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Information / 02.07. – 20.09.1970, Museum of Modern Art, New York

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Die Ortsspezifik war in diesem Falle ganz wesentlich.<br />

Es ging darum, das Publikum eben dieses mit Prestige<br />

beladenen <strong>Museum</strong>s zum Vietnamkrieg öffentlich<br />

Stellung nehmen zu lassen. Zum Kontext gehörte, dass<br />

Nelson Rockefeller, der damalige Gouverneur des<br />

Staates <strong>New</strong> <strong>York</strong> und ehemalige Direktor des<br />

<strong>Museum</strong>s, es sorgfältig vermieden hatte, sich zum<br />

Vietnamkrieg zu äußern – wahrscheinlich weil er<br />

Ambitionen hatte, Vizepräsident zu werden (Henry<br />

Kissinger war sein Berater). Nelsons Bruder, der<br />

Großbanker David Rockefeller war zu der Zeit Vorsitzender<br />

des Board <strong>of</strong> Trustees. Und die Schwägerin<br />

der beiden saß ebenfalls im Kuratorium. Es handelte<br />

sich also um eine sehr spezifische und eminent<br />

politische Konstellation. Vor ein paar Jahren habe ich<br />

David Rockefellers Memoiren in die Hände bekommen<br />

und darin eine Rezension meines MOMA Poll entdeckt.<br />

Ohne mich beim Namen zu nennen, beschreibt er da<br />

meine Publikumsbefragung und findet das Ganze<br />

absolut schockierend. Er lässt sich auch über John<br />

Hightower recht negativ aus.<br />

Das heißt, innerhalb der <strong>Information</strong> Ausstellung gab es<br />

einen konkreten politischen Raum, der diese Vernetzung<br />

von verschiedenen Interessen <strong>of</strong>fen legte<br />

Nein, nicht als solchen. In der <strong>New</strong> <strong>York</strong>er Szene war<br />

zu der Zeit bekannt, dass die Rockefeller-Familie mit<br />

dem MoMA seit langem enge Beziehungen hatte und<br />

daß Nelson, David und ihre Schwägerin im Board <strong>of</strong><br />

Trustees den Ton angaben. Die Gründung des <strong>Museum</strong>s<br />

geht auf zwei Frauen zurück, von denen eine zur<br />

Rockefeller-Familie gehörte. In einem Zeitungsartikel<br />

von 1970 wies eine Rezensentin darauf hin. Sie urteilte,<br />

deshalb seien Aktionen wie meine doch recht<br />

unziemlich ...<br />

<strong>Information</strong> war vom Kurator Kynaston McShine nicht<br />

als politisch engagierte Ausstellung gedacht. Nachdem<br />

mehrere Ausstellungen so genannter konzeptueller<br />

Kunst bereits in Europa stattgefunden hatten, war dies<br />

die erste ’Konzeptkunst’-Ausstellung in einer namhaften<br />

amerikanischen Institution.<br />

Könnten sie aber sagen, dass Sie das politische Klima in<br />

<strong>Information</strong> wieder gefunden haben, welches in jener<br />

Zeit in <strong>New</strong> <strong>York</strong> existierte<br />

Wahrscheinlich konnte man bei der Mehrzahl der Arbeiten<br />

etwas davon zwischen den Zeilen ausmachen,<br />

direkt aber wohl nur bei wenigen. Viele der beteiligten<br />

Künstler hatten zwar kritische Meinungen zu den<br />

politischen Ereignissen des Tages. Es war aber bei<br />

den meisten eher die Ausnahme als die Regel, dass<br />

sich das in ihrer Arbeit <strong>of</strong>fen manifestierte.<br />

Am Protest im Guggenheim <strong>Museum</strong> gegen die Absage<br />

meiner Ausstellung (Shapolsky et al. Manhattan<br />

Real Estate Holdings, A Real Time Social System, as <strong>of</strong><br />

May 1, 1971) haben sie sich sehr zahlreich beteiligt. Sie<br />

wollten klarmachen, daß sie – unabhängig von der <strong>Art</strong><br />

ihren eigenen Produktionen – die Zensur von Arbeiten<br />

eines Kollegen nicht still hinnehmen. Die Tendenz war<br />

aber, das Politische von der künstlerischen Arbeit zu<br />

trennen. Einer der Künstler formulierte das so: ’Ja,<br />

wenn sich meine Arbeit so entwickelt hätte wie die von<br />

Haacke, dann würde sich meine politische Einstellung<br />

auch in meiner Arbeit ausdrücken; so kann ich das<br />

nicht.’ Viele ’Minimalkünstler’ wollten ihre Arbeiten<br />

autark sehen; zum Teil dachten so auch die so genannten<br />

Konzeptkünstler. Dagegen hatte ich schon in meinen<br />

frühen Arbeiten das Umfeld, das optische und später<br />

zunehmend auch das gesellschaftliche, einbezogen.<br />

Einerseits die Teilnahme an Protesten auf der Straße und<br />

andererseits die Teilnahme an der Ausstellung in einem<br />

Prototyp des modernen bürgerlichen <strong>Museum</strong>s – war das<br />

für Sie ein Widerspruch<br />

Ausstellungsansicht <strong>Information</strong><br />

Hans Haacke: Manet-PROJEKT ’74, Installationsansicht <strong>Art</strong> into Society, 1974<br />

Ich respektiere, dass die großen Institutionen in der<br />

ihnen eigenen Tradition weitergeführt werden. Ich<br />

fordere aber, dass sie bereit sind, als Forum <strong>of</strong>fen zu<br />

sein. Bei einigen von ihnen hieße das eine grundsätzliche<br />

Veränderung.<br />

Heißt das, dass die Institution MoMA ein Raum für Sie<br />

war, indem Sie etwas formulieren und sichtbar machen<br />

konnten, was für Sie im Raum außerhalb der Institution<br />

eine ebenso entscheidende Rolle spielte<br />

Besonders nach meiner Publikumsbefragung in der<br />

<strong>Information</strong> Ausstellung waren meine Arbeiten sehr <strong>of</strong>t<br />

an die institutionellen Umstände gebunden, in denen<br />

man ihnen begegnete. Ich hätte die Besucherbefragung<br />

auch in einem vergleichbaren, anderen <strong>Museum</strong><br />

in <strong>New</strong> <strong>York</strong> machen können. Aber in einer privaten,<br />

kommerziellen Galerie hätte sie eine sehr viel geringere<br />

Bedeutung gehabt. In alternativen Räumen wäre sie<br />

witzlos gewesen. Die meisten Konzeptkünstler<br />

konnten dagegen in alternativen Räumen ohne Verlust<br />

sehr gut ausstellen; das beeinflusste den Sinn ihrer<br />

Arbeit nicht.<br />

Wie ist es zur Entscheidung über die räumliche Positionierung<br />

ihrer Arbeit gekommen<br />

Ich sagte, wenn jeder an der Besucherbefragung mit<br />

machen soll, dann muss sie im Eingangsbereich der<br />

Ausstellung platziert sein.<br />

War über die Wahlurnen und die Fragetafel hinaus der<br />

gebaute Raum als Material signifikant für das Werk<br />

Es war ein größerer <strong>of</strong>fener Raum. An der Kasse bekamen<br />

die Besucher je nach ihrem Status als <strong>Museum</strong>smitglieder<br />

oder auf Grund sonstiger Vergünstigungen<br />

farblich codierte ’Stimmzettel,’ mit denen sie in<br />

den beiden ’Wahlurnen’ ihre Antwort zu meiner Ja/<br />

Nein-Frage geben konnten. Ich wollte durch die Farbcodierung<br />

wissen (es wurde dann auch angeschlagen),<br />

wie viele Besucher der unterschiedlichen Besucherkategorien<br />

in die Ausstellung gekommen waren. Die<br />

transparenten Urnen hatte ich so mit Zählwerken versehen,<br />

dass jedes Stück Papier, das einen infraroten<br />

Lichtstrahl unterbrach, durch einen fotoelektrischen<br />

Sensor registriert wurde. Man konnte also zu jeder Zeit<br />

sehen, wie viele Zettel in die eine oder die andere Urne<br />

geworfen worden waren.<br />

1974, vier Jahre nach <strong>Information</strong>, lebten Sie in <strong>New</strong> <strong>York</strong>,<br />

hatten aber Verbindungen nach Europa. Wie hat sich dort<br />

ein institutionskritisches Bewusstsein konkret in Ausstellungsprojekten<br />

wie <strong>Art</strong> into Society verdeutlicht<br />

Marcel Broodthaers war in dieser Beziehung der<br />

maßgebende Künstler in Europa. Er hatte ziemlich<br />

klare Vorstellung von Kunstinstitutionen. Auch die<br />

Künstler der Londoner Ausstellung waren in der Beziehung<br />

nicht naiv. Den meisten ging es aber eher um<br />

Kunst und Politik als um das, was man am Ende der<br />

siebziger Jahre ’Institutionskritik’ zu nennen begann.<br />

Wie war das bei <strong>Art</strong> into Society Es hatte diese Vorläuferausstellung<br />

Kunst im politischen Kampf in<br />

Hannover gegeben, wo Sie auch eine Befragung durchgeführt<br />

haben. In London zeigten sie das Manet-<br />

PROJEKT‘74. Wie kam es dazu, diese Arbeit in London zu<br />

zeigen, die bereits große Diskussionen ausgelöst hatte<br />

Die Londoner Ausstellung fand wenige Monate nach<br />

der Zensur des Manet-PROJEKT’74 durch das Kölner<br />

Wallraf-Richartz-<strong>Museum</strong> statt. Es erschien mir und<br />

dem ICA (Institute <strong>of</strong> Contemporary <strong>Art</strong>s) in London<br />

sinnvoll, diese Arbeit, die in dem Kölner <strong>Museum</strong> nicht<br />

gezeigt werden durfte – sie war stattdessen in Köln in<br />

der Galerie von Paul Maenz zu sehen gewesen – in einer<br />

deutschen Ausstellung im Ausland zu präsentieren.<br />

In London gab es dann wegen einiger Plakate von<br />

<strong>Information</strong> Displayer<br />

036 037<br />

Hans Haacke

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