Basiswissen Dekubitus
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<strong>Basiswissen</strong><br />
<strong>Dekubitus</strong><br />
was gibt es neues<br />
Marianne Hintner
Definition<br />
neu<br />
„Ein <strong>Dekubitus</strong> ist eine lokal begrenzte Schädigung der Haut<br />
und/oder des darunter liegenden Gewebes, in der Regel<br />
über knöchernen Vorsprüngen infolge von Druck oder von<br />
Druck in Kombination mit Scherkräften.“<br />
Es gibt eine Reihe weiterer Faktoren, welche tatsächlich oder mutmaßlich mit <strong>Dekubitus</strong><br />
assoziiert sind; deren Bedeutung ist aber noch zu klären.<br />
(NPUAP/ EPUAP 2009)<br />
1. internationale Definition<br />
Expertenstandard <strong>Dekubitus</strong>prophylaxe 2010 Gerhard Schröder
<strong>Dekubitus</strong>entstehung<br />
….ein multifaktorelles Geschehen<br />
Risikofaktoren<br />
Ursachen<br />
Intrinsische Faktoren<br />
= im Patienten selbst<br />
Extrinsische Faktoren<br />
= im Umfeld des Patienten<br />
Druck<br />
Zeit<br />
Scherkräfte<br />
> 100 !
Intrinsische Risikofaktoren<br />
• Mobilitätseinschränkung<br />
• Inkontinenz<br />
• Mangelernährung<br />
• Fehlende Sensibilität<br />
• Verminderte Durchblutung<br />
• Infekte<br />
• Skelettdeformität<br />
• Psychische Situation
Extrinsische Risikofaktoren<br />
• Druckbelastung<br />
• Scherkräfte (falsche Hebe- und Lagerungstechnik)<br />
• Mikrotraumen der Haut (Reibung)<br />
• Schädigung der Haut (Mazeration)<br />
• Medikamente (Sedativa, Katecholamine…)<br />
• Schäden durch Fremdkörper, Katheter, Sonden, Essensreste<br />
• Falten, Bettunterlagen, enge Schuhe…..
Druck/Zeit<br />
Mittlerer Blutdruck in den Arteriolen ist ca. 30-35 mmHg<br />
Erhöhter externer Druck von ca. 40 mmHg komprimiert<br />
bereits Arteriolen und Venolen(6-18mmHg)!<br />
Lagerung trotz Druckverteilung<br />
normale Spitals-/Haushaltsmatratze erzeugt einen Gegendruck von etwa 50 -70 mmHg
Druck / Zeit<br />
neu<br />
Gefäßkomprimierung<br />
Schädigung der Zellmembran<br />
Lokale<br />
Minderdurchblutung<br />
Sauerstoff- und<br />
Nährstoffmangel<br />
metabolische Azidose<br />
irreversible<br />
Nervenschädigung<br />
Gefäßdilatation<br />
zelluläre Infiltration<br />
Entzündungsprozess reaktive Hyperämie<br />
Blasenbildung<br />
lokale Ischämie<br />
Gefäßthrombose<br />
Ulcus/Nekrose
Expertenstandard <strong>Dekubitus</strong>prophylaxe 2010 Gerhard Schröder
Die Druckverweilzeit (DVZ)<br />
Sakraler Motilitätsscore<br />
SMSc<br />
= Anzahl der Körperbewegungen, die den Steiß pro Stunde entlasten<br />
„Körpereigene <strong>Dekubitus</strong>prophylaxe“<br />
Wachzustand: im Minutentakt<br />
Schlaf: Intervalle größer, nie > 2 Std.<br />
Nimmt im Alter ab, aber immer noch 1-2x/Std.
Scher- und<br />
Zugkräfte<br />
• Scherkräfte wirken diagonal<br />
• verursachen Verschiebung der Gewebsschichten zwischen Haut und Skelett<br />
• Haut und Körperfaszie widerstandsfähiger (mehr kollagene Fasern)<br />
• Fett- und Muskelgewebe verletzlicher (lockere Bindegewebssepten)<br />
• Trennung Druck/Scherkräfte kaum möglich<br />
• tiefe (echte)<strong>Dekubitus</strong> (3+4°)durch Druck und Scherkraft
Scherbeanspruchungen werden verursacht durch:<br />
• Reibung, z. B. beim Herunterrutschen im Bett<br />
• ungleichmäßige Druckverteilung, z. B. über<br />
Knochenvorsprüngen<br />
• Ruckartige Lagerungs- und Transfertechniken<br />
• Ziehen im Bett
Das Liegen in einem Winkel von 45° verursacht besonders hohe Kombination<br />
von Scherbeanspruchung in dieser Lage teilt sich das Gewicht des<br />
Oberkörpers gleichmäßig in senkrechte und tangentiale Kräfte auf
Korrekter Hüftknick<br />
• Konstruktion der meisten Krankenhausbetten provozieren Scherkräfte<br />
• Hüftknick ist 25-30 cm zu hoch angebracht<br />
• Beugung des Rumpfes erfolgt im Bereich der BWS<br />
• Pat. rutscht automatisch nach unten<br />
• Ähnliches Problem in Sesseln
Reibungskräfte<br />
• Treten auf, wenn zwei Objekte gegeneinander reiben<br />
• <strong>Dekubitus</strong> 1+2°: meist Reibungskräfte<br />
• Reibung wirkt nahezu horizontal<br />
• bewirkt Abrieb von Epidermis oder Dermis<br />
• Effekt erhöht durch Feuchtigkeit Feuchte Haut hat einen höheren<br />
Reibungskoeffizienten als trockene Haut
Mikroklima/<br />
Temperatur<br />
Temperatur:<br />
Höhere Temperatur an der Haut führt eher zum <strong>Dekubitus</strong> als<br />
niedrigere<br />
Mikroklima:<br />
starkes Schwitzen kann zu Mazeration führen, wodurch die<br />
anderen Faktoren mehr schädigen können
Prädilektionsstellen<br />
Häufigkeit<br />
Beckenbereich 48%<br />
Ferse 18%<br />
Schulterblätter 6%<br />
Hinterhaupt 6%<br />
Ellenbogen 6%<br />
Fibulaköpfchen 6%<br />
Knöchel 5%<br />
Ohr, Dornfortsätze<br />
Knie, Zehenspitzen
Prädilektionsstellen
Bewegungsförderung und Sitzen!<br />
• Im Sitzen ist der Druck an den gefährdeten Stellen bis zu 7fach<br />
höher als im Liegen!<br />
• Langes Sitzen ist deshalb bei dekubitusgefährdeten Personen zu<br />
vermeiden<br />
Internationale Leitlinien empfehlen:<br />
• <strong>Dekubitus</strong>gefährdete Personen sollen maximal 2 Stunden sitzen,<br />
dann mindestens 1 Stunde entlasten!<br />
• Auf das Problem aufmerksam machen!<br />
• Individuelle Zeiten für das Sitzen bestimmen!<br />
Expertenstandard <strong>Dekubitus</strong>prophylaxe 2010 Gerhard Schröder
Expertenstandard <strong>Dekubitus</strong>prophylaxe 2010 Gerhard Schröder<br />
Feuchtigkeitsläsion<br />
durch<br />
• Feuchtigkeit und<br />
• Reibung der Haut<br />
kein <strong>Dekubitus</strong>!<br />
3 Unterschiede, ein <strong>Dekubitus</strong> ist:<br />
a) Lokalisation über dem Knochen<br />
b) Wundgrund schlecht durchblutet<br />
c) Wundumgebung nicht betroffen<br />
mehr als die Hälfte der dokumentierten <strong>Dekubitus</strong> sind Mazerationen
<strong>Dekubitus</strong><br />
Druck und/oder Scherkräfte müssen vorhanden sein<br />
Wundränder deutlich ausgeprägt<br />
Feuchtigkeitsbedingte Läsion<br />
Feuchtigkeit muss vorhanden sein<br />
(z.B. durch Harninkontinenz oder Durchfall verursachte glänzende, nasse Haut)<br />
Kombinierte Läsion<br />
Liegen Feuchtigkeit und Druck/Scherkräfte gleichzeitig vor, kann es sich bei der<br />
Läsion sowohl um einen <strong>Dekubitus</strong> als auch eine feuchtigkeitsbedingte Läsion<br />
handeln<br />
Hautläsion, verursacht durch Entfernen einer<br />
Wundauflage<br />
Feuchtigkeitsbedingte Läsion<br />
<strong>Dekubitus</strong> verursacht durch Drainagen
<strong>Dekubitus</strong>klassifizierung<br />
http://www.puclas.ugent.be/puclas/d/
Kategorisierung nach NPUAP/EPUAP<br />
Kat 1<br />
Nicht wegdrückbare, umschriebene Rötung bei intakter Haut.<br />
Weitere klinische Zeichen können Ödembildung, Verhärtungen<br />
und lokale Überwärmung sein<br />
Kat 2<br />
Teilverlust der Haut, oberflächliche offene Wunde mit hellrotem<br />
Wundbett ohne Beläge. Es kann sich auch um eine geschlossene<br />
oder<br />
offene seröse Blase handeln<br />
*Blutergüsse weisen auf eine tiefe Gewebsschädigung hin<br />
Kat 3<br />
Verlust aller Hautschichten, subkutanes Fett kann sichtbar<br />
sein, jedoch keine Knochen , Muskeln oder Sehnen. Beläge,<br />
Tunnel oder Unterminierungen können vorliegen.<br />
Kat 4<br />
Verlust aller Gewebeschichten mit freiliegenden Knochen,<br />
Sehnen,<br />
oder Muskeln. Beläge und Nekrosen können vorliegen. Tunnel<br />
oder Unterminierungen sind häufig<br />
European Pressure Ulcer Advisory Panel and National Pressure Ulcer Advisory Panel. Prevention and Treatment of pressure ulcers: quick<br />
reference guide. Washington DC: National Pressure Ulcer Advisory Panel; 2009
Keinem Stadium zuordenbar NPUAP-USA<br />
• Zerstörung von Gewebe in der vollen Tiefe, bei dem der Ulcusgrund mit nekrotischem<br />
Gewebe und/oder Schorf bedeckt ist<br />
• Haut noch intakt , jedoch darunter bläulich<br />
oder schwarz durchschimmernd<br />
Kat. 4 EPUAP hier kann von einer Nekrose ausgegangen werden,<br />
da diese Läsion mit hoher Wahrscheinlichkeit einen nekrotischen Wundschorf<br />
entwickelt
UMGEKEHRTE BENUTZUNG DER STADIENEINTEILUNG<br />
Häufig wurden <strong>Dekubitus</strong>-Klassifikationssysteme missverstanden:<br />
• Gradeinteilung wurde zur Einschätzung des Heilungsverlaufes oder<br />
Besserung von <strong>Dekubitus</strong>läsionen „aufsteigend“, also umgekehrt benutzt<br />
• Systeme basieren auf anatomischen Gesichtspunkten und dem<br />
geschädigten Gewebetyp<br />
• Rück-Klassifizierung ist nicht korrekt<br />
• umgekehrte Benutzung der Stadieneinteilung zur Dokumentation einer<br />
Besserung von <strong>Dekubitus</strong>läsionen ist unangemessen und kann für<br />
Bewertung der Versorgungsqualität irreführend sein
Expertenstandard<br />
Neu: Keine Empfehlung für Nutzung einer<br />
Risikoskala mehr !<br />
Differenzierte Risikoeinschätzung<br />
– mittels klinischer Einschätzung<br />
– Klinische Beobachtung + Hautinspektion + subjektive Wahrnehmung<br />
– Externe Faktoren (Drainage, Sonden, Tuben)<br />
Neu: Bewegungs- bzw. Bewegungsförderungsplan statt Lagerungsplan<br />
Neu: Der Patient / Bewohner befindet sich unverzüglich auf einer für ihn geeigneten<br />
druckverteilenden Unterlage<br />
……………….
Diskussion<br />
! Bradenskala oft verpflichtend bei inadäquater Schulung des Pflegepersonals<br />
! Sitzen als Mobilisation falsch verstanden<br />
! Hautpflege und Ernährung als <strong>Dekubitus</strong>prophylaxe überschätzt<br />
! Fingertest wird wenig durchgeführt<br />
! Lagerungshilfsmittel stehen ungenügend zur Verfügung oder werden falsch<br />
verwendet<br />
! Zu wenig Kenntnis über haut- und gewebeschonende Bewegungs-, Lagerungs- und<br />
Transfertechniken<br />
! Zu wenig Kenntnis über eigenbewegungsfördernde Maßnahmen<br />
! Unzureichende Klassifizierung<br />
Regelmäßige Information und Schulung<br />
Patientenedukation und Evaluation