Bescherung bei dem Lemms - TCP/IP
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<strong>Bescherung</strong> <strong>bei</strong> den <strong>Lemms</strong><br />
Herr Lemm war ein sehr reicher Mann und wollte seinen Kindern zu Weihnachten<br />
eine große Freude bereiten. Deshalb rief er <strong>bei</strong>m Studentenwerk an – weil’s dort<br />
billiger war – und bestellte einen Weihnachtsmann. Dieser koste 15,00 € hieß es. Die<br />
Kostüme brächten die Studenten mit, die Geschenke müsste der Hausherr natürlich<br />
selbst stellen. „Ist doch klar“, sagte Herr Lemm, gab die Adresse seiner Villa in<br />
Berlin-Dahlem an und bestellte einen Weihnachtsmann für den 24. Dezember –<br />
18.00 Uhr. Die Kinder seien noch klein und könnten nicht allzu lange auf die<br />
<strong>Bescherung</strong> warten.<br />
Der bestellte Weihnachtsmann kam pünktlich: ein Student mit schwarzem Vollbart.<br />
Unter <strong>dem</strong> Arm trug er ein Paket.<br />
„Wollen Sie so auftreten“, fragte Herr Lehmann.<br />
„Nein“ war die Antwort, „da kommt natürlich noch ein weißer Bart drüber! Kann ich<br />
mich hier irgendwo umziehen“<br />
Er wurde in die Küche geschickt. „Da stehen aber leckere Sachen“, sagte er und<br />
deutete auf die kalten Platten, die auf <strong>dem</strong> Küchentisch standen.<br />
„Nach der <strong>Bescherung</strong>, wenn die Kinder im Bett sind, wollen noch Geschäftsfreunde<br />
meines Mannes vor<strong>bei</strong>kommen“, erwiderte die Hausfrau. „Deshalb eilt es etwas.<br />
Können Sie gleich anfangen“<br />
Der Student war schnell umgezogen. „Und nun zu den Geschenken“, sagte Herr<br />
Lemm. „Diese Sachen sind für den Jungen, Thomas“, er zeigte auf ein Fahrrad und<br />
andere Spielsachen, „und das bekommt Petra, unsere Tochter: die Puppe da drüben<br />
und alles andere. Die Namen stehen drauf, da wird schon nichts schief gehen. Und<br />
hier ist noch ein Zettel, auf <strong>dem</strong> ein paar Unarten der Kinder draufstehen. Reden Sie<br />
ihnen ruhig mal ins Gewissen! Aber keine Angst machen; es genügt, wenn Sie mit<br />
der Rute drohen. Und alles möglichst rasch bitte, wir erwarten nämlich noch Besuch!“<br />
Der Weihnachtsmann nickte und packte die Geschenke in den Sack. „Rufen Sie die<br />
Kinder schon mal ins Wohnzimmer. Ich komme gleich. Ich muss nur noch mal kurz<br />
telefonieren.“<br />
Nach einigen Minuten war dann alles so weit. Mit <strong>dem</strong> schweren Sack auf <strong>dem</strong><br />
Rücken ging der Student ins Wohnzimmer; er sah den brennenden Baum, die<br />
erwartungsvollen Kinder, die feierlichen Eltern.<br />
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„Guten Tag, liebe Kinder. Ihr seid also Thomas und Petra. Ihr wisst sicher, wer ich<br />
bin, oder“<br />
„Der Weihnachtsmann“, sagte Thomas etwas ängstlich.<br />
„Richtig, und ich komme zu Euch, weil heute Weihnachten ist. Doch bevor ich<br />
schaue, was ich alles in meinem Sack habe, wollen wir erst noch ein Weihnachtslied<br />
singen. Kennt Ihr Stille Nacht, Heilige Nacht Also gut, dann singen wir!“<br />
Er begann mit kräftiger Stimme zu singen. Doch mitten im Lied brach er ab. „Aber,<br />
aber! Die Eltern singen ja gar nicht mit! Jetzt fangen wir nochmals von vorne an.<br />
Oder haben wir den Text nicht gelernt Wie geht denn das Lied, Herr Lemm“<br />
Herr Lemm blickte den Weihnachtsmann befremdet an.<br />
„Stille Nacht, heilige Nacht – alles schläft, einer wacht …“<br />
Der Weichnachtsmann klopfte mit der Rute auf den Tisch. „Einsam wacht! – Weiter!<br />
– Nur das traute …“<br />
„Nur das traute hochheilige Paar“, sagte Frau Lemm betreten und fügte leise hinzu:<br />
„Holder Knabe im lockigen Haar.“<br />
„Vorsagen gilt nicht!“, sagte der Weihnachtsmann barsch und hob die Rute. „Wie<br />
geht’s weiter“<br />
„Holder Knabe im lockigen …“<br />
„Im lockigen WAS“<br />
„Ich weiß nicht“, sagte Herr Lemm. „Aber was soll das Sie sind hier um …“<br />
Seine Frau stieß ihm in die Seite und als er die erstaunten Blicke seiner Kinder sah,<br />
verstummte er.<br />
„Holder Knabe im lockigen Haar“, sagte der Weihnachtsmann. „Schlaf in himmlischer<br />
Ruh, schlaf in himmlischer Ruh. – Das nächste Mal lernen wir das aber besser. Und<br />
jetzt singen wir noch alle einmal zusammen!“<br />
„Gut Kinder – Eure Eltern können sich an Euch ein Beispiel nehmen! So, und jetzt<br />
geht’s an die <strong>Bescherung</strong>. Halt! Da ist ja noch ein Zettel! – Stimmt es Thomas, dass<br />
Du in der Schule oft ungehorsam bist und den Lehrern widersprichst“<br />
„Ja“, sagte Thomas kleinlaut.<br />
„Gut so“, sagte der Weihnachtsmann, „nur dumme Kinder glauben alles, was ihnen<br />
die Lehrer erzählen. Brav Thomas!“<br />
Herr Lemm schaute den Studenten beunruhigt an.<br />
„Aber …“, begann er. „Sei doch still!“, unterbrach ihn seine Frau.<br />
„Wollten Sie etwas sagen“, fragte der Weihnachtsmann Herrn Lemm.<br />
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„Nein!“<br />
„Nein, lieber Weihnachtsmann, heißt das immer noch! – So Petra! Du sollst<br />
manchmal <strong>bei</strong> Tisch reden, auch wenn Du nicht gefragt wirst. Stimmt das“<br />
Petra nickte still.<br />
„Gut so! Wer immer nur redet, wenn er gefragt wird, bringt’s im Leben zu nichts! –<br />
Und da Ihr so brave Kinder seid, bekommt Ihr nun Eure Geschenke!“<br />
Er packte die Sachen aus, überreichte sie den Kindern und machte da<strong>bei</strong> kleine<br />
Scherze. Die Kinder bedankten sich und lachten; sie mochten ihn offensichtlich.<br />
„So, jetzt bedankt Euch mal ordentlich <strong>bei</strong>m Weihnachtsmann!“ rief Herr Lemm<br />
seinen Kindern zu. „Er muss nämlich noch viele Kinder besuchen, deswegen will er<br />
jetzt leider gehen!“<br />
Thomas schaute den Weihnachtsmann enttäuscht an. Da klingelte es.<br />
„Sind das schon die Gäste“, fragte die Hausfrau. Sie ging zur Türe und öffnete. Ein<br />
Mann mit roter Kapuze, rotem Mantel und langem weißen Bart trat ein.<br />
„Ich bin Knecht Ruprecht“, sagte er mit tiefer Stimme, während Herr Lemm im<br />
Wohnzimmer noch einmal behauptete, der Weihnachtsmann müsse nun dringend<br />
gehen.<br />
„Da ist ja mein Freund Knecht Ruprecht!“<br />
„So ist es! – Von draus vom Walde komm’ ich her! Ich muss Euch sagen, es<br />
weihnachtet sehr!“<br />
„Wundert Euch nicht“, sagte der Weihnachtsmann zu den Kindern. „Ich könnte nie<br />
alle Kinder auf der Welt bescheren. Deswegen habe ich Freunde: den Knecht<br />
Ruprecht, den heiligen Nikolaus und noch viele andere …“<br />
Es klingelte wieder. Die Hausfrau schaute ihren Mann an, der so verwirrt war, dass er<br />
nur mit <strong>dem</strong> Kopf nickte.<br />
Vor der Tür stand ein dritter Weihnachtsmann. „Puh“, sagte er, „hier ist es <strong>bei</strong>nahe so<br />
kalt wie am Nordpol!“ Mit diesen Worten betrat er das Wohnzimmer. „Ich bin St.<br />
Nikolaus und freue mich, wenn ich brave Kinder sehe. Das sind sie doch, oder“<br />
„Sie sind sehr brav“, sagte der Weihnachtsmann, „nur die Eltern gehorchen nicht<br />
immer!“<br />
„Verschwinden Sie!“, flüsterte Herr Lemm in das Ohr des Studenten.<br />
„Sagen Sie es doch so laut, dass Ihre Kinder es auch hören können!“<br />
„Ihr gehört jetzt ins Bett!“ sagte Herr Lemm.<br />
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„Nein“ brüllten die Kinder und klammerten sich an den Mantel des Weihnachtsmannes.<br />
„Es ist doch Weihnachten!“, widersprach der Weihnachtsmann, „da dürfen sie doch,<br />
wie alle braven Kinder, ein bisschen länger aufbleiben!“<br />
„Wir haben Hunger!“, reklamierte St. Nikolaus. Die Frau holte ein Tablett. Herr Lemm<br />
stellte sich dazwischen. „Lassen Sie die Hände von unserem Essen!“<br />
„Thomas!“, rief Knecht Ruprecht und schon kam der kleine Thomas auf seinem Rad<br />
angestrampelt. Erwartungsvoll blickte er seinen Vater und den Weihnachtsmann an.<br />
„Mein Gott, mein Gott!“ sagte Herr Lemm. In diesem Moment klingelte es.<br />
„Das werden die Gäste sein!“<br />
„Und wenn sie es nicht sind“<br />
„Dann hole ich die Polizei!“<br />
Herr Lemm öffnete. Ein junger Mann trat ein. Auch er hatte einen Wattebart im<br />
Gesicht, trug jedoch keinen roten Mantel, sondern einen weißen Umhang, an <strong>dem</strong> er<br />
zwei Flügel aus Pappe befestigt hatte.<br />
Die Kinder, der Weihnachtsmann, Knecht Ruprecht, St. Nikolaus, das Ehepaar<br />
Lemm – alle schauten auf den neuen Gast.<br />
„Ich bin der Engel Gabriel. Ich schaue, ob auch alle Kinder artig sind. Ich bin der<br />
Engel, der den Hirten damals das Jesuskind angekündigt hat. Ihr kennt doch die<br />
Geschichte“<br />
„Was soll der Unfug“, fragte Herr Lemm mit zittriger Stimme. „Sie werden jetzt alle<br />
schleunigst verschwinden!“<br />
„Schmeißen Sie uns doch raus!“ meinte der Weihnachtsmann und zeigte ins<br />
Wohnzimmer. Dort saß der Engel, aß von den belegten Brötchen und erzählte<br />
Thomas davon, wie es im Himmel aussah. Die Weihnachtsmänner brachten Petra<br />
das Lied <strong>bei</strong>: „Nun danket alle Gott, die Schule ist bankrott!“<br />
„Wie viel verlangen Sie“<br />
„Wofür“<br />
„Dass Sie verschwinden. Ich erwarte Gäste. Das wissen Sie doch!“<br />
„Ja, das könnte für Sie peinlich werde. Wie viel ist Ihnen die Sache denn wert“<br />
„Hundert Euro“, sagte der Hausherr.<br />
Der Weihnachtsmann lachte und ging ins Wohnzimmer.<br />
“Petra und Thomas, holt mal Eure Eltern. Engel Gabriel will uns noch eine<br />
Geschichte erzählen!“<br />
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Die Kinder liefen auf ihre Eltern zu: „Kommt, der Engel Gabriel will uns noch eine<br />
Weihnachtsgeschichte erzählen!“<br />
„Halt mir die Kinder etwas vom Leib“, flüsterte Lemm seiner Frau ins Ohr. Ich ruf’ jetzt<br />
die Polizei!“<br />
„Komm doch!“, riefen die Kinder, während der Hausherr den Hörer abnahm und<br />
wählte. Die Kinder kamen neugierig näher.<br />
„Hier Lemm“, flüsterte er, „Lemm, Berlin-Dahlem. Schicken Sie mir ein Überfallkommando!“<br />
„Sprechen Sie bitte lauter!“, sagte der Polizeibeamte.<br />
„Ich kann leider nicht lauter sprechen, wegen der Kinder. Bei mir zu Hause sind drei<br />
Weihnachtsmänner und ein Engel und die gehen nicht weg!“<br />
„Was ist mit den Weihnachtsmännern“ fragte der Beamte, doch Herr Lemm konnte<br />
nicht antworten wegen der Kinder.<br />
„Fröhliche Weihnachten!“ lachte der Beamte und legte auf.<br />
Da wurde Herrn Lemm seine verzweifelte Lage klar.<br />
„Komm Papi, Engel Gabriel will anfangen!“<br />
„Zweihundertfünfzig Euro“, sagte er leise zum Weihnachtsmann, der auf der Couch<br />
saß und genüsslich ein belegtes Brötchen mit Lachs kaute.<br />
„Pst“, antwortete der und zeigte auf den Engel, der fortfuhr: „Es begab sich aber zu<br />
der Zeit, …“<br />
„Dreihundert!“<br />
Der Engel erzählte weiter.<br />
„Fünfhundert!“ sagte Lemm mit leerem Blick und flehender Stimme! „Bitte, ich gebe<br />
Ihnen 500 Euro!“<br />
Der Weihnachtsmann nickte und steckte das Geld ein.<br />
„So liebe Kinder, wir müssen jetzt leider gehen“, sagte er. „Seid hübsch brav,<br />
widersprecht Euren Lehrern wo es geht, haltet die Augen offen und redet, ohne<br />
gefragt zu werden. Und nächstes Jahr kommen wir dann alle wieder und wenn Ihr<br />
brav ward, dann erzählen wir Euch den Rest der Weihnachtsgeschichte. Das<br />
verspreche ich Euch. Und was der Weihnachtsmann verspricht, das hält er auch …“<br />
nacherzählt von Gerhard Glaser<br />
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