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der im Griff – eine Familienpflegerin hilft Karin, ihren All - Nusz

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K<strong>eine</strong> Schande<br />

Sie hatte we<strong>der</strong><br />

Haushalt noch Kin<strong>der</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Griff</strong> – <strong>eine</strong><br />

<strong>Familienpflegerin</strong><br />

<strong>hilft</strong> <strong>Karin</strong>, <strong>ihren</strong> <strong>All</strong>tag<br />

zu organisieren<br />

Von Nora Northmann<br />

In <strong>eine</strong>m Haushalt mit drei Kin<strong>der</strong>n und<br />

<strong>eine</strong>m Hund geht es mitunter drunter<br />

und drüber. Bei <strong>Karin</strong>* aber war das<br />

Chaos zum <strong>All</strong>tag geworden. „Ich hatte<br />

<strong>im</strong>mer Probleme mit dem Haushalt, war<br />

schlecht organisiert. Nach <strong>eine</strong>r Psychose,<br />

die ich mit 20 hatte, war ich jahrelang<br />

von <strong>eine</strong>r Einzelfallhilfe begleitet worden.<br />

Dann bekam ich übers Sozialamt<br />

<strong>eine</strong> Haushaltshilfe. Trotzdem hatte ich<br />

den Haushalt einfach nicht <strong>im</strong> <strong>Griff</strong>. Die<br />

Arbeit staute sich überall, in je<strong>der</strong> Ecke.<br />

Ich habe <strong>im</strong>mer nur geräumt und geräumt,<br />

aber man hat nichts davon gesehen. <strong>All</strong>es<br />

war so wüst, dass ich mich schon nicht<br />

mehr traute, jemanden einzuladen.“<br />

Auch mit <strong>der</strong> Erziehung war <strong>Karin</strong><br />

überfor<strong>der</strong>t. „Gewalt in <strong>der</strong> Erziehung<br />

habe ich <strong>im</strong>mer abgelehnt. Und weil jede<br />

Anweisung o<strong>der</strong> Strenge für mich schon<br />

Gewalt bedeutete, habe ich die Kin<strong>der</strong><br />

einfach machen lassen, ja, man kann das<br />

antiautoritär nennen o<strong>der</strong> laissez-faire.<br />

Schulaufgaben, ins Bett gehen – ich habe<br />

da nie Anweisungen gegeben. Doch mit<br />

drei Kin<strong>der</strong>n klappte das nicht mehr.“<br />

Die überfor<strong>der</strong>te Mutter, das häusliche<br />

Chaos: Eine Situation, die beson<strong>der</strong>s<br />

<strong>der</strong> Tochter zu Herzen ging.<br />

Sie glaubte, verantwortlich zu<br />

sein, sich zu Hause um alles<br />

kümmern zu müssen, bekam<br />

Schwierigkeiten in <strong>der</strong> Schule.<br />

Ihre Lehrerin spürte die<br />

Probleme, fragte nach und<br />

regte an, dass <strong>Karin</strong> sich<br />

um <strong>eine</strong> Familienhelferin<br />

kümmern solle. Das war vor<br />

zwei Jahren.<br />

Wie räumt man auf? Wo<br />

fängt man an? Was kann ruhig<br />

noch etwas liegen bleiben?<br />

Frau Hübscher, die Familienhelferin,<br />

zeigte <strong>Karin</strong>, wie man System<br />

in <strong>eine</strong>n Haushalt bringt, Dringendes<br />

von Nebensächlichem unterscheidet,<br />

<strong>eine</strong>n festen Zeitplan<br />

ausarbeitet und einhält – und so zu<br />

ersten Erfolgen kommt.<br />

Wir sitzen in <strong>der</strong> Küche. Ein Raum zum<br />

Wohlfühlen, von Chaos k<strong>eine</strong> Spur. Gewürze<br />

stehen in Reih und Glied in den<br />

Regalen, Zeichnungen und Bastelarbeiten<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> hängen an den Wänden<br />

und <strong>im</strong> Fenster, ein Buch liegt auf <strong>der</strong><br />

Ablage, ein zusammengelegter Kin<strong>der</strong>pullover<br />

auf dem Stuhl. Die „ordentliche“<br />

Küche als Familientreffpunkt war <strong>Karin</strong><br />

am wichtigsten, also wurde hier gemeinsam<br />

mit Frau Hübscher <strong>der</strong> Anfang gemacht.<br />

Und als <strong>der</strong> Küchentisch freigeräumt<br />

war, konnte man endlich wie<strong>der</strong><br />

essen, ohne Geschirrberge, halbfertige<br />

Schularbeiten, abgelegte Einkäufe und<br />

halb geordnete Wäsche zur Seite schieben<br />

zu müssen. Als man gleich von <strong>der</strong><br />

Eingangstür die aufgeräumte Küche sehen<br />

konnte, sei das ein richtig glücklicher<br />

Moment gewesen, erinnert sich <strong>Karin</strong>.<br />

Denn selbst wenn in den Z<strong>im</strong>mern noch<br />

Unordnung herrscht – <strong>der</strong> erste Eindruck<br />

be<strong>im</strong> Betreten <strong>der</strong> Wohnung ist entscheidend<br />

fürs Ankommen, Wohlfühlen. Und<br />

außerdem ist das gemeinsame Kochen<br />

und Essen ein wichtiges Ritual.<br />

Auch für die Kin<strong>der</strong> ist das alles ein<br />

Lernprozess. Sie dürfen nicht mehr <strong>im</strong><br />

Bett o<strong>der</strong> vor dem Fernseher essen. „Wir<br />

hatten einfach alles stehen gelassen, und<br />

jetzt sollen sie ihr Geschirr <strong>im</strong>mer in die<br />

Spülmaschine räumen. Das passt ihnen<br />

gar nicht.“ <strong>Karin</strong> hofft, dass<br />

die Kin<strong>der</strong> irgendwann<br />

selbst<br />

einm al<br />

Flexible Hilfen zur Erziehung<br />

17<br />

sehen, was zu tun ist – aber bis dahin ist<br />

es noch ein weiter Weg: Franz ist 9, Karl<br />

Jahre alt. Zunächst einmal arbeitet sie<br />

daran, dass die Jungen nach dem Spielen<br />

alles, auch alle Puzzle-Teile wie<strong>der</strong> wegräumen.<br />

Auch wenn <strong>der</strong> Vater zu Besuch<br />

kommt, darf er s<strong>eine</strong> Sachen nicht einfach<br />

fallen lassen. Auch er muss sich an<br />

die neue Ordnung gewöhnen.<br />

Der 1 -jährigen Tanja ist es peinlich,<br />

dass die Familie Hilfe in Anspruch nehmen<br />

muss – so peinlich, wie ihr früher<br />

die Unordnung war. Sie <strong>hilft</strong> ihrem Bru<strong>der</strong><br />

bei den Hausaufgaben und unterstellt,<br />

dass sie sich um alles kümmern muss:<br />

Da ist noch einiges an Konfliktpotenzial.<br />

<strong>Karin</strong> kann ihre Tochter zwar verstehen,<br />

aber sie weiß ebenso gut, dass sie ohne<br />

Familienhelferin untergegangen wären.<br />

In <strong>eine</strong>m halben Jahr läuft die Familienhilfe<br />

aus, müsste erneut beantragt werden.<br />

O<strong>der</strong> auch nicht. Denn inzwischen<br />

fühlt <strong>Karin</strong> sich stark genug, <strong>ihren</strong> <strong>All</strong>tag<br />

all<strong>eine</strong> zu bewältigen.<br />

„Familienhilfe ist nichts Negatives,<br />

Peinliches“, betont <strong>Karin</strong>. „Es ist <strong>eine</strong><br />

richtig gute Sache, und es ist kostenlos.<br />

Außerdem ist es nicht falsch zuzugeben,<br />

dass man Hilfe braucht.“ Auch Tanja<br />

wird das <strong>eine</strong>s Tages verstehen. „Schließlich<br />

bin ich die Mutter, die das Sagen hat<br />

und best<strong>im</strong>mt.“ Ein Satz, <strong>der</strong> ihr früher<br />

nie über die Lippen gekommen wäre.<br />

* Namen geän<strong>der</strong>t<br />

Flexible Hilfen zur Erziehung<br />

Ltg. Christina Kettler, Tel. 75 50 31 22<br />

<strong>Karin</strong> und ihr jüngster Sohn Karl (4).<br />

Auch die Kin<strong>der</strong> müssen sich an die<br />

neue Ordnung gewöhnen.<br />

Foto: Alexan<strong>der</strong> Lehnert

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