder durch das<br />

Einritzen von Mustern verziert werden. Es war auch möglich, Einlagen aus einer weiteren Fayence<br />

hinzuzufügen, die beim Brand eine andere Farbe erhielt.<br />

Die Amulette konnten auch auf die Leinenschichten der bereits gewickelten <strong>Mumien</strong> aufgenäht<br />

werden. Beliebt waren hierbei Amulette in Form von Göttertriaden (Familiendarstellungen mit<br />

Göttin und Gott und ihrem Sohn), geflügelte Skarabäen, der Djed-Pfeiler und die vier Horussöhne,<br />

die Beschützer der vier Eingeweidegefäßen, den Kanopen.<br />

Der Djed-Pfeiler (unten in der Abbildung rechts und links) besteht aus einer breiten Säule mit drei<br />

oder vier horizontalen Querstreben am oberen Ende. Ein Text im Totenbuch erklärt, dass der Djed-


Pfeiler das Rückgrat des Osiris darstelle. Die ursprüngliche Bedeutung ist unklar, er symbolisiert<br />

Dauer und Stabilität. Er wurde oft als Amulett, häufig aus Fayence, aber auch aus anderen<br />

Materialien, verwendet. Das Totenbuch schreibt vor, dass ein goldener Djed-Pfeiler um den Hals<br />

der Mumie gelegt werden muss.<br />

Um die jenseitige Existenz der Verstorbenen so angenehm wie möglich zu machen, wurden ihnen<br />

menschenförmige Figürchen mit ins Grab gegeben, die Uschebtis.<br />

Spätzeitliche Uschebtis aus Fayence, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg<br />

Diese "Antworter" sollten Arbeitsleistungen im Jenseits für den Verstorbenen verrichten, vor allem<br />

Feldarbeit, von der auch Pharaonen nicht ausgeschlossen waren. Die Stellvertreter waren mit dem<br />

Namen des Grabherrn beschriftet und hatten folgenden Text aufgebracht:<br />

"O Uschebti, wenn ich gerufen werde, irgendeine Arbeit zu tun,<br />

die im Totenreich geleistet wird ...<br />

Dann sollst Du sagen: Ich will es tun, hier bin ich."<br />

Ein Uschebti ist wie eine Mumie gestaltet, beide Arme sind über der Brust gekreuzt, aus der<br />

<strong>Mumien</strong>hülle ragen Handwerkszeuge für den Ackerbau heraus, Hacke und Dechsel. Uschebtis<br />

bestehen<br />

aus unterschiedlichen Materialien wie Schiefer, Stein, Kalk, Holz, Ton und besonders Fayence.<br />

Seit dem Neuen Reich hat man bis zu 365 Uschebits mit ins Grab gelegt, je nach dem Geschlecht<br />

der Verstorbenen gab es männliche und weibliche "Antworter" und "Antworterinnen", die die<br />

Jenseitsarbeit erledigten. Dazu kamen noch Aufseherfigürchen.<br />

Der Eingang ins Jenseits beschränkte sich aber nicht nur auf Menschen. Auch Tiere wurden<br />

aufwändig mumifiziert und mit Grabbeigaben ausgestattet. Mehr zu den Tiermumien in der<br />

nächsten Folge.<br />

MUMIFIZIERTE TIERE<br />

Welche Bedeutung Tieren und deren Verehrung zukam, haben wir in der Kolumne "Gottheiten in<br />

Tiergestalt im Alten Ägypten" gesehen.<br />

Besonders in der griechisch-römischen Zeit nahmen die Tierkulte in Ägypten zu. Nicht nur ein<br />

Einzeltier wurde als lebende Verkörperung eines Gottes oder einer Göttin betrachtet, sondern die<br />

ganze Art galt als heilig.


Je nach Region wurden sehr unterschiedliche Tiere verehrt. Sie lebten überwiegend in den Tempeln<br />

des Landes. Nach ihrem Tod erhielten sie ein Begräbnis in unterirdischen Tierfriedhöfen, die den<br />

Tempeln angegliedert waren.<br />

Die Körper verstorbener Tiere wurden zum Teil mit derselben Sorgfalt einbalsamiert wie die eines<br />

Menschen. Dadurch, dass ein Tier, das eine spezielle Gottheit repräsentierte, mumifiziert wurde,<br />

konnten auch Menschen aus der einfachen Bevölkerung als Auftraggeber in direkten Kontakt zu der<br />

Gottheit treten.<br />

Der Apis-Stier,<br />

ursprünglich die Verkörperung des Gottes Ptah, des Schöpfergottes des Stadt Memphis in<br />

Unterägypten, ist ein Beispiel solcher heiligen Tiere.<br />

Seine Auswahl wurde von der Existenz bestimmter körperlicher Merkmale abhängig gemacht, von<br />

denen es einigen klassischen Autoren zufolge insgesamt 29 gab. Eines der wichtigsten<br />

Auswahlkriterien war ein weißes Dreieck auf der Stirn und schwarze Markierungen auf dem Körper,<br />

von denen eine, Herodot zufolge, wie ein Adler geformt sein musste.<br />

Der Apis-Stier lebte im so genannten Apieion im südlichen Teil des Tempels des Ptah in Memphis.<br />

Hier wurde er der Bevölkerung gezeigt und seine Bewegungen wurden als Orakel gedeutet. Der<br />

Stier wurde auch während Festprozessionen zur Schau gestellt. Dieser "Apislauf" ist seit frühesten<br />

Zeiten bekannt. Der Zweck war, den Feldern Fruchtbarkeit zu verleihen. Der Apisstier lebte bis zu<br />

seinem Tod im Tempel und wurde von einem Priester versorgt, der sich ausschließlich um sein<br />

Wohlergehen bemühte. Nach dem Tod des Apisstieres wurde er mumifiziert und im Serapeum<br />

begraben, der Begräbnisstätte der Apisstiere in Sakkara, einem unterirdischen Komplex mit<br />

Tunneln nordwestlich der Stufenpyramide des Djoser. Von der 18. Dynastie an bis mindestens in<br />

ptolemäische Zeit wurden dort Stiere in schwarzen Granitsarkophagen bestattet, mit ungefähr 4 m<br />

Länge, 2,5 m Breite und 3 Metern Höhe. Die Mumifizierung war so aufwendig wie die eines<br />

Menschen. Ein Teil des Mumifizierungsrituals für die Apisstiere ist in einem demotischen Papyrus<br />

erhalten.<br />

Krokodile,<br />

die dem Gott Sobek heilig waren, wurden in eigenen Friedhöfen an den Hauptkultstätten des<br />

Gottes beigesetzt, in der Oase Fayum und in Kom Ombo in Oberägypten.<br />

Eine Felsenhöhle unweit des heutigen Assiut birgt Särge und Kartonagen von ausgewachsenen<br />

Krokodilen und bis zu achtzig kleinerer Tiere sowie Krokodil-Eier, die in Körben verpackt sind.<br />

Herodot berichtet:<br />

Um Theben und um den Moeris-See wird besonders das Krokodil als heilig verehrt. Jede Region<br />

wählt ein Krokodil aus und pflegt es. Das Tier wird gezähmt. Man hängt ihm Anhänger aus<br />

Glasfluss und Gold in die Ohren und legt ihm Armbänder um die Vorderfüße. Solange es lebt, gibt<br />

man ihm besonderes Futter und hegt es. Ist es tot, wird es einbalsamiert und in einer geweihten<br />

Grabstätte beigesetzt.<br />

Hunde


Kartonage mehrerer Hundemumien, römische Zeit, Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim.<br />

Hunde erhielten teilweise Miniatursarkophage aus Kartonage, einem Material, das vor allem zur<br />

Herstellung von Totenmasken und Särgen in der Spätzeit diente. Es wurde angefertigt, indem man<br />

mehrere Papyruslagen aufeinander klebte und das Ergebnis mit einer Stuckschicht überzog, die<br />

bemalt werden konnte. Dieses Material war billiger als Holz und wurde daher häufig verwendet.<br />

Diese Kartonage hat das Gesicht eines Hundes. Auf der Vorderseite sind Anubis abgebildet (rechts)<br />

und links als weißer Hund vermutlich Upuaut.<br />

Anubis war der Gott der Einbalsamierung, als schwarzer Hund oder Schakal dargestellt, manchmal<br />

auf einem Schrein liegend oder als Mann mit Schakalkopf. Upuaut war ebenfalls ein Gott in Gestalt<br />

eines Schakals oder Wüstenfuchses. Seine Name ("Öffner der Wege") ist mit seiner Funktion<br />

verbunden: bei Götterprozessionen war seine Standarte die erste. Upuaut hatte auch in Abydos<br />

einen Kult, der mit dem des Osiris verbunden war; er trägt den Titel "Herr der Nekropole", was auf<br />

eine Funktion bei der Bestattung hinweist. In diesem Kontext wird er als derjenige betrachtet, der<br />

für den Verstorbenen den Weg durch die Unterwelt vorbereitet.<br />

Auch Haustierfriedhöfe sind gefunden worden. Im Tal der Könige hat Pharao Amenhotep II.<br />

Paviane, Ibisse und Gazellen bestatten lassen. Mäuse, Schlangen, Katzen, Skarabäen, Fische und<br />

Vögel erhielten eine Einbalsamierung.<br />

Falken<br />

Wurden oft in einem kleinen Sarg beigesetzt. Waren die Vögel zu groß für die vorgesehenen Särge,<br />

wurden ihre Federn umgebogen.


Mumifizierte Falken, ptolemäische Zeit, Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim.<br />

Ibisse<br />

In Tuna el-Gebel, der südlichsten Nekropole des antiken Hermopolis Magna auf dem Westufer des<br />

Nil nahe bei der heutigen Stadt Mallawi in Mittelägypten, fand man einen Friedhof mit über 4<br />

Millionen <strong>Mumien</strong> und Überresten von Ibissen. Siehe dazu die Seite des Instituts für Ägyptologie in<br />

München unter http://www.fak12.uni-muenchen.de<br />

Der Ibis war das heilige Tier des Gottes Thoth, des Schreibers der Götter. Einige mumifizierte<br />

Körper dieser Vögel wurden mit Leinenbinden umwickelt. Die aufwendig gearbeiteten Ibismumien<br />

trugen manchmal einen Ibiskopf mit Krone aus vergoldetem Holz, einige Vogelmumien wurden in<br />

kleinen Holzsärgen beigesetzt. In der Regel wurden die Ibisse aber in Tonkrügen mit Deckeln<br />

beigesetzt.<br />

Beim nächsten Mal lernen wir die wunderschönen <strong>Mumien</strong>porträts im römischen Ägypten kennen.<br />

MUMIENPORTRAITS AUS RÖMISCHER ZEIT<br />

Unter römischem Einfluss (1. bis ca. Anfang des 4. Jahrhundert n. Chr.) entstanden in Ägypten die<br />

sog. <strong>Mumien</strong>portraits.<br />

Es handelt sich hierbei um Bildnisse von Verstorbenen, die auf isolierte Holztafeln – in<br />

Ausnahmefällen auf Leinentüchern – gemalt und auf der Mumie über dem Kopf der Verstorbenen<br />

angebracht wurden.<br />

Das Bildnis des Verstorbenen wurde auf eine Holztafel gemalt, die man in die <strong>Mumien</strong>binden<br />

einfügte, in die Kopfbandage. Das wirkte so lebendig und präsent, als würde das Gesicht aus dem<br />

mumifizierten Körper herausschauen. Die dargestellten Gesichter blicken frontal, ihre Augen sind<br />

weit geöffnet.<br />

Weltweit gibt es ca. 1000 <strong>Mumien</strong>portraits in verschiedenen Museen und Sammlungen, die durch<br />

ihre Lebendigkeit und ihren Ausdruck bestechen. Die Mehrzahl der erhaltenen Exemplare stammt<br />

aus Gräbern der unterägyptischen Oase Fayum. Hier hat eine multikulturelle Gesellschaft gelebt,<br />

mit griechischen und jüdischen Einflüssen, unter römischer Herrschaft auch Einflüssen weiterer<br />

Kulturen.<br />

Die <strong>Mumien</strong>portraits sind eine Kombination aus altägyptischer Tradition (die Weiterverwendung der<br />

Mumifizierung und die Verwendung von ägyptischen Themen als Dekoration der Mumie) und<br />

römischen Elementen, nämlich der naturalistischen Darstellung des Verstorbenen in Alltagskleidung<br />

und mit Schmuck.


<strong>Mumien</strong>portraits ersetzten die älteren ägyptischen <strong>Mumien</strong>masken mit ihren idealisierten<br />

Gesichtszügen. Individualität war gefragt.<br />

Die <strong>Mumien</strong>portraits der römischen Zeit bilden die umfangreichste Sammlung der erhaltenen<br />

klassischen Malereien. Sie wurden in den meisten Fällen von den <strong>Mumien</strong>umhüllungen entfernt, mit<br />

denen sie gefunden wurden. Das gemalte Portrait als Bildtafel sollte im Vordergrund stehen.<br />

Mumie mit Portraittafel, 145 cm lang, National Museum of Ireland.<br />

Dieses außergewöhnlich feine Portrait einer jungen Frau ist unversehrt auf dem eingewickelten<br />

Leichnam erhalten geblieben. Die Frau trägt Ohrringe und eine typische Frisur für das späte erste<br />

Jahrhundert n. Chr. Besonders die Frauenbildnisse können nach den jeweiligen "Modefrisuren"<br />

datiert werden. Die Portraits wurden entweder in Temperatechnik oder in Wachsmalerei<br />

ausgeführt, mit Wachs, dem Pigmente beigemischt wurden – im Effekt ähnlich einem Ölbild. Diese<br />

Technik heißt "Enkaustik-Malerei" (aus dem Griechischen für "einbrennen" oder "dem Feuer<br />

aussetzen"). Dabei werden die in Bienenwachs eingebundenen Farbpigmente mit heißen<br />

Werkzeugen auf einen Untergrund aufgetragen. Ein Spachtel wurde über einem Holzkohlefeuer<br />

erhitzt, um die Bienenwachsfarben noch flüssig auf die Holztafeln aufzutragen.<br />

Die <strong>Mumien</strong> konnten auch von einer bemalten Kartonage umgeben sein, die aus Leinen oder<br />

wieder verwendetem Papyrus bestand.


Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim<br />

162 cm lang, mit den Farben gold, purpur, schwarz und ocker<br />

Die vollständig erhaltene Kartonagenhülle zeigt das <strong>Mumien</strong>portrait einer Frau, deren Gewand mit<br />

verschiedenen Clavi (Streifen auf der Vorder- und der Rückseite eines Untergewandes, eines<br />

Chitons) besetzt ist. In den Händen hält sie einen Totenstrauss und ein Ährenbündel. Sie trägt viele<br />

Schmuckstücke: Fingerringe, zwei Schlangenarmbänder, einen steinbesetzten Halskragen mit<br />

Anhänger und einen Kranz aus Blüten im Haar.<br />

Die <strong>Mumien</strong> mit ihren Portraits wurden größtenteils im Haus der Verstorbenen aufgestellt und<br />

dienten als Erinnerungsbilder. Auf diese Weise waren die Toten gegenwärtig und konnten<br />

unmittelbar verehrt werden. Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug damals lediglich 30<br />

Jahre. Die meisten der Verstorbenen sind daher jugendlich dargestellt, nur wenige sind in höherem<br />

Alter mit Falten und grauem Haar wiedergegeben.<br />

Abgesehen von den Portraits, die auf Holz gemalt wurden, gab es in der römischen Zeit<br />

Totenmasken aus bemaltem und stuckiertem Karton oder Gips. Die Tradition ist rein ägyptisch,<br />

aber der Stil leitet sich aus der Kunst des griechisch-römischen Portraits ab. Diese Masken stellen<br />

den Kopf oder das Oberteil des Körpers des Verstorbenen mit über der Brust gefalteten Händen<br />

dar. Schmuck, Kronen und Blattwerk sind dekorative Beifügungen.<br />

Diese Gipsmaske (Höhe 26,5 cm) zeigt einen Mann mit ovalem Gesicht. Die großen und leicht lang<br />

gezogenen Augen sind eingelegt. Er trägt eine Krone aus Pflanzen, die den Sieg über den Tod<br />

symbolisiert.


In der nächsten und letzten Folge werfen wir einen Blick auf die Menschen hinter den Portraits:<br />

Untersuchung an <strong>Mumien</strong> mit Hilfe der Computertomographie.<br />

MUMIEN IM ZEITALTER DES COMPUTERS<br />

Was befindet sich unter den <strong>Mumien</strong>binden, in welchem Zustand ist die Mumie, ist sie vollständig<br />

erhalten, kann man die Todesursache feststellen? Wie alt wurde der mumifizierte Mensch und<br />

welche Krankheiten hatte er? All diese Fragen waren bis Ende des 19. Jahrhunderts nicht zu klären,<br />

ohne die kunstvoll angelegten Leinenbandagen zu zerstören.<br />

Um in das Innerste einer Mumie sehen zu können, ohne die Leinenbinden aufzuschneiden, wurden<br />

bereits 1896 die gerade entdeckten Röntgenstrahlen eingesetzt. Die Mumie eines Kindes wurde so<br />

das erste Mal unbeschädigt untersucht, genauer gesagt, ihr Kniegelenk. Ebenso gehörte der Kopf<br />

einer Katzenmumie zu den ersten altägyptischen Objekten, die mit Hilfe von Röntgenstrahlen<br />

Einblicke in eine Mumie geben konnte, ohne diese auszuwickeln.<br />

Die Röntgenstrahlen, mit denen die Knochen sichtbar gemacht werden, ermöglichen Aussagen über<br />

das ungefähre Lebensalter des Mumifizierten. Am Skelett lässt sich das Geschlecht ablesen,<br />

Amulette und beigegebene Totenpapyri werden sichtbar. Die Armhaltung der durchleuchteten<br />

Mumie gibt Hinweise auf die Zeit, in der eine Mumie entstanden ist, da sie in den verschiedenen<br />

Epochen unterschiedlich war. Und am Röntgenbild lassen sich erste Hinweise auf die angewendete<br />

Mumifizierungstechnik ablesen: War das Gehirn entfernt worden?<br />

Man erhielt ein zweidimensionales Bild von den Menschen hinter den Bandagen.<br />

Vor knapp 50 Jahren wurde die Computertomographie (CT) entwickelt, die mit Hilfe eines<br />

Computers das Bild des mumifizierten Körpers (auch mit seinem Sarg) rekonstruieren kann. Die CT<br />

arbeitet mit einer Röntgenröhre und einem Film und erlaubt eine Querschnittsaufnahme durch den<br />

Körper der Mumie, die in Schichten durchgeführt wird. Dabei kann nicht nur das Skelett, sondern<br />

auch Eingeweide und Gewebe dargestellt werden. Die gewonnenen Daten können als Röntgenbild<br />

oder als 3D-Bild sichtbar gemacht werden, das ein Computer berechnet und dann am Bildschirm<br />

zeigt.


Artemidoros ("das Geschenk der Artemis"), British Museum, London. Entstanden zwischen 100 und<br />

120 n. Chr., gefunden in Hawara, mit einer Höhe von 171 cm<br />

Der mumifizierte Leichnam des Artemidoros liegt in einem dunkelroten Stucksarg mit Verzierungen<br />

aus Blattgold. Das <strong>Mumien</strong>portrait ist in den Sarg integriert und zeigt einen jungen Mann im<br />

Dreiviertelprofil. Es ist in Eukaustik-Technik gemalt und zeigt griechische, römische und ägyptische<br />

Einflüsse.<br />

Unter dem Portrait befindet sich ein Goldkollier mit Falken an den beiden Enden. In den Registern<br />

darunter sind klassische altägyptische Bestattungsszenen dargestellt. Die Identität des Toten ist in<br />

griechischen Buchstaben wiedergegeben, durch den Gruß "Lebe wohl, Artemidoros".<br />

Die <strong>Mumien</strong> konnten auch von einer bemalten Kartonage umgeben sein, die aus Leinen oder<br />

wieder verwendetem Papyrus bestand.<br />

Das Skelett des Artemidoros in Vorder- und Seitenansicht<br />

Das Knochengerüst ist vollständig erhaltenen, die Brustwirbelsäule ist verschoben, am Brustkorb<br />

sind Beschädigungen zu erkennen. Der Kopf der Mumie ist nach vorne geneigt, die Knochen im<br />

Nasenbereich verletzt.


Der Hinterkopf des Artemidoros in der dreidimensionalen Computerrekonstruktion<br />

Zu sehen sind Längsfrakturen am Schädel, die nicht verheilt sind. Artemidoros ist an diesen<br />

Kopfverletzungen vermutlich gestorben. Er wurde zwischen 18 und 21 Jahre alt.<br />

Hiermit sind wir am Ende der Reihe angekommen. Wir haben gesehen, welche Anstrengungen die<br />

Alten Ägypterinnen und Ägypter unternommen haben, um den menschlichen Körper über den Tod<br />

hinaus zu konservieren. Wir haben von ihrer religiösen Motivation und von der Notwendigkeit<br />

gehört, Körper für die Ewigkeit herzustellen. Wir haben heute nicht nur <strong>Mumien</strong>, <strong>Mumien</strong>särge,<br />

Kartonagen und <strong>Mumien</strong>portraits vor uns. Uns ist auch durch – nicht invasive – Techniken aus dem<br />

medizinischen Bereich ein Einblick in das Innerste einer Mumie gestattet.<br />

Gesichtsrekonstruktionen von mumifizierten Menschen sind möglich und werden angewendet. Die<br />

Endoskopie (bei der ein dünner langer Schlauch aus Optikfaser und einer Minikamera am Ende<br />

durch einen Schnitt oder eine natürliche Körperöffnung in die Mumie eingeführt wird) erlaubt durch<br />

entnommene Gewebeproben auch die Gewinnung von DNA, der genetischen Information, die in<br />

jeder Zelle vorhanden ist. Informationen über den Gesundheitszustand und über Krankheiten<br />

erhalten wir, über Arterienverkalkung und über Parasitenbefall etwa: In den <strong>Mumien</strong> sind<br />

verschiedene Würmerarten nachgewiesen worden. Zahnanalysen lassen Rückschlüsse auf<br />

Ernährungsgewohnheiten zu. Schäden an der Kaufläche der Zähne und völlig abgeschliffener<br />

Zahnschmelz gehen auf den Sand im Mehl zurück, aus dem Brot gebacken wurde, und auf<br />

Steinpartikel vom Abrieb der Mahlsteine. Heute untersuchen interdisziplinäre Forschungsteams die<br />

<strong>Mumien</strong>, um sie mit größter Sorgfalt zu behandeln und ihnen ihre Geheimnisse zu entlocken.<br />

Diese ganz intimen Einblicke sollten unseren Respekt gegenüber den Körpern für die Ewigkeit<br />

vergrößern.<br />

Zum Abschluss dieser Reihe möchte ich Sie auf eine Sonderausstellung des Britischen Museums in<br />

London aufmerksam machen: Mummy, the inside story.<br />

Bis zum Januar 2005 wurde im Ausstellungsbereich des Museums über die Kunst des Mumifizierens<br />

informiert, begleitend dazu wird die ungeöffnete Mumie des Nesperennub gezeigt. Diese CT und<br />

3D-Animation ist von einer Softwarefirma in Zusammenarbeit mit dem Museum entwickelt worden.<br />

Den Besucherinnen und Besuchern bietet sich in diesem 20-minütigen interaktiven Film die<br />

Möglichkeit, das Innere des Sarkophags des vor 3000 Jahren lebenden Priesters Nesperennub zu<br />

entdecken.<br />

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