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Heft 04

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Praxis<br />

INTERVIEW<br />

<br />

Sehr geehrter Herr<br />

Righetti, wie sind Sie<br />

eigentlich zur Homöopathie<br />

gekommen<br />

einer Privatpraxis niedergelassen. Ich<br />

arbeite jetzt aber nicht nur als Psychiater,<br />

sondern auch bei vielen Patienten<br />

als psychosomatischer oder<br />

somatischer Hausarzt.<br />

<br />

Viele Krankheiten haben ja<br />

einen psychischen<br />

Hintergrund. Ist das von<br />

besonderer Bedeutung<br />

gerade bei der homöopathischen<br />

Anamnesefindung und Behandlung<br />

oder wie stellt sich das bei Ihnen in<br />

der Praxis dar<br />

Homöopathie und Psyche<br />

Interview mit Dr. med. Marco Righetti<br />

Dr. med. Marco Righetti<br />

Leonhardshalde 2<br />

CH–8001 Zürich<br />

Schon als Student habe ich mich für<br />

mögliche Erweiterungen und Alternativen<br />

zur normalen Medizin interessiert.<br />

Ich habe mich umgeschaut<br />

und der Einstieg war 1977, als die<br />

inoffizielle Vorlesung von KÜNZLI in<br />

Zürich angefangen hat. Mit anderen<br />

Worten: Ich bin noch als Student zur<br />

Homöopathie gekommen. Nach meinem<br />

Staatsexamen 1980 habe ich<br />

mich dann einerseits der Psychotherapieausbildung<br />

und andererseits<br />

der Homöopathie zugewandt. Während<br />

meiner Arbeit an verschiedenen<br />

Stellen der Intensivmedizin und in der<br />

inneren Medizin habe ich gemerkt,<br />

wenn ich noch lange ausschließlich<br />

somatische Medizin praktiziere, verliere<br />

ich letztlich zu viel an Kenntnissen<br />

in der Homöopathie, die ich<br />

mir schon angeeignet hatte. Statt eine<br />

Stelle in der Pädiatrie anzunehmen,<br />

bin ich deshalb in die Akutpsychiatrie<br />

gegangen. Nach einigen Monaten<br />

habe ich gefragt, ob ich bei einigen<br />

Patienten homöopathisch behandeln<br />

kann – was mir erlaubt wurde. Und<br />

dann, das war eine glückliche Fügung,<br />

habe ich eine Stelle in einem Ambulatorium<br />

bekommen, wo ich sehr<br />

viele Freiheiten hatte. Fast freie Hand<br />

nicht nur bei psychiatrischen Behandlungen,<br />

sondern auch bei psychosomatischen<br />

Patienten. Dadurch wurde<br />

ich formell auch Psychiater. Nach<br />

einigen Jahren waren die Formalitäten<br />

dann erfüllt und ich bin seit 1988 in<br />

Ich denke, es ist wichtig, dass man<br />

gewisses psychiatrisches Wissen hat<br />

um abgrenzen zu können, was pathognomonische<br />

Symptome für die<br />

Krankheit und was individuell wichtige<br />

Symptome für den einzelnen<br />

Patienten sind – die wiederum für die<br />

Mittelwahl entscheidend sind. Ich<br />

muss wissen, was typischerweise zu<br />

einer Depression gehört, um einen Depressiven<br />

individuell richtig behandeln<br />

zu können. Und es hat sicher<br />

Vorteile, was die Fragetechnik anbetrifft.<br />

<br />

Die Psychiatrie kennt ja<br />

eine ganze Reihe von<br />

Therapie-Schemata, wie<br />

mit den verschiedenen<br />

Krankheitsbildern umzugehen ist –<br />

auch ohne Homöopathie. Gibt es<br />

Krankheitsbilder, die ausschließlich<br />

psychiatrisch zu behandeln<br />

sind Wo ist der Bereich, wo sich<br />

eine Kombination als sinnvoll erweist,<br />

und wo ist der Bereich, wo<br />

ausschließlich Homöopathie<br />

eigentlich eine Rolle spielt<br />

190<br />

Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 45, 4 (20<strong>04</strong>)


Praxis<br />

Also ich denke, in meiner Praxis<br />

nimmt die „Psychotherapie“ etwa 20<br />

bis 25 Prozent ein. Das ist natürlich<br />

gegeben durch meine Praxismöglichkeiten,<br />

nicht weil ich das jetzt als<br />

Wertung anschauen würde. Ich denke,<br />

es müssen einfach vernünftige Arbeitssituationen<br />

entstehen, wo dann<br />

klar ist, was man macht. Häufig sind<br />

die Anliegen relativ klar. Wenn jemand<br />

z.B. schon lange in psychiatrischer<br />

Behandlung war und schon<br />

zahlreiche Psychopharmaka ausprobiert<br />

hat, dann geht es in der Regel<br />

primär darum, kann man homöopathisch<br />

noch etwas rausholen. Ich<br />

habe auch schon jemanden nach<br />

längerer Psychotherapie gefragt, ob<br />

sie nicht einen zusätzlichen homöopathischen<br />

Versuch machen will.<br />

Häufig aber ist die Situation so, dass<br />

Leute woanders in Psychotherapie<br />

oder psychotherapeutischer Behandlung<br />

sind oder waren und speziell<br />

dann für die Homöopathie noch zu<br />

mir kommen, da es viel mehr Psychotherapeuten<br />

als Homöopathen in<br />

Zürich gibt. Ein Mekka der Psychotherapie.<br />

<br />

Was sagt Ihre Erfahrung:<br />

Ist die Homöopathie bzw.<br />

der Homöopath wichtiger<br />

für den Patienten oder die<br />

Psychotherapie bzw. der<br />

Psychotherapeut<br />

Man muss bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen<br />

aufpassen, dass es<br />

kein gegenseitiges Ausspielen gibt –,<br />

des Psychotherapeuten gegen den<br />

Homöopathen oder umgekehrt. Aber<br />

in vielen Fällen können die Patienten<br />

das gut einordnen. Ich denke, mir<br />

muss klar sein, welchen Arbeitskontrakt<br />

haben wir, was ist das Setting,<br />

das muss auch am Anfang geklärt<br />

werden und dann kommt man sich<br />

nicht unbedingt in die Quere. Wenn<br />

natürlich jemand beim Homöopathen<br />

über den Psychotherapeuten schimpft<br />

oder umgekehrt, muss man das angehen.<br />

<br />

Haben Sie spezielle<br />

Indikationen gerade in der<br />

Psychiatrie, in denen die<br />

Homöopathie besonders<br />

gut wirkt<br />

Ich denke, das häufigste für die Kollegen<br />

sind ja wahrscheinlich Angststörungen<br />

und leichtere bis mittelschwere<br />

Depressionen. An schwere<br />

Affektpsychosen oder Schizophrenien<br />

trauen sich nur wenige Leute heran.<br />

Aber ich denke, es ist vor allem sehr<br />

wichtig, dass man einen vernünftigen<br />

Arbeitsrahmen und ein Setting hat. Es<br />

muss klar sein, welche Begleitbehandlung<br />

stattfindet, medikamentös, physiotherapeutisch,<br />

psychotherapeutisch.<br />

Und dass man auch nach einer<br />

gewissen Zeit eine Standortbestimmung<br />

vornimmt, wo man steht, ob es<br />

Sinn macht. Es darf natürlich nicht<br />

sein, dass man durch eine isolierte<br />

homöopathische Sicht oder Fixierung<br />

verhindert, dass jemand beispielsweise<br />

chemische Mittel nimmt, die<br />

nötig wären, um ihn sozial auf einem<br />

gewissen Niveau zu halten, oder dass<br />

man dadurch eine Psychotherapie blockiert.<br />

Umgekehrt täte es sehr vielen<br />

Psychotherapeuten gut zu wissen,<br />

dass die Homöopathie auch allein sehr<br />

viel bewirken kann.<br />

Die Fragen stellte Jens Meyer-Wegener.<br />

Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 45, 4 (20<strong>04</strong>)<br />

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