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<strong>Kardinal</strong> <strong>König</strong> <strong>Akademie</strong><br />

<strong>Kardinal</strong>-<strong>König</strong>-<strong>Platz</strong> 3<br />

<strong>1130</strong> <strong>Wien</strong><br />

Interprofessioneller Palliativlehrgang 2007 / 2008<br />

„Komplementierung bestehender medizinischer<br />

Systeme mit Palliative Care“<br />

Multiperspektivische Betrachtung über Strategien,<br />

Probleme und Erfolge bei der Implementierung neuer<br />

Systeme in bestehende Einrichtungen des<br />

Gesundheitssystems.<br />

Begleitung: Dr. Annette Henry<br />

AutorInnen: (v.l.n.r.)<br />

Dr. Harald Schöchtner, Hauptplatz 3; 3850 Horn<br />

Dr. Verena Gartner, Pezzlgasse 33/6; 1170 <strong>Wien</strong><br />

Dr. Karlheinz Wiesinger, Klemens- Dorngasse 9/11; 1100 <strong>Wien</strong><br />

Christine Beyer, Spinnereigasse 26; 2514 Möllersdorf<br />

Marion Vyvadil, Neugasse 55; 2020 Hollabrunn<br />

www.pallium.at palliativ@groups.mac.com<br />

Hollabrunn, Horn, Möllersdorf, <strong>Wien</strong>, im Mai 2008


Ausgangslage und Zielsetzung:<br />

Interprofessioneller Palliativlehrgang 2007 / 2008; <strong>Kardinal</strong> <strong>König</strong> <strong>Akademie</strong><br />

Abschlussarbeit von Beyer C., Gartner V., Schöchtner H., Vyvadil M., Wiesinger K.<br />

Seite 1<br />

Im Rahmen des interdisziplinären Basiskurses der Palliative Care<br />

Ausbildung im <strong>Kardinal</strong> <strong>König</strong> Haus in <strong>Wien</strong> hat sich unsere fünfköpfige,<br />

multiprofessionelle Gruppe gefunden. Sie setzt sich aus drei Ärzten/-innen<br />

und zwei Personen aus dem Bereich der Krankenpflege zusammen.<br />

Gemeinsam ist uns, dass wir alle am Beginn der Etablierung einer Palliative<br />

Care Einrichtung an unserem Arbeitsplatz stehen. Das gewählte Thema soll<br />

durch Betrachtung aus verschiedenen Blickwinkeln unserer täglichen Arbeit<br />

und dem Austausch darüber erörtert werden. Die gewonnenen Ergebnisse<br />

und Sichtweisen sollen die Etablierung von Palliative Care Einrichtungen<br />

erleichtern.<br />

Struktur der Arbeit:<br />

Nach einer allgemeinen Einleitung wird von jedem Autor eine für unsere<br />

Gruppe relevante Problemstellung betrachtet. Auf eine Beschreibung der<br />

eigenen Arbeitssituation und Behandlung spezieller, für die einzelnen<br />

Autoren relevanter Themen folgen die Zusammenfassung und die<br />

Interpretation geführter Interviews mit KollegInnen aus dem unmittelbaren<br />

Arbeitsumfeld.


Inhaltsverzeichnis:<br />

Interprofessioneller Palliativlehrgang 2007 / 2008; <strong>Kardinal</strong> <strong>König</strong> <strong>Akademie</strong><br />

Abschlussarbeit von Beyer C., Gartner V., Schöchtner H., Vyvadil M., Wiesinger K.<br />

Seite 2<br />

1 EINLEITUNG.......................................................................................... 4<br />

2 ZIELFORMULIERUNG........................................................................... 6<br />

3 INDIVIDUELLER TEIL ........................................................................... 6<br />

3.1 CHRISTINE BEYER, DGKP; INTERNE ABTEILUNG UND<br />

PALLIATIVKONSILIARDIENST, THERMENKLINIKUM BADEN................................. 6<br />

3.1.1 Persönliche Ausgangslage 6<br />

Das Reformpoolprojekt des Landes Niederösterreich (NÖ) 7<br />

Personelle Besetzung des PKD 7<br />

Bisherige Aktivitäten 8<br />

Aufgetretene Schwierigkeiten 8<br />

3.1.2 Spezielle Themenbetrachtung: „Rollenwechsel und Rollendiffusion“ 9<br />

Definition des Begriffes „Rolle“ 9<br />

Eigenverantwortlicher Tätigkeitsbereich 11<br />

Mitverantwortlicher Tätigkeitsbereich 12<br />

3.2 VERENA GARTNER, AUSBILDUNGSASSISTENTIN INNERE MEDIZIN;<br />

UNIVERSITÄTSKLINIK FÜR INNERE MEDIZIN I, PALLIATIVSTATION, MEDIZINISCHE<br />

UNIVERSITÄT WIEN ...................................................................................... 14<br />

3.2.3 Persönliche Ausgangslage 14<br />

3.2.4 Spezielle Themenbetrachtung: „Team“ 16<br />

Definition 16<br />

Teamgründung 17<br />

Teamdynamik 18<br />

Teamführung 19<br />

Infrastruktur des Teams 21<br />

3.3 HARALD SCHÖCHTNER, FACHARZT FÜR INNERE MEDIZIN; LANDESKLINIKUM<br />

WALDVIERTEL, HORN................................................................................... 22<br />

3.3.1 Persönliche Ausgangslage 22<br />

3.3.2 Besondere Themenbetrachtung: „Hierarchie“ 24<br />

3.4 MARION VYVADIL, PFLEGEHELFERIN; MOBILE HAUSKRANKENPFLEGE DER<br />

CARITAS, HOLLABRUNN............................................................................... 27<br />

3.4.1 Persönliche Ausgangslage 27<br />

3.4.2 Spezielle Themenbetrachtung: „Akzeptanz“ 29<br />

Definition Akzeptanz 29<br />

3.5 KARLHEINZ WIESINGER, FACHARZT FÜR ANÄSTHESIE UND ALLGEMEINE<br />

INTENSIVMEDIZIN; PALLIATIVMEDIZINER FÜR DIE CARITAS SOCIALIS PFLEGE-<br />

UND SOZIALZENTREN, WIEN ......................................................................... 31<br />

3.5.1 Persönliche Ausgangslage 31<br />

Die Ärztliche Versorgung in den CS-Pflege-und Sozialzentren 32<br />

Unterschiedliche Palliative Care- Einsatzgebiete 33<br />

Problematik der Hausärzte 34<br />

3.5.2 Spezielle Themenbetrachtung: „Palliativmedizin ist Kommunikation“ 35<br />

3.5.3 Schmerz und Kommunikation 39


Interprofessioneller Palliativlehrgang 2007 / 2008; <strong>Kardinal</strong> <strong>König</strong> <strong>Akademie</strong><br />

Abschlussarbeit von Beyer C., Gartner V., Schöchtner H., Vyvadil M., Wiesinger K.<br />

Seite 3<br />

4 AUSARBEITUNG DER INTERVIEWS ................................................. 41<br />

4.1 INTERVIEWS GEFÜHRT VON CHRISTINE BEYER ........................................... 41<br />

4.1.1 Persönliche Schlussfolgerungen 43<br />

4.2 INTERVIEWS GEFÜHRT VON VERENA GARTNER .......................................... 44<br />

4.2.1 Persönliche Schlussfolgerungen 46<br />

4.3 INTERVIEWS GEFÜHRT VON HARALD SCHÖCHTNER .................................... 48<br />

4.3.1 Persönliche Schlussfolgerungen 52<br />

4.4 INTERVIEWS GEFÜHRT VON MARION VYVADIL ............................................ 52<br />

4.4.1 Persönliche Schlussfolgerungen 56<br />

4.5 INTERVIEWS GEFÜHRT VON KARLHEINZ WIESINGER ................................... 56<br />

4.5.2 Persönliche Schlussfolgerungen: 57<br />

5 ERGEBNISSE AUS UNSERER SICHT ............................................... 58<br />

6 LITERATURVERZEICHNIS ................................................................. 59


1 Einleitung<br />

Interprofessioneller Palliativlehrgang 2007 / 2008; <strong>Kardinal</strong> <strong>König</strong> <strong>Akademie</strong><br />

Abschlussarbeit von Beyer C., Gartner V., Schöchtner H., Vyvadil M., Wiesinger K.<br />

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Die zunehmende Lebenserwartung der Bevölkerung in den Industrienationen<br />

wirft ein neues Licht auf das Altwerden und Sterben. Die Konfrontation mit<br />

dem Sterbeprozess und der Anblick eines Toten zu Hause waren den<br />

Menschen noch vor wenigen Dekaden vertraut. In den letzten Jahrzehnten<br />

wurden Tod und Sterben jedoch zunehmend in medizinische<br />

Akutversorgungseinrichtungen verdrängt.<br />

Der Großteil der Bevölkerung in westlichen Nationen stirbt im<br />

Akutkrankenhaus. In den letzten 30 Jahren hat sich dieser Prozentsatz<br />

deutlich erhöht und schwankt je nach Quelle zwischen 52 % (Cartwright<br />

1973) und 70% (Wittkowski 2003). Demgegenüber steht die Tatsache, dass<br />

die überwiegende Mehrzahl (etwa 80%) dieser Menschen zuhause sterben<br />

möchte (Zulehner 2001). Die Gründe für diese Diskrepanz sind bei näherer<br />

Betrachtung komplex. Dennoch ist der problematische Umgang mit Sterben<br />

und Tod in unserer Gesellschaft sicherlich eine Hauptursache für diese<br />

Entwicklung. Die Überforderung im Umgang mit sterbenden Menschen findet<br />

sich in hohem Ausmaß auch in allen Bereichen unseres<br />

Gesundheitssystems.<br />

Das teilweise menschenunwürdige Sterben in den Krankenhäusern und<br />

Pflegeheimen führte in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts zur<br />

Gründung der Palliativbewegung. Ausgehend von Hospizen fand die Idee<br />

einer ganzheitlichen Sichtweise des sterbenden Menschen zunehmend<br />

Eingang in alle medizinischen Bereiche. Diese Entwicklung war die logische<br />

Antwort auf die Gegebenheiten eines medizinischen Systems, in dem<br />

Hospize nur für einen minimalen Teil der Sterbenden zur Verfügung stehen.<br />

Selbst in England, wo es unvergleichlich mehr Hospize gibt, als im<br />

deutschsprachigen Raum, sterben nur 4% aller Menschen dort (Dunlop<br />

1998).


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Abschlussarbeit von Beyer C., Gartner V., Schöchtner H., Vyvadil M., Wiesinger K.<br />

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Oft kommen Verwandte zuhause oder Pflegende in Heimen ohne<br />

entsprechende Unterstützung physisch und/oder psychisch mit der<br />

Begleitung Sterbender nicht zurecht, sodass der/die Betreute nicht selten<br />

noch in ein Akutkrankenhaus eingeliefert wird. Palliative Care sollte folglich<br />

auch dort verfügbar sein, wo Menschen am häufigsten sterben.<br />

Praktische Umsetzung findet Palliative Care in Hospizen, an<br />

Palliativstationen sowie durch mobile Palliativteams innerhalb und außerhalb<br />

einer medizinischen Einrichtung und nicht zuletzt in der Betreuung<br />

sterbender Menschen zu Hause. Die Erfahrung vieler damit Betrauter zeigt,<br />

dass die Gründung solcher Institutionen innerhalb des etablierten<br />

medizinischen Systems praktisch immer zu Schwierigkeiten und Konflikten<br />

führt. Diese ergeben sich innerhalb der neu gegründeten Einrichtung, wo<br />

sowohl eine Anpassung an die Erfordernisse des zu ergänzenden Systems,<br />

als auch die Prozesse der Teambildung eine Rolle spielen. Andererseits<br />

erfordert das Zusammentreffen von heilungsorientierter Akutmedizin mit<br />

Symptom-und Lebensqualität-orientierter Palliativmedizin von beiden Seiten<br />

guten Willen und Geduld.<br />

In Zeiten der Effizienzsteigerung und Rationalisierung in großen Teilen des<br />

Gesundheitswesens stehen Palliativeinrichtungen mit ihren vergleichsweise<br />

größeren, noch nicht „verdienten“ Ressourcen von Anfang an unter großem<br />

Erfolgsdruck. Umso wichtiger ist ein realistisches Abstecken von Zielen und<br />

Grenzen des Arbeitsfeldes noch innerhalb der Planungsphase. In diesem<br />

Zusammenhang ist es von Interesse, dass es durch die Einführung von<br />

Palliative Care Einrichtungen zu einer Verbesserung der<br />

symptomorientierten Therapie sowie zu einer Effizienzsteigerung der<br />

Schmerztherapie kommt (Bruera et al 1989, Ellershaw, et al 1995). Darüber<br />

hinaus bewirkt die Weitergabe des Wissens über Palliative Care innerhalb<br />

des gesamten medizinischen Systems eine signifikante Verbesserung von<br />

Schmerz- und Symptomkontrolle (Parkes 1985). Es gibt indirekte Hinweise,<br />

dass Palliative Care die Betreuung von Angehörigen verbessert. So konnte


Interprofessioneller Palliativlehrgang 2007 / 2008; <strong>Kardinal</strong> <strong>König</strong> <strong>Akademie</strong><br />

Abschlussarbeit von Beyer C., Gartner V., Schöchtner H., Vyvadil M., Wiesinger K.<br />

Seite 6<br />

gezeigt werden, dass es zu einem Rückgang des Anteils an<br />

Beschwerdebriefen von Angehörigen verstorbener Patienten von 8% bei<br />

Gründung eines Palliativteams auf 1% nach 4 Jahren kommt (Hockley et al<br />

1988). Innerhalb eines Krankenhauses führt der Kontakt mit Palliative Care<br />

häufiger zu sinnvollen Überweisungen an Hospize beziehungsweise<br />

entsprechende Pflegeheime sowie zu besser koordinierter Entlassung nach<br />

Hause (Ellershaw et al 1995). Raftery et al konnten in einer kontrolliert-<br />

randomisierten Studie auch einen klaren finanziellen Vorteil einer Palliative<br />

Care Einrichtung zeigen (Raftery et al 1996). Dieser ließ sich vor allem durch<br />

eine wesentliche Reduzierung der stationären Tage im Vergleich zur<br />

Kontrollgruppe erklären.<br />

2 Zielformulierung<br />

Die Einführung von Palliative Care in bestehende medizinische Systeme<br />

führt zu spezifischen Problemstellungen. Ziel der Arbeit ist daher die Analyse<br />

dieser Systeme und die Erhebung der Bedürfnisse der darin tätigen<br />

Menschen in unterschiedlichen Bereichen des Gesundheitswesens (Mobile<br />

Dienste, Internistisch-onkologische Bettenstation, Langzeitgeriatrie im<br />

Pflegeheim, Palliativkonsiliardienst im Akutkrankenhaus). Mithilfe dieser<br />

Informationen soll die Einführung von Palliative Care mit einer Minimierung<br />

von Konflikten und Ressourcenverlusten ermöglicht werden.<br />

3 Individueller Teil<br />

3.1 CHRISTINE BEYER, DGKP; Interne Abteilung und<br />

Palliativkonsiliardienst, Thermenklinikum Baden<br />

3.1.1 Persönliche Ausgangslage<br />

Ich bin seit 20 Jahren im Pflegeberuf tätig, acht Jahre auf Intensivstationen,<br />

drei Jahre Hauskrankenpflege, ein Jahr Rehabilitationszentrum, und seit


Interprofessioneller Palliativlehrgang 2007 / 2008; <strong>Kardinal</strong> <strong>König</strong> <strong>Akademie</strong><br />

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Seite 7<br />

2000 auf der Internen Abteilung im Thermenklinikum Baden. Seit zehn<br />

Jahren beschäftige ich mich mit dem Konzept der Basalen Stimulation in der<br />

Pflege© und nahm 2001/02 an einer einjährigen Weiterbildung zum<br />

Praxisbegleiter in diesem Konzept teil.<br />

Das Reformpoolprojekt des Landes Niederösterreich (NÖ)<br />

Im Rahmen des Reformpoolprojektes des Landes Niederösterreich, das zum<br />

Ziel hat, die Effektivität des Gesundheitswesens zu erhöhen, entstehen unter<br />

anderem als Teil der Integrierten Hospiz- und Palliativversorgung in NÖ<br />

landesweit mehrere Palliativkonsiliardienste (PKD). Als mobile, nicht an eine<br />

Station gebundene Palliativeinrichtung in der Thermenregion besteht ein<br />

PKD im Landesklinikum Baden und ein davon getrenntes Mobiles<br />

Palliativteam (MPT) für den extramuralen Bereich.<br />

Ich arbeite seit November 2007 im PKD und bin Gründungsmitglied des<br />

fünfköpfigen PKD-Teams am Thermenklinikum Baden. Wir haben am 5.<br />

November 2007 unsere Tätigkeit als PKD aufgenommen. Ich leiste einerseits<br />

20 Wochenstunden im Palliativdienst und andererseits 20 Wochenstunden<br />

an der Internen Abteilung.<br />

Personelle Besetzung des PKD<br />

Die personelle Besetzung des PKD Baden besteht aus fünfTeammitgliedern:<br />

• Eine ärztliche Leitung mit einer Fachärztin für Hämato-Onkologie (mit<br />

abgeschlossenem Basislehrgang für Palliative Care) im Rahmen einer<br />

Halbtagsstelle mit 20 Wochenstunden,<br />

• zwei diplomierte Pflegepersonen (DGKP) mit jeweils 20 Wochenstunden<br />

(eine mit Grund und Aufbaulehrgang Palliative Care, ich selbst gerade in<br />

Ausbildung),<br />

• eine Psychotherapeutin mit zehn Wochenstunden (im Palliative Care<br />

Basislehrgang in St. Pölten 2007/08) sowie<br />

• eine Sekretärin im Rahmen von zehn Wochenstunden.<br />

Wir haben ein großes Büro mit Aufenthaltsbereich, dessen einziger Nachteil<br />

die Lage im Untergeschoß ist.


Bisherige Aktivitäten<br />

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Wir begannen mit einer gemeinsamen Startveranstaltung mit dem Mödlinger<br />

PKD-Team und veranstalteten einen Tag der offenen Tür. Vorstellungen<br />

unseres Teams bei Teamsitzungen anderer Abteilungen im Krankenhaus<br />

sollten den Bekanntheitsgrad und die Akzeptanz innerhalb des Hauses<br />

fördern. Wir entwarfen einen Informationsfolder, Visitenkarten, Flyer und ein<br />

eigenes Logo. Monatliche Supervisionen und wöchentliche Teamsitzungen<br />

helfen, uns in der schwierigen Anfangsphase auszutauschen und eine<br />

gemeinsame Linie zu finden. Wir planten anfangs eigene Kleidung im PKD<br />

zu tragen, um uns abzugrenzen, was aber an der Organisation scheiterte.<br />

Namensschilder mit unserem Logo sollen hier etwas mehr Klarheit bringen.<br />

Aufgetretene Schwierigkeiten<br />

Es ist sowohl für mich selbst, den Patienten, als auch für die Kollegen aller<br />

Professionen an der Internen Station schwierig, wenn ich an einem Tag ganz<br />

normal am Stationsablauf teilnehme und am nächsten Tag Gespräche führe,<br />

nicht die Rufglocke beantworte, und die Station betrete und verlasse wann<br />

ich will. Aussagen wie:„ na das schwerste was du jetzt zu tragen hast sind<br />

dein Handy und dein Schreibblock“ lassen unterschwellig Neid erkennen.<br />

Weitere Probleme ergaben sich bei folgenden Themen:<br />

• Begriffsdefinition<br />

Die Bezeichnung Palliativkonsiliardienst muss ständig erklärt werden<br />

• Konzeptentwicklung/ Weiterentwicklung<br />

Das von unserer leitenden Oberärztin entwickelte Konzept (Assessment-<br />

Bögen, Zuweisungsformulare, Entlassungschecklisten, …) erwies sich als zu<br />

umfangreich für die Praxis.<br />

• Zuweisungsmodalitäten<br />

Es wurden PatientInnen zugewiesen ohne genaue Fragestellung. Die ergab<br />

sich erst im Gespräch. Wir reduzierten unsere Kontaktaufnahmemöglichkeit<br />

auf ein schriftliches Zuweisungsformular zusätzlich zur telefonischen und<br />

elektronischen Möglichkeit über den Computer.<br />

• Unklarheiten über unsere Zuständigkeit


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Im Reformpoolprojekt des Landes Niederösterreich zur gleichwertigen,<br />

flächendeckenden, abgestuften Hospiz- und Palliative Care Versorgung in<br />

NÖ sind nur KrebspatientInnen ab einer beginnenden Metastasierung und<br />

PatientInnen mit einer Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) vorgesehen.<br />

Diese Einschränkung führte zu Enttäuschungen, da PatientInnen wiederholt<br />

abgelehnt werden mussten; manchmal aber auch Ausnahmen gemacht<br />

wurden. Diese Einschränkung der Patientenkategorien soll bald fallen.<br />

• Doppelfunktion der Teammitglieder<br />

Die Oberärztin und beide Pflegepersonen arbeiten zur Hälfte im PKD und in<br />

der restlichen Dienstzeit auf der Internen Abteilung mit onkologischem<br />

Schwerpunkt, die Sekretärin arbeitet auch für das extramurale Mobile<br />

Palliativteam.<br />

3.1.2 Spezielle Themenbetrachtung: „Rollenwechsel und<br />

Rollendiffusion“<br />

Ich beschränke mich in meinen Ausführungen auf die Rolle der Pflege in<br />

Palliative Care und hier im speziellen im PKD. Aus der Sicht der<br />

Pflegeperson, der im Krankenhaus traditionellerweise eine genau definierte<br />

Rolle zukommt, ergibt sich im multiprofessionellen Team des PKD eine völlig<br />

andere Aufgabenstellung und damit auch andere Rolle.<br />

Definition des Begriffes „Rolle“<br />

„Rolle bezeichnet die Gesamtheit aller Verhaltensweisen, die von einem<br />

Menschen erwartet werden, der innerhalb eines sozialen Systems eine<br />

bestimmte Position einnimmt. Die mit einer bestimmten Position<br />

verbundenen Rechte und Pflichten werden durch Normen oder<br />

Verhaltensweisen reguliert. Ihren Ausdruck findet die Rolle in der Beziehung<br />

von Individuen, die zu einem bestimmten Zweck in einer spezifischen<br />

Situation miteinander interagieren.“ (Fawcett 1998).<br />

Die amerikanische Pflegewissenschaftlerin Hildegard Peplau (1909-1999)<br />

beschreibt den Pflegeprozess erstmals als Beziehungsprozess. Sie teilt die


"Pflegende-Patient-Beziehung" in vier Phasen ein:<br />

• Orientierung<br />

• Identifikation<br />

• Nutzung<br />

• Ablösung<br />

Seite 10<br />

Diese Phasen decken sich zeitlich mit den Phasen der Aufnahme, der<br />

Behandlung, der Rekonvaleszenz bis zur Entlassung. In diesen Phasen<br />

spielt die Pflegeperson folgende Rollen:<br />

• die Rolle des Unbekannten<br />

• die Rolle der Hilfsperson<br />

• die Lehrerrolle<br />

• die Führungsrolle<br />

• die Stellvertreterrolle<br />

• die Beraterrolle<br />

Peplau beschreibt auch Verhaltensweisen, welche die Pflege auf keinen Fall<br />

annehmen sollte: „Den Patienten mit Erzählungen über das eigene Leben<br />

behelligen; Den Patienten zum Lieblingspatienten zu erheben und dies im<br />

Arbeitsalltag erkennen lassen“ (Peplau 1997). Es geht Hildegard Peplau also<br />

um die „richtige“ Kommunikation mit dem Patienten und um eine gelungene<br />

Pflege-Patient Beziehung. Hier sehe ich Ähnlichkeiten zur Basalen<br />

Stimulation in der Pflege©, wo es auch im Wesentlichen um das Gelingen<br />

des Dialoges mit dem Patienten geht. Der Mensch steht im Mittelpunkt, nach<br />

seinen Bedürfnissen richtet sich unser Tun, dadurch kann Begleitung<br />

gelingen und unser Selbstvertrauen stärken. Um diesen hohen Ansprüchen<br />

gerecht zu werden und mit Patienten in Beziehungen treten zu können, wie<br />

Peplau es beschreibt, braucht es Zeit, um kommunizieren zu können. Diese<br />

ist im PKD in deutlich größerem Ausmaß vorhanden, als bei einer DGKP im<br />

Dienstrad.<br />

Sehr interessant finde ich zu diesem Thema den Artikel über die (Neben-)<br />

wirkung einer Palliativeinrichtung von Klaus Aurhammer (Aurhammer 2005).<br />

Er beschreibt unter anderem als Wirkungen einer Palliativeinrichtung, dass<br />

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die Ideen einer bedürfnisorientierten, individuellen und kreativen Pflege<br />

erfolgreich sind, Konzepte der Schmerz- und Symptomkontrolle gut greifen.<br />

Aber wie bei einem Medikament ist die Behandlung nur gut, so lange die<br />

Nebenwirkungen in den Griff zu bekommen sind: „Die berufliche Rolle der<br />

nicht palliativ arbeitenden Menschen wird ernsthaft auf die Probe gestellt“.<br />

Die Bandbreite der Reaktionen geht von: „das, was die im PKD machen,<br />

mach ich doch schon seit Jahren“ über „das könnt ich nie“ bis „was ich nicht<br />

bekommen kann, sollen die auch nicht haben“, oder „Die auf<br />

Palliativstationen arbeiten können so arbeiten, wie ich es eigentlich müsste<br />

oder wollte, aber nicht kann“ (Aurhammer 2005).<br />

Rollendiffusion wird unausweichlich eintreten, wenn man beim gleichen<br />

Patienten einen Tag als PKD und den nächsten als Turnusdienst-Schwester<br />

tätig ist. Dieser Rollendiffusion liegen zwei unterschiedliche Stellen-<br />

beschreibungen, einerseits der DGKP in der stationären Pflege andererseits<br />

der DGKP im PKD zu Grunde. In der pflegerischen Versorgung von<br />

stationären Patienten gibt es eigen- und mitverantwortliche Bereiche, die ich<br />

nun näher darstellen möchte.<br />

Eigenverantwortlicher Tätigkeitsbereich (§ 14(3.1.1.) Gesundheits- und<br />

Krankenpflegegesetz)<br />

• Erhebung der Pflegebedürfnisse und des Grades der Pflegeabhängigkeit<br />

des Patienten sowie<br />

• Feststellung und Beurteilung der zur Deckung dieser Bedürfnisse zur<br />

Verfügung stehenden Ressourcen ( Pflegeanamnese)<br />

• Feststellung der Pflegebedürfnisse (Pflegediagnose)<br />

• Planung der Pflege, Festlegung von pflegerischen Zielen und<br />

Entscheidungen über zu treffende pflegerische Maßnahmen<br />

(Pflegeplanung)<br />

• Durchführung der Pflegemaßnahmen<br />

• Auswertung der Resultate der Pflegemaßnahmen ( Pflegeevaluation)<br />

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• Information über Krankheitsvorbeugung und Anwendung von<br />

Gesundheitsfördernden Maßnahmen<br />

• Psychosoziale Betreuung<br />

• Dokumentation des Pflegeprozesses<br />

• Organisation der Pflege<br />

• Anleitung und Überwachung des Hilfspersonals<br />

• Anleitung und Begleitung der SchülerInnen im Rahmen der Ausbildung<br />

• Mitwirkung an der Pflegeforschung<br />

Mitverantwortlicher Tätigkeitsbereich (§ 15 (3.3.2.) GuKG)<br />

• Verabreichung von Arzneimitteln<br />

• Vorbereitung und Verabreichung von subcutanen, intramuskulären und<br />

intravenösen Injektionen<br />

• Vorbereitung und Anschluss von Infusionen bei liegendem Gefäßzugang,<br />

ausgenommen Transfusionen<br />

• Blutentnahme aus der Vene und aus den Kapillaren<br />

• setzen von transurethralen Blasenkathetern zur Harnableitung, Instillation<br />

und Spülung<br />

• Durchführung von Darmeinläufen<br />

• Legen von Magensonden<br />

Dies ist die gesetzliche Grundlage. In der gelebten Praxis sieht man<br />

zunehmend PflegehelferInnen und SchülerInnen in der direkten Pflege bei<br />

den Patienten und Diplomierte mit Dokumentation und Organisatorischem<br />

beschäftigt, was sich negativ auf die Beziehungskultur zwischen PatientIn<br />

und diplomierten Pflegepersonen auswirkt.<br />

Zu den Aufgaben einer diplomierten DGKP im PKD gehören neben der<br />

Schmerz-und Symptomtherapie bei Palliativpatienten, die an verschiedenen<br />

Abteilungen des Krankenhauses stationär behandelt werden, unter anderem<br />

auch folgende Bereiche (Krainz 2001):<br />

• Indikationsstellung für die Aufnahme auf die Palliativstation<br />

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• Erstellen eines Notfallplanes<br />

• Terminal-Care Planung<br />

Seite 13<br />

• Anbieten von bzw. Beratung über komplementäre Therapiemöglichkeiten<br />

wie u. a. Akupunktur, Homöopathie, Misteltherapie, Aromatherapie,<br />

Lasertherapie<br />

• Entlassungsvorbereitung, koordinierte Entlassung<br />

• Beratung Angehöriger<br />

• Wissensvermittlung an das Personal anderer Abteilungen<br />

Es ist unschwer zu verstehen dass solch eine scheinbar privilegierte Stellung<br />

den Neid der KollegInnen schürt. Im Bereich der Pflege ist eine Pflege-<br />

Konsiliartätigkeit im Krankenhaus bis dato nicht üblich, obgleich es<br />

SpezialistInnen auf den Gebieten der Wundversorgung, Stomaberatung,<br />

Diabetikerschulung gibt.<br />

Der direkte Vergleich des Tätigkeitsprofils und der Arbeitszeiten zwischen<br />

einer DGKP im Wechseldienst und einer wochentags nur tagsüber Dienst<br />

versehenden Pflegekraft im ambulanten Bereich scheint weiteren Konflikten<br />

als Ursprung zu dienen. Die körperliche Belastung bei der Betreuung von<br />

bettlägerigen PatientInnen sowie die familienfeindlichen und ungesunden<br />

Dienstzeiten fordern so manchen Tribut: Selbst Cicely Saunders, die<br />

Begründerin der modernen Hospizbewegung und Palliativmedizin, musste<br />

vor vielen Jahrzehnten wegen Rückenproblemen den Pflegeberuf verlassen.<br />

Nachtdienstarbeit wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus (Belenky et al<br />

2003, Van Dongen et al 2003). Im Pflegeberuf sind jedoch die Möglichkeiten<br />

dem Wechseldienst mit Nacht- und Wochendarbeitsdienst zu entkommen,<br />

gering (Yoon 2007).<br />

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3.2 VERENA GARTNER, Ausbildungsassistentin Innere<br />

Medizin; Universitätsklinik für Innere Medizin I,<br />

Palliativstation, Medizinische Universität <strong>Wien</strong><br />

3.2.3 Persönliche Ausgangslage<br />

Seite 14<br />

Ich begann meine klinische Tätigkeit 2003 als Assistenzärztin für Innere<br />

Medizin an der Universitätsklinik für Innere Medizin I, Abteilung für<br />

Hämatologie. In weiterer Folge wechselte ich auf die Allgemeinstation mit<br />

onkologischem Schwerpunkt. Mit wachsendem Einblick auch in die<br />

Schwachstellen des onkologischen Alltags erscheinen mir Ehrlichkeit und<br />

Wahrhaftigkeit gegenüber den Patienten von wesentlicher Bedeutung. Ich<br />

lernte, wie wichtig eine fachmännische schmerz- und symptom-orientierte<br />

Therapie, eingebettet in ein menschliches Umfeld ist. Zu diesem Zeitpunkt<br />

wurde an der Universitätsklinik für Innere Medizin I eine Stiftungsprofessur<br />

für Palliativmedizin mit einer Assistentenstelle geschaffen. Ich bewarb mich<br />

und erhielt die Möglichkeit, am Aufbau der Palliativstation mitzuwirken.<br />

Die gestellte Aufgabe: „Wie machen wir aus einer halben Internen Station<br />

eine Palliativstation mit fünf Betten?“ Ziel unserer Bemühungen war die<br />

Erfüllung der Strukturqualitätskriterien für Palliativstationen des<br />

Österreichischen Bundesinstituts für Gesundheit (ÖBIG) (Abb. 1).<br />

Im Mai 2006 ergab sich folgende Ausgangslage: Ein baulicher Umbau eines<br />

Teiles der Station war in Aussicht gestellt, jedoch ohne zeitliche Angaben.<br />

Die personellen Anforderungen konnten für alle Berufsgruppen mit<br />

Ausnahme der Pflege erfüllt werden. Ehrenamtliche MitarbeiterInnen sollten<br />

im Lauf der Zeit angeworben werden. Die größte Herausforderung stellte die<br />

Organisation der Pflege dar. Da kein zusätzliches Pflegepersonal<br />

aufgestockt werden konnte, musste die Bettenanzahl der Station reduziert<br />

werden, um dem erhöhten Pflegebedarf von PalliativpatientInnen gerecht zu<br />

werden. Zudem wollten nicht alle Pflegekräfte mit PalliativpatientInnen<br />

Interprofessioneller Palliativlehrgang 2007 / 2008; <strong>Kardinal</strong> <strong>König</strong> <strong>Akademie</strong><br />

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arbeiten. Es gelang unserer Stationsschwester, die Diensteinteilung so zu<br />

gestalten, dass dieser Dienst nicht gegen Wunsch der einzelnen<br />

Pflegeperson eingeteilt wird.<br />

ÄrztInnen (besondere Kenntnisse auf dem Gebiet der<br />

Palliativmedizin)<br />

Diplomiertes Pflegepersonal (besondere Kenntnisse<br />

auf dem Gebiet der Palliative Care)<br />

Physio- und PsychotherapeutInnen,<br />

SozialarbeiterInnen<br />

DiätassistentInnen, ErgotherapeutInnen,<br />

LogopädInnen, SeelsorgerInnen versch. Konfessionen<br />

Ehrenamtliche MitarbeiterInnen mit<br />

Koordinationsperson<br />

1 Vollzeitäquivalent<br />

je 5 Betten<br />

1,2 Vollzeitäquivalent<br />

je Bett<br />

6 Wochenstunden<br />

je PatientIn<br />

Verfügbar<br />

Verfügbar<br />

Infrastruktur – räumliche Ausstattung Verfügbar<br />

Abb. 1: Strukturqualitätskriterien für Palliativstationen des Österreichischen<br />

Bundesinstituts für Gesundheit (ÖBIG )<br />

Bereits vor Etablierung der Palliativstation gab es einmal wöchentlich eine<br />

„Psychosoziale Sitzung“, an der neben ÄrztInnen und Pflegepersonal auch<br />

PsychologInnen, SeelsorgerInnen, SozialarbeiterInnen und eine<br />

Diätassistentin teilnahmen. Diese Runde wurde nun um Vertreter der<br />

Psychiatrie und der Physikalischen Medizin als fixe Teilnehmer erweitert und<br />

darüber hinaus werden je nach Bedarf andere Berufsgruppen eingeladen.<br />

Wir sammelten Erfahrungen mit unseren ersten PatientInnen und waren mit<br />

Begeisterung und persönlichem Engagement dabei. Die Akzeptanz im<br />

Umfeld war sehr unterschiedlich, oftmals zurückhaltend beobachtend, jedoch<br />

auch ablehnend. Nicht nur einmal wurden Palliativbetten im Nachdienst mit<br />

PatientInnen der Akutaufnahme aus Gründen des Bettenmangels belegt.<br />

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Trotzdem wird langsam die Existenz der Palliativstation wahrgenommen,<br />

mehrere Informationsveranstaltungen fanden statt. Als weitere zentrale<br />

Themen kristallisierten sich die Teambildung bzw. Etablierung und<br />

Organisation einer neuen Einheit innerhalb bestehender Strukturen heraus.<br />

Ich selbst erlebte die Geburt einer Palliativstation an der Universitätsklinik als<br />

sehr spannend. Auch wenn das „Baby“ noch viele Entwicklungen<br />

durchmachen muss, hat damit eine Idee Raum bekommen, die vielleicht<br />

gerade in einem so leistungsorientierten Umfeld neue Akzente setzen und<br />

zur Reflexion anregen kann.<br />

Da im Jänner 2007 ein weiteres Baby (nämlich mein Sohn Stefan) das Licht<br />

der Welt erblickte, beobachte ich die laufende Entwicklung unserer Station<br />

durch häufige Besuche jetzt von außen. Die bauliche Umstrukturierung steht<br />

im Juli 2008 bevor und seit einigen Monaten gibt es auch noch eine weitere<br />

Assistenzärztin im Team, sowie ehrenamtliche MitarbeiterInnen.<br />

3.2.4 Spezielle Themenbetrachtung: „Team“<br />

Definition<br />

“Team” ist ein sehr moderner und positiv besetzter Begriff. Um zu einer<br />

Definition von “Team” zu kommen, lohnt sich ein Zwischenstopp auf dem<br />

Weg dahin, nämlich bei der „Gruppe“. Das Schlüsselelement der Gruppe<br />

stellt die Anwesenheit einer sozialen Struktur dar (Sherif 1969). Die Familie<br />

ist die erste Gruppe, mit der wir es zu tun haben. Eine Gruppe umfasst „zwei<br />

oder mehr Menschen, die miteinander kommunizieren, eine Reihe von<br />

gemeinsamen Zielen und Normen teilen, welche ihren Aktivitäten zugrunde<br />

liegen, und die Rollen und ein Netzwerk von Beziehungen entwickeln“ (Harre<br />

1986).<br />

Was unterscheidet nun das Team von der Gruppe? Laut Definition ist ein<br />

Team “eine Gruppe mit einer bestimmten Aufgabe, deren Ausführung die<br />

Zusammenarbeit aller Mitglieder in gegenseitiger Abhängigkeit erfordert”<br />

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(Beckhard 1974). Spezifisch für ein Team sind eine begrenzte Zahl an<br />

Mitgliedern (meist maximal zwölf), bestimmte Aufnahmekriterien für<br />

Mitglieder, idealer weise eine nach Kompetenz variable Führungsrolle und<br />

ein zentrales gemeinsames Ziel (Speck 2006).<br />

Teamgründung<br />

Normalerweise steht am Anfang eines (Palliativ-)Teams eine Person, die<br />

Vollmachten zum Aufbau hat. In dieser Position ist es ratsam, wesentliche<br />

Gesichtpunkte eines erfolgreichen Teams nicht aus den Augen zu verlieren.<br />

Eine Zahl von fünf bis sieben (Kern-)Mitgliedern gilt als ideal (Meier 2007).<br />

Erster Schritt ist die Auswahl der Teammitglieder. Wird ein Palliativteam neu<br />

gegründet, so gibt es zwei Vorgangsweisen. Entweder alle Teammitglieder<br />

werden neu eingestellt oder aber es werden bereits im Umfeld tätige<br />

Personen für die neue (oft zusätzliche) Aufgabe gewonnen. Im ersten Fall ist<br />

es möglich, die Teammitglieder gezielt auszuwählen. Im zweiten Fall müssen<br />

sich die betreffenden Personen „zusammenraufen“. Auch wenn ein Großteil<br />

der MitarbeiterInnen vorgegeben ist, sollte man versuchen, sich die Stärken<br />

und Schwächen aller Beteiligten bewusst zu machen. Eine gute<br />

Arbeitsgruppe benötigt Fachleute, die ihre Erfahrungen einbringen und nicht<br />

zuletzt von ihrer Persönlichkeit her für diese Aufgabe geeignet sind (Meier<br />

2007). Bei neu zu besetzenden Positionen sollte man besonders darauf<br />

achten, einen Bewerber zu wählen, durch den das bestehende Team um<br />

eine zusätzliche Fähigkeit ergänzt wird (Dunlop 1998, Meier 2007). Dies<br />

erreicht man am besten durch eine sehr präzise Ausschreibung der Position<br />

und ohne zu große Kompromisse bei der Besetzung. Außer fundierten<br />

Fachkenntnissen sind wesentliche Qualifikationen für die Teamarbeit<br />

Lernbereitschaft, geistige Beweglichkeit, Aufgeschlossenheit,<br />

Frustrationstoleranz, Kritikfähigkeit und positive Grundeinstellung (Meier<br />

2007). Jedes Teammitglied sollte eine klare Rolle ausfüllen, denn<br />

Unklarheiten über Zuständigkeiten gefährden das ganze Team (Dunlop<br />

1998, Hinse 2006). Verschiedene Charaktere und Persönlichkeiten<br />

unterscheiden sich auch in ihrem Umgang mit Problemen. Idealerweise<br />

sollte das Team aus einer Mischung unterschiedlicher Eigenschaften<br />

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bestehen. Theoretisch lassen sich Menschen mit unterschiedlichen<br />

Herangehensweisen folgendermaßen unterscheiden: Ein Zielpromotor<br />

stimmt den Fortschritt mit den Zielen ab, ein Fachpromotor stellt den<br />

Fachbezug in den Vordergrund und ein Sozialpromotor kümmert sich um das<br />

Wohlbefinden innerhalb des Teams (Meier 2007).<br />

Es gibt drei Grundstile für das Finden von Problemlösungen: Der analytische<br />

Stil geht Probleme systematisch an, analysiert logisch die Fakten und macht<br />

stichhaltige Lösungsvorschläge. Der kreative Stil nutzt seinen Ideenreichtum,<br />

um oft eine Reihe von nicht selten leicht skurrilen Lösungsvorschlägen zu<br />

produzieren. Beim kommunikativen Stil führen gemeinsame Diskussionen<br />

zur Lösung. Bei der Zusammenstellung eines Teams sollten ungünstige<br />

Konstellationen schon zu Beginn vermieden werden und die einzelnen<br />

Mitarbeiter sollten wissen, warum jemand im Team mitarbeitet Das Gelingen<br />

des Teams ist wesentlich gefährdet, wenn schon in der Gründungsphase<br />

einer der folgenden Fehler vorliegt: Unklarheiten bezüglich der Rolle, große<br />

Hierarchieunterschiede, alte Konflikte, Resignation, Gerüchte und Neid.<br />

(Meier 2007).<br />

Teamdynamik<br />

Stehen die Mitglieder des Teams fest, beginnt erst die Teamentwicklung im<br />

Sinne einer Gruppendynamik. Diese kann nur stattfinden, wenn eine<br />

gemeinsame Aufgabe besteht, die Teammitglieder genug Zeit miteinander<br />

verbringen und kommunizieren. Diese Prozesse können sehr unterschiedlich<br />

ablaufen, grob lassen sich jedoch meist vier Phasen unterscheiden:<br />

• Orientierungsphase<br />

Bei den ersten Treffen sind die Teammitglieder oft unsicher und verharren in<br />

ihren gewohnten Verhaltensweisen. Sie sind zurückhaltend und eher passiv.<br />

Die neuen KollegInnen und die eigene Position werden eingeschätzt. In<br />

dieser Phase bestehen hohe Erwartungen an den Teamleiter, klare<br />

Vorgaben zu machen.<br />

• Konfrontation und Strukturierung<br />

Mit wachsender Sicherheit beginnen die Teammitglieder neue Rollen zu<br />

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übernehmen, deren Grenzen erst in Konflikten abgesteckt werden müssen.<br />

Entscheidend ist, ob sich dies konstruktiv auf ein gemeinsames Ziel hin<br />

gestaltet und die Teammitglieder willens und fähig sind, Gruppeninteresse<br />

vor Einzelinteresse zu stellen. Am Ende sollte eine tragfähige<br />

Vertrauensbasis entstanden sein. Bei anhaltenden Sachkonflikten geht es in<br />

Wirklichkeit oft um emotionale Probleme mit Anerkennung, Macht und Rolle.<br />

• Organisationsphase<br />

Die Mitglieder finden sich zurecht, arrangieren sich, stellen<br />

Gemeinsamkeiten in den Vordergrund, lösen Konflikte und Spannungen,<br />

einigen sich, vereinbaren Regeln und halten sich daran. Es etablieren sich<br />

notwendige Organisationsstrukturen im Team und ein positives<br />

Gemeinschaftsgefühl entsteht. Gleichzeitig werden Außenstehende<br />

überkritisch betrachtet. Zu diesem Zeitpunkt ist die Leistungsfähigkeit des<br />

Teams begrenzt, es ist vor allem noch mit sich selbst beschäftigt.<br />

• Integrationsphase<br />

Unterschiedliche Ansätze und Sichtweisen kommen wieder eher heraus, die<br />

Stärken der einzelnen Mitglieder werden gewinnbringend kombiniert. Es<br />

kann Auseinandersetzungen um gewisse tonangebende Rollen geben,<br />

möglicherweise bilden sich Untergruppen. Das Ergebnis dieser<br />

Auseinandersetzungen sollten eigene Spielregeln und Normen unter klar<br />

verteilten Rollen sein (Burgheim 2006, Meier 2007).<br />

Teamführung<br />

Zwischen deutschem und englischem Sprachraum gibt es (zumindest im<br />

Palliativbereich) große Unterschiede bei den gängigen Vorstellungen von<br />

Führung. In England dominieren flache Hierarchien in der multidisziplinären<br />

Zusammenarbeit mit „shared leadership“ (Dunlop 1998). Darunter versteht<br />

man ein flexibles Wechseln der Führungsrolle innerhalb des Teams je nach<br />

Problemstellung und Kompetenzen. Dies stellt hohe Anforderungen an alle<br />

Teammitglieder und bedingt das Übernehmen von Einzelverantwortung.<br />

Begünstigt scheint diese Art des Führens durch fehlende ärztliche Dominanz<br />

und höhere Wertigkeit der Pflege zu sein. Die Palliativschwester stellt in<br />

England den Kern eines Teams dar und ist mit weitgehenden Kompetenzen<br />

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ausgestattet. Demgegenüber stehen im deutschen Sprachraum steile<br />

Hierarchien mit Führungsdominanz der ÄrztInnen und oft (durchaus auch<br />

selbstverschuldete) Entmündigung der Pflege. Daher ist die Führungsrolle<br />

meist klar an einen einzelnen vergeben, der auch die<br />

Entscheidungsverantwortung übernimmt. Die optimale Ausfüllung dieser<br />

Rolle ist von einer Einzelperson kaum zu bewerkstelligen, die theoretischen<br />

Anforderungen jedoch sind relativ klar definiert.<br />

Ein Teamleiter kann aktiv den Gruppenbildungsprozess mitgestalten, indem<br />

er sich vergegenwärtigt in welcher Phase sich das Team befindet. Es ist<br />

wichtig, das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Konfliktfähigkeit zu<br />

stärken, klare Ziele vorzugeben, gemeinsame Problemlösungen anzustreben<br />

und Regeln für den Umgang miteinander festzulegen. Bei<br />

Auseinandersetzungen sollte es möglichst keine Gewinner und Verlierer<br />

geben. Unklarheiten über die einzelnen Rollen und fehlende Kompetenzen<br />

von Teammitgliedern müssen erkannt und falls möglich durch gezielte<br />

Weiterbildungsangebote ausgemerzt werden. Gute Strukturierung und klare<br />

Zielvorgaben sind Verantwortlichkeiten des Teamleiters. Im „Transfer<br />

Arbeitsheft Teamleitung“ (Meier 2007) finden sich folgende zentrale Punkte,<br />

auf die ein Teamleiter achten sollte:<br />

• Definieren Sie klare Erwartungen<br />

• Legen Sie Leistungsnormen fest<br />

• Machen Sie deutlich, welches Verhalten Sie erwarten und was für ein<br />

Verhalten in Ihrem Team für Sie inakzeptabel ist<br />

• Führen Sie eine regelmäßige Besprechung ein, bei der das Team und die<br />

Zusammenarbeit selbst Thema ist<br />

• Fordern Sie offene Rückmeldungen, wenn Schwierigkeiten im Umgang<br />

mit anderen Teammitgliedern auftreten<br />

• Gehen Sie selber offen mit Ihren eigenen Fehlern um und zeigen Sie<br />

Verständnis für die Fehler anderer<br />

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Infrastruktur des Teams<br />

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Um einen reibungslosen Kommunikationsfluss im Team zu gewährleisten<br />

sind regelmäßige Zusammenkünfte unerlässlich. Ideal sind Treffen mit klar<br />

definierten Inhalten, die einerseits die Patientenbetreuung, andererseits<br />

Teamanliegen zum Thema haben. Pünktlichkeit und Verlässlichkeit hierbei<br />

stellen einen Gradmesser für den Teamgeist dar.<br />

Ideal ist ein tägliches multidisziplinäres Treffen des Kernteams zur<br />

Vorstellung neuer PatientInnen und zur Diskussion anfallender<br />

Entscheidungen im Routinebetrieb. Für die Erörterung komplexer<br />

Problemstellungen in der PatientInnen- und Angehörigenbetreuung eignet<br />

sich ein wöchentliches Treffen des erweiterten Teams. Bei besonderen<br />

Anliegen können hierzu entsprechende Experten eingeladen werden.<br />

Meetings etwa alle zwei Wochen helfen, spezielle Bedürfnisse des Teams<br />

und einzelner Mitglieder aufzugreifen. Ziel ist, die Arbeit des Teams<br />

effektiver zu machen, indem auch die Anliegen einzelner Mitglieder<br />

berücksichtigt werden. Die Vergabe und Koordinierung von Fortbildungen<br />

oder Informationsveranstaltungen kann hier erfolgen.<br />

Supervisionen, die etwa einmal pro Monat über mehrere Stunden stattfinden,<br />

stellen ein Forum für Stress- und Konfliktmanagement dar. Sie helfen die<br />

besondere Belastung durch den dauernden Umgang mit Sterben und Tod<br />

besser zu bewältigen. Oft werden sie von jemandem geleitet, der nicht zum<br />

Team gehört. Eine zweite Funktion dieser Supervisionen liegt im Ansprechen<br />

von schwelenden Teamkonflikten. Es dauert oft sehr lange, bis sich die<br />

Teammitglieder sicher genug fühlen, ihre „mask of chronic niceness“<br />

abzulegen (Dunlop 1998). In einer Atmosphäre von Akzeptanz und<br />

Unterstützung lassen sich dann auch so schwerwiegende Probleme wie<br />

mangelnde Qualifikation für die jeweilige Rolle oder die Planung eines<br />

Jobwechsel für überforderte Teammitglieder konstruktiv erörtern.<br />

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Nicht zu unterschätzen ist auch der hohe Wert von informellen Treffen des<br />

Teams, z.B. Ausflüge oder gemeinsame Abendessen. Hierbei lernen sich die<br />

Teammitglieder von anderen Seiten kennen und auch ein privater Austausch<br />

kann stattfinden und gegenseitiges Vertrauen gefördert werden.<br />

3.3 HARALD SCHÖCHTNER, Facharzt für Innere Medizin;<br />

Landesklinikum Waldviertel, Horn<br />

3.3.1 Persönliche Ausgangslage<br />

Ich arbeite seit 11 Jahren im Landesklinikum Waldviertel Horn. Nach<br />

Abschluss der Turnusarztzeit und Ausbildung zum Facharzt für Innere<br />

Medizin, liegt derzeit mein Hauptaufgabenbereich in der Betreuung unserer<br />

Dialysepatienten.<br />

Vor knapp 6 Jahren wurde ein stationäres Palliativteam im Spital aufgebaut<br />

und etabliert. In dieser Zeit war ich für eine Interne Station mit 12<br />

Krankenbetten verantwortlich. Als visitierender Assistenzarzt und später<br />

Oberarzt betreute ich häufig schwer- und schwerstkranke PatientInnen. Die<br />

ersten Aufklärungsgespräche mit PatientInnen lösten bei mir vor allem zu<br />

Beginn Unsicherheiten aus. Die Notwendigkeit der persönlichen Abgrenzung<br />

vom Schicksal vieler PatientInnen musste ich erst erkennen und erlernen. Im<br />

Rahmen eines vom Palliativ Team organisierten Kurses konnte ich<br />

Hilfestellungen und praktische Hinweise für eine professionelle Gesprächs-<br />

führung erwerben.<br />

Die Zusammenarbeit mit dem Palliativteam war anfänglich vor allem für<br />

unsere älteren KollegInnen aber auch für mich ungewohnt und manchmal mit<br />

Schwierigkeiten verbunden. Therapievorschläge empfanden einige als<br />

Einmischung in eigene Kompetenzbereiche, das Gefühl bei der Betreuung<br />

von schwerkranken Patienten „kontrolliert zu werden“ färbte so manche<br />

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persönliche Begegnung mit MitarbeiterInnen vom Palliativteam. Die eigenen<br />

Zeitressourcen sind begrenzt, Patientengespräche müssen oft sehr kurz<br />

gehalten werden, es entwickelt sich nicht selten ein Neidgefühl denen<br />

gegenüber, die vermeintlich genauer und intensiver auf die Situation und<br />

Betreuung der PatientInnen eingehen können.<br />

Durch das interdisziplinäre Arbeiten im Palliativteam und das Übernehmen<br />

von Kompetenzbereichen, die im hierarchisch organisierten Spitalsleben<br />

genau definiert und abgegrenzt sind, entstehen Situationen, in denen gut<br />

gemeinte Vorschläge oder Empfehlungen von anderen als Kompetenz-<br />

überschreitung empfunden werden. Schmerztherapie und Symptomkontrolle<br />

– Domänen der Palliativmedizin – sind dem Internisten nicht fremd, „da<br />

braucht er keine Unterstützung oder Verbesserungsvorschläge von<br />

anderen“. Die Probleme in der Zusammenarbeit machten nachdenklich, ich<br />

wollte mehr Einblick in die Strukturierung und Arbeitsweise des<br />

Palliativteams bekommen. Nach einigen klärenden Gesprächen gestaltete<br />

sich die gemeinsame Betreuung schwer- und schwerstkranker PatientInnen<br />

reibungsloser. Die Empfehlungen im Rahmen des Konsiliardienstes wurden<br />

gemeinsam besprochen, wichtige PatientInnengespräche versuchte ich -<br />

wenn möglich - im Beisein eines Mitarbeiters des Palliativteams zu führen.<br />

Die Arbeit des Palliativteams in unserem Krankenhaus hat die Betreuung<br />

schwer kranker PatientInnen sicherlich deutlich verbessert. Die Vorschläge<br />

zur Schmerztherapie und Symptomkontrolle werden an allen Abteilungen<br />

übernommen, die PatientInnen sind über ihre Erkrankungen entsprechend<br />

aufgeklärt, viele PatientInnen können „mit ruhigem Gewissen“ in die<br />

häusliche Pflege entlassen werden, weil man sicher sein kann, dass das<br />

Palliativteam die Betreuung zu Hause im vorhinein organisiert hat und sich<br />

auch um die Weiterbetreuung kümmert. Die Ideen der Palliative Care sollen<br />

durch MitarbeiterInnen, die sich mit den Inhalten der zugrunde liegenden<br />

Wissensbereiche auseinandergesetzt haben, in die einzelnen Abteilungen<br />

unseres Krankenhauses Eingang finden. Diese „Taktik“ wurde vom Leiter<br />

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des Palliativteams initiiert und wird weiter verfolgt. Immer mehr<br />

MitarbeiterInnen haben bereits Kurse in Palliative Care. absolviert und<br />

werden dabei finanziell vom Spitalsträger unterstützt<br />

Die Beschäftigung mit der Palliativmedizin in diesem Grundkurs bedeutet für<br />

mich mehr Einblick in das interdisziplinäre Arbeiten, in die möglichst breite,<br />

umfassende Versorgung schwer kranker PatientInnen zu erhalten. Die<br />

Auseinandersetzung mit der persönlichen Einstellung, religiöse Fragen bzw.<br />

schwere Erkrankung und den eigenen Tod betreffend, war nicht geplant,<br />

regte aber sehr zum Nachdenken an.<br />

3.3.2 Besondere Themenbetrachtung: „Hierarchie“<br />

„Das Aufeinandertreffen hierarchisch unterschiedlich strukturierter<br />

Organisationseinheiten“<br />

„Die Wurzel der Entwicklung von Organisationen in der menschlichen<br />

Gesellschaft liegt in jedem einzelnen von uns, nämlich das Streben nach<br />

Identität. Identität wird von jedem Menschen gesucht, gefunden und<br />

aufrechterhalten. Wir brauchen andere Menschen um unsere Annahmen<br />

über uns selbst zu bestätigen oder zu widerlegen“ (Jung 2002). Diese<br />

Grundprinzipien gelten auch in den Organisationsstrukturen unseres<br />

Gesundheitswesens. Obwohl das Ziel, die umfassende Betreuung und<br />

Behandlung von kranken, hilfsbedürftigen Menschen, für alle in diesem<br />

System Arbeitenden das gleiche sein soll, haben sich ganz unterschiedlich<br />

strukturierte und geführte Organisationseinheiten entwickelt. Im<br />

Krankenhaus stehen parallel, streng getrennt, die hierarchisch organisierte<br />

Berufsgruppe der MedizinerInnen, mit weiterer Aufteilung in Fach- und<br />

Abteilungsteams, dem ebenfalls hierarchisch organisierten Pflegeteam<br />

gegenüber. Die Verwaltung und Administration (in vielen Fällen noch<br />

strenger hierarchisch strukturiert) nimmt eine Sonderposition ein. Auch<br />

Pflegeteams in Altersheimen oder mobile Hilfsdienste unterliegen ähnlichen<br />

Organisationsprinzipien. Mit einem betriebswirtschaftlichen Begriff sprechen<br />

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wir von „Expertenorganisationen“ im Krankenhaus. Die verschiedenen<br />

Arbeitsteams (Ärzte, Pflege) sind monodisziplinär, werden von einer mehr<br />

oder weniger autoritären Führungsperson geleitet und lösen beim Einzelnen<br />

eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Identifizierung aus.<br />

Eine wichtige Funktion dieser Organisationseinheiten ist neben der<br />

Arbeitsteilung und dem fachlichen Austausch, die Hilfe bei schwierigen<br />

Entscheidungen. Unter dem Gesichtspunkt, dass riskante Entscheidungen<br />

von Einzelnen naturgemäß seltener getroffen werden, kommt es bei Team-<br />

entscheidungen zum „risk-shift“, einer Aufteilung der Verantwortung auf<br />

mehrere mit der Gefahr des „groupthink“ (Bedenken fallen der Gruppen-<br />

stimmung bei gutem gegenseitigen Verständnis und Zusammengehörigkeits-<br />

gefühl zum Opfer, rationale Bedenken werden durch emotionale<br />

Stimmungen verdrängt) (Janis 1972).<br />

Die monodisziplinär strukturierten Organisationseinheiten unterliegen der<br />

Gefahr, sich von anderen, nicht zur Gruppe gehörenden, abzuschotten: das<br />

Phänomen des „Außenfeindes“ (Jung 2002). Diese Abgrenzung nach außen<br />

fördert den Zusammenhalt in der Gruppe, Kommunikation nach außen wird<br />

schwierig. Ein weiteres Phänomen besteht in dem Desinteresse für und<br />

sogar Ablehnung von vielen Aspekten, die nicht mit der Ausübung der<br />

eigenen Profession zu tun haben. Die Bereitstellung von Ressourcen,<br />

Gestaltung sozialer Strukturen oder organisatorische Innovationen werden<br />

als Aufgabe übergeordneter Organisationen (z.B. Verwaltung) gesehen.<br />

„Man sieht sich eher als Vertreter eines Faches, denn als Mitarbeiter eines<br />

bestimmten Krankenhauses“ (Jung 2002) und versucht nur die eigenen<br />

Arbeitsbedingungen zu optimieren, andere Aufgaben werden als lästig<br />

empfunden, die Trägerorganisation gilt als unliebsames „Beiwerk“. Ein<br />

bewusstes Wahrnehmen der organisatorischen Abläufe im eigenen<br />

Arbeitsteam ist aber notwendig, um Veränderungen und Neuerungen<br />

implementieren zu können.<br />

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Aus eigener Erfahrung hat die durch Verhalten und Einstellung geprägte<br />

Betonung oder Überwindung hierarchischer Unterschiede verschiedener<br />

Berufsgruppen starken Einfluss auf die Qualität der gemeinsamen Betreuung<br />

von PatientInnen. Fühlt sich eine Pflegeperson genau so verantwortlich für<br />

das Wohlergehen der PatientInnenen wie der/die behandelnde Arzt/Ärztin,<br />

werden die alltäglichen Tätigkeiten und Kompetenzen wechselseitig<br />

geschätzt und anerkannt, werden irrational erkämpfte Kompetenzbereiche<br />

(„die Infusion darf ich nicht anhängen“,...„helfen sie dem Patienten auf, damit<br />

ich ihn abhören kann“) wenn notwendig und passend überschritten. Dies<br />

schafft ein durch gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzung geprägtes<br />

Arbeitsklima.<br />

Dies leitet zur - für Palliative Care Teams reklamierten - Interdisziplinarität<br />

und „flachen“ hierarchischen Struktur über: In einem interdisziplinären<br />

Palliativ Team sind die Berufsabgrenzungen weniger wichtig, die Führung ist<br />

aufgabenbezogen und nicht berufshierarchisch (Speck 2006),<br />

PatientInnenen und Familienmitglieder werden in den Entscheidungsprozess<br />

mit einbezogen, Kommunikation und Austausch im Team ist von immanenter<br />

Wichtigkeit, nicht genau definierte oder überlappende Rollenfunktionen<br />

einzelner Teammitglieder mindern den erwünschten Erfolg (Speck 2006).<br />

G.B. Crawford und S.D. Price (Crawford and Price 2003) stellen die schöne<br />

Analogie eines Palliativ Teams mit einer Hand her: einzelne Finger mit<br />

unterschiedlichen Fähigkeiten und Geschicklichkeiten arbeiten zusammen<br />

um mehr zu erreichen als die Summe der einzelnen Finger. Gemeinsam<br />

sollen spezifische Kompetenzen ausgenützt und fachübergreifend gearbeitet<br />

werden. Entscheidungen sollen demokratisch im Team zum Wohle des/der<br />

Patienten/-in getroffen werden. Trotz der „Gleichwertigkeit“ der Stimmen aller<br />

Teammitglieder kommt diese Organisationsstruktur nicht ohne „Führung“<br />

aus. Die in der Literatur (Dunlop 1998, Speck 2006) idealistisch formulierten<br />

Aufgabenstellungen und Anforderungen an den „Leiter“ eines Palliativteams<br />

sind meiner Meinung von einer Person nicht zu erfüllen.<br />

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Folgende Faktoren können die Konfrontation herkömmlicher Organisations-<br />

strukturen mit der Implementierung eines Palliative Care Teams<br />

beeinträchtigen (Curtis and White 2002)<br />

• Verlust von Einfluss,<br />

• Furcht vor Mehrarbeit und Stress,<br />

• Angst vor Veränderung,<br />

• Neid,<br />

• Abgabe von Kompetenzen<br />

Um diesen zu erwartenden Widerständen zu begegnen bedarf es nach<br />

Dunlop und Hockley (Dunlop 1998) vor allem der Expertise, des Teilens von<br />

Ressourcen und des Informationsaustauschs, bzw. des Versuches, die<br />

Ansätze, Arbeitsweisen und Ziele der Palliative Care weiterzugeben um<br />

„MitstreiterInnen“ zu akquirieren. „Wenn Palliative Care etabliert werden soll<br />

und man unter Zwang steht sich zu positionieren, ist es ratsam sich<br />

möglichst hoch in der Hierarchie einzuklinken“ (Weixler 2007)<br />

3.4 MARION VYVADIL, Pflegehelferin; Mobile<br />

Hauskrankenpflege der Caritas, Hollabrunn<br />

3.4.1 Persönliche Ausgangslage<br />

Im Zuge meiner Tätigkeit als mobile Pflegehelferin bei der Caritas bin ich<br />

allein beim Kunden zu Hause und muss vor Ort oftmals Entscheidungen<br />

treffen, die bei mir manchmal eine gewisse Unsicherheit auslösen. Ich habe<br />

zwar Kolleginnen an die ich mich jederzeit wenden kann, aber anders als in<br />

einem Krankenhaus fehlen mir direkte AnsprechpartnerInnen vor Ort, mit<br />

denen ich mich beraten kann. Ich treffe in meiner Arbeit auf Menschen mit<br />

individuellen Wünschen, Ängsten und Bedürfnissen und kommuniziere<br />

sowohl mit ihnen als auch mit Ihren Angehörigen und Hausärzten.<br />

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Ein Schlüsselerlebnis hat mich zu dem Entschluss veranlasst, eine<br />

Fortbildung in Palliative Care zu beginnen. Im konkreten Fall ging es um eine<br />

Frau, die mir, als es ihr noch besser ging, erklärte, sie möchte auf keinen Fall<br />

mehr ins Krankenhaus, sie möchte zu Hause bleiben „bis es halt vorbei ist“.<br />

Vom Ehemann wurde diese Aussage auch immer wieder bestätigt. Als<br />

meine Kundin sterbend war und nur mehr sehr wenig trinken wollte und<br />

nichts mehr essen konnte, hat der Hausarzt gemeint: „Die Frau gehört ins<br />

Krankenhaus, da hängen´s ihr eine Flasche an und dann geht´s ihr wieder<br />

besser“. Auf meine Bitte, dem Wunsch der Frau zu entsprechen, meinte der<br />

Arzt: „Wenn es keine Patientenverfügung gibt, geht das leider so nicht, da<br />

sich die Patientin ja nicht mehr artikulieren kann“. Der Ehemann hat<br />

schließlich die Einweisung verweigert. Die Frau ist dann einige Tage später<br />

friedlich eingeschlafen. Auf der einen Seite war ich froh darüber, dass dem<br />

Wunsch der Frau genüge getan wurde, auf der anderen Seite stand ich mit<br />

meiner Unsicherheit und der Hoffnung, alles richtig gemacht zu haben, allein<br />

da. Ich war verunsichert und auch verängstigt und es fehlte mir die<br />

Möglichkeit mich zu vernetzen und dieses Thema in meinem Team zu<br />

besprechen.<br />

Im Rahmen des Palliativlehrganges mussten wir ein Thema definieren,<br />

welches wir in der geplanten Projektarbeit bearbeiten sollten. Da das Projekt<br />

keine Aufgabe für Einzelkämpfer sein sollte, musste eine passende Gruppe<br />

gefunden werden, in die man seine Anliegen einbringen konnte. Mein Thema<br />

war „Angst“. Nachdem der Begriff selbst sehr umfangreich und schwer<br />

überschaubar ist, musste ich KollegInnen finden, in deren Themen ich mich<br />

mit meinem Anliegen am besten einbringen und wieder finden konnte.<br />

Während des Lehrganges habe ich erfahren, dass ich damals die<br />

Möglichkeit gehabt hätte, ein Mobiles Palliativteam der Caritas im<br />

Konsiliardienst anzufordern. Dieses hätte Kontakt mit der Hausärztin<br />

aufgenommen und wäre dem Gatten und mir bzw. meinen Kolleginnen<br />

beratend zur Seite gestanden.<br />

Interprofessioneller Palliativlehrgang 2007 / 2008; <strong>Kardinal</strong> <strong>König</strong> <strong>Akademie</strong><br />

Abschlussarbeit von Beyer C., Gartner V., Schöchtner H., Vyvadil M., Wiesinger K.


• Warum wusste weder ich noch mein Team von dieser Möglichkeit?<br />

• Warum konnte mir keiner diese Auskunft geben?<br />

Seite 29<br />

Im Palliativkurs fanden sich KollegInnen mit ähnlichen Problematiken und<br />

unser Thema war gefunden und in Worte gefasst: „Komplementierung<br />

bestehender Systeme durch Palliative Care“. Durch die Projektarbeit setzte<br />

ich mich sehr intensiv mit der Thematik auseinander und habe schon allein<br />

dadurch bereits mehr Sicherheit für meine berufliche Aufgabenstellung<br />

gewonnen.<br />

3.4.2 Spezielle Themenbetrachtung: „Akzeptanz“<br />

Definition Akzeptanz<br />

Akzeptanz/akzeptieren (accipere: lateinisch) wird verstanden als etwas<br />

annehmen, anerkennen, einwilligen, hinnehmen, billigen, mit jemandem oder<br />

etwas einverstanden sein. Dementsprechend kann Akzeptanz definiert<br />

werden als Bereitschaft, etwas zu akzeptieren (Drosdowski 1989). Es wird<br />

deutlich, dass Akzeptanz auf Freiwilligkeit beruht. Darüber hinaus besteht<br />

eine aktive Komponente, welche durch das Wort Toleranz ausgedrückt wird.<br />

Sie steht im Gegensatz zum passiven Dulden. Akzeptanz drückt ein<br />

zustimmendes Werturteil aus und bildet demnach einen Gegensatz zur<br />

Ablehnung. Akzeptanz kann sich beziehen auf:<br />

• Ein bestimmtes Verhalten des oder der Anderen<br />

• Eine Person oder eine Gruppe, die eine bestimmte Rolle repräsentiert<br />

oder Funktion ausübt<br />

• einer Zielsetzung und Wertmaßstäbe, die zunächst fremd sind<br />

Die Akzeptanz kann auch subjektbezogen und somit an Personen gebunden<br />

sein, welche die Situationen oder Sachverhalte für sich selbst als relevant<br />

und gültig für ihre Handlungen anerkennen (Wikipedia 2008).<br />

Der „Brockhaus“ definiert Akzeptanz als zunächst bejahende oder<br />

tolerierende Einstellung von Personen oder Gruppen gegenüber normativen<br />

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Abschlussarbeit von Beyer C., Gartner V., Schöchtner H., Vyvadil M., Wiesinger K.


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Prinzipien oder Regelungen, auch als das Verhalten und Handeln, in dem<br />

sich diese Haltung ausdrückt. In dieser Definition wird Akzeptanz (zunächst)<br />

als (positive) Einstellung beschrieben, allerdings erfolgt dann eine vom<br />

psychologischen Standpunkt aus zweifelhafte Gleichsetzung mit Verhalten.<br />

Das Wörterbuch der Soziologie definiert Akzeptanz als die Eigenschaft einer<br />

Innovation, bei ihrer Einführung positive Reaktionen der davon Betroffenen<br />

zu erreichen (Endruweit 2002). Kritisch ist die Verwendung des<br />

Eigenschaftsbegriffes zu sehen (Lucke 1997). Betont wird der<br />

Einführungsprozess, d.h. etwas Neues ist als akzeptiert zu betrachten, wenn<br />

bei der Einführung zustimmend reagiert wird. Nach dieser Definition gibt es<br />

keine (Nicht-) Akzeptanz von etwas Bestehendem. Akzeptanz kann erreicht<br />

werden durch Verstehen (also der Erkenntnis, es kann so sein), Ignoranz<br />

(dem Verdrängen, der Findung einer Einstellung) oder Resignation (der<br />

verzweifelnden Zustimmung). Im Folgenden beziehe ich mich auf Akzeptanz<br />

und deren Bedeutung in der Palliative Care.<br />

In der mobilen Betreuung dringen wir als Pflegepersonen in die Privatsphäre<br />

unserer PatientInnen ein. Das heißt, wir sollten uns in die bereits<br />

bestehenden Strukturen einfügen und Rhythmus, Gewohnheiten, Vorlieben<br />

usw. so weit als möglich annehmen – akzeptieren. Dies ist für viele<br />

Menschen ein Grund, warum sie gerne zu Hause betreut werden möchten.<br />

In der stationären Betreuung sind PatientInnen oft gezwungen, sich am<br />

Rhythmus und an den örtlichen Gegebenheiten des Klinikbetriebes zu<br />

orientieren. Somit liegt die Hauptlast der Akzeptanz im Krankenhaus bei den<br />

PatientInnen, bei den zu Hause betreuten Menschen jedoch bei den<br />

Pflegenden. Da bei einem Krankenhausaufenthalt fremde Systeme<br />

akzeptiert werden müssen möchten viele Menschen lieber zu Hause<br />

medizinisch versorgt und gepflegt werden. Dort, wo ihre Gewohnheiten, ihre<br />

Vorlieben und der Tagesrhythmus beibehalten werden können (gewahrte<br />

PatientInnenenautonomie).<br />

Interprofessioneller Palliativlehrgang 2007 / 2008; <strong>Kardinal</strong> <strong>König</strong> <strong>Akademie</strong><br />

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3.5 KARLHEINZ WIESINGER, Facharzt für Anästhesie und<br />

allgemeine Intensivmedizin; Palliativmediziner für die<br />

Caritas Socialis Pflege- und Sozialzentren, <strong>Wien</strong><br />

3.5.1 Persönliche Ausgangslage<br />

Ich arbeite seit September 2007 in der Caritas Socialis (CS) in <strong>Wien</strong> in drei<br />

Pflege- und Sozialzentren als vollzeitangestellter Palliativmediziner. Im<br />

Rahmen des Projektes "Hospizkultur und Mäeutik" der CS gemeinsam mit<br />

der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung der Alpe-Adria<br />

Universität Klagenfurt (IFF) wurde die Notwendigkeit der Mitarbeit eines<br />

Palliativmediziners zur Implementierung von Palliative Care in die stationäre<br />

Altenhilfe gesehen und noch während des laufenden Projektes umgesetzt.<br />

Die Finanzierung meiner Stelle erfolgt über dasselbe Spendenbudget, das<br />

als Grundlage für die Finanzierung des Projektes zur Verfügung steht -<br />

zweckgebunden für die weitere Entwicklung der Palliative Care. Seit Herbst<br />

2007 gehört es in einem multidisziplinären Team zu meinen Aufgaben, für<br />

Alte und Hochbetagte Rahmenbedingungen im Sinne der Palliative Care zu<br />

entwickeln, die es ermöglichen, einen würdevollen Lebensabend in optimaler<br />

medizinischer Versorgung in Pflegeheimen zu verbringen.<br />

Nach zwei Jahren Turnusausbildung in Niederösterreich wechselte ich in die<br />

Ausbildung zum Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin an die<br />

Universitätsklinik <strong>Wien</strong>. Im Anschluss daran arbeitete ich in mehreren<br />

Krankenhäusern in <strong>Wien</strong> und Niederösterreich und als Notarzt. Ich wechselte<br />

in meinem Turnus und in der Ausbildung zum Facharzt Spitäler, Abteilungen,<br />

Stationen, und konnte eine Vielzahl medizinischer Einrichtungen und<br />

Institutionen kennen lernen. Ich absolvierte zusätzliche Ausbildungen,<br />

interessierte mich für Komplementäres und suchte weiter meine<br />

medizinische Heimat, meine medizinische Identität. Ich konnte sie in den<br />

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Akutversorgungseinrichtungen - weder im AKH <strong>Wien</strong>, beim KAV <strong>Wien</strong>, in<br />

einem <strong>Wien</strong>er Belegspital noch in einem Grundversorgungskrankenhaus am<br />

<strong>Wien</strong>er Stadtrand – nicht finden und verließ mit ambivalenten Gefühlen die<br />

Spitalslaufbahn, um mich einer neuen Aufgabe im Bereich der Geriatrie und<br />

der Palliative Care zu widmen. Nach meiner Ausbildung zum<br />

Psychotherapeuten begann ich in eigener Praxis auch nebenberuflich<br />

psychotherapeutisch zu arbeiten.<br />

Die englische Palliativmedizinerin Cicely Saunders (1918- 2005) sagte:<br />

"Ich habe mich bewusst der Versorgung von Tumorpatienten gewidmet. Ich<br />

wusste, dass es mir nicht gelingt, die Misere in der Versorgung unserer alten<br />

Mitbürger aufzugreifen. Das Problem ist mir zu groß gewesen." Diese<br />

Aussage untermauert die zunehmende Kritik internationaler Gremien der<br />

Palliative Care an der einseitigen Fokussierung auf KrebspatientInnen, und<br />

die Forderung, dass die großen Fortschritte der Palliative Care auch anderen<br />

Patientengruppen zugute kommen sollten.<br />

Palliative Care ist eine allumfassende Betreuung von Menschen und deren<br />

Angehörigen, die mit Themen der Endlichkeit des menschlichen Lebens,<br />

lebensbedrohender Erkrankungen, Schmerzen, Angst, Abschiednehmen,<br />

Sterben und Tod konfrontiert sind.<br />

Die Ärztliche Versorgung in den CS-Pflege-und Sozialzentren<br />

Die BewohnerInnen der drei CS- Pflege- und Sozialzentren werden von<br />

niedergelassenen praktischen ÄrztInnen versorgt, die mit den betreffenden<br />

Heimen über unterschiedlich lange Zeit (bis zu 20 Jahre) verbunden sind.<br />

Andere BewohnerInnen behalten ihre langjährigen HausärztInnen nach dem<br />

Umzug ins Pflegeheim bei. Als hinzugekommener Palliativmediziner zu<br />

einem- aus dem Blickwinkel der HausärztInnen- gut funktionierenden System<br />

war hohe Sensibilität erforderlich, um nicht Konkurrenz zu erzeugen,<br />

sondern Akzeptanz zu erwirken und Kooperation vorzubereiten. Dieser<br />

Prozess dauert immer noch an, ist zum Teil von Erfolgen gekrönt, aber<br />

teilweise auch von Rückschlägen begleitet. Die Umsetzung von theoretisch<br />

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Vereinbartem kann vielfach erst in der Praxis "am gemeinsamen Patienten"<br />

gelebt werden.<br />

Für die HausärztInnen gab es wenige Monate vor meinem Beginn einen<br />

gemeinsamen Informationsabend, um über die geplante Anstellung eines<br />

Palliativmediziners zu berichten. Nach meinem Arbeitsbeginn fand pro<br />

Pflegeheim je ein gemeinsames Abendessen statt, als Möglichkeit, mich<br />

persönlich vorzustellen. Langjährig eingesessene MedizinerInnen hatten und<br />

haben zum Teil noch immer das Gefühl, diese „neuen“ Zusatzleistungen der<br />

Palliative Care seit vielen Jahren ohnedies selbst abzudecken. Wichtig war,<br />

Klarheit zu schaffen, dass die AllgemeinmedizinerInnen weiterhin für ihre<br />

PatientInnen ErstbehandlerInnen bleiben, dass sich an der Abrechnung ihrer<br />

Leistungen nichts ändert und dass mein zusätzliches Angebot als<br />

konsiliarärztliche Leistung zu verstehen ist.<br />

Unterschiedliche Palliative Care- Einsatzgebiete<br />

Es macht meiner Beobachtung nach einen Unterschied für die Akzeptanz<br />

des Palliativmediziners aus, ob es sich in der ärztlichen Zusammenarbeit um<br />

schmerzmedizinische Aufgabengebiete oder um End of Life Care Themen<br />

handelt. Nach den ersten sechs Monaten Beobachtungszeitraum wurde ich<br />

von den HausärztInnen häufiger bei End of life Care Themen zu einer<br />

Konsiliarbegutachtung und Therapieempfehlung eingeladen als zu<br />

schmerzmedizinischen Fragestellungen. Das „größere Zeitbudgets des<br />

Palliativmediziners“ scheint eine willkommene Ressource zu sein, auf die die<br />

Pflege und nicht zuletzt die meist gehetzten und zeitlich überforderten<br />

MedizinerInnen gerne zurückgreifen. In schmerzmedizinischen Aufgaben<br />

trete ich scheinbar phasenweise eher in Konkurrenz. Meiner Beobachtung<br />

nach tun sich MedizinerInnen deutlich schwerer, fachliche Defizite im<br />

Bereich der Schmerztherapie einzugestehen. Bei den neueren Themen der<br />

Palliative Care (z.B. neue Therapien oder Techniken wie PCA-<br />

Schmerzpumpen) dürfte es den HausärztInnen leichter fallen, kollegiale Hilfe<br />

oder fachliche Unterstützung anzunehmen.<br />

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Problematik der Hausärzte<br />

Seite 34<br />

Die visitierenden AllgemeinmedizinerInnen stehen ihrerseits durch<br />

bürokratische Anforderungen im Sinne der sorgfältigen schriftlichen<br />

Dokumentation im Pflegeheim und des krankenkassenbedingten Aufwandes<br />

für Rezepte und Verordnungen unter einem relativ starken Zeitdruck. Dies,<br />

zumal alle KollegInnen vorrangig in der eigenen Praxis für Allgemeinmedizin<br />

tätig sind und fallweise sogar noch weitere Pflegeeinrichtungen ärztlich<br />

betreuen. Der allgemeine Zeitdruck alles „unter einen Hut zu bringen“ und<br />

dafür eine - nach Meinung der HausärztInnen - nicht adäquate Entlohnung<br />

von der Krankenkasse zu erhalten, führt häufig dazu, dass nur<br />

„Kurvenvisiten“ am Schwesternstützpunkt abgehalten werden und manche<br />

BewohnerInnen ihre HausärztInnen über Wochen und Monate nicht<br />

persönlich sehen. Dadurch bedingt können notwendige Gespräche mit<br />

BewohnerInnen und deren Angehörigen oft nicht stattfinden. In solchen<br />

Konstellationen kommt häufig der Palliativmediziner zum Zug, da „er sich<br />

immer ausreichend Zeit nimmt“.<br />

Durch die nicht medikalisierte Pflege in den CS- Pflege- und Sozialzentren,<br />

brauchen die MitarbeiterInnen der Pflegeberufe wegen der fehlenden<br />

Ärztepräsenz eine klare Dokumentation und eine vorausschauende Strategie<br />

in Kooperation mit den HausärztInnen und dem Palliativmediziner. Nur so<br />

können sie medizinisch abgesichert in der Akutsituation (auch in der Nacht<br />

und am Wochenende) vorgehen. Die Pflege kann hierdurch mit<br />

gesundheitlichen Verschlechterungen der BewohnerInnen bis hin zum<br />

erwarteten Sterben einer BewohnerIn umgehen und die ärztlich für den<br />

Notfall verordneten Medikamente zur Symptomenkontrolle und<br />

Schmerztherapie im Pflegeheim verabreichen.<br />

Enorme Wichtigkeit besteht darin, für die BewohnerInnen von Pflegeheimen<br />

mögliche Entscheidungen vorausschauend zu planen um diese gemeinsam<br />

mit ihnen zu treffen. Das Gelingen der ärztlichen Kommunikation mit den<br />

Betroffenen und die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen<br />

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Berufsgruppen und den BewohnerInnen sowie den Angehörigen, den<br />

„significant others“, sind dafür essentiell (Bilton 1996).<br />

3.5.2 Spezielle Themenbetrachtung: „Palliativmedizin ist<br />

Kommunikation“<br />

Der Begriff „Kommunikation“ kommt aus dem Lateinischen (lat. communicare<br />

„teilen, mitteilen, teilnehmen lassen; gemeinsam machen, vereinigen“). Er<br />

definiert auf der menschlichen Alltagsebene ein gemeinschaftliches Handeln,<br />

in dem Gedanken, Ideen, Wissen, Erkenntnisse, und, Erlebnisse (mit-)geteilt<br />

werden und auch neu entstehen. Die Benutzung von Sprache ist kein<br />

Kriterium von fließender Kommunikation. Zeichen, Gestik, Mimik, Schrift, Bild<br />

oder Musik können ebenso Kommunikation sein. Kommunikation ist die<br />

Aufnahme, der Austausch und die Übermittlung von Informationen zwischen<br />

zwei oder mehreren Personen. Es handelt sich dabei um ein wechselseitiges<br />

Übermitteln von Daten, Inhalten oder Signalen, die für die Partner der<br />

Kommunikation eine festgelegte Bedeutung haben. Die Signale induzieren<br />

als Auslöser bestimmte Reaktionen.<br />

In der naturwissenschaftlichen Beobachtung tierischer und pflanzlicher<br />

Lebewesen sowie technischer Objekte oder Systeme wird Kommunikation<br />

zumeist als eine Verbindung betrachtet, aus der sich infolge wechselseitige<br />

Veränderungen bedingen. Bei der Beschreibung sozialer Zusammenhänge<br />

kann Kommunikation als ein Prozess angesehen werden, in dem mehrere<br />

Menschen gemeinsam Probleme lösen. Als Grundlage für die Möglichkeit<br />

kommunikativer Problemlösung wird eine Geschichte gemeinsamer<br />

Lebenspraxis angesehen. In gemeinsamer Lebenspraxis entsteht<br />

beispielsweise die Sprache.<br />

Das Wort Kommunikation fand erst Anfang der 1970er Jahre Eingang in den<br />

deutschen soziologischen Sprachgebrauch. Eine Gruppe um den<br />

Kommunikationswissenschaftler, Psychotherapeuten und Psychologen Paul<br />

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Watzlawick bearbeitete aus systemischem Ansatz und unter einem<br />

therapeutischen Gesichtspunkt die Rolle von Kommunikation in<br />

zwischenmenschlichen Beziehungen.<br />

Kommunikation selbst kann als Verhalten bezeichnet werden und das<br />

Gegenteil von Verhalten existiert nicht. So wie man sich nicht nicht verhalten<br />

kann, kann man also nicht nicht kommunizieren (Watzlawick 1969).<br />

Kommunikation beginnt anfänglich mit dem Erkennen des Gegenübers, mit<br />

dem Kontakt zwischen mir und der/dem Anderen. Man kann sich in sozialen<br />

Systemen der Kommunikation nicht entziehen. Nach dem deutschen<br />

Soziologen und Wissenschaftstheoretiker Niklas Luhmann (1927-1998)<br />

besteht Gesellschaft nicht aus einer Ansammlung von Menschen, sondern<br />

ist Gesellschaft ein operativ geschlossener Prozess der Kommunikation<br />

(Luhmann 2001).<br />

Ich möchte mich dem medizinischen System als einem Prozess der<br />

speziellen Kommunikation zuwenden. Hier werde ich mich in meinen<br />

Ausführungen auf den Bereich der Altenhilfe, der Pflegeheime und der<br />

Geriatrie beschränken.<br />

Kommunikation ist einer der wesentlichsten Inhaltsstoffe in der Arzt-/ Patient-<br />

Beziehung. Um sich dieser Kommunikation zu öffnen, braucht es Zeit,<br />

Geduld und Bereitschaft zu einer Beziehung. Es ist unerlässlich sich in<br />

unserer Kommunikation auf das Zuhören zu konzentrieren. Häufig handelt es<br />

sich jedoch mehr um eine kommunikative Deformation, die jedoch entweder<br />

geleugnet oder als Preis des medizinischen Fortschrittes im Sinne eines<br />

notwendigen Notstandes akzeptiert wird. Die Kommunikationsnot ist<br />

Ausdruck der geistigen Not des modernen Medizinsystems. Asymmetrische<br />

Kommunikation entsteht als Folge der Unfähigkeit oder dem Unwillen zur<br />

Kommunikation bzw. aus dem knapper werdenden Zeitbudget. PatientInnen<br />

geraten durch kommunikative Isolation schnell in den Zustand von<br />

Würdelosigkeit und Entmündigung und fühlen sich in weiterem Verlauf nicht<br />

verstanden. Alte Menschen geben sich oft mit ganz minimalen verbalen<br />

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ärztlichen Zuwendungen in Form von paternalistischen Wortspenden wie<br />

etwa: „Na, Frau Müller, geht´s uns eh´ schon besser.“ zufrieden - trotz<br />

innerer Verzweiflung und in der Diskrepanz aus dem wahrgenommen<br />

werden wollen und dankbar sein müssen, überhaupt angesprochen zu<br />

werden.<br />

In empirischen Studien wurde festgestellt, dass Ärzte bei Schwerkranken<br />

oder Sterbenden signifikant häufiger mit asymmetrischen<br />

Kommunikationsformen reagieren, als bei prognostisch günstigen Verläufen<br />

(Siegrist 1982). Wenn wir bezüglich des alten und zum Teil hochbetagten<br />

Klientels in Pflegeheimen das „Altsein“ mit „prognostisch ungünstig“<br />

gleichsetzen, müssen wir befürchten, dass Kommunikation für diese<br />

Patientengruppe häufig deformiert abläuft.<br />

Medizin fügt durch den Mangel an Kommunikation zusätzlich Leid zu.<br />

Existentielle Kommunikation geschieht nach Karl Jaspers „ohne Machtwillen<br />

auf dem gleichen Niveau, auf dem jedes Voran des Einzelnen nur erfolgt,<br />

wenn der Andere vorankommt, jeder Verlust des anderen eigener Verlust<br />

ist“. Dort wo Heilung und völliges Gesundwerden eben nicht alltäglich zu<br />

erreichende Ziele sind, bekommt diese existentielle Kommunikation keine<br />

besondere Attraktivität. Die Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit ist<br />

angesichts des vielen Leides, das ÄrztInnen sehen (müssen) möglicherweise<br />

auch nicht ausreichend motivierend. „Begreift man Kommunikation als<br />

Synthese dreier Selektionen, als Einheit aus Information, Mitteilung und<br />

Verstehen, so ist Kommunikation realisiert, wenn und soweit das Verstehen<br />

zustande kommt“ (Luhmann 2001) Jede Kommunikation enthält über die<br />

reine Sachinformation, über den Inhalt der Mitteilung hinaus einen Hinweis,<br />

wie der Sender seine Botschaft verstanden haben will und wie er seine<br />

Beziehung zum Empfänger sieht. Der Beziehungsaspekt bestimmt also mit,<br />

wie der Inhalt zu interpretieren ist. Die Art der Beziehung zwischen zwei<br />

KommunikationspartnerInnen ist für das gegenseitige Verständnis von<br />

grundlegender Bedeutung.<br />

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Kommunikation in der Altenhilfe erfolgt unter Selektion von Informationen,<br />

weil wir als Betreuende annehmen, dass manche Informationen nicht<br />

verstanden werden können oder nicht mitteilbar bzw. unnötig sind. Ein<br />

Aufklärungsgespräch klärt eine medizinische Sachlage auf, um eine<br />

Diagnose mitzuteilen und eine Behandlungserlaubnis zu erwirken. Wir<br />

fungieren als Übersetzer und entscheiden, welche Bereiche von<br />

Informationen für das Verstehen der PatientInnen wichtig sind. In der<br />

wortwörtlichen Übersetzung des englischen Begriffes „informed consent“<br />

finden wir jedoch zwei Begriffe: Information und Einverständnis. Hier wird die<br />

Brücke zwischen der sachlichen Information „Sie brauchen diese<br />

Operation.“, „Sie haben einen Tumor.“ und dem Verstehen „Stimmen Sie der<br />

Behandlung zu?“, „Konnten Sie mich verstehen?“ geschlossen. Welche<br />

Information geben wir aber den PatientInnen und unter dem Aspekt des<br />

oben gesagten dann den Alten und Hochbetagten?<br />

Zum einen wollen wir die Autonomie unserer PatientInnen gerade in der<br />

Palliative Care beachtet wissen und zum anderen besteht in der<br />

Kommunikation mit alten Menschen eine besondere Herausforderung. Es<br />

braucht Zeit, Willen und manchmal auch Mühe, um verstanden zu werden<br />

und es braucht Mut, wichtige Themen anzusprechen. „Es existieren<br />

Selektionsmechanismen innerhalb jedes sozialen Systems, die über die<br />

Zulässigkeit von Themen entscheiden. Für die Frage des<br />

Bedürfnismanagements ist diese Frage von großer Bedeutung, da sie<br />

Entscheidung über die Zulässigkeit von Themen bestimmt, welche<br />

Bedürfnisse gehört werden und welche nicht“ (Reitinger 2006).<br />

„Die Würde des Menschen liegt in seiner Wahl.“ (Max Frisch) Wir sind<br />

moralisch verpflichtet, unseren PatientInnen diese Würde zu erhalten, ihnen<br />

eine Wahl zu geben. Nicht das, was wir als BehandlerInnen wollen, zählt,<br />

sondern das, was uns von PatientInnen oder deren Angehörigen<br />

(mutmaßlicher Patientenwille) kommuniziert wird.<br />

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Wozu wollen wir denn eigentlich kommunizieren? Wir wollen die Bedürfnisse<br />

der alten und hochbetagten Menschen in den Pflegeheimen erfahren, wir<br />

sind an der privaten Situation der BewohnerInnen, an ihrer Befindlichkeit und<br />

Körperlichkeit interessiert. Für eine würdevolle letzte Lebensphase sorgen zu<br />

wollen, beinhaltet auch, den alten Menschen Würde zu geben,<br />

Wahlmöglichkeiten in der Betreuung und Behandlung einzuräumen.<br />

• „Wollen Sie bei einer Verschlechterung Ihres Zustandes wieder in das<br />

Krankenhaus gebracht werden?“<br />

• „Wollen Sie über eine PEG- Sonde ernährt werden oder reichen Ihnen<br />

ein paar Bissen Kompott und Suppe- auch wenn Sie vielleicht abnehmen<br />

und schwächer werden?“<br />

• „Möchten Sie, dass wir einen Notarzt rufen, wenn wir Sie sterbend<br />

finden?“<br />

Probleme in der Kommunikation sind ursächlich für Schwierigkeiten und<br />

Mängel in der Behandlung und Begleitung kranker und sterbender Menschen<br />

mitverantwortlich. Wichtig ist für Teams in Organisationen, dass Zeit und<br />

Ressourcen bestehen, sich über alle BewohnerInnen auszutauschen. Von<br />

großer Bedeutung ist dabei auch, über die Bedürfnisse der BewohnerInnen<br />

im Team zu kommunizieren, die selbst - wie etwa durch<br />

Demenzerkrankungen - in ihren Kommunikationsfähigkeiten unterschiedlich<br />

stark eingeschränkt sind.<br />

3.5.3 Schmerz und Kommunikation<br />

„Die Annahme, dass, wer nicht richtig denken kann, auch nicht richtig leidet,<br />

ist ein verbreiteter Irrtum. Er kann nicht um Hilfe bitten, er kann nicht sagen,<br />

was im weh tut und er kann seinen Schmerz nicht begreifen“ (Heller 1999).<br />

Schmerz schränkt die Lebensqualität drastisch ein, kann aber oft nicht<br />

„normal“ verbal kommuniziert werden. Schmerzsignale werden auf<br />

verschiedenste Weise, oft schwer erkennbar, auch nonverbal gesendet. Das<br />

auf Cicely Saunders zurückgehende Konzept des „total pain“ hilft uns, die<br />

Multidimensionalität des Schmerzes (somatischer, psychischer, sozialer und<br />

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spiritueller Schmerz) zu verstehen und eröffnet uns neue Konzepte in der<br />

Behandlung von Schmerzen. Neben unverzichtbarer fachlicher Kompetenz<br />

kommt dem multidisziplinären Team zusätzlich eine wichtige kommunikative<br />

Aufgabe zu.<br />

Grundprinzipien der Kommunikation wie Akzeptanz, Empathie und<br />

Kongruenz sind genauso für den Kontakt mit Hochbetagten gültig. Zur<br />

Erfassung der subjektiven Problemstellungen alter Menschen braucht es<br />

Beziehung zu unseren BewohnerInnen und vor allem Zeit, um sich auf diese<br />

einzustellen. Informationen aus dem multiprofessionellen Team haben<br />

dieselbe Wichtigkeit, wie ärztlich erfragte. Hier besteht in einer flach-<br />

hierarchischen interprofessionellen Teamstruktur auch die Möglichkeit und<br />

zugleich Notwendigkeit, Kommunikation im Fluss zu halten. Gespräche mit<br />

Angehörigen bekommen ausreichend Raum, um neben dem persönlichen<br />

Gespräch mit den BewohnerInnen auch noch zusätzliche Informationen für<br />

die Biographiearbeit zu bekommen. All diese Beobachtungen fließen in einer<br />

gemeinsam geführten Dokumentation, die allen MitarbeiterInnen im Team<br />

zugänglich ist, zusammen, um ein realistisches Bild der BewohnerInnen<br />

zeichnen und uns auf den Menschen einstellen zu können.<br />

• Empathie, Respekt und Fürsorge bilden die Matrix einer gelungenen<br />

Kommunikation mit älteren Menschen. Gelungene Kommunikation innerhalb<br />

von Teams und mit unseren BewohnerInnen und deren Angehörigen ist eine<br />

Voraussetzung für gegenseitiges Verständnis und Vertrauen und hilft mit,<br />

Teamstabilität und Gesprächskultur zu fördern und kann Bedrohungen des<br />

Teams oder Einzelner durch Erschöpfung oder Burnout vorbeugen.<br />

• Palliative Care in nicht medikalisierten Pflegeeinrichtungen erfährt durch<br />

die Unterstützung eines Palliativmediziners (in meinem Fall mit zusätzlicher<br />

Psychotherapieausbildung) neben der zusätzlichen fachlichen Expertise<br />

auch eine ärztliche Kompetenz im Bereich der Kommunikation.<br />

• Gespräche mit BewohnerInnen über medizinische Themen und Angebote<br />

der Palliative Care, Aufklärungs- und Beratungsgespräche, sowie Gespräche<br />

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mit Angehörigen „significant others“ (Bilton 1996) helfen mit, innerhalb der<br />

CS alle Bereiche der Palliative Care anzubieten.<br />

• Die Ziele ärztlicher Betreuung oder Behandlung in der Palliative Care<br />

orientieren sich noch stärker an den Prinzipien des ärztlichen Handelns<br />

(Gutes tun, nicht schaden sowie die Autonomie des Patienten respektieren)<br />

als in der rein kurativ und paternalistisch orientierten Medizin.<br />

• Durch gelungene Kommunikation mit den HausärztInnen und anderen<br />

MedizinerInnen setzen wir zusätzliche medizinische Schwerpunkte bezüglich<br />

Schmerztherapie und Symptomenkontrolle, um den BewohnerInnen ein<br />

würdevolles Leben bis zuletzt ermöglichen zu können.<br />

4 Ausarbeitung der Interviews<br />

4.1 Interviews geführt von Christine Beyer<br />

Ich hatte vom 10.1.2008 - 8.4.2008 vier InterviewpartnerInnen, denen ich die<br />

gleichen Fragen stellte. Die Interviews dauerten durchschnittlich 20 Minuten<br />

und wurden elektronisch aufgezeichnet. Ich wählte je zwei Personen aus<br />

dem ärztlichen und pflegerischen Bereich. Die Ärztinnen sind beide an der<br />

Internen Abteilung Baden tätig, eine Hämato-Onkologin und eine<br />

Assistenzärztin mit Palliativkurs. Bei den KollegInnen aus der Pflege handelt<br />

es sich um einen Praxisanleiter der Internen Abteilung mit zweieinhalb<br />

Jahren Berufserfahrung und eine seit 18 Jahren auf der Chirurgie tätige<br />

Diplomkrankenschwester. Folgende Fragen wurden gestellt:<br />

• Was verbinden sie mit Palliative-care?<br />

• Welche Erfahrungen haben sie mit dem PKD?<br />

• Welchen Grund gibt es den PKD anzufordern?<br />

• Wie müsste das Angebot formuliert sein?<br />

• Was ändert sich für sie?<br />

Bei der Auswertung sammelte ich in allen Interviews angesprochene<br />

Themen und verglich Unterschiede und Gemeinsamkeiten.<br />

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Angesprochen auf die Aufgaben des PKD waren sich alle<br />

InterviewpartnerInnen darin einig, dass es die Brückenfunktion zwischen<br />

Spital und häuslicher Pflege ist, die sie sich von solch einem Team erwarten.<br />

Information über den Verlauf daheim sowie überhaupt die Möglichkeit<br />

Unterstützung außerhalb des Spitals zu bekommen, wurden als sehr<br />

wichtiges, im Moment fehlendes, Angebot gesehen. Einigkeit herrschte<br />

bezüglich der Organisation von Hilfsmitteln, sowie der psychologischen<br />

Betreuung der Angehörigen durch den PKD. Dies wurde von allen als große<br />

Entlastung für die Betreuenden geschätzt. Hilfestellung in sozialen Fragen<br />

und Symptomkontrolle, wie Schmerztherapie, wurde erstaunlicherweise nicht<br />

von allen genannt. Unterschiedlicher Informationsstand, vor allem in der<br />

eigenen Kollegenschaft, erschwerte die Auswertung, da erst durch das<br />

Interview die Aufgaben des PKD erläutert werden mussten. So wurde die<br />

palliativpflegerische Unterstützung nicht nur positiv sondern auch als<br />

Konkurrenz gesehen.<br />

Interessant fand ich die Frage nach der Zuständigkeit. Hier erhielt ich vier<br />

verschiedene Sichtweisen, die sich von, „bei jedem onkologischen<br />

Patienten“, über „nur wenn therapeutisch nichts mehr zu tun ist“, „im<br />

Allgemeinen zu spät“, bis „nur wenn eine Entlassung nach Hause ansteht“<br />

erstreckten.<br />

In allen Interviews fand sich auch das Thema des geeigneten Sterbeortes.<br />

Es wurde die Problematik der fehlenden rund um die Uhr Rufbereitschaft,<br />

sowie die daraus resultierende Überforderung der Angehörigen benannt.<br />

Auch sieht man den PKD als ersten Schritt um Alternativen zum Sterben im<br />

Spital zu ermöglichen.<br />

Das Wort Palliativ-Konsiliardienst wird als zu schwierig gesehen, da es<br />

erklärt werden muss. Von den meisten Menschen wird „Palliativ“ mit Hospiz<br />

in Verbindung gebracht und auf Sterbebegleitung reduziert. Diese<br />

Namensgebung wird für die zu späte Inanspruchnahme verantwortlich<br />

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gemacht. In allen Interviews fand ich Aussagen bezüglich der Rolle des<br />

PKD. Die einen sehen in einem Kollegen im PKD einen Spezialisten, wie<br />

zum Beispiel ein Physiotherapeut es ist, der auch pflegerelevante Probleme<br />

übernimmt. Andere verstehen darunter Fachleute ausschließlich für<br />

Symptomkontrolle, wie Schmerztherapie. Oder sie heben die Funktion der<br />

psycho-sozialen Begleitung hervor. Der Informationsstand war sehr<br />

unterschiedlich. Hier fiel vor allem auf, dass trotz Kenntnis des Folders die<br />

Aufgaben nicht klar waren und die Dokumentationen in Form von<br />

Palliativkonsiliarbefunden nicht gelesen werden.<br />

4.1.1 Persönliche Schlussfolgerungen<br />

• Viele KollegInnen haben noch einen großen Informationsbedarf. Nach<br />

den Einführungsveranstaltungen haben wir nach halbjährigem Bestehen<br />

noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten, um uns im Haus zu etablieren.<br />

• Allgemein wird von den InterviewpartnerInnen eine Brückenfunktion<br />

erwartet. Allerdings können PatientInnen derzeit vom PKD nicht außerhalb<br />

des Spitals betreut werden, sondern sollen an das Mobile Palliativteam<br />

übergeben werden, was erstens mit großem Zeitaufwand verbunden ist und<br />

zweitens oft nicht funktioniert, da der Prozess der Vertrauensbildung von<br />

Neuem begonnen werden muss, und die Betroffenen dazu häufig nicht bereit<br />

sind. Im Zuge einer zukünftigen Evaluierung des Reformpoolprojektes wäre<br />

es sinnvoll hierauf einen besonderen Focus zu legen.<br />

• Die Tatsache dass es mehrere Informationsfolder gibt für PKD, Mobiles<br />

Palliativteam (MPT) und die Hospizbewegung Baden, erschweren die<br />

Aufklärungsarbeit immens. Der Folder unseres PKD wurde wegen<br />

mangelnden Informationsgehaltes beanstandet. Dem könnte man durch eine<br />

Überarbeitung dieser Broschüre entgegenwirken.<br />

• Eine Interviewpartnerin benannte Symptomkontrolle, wie<br />

Schmerztherapie als wesentlichste Aufgabe des PKD. Auch in der Literatur<br />

wird beschrieben, dass gelungene Symptomkontrolle einen wesentlichen<br />

Beitrag zur Erreichung von Akzeptanz leisten kann (Dunlop 1998). Hierin<br />

sehe ich eine Chance für den PKD, sich zu etablieren.<br />

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• Bezüglich Abgrenzung der Zuständigkeit des PKD ergaben die Interviews<br />

sehr unterschiedliche Aussagen, was wieder auf einen Mangel an<br />

Information hindeutet. Es wäre hier sinnvoll die Ursachen zu hinterfragen.<br />

• Möglicherweise wäre eine Namensgebung ohne Benutzung von<br />

Fremdwörtern aussagekräftiger.<br />

Abschließend möchte ich die Tatsache, dass sich aus allen Interviews ein<br />

mehr oder weniger großer Informationsbedarf über die Aufgaben und den<br />

Zweck der Einrichtung PKD ergeben hat, nochmals betonen. Information<br />

über das Wesen und das Wirken des PKD bei allen Betroffenen erscheint<br />

mir eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass der PKD, den in ihn<br />

gesetzten Erwartungen gerecht werden kann.<br />

4.2 Interviews geführt von Verena Gartner<br />

Im April 2008 führte ich vier Interviews im Umfang von fünf Fragen über die<br />

neu errichtete Palliativstation an der Universitätsklinik für Innere Medizin I im<br />

AKH <strong>Wien</strong>. Meine GesprächspartnerInnen waren ein onkologisch tätiger<br />

Assistenzarzt für Innere Medizin sowie drei habilitierte (Hämato-)<br />

OnkologInnen. Im Folgenden werden alle wesentlichen Aussagen zu jeder<br />

einzelnen Frage zusammengefasst.<br />

• Welche Erfahrungen haben Sie mit unserer Palliativstation?<br />

Von den 4 InterviewpartnerInnen berichtet eine ausschließlich über positive<br />

Erfahrungen, zwei haben sowohl positive als auch negative Erfahrungen,<br />

eine hat überwiegend negative Erfahrungen. Wobei letztere vor allem die<br />

Ablehnung der mangelhaften räumlichen sowie personellen Ausstattung<br />

betreffen, positive Erfahrungen werden eher im Zusammenhang mit<br />

konkreten PatientInnen geschildert.<br />

Positiv: immer ein(e) AnsprechpartnerIn; konkrete Terminvereinbarungen<br />

möglich; Rückmeldungen von PatientInnen und Angehörigen gut; überaus<br />

hilfreich, dass ein unterstützendes Team da ist; gute Schmerztherapie;<br />

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egelmäßige psychologische Betreuung der PatientInnen<br />

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Negativ: unzulängliche Räumlichkeiten mit Ausblick auf den grünen<br />

Bettenturm ohne Privatsphäre; unzureichendes Pflegeteam; keine<br />

Ehrenamtlichen; „Mogelpackung“; negatives Feedback, weil „falsche“<br />

Patientin zugewiesen: unklares „Zielpublikum“, unklarer „Zweck“ der<br />

Palliativstation (anfangs Unterschied zu Hospiz nicht verstanden)<br />

• Welche Gründe gibt es für Sie, das Palliativteam einzubeziehen?<br />

Alle 4 InterviewpartnerInnen berichten, den Kontakt zur Palliativstation meist<br />

spät zu suchen, wenn PatientInnen nicht mehr ambulant führbar sind und ein<br />

Bett brauchen. Drei bedauern diese Tatsache gleichzeitig und wünschen<br />

sich früheren Kontakt zur Palliativmedizin, z.B. durch Anwesenheit in<br />

Tumorboards.<br />

Gründe für Kontaktaufnahme: Suche nach Bett für sterbenden Patienten<br />

(unter Druck von der onkologischen Ambulanz aus oder als „Auslagern“ um<br />

Bett für kurativen Patienten freizubekommen); ambulantes Hospiz nicht<br />

möglich; Kommunikationsprobleme mit schwierigen Angehörigen,<br />

Möglichkeit, dem Patienten eine „positive“ Nachricht zu vermitteln: „Es gibt<br />

diese Station, die sich um ihre Lebensqualität kümmert und sich bemüht, sie<br />

in besserem Zustand wieder heimzuschicken.“<br />

• Was sollte die Palliativstation bieten, um in Ihrem Arbeitsumfeld<br />

eine Hilfe zu sein, bzw. wie sollte dieses Angebot formuliert /<br />

präsentiert werden?<br />

Eine Ärztin ist vollkommen zufrieden mit dem Angebot und meint, mit der<br />

derzeitigen MitarbeiterInnenanzahl sei nicht mehr möglich. Sie möchte gar<br />

keine Publicity außerhalb der Abteilung, weil es dann wieder schwerer wäre,<br />

ein Bett zu bekommen. Positiv wird auch die Präsenz bei den<br />

abteilungsinternen Fortbildungen bewertet. Ein Kollege äußert den Wunsch<br />

nach einem „klaren Profil“, welche PatientInnen zugewiesen werden sollen.<br />

Von drei KollegInnen kommt die Anregung, dass PalliativmedizinerInnen an<br />

den Tumorboards teilnehmen sollten. Weiters werden ein<br />

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palliativmedizinischer Konsiliardienst und eine Sprechstunde vorgeschlagen.<br />

• Was stört Sie an der Palliativstation?<br />

An erster Stelle werden die Lokalisation auf Ebene 18 und das bauliche<br />

Manko genannt. Es folgt die Kritik an den unzureichenden personellen<br />

Ressourcen (v.a. kein eigenes Pflegeteam), dem Fehlen eines ausführlichen<br />

Dekurses über die PalliativpatientInnen (würde externem Wochenenddienst<br />

das Leben erleichtern), an zu später Kontaktaufnahme mit PatientInnen und<br />

behandelnden ÄrztInnen sowie, damit verbunden, an kaum spontanen<br />

Bettenzusagen.<br />

• Was ändert sich für Sie durch die Palliativstation?<br />

Die Station wird als erster Schritt in einer beginnenden Entwicklung gesehen,<br />

der im Moment noch oft „ungerecht“ den „normalen“ onkologischen<br />

PatientInnen gegenüber empfunden wird, denen nicht so viel Ressourcen<br />

zuteil werden. Ziel sollte es sein, „palliative“ Betreuungsqualität für alle<br />

PatientInnen zu erreichen. Dass das ein langer Prozess ist, beschreibt ein<br />

Zitat aus einem Interview sehr gut: „Das Akzeptieren, dass ein Stadium der<br />

Krankheit erreicht ist, bei dem eine weitere Zytostatika- oder<br />

Antikörpertherapie keine Verlängerung der Lebenszeit in vertretbarer<br />

Lebensqualität mehr bringt, scheint weder für den Arzt oder die Ärztin ein<br />

leicht zu kommunizierender Inhalt, noch für den Patienten oder die Patientin<br />

und ihre Familie eine leicht annehmbare Botschaft zu sein.“<br />

4.2.1 Persönliche Schlussfolgerungen<br />

Aus den Interviews - die natürlich nur eine kleine Stichprobe darstellen -<br />

ergibt sich für mich der Eindruck, dass die Leistungen der Palliativstation<br />

innerhalb der Abteilung angenommen und geschätzt werden. Die<br />

KollegInnen bestätigen durch ihre Berichte über positive Rückmeldungen<br />

von PatientInnen und Angehörigen meinen persönlichen Eindruck, dass<br />

der/die einzelne PatientIn durchwegs von der Palliativstation profitiert. Umso<br />

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bedauerlicher ist es, dass diese Leistungen nicht durch eine entsprechende<br />

Ausstattung von Seiten des Krankenanstaltenträgers honoriert werden. Vor<br />

allem der Mangel an eigenen Räumlichkeiten und einem ausschließlich<br />

palliativmedizinisch tätigem Pflegepersonal muss durch hohes persönliches<br />

Engagement aller Beteiligten wettgemacht werden. Dies führt meiner<br />

Meinung nach mittelfristig zu Frustration, Unzufriedenheit und Spannungen<br />

im Team, worunter im Endeffekt auch die PatientInnenbetreuung leiden wird.<br />

Bezüglich des Umbaus scheint es Fortschritte zu geben, dieser ist für Juli<br />

2008 in Aussicht gestellt.<br />

Den Interviews lassen sich auch einige wichtige Anregungen entnehmen, die<br />

mehr oder weniger leicht mit dem aktuellen Personalstand umsetzbar sind.<br />

Die Dekurse über die PalliativpatientInnen sollten so aktuell und ausführlich<br />

wie möglich sein. Sie tragen auch zu einer besseren Kommunikation<br />

zwischen den unterschiedlichen Berufsgruppen bei.<br />

Sehr interessant und verfolgenswert erscheint mir auch die Idee, dass ein(e)<br />

PalliativmedizinerIn in beratender Funktion an bestimmten Tumorboards<br />

teilnimmt. So ließe sich vielleicht auch das Manko der zu späten<br />

Kontaktaufnahme beseitigen. Erste Bemühungen, einen<br />

palliativmedizinischen Konsiliardienst zu etablieren gibt es bereits, doch ist<br />

dies mit der derzeitigen Personalsituation schwierig zu organisieren.<br />

Unklarheiten darüber, für welche PatientInnen eine Aufnahme an der<br />

Palliativstation sinnvoll ist, zeigen ein immer noch bestehendes<br />

Informationsdefizit, dem durch weitere Informationsveranstaltungen und ev.<br />

Broschüren begegnet werden sollte.<br />

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4.3 Interviews geführt von Harald Schöchtner<br />

Seite 48<br />

Ich stellte sechs Fragen an drei Kollegen (ein Arzt für Palliativmedizin,<br />

Allgemeinmedizin und Anästhesie; zwei Ärzte für Allgemeinmedizin und<br />

Innere Medizin). Das Hauptaugenmerk der Fragen zielt auf die<br />

Zusammenarbeit unseres seit knapp sechs Jahren existierenden<br />

Palliativteams mit den KollegInnen des stationären Krankenhausbetriebes.<br />

Das Palliativteam besteht aus acht Personen (zwei Ärzte, drei Personen aus<br />

dem Pflegebereich, ein Seelsorger, eine Psychologin und eine Sekretärin),<br />

ist stationär im Krankenhaus untergebracht (Sekretariat und<br />

Besprechungsraum) und versorgt auch PatientInnen in Zusammenarbeit mit<br />

den niedergelassenen ÄrztInnen zu Hause.<br />

• Wie wurde ursprünglich die Errichtung eines stationären Palliative<br />

Care Teams und damit verbunden die „Lehre der Palliativmedizin“<br />

vom Ärzteteam aufgenommen?<br />

Am Anfang existierten vor allem bei den ÄrztInnen der konservativen Fächer<br />

(z.B. Interne und Neurologie) Skepsis und Vorbehalte. Es bestand die<br />

Furcht, andere KollegInnen mischen sich in bestehende Therapieschemata<br />

ein, die bis jetzt übliche Betreuung von schwer kranken Patienten würde<br />

kritisiert und nicht geschätzt werden, es könnte ein großes Durcheinander<br />

entstehen, wenn andere KollegInnen Anordnungen erteilen. Die Frage, wozu<br />

ein Palliativteam gebraucht wird, tauchte auf, da die Betreuung schwer<br />

kranker Patienten ohnehin gut funktioniere<br />

Die MitarbeiterInnen der operativen Fächer freuten sich über die Etablierung<br />

eines krankenhausinternen Palliativteams. Die stationäre Betreuung der<br />

PatientInnen unter dem oft bestehenden Zeitdruck, wieder operieren zu<br />

müssen, gestaltete sich schwierig. Die zusätzliche „Unterstützung“ durch das<br />

Palliativteam wurde begrüßt.<br />

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• Welche konkreten Probleme haben sich seit Beginn der<br />

Zusammenarbeit ergeben?<br />

Am Beginn bestanden Schwierigkeiten, Anweisungen und Vorschläge des<br />

Palliativteams zu akzeptieren. Neue Therapieschemata, neue Medikamente,<br />

neue Ernährungsstrategien riefen Skepsis hervor und hätten sich durch<br />

intensiveren persönlichen Kontakt mit den behandelnden KollegInnen<br />

wahrscheinlich schneller durchgesetzt. Bei allen Interviewpartnern wird die<br />

Wichtigkeit des Gespräches der agierenden Personen betont. Schriftliche<br />

Therapie- und Pflegevorschläge dienen der Dokumentation und<br />

Gedächtnisstütze, können aber ein Gespräch vor allem bei der<br />

gemeinsamen Betreuung schwer kranker PatientInnen oft nicht ersetzen.<br />

Anfänglich wurden Vorschläge des Palliativteams manchmal als überzogene<br />

Maßnahmen bzw. als „Aktionismus“ beurteilt. Teilweise wurden<br />

Diskussionen auch sehr emotional geführt. Den Informationsfluss zwischen<br />

den KollegInnen empfand man in der ersten Zeit als zu wenig intensiv, der<br />

Wissensstand über die aktuelle Situation von PatientInnen war oft<br />

unterschiedlich. Alle Interviewpartner sind sich einig, dass durch ein<br />

gegenseitiges Zurücknehmen von Vorurteilen und Vertrauen gewinnen die<br />

anfänglich bestehenden Reibeflächen geglättet werden konnten.<br />

• Gibt es fachabteilungsspezifische Unterschiede in der Akzeptanz<br />

und in den Problemstellungen bei der Zusammenarbeit mit dem<br />

Palliativteam?<br />

Die Kollegen der Internen Abteilung hatten zu Beginn Bedenken mit<br />

KollegInnen zusammenzuarbeiten, die sich in gewohnte Therapieschemata<br />

einmischen, die vielleicht die bisherige Betreuung schwer kranker Patienten<br />

nur gering schätzen oder kritisieren. Das Bild der „Obergscheiten“, die alles<br />

besser wissen, färbte so manche (nicht nur Internisten-) Meinung über das<br />

Palliativteam. Die Zusammenarbeit mit den chirurgischen Fächern<br />

(Chirurgie, Gynäkologie) klappte von Anfang an gut. Die Empfehlungen des<br />

Palliativteams werden umgesetzt, die zusätzliche Betreuung der Patienten<br />

wird geschätzt.<br />

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• Hat sich nach nun mehrjähriger Zusammenarbeit die Einstellung zur<br />

Arbeitsweise des Palliativteams verändert?<br />

Die früher bestandenen Vorurteile, Bedenken und anfänglichen<br />

Berührungsängste konnten nach einhelliger Meinung ausgeräumt werden.<br />

Die Kooperation ist mit dem Erfahren und Erleben des Wirkens des<br />

Palliativteams deutlich besser geworden. Von allen drei Interviewpartnern<br />

werden die Fortschritte in der Zusammenarbeit auf gegenseitige<br />

„Anpassung“ und Wertschätzung zurückgeführt. Man braucht sich nichts<br />

mehr beweisen, der Einsatz des Palliativteams wird gewürdigt, die<br />

anfänglichen Bedenken des „Aktionismus“ und der Überversorgung von<br />

PatientInnen können durch Teamgespräche ausdiskutiert werden.<br />

Die Entlassung unheilbar schwer kranker, oft pflegebedürftiger Patienten ist<br />

durch das Engagement des Palliative Care Teams für die Betreuung und<br />

Versorgung zu Hause deutlich leichter geworden. Wiederholte<br />

Spitalsaufnahmen können durch Maßnahmen der MitarbeiterInnen des<br />

Teams vor Ort in Kooperation mit den HausärztInnen verhindert werden.<br />

Wichtige Erfahrungen aus der Sicht des Leiters des Palliativteams in Bezug<br />

auf „Führung“ und Entscheidungsprozesse innerhalb des Teams: Ein<br />

wichtiger Schritt in der Etablierung des neuen Teams war die Übernahme<br />

der Verantwortlichkeit durch den ärztlichen Direktor, gleichzeitig Leiter der<br />

Internen Abteilung. Dadurch erhielten Entscheidungen und Prozesse auch<br />

im Internistenteam mehr Unterstützung. Die Leitung eines interdisziplinären,<br />

demokratisch „geführten“ Teams erfordert Flexibilität und die Fähigkeit,<br />

Fehler möglichst rasch zu erkennen. Anfänglich wurde die Wichtigkeit der<br />

Definition und des Bewusstmachens von Zuständigkeiten und<br />

Rollenfunktionen der MitarbeiterInnen innerhalb wie außerhalb des Teams<br />

unterschätzt. Die Entscheidungen werden demokratisch gefällt. Allerdings<br />

muss zwischen Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit unterschieden<br />

werden. Die Teammitglieder haben unterschiedliche Ausbildungen und damit<br />

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unterschiedliche Kompetenzbereiche, die zur Entscheidungsfindung und<br />

zum Aktivwerden berechtigen. Es soll aber so sein, dass alle gleichberechtigt<br />

sind, ihren Beitrag einzubringen und dass dieser Beitrag einen gleichen Wert<br />

hat. Dennoch gibt es Entscheidungsprozesse, wo definiert werden muss wie<br />

eine Entscheidung zustande kommt.<br />

• Hat sich die Betreuung unheilbar schwer kranker Patienten im LK<br />

Horn auch ohne Miteinbeziehung des Palliativteams geändert, bzw.<br />

verbessert?<br />

Das Niveau im Bereich der Schmerz-, Ernährungstherapie und Pflege hat<br />

sich nach Meinung der Internisten deutlich gebessert. Bestimmte<br />

Medikamente und Indikationsstellungen, die aus dem Palliativteam<br />

gekommen sind werden jetzt ganz selbstverständlich angewendet. Die<br />

Aufklärung der PatientInnen wird von den betreuenden KollegInnen mit<br />

Empathie und unter adäquaten Gesprächsbedingungen durchgeführt. Die<br />

Einstellungen zum Absaugen und Umgang mit Flüssigkeitsgabe in der<br />

Terminalphase haben sich geändert.<br />

Eine wichtige Rolle in der Qualitätsverbesserung der Betreuung unserer<br />

PatientInnen, spielt die Auslagerung der Onkologie aus dem stationären<br />

Bereich, mit nun tagesklinischer Organisation und eigenem Ärzte- und<br />

Pflegeteam. Wöchentliche Tumorboardbesprechungen fördern die<br />

Kommunikation zwischen den betreuenden Disziplinen.<br />

• Was würden Sie in Zukunft anders machen?<br />

Das kollegiale Gespräch in einer entspannten Atmosphäre soll forciert<br />

werden, der Informationsfluss zwischen den einzelnen betreuenden<br />

Professionalitäten darf nicht verloren gehen, möglichst viele Beteiligte sollten<br />

über das weitere Vorgehen bei den einzelnen PatientInnen Bescheid wissen.<br />

Parallelstrukturen zwischen Onkologie, Palliativteam und stationärem<br />

Betreuungsteam sollten vermieden werden. Die Indikationsstellung zur<br />

Fortsetzung einer Chemotherapie sollte von allen betreuenden Ärzten öfters<br />

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hinterfragt und zum Diskussionsthema gemacht werden. Bei einer weiteren<br />

Zunahme der onkologischen Patienten muss das Personal des<br />

Palliativteams aufgestockt werden.<br />

4.3.1 Persönliche Schlussfolgerungen<br />

Wie aus den Antworten abzuleiten, findet die Arbeit des Palliativteams<br />

durchwegs Zustimmung und Wertschätzung. Der Einfluss des Teams auf<br />

Therapie und Betreuung schwer kranker Patienten ist groß und allgemein<br />

anerkannt. Alle Interviewpartner betonen die Wichtigkeit des gemeinsamen<br />

Gespräches und der ungestörten Informationsflüsse innerhalb des<br />

„Betreuungsteams“, damit die PatientInnen möglichst umfassend, inter-<br />

disziplinär und vom gleichen Wissenstand ausgehend versorgt werden<br />

können.<br />

4.4 Interviews geführt von Marion Vyvadil<br />

Meine in den Interviews gestellten Fragen weichen von denen meiner<br />

Kollegen/Innen ab, da die Ausgangslage eine etwas andere ist. Im mobilen<br />

Dienst betreuen wir oft sehr lange unsere Kunden zu Hause, bevor sie in die<br />

palliative Situation kommen. Manchmal werden Menschen von uns nur<br />

einige Tage vor ihrem Sterben betreut.<br />

In meinen Interviews ging es darum, zu hinterfragen, was unsererseits bzw.<br />

von Seiten der Ärzte getan werden soll, damit eine für den/die Kunden/-in<br />

optimale Palliativbetreuung zu Hause durchgeführt werden kann. Die<br />

Gespräche habe ich mit drei niedergelassenen prakt. Ärzten und einer Dipl.<br />

Krankenschwester, sie ist Leiterin einer Sozialstation der Caritas, geführt.<br />

Meinen Gesprächspartnern wurden folgende Fragen gestellt:<br />

• Berufliche Ausbildung im Bezug auf Palliative Care<br />

• Was verstehen Sie unter, bzw. was ist für Sie Palliative Care?<br />

• Was ist für Sie in der Zusammenarbeit zwischen den mobilen Diensten<br />

und den Hausärzten in Bezug auf Palliative Care wichtig?<br />

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• Welche Erfahrungen haben Sie mit dem mobilen Palliative Care Team?<br />

• Wann beginnt Palliative-Care?<br />

• Berufliche Ausbildung im Bezug auf Palliative-Care:<br />

Keiner der Befragten hat eine spezielle Ausbildung, alle arbeiten intuitiv, von<br />

Fall zu Fall, basierend auf Wissen, Praxis und Erfahrung. Die praktischen<br />

Ärzte haben alle den typischen Werdegang für Allgemeinmediziner absolviert<br />

und sind seit 1975, bzw. 1986 und 1999 in eigener Arztpraxis tätig. Die<br />

DGKS diplomierte Im Jahr 1988 am AKH und ist seit 13 Jahren in der<br />

mobilen Hauskrankenpflege der Caritas tätig.<br />

• Was verstehen Sie unter, bzw. was ist für Sie Palliative Care?<br />

Es sind sich alle Interview-Partner darüber einig, dass man ab dem<br />

Zeitpunkt, wo ein Mensch absolut keine Chance mehr hat zu genesen und<br />

wo eine Lebensverlängerung nur mehr mit Qualen und Nachteilen erkauft<br />

wird, so pflegt, dass die verbleibenden Tage oder Stunden in schmerzfreiem<br />

Zustand verbracht werden. Dazu zählt auch ein psychisch entspannter<br />

Zustand (Beisein von Angehörigen und dgl.), der/die PatientIn soll frei von<br />

Ängsten, Verzweiflungszuständen und Atemnot sein und diese Zeit in<br />

seiner/ihrer gewohnten Umgebung verbringen können. Wo eine<br />

medizinische Betreuung nur eine Verlängerung obiger Probleme ist, „sollte<br />

man keine Tätigkeiten wie künstliche Ernährung, Infusionen anhängen usw.<br />

setzen, sondern gemeinsam mit ihm den letzten Weg gehen. Wie es die<br />

Menschheit ja bis vor 60-80 Jahren immer getan hat.“<br />

Hier ist auch die Meinung zweier Mediziner sehr interessant:<br />

A: Hält von Palliative Care Zentren nichts: „Weil man eine Zwei-Klassen-<br />

Medizin macht, die sich niemand leisten kann. Das ist das Teuerste was wir<br />

anbieten können, paradoxerweise dann, wenn´s eigentlich aus ist. Zu Hause<br />

betreuen mit Unterstützung des Arztes, der mobilen Dienste und<br />

Angehörigen wird schon lange betrieben.“<br />

B: „Jeder Mensch der kritisch ist, und unser derzeitiges System überdenkt,<br />

merkt, dass manches an der Humanmedizin nicht human ist. In manchen<br />

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Bereichen besteht sicher Handlungsbedarf, auch die Zeit für Gespräche<br />

bleibt auf der Strecke. Mit 30 oder 40 Jahren bewegt einen das Thema<br />

Sterben nicht sehr. Aber je älter man wird, und je mehr Freunde und<br />

Verwandte man durch den Tod verliert, auch Weggefährten und Kollegen, je<br />

mehr denkt man darüber nach.“<br />

In Palliative Care ist die Betreuung der Angehörigen mindestens genauso<br />

wichtig. Wenn diese wissen, dass da ein Ansprechpartner ist, dem sie<br />

Kompetenz zutrauen, der sich für sie Zeit nimmt und sich ihre Sorgen anhört,<br />

dann fällt es ihnen auch leichter, den Betroffenen zu Hause in aller Ruhe und<br />

gewohnter Umgebung bis zu seinem Lebensende zu betreuen. Weil<br />

Palliative Care auch die Familien stützen soll, nicht nur die Betroffenen.<br />

• Was ist für Sie in der Zusammenarbeit zwischen den mobilen<br />

Diensten und den Hausärzten in Bezug auf Palliative-Care wichtig?<br />

Mediziner:<br />

Mit Hilfe der mobilen Dienste ist es dem Arzt möglich, die Betreuung der<br />

PatientInnenen zu Hause sicherzustellen. Die Pflegepersonen sind<br />

regelmäßig beim Patienten, daher können Informationen an den Arzt präzise<br />

weitergegeben werden. Im Zuge der Zusammenarbeit werden Erfahrungen,<br />

Beobachtungen usw. ausgetauscht. Wenn die Angehörigen psychisch und<br />

physisch nicht in der Lage sind, die Pflege und Betreuung zu Hause<br />

durchzuführen, war früher nur eine Einweisung in das Krankenhaus möglich.<br />

Seit dem Ausbau der Palliative Care Betreuung ist es nun auch möglich, in<br />

diesen speziellen Fällen eine professionelle Betreuung zu Hause<br />

durchzuführen.<br />

DGKS: Der Idealfall in der mobilen Betreuung wäre, wenn der/die Hausarzt/-<br />

ärztin jederzeit kontaktiert werden kann und in Notsituationen bereit ist zu<br />

kommen. Speziell bei KrebspatientInnen, wenn immer wieder Schmerzen<br />

durchbrechen oder sie sich in der finalen Phase befinden, eine Visite auch<br />

3mal täglich möglich ist. Diese Form stellt eine Idealform dar, die natürlich<br />

nicht jederzeit und mit allen ÄrztInnen durchführbar ist.<br />

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Zusammenfassung:<br />

Seite 55<br />

Es gibt den pflegenden MitarbeiterInnen Sicherheit, wenn der Arzt/die Ärztin<br />

erklärt, welche Behandlung er/sie bei einem/einer PatientIn durchführt; das<br />

heißt, was verabreicht oder gespritzt wird, was dieses und jenes Medikament<br />

bewirkt, und wie man die Situation des Betroffenen verbessern kann.<br />

Leichter ist die Zusammenarbeit mit ÄrztInnen, die den palliativen Gedanken<br />

ebenfalls tragen und danach arbeiten. Bei ÄrztInnen die nicht so positiv<br />

eingestellt sind, wird es schon schwieriger.<br />

• Welche Erfahrungen haben Sie mit dem mobilen Palliative-Care-<br />

Team?<br />

A: „Keine, es war bis dato nicht notwendig. Die Zusammenarbeit zwischen<br />

den mobilen Einrichtungen und mir hat bis jetzt auch so gut funktioniert.<br />

Wenn wir so einen armen Teufel zu Hause betreuen und er dort stirbt<br />

machen wir nichts anderes. Der Begriff „Palliativ“ ist zurzeit ein riesiges<br />

Schlagwort.“<br />

B: „Leider bis jetzt keine. Ich bin aber sehr positiv zu Palliative Care und<br />

Hospiz eingestellt und kann mir heutzutage nicht mehr vorstellen, wie wir<br />

ohne die mobilen Pflegeorganisationen unsere Patienten zu Hause betreuen<br />

können.“<br />

C: „Eine Patientin haben wir gemeinsam betreut und da hatte ich sehr gute<br />

Erfahrungen gemacht. Es hat gut funktioniert, wir haben uns gut ergänzt. Ich<br />

habe es als Zusammenarbeit im Team gesehen, es hatte jeder seine<br />

Kompetenzen.“<br />

DGKS: „In der Vergangenheit hat es bei uns in der Pflege schon viele<br />

Begleitungen gegeben, da hatten wir viele Intensive, auch Krebspatienten. In<br />

einem speziellen Fall haben wir das Palliativ Team zugezogen und es hat<br />

viele Gespräche gegeben, mit den Angehörigen, mit der Palliativ -Schwester<br />

und mit den zuständigen Pflegekräften. Dieses Miteinander haben wir sehr<br />

gut erlebt. Und wenn man so einen positiven Fall einmal erlebt hat, dann<br />

wird man immer wieder, wenn man in so eine Situation kommt, an diese<br />

Menschen denken, die schon einmal geholfen haben.“<br />

Interprofessioneller Palliativlehrgang 2007 / 2008; <strong>Kardinal</strong> <strong>König</strong> <strong>Akademie</strong><br />

Abschlussarbeit von Beyer C., Gartner V., Schöchtner H., Vyvadil M., Wiesinger K.


• Wann beginnt Palliative Care?<br />

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Alt werden und sterben ist ein natürlicher Vorgang, in unserer Gesellschaft<br />

aber noch immer ein Tabu-Thema. Das heißt, Palliative Care beginnt nicht<br />

erst mit dem Sterbeprozess, man sollte schon früher vorbereitet sein.<br />

Bewusst leben und sagen: „Irgendwann wird auch mein Ende absehbar sein<br />

und wie will ich die letzte Zeit in meinem Leben zubringen? Im Kreis meiner<br />

Kinder, oder will ich in einem Heim sein, will ich in einem Hospiz sein, oder<br />

möchte ich diese letzten Stunden mit mir alleine ausmachen. Oder sollten<br />

meine Verwandten und Freunde um mich sein.“ Auch darüber kann man sich<br />

bei Zeiten Gedanken machen. Das heißt eigentlich, Palliative Care beginnt<br />

schon sehr viel früher!<br />

4.4.1 Persönliche Schlussfolgerungen<br />

Durch diese Auseinandersetzung mit dem Thema Palliative Care und die im<br />

Zuge der Projektarbeit geführten Interviews habe ich die Sicherheit<br />

gewonnen, durch Aufklärungsarbeit bei KollegInnen und KundInnen aus<br />

einer erweiterten Sichtweise zu argumentieren. Auch die Aussage mancher<br />

KollegInnen: „Du machst ja nichts anders als wir, was du machst, können wir<br />

auch“ kann ich besser entkräften. Längerfristig erwarte ich mir eine gewisse<br />

Unterstützung, um Veränderungen im System meines Aufgabenbereiches<br />

herbeiführen zu können.<br />

4.5 Interviews geführt von Karlheinz Wiesinger<br />

Da meine Anstellung Ergebnis eines derzeit noch laufenden Projektes ist<br />

und die Notwendigkeit eines Palliativmediziners von Seiten der Pflege über<br />

unterschiedlich lange Zeit argumentiert wurde, brachten Interviews, die mit<br />

zwei PflegemitarbeiterInnen geführt wurde, wenig überraschend durchwegs<br />

positive Ergebnisse.<br />

Die Gründe für das Einbeziehen des Palliativmediziners sind Schmerzen und<br />

therapiewürdige Symptome von PatientInnen, die noch nicht adäquat<br />

behandelt werden oder eine verbesserte Therapie bedürfen. Meine<br />

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Konsiliartätigkeit bringt für die Pflege zusätzliche Sicherheit und mindert das<br />

Gefühl der Hilflosigkeit, das bei der Pflege auftritt, wenn PatientInnen unter<br />

Schmerzen leiden. Die Erfahrungen mit meinem Behandlungsbeitrag werden<br />

als positiv bewertet. Die Angebotsformulierung, die erst im letzten Halbjahr<br />

entstand, wird für die befragten MitarbeiterInnen als passend und<br />

unmissverständlich befunden. Für sie erhöht sich durch die Fachexpertise<br />

des Palliativmediziners die persönliche Sicherheit in der Betreuung der<br />

BewohnerInnen. Das immer wiederkehrende Gefühl der Hilflosigkeit der<br />

Pflege, bei Schmerzen nicht mehr anbieten zu können, tritt viel seltener auf.<br />

Gespräche mit BewohnerInnen und deren Angehörigen sind ein weiteres<br />

großes Aufgabengebiet, das die PflegemitarbeiterInnen als notwendig<br />

erachten. Dadurch empfinden sie eine Erleichterung für Patienten,<br />

Angehörige und Pflege.<br />

Bei dem, mit einer Hausärztin geführten Interview wurde die fachliche<br />

Expertenmeinung zu Themen der speziellen Schmerztherapie sowie der<br />

medizinischen Aspekte im Bereich der end of life care als hilfreich und<br />

bereichernd empfunden. Hier erhöht die Therapieempfehlung des<br />

Palliativmediziners auch die Sicherheit für die Kollegin. Fachlicher<br />

Austausch beginnt zunehmend und das Gefühl der gemeinsamen und<br />

interdisziplinären PatientInnenbetreuung weicht einem möglichen Gefühl<br />

bedrohlicher Konkurrenz. Der Erfahrungszeitraum ist erst kurz und einer<br />

zukünftigen Kooperation wird mit Freude entgegengeblickt.<br />

4.5.2 Persönliche Schlussfolgerungen:<br />

Durch die zum Teil schon langjährigen Bemühungen in der Caritas Socialis<br />

eine Stelle für einen Palliativmediziner zu bekommen, habe ich gleich am<br />

Beginn meiner Tätigkeit große Akzeptanz und Zustimmung bekommen. Für<br />

die HausärztInnen war Akzeptanz der neuen Situation gegenüber etwas<br />

schwieriger zu erreichen. Es gibt Zustimmung aber auch reservierte und<br />

ambivalente Gefühle zu meiner Funktion. Bei der Auswahl der<br />

Interviewpartnerin hätte ich bei einer anderen ÄrztIn auch mit kontroversen<br />

Ergebnissen rechnen müssen. Hier ist ganz deutlich, speziell wegen geringer<br />

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Stichprobe, zu erkennen, dass Ergebnisse aus Einzelbefragungen nicht<br />

Allgemeingültigkeit besitzen. Für den Palliativmediziner, der die Fragen<br />

gestellt hat, war es aber sehr wohltuend, die Wertschätzung und positive<br />

Beurteilung seiner Arbeit rückgemeldet zu bekommen.<br />

5 Ergebnisse aus unserer Sicht<br />

Vor Beginn einer neuen Palliative Care Einrichtung müssen ausreichende<br />

Ressourcen vorhanden und der Rückhalt in der Trägerorganisation gesichert<br />

sein. Die Definition von Tätigkeit und Zuständigkeit ist für alle Beteiligten von<br />

zentraler Wichtigkeit. Um die hohe Qualität in unserer Arbeit halten zu<br />

können, sind sinnvolle Grenzziehungen der Aufgabenbereiche<br />

unumgänglich. Die Akzeptanz von Palliative Care ist abhängig von fachlicher<br />

Expertise und persönlicher Kompetenz. Dem Informationsbedarf sollte durch<br />

Fortbildungen, gutes Informationsmaterial und persönliche Gespräche<br />

begegnet werden. Gelungene Kommunikation in den Teams, mit<br />

PatientInnen und deren Angehörigen erleichtert die Zusammenarbeit. Frühe<br />

Einbindung in das Behandlungs- und Betreuungsteam ermöglicht eine<br />

unbefangenere Beziehung zu den PatientInnen. Der fachliche Austausch<br />

und die Vernetzung nicht zuletzt auch in unserer Projektgruppe geben<br />

Rückhalt in der täglichen Arbeit.<br />

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