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SINAI - Revier der Visionäre - RockSea

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38 geo saison | 1.2010<br />

<strong>Revier</strong> <strong>der</strong> <strong>Visionäre</strong><br />

Ob Moses, Maler o<strong>der</strong> Aussteiger: Der Sinai mit seinen<br />

biblischen Bergen ist ein göttlicher Spielplatz für Propheten. Hier<br />

können sie Wüsten blau anstreichen und Disney-Schlösser<br />

bauen. Wir haben einige getroffen – auch in Dahab, einem Dorf<br />

am Roten Meer mit entspanntem Thailand-Touch<br />

v O n u t a v a n s t e e n ( T e x T ) u n D h e i k e o l l e r t z ( F O T O S )<br />

happening<br />

Als hätten die Berge rosa<br />

Morgenmäntel<br />

angezogen: Jeden Morgen<br />

bestaunen Urlauber<br />

auf dem Mosesberg den<br />

Sonnenaufgang


Ein Mann sitzt auf dem Felsen und hat eine Vision.<br />

Tief unter ihm graviert <strong>der</strong> Wind geometrische Muster ins Rote<br />

Meer. Und das – eben noch eine dunstige Schiefertafel – flammt<br />

auf, als hätte Hany Roshdy eine Leuchtdiode hineingeworfen; <strong>der</strong> Glanz<br />

überzieht sogar die nahen Hügel Saudi­Arabiens am<br />

an<strong>der</strong>en Ufer mit einer Glasur aus rosa Morgenlicht.<br />

Einige Jahre nach diesem Sonnenaufgang an <strong>der</strong><br />

Ostküste des Sinai steht „Castle Zaman“ auf dem Felsen,<br />

eine Trutzburg mit Geschenkshop in ihren Katakomben,<br />

ein edles Restaurant hoch über einer fast<br />

immer leeren Straße entlang <strong>der</strong> Küste, an <strong>der</strong>en linker<br />

Seite sich die Wüste wellt. Eigentlich wirkt es eher<br />

wie eine Ruine, es fehlen ein paar Zinnen, ein Stück<br />

Dach … „Die Touristen erwarten in dieser Gegend<br />

alte Sachen, schließlich sind wir im Bibelland“, sagt<br />

<strong>der</strong> Kairoer Architekt etwas ungeduldig, als er unsere<br />

Ratlosigkeit bemerkt. „Das Design ist ein Mix aus spätrömischem<br />

und Kreuzfahrer­Stil.“<br />

Weil Hany Roshdy fundamentalistisch auf Ökologie<br />

und Naturmaterialien schwört, sieht das erdfarbene<br />

Kastell aus, als wäre es vor Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />

aus dem Berg gewachsen. Wenn eben <strong>der</strong> bambusgesäumte<br />

Teich mit den Koi­Karpfen und <strong>der</strong> verglaste<br />

Kamin nicht wären, die zwischen dicke Mauern<br />

Fels in <strong>der</strong> Brandung<br />

Auf <strong>der</strong> Pharaonen‑<br />

insel vor <strong>der</strong> Ostküste<br />

steht eine Festung<br />

aus <strong>der</strong> Kreuzfahrerzeit.<br />

Heute wird sie von<br />

<strong>der</strong> Unesco als Welterbe<br />

verteidigt<br />

eingepasste Bar, die als Amphoren getarnten Lampen, die arabische Loungemusik<br />

… und Maja und Simone aus Tel Aviv, die im Infinity­Pool treiben<br />

und dabei winzig kleine Bikinis tragen.<br />

Trennte nicht ein hoher Felsen Strand und Straße, könnte Hany Roshdy<br />

von hier oben aus das Hüttencamp einer deutschen Familie sehen – gebaut<br />

aus Bambus, Schilf und Träumerei. „Rock Sea“ hat ein kleines Restaurant,<br />

auf dessen Terrasse die Urlauber auf dicken Kissen lagern. Ab und zu steht<br />

einer auf, steigt über einen <strong>der</strong> schlafenden Hunde, zieht die Taucherbrille<br />

an und verschwindet in den tiefen Korallengärten, die direkt am Ufer in die<br />

Tiefe wuchern. Nachts schauen alle Gäste in den Himmel, <strong>der</strong> so dunkel ist,<br />

wie er nur über <strong>der</strong> Wüste sein kann, und in dessen Schwärze Millionen von<br />

Sternen funkeln.<br />

Mark und Trish, Professoren aus England, hatten einen Bungalow gebucht,<br />

sind aber in eine <strong>der</strong> Hütten umgezogen, weil sie nur zwei Meter vom<br />

Wasser entfernt liegt, in dem sie schon Delfine entdeckt haben und Schildkröten.<br />

„Wenn man sich die Straße wegdenkt“, findet Mark, „ist es fast so<br />

magisch, so unberührt wie früher.“ Er spricht von einer Zeit vor dreißig Jahren,<br />

aus <strong>der</strong> auch ich den Sinai kenne, damals noch israelisch besetzt. Nuweiba,<br />

sechs Kilometer südlich vom „Rock Sea Camp“, <strong>der</strong> Nachbarort Dahab<br />

und die Hotelhochburg Sharm­el­Sheikh an <strong>der</strong> Südspitze waren seinerzeit<br />

nichts als Wüstennester. Ich erinnere mich vage an unser Zelt in einer sandigen<br />

Unendlichkeit, an Lagerfeuer am Strand, angefacht von Beduinen.<br />

wasserwerke<br />

Slow Food mit Fisch‑<br />

pfanne im „Castle<br />

Zaman“ hoch überm<br />

Roten Meer, von<br />

dem Schnorchler und<br />

Riffbarsche<br />

schwärmen. Direkt am<br />

Strand liegt das<br />

„Rock Sea Camp“<br />

Doch was bedeuten schon dreißig Jahre in einem Land mit biblischer<br />

Geschichte? Die Wüste, das heiße Herz des Sinai, türmt stoisch gewaltige<br />

Dünen auf, formt Steinskulpturen und lässt den Wind wie einst Moses, die<br />

Israeliten o<strong>der</strong> das Heer <strong>der</strong> Kreuzritter über sich hinwegziehen. Der verwischt<br />

die Spuren im Sand – und alles sieht wie<strong>der</strong> aus wie vorher. Selbst<br />

die Farbe, mit <strong>der</strong> ein belgischer Künstler Anfang <strong>der</strong> Achtziger eine Reihe<br />

von Felsen blau angestrichen hat – „Friedenslinie“ nannte Jean Verame<br />

sein Kunstprojekt, zu dem er Präsident Sadat die Erlaubnis abgerungen<br />

hatte – blättert allmählich ab.<br />

Farga, heute vierzig Jahre alt, hat damals acht Monate lang mit an<strong>der</strong>en<br />

Beduinenkin<strong>der</strong>n den Stein grundiert. „Eines Tages“, hatte Jean Verame<br />

ihnen versprochen, „kommen genauso viele Touristen, um die Blaue Wüste<br />

zu sehen, wie zum Katharinenkloster.“ Jetzt<br />

aber liegt die Sehenswürdigkeit in einem<br />

Sperrgebiet – so wie fast jedes Gebiet des<br />

Sinai von heute auf morgen wegen Sandstürmen,<br />

Landminenfunden o<strong>der</strong> Bürokratie<br />

als verbotene Zone deklariert und genau­<br />

so schnell wie<strong>der</strong> dedeklariert werden kann.<br />

Nur dank Fargas guter Beziehungen durften<br />

wir hinfahren.<br />

Als sich unter uns <strong>der</strong> weite Talkessel öffnet,<br />

durch den sich die blaue Steinschlange<br />

windet, höre ich Heike, die Fotografin, tief<br />

Luft holen. An<strong>der</strong>s als Hany Roshdys Burg<br />

wirken die bunten Felsen wie Fremdkörper,<br />

aber ebenso surreal und spektakulär.<br />

Der Sinai ist stets ein seltsames Land gewesen.<br />

Mal römisch, mal osmanisch, israelisch<br />

o<strong>der</strong> arabisch, aber immer Sehnsuchtsziel<br />

von <strong>Visionäre</strong>n und Propheten. Mit seinen<br />

roten Granitgipfeln, über die immer mehr<br />

Berge in einen hellen Himmel ragen und<br />

40 geo saison | 1.2010 1.2010 | geo saison 41


42 geo saison | 1.2010<br />

reitweg<br />

Beduinen wissen<br />

auch in <strong>der</strong> Wüste immer,<br />

wo’s langgeht, etwa<br />

zum Strand von Nuweiba<br />

Fata morgana?<br />

Gott sei Dank nicht: <strong>der</strong><br />

Naturstein‑Pool<br />

des „Castle Zaman“


dahinter noch weitere Berge, mit seinen Dünen, rosa,<br />

weiß o<strong>der</strong> golden schimmernd, ist er von einer grandiosen<br />

Leere, die mit Phantasmagorien gefüllt werden<br />

will, um erträglich zu werden. Das Rote Meer teilen?<br />

Ritterburgen bauen? Die Wüste anstreichen? Der Sinai,<br />

scheint es, kitzelt Allmachtsfantasien aus Menschen<br />

heraus, zumindest den Drang zum Erhabenen.<br />

A<br />

uch Chris hatte eine Vision. Während<br />

des Balkankrieges arbeitete <strong>der</strong> Englän<strong>der</strong> als<br />

Konfliktmanager im Kosovo, in Bosnien und<br />

Mazedonien. „Was ich dort in großem Stil mache“,<br />

dachte er nach einem Urlaub in Dahab, „kann ich auch<br />

hier im Kleinen tun.“ Geleitet von <strong>der</strong> Idee, Jugendlichen<br />

aus aller Welt für wenig Geld ein friedliches<br />

Zusammenleben zu ermöglichen, eröffnete er ein<br />

kleines Hotel am Meer.<br />

Wie <strong>der</strong> Sinai ein merkwürdiger Teil von Ägypten,<br />

so ist Dahab ein beson<strong>der</strong>es Dorf, eines wie sonst keines<br />

in diesem Land. Würde man es mitsamt seinem<br />

Strand, den freundlichen Hotels und den entspannten<br />

Gästen zusammenpacken und nach Thailand exportieren,<br />

auf eine dieser Traveller­Inseln wie Ko Phi Phi,<br />

zwei araBer in Eile am<br />

Strand von Dahab<br />

das touristenmenü in<br />

den kleinen Strand‑<br />

restaurants: gegrillter<br />

Fisch, Dessert<br />

und ein Gang ins Meer<br />

es fiele nicht weiter auf. Dank seiner Abgeschiedenheit blieb es verschont<br />

vom ägyptischen Ehrgeiz, die Küsten mit All­inclusive­Inseln zwischen<br />

Geröllhalden zu spicken. Heute ist das einstige Hippieziel ein immer noch<br />

ruhiger Urlaubsort, ein echtes Dorf mit einer kilometerlangen Promenade<br />

am Meer, dem Strip. Am schmalen Strand dazwischen reihen sich die Open­<br />

Air­Restaurants, Teppiche liegen auf dem Boden, an Palmenstämmen lehnen<br />

Kissen. Alle paar Meter führen Stufen ins Meer hinein. Zwischen Vorspeise<br />

und Hauptgang kann man schnell ein bisschen schwimmen o<strong>der</strong> tauchen<br />

gehen, denn direkt am Strand beginnen die Korallenriffe.<br />

Es gibt Orte, die umarmen ihren Besucher. Sie sind so übersichtlich, dass<br />

er sich nicht verläuft, so überraschend, dass er sich nicht langweilt – und mit<br />

einem sanften Wind gesegnet, dass er nicht schwitzt. „Lauft einfach den Strip<br />

entlang, das ist wie Kino“, hatte Chris uns geraten. Auf dem Programm steht<br />

gerade ein Pferdefilm: Ein Araber, gehüllt in seinen Umhang, reitet mit<br />

einem schwarzen Hengst am Strand Piaffen, Passagen und Pirouetten. Als<br />

er uns sieht, galoppiert er auf uns zu, stoppt, lüftet höflich seinen Schleier<br />

wie einen Hut und lächelt. Im Süden finden wir eine riesige Lagune, in <strong>der</strong><br />

sich Wind­ und Kitesurfer austoben, und eine Fußgängerzone mit Souvenirläden<br />

und Boutiquen. Am eher einsamen Ende im Norden entdecken wir<br />

am Strand des „Bluebeach“­Hotels die „Furry Cup Bar“, in <strong>der</strong> sich die vielen<br />

Auslän<strong>der</strong> Dahabs treffen und uns Geschichten erzählen. „Ein Paradies ist<br />

das natürlich nicht hier“, sagt <strong>der</strong> Meeresbiologe Jonty, <strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en Ex­<br />

pats zuweilen Müllsammelaktionen organisiert. „Um<br />

70 alte Autoreifen aus dem Meer holen zu dürfen,<br />

mussten wir wegen <strong>der</strong> Genehmigungen viermal nach<br />

Kairo fahren.“ Lorraine, die Schnorcheltouren leitet,<br />

erinnert sich, wie früher die Ziegen <strong>der</strong> Beduinen<br />

Plastiktüten aus den Müllsammelbehältern gezerrt<br />

und den Inhalt überall verstreut haben – mit <strong>der</strong> Kon­<br />

strand <strong>der</strong> sturköpFe<br />

Dahab ist Ägyptens<br />

einziges Dorf am Meer,<br />

das nicht von Hotel‑<br />

resorts eingekesselt ist<br />

sequenz, dass die Behälter abgeschafft wurden. Ein orangefarbener Schimmer<br />

zieht über ihr Gesicht. Es ist spät geworden, am Horizont taucht die<br />

Sonne wie eine riesige Apfelsine ins Wasser. Ein Sonnenuntergang im Osten?<br />

Erst langsam begreifen wir, dass wir dem Mond beim Aufgehen zuschauen.<br />

Am nächsten Tag reitet Lorraine mit uns nach Abu Gallum, einem<br />

Naturreservat weiter nördlich. Der felsige, schattenlose Pfad am Meer ent­<br />

lang beginnt dort, wo die Straße endet, am<br />

legendären Blue Hole, dem hun<strong>der</strong>t Meter<br />

tiefen Tauchspot. Auf seinen weichen<br />

Pfannkuchenfüßen wankt das Kamel los.<br />

Um den biblischen Metaphern treu zu<br />

bleiben: Dahab ist ein Garten Eden unter<br />

<strong>der</strong> Wasseroberfläche, das Paradies für<br />

Taucher und Schnorchler. In den Korallengärten,<br />

die direkt am Ufer beginnend<br />

zwanzig, dreißig Meter in die Tiefe führen,<br />

schwimmen wir wie in einem Aquarium,<br />

umschwärmt von bunten Fischen.<br />

Beim Mittagessen in einer Hütte am<br />

Strand erwähnt die Beduinin, die uns bewirtet,<br />

dass ihr Mann Kameltouren zu<br />

einem kleinen Dorf in die gebirgige Wüste<br />

hoch über Abu Gallum führt, einen Tag<br />

hin, einen Tag zurück. „Ein Traum“, sagt<br />

Lorraine und nickt so heftig, dass ihre sonnengebleichten<br />

Locken tanzen, „ich hab<br />

das letztes Jahr gemacht. In <strong>der</strong> Wüste zu<br />

übernachten, weit weg von allem … das ist<br />

unglaublich intensiv.“<br />

Zwei Tage später liegen auch wir in<br />

<strong>der</strong> Wüste, aber <strong>der</strong> Schlaf will nicht kommen.<br />

Am Abend sind wir den Mosesberg<br />

hinaufgestiegen, zusammen mit Himed<br />

und seinem Kamel Abdul. Wir knipsten die<br />

Taschenlampen aus: Das Mondlicht war<br />

hell genug, um die Konturen des Kamelpfads<br />

zu beleuchten, es machte die Berge<br />

zu graublauen Scherenschnitten vor einem<br />

schwarzen Sternenhimmel. Heike hüpfte<br />

von Felsen zu Felsen, unentwegt fotografierend.<br />

Ich ging langsam, versuchte, die<br />

mondhelle Landschaft unter und über mir<br />

ins Gedächtnis zu brennen, die Stille zu speichern. Obwohl <strong>der</strong> Pfad sich<br />

über 2000 Meter in die Höhe schraubt, ist nur das letzte Stück anstrengend:<br />

750 grob behauene Felsbrockenstufen.<br />

Jetzt ist es drei Uhr morgens. Wir übernachten ein paar Meter unter dem<br />

Gipfel in einer Beduinenhütte, wo es bei unserer Ankunft noch Getränke<br />

zu kaufen gab und Kekse. Ich habe Himed, <strong>der</strong> neben mir liegt, meinen<br />

Ipod geliehen: Ein Fehler, wie ich inzwischen weiß, denn er hat ihn laut<br />

44 geo saison | 1.2010 1.2010 | geo saison 45


aufgedreht. Dabei raucht er, wie alle Ägypter, unentwegt starke Zigaretten.<br />

Und dennoch, die Li<strong>der</strong> senken sich, meine Gedanken beginnen zu wan<strong>der</strong>n.<br />

„You ’ave ’ot chocolate?“ fragt plötzlich eine kehlige Stimme, und ich schrecke<br />

hoch. Eine Gruppe Russen ist angekommen, durstig und aufgedreht. Ein<br />

Wan<strong>der</strong>er nach dem an<strong>der</strong>en erreicht jetzt den Gipfel. Rund um die kleine<br />

Kapelle setzen sie sich auf die Felsen und warten.<br />

Um halb sieben ist es so weit. Langsam schleicht sich die Röte an, die<br />

Berge ziehen rosa Morgenmäntel über. Gipfel nach Gipfel taucht aus <strong>der</strong><br />

Dämmerung auf, an klaren Tagen kann man bis zum Suezkanal und nach<br />

Saudi­Arabien sehen. Seit Tausenden von Jahren geht das so, immer das gleiche<br />

Schauspiel. Aber es fühlt sich an, als habe <strong>der</strong> Sinai das nur für mich<br />

inszeniert, als sei alles frisch und<br />

neu und passiere zum ersten Mal.<br />

Erst als die Feuerkugel sich<br />

am Himmel verankert hat, fangen<br />

die Menschen wie<strong>der</strong> an zu reden.<br />

Vor <strong>der</strong> Kapelle hält eine Gruppe<br />

sudanesischer Exil­Katholiken aus<br />

Kairo eine Messe ab, mehrstimmig<br />

singen sie ihre frommen Lie<strong>der</strong>.<br />

Als ein kleiner ägyptischer Junge<br />

begeistert applaudiert, haut ihm<br />

ein Christ verärgert auf den Kopf.<br />

So lange Heike damit beschäftigt<br />

ist, ihre Ausrüstung zusammenzupacken,<br />

schaue ich mir Quarzsteine<br />

und geschnitzte Kamele an, die<br />

die Beduinen an den improvisierten<br />

Ständen verkaufen, und studiere<br />

das Werbeplakat einer Kamelreitschule<br />

in Nuweiba.<br />

Plötzlich, als hätte ein Dschinn<br />

in die Hände geklatscht, ist alles<br />

wie<strong>der</strong> still. Auch die letzten Wan<strong>der</strong>er<br />

haben sich an den Abstieg<br />

gemacht. Die Hüttenwirte verrammeln<br />

die Türen und verziehen<br />

sich zum Schlafen. Ein paar Kin<strong>der</strong><br />

treiben tapfere kleine Esel den<br />

Berg hinunter, um neue Vorräte<br />

heraufzuholen.<br />

Als wir absteigen, brennt die<br />

Sonne schon wie<strong>der</strong> mit ganzer<br />

Kraft, als hätte es nie eine kühle<br />

Nacht gegeben. Zwei Stunden dauert es, bis wir das<br />

Katharinenkloster erreichen, das 1500 Jahre alte<br />

christliche Asyl in <strong>der</strong> Wüste, dessen Café mich im<br />

Moment mehr interessiert als seine kostbare Ikonensammlung.<br />

Während ich schwitzend durch das Sand­<br />

wüstenFuchs<br />

Himed, <strong>der</strong> Guide auf<br />

den Mosesberg,<br />

liebt die Weite, sein Kamel<br />

Abdul und die Songs<br />

von Robbie Williams<br />

meer stapfe, erinnere ich mich, was Hany Roshdy in seinem Disney­Schloss<br />

gesagt hat: „Wir mögen keine Leere. Wir kuscheln uns gern ein, das ist unser<br />

Höhlenmenschen­Gen. Leere macht uns ehrfürchtig, wie in <strong>der</strong> Kirche …“<br />

Ich glaube, er hatte recht. Die Wüste ist anbetungswürdig, göttlich – aber<br />

nicht gemütlich. Und wenn man keine unterhaltsamen Visionen hat, so­<br />

gar beängstigend in ihrer strengen Stille.<br />

Wie gut, dass es Oasen gibt.<br />

Den Info-Teil Sinai finden Sie ab Seite 55.<br />

ruheräume<br />

Vor Sonnenaufgang<br />

lagen noch Urlauber unter<br />

den Decken auf dem<br />

Mosesberg. Jetzt besuchen<br />

sie an<strong>der</strong>e Wüsten‑<br />

Highlights: den Coloured<br />

Canyon o<strong>der</strong> die Palmen‑<br />

oase Ain Khudra<br />

46 geo saison | 1.2010 1.2010 | geo saison 47


In f o<br />

Sina i<br />

Ruhe, bitte! Denn in Dahab lässt man<br />

sich Zeit – beim Schnorcheln, Tauchen,<br />

auf Wüstentour, im Strandrestaurant<br />

ÜBernachten<br />

Dahab besteht aus dem neuen Teil im<br />

Süden und dem älteren Assalah,<br />

das sich am Strand nach Norden zieht.<br />

Dort liegen die meisten <strong>der</strong> folgenden<br />

Adressen. Guter Orientierungs-<br />

punkt: die Brücke in Masbat, dem<br />

lebhaften Viertel in Asslahs Mitte; <strong>der</strong><br />

südlichere Teil heißt Mashraba.<br />

Aquanauten-Areal: vor<br />

dem Dive-Shop des<br />

„Red Sea Relax Resorts“<br />

Online-Buchungen von Hotels und<br />

Apartments unter www.dahab.net<br />

■ Blue Beach cluB. Frisch renoviertes<br />

Hotel mit Pool und Tauchcenter am<br />

ruhigen Nordteil des Strips. Beliebt<br />

bei Expats: die Strandbar „Furry Cup“.<br />

Klimatisiertes Restaurant mit mediterraner<br />

Küche. Das südafrikanischägyptische<br />

Besitzerpaar ist stolz auf<br />

seinen Reitstall, bietet Ausritte an,<br />

auch Arabischunterricht, Massagen,<br />

Yoga. Masbat, Tel. 069-364 04 11,<br />

www.bluebeachclub.com; DZ/F ab 40 €<br />

■ red sea rela x resort. Freundliches<br />

Hostel mit exzellentem Tauchcenter<br />

an <strong>der</strong> Strandpromenade, sogar die<br />

Schlafsäle haben Meerblick. Chris,<br />

Hanny und Abdul kümmern sich rührend<br />

um ihre Gäste. Einfache, saubere<br />

Zimmer mit geräuscharmer Klimaanlage.<br />

Das lebhafte junge Publikum<br />

liebt den Pool und die Dachbar<br />

mit Billardtisch und großer Leinwand.<br />

Kompetent für Tourbuchungen.<br />

Lorraine organisiert Schnorcheltrips,<br />

auch außerhalb Dahabs, inkl. Kamelritt.<br />

Mashraba, Tel. 069-364 13 08,<br />

www.red-sea-relax.com; DZ/F ab 41 €<br />

■ swIss Inn Golden Beach resort.<br />

Zwangloses Vier-Sterne-Hotel mit langem<br />

Strand und großem Garten. Pool,<br />

check-In<br />

anfahrt: Dahab ist ungefähr eine<br />

Stunde Fahrzeit vom Flughafen<br />

Sharm el-Sheikh entfernt. Die Hotels<br />

bieten Transfer ab ca. 25 € an.<br />

Ein Taxi kostet etwa genauso viel.<br />

reIsezeIt: Ganzjährig. Küstenwind<br />

macht den Sommer erträglich.<br />

auskunft: www.sinai-<br />

online.de; www.sinai4you.com;<br />

www.dahab.net<br />

Sauna, Massagen, Kin<strong>der</strong>club. Gute<br />

Restaurants, Tauch- und Windsurf-<br />

Center. Mashraba, Tel. 069-364 04 71,<br />

www.swissinn.net; DZ/HP ab ca. 75 €<br />

■ rock sea camp. Rund 90 Kilometer<br />

nördlich, bei Nuweiba, schläft man<br />

in Strandhütten ohne Strom. Die Möbel<br />

<strong>der</strong> Bungalows sind aus Palmzweigen.<br />

Gepflegte Sanitäranlage im Extra-Gebäude.<br />

Ein Generator liefert<br />

Strom zum Lesen. Kleines Restaurant.<br />

Die Kölner Familie organisiert<br />

Jeep-Safaris und Tauchtrips. Tel. mobil<br />

012-796 31 99, www.rocksea.net.<br />

Ü/F in <strong>der</strong> Strandhütte 8 € p. P., im Bun-<br />

galow ab 12 € p. P., Transfer vom<br />

Flughafen Sharm el-Sheikh ca. 46 €


In f o<br />

essen und trInken<br />

■ castle zaman. Brandneue Burg auf<br />

einem Felsen über <strong>der</strong> Straße von<br />

Nuweiba nach Taba. Restaurant, Bar,<br />

Pool und Privatstrand. Authentische<br />

Beduinenküche mit Slow Food –<br />

wir hatten Buchweizen mit Oktopus<br />

und Kräutern. Infinity-Pool im traumhaft<br />

angelegten Garten. Vom Eintrittsgeld<br />

(ca. 13 €) werden die Kosten<br />

für Drinks und Essen abgezogen.<br />

Sie können den ganzen Tag bleiben.<br />

Tel. 069-350 12 34, www.castlezaman.com<br />

■ nIrvana IndIan restaurant. Köstliche<br />

Mango-Lassis, Currys und<br />

Pilaws am Strand o<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Hotelterrasse.<br />

Masbat, Tel. mobil 018-<br />

211 51 53, www.nirvanadivers.com<br />

■ Jay’s restaurant. Szenetreff mit<br />

sehr guter ägyptischer und westlicher<br />

Küche. Wöchentlich wechselndes<br />

Menü. Masbat, in <strong>der</strong> Bucht<br />

■ funny mummy. Üppige Speisekarte<br />

mit westlichen, asiatischen und ägyptischen<br />

Gerichten. Man isst im beliebten<br />

Strandrestaurant auf Kissen in<br />

<strong>der</strong> orientalischen Sitzlandschaft<br />

o<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Dachterrasse. Mashraba,<br />

Tel. 069-364 07 27, www.bishbishi.com<br />

sport<br />

Sina i<br />

tauchen: Am Nordende Dahabs und<br />

in <strong>der</strong> Nähe liegen spektakuläre<br />

Tauchspots wie das Blue Hole und<br />

<strong>der</strong> Canyon (nichts für Anfänger)<br />

o<strong>der</strong> die Naturschutzgebiete Abu Gallum<br />

und Nabq. Die meisten Dive-<br />

Shops organisieren Ausflüge dorthin,<br />

auch in den etwa eine Stunde entfernten<br />

Nationalpark Ras Mohammed<br />

bei Sharm el-Sheikh. Die Tauchzentren<br />

in den von uns genannten Hotels<br />

haben alle einen sehr guten Ruf.<br />

Detaillierte Infos: www.redseavdc.com<br />

56 geo saison | 1.2010<br />

Göttliche Oase:<br />

das Katharinenkloster<br />

am Berg Sinai<br />

Pilze suchen in<br />

<strong>der</strong> Wüste: Der Felsen<br />

ist eine Sand-<br />

steinerosion nahe <strong>der</strong><br />

Oase Ain Khudra<br />

■ red sea research. Der Meeres-<br />

biologe Jonty Laycock bietet wissenschaftliche<br />

Tauchkurse für Frei-<br />

zeittaucher an. www.redsearesearch.<br />

org; z. B. 4-tägiger Basiskurs<br />

zum Eco-Diver ca. 255 € (auch auf dt.)<br />

wInd -/kItesurfen:<br />

■ harry nass. Eine langgestreckte<br />

Lagune und ständiger Wind bieten idea-<br />

le Bedingungen. Deutsche Schule<br />

mit Filialen an vier Surfspots, Shuttleservice.<br />

c/o Novotel Coralia Dahab,<br />

Tel. 069-364 05 59, www.harry-nass.com<br />

reIten:<br />

■ Blue Beach staBles. Der gepflegte<br />

Reitstall des „Blue Beach Club“-<br />

Hotels bietet auch Wüstenritte an.<br />

Kontakt über das Hotel (s. Übernachten)<br />

Quad :<br />

■ Quadroads. Sameh el Feky und seine<br />

deutsche Frau Iris offerieren<br />

kurze und Tagestouren in die Wüste,<br />

auch in Kombination mit Schnorcheln.<br />

Masbat, Tel. mobil 010-111 29 31,<br />

www.quadroads.com<br />

exkursIonen<br />

Dahab ist ein guter Startpunkt für<br />

Tagesausflüge, mehrtägige Treks und<br />

Wüstentouren per Jeep o<strong>der</strong> Kamel.<br />

Im Umkreis von ca. 2 Fahrstunden:<br />

■ mosesBerG, auch Berg Sinai. Mit<br />

2285 Metern zweithöchste Erhebung<br />

des Sinai. Angeblich empfing Moses<br />

hier die zehn Gebote, was Pilger<br />

aus aller Welt anzieht. Man kann mit<br />

dem Kamel an die Treppe zum<br />

Gipfel reiten o<strong>der</strong> zu Fuß gehen. Etwa<br />

drei Stunden nicht allzu anstrengen<strong>der</strong><br />

Aufstieg. Zauberhafte Sonnenauf-<br />

und -untergänge. Bis auf<br />

den Sommer immer viel Betrieb.<br />

■ k atharInenkloster. Auf halber<br />

Höhe des Mosesbergs. Baubeginn war<br />

ca. 533 n. Chr. Das von <strong>der</strong> griechisch-orthodoxen<br />

Kirche geführte<br />

Kloster hat ein Café und ein kleines<br />

Museum. Gezeigt werden Manuskripte<br />

aus <strong>der</strong> bedeutenden Sammlung,<br />

Kunsthandwerk und Ikonen.<br />

Auch Übernachtungen sind möglich.<br />

www.st-katherine.net<br />

■ coloured canyon. Wie Felsmalerei<br />

wirken die durch Erosion freigelegten<br />

Gesteinsschichten <strong>der</strong> hohen<br />

Sandsteinformationen. Ein Spa-<br />

ziergang durch die windstille Schlucht<br />

dauert ca. zwei Stunden. Meist wer-<br />

den auf dieser Tour auch <strong>der</strong> Mush-<br />

room Rock angefahren, die<br />

Oase Ain Khudra und <strong>der</strong> White<br />

Canyon. Spektakulär sind auch<br />

riesige Sanddünen wie El Haduda.<br />

■ aBu Gallum/BIr oQda. Mit dem<br />

Auto zum Blue Hole, dann mit<br />

dem Kamel zum Nationalpark und<br />

seinen unterirdischen Korallengärten.<br />

Von hier dauert <strong>der</strong> Ritt zur verlassenen<br />

Beduinensiedlung Bir Oqda einen<br />

Tag, man schläft im Freien.<br />

tour-BuchunGen<br />

■ red sea rela x resort. Das Hotel<br />

hat alle unsere Touren bestens organisiert<br />

(siehe Übernachten).<br />

■ sheIkh salem house. Auch ungewöhnliche<br />

Touren, etwa zum Sandstein-Canyon<br />

Wadi Huweiyit, zu<br />

Oasen und heißen Quellen. Assalah,<br />

El Melal Street, Tel. 069-364 18 20,<br />

www.sheikhsalemhouse.com<br />

■ desert dIvers. Tauchtouren und<br />

2- bis 11-tägige Jeep- und/o<strong>der</strong> Kameltrips.<br />

Außerdem: Klettertouren und<br />

-kurse. Masbat, Tel. 069-364 05 00,<br />

www.desert-divers.com<br />

Alle Hotels bieten individuelle o<strong>der</strong><br />

Gruppenexkursionen an. Eine Gruppentour<br />

zum Mosesberg (23 bis<br />

12 Uhr) kostet etwa 15 Euro, ein zweitägiger<br />

Ausflug mit Jeep und<br />

Kamel inklusive Übernachtung in <strong>der</strong><br />

Oase ca. 75 bis 80 Euro.

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