Synästhesie - Allgemeine Psychologie und Neuropsychologie ...
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Synästhesie – eine ausserordentliche<br />
Verknüpfung der Sinne<br />
Beat Meier<br />
Universität Bern<br />
<strong>Allgemeine</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>und</strong> <strong>Neuropsychologie</strong><br />
Ramachandran & Hubbard<br />
(2003). Scientific American
Organisation<br />
• Was ist Synästhesie<br />
• Neuropsychologische Gr<strong>und</strong>lagen<br />
• Auswirkungen von Synästhesie<br />
– Gedächtnis<br />
– Ästhetik
Was ist Synästhesie<br />
• Syn + Ästhesis: Zusammen-Wahrnehmen<br />
(Mit-Empfinden)<br />
• Metaphorische Synästhesie:<br />
– „ich sehe rot“,<br />
– „ein schwerer Sturm“<br />
• Entwicklungssynästhesie
Entwicklungssynästhesie<br />
• Entsteht früh in der Entwicklung („seit man<br />
sich erinnert“)<br />
• Transfer von Reizen auf Nerven, die nicht<br />
für die Weiterleitung dieser Reize<br />
spezifisch sind (Vulpian, 1866)<br />
• Die häufigsten Formen sind Sequenz-<br />
Form <strong>und</strong> Graphem-Farb-Synästhesie
Campen, C. van. 2007. The<br />
Hidden Sense. Synesthesia in<br />
Art and Science. MIT Press.
Es gibt mindestens 61 Typen von Synästhesie<br />
=> Homepage von Sean Day<br />
http://home.comcast.net/~sean.day/html/types.htm<br />
• Auslöser<br />
– Buchstabe, Wort, Name<br />
– Zahl, Tag, Monat<br />
– Stimme<br />
– Berührung<br />
– Bewegung<br />
– Musik<br />
– Geräusch<br />
– Geschmack<br />
– Farbe<br />
– Muster<br />
– Emotion<br />
• Erlebnisse<br />
– Farbe<br />
– Form<br />
– Muster<br />
– Geruch<br />
– Geschmack<br />
– Geräusch<br />
– Blitz<br />
– Bewegung<br />
– Schmerz
Charakteristiken<br />
• automatisch ausgelöst<br />
• intern konsistent<br />
• gr<strong>und</strong>sätzlich idiosynkratisch
Charakteristiken<br />
• automatisch ausgelöst<br />
• intern konsistent<br />
• gr<strong>und</strong>sätzlich idiosynkratisch<br />
• meist unidirektional im Erleben<br />
• Kommt gehäuft in Familien vor =><br />
genetische Prädisposition<br />
• Prävalenz: ca. 2 – 5% der Bevölkerung<br />
• Männer : Frauen ca. 1 : 1<br />
(Simner et al., 2006 - Perception)
Wie kommt Graphem-Farb-<br />
Synästhesie zustande<br />
5<br />
Ramachandran & Hubbard<br />
(2003). Scientific American
TPO (parietal): Integration, „Binding“ Farbe - Form<br />
=> Bewusstsein<br />
Fusiform Gyrus (temporal): Graphem-Farb-<br />
Verbindung; Zeitgleiche Aktivierung
VBM: Weiss & Fink, Brain 2008<br />
fMRI: Hubbard et al., Neuron<br />
2005<br />
DTI: Rouw & Scholte, Nature<br />
Neuroscience 2007<br />
V4<br />
Visual word<br />
form area
Ursache<br />
• Cross-Activation-Hypothese<br />
– Konsistent mit Imaging-Ergebnissen<br />
• Disinhibited Feedback („enthemmte<br />
Rückmeldung“)<br />
– Konsistent mit Ergebnissen einer Studie, die<br />
Synästhesie mittels posthypnotischer<br />
Suggestion induziert hat<br />
(Cohen Kadosh et al., Psychological Science, 2009)
Bringt Synästhesie Vorteile<br />
• Gedächtnis<br />
• Kreativität<br />
• Achtung: Für unterschiedliche Formen<br />
(z.B. Graphem-Farbe, Zahl-Form, Wort-<br />
Geschmack) muss nicht das gleiche<br />
gelten!
Evidenz für einen Gedächtnisvorteil<br />
von Synästhetikern<br />
• Luria, The Mind of a Mnemonist (1968)<br />
– Shereshevskii (Einzelfallstudie; kann nicht vergessen)<br />
• Smilek et al.,Psychological Science (2002)<br />
– C. (Einzelfallstudie; exzellente Erinnerungsleistung nach 48 h)<br />
• Mills et al., Cortex (2006)<br />
– MLS (Einzelfallstudie; exzellente Erinnerungsleistung nach 6<br />
Monaten)<br />
• Yaro & Ward, QJEP (2007)<br />
– 16 Personen; besseres Gedächtnis für Wörter <strong>und</strong> Farben
Ergebnisse des Synästhesie-<br />
Checks (www.synaesthesie.unibe.ch)<br />
Meine synästhetischen Erlebnisse ... beim Erinnern<br />
von Dingen (n=353)<br />
stören mich<br />
4%<br />
weder noch<br />
32%<br />
helfen mir<br />
64%
Haben Synästhetiker ein besseres<br />
Gedächtnis Rothen & Meier, in prep. (2009)<br />
• 44 Graphem-Farb-Synästhetiker rekrutiert<br />
via Synästhesie-Check<br />
• Alter 32.6 Jahre (von 20 bis 61)<br />
• Standardisierte Gedächtnistestbatterie:<br />
Wechsler Gedächtnisskalen (Kurzzeit-,<br />
verbales <strong>und</strong> visuelles Gedächtnis)
Synästhetisches Erleben <strong>und</strong><br />
ästhetisches Empfinden<br />
• Gibt es einen Zusammenhang zwischen<br />
synästhetischem Erleben <strong>und</strong> ästhetischem<br />
Empfinden bei Nicht-Synästhetikern<br />
• Wie können die visuellen Künste Eigenschaften<br />
der Musik erfassen Wie können visuelle <strong>und</strong><br />
auditive Wahrnehmungen künstlerisch<br />
kombiniert werden<br />
• Diese Wahrnehmungen beruhen auf denselben<br />
Mechanismen, wie in der Neurowissenschaften<br />
unter dem Begriff der multisensorischen<br />
Wahrnehmung untersucht wird.
Bef<strong>und</strong>e aus der multimodalen Wahrnehmung<br />
• Lautstärke – Helligkeit<br />
• Tonhöhe – Form<br />
• Tonhöhe – Grösse<br />
• Tonhöhe – vertikale Position<br />
• Tonhöhe – Helligkeit
• Es werden Farberlebnisse dokumentiert, welche<br />
von Synästhetikern als Reaktion auf Töne erlebt<br />
werden (Ward et al., 2008 – Perception)<br />
• ward08.WMV.wmv<br />
Präferenzurteile<br />
• Im Vergleich zu<br />
Zufallskombination<br />
• Im Vergleich zu von<br />
Nicht-Synästhetikern<br />
erstellten Animationen
Fazit<br />
• Synästhesie ist ein reales Phänomen<br />
• Kann hilfreich für visuelles Gedächtnis<br />
sein, führt aber nicht per se zu<br />
ausserordentlichen Gedächtnisleistungen<br />
• Synästhesieforschung ist relevant im<br />
Bezug auf multisensorische<br />
Wahrnehmung <strong>und</strong> ästhetisches Erleben
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