KARL P. SCHÖRGHUBER STADTERNEUERUNG SEX ... - Infrapool
KARL P. SCHÖRGHUBER STADTERNEUERUNG SEX ... - Infrapool
KARL P. SCHÖRGHUBER STADTERNEUERUNG SEX ... - Infrapool
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>KARL</strong> P. SCHÖRGHUBER<br />
<strong>STADTERNEUERUNG</strong><br />
<strong>SEX</strong> IN DIE<br />
CITY<br />
STATT<br />
TOTE HOSE<br />
Inhalt.indd 1 06.10.2006 09:05:51
Erscheinungsjahr: 2007<br />
ISBN-10: 3-9500392-2-8<br />
ISBN-13: 978-3-9500392-2-1<br />
Alle Rechte vorbehalten: Copyright © by<br />
Verlag Schörghuber & Partner Unternehmensberatung KEG,<br />
Lärchenau 11, 4020 Linz, Austria / Europe<br />
Inhalt.indd 2 06.10.2006 09:06:38
* DIE STADT IST WEIBLICH! DAHER IST <strong>SEX</strong> APPEAL,<br />
ANZIEHUNGSKRAFT, ANFASSEN UND BEFRIEDIGUNG DER<br />
BEDÜRFNISSE DURCH EINE ANDERE ART DER<br />
<strong>STADTERNEUERUNG</strong> ALS BISHER ANGESAGT<br />
* VIAGRA FÜR DIE STADT: DURCH DEN MASTERPLAN WIEDER<br />
HOCHKOMMEN<br />
* SICH LUSTVOLL MIT DER BID ® - METHODE AN DIE<br />
POTENTIELLEN INVESTOREN HERANMACHEN STATT TOTE<br />
HOSEN KASCHIEREN.<br />
* DEN STELLUNGSWECHSEL FÜR HAUPT- UND NEBENLAGEN<br />
FINDEN<br />
* WENN „<strong>STADTERNEUERUNG</strong>“ IMMER NUR SANIERUNG ALTER<br />
HÄUSER UND 100 JAHRE ALTE FESTE FEIERN HEISST, DANN<br />
WIRD DIE STADT NIE <strong>SEX</strong>Y.<br />
Inhalt.indd 3 06.10.2006 09:06:39<br />
3
INHALTSVERZEICHNIS<br />
4<br />
<strong>STADTERNEUERUNG</strong><br />
- <strong>SEX</strong> IN DIE CITY STATT TOTE HOSEN<br />
Kapitel 1.<br />
WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CI-<br />
TIES“ HIN ZU DEN SEIT MENSCHENGEDEN-<br />
KEN GELTENDEN REGELN DER VERFÜHRUNG<br />
10 TRENDS, die ANZIEHENDE STADTEROTIK SCHAFFEN<br />
1.1. DIE MALL-ACHSE ALS CATWALK<br />
1.1.1. Frischer Sex-Appeal mit der „MALL“<br />
1.1.2. Die komprimierte Verführung: Nicht zu groß,<br />
nicht zu langweilig. Sechs Anforderungen zum Aufstellen<br />
der MALL - Konstruktion im Masterplan<br />
1.1.3. Der Unterschied zum oberfl ächlichen „KERNZONEN“ –<br />
KONZEPT<br />
1.1.4. Der Unterschied zu üblichen Förderprogrammen der<br />
Stadtgemeinde für eine Innenstadt<br />
1.1.4.1 „Brot und Spiele“ - falsche Auswahl der Location für Parties und<br />
Events vertreibt die letzten Einkaufswilligen<br />
1.1.4.2. Werben mit der „Stadt, die alles hat“<br />
1.1.4.3. Verkaufsförderungspakete zur Erhaltung der bestehenden<br />
Unternehmen<br />
1.1.4.4. Das „Leerfl ächenmanagement“ um die tote Hose zu<br />
kaschieren, obwohl alle um die fehlende Potenz des Standortes<br />
wissen<br />
1.1.4.5. Den Handelsbestand durch Förderungen der Stadtgemeinde<br />
Inhalt.indd 4 06.10.2006 09:06:45
erneuern wollen<br />
1.1.4.6. Nur bestimmte Branchen werden gefördert und der verlangte<br />
„Persilschein“ für das Erhalten dieser Art von Förderung<br />
1.1.4.7. City-Terminals als Informationsmedium und vermeintliches<br />
Alleinstellungsmerkmal der Hauptgeschäftsstraße<br />
1.1.4.8. Eine spritzige Innenstadt ankündigen: „Was ist los?“ – digitale<br />
Informationstafeln als Begrüßung außen an hereinführenden<br />
Bundesstraßen und am Beginn des Zentrums, sowie 3- D<br />
dreidimensionale Karten in der Stadt als Fußgänger-Leitsystem<br />
1.1.4.9. Der nüchterne Plastik- oder Edelstahl - Mistkübel als Ersatz für<br />
das Zeigen konkreter Leidenschaft für Zentrumsprojekte.<br />
1.1.5. Das Angebot in der Stadt sexy anziehend machen durch<br />
Markenmagneten, dem Lustobjekt der Begierde um die<br />
Frequenz hochzubeamen<br />
1.1.5.1. Die Kaufkraft wandert dem besseren Angebot nach.<br />
1.1.5.2. Was ist ein „Magnet“?<br />
11.5.3. Welche Magneten sind das Objekt der Begierde?<br />
1.1.6. Die noble Catwalk - Arkade als „Citybeautifi cation“<br />
mit Wetterschutz<br />
1.2. DATE –, TRATSCH- und MARKTPLATZ<br />
1.2.1. Der Klassiker: Die Trajansmärkte im alten Rom<br />
1.2.2. Modernes Design für Altbewährtes<br />
1.2.3. Neuer Betriebstyp „designter Markt“<br />
1.2.4. Marktzeiten – die Stadt erwacht immer später!<br />
1.2.5. Angebot am Markt<br />
1.2.6. Basisindikatoren für den designten Markt<br />
INHALTSVERZEICHNIS<br />
Inhalt.indd 5 06.10.2006 09:06:45<br />
5
INHALTSVERZEICHNIS<br />
6<br />
1.2.7. Design der Märkte<br />
1.2.8. Nonfoodmärkte - wie mehrfach im Jahr stattfi ndende Floh- und<br />
Trödlermärkte, Kunst- und Keramikmärkte<br />
1.2.9. Frauentratsch versus Bierinsel. – Die Anlage eines „ODEON-<br />
MARKTPLATZES“<br />
1.3. DEN CATWALK MALL MIT DEM KNOTEN ZUR „KORSO<br />
– ESPLANADE“ VERKNÜPFEN.<br />
1.3.1. Finden eines Themas für die KORSO - ESPLANADE“<br />
1.3.2. Ein „Verbinder“ von Strassen ohne Themendarstellung ist<br />
oft anzutreffen.<br />
1.3.3. Die KORSO-ESPLANADE als Verlängerung und Rundkurs<br />
des Catwalks MALL konstruieren<br />
1.4. MITTEN IN DER STADT INS BETT GEHEN.<br />
1.4.1. Eine Welle von neuem Wohnen in alten Häusern steht bevor.<br />
1.4.2. Catwalk und Dateplatz ziehen Sekundär - Dienstleister an<br />
die inzwischen „hip“ gewordene fi rst class - Adresse im<br />
Obergeschoss der Häuser<br />
Kapitel 2.<br />
SICH LUSTVOLL MIT DER BID ® - METHODE AN DIE<br />
POTENTIELLEN INVESTOREN HERANMACHEN STATT TOTE HO-<br />
SEN KASCHIEREN.<br />
2.1. BISHERIGE MODELLE DER <strong>STADTERNEUERUNG</strong> 1)<br />
STADTSANIERUNG GEMÄSS DEM HISTORISMUSMODELL NACH<br />
DER FORMEL „ALT MAL ALT = ALT ZUM QUADRAT“<br />
2.2. BISHERIGE MODELLE DER <strong>STADTERNEUERUNG</strong> 2)<br />
„<strong>STADTERNEUERUNG</strong> OHNE ERNEUERUNG.“<br />
DAS BILLIGE AUFWÄRMEN DES MARKENDREIKLANGES VER-<br />
Inhalt.indd 6 06.10.2006 09:06:45
GILBTER PERSÖNLICHKEITEN<br />
2.3. BISHERIGE MODELLE DER <strong>STADTERNEUERUNG</strong> 3)<br />
„ICH WEISS WAS FRAUEN WÜNSCHEN“<br />
PLANUNG WIE UNTER KAISERS ZEITEN VON OBEN VORGEGEBEN<br />
2.4. DER NEUE ANSATZ FÜR DIE <strong>STADTERNEUERUNG</strong>:<br />
DURCH LEIDENSCHAFT <strong>SEX</strong> IN DIE CITY BRINGEN.<br />
DAS STADTVIERTEL ZUM BID ® - LUSTOBJEKT MACHEN<br />
2.5. MIT DER BID ® - METHODE MIT BEGEISTERUNG AN DIE LO-<br />
KALEN UND ÜBERREGIONALEN POTENTIELLEN INVESTOREN<br />
HERANMACHEN STATT TOTE HOSEN KASCHIEREN.<br />
Kapitel 3.<br />
VIAGRA FÜR DIE STADT:<br />
DURCH DEN MASTERPLAN BINNEN 10 JAHREN WIEDER HOCH-<br />
KOMMEN<br />
3.1. DAS BELEBT DIE SINNE IM 21. JAHRHUNDERT<br />
3.2. SO WERDEN WIR WIEDER „LOVECITY“ STATT „OUTCITY“.<br />
TYPISCHE TEILPROJEKTE UM ANZIEHENDEN <strong>SEX</strong> AP-<br />
PEAL DURCH WIRTSCHAFTLICHE MASTERPLÄNE ZU<br />
SCHAFFEN.<br />
3.3. TYPISCHE ZIELE VON MASTERPLÄNEN<br />
Kapitel 4.<br />
DEN STELLUNGSWECHSEL FÜR HAUPT- UND NEBENLAGEN FIN-<br />
DEN<br />
4.1. DER UNTERSCHIED ZWISCHEN EINEM „STELLUNGS-<br />
WECHSEL“ UND DEM „WILDEN VERMIETEN“<br />
4.2. „EVALUTION“ (® Faith Popcorn) IN DER IMMOBILIEN-<br />
NACHFRAGE.<br />
INHALTSVERZEICHNIS<br />
4.3. DIE MITZIE EINFACHES WERKZEUG FÜR ANZIEHENDE<br />
KONZEPTIONEN<br />
Inhalt.indd 7 06.10.2006 09:06:45<br />
7
INHALTSVERZEICHNIS<br />
8<br />
4.3.1. Typische Irrwege bei der Konzeption<br />
4.3.2. Mit der „MITZIE – Methode“ ® gelingt es!<br />
4.4. DEN PASSENDEN STELLUNGSWECHSEL FÜR HAUPT- UND<br />
NEBENLAGEN FINDEN: WAS SOLL DER PARADIGMEN-<br />
WECHSEL?<br />
4.5. Rund 90 STELLUNGEN IM KOPF DURCHSPIELEN:<br />
WAS KÖNNTE DAVON FÜR MEINE HAUPT- ODER NEBEN-<br />
LAGE PASSEN?<br />
4.5.1. Konzeptionen für verschiedenartige Kooperationen, welche<br />
den ganzen Standort aufwerten<br />
4.5.2. Konzeptionen für die Aufwertung des Standortes durch<br />
Bürobestand<br />
4.5.3. Konzeptionen für die Aufwertung des Standortes durch<br />
einen Beherbergungsbetrieb<br />
4.5.4. Konzeptionen für den Wohnungsbestand<br />
4.5.5. Konzeptionen für die Standortaufwertung von Teilen des<br />
Gebäudes<br />
4.5.5.1. Das Erdgeschoss<br />
4.5.5.2. Nutzung des Innenhofes<br />
4.5.5.3. Nutzung des Souterrains (= Untergeschoss)<br />
4.5.5.4. Nutzung des Dachbodens<br />
4.5.5.5. Nutzung des Gebäudes als Werbe- bzw. Senderstandort<br />
4.5.5.6. Nutzung zur Schaffung von Parkraum<br />
4.5.5.7. Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen<br />
4.5.5.8. Vorsorgewohnungen bieten<br />
Inhalt.indd 8 06.10.2006 09:06:45
INHALTSVERZEICHNIS<br />
Inhalt.indd 9 06.10.2006 09:06:45<br />
9
AUFRUF ZUR LEIDENSCHAFT FÜR DAS ZENTRUM<br />
10<br />
ENDE DER BÜCHER – TRILOGIE RUND UM DIE INNENSTADT<br />
Dieses Buch bildet den Abschluss meiner Praxisbücher über alt bewährte<br />
und neue Stadtstrategien gegen die grüne Wiese.<br />
1. Das Buch „Stadtmarketing“, 750 Seiten, 1995.<br />
2. Das Buch „Standortmarketing“, 1000 Seiten, 2000.<br />
3. Das hier vorliegende Buch „Stadterneuerung“, 2007.<br />
DAS IST EIN AUFRUF ZUR LEIDENSCHAFT FÜR DAS SCHAF-<br />
FEN EINER ANZIEHEND FEMININEN WELT IN DER STADT<br />
– EINE ABSAGE AN DIE ATMOSPHÄREN-VERNICHTUNG<br />
DURCH MUSEUMSLANDSCHAFT.<br />
Die Trilogie ist eine Kampfschrift für die Leidenschaft für und den Glauben<br />
an die pulsierende Innenstadt, die „back from the edge“ wieder mit<br />
prallem Leben gefüllt ist. Nur mit Leidenschaft kann die Frau für die Stadt<br />
zurück gewonnen werden. Sie ist uns als Hauptbesucherin und Beeinfl usserin<br />
von 75 % der Haushaltsausgaben lieb und teuer und Angelpunkt<br />
jeder erfolgreichen Innenstadtbelebung.<br />
Mit fast schon bewundernswerter Starrköpfi gkeit werden Erkenntnisse<br />
namhafter Zukunfts- und Trendforscher negiert, die Entwicklung entsprechender<br />
Zukunftsstrategien als Hirngespinste abgetan und unrefl ektiert<br />
verworfen.<br />
Mit einem Dahinwursteln mit teils schon kurz vor der Pensionierung stehenden<br />
Unternehmern als Mieter, mit oft bis zu 30 Jahren nicht mehr<br />
erneuerten Geschäften, mit oft geistig überalteten Stadtmarketing- und<br />
Werbevereinen wird nachhaltig nichts innovatives für die Stadt passieren.<br />
Kurzfristige, bunte, meistens unzusammenhängende Werbeaktionen<br />
zeugen von dem Versuch, gemeinsam den Kampf ums Überleben zu überstehen.<br />
Der „Masterplan“ wird dann als Werbeaktion gesehen, dass jetzt sofort was<br />
passieren muss. – Spätestens jedenfalls bis Weihnachten, weil das nächste<br />
Jahr erleben 10 % der KollegenInnen wahrscheinlich nicht mehr.<br />
Deshalb müssen die privaten und öffentlichen Eigentümer der Liegenschaften<br />
im Stadtviertel die Führung in der Wirtschaftsplanung übernehmen.<br />
Sie sind Eigentümer nicht Mieter. Die Mieter und die Unternehmer-<br />
Inhalt.indd 10 06.10.2006 09:06:46
vertreter gehören selbstverständlich eingebunden, wenn es diese direkt<br />
rund um deren Agitationsumfeld betrifft.<br />
Eigentümer denken langfristig und nachhaltig. – Sie wägen Vor- und<br />
Nachteile von Investitionen sehr lange ab. Aber wenn sie etwas tun, dann<br />
investieren sie auch viel Geld. Daher brauchen wir andere Attraktivierungsstrategien,<br />
die psychologisch tiefergehend bei der langfristigen Perspektive<br />
ansetzen.<br />
Das investiv einsetzbare Geld bei den Kommunen (= die freie Finanzspitze)<br />
geht zu Ende. Daher brauchen wir vermehrt private Investoren um<br />
wirklich attraktiver im Zentrum zu werden und von den Frauen wieder<br />
geliebt zu werden.<br />
WIE DIESES BUCH ENTSTEHEN KONNTE . . .<br />
Ein Zeit- und Ortstrick war notwendig, um mir selber die Zeit und Kraft<br />
für’s Schreiben zu schenken: Über ein Jahr lang reservierte ich mir jeweils<br />
eine Woche im Monat für das Buchschreiben. Das alleine reichte<br />
aber gemäß der Erfahrung beim Schreiben vergangener Bücher nicht. Das<br />
Schreiben zuhause zu versuchen, ist bei mir sinnlos. Da erwischt einem<br />
permanent der tobende Geschäftsalltag. Jetzt kommt es: Nicht nur die<br />
Zeit musste ich also monatlich von Terminen freischaufeln, sondern auch<br />
der Schreibort Büro oder zuhause war dazu nicht geeignet. Nur ein innovatives,<br />
ganz anderes Umfeld und das Umleiten der Telefone an die<br />
Geschäftspartner unterstützte dieses Bemühen, damit die Feder fröhlich<br />
in Schwung blieb.<br />
STATIONEN DIESES BUCHES<br />
Hotel Pescille, bei St. Gimignano/Toskana<br />
Hotel Jolanda & Savoia in Venedig<br />
Hotel Quellenhof in Bad Waltersdorf<br />
Pension Posch in Gosau/Skiregion Dachstein West<br />
Hotel Histrion in Portoroz/Slowenien<br />
Hotel Concordia in Rom<br />
ABSCHLUSS DER BUCH - TRILOGIE:<br />
Meine Frau Beatrix, Gesellschafterin der Schörghuber & Partner Unternehmensberatung,<br />
begleitete mich bei allen Buchschreibewochen als kritischer<br />
und zugleich unterhaltsamer Geist. Ganz alleine kann ich bei so<br />
einer Tätigkeit auch nicht sein. Im Berufsalltag umgeben mich bei über<br />
100 Veranstaltungen pro Jahr letztlich viele Kommunalpolitiker, Liegenschaftseigentümer,<br />
Immobilientreuhänder und Unternehmer, Wirtschaftskammervertreter,<br />
Studenten der Immobilienwirtschaft. Da kann<br />
Inhalt.indd 11 06.10.2006 09:06:46<br />
11
AUFRUF ZUR LEIDENSCHAFT FÜR DAS ZENTRUM<br />
12<br />
man dann nicht plötzlich ganz allein auf Eremit spielen …<br />
Seit Jahren sorgt sich Beatrix um die Bewerbung der Tagungen der gemeinnützigen<br />
Vereinigung <strong>Infrapool</strong>, Vereinigung für Stadt- und Standortmarketing<br />
e.V. (www.infrapool.com) und die Organisation des Tagungsbüros.<br />
Durch hunderte Gespräche mit Meinungsführern aus den Städten<br />
und viel Gespür und Handwerk für Mode, Design, Wohn- und Gartengestaltung,<br />
ist sie ein kompetenter Partner für den kritischen Dialog was<br />
attraktiv, anziehend und ansprechend für Frauen als Kernzielgruppe der<br />
Innenstadt ist und was nicht.<br />
Die jeweils spezialisierten Geschäftspartner in der Gruppe Schörghuber<br />
trugen handfest zu den Inhalten bei und sahen die Schriften kritisch<br />
durch. Sie stellen unermüdlich ihren Mann und Frau in der BID – Betreuung,<br />
beim Beschaffen von Chancenkennzahlen wie innerstädtischen Frequenzzahlen<br />
im Rahmen der jährlichen Frequenzwelle für rund 70 Städte,<br />
weiters Kaufkraftstromanalysen auf Bezirks- und Stadtebene, Aufbau<br />
designter Märkte sowie Mediatortätigkeiten für Wirtschaft und Gemeinde<br />
und Mitarbeit an Sachverständigengutachten für Gerichte:<br />
● Dagmar Dittrich, Agentur für Stadtkommunikation, 1160Wien, als<br />
Coach für Liegenschaftseigentümer und Werbevereine / Stadtmarketinggesellschaften;<br />
Umsetzerin von intelligenten Modulen der Verkaufsförderung<br />
für Unternehmer wie Stadt währungen, 3- dimensionaler<br />
Innenstadtplan, usw.<br />
● Mag. Christian Schaffner, Team Schaffner, 1150 Wien, als Chancen-<br />
Kennzahlenermittler und Aufbauer der projektbegleitenden Internetauftritte<br />
und e-marketing<br />
● Mag. Constanze Schaffner, Schaffner aktiv, 1050 Wien, als Beschafferin<br />
der Kennzahlen durch Feldarbeit mit ihrem Stab an Mitarbeitern<br />
und Betreuung von Märkten sowie Frischemarkthomepage, Newsletter,<br />
Emailadressen der Meinungsführer beschaffen, usw.<br />
Dem Wirtschafts- und Kulturstadtrat von Traiskirchen/NÖ., und langjährigen<br />
Präsident von <strong>Infrapool</strong>, Vereinigung für Stadt- und Standortmarketing,<br />
e.V., Johannes Herbst, sei für seine unermüdlichen Beiträge und<br />
Diskussionen rund um das Thema gedankt. Stadtrat Herbst spricht nicht<br />
nur von Stadterneuerung, er hat selber gemeinsam mit seinen Stadtregierungskollegen<br />
und außergewöhnlich aktivem Bürgermeister in seiner<br />
Stadt einen erfolgreichen Kampf um die Kaufkraftbindung in der Innen-<br />
Inhalt.indd 12 06.10.2006 09:06:46
ABSCHLUSS DER BUCH - TRILOGIE:<br />
stadt von Traiskirchen (14.000 Einwohner) geführt und konnte binnen<br />
zehn Jahren die Kaufkraftabschöpfungsrate von den eigenen Bürgern auf<br />
über 50 % fast verdoppeln (!!!). – das im härtesten Umfeld an Konkurrenz<br />
in Österreich (SCS in unmittelbarer Nähe…)<br />
Dank an meine Studenten an der renommierten Fachhochschule für Immobilienwirtschaft<br />
in Wien für deren „blöde“ Fragen in meiner Vorlesung<br />
rund um die Standortlehre. Das genaue Hinterfragen regt immer wieder<br />
zum Überprüfen der Wirkungsmechanismen in der Praxis an.<br />
Speziellen Dank an Frau Mag. FH Melitta Müller, die mit einer eigenen<br />
Diplomarbeit an dieser Fachhochschule im Jahr 2005 speziell das vierte<br />
Buchkapitel „Detailplanung: Erfolg durch Konzeptionen für Mietzinshäuser<br />
in Haupt- und Nebenlagen“ erstmals grundlegend aufbereitete. Das<br />
Thema ihrer Diplomarbeit lautete: „Das Wiener Zinshaus. Relikt aus der<br />
Vergangenheit oder Zukunftschance? Mögliche Konzeptionen für Zinshäuser<br />
zur Wert- und Ertragssteigerung.“<br />
Dem Obmann des Fachverbandes der Immobilientreuhänder, Mag. Thomas<br />
Malloth ein Dankeschön für die Förderung des hier vorliegenden<br />
Gedankengutes. Die jährliche Frequenzwelle von <strong>Infrapool</strong>, erhoben vom<br />
Team Schaffner aus der Gruppe Schörghuber, wurde im jährlich vom<br />
Fachverband herausgegebenen Basiswerk „Immobilien-Preisspiegel“ integriert.<br />
Weiters bot der Obmann zahlreiche Gelegenheiten, die neuesten<br />
Erfahrungen aus der BID-Praxis an die Immobilientreuhänder Österreichs<br />
= (Haus-)Verwalter, Bauträger und Makler heranzutragen.<br />
Eine besondere Anerkennung auch an den Präsidenten der europäischen<br />
Immobilientreuhänder, KommRat Gerhard Steller, Wels. Er setzte immer<br />
wieder konkrete Initiativen in Richtung Innenstadtentwicklung, weil das<br />
Schicksal von Immobilien in der Innenstadt und deren Entwicklung und<br />
Erhaltung verbunden ist.<br />
Ein besonderer Dank geht an die ersten mit der BID-Methode betreuten<br />
Städte, insbesondere nach Tulln/NÖ. an Herrn Bgm. Willi Stift, Herrn<br />
Stadtamtsdirektor Ing. Lasser und den Obmann des Tullner Stadtmarketing<br />
GR Thomas Urban; an Herrn Bgm. Valentin Blaschitz und Herrn<br />
Wirtschaftsstadtrat Karl Kollitsch für Völkermarkt/Ktn., sowie Herrn<br />
Wirtschaftsstadtrat Mag. Maximilian Lötsch/OÖ. für Vöcklabruck.<br />
Inhalt.indd 13 06.10.2006 09:06:46<br />
13
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
14<br />
DIE EROTIK DER STADT LIEGT IN DEN<br />
HÄNDEN DER PRIVATEN<br />
UND ÖFFENTLICHEN<br />
LIEGENSCHAFTSEIGENTÜMER<br />
Inhalt.indd 14 06.10.2006 09:06:47
Kapitel 1.<br />
WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CI-<br />
TIES“ HIN ZU DEN SEIT MENSCHENGEDEN-<br />
KEN GELTENDEN REGELN DER VERFÜHRUNG<br />
10 GRUNDBEGRIFFE, DIE ANZIEHENDE STADTEROTIK SCHAFFEN<br />
Das Herz einer Stadt oder eines Stadtviertels in größeren Städten ist sein<br />
Zentrum. Viele Zeichen sagen uns, dass dieses Zentrum akut von einem<br />
Herzinfarkt bedroht ist. Manche Städte, die sich dieser Gefahr bewusst<br />
sind, fl üchten sich in das Bewahren der Stadt als Gegenstrategie. Das Zentrum<br />
wird in ein Museum umgewandelt. Mit vielen kosmetischen Eingriffen<br />
wird das Zentrum mumifi ziert. Wie bei den ägyptischen Pharaonen<br />
wird der perfekte Schein bewahrt, diesen Städten wurden alle lebenswichtigen<br />
Organe entnommen. Die Stadt ist tot. Wir fragen uns, ob der messbare<br />
Abschwung in Frequenz und gefl üchteter Bewohnerschaft so weitergehen<br />
soll oder nicht.<br />
Wenn die seit 20 Jahren eingesetzten Instrumente des Stadtmarketing<br />
nicht mehr greifen, müssen wir uns eben umorientieren. Dazu gehören<br />
folgende Grundbegriffe, die in der Umsetzung der Stadterneuerung nicht<br />
berücksichtigt werden. In vielen Städten werden sie nicht einmal akzeptiert:<br />
I. GRUNDBEGRIFF:<br />
DIE STADT IST WEIBLICH<br />
Die Fußgängerfrequenz der Geschäftsstrassen im deutschen Sprachraum<br />
ist dominierend weiblich.<br />
ANTEIL DER FRAUEN AN DER INNENSTADTFREQUENZ ÖSTER-<br />
REICHISCHER STÄDTE (Beispiele für unterschiedliche Städte)<br />
Wien, Mariahilferstraße: 54%<br />
Linz, Mozartkreuzung: 63%<br />
Leibnitz/Bezirksstadt in der Steiermark: 64%<br />
Tulln/Bezirksstadt in NÖ: 58%<br />
Die Stadt.<br />
Die Frau.<br />
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
Inhalt.indd 15 06.10.2006 09:06:49<br />
15
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
16<br />
Die Stadterneuerung.<br />
„Sie“ denkt und fühlt bekanntermaßen anders als „Er“. Die Stadtplanung<br />
wird aber von Männern dominiert. Die Stadterneuerung des 21.Jahrhunderts<br />
hat sich für das zukünftige Angebot an feminine Baugesetze zu halten.<br />
Das gilt sowohl für Erreichbarkeit, Einkauf, Treffpunkt als auch für<br />
gender housing (auf die Frau ausgerichtetes Wohnen) um erstmals seit 50<br />
Jahren wieder einen Bewohnerzuwachs in der Innenstadt zu bekommen<br />
usw.<br />
II. GRUNDBEGRIFF:<br />
DER STADTBESUCH IST EIN „DATE“ FÜR DIE FRAUEN<br />
Das kennen die Männer: Die Frauen legen großen Wert auf gepfl egtes Äußeres,<br />
wenn sie in die Stadt fahren. Obwohl sie die Kundinnen sind und<br />
sie Geld in die Stadt investieren und nicht umgekehrt die Stadt den Frauen<br />
etwas gibt. Folglich muss also beim Besuch einer schönen Stadt ganz<br />
etwas anderes mitschwingen, es muss also mehr sein als nur das Hinfahren<br />
und das schnelle Besorgen des Notwendigen für den Haushalt.<br />
Im Unterbewusstsein ist der Stadtbesuch für die Frau eine Art „Date“<br />
– ein Rendezvous , meistens ohne ein wirklich konkretes Date zu haben.<br />
Sie trifft die Stadt. Sie will viele Menschen sehen und von vielen gesehen<br />
werden, herauskommen aus dem Haushalt, herauskommen aus dem<br />
Büro oder der Arbeitsstätte. Sie will allen zeigen, wer Sie ist, dass auch sie<br />
eine schöne Tasche besitzt und schöne Schuhe, - so merkwürdig das für<br />
einen Mann klingt.<br />
Der Aufputz wird der Eleganz der Geschäftsstraße angepasst. Der Autor<br />
hat noch wenige Frauen gesehen, die sich für einen Besuch eines Fachmarktcenters<br />
schön hergerichtet haben. Da ist offensichtlich niemand,<br />
der einen besonderen Aufputz rechtfertigt oder notwendig macht. Wer<br />
auf dem Catwalk der Frauen, die zum Stadtdate gehen, im Blitzlichtgewitter<br />
der Augen stehen will, wird nichts unversucht lassen die positive<br />
Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.<br />
Daher ist dieser Einstellung der Frauen, diesen Versuch Wertschätzung<br />
zu erlangen, sich rund herum wohl zu fühlen in einer Stadterneuerung<br />
besondere Bedeutung beizumessen. Die Geschäftsstrasse der Zukunft<br />
muss so ausgerichtet sein, dass diese Bedürfnisse befriedigt werden.<br />
Um das leichter begreifl ich zu machen, haben wir die zu berücksichtigenden<br />
Funktionsanforderungen „Catwalk“ genannt und den Rahmen dazu<br />
„MALL“.<br />
Inhalt.indd 16 06.10.2006 09:06:50
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
III. GRUNDBEGRIFF:<br />
DIE FRAUEN HABEN DAS GELD<br />
Frauen entscheiden direkt oder indirekt über ¾ der Haushaltsausgaben.<br />
Mit der immer noch steigenden Berufstätigkeit hat ihr Einfl uss auf die<br />
Haushaltsetats stark zugenommen.<br />
Wenn 70 % aller Arbeitsplätze Dienstleistungen primär im Konsumbereich<br />
sind und die Frau 75 % des Geldes beeinfl ussen, dann müssen wir<br />
uns mit femininen Lebensformen auseinandersetzen.<br />
IV. GRUNDBEGRIFF:<br />
WENN WIR VON <strong>STADTERNEUERUNG</strong> SPRECHEN,<br />
DANN MÜSSEN WIR ENDLICH DAVON SPRECHEN,<br />
WAS FRAUEN LIEBEN UND AM DRITTEN ORT „ZEN-<br />
TRUM“ SUCHEN<br />
Frauen haben andere Prioritäten. Sie schätzen Emotionen, Esprit, Flair,<br />
Kommunikation, Schönheit und Beziehungen. Diese Auseinandersetzung<br />
mit diesen Themen und die Übersetzung dieser Thematik fehlt in vielen<br />
Städten. Wenn das Zentrum unseres Stadtviertels oder unserer Stadt nicht<br />
mehr pulsiert, keinen Charme mehr versprüht, wenn die Frauen das Interesse<br />
daran verlieren, vereinsamt, verödet sie. Die Stadt geht bankrott.<br />
Die Stadterneuerung, die hier vorgeschlagen wird, nimmt sich dieser Defi<br />
zite an und bringt Lösungen für die notwendige Entwicklung in die feminine<br />
Richtung.<br />
Mit einem Wort:<br />
Bringen wir Sex in unsere Betonköpfe, um die Stadt anziehend zu<br />
machen, statt abstoßend hin zur grünen Wiese.<br />
GLOBALE SICHT DER <strong>STADTERNEUERUNG</strong><br />
Demographischer Wandel, Globalisierung, Verankerung der Nachhaltigkeit<br />
auf lokaler Ebene, neue Beteiligungskultur. Die Stadtentwicklung<br />
steht zu Beginn des 21. Jahrhunderts vor einer Vielzahl neuer Herausforderungen.<br />
Stadterneuerung, die nachhaltig und zukunftsfähig sein will, muss neue<br />
Wege wagen. Sie muss alle vor Ort verfügbaren Ressourcen ausschöpfen<br />
und damit die Verantwortungen neu defi nieren, Kräfte bündeln.<br />
Neuartige Partnerschaften zwischen öffentlicher und privater Hand<br />
verbuchen im In- und Ausland beachtliche Erfolge. Diese neuartigen<br />
Inhalt.indd 17 06.10.2006 09:06:50<br />
17
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
18<br />
Kooperationen aktivieren vor allem das bisher brach gelegene Liegenschaftseigentümerengagement.<br />
Damit kommt privates Kapital für das<br />
Gemeinwesen ins Spiel. So entwickeln sich erfolgreiche Instrumentarien<br />
zur Förderung lokaler Wirtschaft. Diese Modelle gehen vernetzt interdisziplinär,<br />
integriert und partnerschaftlich an die Problemlösungen heran.<br />
Durch die neuartige Organisation entstehen Wechselwirkungen zwischen<br />
Ökonomie und städtischem Wandel. Die Möglichkeiten partnerschaftlicher<br />
Zusammenarbeit werden konkret, praxisnah und positiv erlebbar für<br />
die Beteiligten. Die Rolle der Geldinstitute in der Stadterneuerung wird<br />
dabei ebenfalls neu defi niert, wie auch die Chancen der Städte, ihrerseits<br />
Wachstum und wirtschaftliche Innovation vor Ort wirklich wirksam und<br />
nachhaltig zu fördern.<br />
Mit etwa diesen passenden Worten leitete Jens Imorde von der Imorde, Projekt- & Kulturberatung,<br />
Münster, seinen Berliner Kongress „Stadt als Motor von Wachstum und<br />
Innovation - Stadtplanung und Wirtschaft vor neuen Kooperationsformen“ ein.<br />
Die seit Jahrzehnten geübte Praxis mit „Business Improvement Districts“<br />
zur Stadtviertelsanierung in Amerika hat uns genug erfolgreiche Fallbeispiele<br />
aufgezeigt. Seit 2003 wachsen im ganzen deutschen Sprachraum<br />
Immobilien- und Standortgemeinschaften vielfältiger Art. Die Integrationserfolge<br />
bei den Liegenschaftseigentümern, die gelungenen wirtschaftlichen<br />
Masterpläne und die ersten Umsetzungsergebnisse seither lassen<br />
hoffen, dass diese Art der Masterplanung und die später vorgestellte BID-<br />
Methode eine gute Zukunft für die Innenstädte und Zentren von Stadtvierteln.<br />
ANSATZ DER ARCHITEKTUR ZUR <strong>STADTERNEUERUNG</strong><br />
In einem Essay über den verliehenen Preis für urbanen öffentlichen<br />
Raum hat Dir. Mag. Arch. Dietmar Steiner im Profi l festgehalten, dass<br />
es kaum mehr Großstädte in Europa gibt, die keine touristischen Qualitäten<br />
haben: Shopping, Cafes, Restaurants, Hotels, Theater und Museen.<br />
Beim Vergleich offenbart sich globalisierter Einheitsgeschmack. Die<br />
europäische Stadt ist Bühne geworden und die gestalterische Aufrüstung<br />
des öffentlichen Raums formt das entsprechende Bühnenbild dafür. Die<br />
Besucher wollen den als „gestaltet“ empfundenen „Stadtraum“ als Ereignis<br />
konsumieren. Gestaltet in diesem Sinne sind vor allem die Stadtkerne,<br />
welche als Weltkulturerbe ihr historisches Flair erhalten haben.<br />
Eine der Kernfragen der Stadterneuerung wird also sein, ob es reicht, nur<br />
das Alte (für die Touristen) zu bewahren und dadurch keine Stadterneuerung<br />
im eigentlichen Sinn mehr für die eigenen Bürger zu betreiben.<br />
Inhalt.indd 18 06.10.2006 09:06:50
Viele der urbanen Ansichten sind erst in jüngster Zeit so „schön“ hergerichtet<br />
worden. Tagtäglich wird der „historische Raum“ neu bebaut, dass<br />
alle Beteiligten an seine Gestalt, wie sie vielleicht einmal war, glauben und<br />
diese erhalten, wiederherstellen, rekonstruieren. (Siehe später „Historismus<br />
versus Zukunftsstrategie“.<br />
Neben dieser geschickten Restaurierung zur „Verschönerung“ des historischen<br />
Raums der europäischen Stadt ist für viele kleinere Städte dringend<br />
auch eine Neudefi nition für was sie konkret in der Zukunft stehen notwendig<br />
und wie eine nachvollziehbare Philosophie durch Neugestaltung<br />
erkennbar wird.<br />
Das neue Jahrtausend ist überall mit Zukunftsschwärmereien und Prognosen<br />
über das Neue eingeläutet worden. Heute sieht es aus, wie wenn<br />
alle unsere Zukunftshoffnungen in der Vergangenheit liegen. Gibt es kein<br />
neues Land? Was oder wen werden unsere Nachkommen in 100, 200<br />
oder 250 Jahren feiern? Das Alte schließt das Neue nicht aus. Zeitgenössische<br />
Architektur ist sichtbar am Stadtrand, bei den Hochhäuser sowie<br />
im Einfamilienhausbau sichtbar. In den Innenstädten regieren die Hofräte<br />
und Hofl ieferanten. Die ersteren üben ihre pragmatisierte Macht aus,<br />
die letzteren leben von der Vergangenheit. Es scheint oft beinahe wichtiger<br />
zu sein, woher die Stadt kommt, als wohin sie geht. Das Ersessene ist<br />
manchmal gewichtiger als das für die Zukunft Errungene.<br />
Nicht umsonst sind dominierend Senioren in Österreich auf Urlaub!<br />
Ein wenig riecht der Überhang der habsburgischen Identität nach muffi -<br />
gem Dachboden, der mal wieder Licht und Frischluft vertragen könnte.<br />
(Federspitz, H.O.M.E. 37ff.)<br />
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
Die zeitgenössische Stadtentwicklung braucht sich nicht zu verstecken.<br />
Das Land hat eine große Vergangenheit, und ebenso eine große Zukunft,<br />
die genauso gefördert gehört. Vielleicht lernen wir es, dass unsere Leistungen<br />
nicht immer erst 100 Jahre nach unserem Tod im Nachhinein ordentlich<br />
gefeiert werden. Wenn die Stadtplanung zukünftig sich viel mehr<br />
traut, die City ganz bewusst zum Zentrum des Lebens und Schaffens zu<br />
machen, wenn wir die Gestaltungswilligen motivieren und den Rücken<br />
stärken können, dann sind wir mit diesem Buch gerade zur rechten zeit<br />
gekommen.<br />
Inhalt.indd 19 06.10.2006 09:06:50<br />
19
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
20<br />
DER RAUM FÜR ALLE IN DER STADT = „COMMON SPACE“<br />
STATT NUR „PUBLIC SPACE“<br />
Ist das der antike Mythos von der klassisch geprägten Stadt, dass sich dort<br />
freie Bürger in der freien Meinungsäußerung als Treffpunkt zusammenfi<br />
nden? Der öffentliche Raum war nie wirklich „frei“ in seiner Meinungsäußerung.<br />
Der Treffpunkt Stadt war immer geprägt von den gerade herrschenden<br />
Meinungsführern – das ist bis heute sichtbar und gut so, dass<br />
wir die zeitgemäße Zukunftsgestaltung ausdrücken können und sollten.<br />
Eine weitere Tendenz ist mit dem Rückzug der Kommune auf hoheitliche<br />
Verwaltung spürbar: Der öffentliche Raum wird zunehmend privatisiert.<br />
Ein Beispiel: Der Autor dieses Buches hat an der Neustrukturierung im<br />
Angebot auf vielen TOP Bahnhöfen mit Hochfrequenz in Deutschland im<br />
Rahmen der MITROPA AG Berlin und im Rahmen der Bahnhofsoffensive<br />
der ÖBB in Österreich von Bischofshofen entlang der Westbahn bis Linz<br />
mitgewirkt. Die hoheitlichen Aufgaben des Verkehrsbetriebes sind dabei<br />
in den Hintergrund gerückt worden um eines zu schaffen: Die zu erwartenden<br />
Mieteinnahmen aus den neu geschaffenen Geschäfts- und Servicefl<br />
ächen fi nanzieren die Sanierungs- und Umbauarbeiten der Bahnhöfe.<br />
Zum öffentlichen Raum mit viel Privatanteil sind neben den klassischen<br />
Plätzen als Versammlungstreffpunkt die Geschäftsstraßen geworden.<br />
Eine langfristig gesunde Geschäftsstraße braucht eine Mindest-Wochenfrequenz<br />
von 30.000, damit Filialisten und inhabergeführte Betriebe von<br />
der Frequenz überleben können. Liegt die Wochenfrequenz unter diesem<br />
Wert, beginnen die Unternehmen mit geringer Standorttreue mit der Verlagerung.<br />
Das sind in der Regel Filialisten mit einem nationalen Filialnetz.<br />
Mal 52 Wochen gerechnet ergibt das eine Frequenz von 1,560.000<br />
pro Jahr. Wenn man bedenkt, dass der Durchschnittseinkauf bzw. – konsumation<br />
in der Gastronomie je Besucher etwa bei 30,- Euro liegt, dann<br />
ergibt sich eine neue Sicht:<br />
Es gibt wenige Ämter und Behörden, Museen, Galerien, Theater und<br />
sonstige Schaustellungen wie Riesenrad, Grottenbahn & Co., die über eine<br />
Million zahlende Besucher pro Jahr haben. – Dagegen sind diese mit 1,5<br />
Mio. Frequenz mindestfrequentierten Geschäftsstraßen in jeder halbwegs<br />
in der Stadterneuerung gepfl egten Kleinstadt ab etwa 5.000 Einwohner<br />
bereits vorhanden. Dort bestimmen die vorhandenen privaten Magnetbetriebe<br />
wieviel Frequenz zustande kommt.<br />
Noch mehr ein Refugium der Privatwirtschaft sind Passagen mit Geschäftsbesatz<br />
und die Einkaufs- sowie Fachmarktzentren.<br />
Inhalt.indd 20 06.10.2006 09:06:50
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
Das heißt: Was man heute unter öffentlichem Raum versteht, hat nur<br />
noch wenig mit wirklich „von der Kommune, Landes- und Bundesbehörden<br />
gebotenem öffentlichen Raum“ wie Besuch von Ämtern und Behörden,<br />
Museumsbesuch, Theaterbesuch, usw. zu tun. Die attraktiven und<br />
damit auch frequentierten Standorte sind kein öffentlicher Raum sondern<br />
eine Art Oberbegriff „Raum für alle“. In englisch: „common space“ statt<br />
„public space“. Für die Besucher dieser common spaces spielt es keine<br />
Rolle, wem dieser Raum gehört. Wichtig ist die mögliche Nutzung und damit<br />
der Nutzen des Raumes. Für viele Bürger ist der persönliche Nutzen<br />
eines Einkaufszentrums größter als der eines Theaters. Wichtiger ist, wie<br />
gut jetzt und in der Zukunft die Funktion des Treffpunktes, des Einkaufs,<br />
der Erledigung von Anliegen, der Besichtigung, des Kulturgenusses usw.<br />
überhaupt angenommen und immer wieder genutzt wird.<br />
Bei der Stadterneuerung ist neben dem traditionellen Generalthema „öffentlicher“<br />
Raum der Ämter und Behörden, Museen und Theater heute<br />
auch und vor allem etwas anderes in die Planung einzubeziehen: Diese<br />
traditionellen Elemente – ob mit oder ohne Eintritt zahlenden Tourismus<br />
– sind in Wirklichkeit nur bruchteilhaft attraktiv und frequentiert durch<br />
die Bürger. Die Bürger halten sich vorzugsweise im common space privater<br />
Natur auf. Wird die Stadterneuerung strategisch gut betrieben, dann<br />
gibt es keinen Abschwung im common space und der Standortwert steigt<br />
nachhaltig. Der Autor geht noch weiter: Über Strategien für den common<br />
space bekommen wir den Raum für die Ämter und Behörden und die Museen<br />
und Theater wieder besucht und damit attraktiv.<br />
Bei den Überlegungen zum common space muss vorangestellt werden,<br />
welche Funktion die Stadt in der Zukunft übernehmen soll. Da wir von<br />
Städten sprechen, gehen wir von einem vorhandenen natürlichen Einzugsgebiet<br />
aus. Der Standort hat somit eine Leitfunktion für die gesamte<br />
Region. Der common space muss diese Position für die Region sinnhaft<br />
übernehmen.<br />
Der europäische Preis für den urbanen öffentlichen Raum, ausgeschrieben<br />
vom Zentrum für zeitgenössische Kultur in Barcelona, zeigt in seinen<br />
Prämierungen immer mehr, dass die Neugestaltung von öffentlichen (und<br />
privaten) Räumen nicht nur einer zeitgemäßen architektonischen Lösung<br />
bedarf.<br />
In den Stadterneuerungen soll ein Sinn, sollen Leitthemen erkennbar<br />
werden und dem Besucher Geschichten erzählen.<br />
Inhalt.indd 21 06.10.2006 09:06:50<br />
21
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
22<br />
Vielleicht haben damit auch die Selbstdarstellungen der Architekten im<br />
abschreckenden, grauenvoll kalten, abstrakten Kubuskörper aus Beton,<br />
Glas und Edelstahl ausgedient. Nicht umsonst werden die Leistungen der<br />
Architektur von 1950 bis 1980 jetzt als Betonschrott und nicht mehr ansehbarer<br />
Fremdkörper in der Stadt reihenweise wieder abgerissen.<br />
Besinnung tritt vielleicht durch eine hier im Buch beschriebene neue Art<br />
der Organisation der Stadterneuerung ein, dass nicht mehr Techniker an<br />
Techniker Briefi ngs für die Architektur formulieren und deren Einhaltung<br />
in Technikerbeiräten überwachen. Die Stadterneuerung muss sich<br />
abkoppeln von der technischen Planung und mehr zum Sprachrohr für<br />
lebende Menschen werden.<br />
Wird die Stadterneuerung der Macht von pragmatisierten Bürokraten<br />
überlassen, regiert der Geschmack der Stadtgartenämter. Nur ein Klima<br />
der Offenheit und der Meinungsbildung in Workshops über die im Netzwerk<br />
eingebundenen Meinungsführer der verschiedensten Zielgruppen<br />
überwindet die restriktive Zwangssituation (siehe später das Theater rund um den<br />
Wetterschutz) überwinden.<br />
Am Ende seines Essays über Stadterneuerung schreibt jedenfalls Dir. Mag.<br />
art. Dietmar Steiner, der Direktor des Architekturzentrums Wien, „Az W“:<br />
„Kein gebauter Raum ist so sehr politisch bedingt wie der öffentliche. Das<br />
Desaster des öffentlichen Raums in Österreich (und wahrscheinlich überall…)<br />
ist deshalb ein direktes Abbild der herrschenden mikropolitischen<br />
Verhältnisse.<br />
TYPISCHER ANSATZ DER INNENSTADT-KAUFLEUTE<br />
UM DIE STANDORTATTRAKTIVITÄT DES ZENTRUMS<br />
ZU VERBESSERN<br />
Die Geburtsstunde für das „Stadtmarketing“ war 1987. Im Kern ging es<br />
damals darum, dass eine Gruppe von Innenstadtunternehmern gemeinsam<br />
mit der Stadtgemeinde und den Geldinstituten Geld zusammenlegte<br />
um für die Innenstadt ein Entwicklungskonzept zu bekommen. Jeder mitmachende<br />
Unternehmer wurde damals noch direkt über den Beratungs-<br />
Fördertopf des Wirtschaftsförderungsinstitutes der Wirtschaftskammer<br />
unterstützt und das Geld für diese Aktion thesauriert. Bei so vielen Beteiligten<br />
und gegebenen Einzel-Beratungsaufträgen war nicht einmal klar<br />
wer jetzt der entscheidende Auftraggeber für die eingesetzte Beratergruppe<br />
war. Klar dagegen war das Ziel: Den seit etwa 10 Jahren merkbaren<br />
Frequenzrückgang in der Innenstadt aufzuhalten und dem Bestand an Unternehmern<br />
so wieder mehr Geschäft in den eigenen Laden zu bringen.<br />
Inhalt.indd 22 06.10.2006 09:06:50
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
Zuerst wurden die Chancendaten ermittelt und dann folgte in Workshops<br />
die Arbeit mit politischen Mandataren der Stadt, den mitfi nanzierenden<br />
Innenstadtunternehmern, sowie Vertretern der Vöcklabrucker Bezirksstelle<br />
der Wirtschaftskammer. 1989 wurde dann in Vöcklabruck das erste<br />
so genannte „Citymanagement“ als Werbeverein geboren.<br />
So hat die Gruppe Schörghuber beginnend 1987 eines der ersten „Stadtmarketing“<br />
im deutschen Sprachraum in dieser Stadt (11.000 Einwohner)<br />
in Oberösterreich aufgebaut. Kern war die zu dieser Zeit neuartige Zusammenführung<br />
von Stadtagenden und der Handelsagenden in ein organisiertes<br />
Netzwerk.<br />
Das deutsche Institut für Urbanistik hat die Geschichte des Stadtmarketing<br />
(primär noch auf die Kommunikation bezogen und weniger in Richtung<br />
echter Standortentwicklungsstrategie recherchiert: Die Grafi k der „Abschöpfungsraten“<br />
des Stadtmarketing in den Städten sieht etwa so aus:<br />
Lesart: Wieviel Prozent der Stadtgemeinden haben sich mit Stadtmarketing im Jahr … befasst?<br />
Quelle: deutsches Institut für Urbanistik, Stadtmarketing status quo…, Band 42, Berlin, 2006<br />
Die Grafi k zeigt auf, dass Stadtmarketing in Österreich die weiteste Verbreitung<br />
im deutschen Sprachraum genießt und diese Führung bis 2005<br />
auch nicht abgab.<br />
Durch den frühen Beginn und zumindest kleinen mentalen Erfolgen, dass<br />
„etwas in der Stadt gegen die grüne Wiese geschieht“, kam sehr bald eine<br />
Inhalt.indd 23 06.10.2006 09:06:50<br />
23
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
24<br />
ungewöhnliche Breite der Anwendung zustande. Gut ein Drittel aller Städte<br />
in Österreich wurde bisher von der Gruppe Schörghuber in verschiedensten<br />
Fragestellungen des Stadtmarketing bzw. in der Stadterneuerung<br />
mit Masterplan und BID – Organisation betreut.<br />
FALSCHER AUSGANGSPUNKT: GLAUBE, DASS DAS AN-<br />
GEBOT OHNEHIN STIMMT UND NUR ETWAS WERBUNG<br />
FEHLT, UM DAS ALS „NAHVERSORGUNG“ HERABGESETZ-<br />
TE ANGEBOT DES ZENTRUMS AUFRECHT ERHALTEN ZU<br />
KÖNNEN.<br />
Die Unternehmer- und Wirtschaftskammermeinung geht bei der Innenstadt<br />
davon aus, das Produkt Innenstadt (=der Markenartikel selber) sei<br />
ohnehin passend vorhanden oder nicht änderbar. Das einzige Manko bestehe<br />
darin, dass die Innenstadt über zu geringe Mittel für das Werbebudgets<br />
im Markt (= natürlicher Einzugsbereich) verfüge. Tatsächlich<br />
sind es aber genau die grundlegenden Produkteigenschaften, die nicht<br />
dem Kundenwunsch entsprechen. Der Branchenmix, also das Angebot<br />
der bestehenden Betriebe, steht hierbei ganz vorne.<br />
Das Werbebudget „Speckgürtel grüne Wiese“ ist 10 bis 100 mal höher als<br />
die investierten Geldern der Innenstadtkaufl eute. Also müsse nur das breite<br />
Angebot an individuellen Inhaberbetrieben bekannt gemacht werden.<br />
Am besten durch Feste und Spezialevents für Teilbereiche - und dann ändere<br />
sich wieder der seit Beginn der 80er-Jahre feststellbare Niedergang<br />
von Frequenz<br />
und Kaufkraftbindung<br />
in der<br />
Stadt. Dieser<br />
Denkansatz ist<br />
noch immer vorzufi<br />
nden, dass<br />
man mit Werbung<br />
die Unattraktivität<br />
des<br />
Standortes verbessern<br />
kann.<br />
Typische Zeitungsmeldung:<br />
Quelle: OÖN<br />
Inhalt.indd 24 06.10.2006 09:06:51
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
Ziel: Laut Bericht will die Werbedame als „Managerin“ zwei Feste pro<br />
Jahr und pro Einkaufsstraßenvereinigung aufbereiten und die Stadt sowie<br />
Wirtschaftskammer wollen so die Straßen als Standort aufwerten,<br />
weiters die Nahversorgung halten oder verbessern und die Lebensqualität<br />
beeinfl ussen.<br />
Schon Mitte der 90er Jahre zeigte sich die Nichtwirkung solcher Einsätze<br />
von Citymanagern und Werbeaktionen der Werbevereine für deren Mitglieder<br />
um so die Nahversorgung und die Standortbonität zu beeinfl ussen.<br />
Die Frequenz sank permanent. Die Planung neue Magneten als Betriebstypen<br />
in die Stadt einzupfl anzen war tabu, „weil ohnehin zuviel Verkaufsfl äche<br />
vorhanden ist“. – Sprich in Wahrheit: Die bestehenden Unternehmer<br />
wollen mehr Gratisparkplätze, aber keine neue Konkurrenz.<br />
Folge: Bereits in den 80er Jahren konnte das Produkt Innenstadt weder im<br />
Branchenmix, noch in der Erreichbarkeit, noch im Wetterschutz, noch im<br />
Image der Preiswürdigkeit mit dem Angebot der grünen Wiese mithalten.<br />
DIE STRATEGIE FÜR DEN START DES STADTMARKETING<br />
IM JAHRE 1987 . . .<br />
Die Strategie mitten im Neuland, - am Anfang der Disziplin, - bestand darin,<br />
durch PR für die Stadt „Komm und kauf“, Kommunikationsstrategien<br />
als Imagewerbung „Wir haben alles“ und kleine Verkaufsförderungen für<br />
die bestehenden Unternehmer (Kleber für die Mitglieder beim Werbeverein<br />
an der Ladentüre anzubringen usw.) den Niedergang bei Frequenz<br />
und Kaufkraft aufzuhalten. – Das heißt, Werbung für die Innenstadt wurde<br />
gemacht und fachlich orientierte Festivitäten zum Herausarbeiten der<br />
Kompetenz der Unternehmer wurden entwickelt.<br />
Um nachhaltig die Frequenz besser zu binden befasste sich die Gruppe<br />
Schörghuber zusätzlich intensiv von 1990 bis 1994 mit dem Design einer<br />
neuen Art von Märkten im FOOD - Bereich mit der damals neuen Planenfarbe<br />
gelb-weiß statt den bisher verwendeten dunkelgrünen Planen für<br />
die Stände oder roten Farbe.<br />
Das Gelb und Weiß ist das psychologische Zeichen für die geforderte<br />
Haupteigenschaft Frische und die Sonne des Südens ins Land bringen,<br />
als positives Zeichen am Marktplatz auch bei Schlechtwetter. Inzwischen<br />
ist diese Farbe die wahrscheinlich am meisten genutzte Farbplane für Frischemärkte<br />
geworden.<br />
Auch die verwirrenden Leitsysteme waren ein Thema, ebenso wie die effi -<br />
Inhalt.indd 25 06.10.2006 09:06:51<br />
25
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
26<br />
ziente Führung von Unternehmer - Innenstadtvereinen.<br />
Die Erfahrungen aus der Praxis bei der Anwendung in den Städten<br />
hat der Autor dann in dem Buch „Stadtmarketing“, Linz, 1995,<br />
publiziert.<br />
Immer mehr zeigte sich in der zweiten Hälfte der 90er Jahre, dass eine<br />
Trendumkehr des Frequenzniederganges in der Innenstadt nur durch<br />
Substanzänderungen im Angebot und Erreichbarkeit herbeizuführen<br />
sind.<br />
Diese Erfahrungen bei der Umsetzung wurden dann mit einer Reihe von<br />
methodischen Innovationen im Buch „Standortmarketing“, Linz, Jahr<br />
2000, vom Autor zusammengefasst.<br />
DIE „D O N U T – C I T Y“ IST REALITÄT GEWORDEN:<br />
DICKER SPECKGÜRTEL ALS FACHMÄRKTE- UND DISKON-<br />
TERRING AUSSEN UND INNEN HOHL.<br />
Inzwischen hat fast jede Stadt im 21. Jahrhundert seinen Speckgürtel auf<br />
jeder Ausfallstraße als Abwehrstadtmauer gegen das Hineinfahren in die<br />
Innenstadt bekommen. Nur noch die eigenen Stadtbürger kaufen dann in<br />
der Innenstadt. So rutschte die Abschöpfungsrate der Kaufkraft der Innenstadt<br />
von der Gesamtkaufkraft im Schnitt in Österreich auf 25% bis<br />
50 %. Am Hauptplatz vieler Städte wohnen nur noch ein dutzend Haushalte.<br />
Also verschärften sich die Anforderungen an eine erfolgreiche Stadtentwicklung<br />
im neuen Jahrhundert drastisch. Zu stark hatte der Standort<br />
bereits an Frequenz verloren und ist dadurch fi nanziell ausgeblutet.<br />
Mit etwas Stadtmarketing Show, Bewerbung des Städtetourismus um so<br />
die Frequenz aufzudoppeln, sowie dort und da einen Architektenwettbewerb<br />
für öffentliche Gebäude ohne wirtschaftlich zusammenhängende<br />
(Master-) Planung der Umgebungsauswirkung zu vergeben, Technoparks<br />
ohne Techno auf die grüne Wiese zu bauen, wo parallel dazu die Innenstadt<br />
halb leer steht, kommt der Kern der Stadt wirtschaftlich nicht mehr<br />
in die Blüte.<br />
(MASTER-) PLANUNGEN SIND SELBSTVERSTÄNDLICH.<br />
LEIDER NUR AUSSERHALB DER KERNSTADT<br />
BZW. FÜR GESCHÄFTSSTRASSEN.<br />
Inhalt.indd 26 06.10.2006 09:06:51
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
Flächenwidmung ist für jede Gemeinde selbstverständlich. Bauland für<br />
Betriebsansiedlungen wird für noch mehr „Gewerbeparks“ selbstverständlich<br />
von landwirtschaftlich genutzten Gründen oder Grünlandwidmung<br />
umgewidmet. Diese „Gewerbeparks“ mutieren dann vielfach in<br />
Handels- und Großhandelsfl ächen mit Direkteinkauf für jedermann. Der<br />
„Gewerbepark“ ist nur der Deckmantel für das alte Wunschdenken möglichst<br />
große Industriebetriebe mit hunderten Arbeitnehmern anzusiedeln<br />
um die (Kommunal-) Steuer zu kassieren und sich die Politik damit groß<br />
brüsten kann.<br />
Die Realität ist, dass die Industrie als Arbeitgeber permanent Anteile an<br />
der Gesamtbeschäftigung verliert und eine ganz andere Struktur in der<br />
Arbeitnehmerschaft sich längst breit gemacht hat. Die Realität ist auch,<br />
dass ein Angestellter in einem Dienstleistungsbetrieb etwa das Gleiche<br />
wie in einem Industriebetrieb verdient, ebenso ein Leitender. Die Industrie<br />
ist kein Geldzauberbetrieb mehr wie das früher vielleicht der Fall war,<br />
wo aus der armen, wenig den Landarbeitern zahlenden Landwirtschaft in<br />
den toll bestallten Industriesektor gewechselt wurde.<br />
Das hat sich offensichtlich nicht herumgesprochen: Noch immer wird angenommen,<br />
der Industriearbeitsplatz sei etwas Besonderes, Besseres und<br />
besser Bezahltes als ein Dienstleistungsarbeitsplatz.<br />
Ausgenommen ist das lange geschützte Lohnniveau in ehemaligen Staatsbetrieben,<br />
die ihre starke Gewerkschaftsarbeit für die Gehaltserhöhungen<br />
und sonstige Renumerationen in der Vergangenheit durch Defi zitabdeckungen<br />
durch den Staat quersubventionierten. Aber auch diese Welt gehört<br />
immer mehr der Vergangenheit an.<br />
Die Realität ist jedenfalls, dass die Ansiedlungswelle der Industrie „erst“<br />
seit 30 Jahren vorbei ist. Noch immer träumen manche von den rauchenden<br />
Schloten der „Industrie“, wo alle sehen, dass dort – im Gegensatz zur<br />
Tintenburg - etwas weitergeht.<br />
Dieses Wunschdenken äußert sich auch dadurch, dass jetzt die „Tourismusindustrie“<br />
als Wort entstand – die produziert dann 100.000e Gäste<br />
und die „Dienstleistungsindustrie“ produziert dann Dienstleistungen von<br />
der Stange. Vielleicht für die Belletristik faszinierend, aber Unsinn.<br />
Höchstens serviceintensive Dienstleister sind in den jetzt neu angelegten<br />
Gewerbeparks zu fi nden. Büroparks sind die neuen Center der grünen<br />
Wiese. Wenn dort nichts lärmproduzierend und abgasintensiv und in sehr<br />
Inhalt.indd 27 06.10.2006 09:06:51<br />
27
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
28<br />
großen Hallen produziert wird, wozu dann auf die grüne Wiese gehen?<br />
Die bestehenden Fachmarktzentren und Shoppingcenter auf der grünen<br />
Wiese verdoppeln trotz neuer Raumordnungsgesetze selbstverständlich<br />
ihre Verkaufsfl ächen und die Gemeinden sind froh darüber, weil das Gleiche<br />
nicht bei der Nachbargemeinde passiert und sie die Steuern und Abgaben<br />
dafür lukrieren.<br />
AKTIVE <strong>STADTERNEUERUNG</strong> IM 21. JAHRHUNDERT<br />
BEGINNT MIT DER NEUORGANISATION DER PLANUNG<br />
UND DEM MASTERPLAN<br />
Dringenden Handlungsbedarf haben viele Städte. Bisher wurden sie vom<br />
grüne Wiese – Umwidmungs- und Ansiedlungstheater durch Aufkäufer<br />
und Entwickler der verkehrsmäßig gut gelegenen Grundstücke ständig<br />
in Schwung gehalten. Dazu haben die Wohnbaugenossenschaften immer<br />
neue Siedlungen „in der Pampas am billigen Grund“ gebaut und am<br />
Fuß folgten gigantische Probleme mit der öffentlichen Verkehrserschließung<br />
und Zubringerverkehr in die Stadt. Dadurch sind die wichtigsten<br />
Agenden für das Schaffen einer Kernstadt des 21. Jahrhunderts mit dem<br />
Angebot der besten Arbeitsplätze sowie dem neuen Wohnen schlichtweg<br />
verschlafen oder auf die Unternehmer als „Schuldige“ verdrängt worden.<br />
Die dezentrale Planung fällt jetzt auf den Kopf: Jede Siedlung möchte ihren<br />
eigenen Nahversorger, einen Kindergarten und ein eigenes Kultur-<br />
und Seniorentreffpunkthaus irgendwo auf die Wiese gestellt bekommen.<br />
Nachdem diese Bürger zugleich auch bei Wahlen Stimmen abgeben, läuft<br />
der Gemeinderat großteils diesen Projekten nach, um sich positiv zu profi<br />
lieren. Dagegen hat die Innenstadt mangels Bewohnern kaum Stimmen<br />
bei Wahlen. Daher ist sie ohnehin für viele Gemeinderäte uninteressantes<br />
Agitationsgebiet.<br />
ZUSAMMENFASSUNG MÖGLICHER HINDERNISGRÜNDE<br />
WARUM BISHER KEIN WIRTSCHAFTLICHER MASTER-<br />
PLAN ERARBEITET WURDE:<br />
1. Wegen geringer und sinkender Einwohnerzahlen interessieren sich nur<br />
wenige Gemeinderäte für die Wählerstimmen der Innenstadt.<br />
2. Der Neid mancher Politiker: „Unternehmer und Liegenschafts- eigentümer<br />
der Innenstadt sind alles Millionäre – sollen doch die einen Masterplan<br />
machen lassen. Die gewinnen doch bei jeder Gemeindeinvestition.“<br />
3. Falsch verstandener Denkmal- und Ensembleschutz. Der<br />
Bürgermeister als Bauchef erster Instanz will sich die Finger nicht an<br />
Inhalt.indd 28 06.10.2006 09:06:51
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
der Innenstadt verbrennen, wenn er sie auf das Attraktivitätsniveau des<br />
21. Jahrhunderts bringt. Also verwaltet er/sie nur die Sanierung, damit<br />
kein Ziegel einem Bürger auf den Kopf fällt. Ob da jemand in den Häusern<br />
wirtschaftet oder nicht, ist keiner Frage wert.<br />
4. Wie beim Wiederaufbau nach dem Weltkrieg besteht noch immer ein<br />
Denken in Sozialkategorien: Der sogenannte „kleine Mann“, - soll alles<br />
billig bzw. geschenkt bekommen. Daher werden billige Grundstückspreise<br />
am Rand der Gemeinde durch Kauf von Grün- oder Agrarland<br />
gewonnen. Dann folgt der Umwidmungszauber in Bauland. Seelenlose<br />
Wohnsiedlungstrabanten werden am „Arsch der Gemeindewelt“ mit<br />
Blick auf einen Acker, auf die Bundesstraße oder Autobahn als Erschließungsachse<br />
billigst platziert.<br />
Heute haben viele Städte den Trend in Richtung Vormerkungen von Wohnungssuchenden<br />
bereits registriert, dass die Haushalte nicht irgendwo<br />
außerhalb der Stadt wohnen wollen. Speziell die rasch wachsenden Kohorten<br />
an älteren Menschen wollen mitten in der Stadt mit einem Balkon,<br />
nahe dem Ärztehaus, der Kirche, des Marktes und der Kaffeekonditorei<br />
leben.<br />
Jede uns bekannte Innenstadt und der nächstgelegene Stadtring<br />
rundum hat gewaltige Baureserven, weil die Wohnbaugenossenschaften<br />
auf die Akquirierung der grünen Wiese für Wohnsiedlungstrabanten ausgerichtet<br />
waren.<br />
„STADTLUFT MACHT FREI“<br />
Innerhalb der Stadtmauern und nicht irgendwo in der „Vor-<br />
oder Hinterstadt“ (!) befi nden sich die qualifi zierten Arbeitsplätze<br />
und der Sitz der Macht über das Land.<br />
Innerhalb der Stadtmauern wird seit tausend Jahren unverändert<br />
das Geld verdient.<br />
Wohnen in der Stadt ist billiger als in der Trabantenstadt! Viele Autofahrten<br />
können entfallen, weil die Wege zum Einkauf oder zum<br />
Date ohne Auto bewältigt werden. Eine Familie, die in der Stadt<br />
wohnt, braucht keine drei Autos. Das lässt locker die höhere Miete<br />
in der Stadt fi nanzieren, die Garagenbaukosten und den Stellplatz.<br />
Mit der gewonnenen Fahrzeit von angenommen 2 Stunden am<br />
Inhalt.indd 29 06.10.2006 09:06:51<br />
29
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
30<br />
Arbeitstag und keinem Morgen- und Abendstress beim Heimfahren<br />
(-heimspazieren), kann gelebt werden, Kultur ist um die Ecke, Treffpunkte<br />
sind per Pedes jetzt erstmals erreichbar. Uns kann niemand mehr erzählen,<br />
dass die Innenstadt heute teurer als die Trabantensiedlung ist wenn<br />
die Gemeinde die Folgekosten kalkuliert und der Haushalt seine eigenen<br />
Mehrkosten und die Randlagen- Opportunitätskosten.<br />
Wir stehen vor dem starken Wachstum der älteren Bewohner. Bisher war<br />
es genau wegen dem Billig - Grundstückspreisdenken üblich irgendwo im<br />
Grünen Seniorenheime günstig hinzusetzen.<br />
Die Gemeinde des 21. Jahrhunderts baut keine neuen Seniorenheime<br />
mehr, sondern stockt nur noch die Pfl egeplätze auf und baut betreute<br />
Wohnungen. Und diese betreubaren Wohnungen sind dann sinnvollerweise<br />
mitten in der Stadt gelegen, weil wesentlich effi zienter zu betreuen<br />
als auf der grünen Wiese.<br />
Der neue Trend ist auch ganz klar: Die Senioren sind jene Generation, die<br />
heute als erster in die Stadt zieht um sich dort mit dem großen Infrastrukturvorteil<br />
anzusiedeln:<br />
Zumindest die Erbschaftsgeneration unter den Senioren und jene,<br />
die selber ein Eigentum oder die ausreichende Pension oder etwas<br />
Vermögen haben, wollen sich in Seniorenresidenzen oder betreubares<br />
Wohnen „einkaufen“. Das Durchschnittsalter der Erben beträgt<br />
58 Jahre. Der Vorteil der zentrumsnahen Seniorenwohnungen liegt bei<br />
der unmittelbaren Nähe zu Märkten, Konditoreien und Ärztehäusern.<br />
Grob geschätzt verfügen die heute 65-Jährigen mindestens zur Hälfte des<br />
Jahrganges (!) über ausreichend Vermögen um sich die Innenstadt leisten<br />
zu können:<br />
Durch verkaufbares Eigentum (am Land), vorhandene Lebensversicherungen,<br />
Anlage- und Wertpapiere durch eine enorme Sparquote von derzeit<br />
6 bis 10 % des verfügbaren Haushaltsnettoeinkommens pro Jahr (!),<br />
sonstiges Vermögen oder eine gute staatliche Pension sowie private Pensionsvorsorge.<br />
Das Bild von den mittellosen Pensionisten, die sich die Stadt nicht<br />
leisten können, ist heute vollkommen falsch weil immer die<br />
staatliche Pensionshöhe mit der realen Vermögenssituation der<br />
Pensionisten verwechselt wird.<br />
Inhalt.indd 30 06.10.2006 09:06:52
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
6. Ein Hinderungsgrund kann auch die einseitige Ausrichtung auf<br />
Kulturförderung sein. Für die Wirtschaft ist in der Kulturgemeinde<br />
manchmal insofern wenig Platz, als erwartet wird, dass sich die Wirtschaft<br />
alles selber richten soll. Sie stellt nur die Melkkuh dar, die zu<br />
parieren hat.<br />
7. Die Innenstadt ist oft auch nicht der Platz für politisches Agieren im<br />
Sozialbereich. Weder die Wohnungen sind dort billig, noch sind wegen<br />
zu vielen Leerfl ächen in allen Geschoßen (Sandler-) Asyle hier gewünscht,<br />
noch sollten da mangels Mietern Ausländer in der Innenstadt<br />
integriert werden.<br />
8. Die Innenstadt ist auch für die Sportbegeisterten keine Heimstätte. Daher<br />
auch kein Thema für diese.<br />
Eine Innenstadt hat nicht umsonst die weitaus teuersten Grundstücke<br />
der Stadt und beherbergt die wichtigsten Arbeitgeber. Die Mietpreise sind<br />
deshalb so hoch weil dort der Nutzen für die Wirtschaft und die Lebensqualität<br />
am höchsten sind, nicht weil die Eigentümer mit den Grundstücken<br />
spekuliert haben.<br />
WIR ZIELEN STRATEGISCH AUF DIE UMFASSENDE<br />
STADTVIERTELSICHT AB<br />
Schon für den Renaissancearchitekten Palladio ist die Stadt nichts anderes<br />
als „ein großes Haus und ein großes Haus nichts anderes als eine kleine<br />
Stadt:<br />
Weder darf sie stets unverändert bleiben noch sich von Grund auf<br />
verändern.“<br />
„Wenn die Stadt gebaut ist, dann tritt ihr Tod ein“. – Sagt ein arabisches<br />
Sprichwort. „Lassen wir also immer noch etwas zu tun übrig“.<br />
Also: Die Innenstadt ist kein heiliges Museum! Sie ist Ausdruck der Jahrhunderte<br />
und zugleich der wirtschaftliche und geistige Mittelpunkt der<br />
Gegenwart.<br />
80 % der Bürger kommen nach wie vor in die Stadt, weil sie etwas einkaufen<br />
oder sich treffen wollen. – Nicht primär weil sie Ämter und Behörden<br />
besuchen wollen, nicht weil sie in erster Linie zum Arzt gehen wollen,<br />
auch keinesfalls weil sie nur „Bummeln“ gehen wollen, weil sie soviel Zeit<br />
haben.<br />
Inhalt.indd 31 06.10.2006 09:06:52<br />
31
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
32<br />
Dass Touristen zu fast 100 % die Innenstadt besuchen, ist ohnehin klar,<br />
denn außen im Speckgürtel fi nden sie nichts Sehenswertes.<br />
Die Innenstadt schlägt sich pro Woche ein bis 10 mal in der Frequenz in<br />
Relation zu ihrer Bevölkerungszahl am besten Frequenzpunkt in der Innenstadt<br />
um.<br />
WO NICHTS IST, DA LÄSST SICH AUCH NICHTS DURCH<br />
EIN NOCH SO GUTES STADTMARKETING HERBEIWERBEN.<br />
Jedes einzelne Gebäude kann und soll eine Teilfunktion in der Stadt zugewiesen<br />
bekommen. Diese überörtlich Sinnkonzeption des Stadtviertels<br />
bestimmt die zu verteilende Teilfunktionen, die auf bestehende Gebäude<br />
und Flächen verteilt werden müssen. Ein stimmiges Konzept erleichtert<br />
den Liegenschaftseigentümern die Verwertung, weil durch die Einbindung<br />
in ein Gesamtpaket ein besserer Mehrwert geschaffen wird. Nur<br />
auf jedes Haus ein Schild zu geben „das war einmal dieses Amtshaus“,<br />
„das war einmal dieses Bürgerhaus“, „das war einmal dieses Handwerkerhaus“,<br />
ist zu wenig.<br />
Zwei Drittel der Bürger warten nach wie vor auf eine „attraktiv besetzte“<br />
Geschäftsstraße. Das ist Einkauf nicht nur mit „Hygienefaktoren“ gestylter<br />
Metall-Mistkübel, Edelstahllampen und irgendwelcher Filialisten sowie<br />
Franchiser, die auch auf der grünen Wiese als Anbieter vorhanden<br />
sind. Hier in der Stadt werden auch die „Motivatoren für den Einkauf“<br />
erwartet, also die einzigartigen Magnetbetriebe des Handels für die ganze<br />
Region. Diese Präsenz wird dann durch eine spürbare Atmosphäre<br />
rundum baulich herausgeputzt. Nichts an Stadtimpulsen hat derartige<br />
Nachhaltigkeit für die Stadtattraktivität in der Wirkung wie großartig im<br />
Sinne der Konsumenten konzipierte wettergeschützte Geschäftsstrassen<br />
– MALLS.<br />
Jede Stadt ab ca. 10.000 Haushalte in der Stadt und im Einzugsbereich<br />
kann seine eigene Geschäftsstraße der besonderen Art entwickeln.<br />
Hier sind einige Eckwerte dazu:<br />
1. ECKWERT: DER INDUSTRIE - SPECKGÜRTEL RUND UM<br />
DIE STADT BRACHTE BESSER BEZAHLTE ARBEITS-<br />
PLÄTZE ALS DIE LANDWIRTSCHAFT GEBOTEN HAT.<br />
DER NEUE HANDELS – SPECKGÜRTEL BRINGT DIS-<br />
KONT FAST OHNE ARBEITSPLÄTZE.<br />
Inhalt.indd 32 06.10.2006 09:06:52
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
Im 19. Jahrhundert breitete sich als „Speckgürtel“ rund um die Zentren<br />
der Städte die Industrie und das produzierende Großgewerbe sowie die<br />
Bauhaupt- und Baunebengewerbe aus. Sie stellten ab Beginn des 20.<br />
Jahrhunderts die Majorität der Arbeitsplätze. Die Landwirtschaft rutschte<br />
als Hauptarbeitgeber langsam unter 50 % ab. Als Folge bildeten sich<br />
Arbeiter-Wohn-Subzentren nahe den Industriebetrieben. Als Folge zerfi<br />
el die Stadt in die Kernstadt mit immer weniger Bewohnern und primär<br />
Handel, Handwerk und Gastronomie, sowie langsam sich vermehren Ämter<br />
und Behörden sowie Schulen. Außen befanden sich die Industrie- und<br />
Arbeitersiedlungen, meistens seelenlose Trabanten ohne den „dritten Ort<br />
Treffpunkt und Erlebnis“ neben dem Arbeiten und Wohnen.<br />
Nach dem zweiten Weltkrieg entstanden in den 70er- und 80er Jahren<br />
in von der Flächenwidmung ausgewiesenen „Gewerbeparks“ mangels Industrieansiedlung<br />
die neuen Speckgürtel des Diskont- und Fachmarkthandels<br />
rund um jede Stadt und zwar speziell bei den Kreuzungen des<br />
überregionalen Verkehrs. Diese Revolution in der Ansiedlung brachte<br />
aber nur den Bau von Billig-Betonschachteln, wozu kaum Fachkräfte benötigt<br />
werden und die nach 30 Jahren am Industriehaldenmüll landen,<br />
ebenso auch die Majorität aller Schulen, die ab den 70er Jahren billigst<br />
gebaut wurden, ebenso werden Pensionistenheime abgerissen, sogar die<br />
ersten Rathäuser aus dieser Zeit.<br />
Verwirrt von diesen beiden Speckgürtelbewegungen trauern wir jetzt um<br />
die immer geringere Bedeutung der Produktion als Arbeitsplatzgeber<br />
(keine 20 % der Gesamtbeschäftigten lang-fristig). Noch immer geistern<br />
Heilslehren der Altindustriefans herum, doch eine high tech Revolution<br />
als Silicon Valley II der 80er Jahre hervorzaubern zu können. Ernsthaft<br />
wird diese Strategie noch immer als Problemlösung für die generelle Arbeitslosigkeit<br />
gesehen, obwohl im high tech – Bereich derzeit keine 5 %<br />
der Arbeitsplätze geboten werden und auch in 10 Jahren keine 10 % der<br />
Arbeitsplätze zu fi nden sein werden. Da lacht Asien über so eine Naivität<br />
im Denken.<br />
Im 21. Jahrhundert sollten wir mit dem Industriearbeitsplätze – Trauern<br />
endlich aufhören. Unbemerkt läuft bereits der Export von Dienstleistungsarbeitsplätzen<br />
durch Firmenauslagerung im Bereich Buchhaltung<br />
und Controlling z.B. nach Indien.<br />
Inhalt.indd 33 06.10.2006 09:06:52<br />
33
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
34<br />
ÜBERSICHT INNENSTADT VERSUS GRÜNE WIESE<br />
– LETZTLICH AUF KOSTEN DER ARBEITSPLÄTZE DER<br />
STADTBEWOHNER UND AUCH DES EINZUGSBEREICHS<br />
WIRD DA „WILD“ GEWIRTSCHAFTET<br />
Innenstadt Fachmarkt- und Diskontmarktzentren<br />
und Shoppingcenter in der Peripherie:<br />
2,5 mal mehr Mitarbeiter bei<br />
gleicher Verkaufsfl äche<br />
1 Mitarbeiter beschäftigt<br />
4,5 mal mehr Lehrlinge beschäftigt 1 Lehrling beschäftigt<br />
Sortiment ca. 10.000 Artikel bis<br />
300.000 je Branche geführt<br />
Je Großbranche wie Mode und<br />
Accessoires bis zu 100 Anbieter:<br />
gehobene „Spezialisten“<br />
● Lebensqualität<br />
● Treffpunktprogramm und<br />
Geselligkeit sowie<br />
● Impulserlebnis bietend.<br />
Etwa ein Drittel mehr Steuereinnahmen<br />
für die Gemeinde<br />
Im Schnitt etwa 20.000 bis 50.000 Artikel<br />
je Branche<br />
Nach Zielgruppen segmentierte Anbieter.<br />
Maximal zehn bis dreißig je Branche. Billige<br />
Generalisten.<br />
Zeit- und Geldsparprogramm nüchtern<br />
ohne besonderen Menschenkontakt, da<br />
jeder Kontakt als Service teuer ist und dort<br />
in der „Pampa“ nicht bezahlt wird.<br />
Die Dienstleistungsarbeitsplätze sind zu fördern. Sie sind ganz gezielt in<br />
dem Kern der Stadt als „zentraler Geistestower“ anzusiedeln. Zu entwickeln<br />
sind neuartige Cluster in den (historischen) Häusern der „Kernstadt“<br />
.<br />
Dort lagern gewaltige Arbeitsplatz- und überall Flächenreserven, denn<br />
die Innenstädte sind im Schnitt halbleer wenn man den Bestand ernsthaft<br />
in den Entwicklungsmöglichkeiten untersucht.<br />
Der Autor hat im Buch „Standortmarketing“, Linz, 2000, ausführlich den<br />
Trend rund um diese 70 % nachgewiesen: Der Konsumbereich wird von<br />
jetzt - z.B. in Österreich gut 60 % - dann wie in den USA auf 70 % Anteil<br />
am Bruttonationalprodukt hinaufsteigen. Die Investitionsgüterinvestitionen<br />
des Staates und der privaten Industrie sinkt anteilsmäßig durch<br />
den Niedergang der Haushalte der Gemeinden, Länder und des Bundes<br />
sowie durch das Verschwinden der klassischen arbeitsintensiven Industriebetriebe.<br />
Das heißt, das Bruttonationalprodukt besteht dann auch zu<br />
60 bis 70 % aus Wertschöpfung von erwirtschafteten Dienstleistungen!<br />
Inhalt.indd 34 06.10.2006 09:06:52
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
Die unselbständig Beschäftigten und die neuen Betriebe sind jetzt schon<br />
zu etwa 70 % dem für die Innenstadt möglichen Dienstleistungsbereich zuzuordnen:<br />
Typische Struktur der Betriebsneugründungen in Österreich :<br />
Einzelhandel und Gastronomie 35-40%<br />
Persönliche Dienstleister<br />
(Gesundheit, Betreuung, Fitness,<br />
Schönheit, Friseur usw. 15 %<br />
Finanzierung, Versicherung<br />
und Immobilien 10-15 %<br />
Kommerzielle Dienstleistungen<br />
wie b to b 10 %<br />
Restliche Neugründungen<br />
Industrie, produzierendes Handwerk,<br />
Transport usw. 20 %-30%<br />
Insgesamt 100 %<br />
Auch die EU-Förderungen gehen daher in die neuen EU-Staaten mit Ziel<br />
1 – Gebieten.<br />
Flächenintensive Verkehrsbetriebe, arbeitsplatzintensive Produktionen<br />
und in irgendeiner Form umweltschädigende Verfahren werden an den<br />
Rand der EU in den Osten abgeschoben.<br />
Warum noch immer krampfhaft Gewerbeparks und Industriebetriebe<br />
bei uns gefördert werden und nicht die Ansiedlung mitten im Zentrum,<br />
ist und bleibt ein Rätsel.<br />
Das Zentrum gehört endlich gefördert!<br />
- Nicht die weitere Zersiedelung und Zerstörung der Peripherie!<br />
Die Ansiedlung im Zentrum ist automatisch mit etwas höheren Mieten<br />
als am Land verbunden, wodurch jeder automatisch seinen Beitrag an<br />
Inhalt.indd 35 06.10.2006 09:06:52<br />
35
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
36<br />
der Stadterhaltung mitzahlt. Zugleich ergeben sich für die Stadtgemeinde<br />
hohe Ersparnisse: Versorgung mit ÖPNV-Diensten, Strassen, Energieversorgung<br />
usw. kann günstiger durch Ballung der Infrastruktur im Zentrum<br />
geschehen. Dezentralisiertes Laissezfaire mit verstreuten Siedlungen und<br />
Gewerbefl ächen sind eine Geldvergeudung.<br />
Was uns längerfristig als arbeitsplatzfördernd bleibt ist das Wissen, die<br />
gute Bildung, der Laptop, die westliche Kultur und die internationalen<br />
Netzwerke. Bayern hat das „Lederhosen und Laptop“ genannt.<br />
Nachdem heute immer wieder verfälschend von „Dienstleistungsindustrien“<br />
geschrieben wird, muss nochmals präzisiert werden:<br />
Die 70 % neuen Arbeitsplätze in der Zukunft kommen aus dem Handel,<br />
der Gastronomie und aus dem handelsartigen Dienstleistungsgewerbe<br />
als klassischer Primär-Dienstleistungsbereich. Während diese Primär-<br />
Dienstleister eher mit Billigarbeitskräften und vielen Halbtagskräften arbeiten,<br />
sucht der Sekundärbereich stärker die gehobene Bildung und auf<br />
breiter Ebene sehr qualifi zierte Arbeitskräfte.<br />
Die Sekundärdienstleister sind die beratenden Berufe im Bereich Gesundheit<br />
und Lebensführung, Berater für die Anlage und Vorsorge sowie<br />
Berater und Dienstleister für die Wirtschaft und für Finanzen.<br />
Die Entwicklung der unselbständig Beschäftigten wird in Österreich längerfristig<br />
zu noch mehr Dienstleisterjobs in den angeführten Branchen<br />
führen:<br />
Datenverarbeitungsberufe + 7,7 % Job-Wachstum jährlich<br />
Beratungsdienste + Reinigung + 5,4 %<br />
Gesundheit + 2,4 %<br />
Gastronomie und Hotels + 1,6 %<br />
Dienstleistungssektor im Schnitt + 1,5 %<br />
Der Anteil der unselbständig beschäftigten wird 2010 bei ca. 74% liegen.<br />
Jobverluste innerhalb der Dienstleistungsbranchen sind nur im Bereich<br />
Post und Telekom sowie Immobilien zu erwarten.<br />
Quelle: Kurier<br />
Inhalt.indd 36 06.10.2006 09:06:52
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
2. ECKWERT: DAS GESETZMÄSSIGE BEZIEHUNGSGE-<br />
FLECHT BEI DER ANSIEDLUNG VON DIENSTLEISTERN<br />
BEACHTEN<br />
Noch immer geistert die alte Ansiedlungsphilosophie herum, ein braches<br />
Grundstück an einer Hauptverkehrsstraße zum „Gewerbepark“ umzuwidmen<br />
und eine bunte Broschüre dafür als Vision des Wünsch - Dir – Was<br />
aufzulegen. Wenn man mit vielen Politikern über diese Art der Ansiedlung<br />
spricht, dann bekommen diese glänzende Augen und sind hoch begeistert.<br />
Nur – da kommt kaum jemand - nur die Billig-Fachmärkte, weil eben<br />
die Ansiedlungszüge schon 1990 nach dem Fall des eisernen Vorhanges<br />
Richtung Osteuropa abgefahren sind.<br />
Wenn man dagegen mit den gleichen Politikern über eine Stadtentwicklung<br />
spricht, um dort die Arbeitsplätze zu konzentrieren und auszubauen,<br />
da gibt es tausend Gründe warum das „nichts“ ist bzw. nicht „seine“ Strategie.<br />
Wir wissen aus vielen Beispielen, dass ein neuer Handelsbetrieb fast automatisch<br />
einen neuen Gastronomiebetrieb nach sich zieht. – Aber das<br />
erfolgt nicht umgekehrt!<br />
Wir wissen, dass die in der Gesamtwirtschaft am raschesten wachsende<br />
„Zeichenwirtschaft“ der Berater von Betrieben, Werbegrafi k, Steuerberater,<br />
aber auch Ärztepraxen bevorzugt in wachsende, optisch sichtbar<br />
aufblühende Innenstädte ziehen. Daher müssen wir die Nachfrage sehr<br />
genau beobachten und entsprechende Projekte der Umsetzung in die Planung<br />
und ins Angebot in die Innenstadt bringen, was unter rund 500 von<br />
uns beobachteten Betriebstypen in der Innenstadt zu schwach bisher geboten<br />
wird oder überhaupt noch nicht vorhanden wäre und ausreichende<br />
Nachfrage hätte.<br />
Nachdem jeder volle neue Arbeitsplatz in Österreich mindestens 1.000<br />
Euro pro Jahr an direkten und indirekten Steuern sowie Abgaben der<br />
Stadtfi nanz bringt, zahlt es sich schon aus, über die Innenstadtentwicklung<br />
in dieser Richtung nachzudenken. – Die Stadt lebt also nicht nur von<br />
den direkten oder indirekten Steuereinnahmen und Abgaben je Bürger,<br />
sondern von den gebotenen Arbeitsplätzen. Nur wo etwa ein Arbeitsplatz<br />
je Einwohner (!) geboten wird, da wird sich die Stadt auch einwohnermäßig<br />
gut entwickeln. Umgekehrt formuliert: Wo z.B. die Industrie abwandert<br />
und die Städte keine Dienstleistungsalternativen (vor allem durch<br />
Inhalt.indd 37 06.10.2006 09:06:52<br />
37
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
38<br />
das Aufrüsten der Innenstädte) entwickeln, da wandert auch die Bevölkerung<br />
ab. Beispiel: Murz-Mürzfurche in der Steiermark.<br />
Daher ist dieses Thema nicht irgendein nebensächliches Wirtschaftsthema<br />
sondern sollte „das“ Thema schlechthin für die Wirtschaft der Stadt<br />
und ihre Arbeitsplätze sein.<br />
Theoretisch könnte man die Dienstleistungsarbeitsplätze, wie bisher die<br />
„Technoparks“ mit vielen Förderungen in den Bezirksstädten irgendwo<br />
innerhalb der Stadtgemeindegrenzen ansiedeln. Dort wird kaum etwas<br />
produziert und auch selten etwas handwerklich repariert. Daher bestehen<br />
kein besonderer Platzbedarf und keine Anlieferungslogistik. Vielmehr<br />
sind das meistens ganz normale Büroarbeitsplätze, die sorglos wie die<br />
Fachmarktzentren an den Bundesstraßen im Nichts platziert wurden anstatt<br />
diese mitten in der Stadt anzusiedeln, wo sie auch hingehören.<br />
Industriebrache und alte Gemeindehäuser, verlassene Schulen und Ämter,<br />
die niemand mehr benötigt, Bahnhofneben- und nicht mehr gebrauchte<br />
Feuerwehrgebäude usw. stehen zuhauf in fast jeder Innenstadt bzw. am<br />
Rand davon frei, wo durchaus auch Technoparks hineingesiedelt hätten<br />
werden können, bzw. in den Obergeschossen fi nden wir immer mehr leere<br />
Bürgerhäuser im Zentrum.<br />
“Der Fisch fängt am Kopf zu stinken an.“ Vitale Städte haben heute in<br />
erster Linie ein vitales Zentrum.<br />
Der freie Markt der Büro- und Praxisfl ächen entwickelt sich nämlich ganz anders<br />
als in den letzten 20 Jahren die Gemeinde- und Landestechnoparks die<br />
Standortwahl getroffen haben: Die Ansiedlung von Dienstleistern verläuft<br />
innerhalb der Branchen nicht irgendwie unabhängig voneinander sondern<br />
nach einem klaren logischen Muster wie bei einem Schachspiel Zug um Zug:<br />
A. Die Sekundärdienstleister laufen immer den Primärdienstleistern nach<br />
und nicht umgekehrt. Wie vorher schon in der Übersichtstabelle angeführt,<br />
kommt auf jeden neuen Handels- und einen neuen Gastronomiebetrieb<br />
ein neuer Beratungsbetrieb in die Obergeschosse der Innenstadt.<br />
Nicht umgekehrt.<br />
�<br />
B. Dieser Feststellung liegen 20 Jahre Beobachtungszeitraum zugrunde:<br />
Auf jeden neuen Handelsbetrieb in der Innenstadt kommt etwa ein<br />
neuer Gastronomiebetrieb in der Innenstadt.<br />
Inhalt.indd 38 06.10.2006 09:06:52
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
C. Leider lässt sich diese Ansiedlungsgesetzmäßigkeit nicht umgekehrt<br />
spielen: Wo viel Gastronomie schon vorhanden ist bzw. wo sich neue<br />
Gastronomie ansiedelt, da entsteht selten der Handel!<br />
Diese 70 % Dienstleister suchen nur dann ihren Standort in der Innenstadt,<br />
wenn diese ein positives Image hat. Wenn eine Stadt immer weniger<br />
Frequenz aufweist, ist sie für alle Dienstleister suspekt als Standort.<br />
Eine allgemeine Imageveränderung drückt sich natürlich auch in steigenden<br />
oder fallenden Mietpreisen für Büros aus und bei den Geschäftsfl ächen<br />
hängt der Preis von der Fußgängerfrequenz vor der Türe ab.<br />
Daher werden auch die 70 % Dienstleistungsarbeitsplätze in der Innenstadt<br />
der Zukunft zu entwickeln sein, sekundär die Professionisten der<br />
Bauhaupt- und Baunebengewerbe und sonstigen Gewerbearbeitsplätze,<br />
tertiär in der Quantitätswirkung die high tech Arbeitsplätze, die sowieso<br />
selten ganze 5 % der Gesamtbeschäftigten überschreiten werden.<br />
3. ECKWERT: DIE GRUNDSTÜCKE DER SCHÖNSTEN HIS-<br />
TORISCHEN HÄUSER SIND NICHT UNBEDINGT DIE<br />
TEUERSTEN, WEIL „ATTRAKTIVSTEN“ FLÄCHEN<br />
Seit dem zweiten Weltkrieg wird Wiederaufbau betrieben. Mit Beendigung<br />
des Wiederaufbaus wurde der Wiederaufbaufonds nicht mehr benötigt.<br />
Nachdem die zerstörten Häuser wieder hergestellt waren, begannen<br />
die Häuserfärbelungen. In der Annahme, dass damit die Innenstadt automatisch<br />
wieder „in“ ist.<br />
Die Bürger würden dann die schönen Häuser immer wieder ansehen und<br />
bestaunen wollen. Die Folge wäre dann, - wenn man schon da ist und<br />
nachdem man die wunderschönen Häuser erneut bestaunt hat, einzukaufen.<br />
Inzwischen haben bald alle historisch wertvollen Häuser einen neuen Anstrich<br />
bekommen und die Fußgängerfrequenz z.B. in Österreichs Städten<br />
hat bei weitem nicht das Niveau von 2000 = 100 gemäß den Aufzeichnungen<br />
von <strong>Infrapool</strong> erreicht und das Niveau von 2000 hat wahrscheinlich<br />
auch nicht das Niveau von 1990 erzielt.<br />
Dem Interessierten fallen natürlich die alten geschönten Häuser auf und<br />
er/sie kann sie sogar nach dem Bauzeitalter taxieren. Dem Bürger fallen<br />
sie auch auf. – Aber nur ärgerlich während der Einrüstung zur Sanierung<br />
und bei verlegten Fußgängerwegen.<br />
Inhalt.indd 39 06.10.2006 09:06:53<br />
39
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
40<br />
Wenn nun das Haus wieder den alten Händler im Erdgeschoß bietet, ist<br />
die Attraktivität der Innenstadt gleich geblieben und das Haus wird sofort<br />
wieder vergessen, weil das Haus leider nur einen Nebenschauplatz als<br />
Grund für den Stadtbesuch bietet.<br />
Die wirtschaftliche Attraktivität der Geschäftsstrasse und des Marktplatzes,<br />
wo sich oft die schönsten alten Häuser fi nden, hat sich vielfach trotz<br />
großer Sanierungsinvestitionen in die Häuser nicht verändert.<br />
Wie so oft betrifft die Haussanierung nur den H y g i e n e f a k t o r unter<br />
dem Museumsmotto „Behübschung und einfache Sanierung auf alt“ ohne<br />
Konzeption für was das Haus in der Zukunft dienen soll und ohne ganz<br />
spezieller Magnetfunktion zum Beschaffen der hohen Erhaltungskosten .<br />
Was die Stadt vordringlich bei einem Standortniedergang in einem Stadtviertel<br />
braucht ist die gezielte Planung von Magnet – M o t i v a t o r e n ,<br />
nicht die krampfhafte Erhaltung der Vergangenheit in Haus und der dort<br />
angesiedelten nicht mehr wettbewerbsfähig gewordenen Unternehmen.<br />
Weitverbreitete Irrmeinung: „Die haben – verdammt noch einmal – zu<br />
honorieren ,wenn wir die Fassaden erneuern! Das war doch ganz schön<br />
teuer!“ Dass die Fassadenaktionen in Relation kaum von der öffentlichen<br />
Hand sondern von den Liegenschaftseigentümern bezahlt wurden und<br />
das nur, weil sich der Nachbar auch eine schöne Fassade leistet, das erscheint<br />
zu profan als Investitionsgrund.<br />
Fazit daraus: Heute erfreuen wir uns an den schönen historischen Gebäuden<br />
im Kern der Städte. In steigender Frequenz und nachhaltige Kaufkraftbindung<br />
hat sich diese Aktion nicht ausgewirkt.<br />
Heute ist es uninteressant, ob das angebotene Outlet in einer<br />
alten Bruchbude angesiedelt ist oder in einem teuer sanierten<br />
barocken Palais. Da das Outlet ebenso von der Fußgängerfrequenz<br />
abhängt, dann ist folglich die Frequenzhöhe ausschlaggebend<br />
für den Wert der Liegenschaft und davon abgeleitet die<br />
Höhe der Miete!<br />
Was nicht heißt, dass wir die historische Substanz im Sinne des Denkmalschutzes<br />
und der Bewahrung des Ensembles und des Stadtbildes vernachlässigen!<br />
Genau das Gegenteil ist der Fall: Mit der Reaktivierung der<br />
Innenstadt als der zentrale Wirtschaftsstandort bekommt die Kernstadt<br />
ihre neue und zugleich oft 100 Jahre in Wirklichkeit verloren gegangene<br />
Inhalt.indd 40 06.10.2006 09:06:53
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
Rolle wieder zurück. Nur so können auch Ausgrabungen, Denkmal und<br />
Stadtbild fi nanziert werden.<br />
Um die Innenstadt zur Blüte zu bringen müssen wir einmal grob festlegen,<br />
wo die Achse mit der zentralen Geschäftsstrasse mit der besten Frequenz<br />
mindestens 70 % Handelsfl äche ist und wo sich – möglichst in der<br />
Nähe der Marktplatz der Zukunft befi nden soll um dort wieder primär<br />
den Treffpunkt der Stadt mit Gastronomie und durchgehende Schanigartenzeile<br />
zum Marktplatz zu entwickeln.<br />
Das werden dann die wichtigsten und wertvollsten Flächen im Erdgeschoß<br />
in der Stadt der Zukunft. Nachdem die Bürofl ächen für die frequenzabhängigen<br />
Berufe wie etwa Arztpraxen etwa zwei Jahre im Mietpreis der<br />
Frequenzentwicklung nachhinken, sind auch die oberen Etagen der Häuser<br />
vom Wert betroffen.<br />
4. ECKWERT: WIR BRAUCHEN ERST NACHRANGIG EIN<br />
DESIGNTES, NÜCHTERNES EDELSTAHL/GLAS/HOLZ/<br />
BETON/ GRANIT „BUNKER - BEHÜBSCHUNGSPRO-<br />
GRAMM“ IM ZENTRUM.<br />
ZUERST BRAUCHEN WIR DIE PASSENDE BASIS AN<br />
ERFOLGSFAKTOREN, DAMIT EIN GUTES DIENSTLEIS-<br />
TUNGS-ZENTRUMS IN DEN NÄCHSTEN ZEHN JAHREN<br />
ENTSTEHEN KANN.<br />
Sie kaufen auch nicht erst den designten Edelstahl - Klobesen und dann<br />
planen erst planen sie das WC – oder?<br />
Hat das Flair? Strahlt das Wärme aus? Ist das einen Besuch wert?<br />
Ist es das von dem „Sie“ träumt, wenn Sie an Ihren Besuch in einer netten<br />
Inhalt.indd 41 06.10.2006 09:06:53<br />
41
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
42<br />
Kleinstadt denkt oder ist das eher ein Alptraum? Gibt es da Stadtbesucher,<br />
die wegen diesem für unsere Zeit typischen „Design“ kommen?<br />
Sehen wir uns doch die alten Stadtentwicklungsmeister aus Italien mit<br />
ihren Werken an, auf die wir jetzt im deutschen Sprachraum so stolz sind.<br />
Diese haben in der Renaissance und im Barock reihenweise hervorragend<br />
in unseren Städten und in Böhmen gearbeitet. Davon will heute niemand<br />
mehr etwas wissen, weil plumpe Geschmacklosigkeit und Nüchternheit<br />
bevorzugt in Beton, Glas, Edelstahl und einfachste Holzlatten zum emotional<br />
Erfrieren zuhause sind. Nur eines ist sicher: In 30 Jahren ist die<br />
Behübschung und das Gebäude wegen dieser Billig-Primitivgesinnung<br />
nichts mehr wert und muss wegen Minderqualität abgerissen werden. –<br />
Vor kurzem war in den Lokalmedien, wo der Autor zuhause ist, zu lesen,<br />
dass alle Schulen, die von 1970 bis 1980 gebaut wurden, in den kommenden<br />
Jahren wegen Minderwertigkeit abgerissen werden müssen. Das sind<br />
allein im Bundesland Oberösterreich 200 Schulen!<br />
Der Rektor einer Kunsthochschule erklärte einmal dem Autor: „Was wollen<br />
Sie denn mit den Italienern hier in unserem Land?“ Es geht nicht um<br />
die Italiener sondern um den Betonköpfen ein feminines Gefühl für Charme<br />
in die Stadt zu bringen, für Erotik, die man gerne spüren will und nicht<br />
den grauslichen Formalhammer der Nüchternheit, die nur dann nicht<br />
bemerkt wird, wenn den Platz oder die Strasse tausende von Menschen<br />
bevölkern.<br />
Im Gegensatz zum herrschenden Primitivdiktat haben die eigenen Bürger<br />
ein Gespür dafür, dass jetzt in der Stadt nachhaltig etwas geändert gehört.<br />
Da ist zum Beispiel dieses Phänomen:<br />
Jeder erzählt begeistert von den „Lauben“ in Bozen und von vielen älteren<br />
italienischen Städten. Diese meistens etwa 200 Meter langen, teils<br />
doppelseitig der Straße oder Plätze angelegten Arkaden aus der Renaissance-<br />
und Barockzeit begeistern einfach jeden. – Vor allem weil das kein<br />
Museum ist sondern seit 400 Jahren immer noch interessante, attraktiv<br />
besetzte Geschäftsstraße. – Bis heute. Im deutschen Sprachraum sind in<br />
den Städten von diesen Arkaden leider meistens nur Bruchteile übriggeblieben.<br />
Inhalt.indd 42 06.10.2006 09:06:59
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
Schattige Arkaden beim Rialto – Markt in Venedig und Arkaden mit Restaurant auf<br />
den Arkaden für den besten Blick auf den ODEON – mäßig angelegten Marktplatz am<br />
Hauptplatz in Greve in Chianti<br />
Wenn solche Nachfahren von Arkaden und Wetterschutz für Geschäftsstraßen<br />
des 21. Jahrhunderts durch Masterpläne entwickelt werden, um<br />
endlich wieder die Standortqualität – wie oft vor Jahrhunderten schon<br />
gehabt zu kommen, dann erntet der Stadtentwickler – noch – Unverständnis:<br />
Da sind die Stadtplaner plötzlich keine Stadtplaner mehr sondern Verhinderer<br />
der Planung. Die Stadterneuerung historischer Innenstädte<br />
beschränkte sich in vielen Städten jahrzehntelang auf Surrogate wie<br />
„Hygienemaßnahmen“ wie einheitliche Möblierung (Mistkübel, Bänke,<br />
Infoschilder an den historisch wertvollen Häusern), Beleuchtung der<br />
Strassen und wertvoller Häuser sowie Grün-, Blumen-, Sträucher-, Bäumeprogramme<br />
und moderne Skulpturen sowie Brunnen aufstellen um die<br />
armen Künstler zu beschäftigen. Wichtig ist auch der Ersatz des Asphalts<br />
durch die alten Straßenbeläge um die Jahrhundertwende wie Granit- oder<br />
z.B. Porphyrböden mit breiten Fugen. - Sehr zum Leidwesen der Weiblichkeit,<br />
die mit ihren Bleistiftabsätzen in vorsintfl utlichen Bodenbelägen<br />
stecken bleibt und die Stadtplaner verfl ucht.<br />
Dieses kostspielige Programm erscheint wie ein „zurück zum Zustand um<br />
die Jahrhundertwende“ und dazu noch ein paar moderne Zeichen setzen<br />
, die niemandem weh tun.“<br />
Diese Hygienemaßnahmen binden nachhaltig keine Frequenz und noch<br />
weniger nachhaltig die Kaufkraft. Sie sind nett, aber nur sekundär in der<br />
Stadterneuerung wichtig. Wesentlich wichtiger als diese Behübschungsmaßnahmen<br />
sind die anderen hier behandelten Themen, erst dann sollten<br />
diese umgesetzt werden, wenn die zentralen MALL-Themen mit Wetterschutz<br />
erledigt sind.<br />
Inhalt.indd 43 06.10.2006 09:06:59<br />
43
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
44<br />
Ganz anders verhält es sich bei Attraktivitätssteigerungen z.B. durch Wetterschutzmaßnahmen:<br />
Nach St. Veit/Glan in Kärnten pilgern pro<br />
Jahr 800 Busse mit Meinungsführern aus<br />
dem ganzen deutschen Sprachraum nur<br />
um eine glasüberdachte Geschäftsstraße<br />
der 90er Jahre als Wetterschutz zu sehen.<br />
Jeder ist erstaunt, dass die Geschäftsstraße<br />
offensichtlich „funktioniert“ und nicht<br />
nur die rund 100 m Erdgeschoß mit Läden<br />
besetzt sind sondern auch die Obergeschosse<br />
in den Häusern. Bürgermeister<br />
LAbg. Mock von St. Veit an der Glan muss<br />
man nicht mehr überzeugen, ob die Überdachung<br />
einen Sinn hatte .Diese Investition<br />
ist schon vielfach wieder hereingespielt<br />
worden. Er treibt die Stadterneuerung<br />
permanent mit seinem langfristigen Masterplan<br />
voran.<br />
St. Veit an der Glan/Ktn.:<br />
Bischof Bernhard Straße<br />
Leider nicht so im 30 km entfernten Klagenfurt: Grundidee war einen<br />
modernen Wetterschutz gegen knallende Sonne und Regen über zwei Geschäftstrassen<br />
zu errichten. Das Projekt wurde bei der Präsentation mit<br />
folgenden klassischen Argumenten verteufelt:<br />
1. „Was geht den das an?“ Wie kommt der dazu – ist ja kein Stadtplaner?<br />
(Die Stadtplanung lehnte den Wetterschutz als ziehendes Verbindungselement<br />
zwischen dem neuen EKZ und der Innenstadt ein Jahr vorher<br />
kategorisch ab. – Also was sollen wir mit Beamten planen, die partout<br />
nichts planen wollen?)<br />
2. „Was für ein Studentenstreich an Planung!“ Disqualifi kation der<br />
Wetterschutzplaner als Anfänger-Architekten. Tatsächlich wurde dieser<br />
Wetterschutz gemeinsam mit einem der größten und renommiertesten<br />
österreichischen Architekturbüros in Wien entwickelt .<br />
3. „Die Stadt ist schon gebaut! Wir haben doch so schön restaurierte Häuser<br />
mit ihren wunderbaren Fassaden!“ Die wollen die Besucher sehen.<br />
Der Wetterschutz verstellt nur den Blick darauf.“ – Das können sie auch,<br />
weil bei normalem Wetter ist der Himmel über dem Wetterschutz als<br />
variables Markisensystem offen. Wenn es regnet ist die Frequenz weg<br />
Inhalt.indd 44 06.10.2006 09:07:05
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
aus der Stadt oder unter einem Regenschirm. Wer einen Regenschirm<br />
aufgespannt hat, sieht auch nicht die schönen Häuser sondern ist froh<br />
wenn er – eben nicht wettergeschützt – rasch nach Hause kommt.<br />
4. „Mein Gott, der heilige Denkmalschutz wird wohl böse sein!“ Es waren<br />
zwar in der Majorität keine denkmalgeschützten Häuser in den beiden<br />
Geschäftsstraßen betroffen und auch nicht vom Wetterschutz direkt<br />
berührt. Die Konstruktion erfolgt mit kleinem Abstand, damit kein Regen<br />
durchkommt, abgehoben von der Häuserfront nur am öffentlichen<br />
Gut. Aber man redet sich auf überörtliche Amts-Gewalten aus. (Diese<br />
arbeiten im Übrigen genauso mit Glasvorbauten zu denkmalgeschützten<br />
Gebäuden)<br />
5. „Das kostet viel Geld und wir als Stadt haben keines.“ Die Hälfte der<br />
Kosten wäre durch das Land Kärnten als echtes Zukunftsprojekt fi nanziert<br />
worden und auch die Liegenschaftseigentümer hätten mitfi nanziert.<br />
– Letztlich wäre ein eher lächerliche Betrag in Relation zur zentralen<br />
Bedeutung und erwarteten Zugkraft mit vielleicht 1 Mio. Euro<br />
geblieben.<br />
Parallel dazu wird in der Stadt ein Fußballstadion für die Europameisterschaft<br />
um ein Vielfaches ohne Nachnutzung und für kaum nachhaltig<br />
geschaffene Arbeitsplätze gebaut. Das alles wäre noch zu ertragen, wenn<br />
weder die Unternehmer noch die Bürger einen solchen Wetterschutz haben<br />
wollen. Dem ist aber überhaupt nicht so:<br />
Parallel dazu wurden die Unternehmer der beiden betroffenen Straßen zu<br />
der Maßnahme Wetterschutz als Anbindung an das neue EKZ „City-Arkaden“<br />
in Klagenfurt im Frühjahr 2006 befragt.<br />
Ergebnis: 95 % Zustimmung (!)<br />
Parallel dazu wurde im Dezember 2005 durch die Universität Klagenfurt<br />
eine Befragung von n = 600 Passanten rund um mögliche Anbindungsmaßnahmen<br />
an das neue EKZ befragt. Die Passanten äußerten zum neuen<br />
Wetterschutz als Überdachungsform das:<br />
Ergebnis: 99 % Zustimmung (!), dagegen nur rund 50 % Zustimmung<br />
für das Verlegen von Lichtern im Boden als Anbindungsmaßnahme<br />
(Mehr darüber siehe späteres Kapitel „Wetterschutz“…)<br />
Inhalt.indd 45 06.10.2006 09:07:06<br />
45
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
46<br />
Das heißt: Die Politik arbeitet beim Blockieren von Maßnahmen<br />
des Wetterschutzes für die MALL der Innenstadt oder Stadtviertelzentren<br />
gegen die eigenen Bürger und Unternehmer.<br />
Sinkt die Fußgängerfrequenz nachhaltig, dann ist das ein Zeichen,<br />
dass die Stadt nachhaltig an Attraktivität verliert.<br />
Für den Kommerz ist die Stadt gebaut worden und nur blühender Kommerz<br />
erlaubte in der Vergangenheit die Förderung von Kunst und Kultur<br />
sowie Ämter und Behörden in der Stadt. Umgekehrt wird es nicht funktionieren.<br />
„Stadtluft macht frei“ hieß es vor Jahrhunderten. Heute sollte es heißen<br />
„Stadtluft bietet attraktives Geschäftsleben und die besten Dienstleistungen“.<br />
Deshalb sind schöne gefärbelte Häuser beim im Schnitt mindestens<br />
wöchentlichen (!) Besuch der Bürger keine Sensation, deshalb kommt der<br />
Bürger nicht in die Stadt.<br />
Manche Geschäftsstrassen, z.B. in Italien, sind schon 1000 Jahre alt und<br />
funktionieren noch immer.<br />
Beispiel: Die Geschäftsstraße zwischen dem Dom und der Piazza Matteotti<br />
in Siena (60.000 Einwohner).<br />
Siena hat mit seinen rund 60.000 Einwohnern in seiner uralten<br />
Hauptgeschäftsstraße am besten Frequenzpunkt zwischen zwischen<br />
Via di Citta und der Piazza Matteotti am besten Frequenzpunkt = Sopra<br />
di Banchi, 200.000 durchschnittliche Wochenfrequenz während<br />
der Geschäftszeit während des Jahres. (Nicht nur im Sommer zur<br />
Hauptzeit für den Tourismus.) Die Einwohnerzahl schlägt sich also<br />
an diesem Frequenzpunkt 2- bis 3 mal um in der Woche um.<br />
Der Erfolg hat vier Beine:<br />
1. Die Stadt hat kaum eine grüne Wiese. Die eigenen Bewohner kaufen<br />
in der eigenen Zentrum. Daher sind auch noch viele Contradas,<br />
also Viertelgeschäftsstraßen mit dem (oft archaisch anmutenden)<br />
Angebot von täglichem Bedarf und wichtigsten Non-foodwaren intakt.<br />
Inhalt.indd 46 06.10.2006 09:07:06
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
2. Siena ist die Hauptstadt der Provinz Siena mit weitem Einzugsbereich.<br />
Florenz als nächste Konkurrenz liegt immerhin 80km entfernt.<br />
3. Siena ist Sprachuniversitätsstadt. Monate oder das ganze Studienjahr<br />
über sind Studenten aus aller Welt in der Stadt und sorgen für<br />
bleibende Ausgaben Tag und Nacht.<br />
4. Direkt in der Stadt (Sie ist zum Großteil eine historische Stadt)<br />
sind viele Hotels mit bleibenden Gästen untergebracht.<br />
Tagestouristen, unter denen sich ein hoher Anteil an Bustouristen<br />
befi ndet, sind für die Stadt eine Belastung. Geringe Ausgaben in<br />
Handel und Gastronomie stehen Logistik- und REinigunstkosten gegenüber.<br />
Massen mit Fahnenträger voran verschrecken kaufkräftige<br />
einzelne Bürger und in der Stadt nächtigende Touristen.<br />
Planungseckwerte einer 1000 Jahre bis heute funktionierenden<br />
Geschäftsstrasse am Beispiel Siena in der Toskana in Italien:<br />
1. Eine Geschäftsstraße ist kein historischer Platz für die Wettspiele<br />
der Fürsten. Dazu ist der eigens dafür angelegte Platz Campo in<br />
Siena da, der auch primär mit Gastronomie besetzt ist und ansonsten<br />
nur Touristenartikel – Handel, aber kaum Fachhandel.<br />
Quelle Gruppe<br />
Schörghuber,<br />
Bild aus der<br />
Studie „Siena<br />
– strategische<br />
Überlegungen<br />
zum Stadt- und<br />
Standortmarketing<br />
und besseres<br />
Marketing<br />
für die Altstadt<br />
der Zukunft in<br />
Siena, 2001.<br />
Inhalt.indd 47 06.10.2006 09:07:06<br />
47
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
48<br />
2. Eine Geschäftsstraße ist auch kein Marktplatz wie die piazza<br />
mercato direkt hinter dem Fürstenpalais mit seiner für den Süden<br />
typischen Markthalle wie sie im 12. bis 15. Jahrhundert in vielen<br />
Städten gebaut wurden.<br />
3. Eine Geschäftsstraße beginnt beim oder nahe dem Landmark<br />
und „Knoten“ Kirche oder Dom und zieht sich bis zum Fuß des<br />
Knotens „Schloss“.<br />
4. Die Geschäftsstraße ist wetterschützend angelegt: Sie muss in<br />
südlichen Gefi elden eng geführt und mit hohen Häusern wegen dem<br />
Schattenspenden eingegrenzt sein. Deshalb haben die Geschäftsstrassen<br />
auch immer nur eine Breite damit zwei beladene Fuhrwerke<br />
aneinander vorbeifahren konnten, also nur etwa 6m bis 20m Breite.<br />
5. Die geschickte Geschäftsstraße wird auch noch wegen einem anderen<br />
Grund so eng angelegt: „Wo sich die Hinterteile reiben, da<br />
wird eingekauft“. Also mache die Geschäftsstraße so eng wie nur<br />
möglich. Dann reibt und staut es sich. Die Passanten jammern und<br />
schimpfen, dass sie nicht weiterkommen weil beim Geschäft so<br />
viele Leute stehen und in die Auslagen bewundern. Geht der Erste<br />
ins Geschäft, folgt der Nächste. Sehen wir viele Leute im Geschäft,<br />
dann muss der/die PassantIn auch nachsehen was es da gibt . . .<br />
Quelle: Gruppe<br />
Schörghuber; aus der<br />
Studie „Siena – strategische<br />
Überlegungen zum<br />
Stadt- und Standortmarketing<br />
und besseres<br />
Marketing für die Altstadt<br />
der Zukunft, 2001<br />
Inhalt.indd 48 06.10.2006 09:07:07
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
Zu beachten: Die geringe Breite der Hauptgeschäftsstraße an dieser<br />
Stelle Höhe Chiasso del Bargello, einem kurzen Abgang zum Campo.<br />
6. Die Geschäftsstraßen sind möglichst so in der Himmelsrichtung angelegt,<br />
dass sie nur leichten Wind in die Hitze des Tages bringen, vor Sturm, - der<br />
meistens nur aus ein bis zwei Richtungen kommen kann, - aber schützen.<br />
7. Nebenstraßen sind eng wegführend und haben kaum Handelsbedeutung.<br />
Die Italiener haben das schon vor Jahrhunderten<br />
kapiert und den Handel auf die Hauptgeschäftsstraße limitiert.<br />
8. Die Geschäftsstraße ist keine irgendwie gewachsene Handels-,<br />
Wirts- und Kaffeehäuser-Banken-Ämter und Behörden<br />
– Straße. Die Geschäftsstraße ist zu mindestens 70 %<br />
der gebotenen Verkaufsfl ächen eine Handelsstraße und hatte historisch<br />
immer auch den Geldhandel, was im 20. Jahrhundert immer<br />
ärgerlich durch die Ausbreitung der Bankgebäude an den besten<br />
Plätzen mit fader Auslagenqualität auffi el. Im 21. Jahrhundert<br />
hat eine Bank außer mit seinem 24 – Stunden Cashmanagement<br />
– Automaten nichts mehr im Erdgeschoß der Geschäftsstraßen zu<br />
suchen und gibt auch bereits diese Flächen mehr und mehr dafür<br />
frei.<br />
Der Geschäftsstrassentyp Pracht-„Boulevards“ und erfolgreiche „Geschäftspassagen“<br />
sind schon an die 200 Jahre alt. „Boulevards“ – sind auf<br />
den geschliffenen Bollwerken gegen Napoleon und andere Eroberer rund<br />
um jeden historischen Kern der Städte angelegt worden. Boulevards und<br />
Einkaufspassagen waren der Impulshit der damaligen Neuzeit für gehobene<br />
Bürger und Adelige, auf den dann Gründerzeit ab 1890 als nächster<br />
Schub der Stadtentwicklung noch periphärer erfolgte.<br />
Dieses Impulsprogramm neuartige Einkaufatmosphäre in den Stadtraum<br />
zu setzen brachte eine gewaltige Investitionswelle in die Wohn- und Palaishäuser<br />
mit seinen damals üblichen Verwaltungseinheiten in Freihäusern<br />
zustande. Warum sollen wir das nicht auch mit einer neuen Stadtentwicklung<br />
schaffen?<br />
Inhalt.indd 49 06.10.2006 09:07:08<br />
49
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
50<br />
Die ersten Geschäftspassagen entstanden in London. 200 Jahre alte Einkaufsarkaden<br />
ziehen heute noch die Frequenz an und faszinieren durch<br />
ihre edle Stadtatmosphäre, die sie ausstrahlen.<br />
Das Problem ausreichende<br />
Beleuchtung bei Regen und<br />
vornehmer Wetterschutz<br />
wurde also bereits im 19.<br />
Jahrhundert durch Geschäftspassagen<br />
gelöst.<br />
Inhalt.indd 50 06.10.2006 09:07:08
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
(200 Jahre alte) Arkaden mit schöner<br />
Präsentation exquisiter Ware könnten in<br />
jeder Stadt die „Kernauslagen“ bilden, die<br />
man bei einem Stadtbesuch immer wieder<br />
zuerst gesehen haben muß!<br />
Foto links: Quelle Freizeitkurier 2005;<br />
Galleria Vittorio Emanuele II, Mailand (gebaut<br />
1865-1877) stellvertretend für viele in dieser Zeit<br />
in den Großstädten zwischen 1850 bis 1890 in<br />
ganz Europa entstandenen herrlichen Einkaufspassagen.<br />
5. GRUNDBEGRIFFE: PLANUNGSECKWERTE FÜR EIN-<br />
KAUFSPASSAGEN, DIE SELBST NACH 200 JAHREN<br />
NOCH FUNKTIONIEREN<br />
I. Klassische Passagen haben vor der Eingangstüre zur Passage und<br />
auch am Ende in die nächste Straße mündend ausreichend Frequenz<br />
um mit der Frequenzabschöpfungsrate ® ausreichend Besucher<br />
in die Passage schaufeln zu können. Passagen wirken dann zu<br />
den Hauptgeschäftszeiten gut besucht, wenn sie zumindest 30.000<br />
Wochenfrequenz während der Geschäftszeit Montag bis Samstag<br />
zustandebringen. Zugleich zeigt die Erfahrung, dass mit mindestens<br />
30.000 Wochenfrequenz vor der Türe sehr viele der typisch für eine<br />
Passage kleinstrukturierten Fachgeschäfte aus dem grundsätzlich<br />
möglichen Branchenmix für eine Innenstadt (über-) leben können,<br />
nachdem die Kleinen zu 99 % immer Frequenznutzer sind.<br />
Inhalt.indd 51 06.10.2006 09:07:10<br />
51
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
52<br />
II. „Gestandene“ Passagen bilden kein „T-Stück“ am Ende. Sie beginnen<br />
nicht vorne großartig und verenden dann rückwärts im Dunkeln.<br />
Passagen sind „Passagen“, die einladen zum Durchgehen<br />
und keine Gänge, die ins Nichts führen!<br />
PASSAGEN KÖNNEN DAHER IN ZWEI VARIANTEN<br />
REALISIERT WERDEN:<br />
II A) Verbinden von zwei (Geschäfts-) Strassen miteinander oder<br />
verbinden des Marktplatzes mit der MALL<br />
II B) Die Passage verbindet einen zentralen Parksilo für die Innenstadt<br />
(oder eines Busbahnhofes mit hoher Frequenz) mit der MALL. (Einen<br />
zentralen Parksilo für die Kernstadt anzulegen empfehlen wir<br />
dringend statt dem üblichen Fleckerlteppich. Diese Maßnahme ist<br />
auch in jedem der Masterpläne für Innenstädte enthalten, ebenso<br />
das Schrankensystem mit dem generell erst nachher zu Bezahlen<br />
und erste Stunde Gratisparken).<br />
Um ausreichende Frequenz für eine gute wettergeschützte Passage zu bekommen,<br />
brauchen wir angenommen 1.000 Stellplätze, die sich etwa dreimal<br />
täglich mit im Schnitt 1,5 Personen je PKW umschlagen. So werden<br />
die 30.000 Frequenz dann in der Passage erreicht. Wenn die Parkplätze<br />
sich viermal am Tag im Schnitt umschlagen, weil auch ein Abendbetrieb<br />
in der Stadt zu erwarten ist, so reicht eine Kapazität von 800 Stellplätzen.<br />
Direkt vorne beim Ende der Passage liegt dann die Geschäftsstraße.<br />
Inhalt.indd 52 06.10.2006 09:07:11
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
Mit so einer Aufschließungskonzeption über einen attraktiven Verbinderstollen<br />
erreichen wir folgendes:<br />
Der Parksilo für die Kernstadt kann damit bis etwa<br />
100 Meter Luftlinie entfernt von der MALL liegen …<br />
… und wird mit hoher Sicherheit auch angenommen. Wir verbinden den<br />
Parksilo interessant durch die Geschäftspassage – vor allem wettergeschützt<br />
(!) mit der MALL bzw. dem Knoten Marktplatz.<br />
Die oben geschriebene Anzahl von 1.000 Stellplätzen um 30.000 Frequenz<br />
überhaupt logistisch schaffen zu können, erschreckt wahrscheinliche<br />
viele Planer und Projektentwickler. Die Realität zeigt aber, dass selbst<br />
in Kleinstädten mit 5.000 bis 10.000 Einwohner locker 1.000 Kurzparkplätze<br />
und Parkplätze ohne Gebühr irgendwo im Gebiet der Kernstadt<br />
verstreut liegen. Dieser Suchverkehr nach Parklücken irgendwo im Gelände<br />
hört sich mit diesem zentralen Parksilo auf. Ebenso brauchen wir<br />
auch keinen von den Autofahrern gehassten Parksheriff, der seine Strafen<br />
für zu langen Stadtgenuss austeilt.<br />
Geschickte Planer werden den Parksilo von den Baukosten her billig als<br />
luftige, für die Frauen sicher erscheinende Hochgarage mit zwei bis drei<br />
Parketagen über dem Erdgeschoß konstruieren. Im Erdgeschoß werden<br />
zur Finanzierung großfl ächige Fachmärkte platziert. Diese Flächen führen<br />
dann in die Geschäftspassage, die ebenfalls zur Finanzierung des Parksilos<br />
dient.<br />
Die Geschäftspassage hat eine Gesamt-Flächenbreite von mindestens ca.<br />
15 Meter bis maximal ca. 100 Meter (bei beiderseits Fachmärkten) und<br />
bietet wenn möglich eine geschlossene Auslagenwelt über die ganze Länge<br />
der Passage. Ebenso sollte die Passage auch „aufschiebbare“ Auslagenfenster<br />
mit Schienen im Boden haben um eine noch luftigere Atmosphäre<br />
im Sommer in der Passage zu gewährleisten und die Frequenz in die Geschäfte<br />
zu locken.<br />
Die Geschäfte links und rechts haben mindestens 5 m Tiefe und der Gang<br />
in einfachster Angebots- und Frequenzfassung angenommen 4m Breite,<br />
total also rund 15m Mindestbreite. Je nach baulicher Gegebenheit werden<br />
teils oder immer auch Geschäftstiefen bis angenommen 50m möglich<br />
sein um neben den Geschäften zusätzlich Fachmärkte in der Geschäftspassage<br />
zu platzieren. Der Gang bietet bei größer besetzten und längeren<br />
Passagen bis 200m MALL noch je einen Meter Platz für beide Geschäfts-<br />
Inhalt.indd 53 06.10.2006 09:07:12<br />
53
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
54<br />
seiten für die Zweitplatzierungen und angenommen 3 bis 4m Breite für<br />
die Passanten.<br />
Auch hier gilt der Kernsatz um die Schrittgeschwindigkeit zu reduzieren<br />
und Interesse an den Auslagen zu produzieren: Keine zu große Gangbreite:<br />
„Je mehr sich (durch die sehr langsam gehende, stockende Frequenz)<br />
die Hinterteile reiben, desto besser läuft das Geschäft.“<br />
In Passagen, wo man durchrennen kann weil schön breit gebaut, wird sich<br />
der Einkauf in Grenzen halten. Es geht dabei auch um die Optik: Wenn<br />
eine Passage „leer“ erscheint, wird die Schrittgeschwindigkeit automatisch<br />
erhöht. Wer rennt kann nicht die Auslagen und Zweitplatzierungen ansehen,<br />
daher kann er/sie auch nicht ins Geschäft hereingezogen werden.<br />
III. Je nach geplanter Ausstattung der Passagenbonität könnte diese bei<br />
den Fachmärkten unter dem Parksilo und dann am Ende der Passage mit<br />
einem Klimavorhang abgeschlossen sein um eine Klimatisierung als perfekten<br />
Wetterschutz in der Passage bieten zu können.<br />
IV. Weiters sollte die Passage beim Eingang zur MALL von den angenommen<br />
5m Breite auf 10m Breite gehen um die Funktion eines Auffang- und<br />
Hereinziehtrichters zustande zubringen. Damit Ziehfunktion entsteht<br />
sollte auch der Eingang in die ersten Geschäfte links und rechts davon<br />
etwas in den Trichter hineinführen, auch die Auslagen ebenso in die Passage<br />
hereinziehen. Nachdem diese beiden Pole-Positions von Outlets also<br />
wichtig sind für die Zugfunktion sollte sie typisch für die Philosophie der<br />
Passage stehen.<br />
V. So eine „Geschäftspassage“ ist beim Eingang schon bis ans Ende<br />
durchsehbar: Niemand sollte sich mangels Durchsicht in einem<br />
Erdloch gefangen fühlen, je mehr man nach rückwärts geht.<br />
VI. Die Passage hat ein Thema, damit leicht begreifbar erkannt wird,<br />
wofür sie steht und was sie Besonderes bietet. Manche alten Passagen<br />
haben sogar eigene Wächter als Helfer und Aufpasser, welche<br />
für Ordnung und Sicherheit sorgen.<br />
VII. Die Passage bietet Wetterschutz und ausreichend Tageslicht. Der<br />
Wetterschutz ist gegenüber der Innenstadt ein großer Vorteil für die<br />
Passage.<br />
Inhalt.indd 54 06.10.2006 09:07:12
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
VIII. Die gestandene Passage ist 70m bis 200m lang. Nicht länger.<br />
Ab 100 Meter Länge sollte bei der Hälfte des Weges ein Knoten mit<br />
etwas Gastronomie eingebaut werden. Eine mögliche Kombination:<br />
Eine kleine italienische Tagesbar als femininer Betriebstyp, eine<br />
bierorientierte Bar als männlicher Betriebstyp und ein Finger- oder<br />
Fastfoodbetrieb. Alle drei haben getrennte Schanigärten in der Passage.<br />
IX. Die Gastrobesetzung fi ndet sich nur im Knoten. Sonst ist es eine<br />
wirklich handelsbesetzte Geschäftspassage , mit handelsartigen<br />
Dienstleistern des täglichen Bedarfs wie Bäcker / Fleischer / Konditor<br />
/ Putzerei.<br />
X. Solche Geschäftspassagen können zugleich die vielleicht in der<br />
Stadt fehlende MALL bilden. Oft gibt es Kleinstädte, die wohl einen<br />
Hauptplatz als Marktplatz haben, der zugleich Treffpunkt mit<br />
Schanigartenzeile, Märkteabhaltungsplatz, Eventplatz und auch<br />
Geschäftsstraße ist. Rundherum gibt es nur kurze Äste an Geschäften<br />
in den Nebenstraßen.<br />
So ein Hauptplatz ist in den Funktionen eine eierlegende Wollmilchsau.<br />
Das kann ja nicht funktionieren.<br />
Daher gehört so ein Funktionsdurcheinander mit dem wirtschaftlichen<br />
Masterplan entwirrt und zerlegt in eine MALL (kann sein z.B. die vorher<br />
beschriebene Geschäftspassage als Verbinder zum Parksilo oder indem<br />
ein „Stutzerl“ als bisherige Geschäftsstraße ausreichend lange anliegend<br />
an den Knoten Hauptplatz als Achse neu angelegt wird) und extra einen<br />
erstklassigen Hauptlatz als Bühne zu entwickeln.<br />
Dieser muß dann technisch mit den Anschlüssen für Wasser, Normalstrom<br />
und Starkstrom im Karree überall gerüstet sein und Wetterschutz<br />
zumindest über die Gehsteige (als Arkaden) haben. Vielleicht ist der<br />
Marktplatz selber mit einem luftigen Dach als Marktplatz bzw. wettergeschützter<br />
Markthalle ausgerüstet…<br />
Inhalt.indd 55 06.10.2006 09:07:12<br />
55
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
56<br />
6. GRUNDBEGRIFF: DIE ANSIEDLUNG VON MAGNETBE-<br />
TRIEBEN ZWINGT ZUR ATTRAKTIVEN LÖSUNG AUSREI-<br />
CHENDER PKW-STELLPLÄTZE IN EINEM DIREKT ANGE-<br />
BUNDENEN PARKSILO.<br />
Immer wieder wird in Workshops gefragt: „,wie weit geht heute der Stadtbesucher<br />
vom Parkplatz zum Geschäft?“ Antwort: „Die Frau stellt in der<br />
Majorität die Frequenz in der Stadt und Sie fährt heute am liebsten direkt<br />
ins Geschäft hinein“.<br />
WANDERN VOM PARKPLATZ IN DIE CITY IST URLAUBS-<br />
BESCHÄFTIGUNG<br />
Das ist was für Urlauber, die drei bis vier Tage im Schnitt gebucht haben.<br />
Wandern von außen nach innen ins Zentrum ist nichts für ein Kommerzzentrum,<br />
wo Zeit gleich Geld ist.<br />
Rund 40 % der Käufer bevorzugen bereits den Gratisparkplatz vor dem<br />
Eingang sowie wettergeschützte Einkaufsstätten, wie es von EKZ und<br />
Fachmarktzentren geboten wird.<br />
Das heißt, die Kundin will das und nur das:<br />
5 A) Sie weiß, dass sie im Parksilo immer einen Parkplatz bekommt, der<br />
Parksilo also im Aufnahmepotential auf Maximal- und nicht auf Minimalfrequenz<br />
ausgelegt ist. Für das Kreisen und das jämmerliche<br />
Parkfl eckerlsuchen in der Innenstadt ist heute keine Zeit mehr.<br />
5 B) Sie weiß, dass sie sich im Parksilo sicher fühlt. Das ist nirgendwo<br />
in Tiefgaragen der Fall, daher bevorzugt sie eindeutig luftig frei<br />
konzipierte Hochgaragen. Diese Stellplätze sind noch dazu mindestens<br />
um die Hälfte günstiger in der Errichtung als Tiefgaragen.<br />
Sofort kommt immer wieder der Einwand „Wir haben keinen Platz<br />
für Hochgaragen in der Innenstadt.“ Der Autor kann Sie beruhigen:<br />
In den letzten zehn Jahren hat er immer genug Platz – sogar meistens<br />
für mehrere Varianten von Standorten für so eine Hochgarage<br />
gefunden!<br />
5 C) Sie möchte bis ins Geschäft fahren. Das heißt, Sie möchte das Geschäft<br />
bzw. den großfl ächigen Magneten schon von der angefahrenen<br />
Parkebene aus sehen. Daher hat das an die Hochgarage angegliederte<br />
Einkaufszentrum mindestens zwei Geschosse und mindestens<br />
drei Parkgaragengeschosse. Die Differenz ergibt sich aus den unter-<br />
Inhalt.indd 56 06.10.2006 09:07:12
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
schiedlichen Geschosshöhen von EKZ und Parkdeck.<br />
5 D) Sie möchte wettergeschützt bis ins Geschäft gehen können.<br />
Daher werden moderne Magnetansiedlungen so konstruiert:<br />
I. Magnetbetriebe wollen primär im Verbund auftreten und lassen sich<br />
das EKZ - Management und die Bewerbung des Standortes durchaus<br />
etwas kosten.<br />
Verbund heißt Mindestfl ächen für die Bildung eines Einkaufszentrums<br />
von 12.000 bis 17.000 m2 Verkaufsfl äche und mindestens<br />
etwa 400 Stellplätze direkt daran angegliedert.<br />
II. Nachdem die Innenstadt verdichtet gehört und der Quadratmeter<br />
sehr teuer ist, haben wir in mindestens zwei Etagen den Handel im<br />
Einkaufszentrum (darüber Dienstleisterpraxen und wieder darüber<br />
Penthousewohnungen oder ein Hotel) und kommen damit direkt<br />
im Erdgeschoß in der Geschäftsstrasse heraus. So werden auch die<br />
Nachbargeschäfte in der zukünftigen Mall vom Großmagneten mit<br />
Frequenz frisch umspült.<br />
III. Damit kann jeder Innenstadtbesucher so lange in der Innenstadt<br />
bleiben wie er/sie will . Zumindest die erste Stunde ist gratis . Der<br />
böse Parksheriff ist damit gestorben.<br />
IV. Wenn aus irgendeinem Grund doch in eine Tiefgarage gegangen werden<br />
muss, so sollte diese weite Öffnungen durch alle Tiefetagen bis<br />
zur Oberfl äche bekommen. Noch schöner wären im Tiefgeschoss gepfl<br />
anzte Bäume, die an der Oberfl äche durch einen Ausschnitt in der<br />
Decke herauskommen und so Untergeschoss mit dem Obergeschoss<br />
verbinden. Hochgaragen sollten einen nett gehaltenen Abgang (keine<br />
primitive Fluchtstiege!) auf die Geschäftsstrasse bzw. belebten<br />
Platz haben. Das wirkt Sicherheitsgebender als die Klaustrophobie<br />
fördernden grauen betonarmierten Gänge mit ihren Urinecken und<br />
den schweren Eisen-Fluchttüren, den grausam kalten Edelstahlhandläufen<br />
bei den Stiegen, sowie den schmucklosen engen Liftkabinen.<br />
Dieses meist primitiv billig gehaltene Design vermittelt mehr<br />
den Eindruck eines Staatsgefängnisses als die prickelndeVorfreude<br />
auf das Stadterlebnis.<br />
Eine Untugend der Planer ist die Konstruktion der PKW-Einfahrt in jeder<br />
zweiten Parkgarage. Die Schranken gehören in die Gerade und nicht in<br />
Inhalt.indd 57 06.10.2006 09:07:12<br />
57
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
58<br />
eine Kurve, wo das Ticket mit akrobatischen Langarmfähigkeiten gelöst<br />
werden muss. Weiters gehören die Parkplätze endlich 2,70m breit geplant<br />
um speziell den Frauen volle Bewegungsfreiheit ohne Schmutzzulage<br />
beim Anstreifen des Nachbar – PKW zu geben und der Welle an überbreiten<br />
Freizeit-PKW’s vom Land Rover, Jeep, bis zum Pacero gerecht zu<br />
werden.<br />
Eigene Frauenparkplätze sind sinnlos, denn zukünftig kommt die Majorität<br />
der Frauen mit dem Auto in die Garage.<br />
Quelle: Gruppe Schörghuber; BID Völkermarkt, Montage für den Masterplan<br />
DIE KUNDIN MÖCHTE AM LIEBSTEN INS GESCHÄFT<br />
FAHREN!<br />
Das ist mit dem 1. Schritt so vorstellbar:<br />
Parken (im innerstädtischen EKZ) ohne Zeitlimit solange man will (erste<br />
Stunde gratis).<br />
2. Schritt:<br />
Das Geschäft oder der Fachmarkt leuchtet von der innerstädtischen Park<br />
– Hochgarage schon von weitem mit seiner Glasfront. So wird auch die<br />
Furcht vor der Dunkelheit und Einsamkeit in Garagen durch den „Lichtblick<br />
Geschäft“ überwunden.<br />
Inhalt.indd 58 06.10.2006 09:07:12
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
Wenn keine Hochgarage durch bestimmte Umstände in Frage kommt,<br />
dann kann das folgende Masterplanbeispiel eine Anregung liefern:<br />
Quelle Gruppe Schörghuber; BID „Stadtentwicklungsoffensive Völkermarkt/Ktn.“ (11.000<br />
Einwohner): Eine von vier Visionen aus dem wirtschaftlichen Masterplan zur ausreichenden<br />
Erschließung der Rathauspassage und der Kernstadt mit Stellplätzen sowie zugleich<br />
Verkehrsberuhigung des Suchverkehrs nach den vielen kleinen Parkplätzen an der<br />
Oberfl äche. Von der Bundesstraße aus unterirdisch „bis in die Geschäfte fahren, die schon<br />
im Untergeschoss angesiedelt werden“ und so die Angst vor Tiefgaragen nehmen.<br />
7. GRUNDBEGRIFF: NEBEN DEM MAGNET „ATTRAKTIVES<br />
BRANCHENMIX“ ALS ACHSE AUCH EINEN MAGNET „DE-<br />
SIGNTES MARKTWESEN“ ALS KNOTEN INSTALLIEREN<br />
Die neue Stadtentwicklung wird nicht nur den gebotenen Kommerz in der<br />
Innenstadt wandeln und nachhaltig attraktiver gestalten. Das bisher gebotene<br />
städtische Marktwesen sollte von der Stadtentwicklung her ebenfalls<br />
einer grundlegenden Revision unterzogen werden.<br />
Wir stehen vor einer Renaissance des Marktwesens durch die neuen Organisationen<br />
„designter“ Märkte, die nach dem Modell von Prof. Schörghuber<br />
seit 1994 funktionieren: Heute bringt ein designter Frischemarkt<br />
Inhalt.indd 59 06.10.2006 09:07:17<br />
59
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
60<br />
am Freitag zwischen 1.000 und 3.000 Mehrfrequenz gegenüber normalen<br />
Freitagen ohne Markt. In extrem auf Märkte ausgerichteten Städten<br />
wächst diese Zahl bis zu 15.000 am Markttag an. (Beispiel: Vöcklabruck/OÖ.<br />
bei rund 11.000 Einwohner)<br />
Ebenso bringen auch designte permanente Nonfoodmärkte am Samstag<br />
diese Mehrfrequenz von mindestens 1.000 in die Innenstadt. Sogar ein<br />
zweiter permanenter Frischemarkt wird am Dienstag in kleineren Städten<br />
ab etwa 10.000 Einwohner möglich.<br />
Das heißt, diese Märkte wirken wie Magnetbetriebe. Sie sind etwas anderes<br />
als Stadtfeste, denn Markt heißt Vorbereitung auf den Einkauf.<br />
Wetterschutz auf Marktplätzen ist ebenfalls kein Tabuthema seit der Renaissance<br />
mehr sondern gehört bearbeitet. Ebenso ist die Technik für die<br />
verschiedensten Nutzungen Tag und Abend auf den neuesten Stand zu<br />
bringen, ebenso programmierbar die Lichttechnik und Farben vom Boden<br />
in den Markthallenhimmel projiziert um die jeweilige Stimmung untermalen<br />
zu können.<br />
8. GRUNDBEGRIFF: EINE STADTVIERTEL - AUFWER-<br />
TUNGSSTRATEGIE DURCH DEN FÄLLIGEN PARADIG-<br />
MENWECHSEL EINLÄUTEN<br />
Wenn sich die Fußgängerfrequenz immer mehr auf nur eine Geschäftsstrasse<br />
und einen Marktplatz als Treffpunkt in einem Stadtzentrum konzentriert,<br />
mutieren die anderen Straßenzügen immer stärker zu „Nebenlagen“.<br />
Die bisherige Antwort auf diese Tendenz in der Innenstadt ist der verzweifelte<br />
Versuch die niedergegangenen ehemaligen Geschäftsstrassen<br />
wieder mit Handels im Erdgeschoss zu besetzen. Stichwort „Leerfl ächen-<br />
Management“. Das funktioniert aber nicht, weil immer weniger Frequenz<br />
vor der Türe steht und 99 % der Kleinfl ächen - Besiedler nur Frequenznutzer<br />
und keine Magneten sind. Ohne Magneten verliert der Standort<br />
automatisch seine Bedeutung.<br />
Die Stadtviertelerneuerung für „Nebenlagen“ ist im 21. Jahrhundert anders<br />
zu sehen:<br />
Es geht hier nicht mehr um die Erneuerung einzelner veralteter Leerfl<br />
ächen sondern um eine komplette Neukonzeption jedes Hauses in den<br />
Inhalt.indd 60 06.10.2006 09:07:18
Wachstumsfeldern der Dienstleistungen und nicht mehr im traditionellen<br />
Handel wie vormals. Nebenlagen nutzen die Innenstadt-Infrastruktur<br />
und für sie müssen Konzeptionen für Nichthandelshäusern entwickelt<br />
werden.<br />
9. GRUNDBEGRIFF: DEM SCHILDERCHAOS EIN ENDE<br />
SETZEN<br />
Ein wichtiger Zukunftstrend ist das Schaffen von sichtbarer Ordnung<br />
in der Stadt. Ein umfassendes Leitsystem einzuführen und den Verkehr<br />
sinnvoll in der Stadt zu seinen Vierteln und an die Parksilos der Innenstadt<br />
heranzuführen ist nicht so schwierig wie es erscheint.<br />
Derzeit gleicht die Beschilderung der Städte oft einem Torso. Da kugeln 15<br />
bis 20 verschiedene Teilleitsysteme und dann auch noch Firmenschilder<br />
irgendwo auf öffentlichen und privaten Standorten herum. Generationen<br />
von Schilderarten und Rostlauben zieren dicht bepfl astert, unlesbar den<br />
Weg. Mit dem muss radikal aufgeräumt werden.<br />
Situation in Linz/OÖ.<br />
(190.000 Einwohner)<br />
und in Gloggnitz/NÖ. (6.000<br />
Einwohner), wo zumindest<br />
versucht wurde, die Schilder<br />
gleich groß zu produzieren und<br />
sie in einen „Stadt Gloggnitz“<br />
- Rahmen zu geben.<br />
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
Quelle Gruppe Schörghuber; Wirtschaftlicher Masterplan<br />
mit der BID-Methode für Vöcklabruck (12.000<br />
Einwohner). Ausgangspunkt: Die Leitsysteme in<br />
Vöcklabruck/OÖ. 12.000 Einwohner.)<br />
Inhalt.indd 61 06.10.2006 09:07:19<br />
61
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
62<br />
1998 wurde das erste umfassende, einheitliche Leitsystem für eine Stadtgemeinde<br />
in Österreich von der Gruppe Schörghuber erfolgreich konzipiert.<br />
Das war für die Stadt Schwaz (11.000 Einwohner) in Tirol. Seither<br />
gibt es genug weitere Städte die das Problem geknackt haben.<br />
Schwaz vorher: Chaos pur wie meistens in den Städten anzutreffen<br />
Schwary Nachher:<br />
Inhalt.indd 62 06.10.2006 09:07:31
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
Quelle: Gruppe Schörghuber; umfassendes Leitsystem für die Stadtgemeinde Schwaz/Tirol<br />
Wer erstmals eine Stadt über alle Einfallstraßen besucht, wird am Weg in<br />
die Innenstadt seine Merkwürdigkeiten, unlogischen Wegführungen und<br />
schlichtweg typische „Verkehrsgemeinheiten“ von Autohassern unter den<br />
Verkehrsplanern schon erlebt haben. Auch diese Blödheiten lassen sich<br />
relativ leicht aufdecken und einfachere Systeme der Erreichbarkeit entstehen<br />
lassen. Eine Stadt mit der erkennbaren Aussperrung des Verkehrs<br />
ist eine tote Stadt. Das haben reihenweise die Generalverkehrskonzepte<br />
vieler Verkehrs-Zivilingenieure der 80er Jahre und bis Mitte der 90er<br />
Jahre gezeigt. Genauso ging die Welle an Errichtungen von Fußgängerzonen<br />
unter 30.000 Wochenfrequenz ziemlich immer in Richtung Frequenzfl<br />
ucht und brutaler geschäftsmäßiger Vernichtung.<br />
Bei Städten unter 50.000 Einwohner stehen wir nach wie vor bei mindestens<br />
70 % Modalsplit an Innenstadtfrequenz die mit dem PKW kommen.<br />
Diese PKW-Fahrer und Beifahrer sorgen für rund 80 % bis 90 %<br />
der Innenstadtumsätze, weil eine PKW-Besatzung im Schnitt in der Stadt<br />
rund das Dreifache eines Busfahrers oder Radfahrers bzw. Fußgängers<br />
ausgibt!<br />
Heute ist Convenience für den Bürger angesagt, nicht Verkehrsverdrängung,<br />
Fußgängerzonen wo niemand ist und nicht Fahrradweg statt sinnvolle<br />
PKW-Verkehrsführung. Nachdem<br />
kaum mehr jemand in der Stadt lebt müssen alle irgendwie rasch in die<br />
Stadt kommen.<br />
Zur Citymaut wie in London und Stockholm muss gesagt werden: In den<br />
Hauptbezirken der City of London gibt es keinen Individualverkehr mehr.<br />
Zu sehen sind nur die öffentlichen Busse, Taxis, gewerbliche Servicefahrzeuge<br />
und Firmenlimousinen.<br />
Inhalt.indd 63 06.10.2006 09:07:33<br />
63
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
64<br />
Heissa, das war super für die grüne Wiese! Die Shoppingcenters rund um<br />
London boomen. Bluewater Shopping Center & all the others schicken<br />
Handküsse an die Verkehrsplaner. Die Vertreibung der Bürger aus der<br />
eigenen Stadt ist ein voller Erfolg!<br />
Die Frequenz der Bürgerbesuche Londons ist zusammengebrochen. Der<br />
Handel hat um 40 % weniger Umsatz und lebt jetzt nur noch von den<br />
Touristen und den in der Stadt Beschäftigten. Die Citymauteinnahmen<br />
sind derart niedrig ausgefallen, wie sich das niemand vorstellen konnte.<br />
Weil eben wie bei uns rund um jede Stadt ein Speckgürtel als kostenlose<br />
Alternative vorhanden ist.<br />
Im deutschen Sprachraum haben wir kaum eine Stadt welche mehr Kaufkraftaufkommen<br />
durch den Touristen hat als von den eigenen Bürgern.<br />
Beispiel Wien = 3 % Kaufkraft bringen die Touristen und 97 % die Bürger!<br />
Ebenso ist die Situation in Salzburg, ebenso sogar in der Stadt Kitzbühel<br />
als Bezirkshauptstadt, die primär von den eigenen Bürgern abhängt und<br />
nicht vom Touristen. Die Citymaut ist eine Todesstrategie von Nichtwirtschaftlern.<br />
Alle Verantwortlichen, welche solches tun, gehören aus ihren<br />
Ämtern gejagt, denn sie vernichten unwissentlich Volksvermögen .<br />
10. GRUNDBEGRIFF: VIDEO - ÜBERWACHUNGSSYSTEM<br />
UND SICHERHEITS-NETZWERKE DER GESCHÄFTE<br />
INSTALLIEREN<br />
Wer in englische und vereinzelt in italienische Kleinstädte kommt, wird<br />
merken, dass dort die Hauptgeschäftsstrassen mit Kameras überwacht<br />
werden.<br />
Das hat seinen Grund: Die MALL der Zukunft ist der teuerste und zugleich<br />
der heikelste Platz in der Stadt. Wem es gelingt diese Grundordnung gewisser<br />
Noblesse und Frequenzdichte zu stören, hat bald ein Millionen<br />
Euro – Schadensproblem, durch den Verlust guter Kunden, die sich vor<br />
Raubüberfällen bzw. Einbrüchen fürchten, verursacht. Ebenso tritt fast<br />
automatisch bei nachlässiger Überwachung von Treffpunktknoten das Alkohol-,<br />
Drogen -, Rauf-, „wilde“ Hunde - und Diebstahlsproblem auf.<br />
Daher schützen sich Stadt und Hauseigentümer durch derartige Systeme:<br />
Private Kameras einfach am eigenen Haus installiert sind meistens<br />
die erste Welle für den Zwang zum Nachziehen des Staates. (Siehe unten<br />
das Bild einer privat durch den Hauseigentümer und zugleich Vorstand<br />
im Verein Altstadt NEU in Linz demonstrativ angebrachte Kamera und<br />
Inhalt.indd 64 06.10.2006 09:07:34
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
links zwei Jahre später das offi zielle Schildchen einer Kameraanbringung<br />
durch die Polizei . . .)<br />
Die Geschäftswelt der kleineren Geschäfte wird sich mehr denn je durch<br />
gemeinsam beschäftigte Sicherheitsdienste gegen Ladendiebstähle schützen.<br />
Diese Sicherheitskraft ist dann Tag und Nacht auf der Mall gegen<br />
Bettler, Zeitungsverkäufer ohne Gewerbe, Musiker, Diebe, Betrunkene,<br />
Dealer und Störenfriede präsent, aber auch in den Geschäften, aktiv.<br />
Die Türsteher der Abendlokale im Treffpunkt der Stadt können sich zu Informationsnetzwerken<br />
inklusive Nutzung von Videoaufzeichnungen der<br />
Gäste zusammenschließen und so „Schwarze Schafe“ aussortieren. Mit einem<br />
einfachen Handy - Bildsystem kann rasch die Nachricht von Betrunkenen<br />
an andere Lokale weitergeben werden. Ebenso können Jugendliche<br />
identifi ziert werden, welche noch unter das Jugendschutzgesetz fallen.<br />
Der Kampf um die „normalen“ Kunden ist wichtig. Diese sind sehr friedliebend<br />
und harmoniebedürftig. Sie reagieren auf jede Störung der Idylle<br />
auf Jahre durch Abwanderung.<br />
Beispiel:<br />
2003 hat die Gruppe Schörghuber mit dem Verein Altstadt NEU und den<br />
Liegenschaftseigentümern der Altstadt von Linz/OÖ. (190.000 Einwohner)<br />
und der Polizei im Auftrag des Magistrates, Land OÖ. und der Wirtschaftskammer<br />
OÖ., eine Zukunftskonzeption für die Altstadt entwickelt.<br />
Ziel waren drei Szenarios für die Entwicklungsmöglichkeiten der Altstadt<br />
am Tag, für den Abend und für die Nacht. Hauptproblem: Die Nachtfrequenz<br />
zwischen 23h und 8h früh als Wochenfrequenz lag bei 18.000 (!) Es<br />
gibt im ganzen Land keine Disko, die 18.000 Wochenfrequenz als Ganzjahresbetrieb<br />
aufweist. Die Zeichen der heißen Nächte zeigten sich wöchentlich<br />
am Morgen vom Scherbenteppich der geworfenen Gläser und<br />
Flaschen am Samstag und Sonntag früh dass kein Fahrzeug mehr fahren<br />
konnte, bis zu den stinkenden „Alkohol- und Drogenleichen“ in den Häusern,<br />
im Lift, usw.<br />
Inhalt.indd 65 06.10.2006 09:07:34<br />
65
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
66<br />
Quelle: OÖN<br />
Im Konzept wurde in einer klaren Punktation zusammengestellt, was der Magistrat<br />
zu tun hat, was die Polizei tun sollte, was die Nachtwirte zu tun haben, um die<br />
missliche Nacht- und Morgensituation nachhaltig zu bessern, um die Wirtschaft<br />
am Tag überhaupt aufbauen zu können.<br />
Die Umsetzung der Punkte stieß zwar zunächst auf große Zweifel, dass man die<br />
Freiheit der Bürger beschneidet. Der Krug ging zum Brunnen bis er brach: Bis<br />
Polizisten selber bei einer Schlägerei wegen einem Schwarzen mit etwa 100 Beteiligten<br />
verletzt wurden. Plötzlich sah die Welt anders aus: Da wurden fl ugs im<br />
März 2006 vier Kameras von der Polizei installiert.<br />
Weiterer Punkt: - Die von der Landesregierung verfügte Sperrstundenregelung<br />
von 4h bis 6h früh, um vor allem das „Abfüllen der Gäste“ gerade um diese Zeit<br />
zukünftig zu verhindern. Zwar regten sich die betroffenen Gastwirte auf, aber<br />
sonst niemand …<br />
Ergebnis: Die Körperverletzungen gingen inzwischen von 223 im Jahr<br />
2005 schlagartig auf nicht einmal die Hälfte zurück. Die Altstadt wird in<br />
den nächsten Jahren wieder der beliebte Einkehrort als besuchenswertes,<br />
sicheres Bermudadreieck werden.<br />
Inhalt.indd 66 06.10.2006 09:07:34
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
MIT DER RICHTIGEN STRATEGIE ZUM NACHHALTIGEN<br />
STADT – KONJUNKTURIMPULS KOMMEN<br />
Viele Innenstädte haben freie Kapazitäten für Wohn- und Bürofl ächen in<br />
den Obergeschossen sowie verwertbare Industrie- und Gewerbebrachen<br />
im Kerngebiet der Stadt. – Man muß sich das Zentrum nur einmal von<br />
oben ansehen.<br />
Die vorher angeführten Grundbegriffe und Eckwerte zeigen schon, dass<br />
im Masterplan viele für die Innenstadt im Grunde epochal neue Welten in<br />
den nächsten zehn Jahren aufgegriffen und grob geplant werden können.<br />
Vieles stinkt ohnehin schon zum Himmel und wartet nur auf einen Mutigen<br />
mit Zivilcourage, der sagt, dass dieses und jenes Projekte endlich auf<br />
die Masterplan-Schiene gebracht gehört. Von außen ist dieser Schrei nach<br />
Veränderung immer leichter zu entwickeln als von innen heraus.<br />
Die Innenstadt wird mit dem Erstellen des wirtschaftlichen Masterplans<br />
für die wichtigsten Stadtentwicklungsprojekte durch die Planung von unten<br />
nach oben eine gewaltige mentale Bewegung entstehen lassen. Sobald<br />
der erste Bagger die erste Umsetzung signalisiert, wird auch die hohe Erwaltungshaltung<br />
befriedigt.<br />
Dann werden die Liegenschaftseigentümer zum „Laufen“ anfangen, dass<br />
sie nichts versäumen, dass sie nicht geschädigt werden, dass sie auch etwas<br />
von den Investitionen für die geplanten Großprojekte profi tieren. So<br />
kommt durch die organisatorische Eigenheit der BID – Methode ein mentaler,<br />
geistiger Aufschwung in die Innenstadt. Der Immobilienbetreuer<br />
unterstützt diese Welle durch seine Betreuung Haus für Haus. „… Und<br />
wie soll ich jetzt auf diese Großprojekte am besten reagieren?“ fragen die<br />
besuchten Eigentümer.<br />
Von der baulichen Substanz her sind im Zentrum ganz andere Arbeitsplatzqualitäten<br />
verlangt wie für die billigen Fachmarktschachteln, die auf<br />
die grüne Wiese platziert werden. Hier heißt es das Stadtbild zu schützen,<br />
mit denkmalgeschützten Standorten behutsam umzugehen und die besten<br />
Handwerker dafür einzusetzen. Qualität geht vor Quantität.<br />
Ein Beispiel für die gewaltigen Auswirkungen eines BID auf Wirtschaft<br />
und Arbeitsplätze befi ndet sich im 3. Kapitel Masterplan (über das abgeschlossene<br />
BID für die Kernstadt von Tulln/NÖ. – 14.000 Einwohner. Einen<br />
derartigen Investitionsstoß – noch dazu in nachhaltig wirksame Bauten<br />
mit qualifi zierter Arbeit und hohen Investquoten je m2 Fläche – und<br />
Inhalt.indd 67 06.10.2006 09:07:36<br />
67
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
68<br />
nicht in Billig-Betonschachteln wie am Stadtrand – hatte es vorher 20<br />
Jahre nicht mehr in der Innenstadt gegeben.)<br />
Wichtig ist es die Unterschiede zu erkennen, welche Strategien die Veränderungschance<br />
nachhaltig bringen, welche nur Makulatur und Show sind<br />
oder anderen Zielen dienen.<br />
ZUR KLAREN DIFFERENZIERUNG DER GÄNZLICH VERSCHIE-<br />
DENEN AUFGABEN DES STADTMARKETING VERSUS STADTER-<br />
NEUERUNG<br />
Klassisches Stadtmarketing<br />
und Stadterhaltung.<br />
Hauptbeteiligte:<br />
● Stadtgemeinde – Wirtschafts-<br />
und Straßenbauressort,<br />
● Wirtschaftskammer,<br />
● vom Niedergang in Frequenz<br />
und Kaufkraftbindung<br />
betroffene Inhaberbetriebe<br />
● Jungunternehmer<br />
● Citymanager<br />
● Werbeverein mit seinem<br />
vielfach von der Sparte Handel<br />
dominierten Vorstand<br />
Stadterneuerung<br />
Hauptbeteiligte:<br />
● Stadtgemeinde Wirtschafts- und Bauressort<br />
● Stadtplanung,<br />
● Liegenschaftseigentümer der Innenstadt<br />
bzw.<br />
des Geschäftsstraßenviertels<br />
● gewählter Vertreter der Liegenschaftslobby<br />
● Die Unternehmervertreter im Innenstadt-<br />
werbeverein bzw. im Stadtmarketing<br />
● Geldinstitute als Standortentwickler<br />
● Tourismusvertreter<br />
● Zusammenfassen der Delegierten aus Stadt-<br />
und Zielgruppenvertretern in einer „Träger-<br />
organisation“ als Aufsichtsrat für das Projekt<br />
● professionelles verantwortliches<br />
Begleitungsteam jeweils für drei Jahre +<br />
Evaluierung<br />
= Das Team besteht meistens aus diesen<br />
Projektleitern:<br />
* Marktforscher für die Chancenkennzahlen<br />
* spezialisierter Moderator für das<br />
Lobbycoaching für die Liegenschafts-<br />
eigentümer und der Unternehmer-<br />
vertreter<br />
* Immobilientreuhänder als Betreuer der<br />
einzelnen Immobilien<br />
* Architekt als Techniker und Visualisierer<br />
* der Masterplaner<br />
* der zentrale Koordinator<br />
Inhalt.indd 68 06.10.2006 09:07:36
Typische Instrumente des<br />
Stadtmarketing und der<br />
Stadterhaltung<br />
1. Sanieren der Straßen und<br />
der Gehsteige, Bäume<br />
pfl anzen<br />
2. Möblierung der Innenstadt<br />
durch aufeinander abgestimmte<br />
designte Papier-<br />
und Mistkübel, Parkbänke,<br />
Brunnen- und Lichtkonzepte,<br />
inclusive Weihnachtsbeleuchtung<br />
3. Lichtkonzepte für besondere<br />
Häuser, Straßen,<br />
Brunnen und Brücken.<br />
Weiters ohne Zusammenhang<br />
damit Lichtkonzepte<br />
für die Weihnachtsbeleuchtung<br />
und Christkindlmärkte<br />
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
Instrumente der Stadterneuerung<br />
1.Chancendaten ermitteln<br />
1.1 Die Kaufkraftverluste der Stadt und seines<br />
natürlichen Einzugsbereichs konkret in<br />
Euro aufspüren. Wo und wofür geben die<br />
Kunden ihr Geld aus. Wir beobachten die<br />
rund 500 Branchen des Handels, der Gastronomie<br />
und der Dienstleistungsgewerbe.<br />
Kaufkraftabfl üsse sind das Potential, das<br />
verstärkt gebunden werden muss<br />
1.2 Die Frequenz gehört zu den wichtigsten<br />
Faktoren der Standortattraktivität. Für<br />
Handel und Gastronomie zählt die Frequenz.<br />
Investoren interessieren sich für<br />
die Chancen am Standort. Der Wert der<br />
Immobilie steigt mit der Standortbonität<br />
1.3 Erhebung Kundeneinzugsbereichs: woher<br />
kommen die Kunden wirklich. Der Einzugsbereich<br />
ist meist kleiner als vermutet.<br />
Wo liegen noch realistische Chancen zur<br />
Kundengewinnung.<br />
1.4 Branchenmix: was die Kunden am meistens<br />
vermissen, wo sie einkaufen würden,<br />
das wissen die Kunden selber am besten.<br />
Die Erhbung umfasst rund 500 mögliche<br />
Betriebstypen<br />
1.5 Erhebung der Chancen im Marktwesen<br />
2. Parksilo und Logistik<br />
Die Bürger wollen ins Geschäft mit dem<br />
PKW fahren. Das Gebot der Stunde lautet:<br />
direkte Erreichbarkeit, leichte Orientierung,<br />
in die Höhe nicht in die Tiefe, direkter Ausgang<br />
auf die Geschäftstrasse.<br />
3. MALL Programm<br />
Die bisher irgendwie gewachsene Geschäfts-,<br />
Banken-, Gastronomie, Dienstleister-,<br />
Ämterstraßen, in eine erkennbare<br />
„MALL“ mit mindestens 70 % Handel<br />
als ACHSE wandeln. Das erfordert eine<br />
durchgängige Konzeption für die Geschäftstrasse<br />
des 21.Jahrhunderts<br />
Inhalt.indd 69 06.10.2006 09:07:36<br />
69
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
70<br />
Typische Instrumente<br />
des Stadtmarketing und<br />
der Stadterhaltung<br />
4. Imagewerbung für die<br />
Stadt und die Innenstadt<br />
5. Verkaufsförderungspakete<br />
für die bestehenden<br />
Unternehmer wie gemeinsame<br />
Einkaufsgutscheine,<br />
Lager – Abverkaufsmarkt,<br />
Auslagenwettbewerb, die<br />
Einkaufsnächte, usw.<br />
6. Die Leerfl ächen erfassen<br />
und ins Internet stellen.<br />
Mietförderungspakete für<br />
Jungunternehmer und<br />
Künstler bieten, die in<br />
diese meistens abgewirtschafteten<br />
Flächen mit<br />
niedergehender Frequenz<br />
einziehen. Kaschieren der<br />
Flächen mit Scheinmietern.<br />
Instrumente der Stadterneuerung<br />
4. Wetterschutz<br />
Sonderteil im Rahmen einer MALL – Planung:<br />
Lösung der meist nicht bewältigten<br />
Frage Wetterschutz für die Gehsteige.<br />
Hintergrund: Jeder zweite Tag im Jahr ist<br />
in der Witterung unsicher. Dazu brauchen<br />
wir feste oder variable Wetterschutzsysteme<br />
über den Gehsteigen.<br />
Bereits rund 40 % der Bürger gehen jetzt<br />
schon bevorzugt dort einkaufen, wo kein<br />
Wind heult und keine Sonne vom Himmel<br />
knallt und wo kein Regen und Schnee das<br />
Einkaufen unmöglich macht.<br />
5. Marktplatz mit ODEON Charakter<br />
Um einen realen Frequenzpush nachhaltig<br />
zu setzen Planung eines ODEON – Marktplatzes.<br />
Das ist ein moderner Treffpunkt<br />
der Gastronomie mit Schanigarten z e i l<br />
e und mit den Anschlüssen modern ausgerüsteter<br />
Marktplatz davor als Bühne. Da<br />
fi ndet zumindest jeden Freitag und Samstag<br />
im Jahr etwas statt.<br />
Dieser KNOTEN Treffpunkt Marktplatz<br />
sollte mit der Achse MALL wettergeschützt<br />
möglichst direkt verbunden werden.<br />
6. einheitliches Leitsystem<br />
Zur besseren Erreichbarkeit aller Stadtviertel<br />
der Stadt ein umfassendes Leitsystem<br />
aus den bestehenden meistens 15<br />
bis 20 Leitsystemen und fehlenden dreidimensionalen<br />
Innenstadtdarstellungen<br />
installieren.<br />
Ziel und Quellverkehr effi zient durch das<br />
Stadtgebiet leiten. Es muss übersichtlich,<br />
leicht fassbar und lesbar sein.<br />
Inhalt.indd 70 06.10.2006 09:07:36
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
Ergebnis:<br />
„MARKENZWEIKLANG“:<br />
Bekanntheit und Sympathie<br />
für die Innenstadt, aber immer<br />
weniger Besuch und immer<br />
weniger Einkauf dort sowie<br />
Gastronomiekonsum.<br />
Nachweislich wird die Innenstadt<br />
im Schnitt mindestens<br />
wöchentlich (!) von den eigenen<br />
Bürgern besucht – n i c h t<br />
weil sie so schön ist - sondern<br />
zu rund 50 % bis 70 % weil<br />
man gewisse Dinge bei dem<br />
bevorzugten Betriebstyp dort<br />
einkaufen will bzw. weil man<br />
sich dort im Schnitt zu weiteren<br />
15 % treffen will.<br />
Instrumente der Stadterneuerung<br />
7. Frequenzkorso anlegen.<br />
Wenn der Kunde schon Wege zurücklegen<br />
muss, so muss er ein Ziel vor<br />
Augen haben. Daher sind Rundwege<br />
optimal, damit der Kunde am ende<br />
des Weges wieder am Anfang ankommt.<br />
Vorarbeit dazu:<br />
Ein Thema erarbeiten wofür steht die<br />
Stadt heute bzw. in der Zukunft .Dieses<br />
Thema gehört in einem Frequenzkorso<br />
und in der Möblierung sowie<br />
Weihnachtsbeleuchtung sowie weiteren<br />
Lichtkonzepten geistig nachvollziehbar<br />
für den Bürger umgesetzt.<br />
Eventuell auch ein Themenhaus in<br />
die Mitte des Frequenzkorsos setzen.<br />
So sollen die Achsen der MALL- +<br />
sonstige Geschäftsstraßen mit Treffpunktknoten<br />
mit Gastronomie miteinander<br />
in der Innenstadt zusammengeklammert<br />
werden.<br />
Ergebnis:<br />
„MARKENVIERKLANG“.<br />
Bekanntheit + Sympathie + Frequenz<br />
und Kauf + wieder Wohnansiedlung<br />
in der Stadt, da endlich<br />
wieder attraktivster Punkt im Bezirk<br />
bzw. im Stadtviertel bei größeren<br />
Städten.<br />
Inhalt.indd 71 06.10.2006 09:07:36<br />
71
KAPITEL 1. WEG VOM MASOCHISMUS DER „DONUT-CITIES“.<br />
72<br />
Vorsicht!<br />
Neuerdings werden wieder die alten Hüte des Stadtmarketing als „Masterplan<br />
für die Innenstadt“ verkauft. Der Masterplan besteht dann nicht aus<br />
einer technischen Vorstudie Masterplan für die wichtigsten wirtschaftlichen<br />
Projekte in den nächsten 10 Jahren, sondern aus Werbekonzepten,<br />
aus „Positionierungskonzepten“. Da ist die Rede von „Leitinfrastrukturkonzepten“<br />
– von Ideen, die kaum einen Zusammenhang mit dem vorher<br />
geschilderten Verständnis für Stadterneuerung haben sondern irgendwelche<br />
isolierte Visionen irgendwo in der Stadt darstellen.<br />
VORSICHT AUCH VOR DER VERSCHMELZUNG DER WIRT-<br />
SCHAFT MIT DEN LIEGENSCHAFTSEIGENTÜMER<br />
Immer wieder treffen wir Städte, wo von den Unternehmervertretern der<br />
Innenstadtwerbevereine bzw. Stadtmarketingvereinen als Mieter der Läden<br />
behauptet wird, sie arbeiten eng mit den Liegenschaftseigentümern<br />
zusammen.<br />
Unsere Erfahrung: Die haben nicht einmal die Adressen der ganzen Liegenschaftseigentümer!<br />
Vielfach sind da die 5 % (in größeren Städten) bis<br />
etwa 30 % (in Kleinstädten) Unternehmer gemeint, die im eigenen Haus<br />
ihren Laden haben. Das sind dann die „Liegenschaftseigentümer“, mit denen<br />
unter dem Deckmantel „Masterplan“ nicht Stadterneuerung sondern<br />
wieder eher kurzfristiges Stadtmarketing ohne nachhaltige Substanzveränderung<br />
des Zentrums gemacht wird.<br />
Wieder einmal stellt der Autor hier fest, dass es nicht sinnvoll ist, die Zielgruppe<br />
der Unternehmer mit der Zielgruppe Liegenschaftseigentümer zu<br />
verschmelzen. Zu unterschiedlich sind die Interessen.<br />
Vielmehr gehört die Zielgruppe der Liegenschaftseigentümer mit allen<br />
Adressen angeschrieben und als eigene Lobby durch eine eigene Form des<br />
Coaching aufgebaut.<br />
Eigentümer denken langfristig, haben das Verfügungsrecht über ihre Immobilien<br />
und passen so auch genau zu den auf 10 Jahre ausgerichteten<br />
Masterplänen zur nachhaltigen Attraktivitätsverbesserung der Substanz.<br />
Die Unternehmer sind als Mieter logischerweise nur indirekt an der Immobilie<br />
interessiert. Die Unternehmer denken und agieren im Jahresrythmus.<br />
Sind sehr wohl interessiert an guten Aktionen, die Frequenz in den<br />
Laden bringen, allerdings möglichst kostenlos serviert. Also werden eben<br />
Inhalt.indd 72 06.10.2006 09:07:37
10 TRENDS UM ANZIEHENDE STADTEROTIK ZU SCHAFFEN.<br />
diese Inhalte in den Masterplänen unter Positionierung & Co. versteckt.<br />
Entsprechend zappelig sind die Unternehmervertreter auch bei den BIDs.<br />
Sie wollen – obwohl oft Jahre des Investitionsstillstands im Zentrum zu<br />
überwinden ist - sofort nach einem Jahr den fertigen Masterplan Noch<br />
erfreulicher wäre aus ihrer Sichtweise, wenn schon der Bagger arbeiten<br />
würde und schon die fertige Umsetzung des Projektes zu bestaunen wäre.<br />
Das ist bar jeder Realität, weit entfernt von einer sauberen, seriösen Planung.<br />
In einem Jahr in nicht einmal die Vorstudie fertig So wurden schon<br />
in der Vergangenheit gute Ansätze der Stadterneuerung durch Dummheit<br />
und reines Kurzfristdenken höchstens bis zum Jahresende ge- oder zerstört.<br />
Inhalt.indd 73 06.10.2006 09:07:37<br />
73
<strong>STADTERNEUERUNG</strong> ERSTE STRATEGIE<br />
74<br />
DIE MALL IST WIE EIN ROTER<br />
HANDELSTEPPICH ZWISCHEN<br />
DEN MAGNETEN AN DEN ENDEN DER<br />
GESCHÄFTSSTRASSEN.<br />
DADURCH KÖNNEN DIE KLEINEN ANBIETER<br />
DAZWISCHEN IN ERD- UND<br />
OBERGESCHOSSEN VON DER<br />
FREQUENZ LEBEN.<br />
Inhalt.indd 74 06.10.2006 09:07:37
.1. DIE MALL-ACHSE ALS CATWALK<br />
1.1.1. FRISCHER <strong>SEX</strong> APPEAL MIT DER „MALL“<br />
DIE MALL – ACHSE ALS CATWALK<br />
Der „Wurschtelprater“ ist eine Arena, in der jeder seinem Vergnügungen<br />
nach Belieben nachgehen kann. Historisch gewachsene Geschäftsstrassen<br />
erinnern oft an so eine Vergnügungsarena:<br />
Jedes Geschäft ist anders. Jeder Liegenschaftseigentümer hat aus seinem<br />
Besitz das gemacht, was ihm beliebt. So entstand eine Ansammlung von<br />
Geschäftsfl ächen, Mietwohnungen, Eigentumswohnungen, Gewerbefl<br />
ächen, Lagern, Garagen, öffentlichen Ämtern und Schulen aber auch<br />
Baulücken. Das Ensemble ergibt wenig Sinn. Von Thema keine Spur. Ein<br />
Gesamtplan? Nicht erkennbar!<br />
Wenn in diesem Buch von einer Geschäftsstrasse gesprochen wird, dann<br />
meinen wir den dritten Ort. Mit dem dritten Ort ist genau jener Platz gemeint,<br />
der neben Wohnung und Arbeitsplatz ganz bewusst aufgesucht<br />
wird.<br />
Dieser zentrale Ort muss das weitaus am stärksten anziehende „MUST“<br />
werden. Die Geschäftsstrasse muss eine feminin anziehende Erotik ausstrahlen,<br />
ganz im Gegensatz zum nüchternen Diskontangebot im Speckgürtel.<br />
Eine Geschäftsstrasse muss zu mindestens 70 % mit Geschäften<br />
besetzt sein, um eine Chance zu haben, zur MALL zu werden!<br />
Beispiele für Strassen, die keine MALL sind und daher langfristig neu<br />
geplant gehören…<br />
1. Die „Dorfstrasse“ hat einen zu geringen Geschäftsanteil und wird<br />
häufi g von anderen Nutzungen unterbrochen. Meistens gibt es in solchen<br />
Städten keine Funktionsteilung der Plätze, daher sind grossteils<br />
alle Betriebstypen auf einer Straße vereint. Wenn man mit dem Auto<br />
durchfährt, weiß man nie: „Beginnt jetzt das Zentrum ? Kommt es erst?<br />
Ist es schon vorbei? Oder bin ich überhaupt in der falschen Strasse, weil<br />
das Zentrum wo anders liegt?<br />
Inhalt.indd 75 06.10.2006 09:07:43<br />
75
<strong>STADTERNEUERUNG</strong> ERSTE STRATEGIE<br />
76<br />
2. Die „Banken – Geschäftsstrasse“ entstand in den Jahren 1970 bis<br />
etwa 1995 als die Geldinstitute am besten Platz in jeder Stadtgemeinde<br />
vertreten sein wollten. Diese guten Plätze historisch gewachsener Geschäftsstrassen<br />
wurden gekauft und Bankhäuser implementiert. 5-10<br />
verschiedene Geldinstitute auf 100 Meter unterbrechen die Auslagenreihe,<br />
weil das Erdgeschoß komplett vom Eigentümer Bank mit meist<br />
abschreckenden Auslagen in Beschlag genommen wurde. Erst etwa seit<br />
1995 kamen die auch ausreichenden kleinen Cashcenters ins Erdgeschoß<br />
und der Rest an Beratung und Bankbüros wurde in die Obergeschosse<br />
verbannt um Geschäften auf der Geschäftsstrasse Platz zu<br />
machen.<br />
3. Auf der „Gastro-Geschäftsstrasse“ wird die Auslagenreihe immer<br />
wieder durch Gastronomie unterbrochen. Gastronomie gehört in den<br />
„Knoten“ – wie später näher ausgeführt - angesiedelt und zwar z.B. am<br />
Date – und Marktplatz und im Bermudadreieck.<br />
IST UNSERE STADT ODER STADTVIERTEL ZU KLEIN FÜR<br />
EINE MALL?<br />
Theoretisch ist es vermessen, von einer großartigen „MALL“ - Planung<br />
für eine Kleinstadt mit 5.000 bis 10.000 Einwohnern zu sprechen. Ausgenommen<br />
- diese Kleinstadt wäre der Alleinanbieter von Waren und<br />
Dienstleistungen im weiten Umfeld. Nur dann kann sie weiterhin auf die<br />
zufällig wachsenden Angebotsfelder setzen. Die Bürger müssen dann alle<br />
in dieser Geschäftsstrasse einkaufen.<br />
Die Untersuchungen der Kaufkraftströme in den Innenstädten haben<br />
leider sehr deutlich gezeigt, dass alle Städte gehörige Konkurrenz haben.<br />
Leistet sich eine Innenstadt Angebotsschwächen, wenden sich die Konsumenten<br />
sofort dem besseren Standort zu. Nachdem parallel dazu die Zahl<br />
der angefahrenen Einkaufsstätten eher ab- als zunimmt, verliert die Stadt<br />
immer mehr den gesamten Einkauf.<br />
Die Innenstädte binden derzeit nur noch 30% bis 50% der ihr zuzuordnenden<br />
Kaufkraft aus ihrem natürlichen Einzugsbereich. Einen immer<br />
größer werdenden Anteil fängt die grüne Wiese vor der Innenstadt ab.<br />
Zumindest etwas Positives hatte die Aufrüstung jeder Stadt mit der grüner<br />
Wiese: Die Kaufkraftmillionen, welche bis 2000 noch mehrheitlich in die<br />
Landes- und Regionshauptstädte abfl ossen, versiegen jetzt für die einfachen<br />
Produkte in der eigenen Stadt im Speckgürtel. Güter und Dienstleis-<br />
Inhalt.indd 76 06.10.2006 09:07:45
DIE MALL – ACHSE ALS CATWALK<br />
tungen, die nur selten gekauft werden und größere Investitionen erfordern,<br />
werden hingegen immer stärker in überregionalen Einkaufsstätten<br />
gekauft.<br />
Wenn die Stadt einen Überlebens - Konkurrenzkampf mit der<br />
grünen Wiese und mit der Nachbar - Großstadt führen will,<br />
dann muss etwas Besonderes für unsere Geschäftsstrasse geboten<br />
werden – eine neue Art von MALL.<br />
Wird ein Entwickler von Einkaufszentren gefragt, wie ein erfolgreiches<br />
Zentrum geplant gehört, erhält man folgende Antwort: „größte Aufmerksamkeit<br />
wird auf die Konstruktion einer MALL als Achse gelegt. An dieser<br />
ACHSE werden geschickt die Magneten und die kleinen Inhaber- und Filialistenbetriebe<br />
aufgefädelt.<br />
Aber Vorsicht! Die MALL hat ihre Baugesetze. Sie darf nicht zu kurz sein<br />
und zuwenig bieten, denn dann ist sie nicht ausreichend attraktiv gegenüber<br />
ihrem Konkurrenzumfeld im Nahbereich. Die MALL darf aber auch<br />
nicht wie ein Bandwurm eines Straßendorfes einen Kilometer und länger<br />
sein, weil länger als gewisse Distanzen (bis 200 Meter) geht heute kaum<br />
jemand. Die MALL muss leicht zu fi nden sein und der Besucher muss sich<br />
mit einem speziellen System darin leicht zurechtfi nden.<br />
Die Fachmarktzentren mit ihrem preisaggressiven Nullservice-konzept,<br />
dem zentralen Parkplatz in der Mitte und den rundherum angeordneten<br />
Fachmärkten, sowie die Einkaufszentren mit ihrer MALL- und Erlebnisweltenkonstruktion<br />
mit vielen zusätzlichen Dienstleistungen wie eigene<br />
Kinderspielplätze unter Dach usw. waren in den 80er und 90er Jahren die<br />
eindeutigen Sieger im Kampf um die Kaufkraft.<br />
Inhalt.indd 77 06.10.2006 09:07:45<br />
77
<strong>STADTERNEUERUNG</strong> ERSTE STRATEGIE<br />
78<br />
DAS WORT„MALL“ KOMMT VON „THE MALL“.<br />
Das ist die konstruierte – nicht irgendwie zufällig gewachsene - Prachtstrasse<br />
THE MALL welche in den Buckinghampalast, dem Sitz des Empires, in<br />
London mündet. Sie hat ganz bewusst gesetzt folgende Eigenschaften:<br />
DIE MALL HAT EINEN ANFANG UND EIN KLARES ENDE<br />
– im Gegensatz zu viele Geschäftsstraßen die unerkennbar beginnen<br />
und irgendwo im Nichts enden:<br />
Die MALL beginnt mit einer Absperrung mit Kolonnaden quer über<br />
die Strasse und endet am Zaun vor dem Buckinghampalast.<br />
Die MALL hat ein Wechselspiel aus ACHSE+KNOTEN:<br />
Etwa alle 100 bis 200 Meter hat die Achse einen „Knoten“ mit einem<br />
Denkmal zur Seite.<br />
DIE MALL HAT EIN THEMA: THE MALL hat das Thema „Unsere<br />
Siege in den letzten tausend Jahren.“ In den Knoten wird jeweils<br />
eine Schlacht oder ein Held dargestellt.<br />
IN DIE MALL MÜNDENDE NEBENSTRASSEN: Gibt es (bewusst)<br />
keine um keine profane Ablenkung vom Thema um den Frequenzstrom<br />
ganz gezielt zum Buckinghampalast zu lenken.<br />
VERKEHR: Kein Individualverkehr keine Busse sind zugelassen,<br />
nur Taxis. Seitlich neben einer Allee befi nden sich Fußgänger- und<br />
Reitwege.<br />
SEITLICHE BEGRENZUNG: Rechts durchgehend abgrenzend<br />
sind Regierungsgebäude und auf der anderen Seite Parks.<br />
Inhalt.indd 78 06.10.2006 09:07:45
Lord Nelson als von weitem<br />
sichtbares„Landmark“ für die<br />
Mall und für das umgesetzte Thema<br />
„Siege und Sieger für Großbritannien“<br />
Das Ende von „THE MALL“: Der<br />
Buckinghampalast. Auf den Fahnenmasten<br />
aufgepfl anzt: Große Ereignisse in<br />
der Zukunft, wo Großbritannien wieder<br />
siegen wird.<br />
Hier: Die kommenden olympischen<br />
Sommerspiele in London 2012.<br />
DIE MALL – ACHSE ALS CATWALK<br />
Anfang von THE MALL:<br />
Abschließung durch quergestelltes Viaduktgebäude<br />
und der Verkehr läuft unten im Erdgeschoß<br />
durch.<br />
Dazwischen die KNOTEN als Unterbrechung<br />
der Mall mit den berühmten Heeresführern.<br />
Inhalt.indd 79 06.10.2006 09:07:46<br />
79
<strong>STADTERNEUERUNG</strong> ERSTE STRATEGIE<br />
80<br />
Die MALL - Strasse ist etwas Besonderes, mit dem Auto durchbrausen<br />
ist verpönt. Stattdessen wird diese Strasse ehrfürchtig betreten. Die Achse<br />
hat eine klare Gliederung mit einer Themendarstellung, damit entlang<br />
des Weges das Interesse ständig aufs Neue geweckt wird.<br />
Im Folgenden wird dieses Gedankengut von THE MALL auf Einkaufsstätten<br />
und Dienstleistungs-Spitzenstätten übertragen.<br />
Es folgen 8 Planungsüberlegungen für ein innerstädtisches<br />
Einkaufszentrum als wichtiger Teil einer MALL, um die meistens<br />
in der Geschäftsstraße fehlenden Markenmagnetbetriebe überhaupt ansiedeln<br />
zu können.<br />
Quelle: BID Tulln; Studie für das Tullner innerstädtische EKZ der Braunsbergergruppe<br />
1. PLANUNGSÜBERLEGUNG:<br />
Variation 1) Hochgarage plus EKZ kombiniert<br />
Um den teuren Grund zu sparen, werden drei MALLLS übereinander angelegt:<br />
Tiefgeschoss, Erdgeschoss und Obergeschoss Eins.<br />
Damit die Frequenz in allen Verkaufsebenen etwa gleich stark ist, wird<br />
eine Hochgarage mit vier bis fünf Ebenen übereinander direkt an die drei<br />
Etagen der MALL angeschlossen. Der Tiefgeschoßparkplatz führt direkt<br />
zur Tiefgeschoß - MALL. Das Erdgeschoß und das +1 – Parkdeck führen<br />
in das Erdgeschoß der MALL.<br />
Inhalt.indd 80 06.10.2006 09:07:46
Weiters leiten die Parkdecks +2 und +3 und noch weitere eventuelle<br />
Parkdecks darüber in das Obergeschoß bzw. in eine noch darüberliegende<br />
Dienstleister- und Praxenebene bzw. zu Penthousesuiten oder einem Gastrocenter,<br />
Hotel bzw. Kino-Entertainmentcenter darüber.<br />
(Zu beachten: Die unterschiedlichen Höhen der Parkebene zur Mallhöhe.)<br />
DIE MALL – ACHSE ALS CATWALK<br />
“Mit dem PKW ins Geschäft fahren“: Hochgarage und Geschäftsebenen direkt<br />
verbinden. Das schafft psychologisch Sicherheit durch Geschäftssicht<br />
Quelle: Tullner EKZ, Braunsberger, Steyr<br />
Wichtig: Die Zahl der Parkplätze je Ebene sollte mindestens 50 bis 100<br />
sein, damit die Geschäftsfl ächen dahinter mit der geforderten Mindeststellplatzzahl,<br />
- um „direkt ins Geschäft fahren zu können“, - zusammenstimmen.<br />
Beispiel: Ein Lebensmittelmarkt mit ca. 1.500 m 2 wird etwa<br />
hundert Parkplätze vor der Türe im Tiefgeschoss erwarten.<br />
Jeder Stellplatz ist mindestens 2,70m breit und nicht im rechten Winkel<br />
zur Fahrbahn angeordnet, sondern zur Fahrbahn hin schräg ausgerichtet.<br />
Über den Daumen gepeilt werden je Stellplatz mit den Rampen 25 bis 30<br />
m 2 gebraucht. Das heißt ein Parkhaus mit angenommen 300 Stellplätzen<br />
in 4 bis 5 Ebenen braucht eine Mindest-Grundfl äche von 1.500 m 2 bis<br />
2.500 m 2 .<br />
Inhalt.indd 81 06.10.2006 09:07:47<br />
81
<strong>STADTERNEUERUNG</strong> ERSTE STRATEGIE<br />
82<br />
Variation 2) Parkgarage am Dach des EKZ, damit die Frequenz von<br />
oben heruntersickert<br />
Eine noch eigenwilligere Konstruktion eines EKZ zur Beeinfl ussung der<br />
Frequenzströme haben viele der im Schnitt sehr erfolgreichen innerstädtischen<br />
ECE-Einkaufcenter in Deutschland: Dort befi nden sich mehrere<br />
Parkebenen am Dach des Einkaufscenters. Die Frequenz sickert dort von<br />
oben herunter.<br />
Nicht zu empfehlen:<br />
Die Stadt ist in der Frequenz eindeutig weiblich. Frauen verabscheuen<br />
Tiefgaragen. – Gleich ob alt oder neu! Die im 20. Jahrhundert übliche<br />
Kombination einer Tiefgarage mit mehreren Verkaufsebenen eines EKZ<br />
darüber ist daher heute nicht mehr das TOP-Angebot. Entsprechende Leichenetagen<br />
solcher EKZ-Konstruktionen sind bereits vielfach zu sehen.<br />
Im Falle einer Tiefgarage müssen– wie z.B. in der Lugner City in Wien extreme<br />
Lenkungsplatzierungen mit hervorragenden Magneten eingebaut<br />
werden, damit auch in die oberste Etage Frequenz mit der Rolltreppe hinauffährt.<br />
2. PLANUNGSÜBERLEGUNG:<br />
DAS BRANCHENSTRUKTURPRINZIP<br />
Die Ansiedlung eines innerstädtischen EKZ ist dann wertvoll für<br />
die Stadterneuerung, wenn es die aus Kundensicht gesuchten<br />
großfl ächigen Handelsmagneten bietet.<br />
Warum? Weil diese Magneten oft nur durch das gebotene professionelle<br />
EKZ-Management im Konglomerat ab etwa 12.000 bis 17.000 m 2 Verkaufsfl<br />
äche aufwärts zu gewinnen sind. Einzeln sind die meisten Frequenzmagneten<br />
kaum in eine Geschäftsstraße einer kleineren Stadt zu<br />
bringen und noch weniger in länger leerstehende Leerfl ächen. Diese stehen<br />
ja nicht umsonst leer.<br />
Daher ist ein EKZ in der Innenstadt zu mindestens 80 % mit Handelsfl ächen<br />
zu besetzen. Die Inhabergeschäfte und kleinen Filialisten und Franchiser<br />
sind in der Geschäftsstraße angesiedelt. Sie sollten im EKZ einen<br />
minimalen (Zweit-) Platz bekommen. Die Gastronomie wiederum soll am<br />
Marktplatz optimal besetzt sein.<br />
Innerhalb der dominierenden Handelsstruktur im innerstädtischen EKZ<br />
Inhalt.indd 82 06.10.2006 09:07:47
hat die beste Besetzung mit täglichem Bedarf Vorrang. Das garantiert permanente<br />
Frequenz zumindest in der Etage mit dem Angebot des täglichen<br />
Bedarfs. Hintergrund: Während mindestens einmal in der Woche<br />
den Kühlschrank gefüllt werden muss, ist der Einkauf von Mode bei den<br />
vollen Kleiderschränken kein Muss sondern stark impulsabhängig. Ähnlich<br />
verhält es sich bei der Elektronik. Der Reiz des noch innovativeren,<br />
noch technisch vielfältigeren Produktes entscheidet letztendlich über den<br />
Neukauf.<br />
Also wird viermal weniger – im Schnitt etwa einmal monatlich – die Innenstadt<br />
besucht und dort etwas eingekauft.<br />
2.1. WAS BRAUCHEN WIR MEISTENS IM INNERSTÄD-<br />
TISCHEN EINKAUFSZENTRUM WEIL NICHT ODER<br />
NICHT KOMPETENT GENUG IM ZENTRUM SCHON<br />
VORHANDEN?<br />
Täglicher Bedarf:<br />
● einen großen „Lebensmittel-Vollsortimenter“ ab 1.000 m 2<br />
Verkaufsfl äche. Kleine Nahversorger mit 400 m 2 bis 600 m 2 hat<br />
heute jede größere Marktgemeinde. Deshalb kommt niemand in<br />
die Stadt.<br />
● einen Drogeriemarkt mit ca. 500 m 2<br />
● eine Tabak Trafi k und ein Geschäft mit internationalen<br />
Zeitschriften<br />
● ein PBS-Papier- und Bürofachmarkt + Parfumerie ab 500 m 2<br />
Nicht täglicher Bedarf:<br />
● einen Magnet in der Mode ab 1.000 m 2 + mindestens zwei<br />
weitere Modemarkenmagneten ab 500 m 2<br />
● ein- bis zwei Schuhfachmärkte ab 500 m 2<br />
● Elektronik- und Weißwarenfachmarkt ab 1.000 m 2<br />
● einen Sportartikel- und Sportmodeanbieter ab 2.000 m 2 .<br />
DIE MALL – ACHSE ALS CATWALK<br />
Mit dieser Mindestbesetzung an überregional wirksamen Magneten<br />
liegen wir schon bei 8.000 bis 10.000 m 2 Verkaufsfl äche.<br />
Bei einem Kleinstadt – EKZ oder Stadtviertel-EKZ bleibt da nicht mehr<br />
sehr viel für kleinere Geschäfte und sehr wenig für die Gastronomie an<br />
Verkaufsfl äche übrig. – Passt auch so, denn diese kleineren gestandenen<br />
Geschäfte soll gerade die MALL davor als Angebot perfekt bieten.<br />
Inhalt.indd 83 06.10.2006 09:07:47<br />
83