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Modelle zur Berechnung der Ausbreitung von Funksignalen, Teil 2

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Funktechnik > Grundlagen WissenHeute Jg. 62 9/2009<br />

<strong>Modelle</strong> <strong>zur</strong> <strong>Berechnung</strong> <strong>der</strong> <strong>Ausbreitung</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Funksignalen</strong>, <strong>Teil</strong> 2<br />

Das im ersten <strong>Teil</strong> des Beitrags beschriebene Freiraummodell geht <strong>von</strong> physikalischen Gesetzmäßigkeiten aus. Es wird daher zu den<br />

physikalischen <strong>Ausbreitung</strong>smodellen gezählt. Die Bedingungen, unter denen dieses Freiraummodell gilt, sind jedoch sehr eingeschränkt.<br />

Ein Hin<strong>der</strong>nis, das sich im <strong>Ausbreitung</strong>sweg befindet, o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Erdboden, auf dem Sen<strong>der</strong> und Empfänger stehen, führen dazu, dass das<br />

Freiraummodell nicht mehr angewendet werden kann. Für diese Fälle gibt es weitere physikalische <strong>Ausbreitung</strong>smodelle und empirische<br />

<strong>Modelle</strong>, die im Folgenden kurz beschrieben werden.<br />

36<br />

Der Autor<br />

Prof. Dr. rer. nat.<br />

Thomas Schnei<strong>der</strong> ist<br />

Hochschullehrer für<br />

Hochfrequenztechnik<br />

und Mobilfunk an<br />

<strong>der</strong> Hochschule für<br />

Telekommunikation<br />

in Leipzig. Seine Forschungsschwerpunkte<br />

sind die nichtlineare<br />

Optik sowie die<br />

Beschleunigung und<br />

Verlangsamung <strong>von</strong><br />

Licht.<br />

Das Thema im Überblick<br />

Die im ersten <strong>Teil</strong> des Beitrags beschriebenen Freiraummodelle gehen <strong>von</strong> idealen<br />

Zuständen aus. Aber bereits die kleinste Abweichung <strong>von</strong> diesem Idealzustand, das kann<br />

bereits <strong>der</strong> Erdboden sein, auf dem Sen<strong>der</strong> und Empfänger stehen, führt dazu, dass<br />

die Ergebnisse dieser Modellrechnungen nicht allgemein verwendet werden können.<br />

An<strong>der</strong>e physikalische und empirische Verfahren sowie Computermodelle, die in diesem<br />

<strong>Teil</strong> des Beitrags beschrieben werden, sind für bestimmte Anwendungen besser geeignet.<br />

Weitere Physikalische <strong>Modelle</strong><br />

Zweistrahlmodell<br />

Das sogenannte Zweistrahlmodell gilt, wenn<br />

sich Sen<strong>der</strong> und Empfänger nicht – wie beim<br />

Freiraummodell – im freien Raum, son<strong>der</strong>n<br />

auf einer Ebene befinden. Bei <strong>der</strong> Ebene<br />

kann es sich z. B. um einen See, das Meer<br />

o<strong>der</strong> ein Feld handeln. Allerdings darf sich<br />

auch hier kein Hin<strong>der</strong>nis im <strong>Ausbreitung</strong>sweg<br />

befinden.<br />

Für hohe Frequenzen im oberen MHz- und<br />

GHz-Bereich, die für Mobilfunk, Richtfunk<br />

und WLAN-Technik benutzt werden, können<br />

für die Trägerwellen Bedingungen ange-<br />

nommen werden, die denen bei <strong>der</strong> <strong>Ausbreitung</strong><br />

<strong>von</strong> Licht ähneln. Wie beim Licht<br />

wird auch hier <strong>von</strong> Strahlen gesprochen. Ist<br />

die Funkübertragungsstrecke viel größer als<br />

die Höhe über dem Erdboden, so gibt es<br />

einen direkten Strahl zwischen Sen<strong>der</strong> und<br />

Empfänger und einen zweiten, <strong>der</strong> am Erdboden<br />

reflektiert wird. (Hieraus ergibt sich<br />

auch <strong>der</strong> Name für das Modell.) Die Überlagerung<br />

<strong>der</strong> beiden <strong>Teil</strong>strahlen führt zu<br />

einer Interferenz und damit – je nach Phasenlage<br />

– zu einer Verstärkung o<strong>der</strong> Auslöschung<br />

des Signals.<br />

Die normierte Empfangsleistung in Abhängigkeit<br />

<strong>von</strong> <strong>der</strong> Entfernung zwischen Sen<strong>der</strong>


und Empfänger bei einer Trägerfrequenz<br />

<strong>von</strong> 2 GHz wird in Bild 8 beschrieben: Entsprechend<br />

einem Mobilfunksystem, bei dem<br />

die Höhe <strong>der</strong> Basisstation viel größer ist als<br />

die des mobilen <strong>Teil</strong>nehmers, wurde hier<br />

<strong>von</strong> einer Sen<strong>der</strong>höhe <strong>von</strong> 20 m und einer<br />

Empfängerhöhe <strong>von</strong> 1,5 m ausgegangen. Wie<br />

in Bild 8 dargestellt ist, gibt es Bereiche,<br />

in denen das Empfangssignal extrem stark<br />

einbricht. Dies ist <strong>der</strong> Fall, wenn <strong>der</strong> direkte<br />

und <strong>der</strong> reflektierte Strahl – aufgrund <strong>der</strong><br />

unterschiedlich langen Wege, die sie <strong>zur</strong>ücklegen<br />

– einen Phasenunterschied <strong>von</strong> π/2 zueinan<strong>der</strong><br />

aufweisen. Haben beide hingegen<br />

dieselbe Phase, so tritt ein lokales Maximum<br />

<strong>der</strong> Feldstärke auf. Der Abstand zwischen<br />

den Minima wird mit steigen<strong>der</strong> Entfernung<br />

größer. Ab einer gewissen Entfernung, die in<br />

Bild 8 als „Breakpoint“ gekennzeichnet ist,<br />

gibt es keine periodischen Schwankungen<br />

<strong>der</strong> Leistung mit <strong>der</strong> Entfernung mehr. Vor<br />

diesem Punkt ist die Abhängigkeit <strong>der</strong> mittleren<br />

Empfangsleistung <strong>von</strong> <strong>der</strong> Entfernung<br />

proportional zu 1/d 2 und zeigt dementsprechend<br />

dieselbe Proportionalität wie im<br />

Freiraumfall. Nach diesem Punkt fällt die<br />

Empfangsfeldstärke deutlich stärker, die<br />

Abhängigkeit ist proportional zu 1/d 4 . Das<br />

Zweistrahlmodell gilt erst ab dem Breakpoint<br />

für<br />

d > 20 h T h _____ R<br />

λ (17)<br />

wobei h T und h R die Höhe des Sen<strong>der</strong>s und<br />

Empfängers und λ die Trägerwellenlänge<br />

darstellen. Für das Beispiel berechnet sich<br />

ein Wert <strong>von</strong>:<br />

d ><br />

____________<br />

20 · 20 m · 1,5 m<br />

> 4 km<br />

0,15 m<br />

Werden die Gewinne <strong>der</strong> Sende- und Empfangsantennen<br />

vernachlässigt, so ist <strong>der</strong><br />

Pfadverlust (in dB) nach dem Zweistrahlmodell:<br />

L P = 40 log d - 20 log h T - 20 log h R<br />

(18)<br />

Ein Vergleich mit Gleichung 9 zeigt, dass<br />

<strong>der</strong> Pfadverlust in <strong>der</strong> vierten Potenz mit<br />

<strong>der</strong> Entfernung ansteigt. Gleichzeitig ist die<br />

Frequenz <strong>der</strong> Trägerwelle unerheblich für<br />

den Pfadverlust, dafür sinkt <strong>der</strong> Pfadverlust<br />

Bild 8 Empfangsleistung als Funktion <strong>der</strong> Entfernung für einen Empfang<br />

über einer Ebene<br />

Normierte Empfangsleistung<br />

1<br />

0,1<br />

0,01<br />

1E-3<br />

1E-4<br />

beim Zweistrahlmodell aber quadratisch<br />

mit <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Sende- und Empfangsantenne.<br />

Zu beachten ist hierbei, dass bei<br />

steigenden Antennenhöhen auch <strong>der</strong> Breakpoint<br />

– ab dem das Modell erst gültig ist –<br />

immer weiter nach hinten verlagert wird.<br />

Knife Edge Diffraction<br />

Diffraction ist <strong>der</strong> englische Begriff für<br />

Beugung. Im Gegensatz zum Ansatz beim<br />

Zweistrahlmodell, bei dem <strong>von</strong> einer strahlförmigen<br />

<strong>Ausbreitung</strong> des Funksignals ausgegangen<br />

wird, lässt sich <strong>zur</strong> Erklärung <strong>der</strong><br />

Beugung <strong>der</strong> Wellencharakter des Signals<br />

nicht vernachlässigen.<br />

Die Beugung beschreibt ein physikalisches<br />

Phänomen, bei dem Wellen ihre geradlinige<br />

<strong>Ausbreitung</strong> an <strong>der</strong> Grenze eines Hin<strong>der</strong>nisses<br />

än<strong>der</strong>n. Bei Funksystemen tritt die<br />

Beugung an allen Kanten auf, beispielsweise<br />

an Hausdächern und Ecken <strong>von</strong> Straßenzügen<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en scharfkantigen Hin<strong>der</strong>nissen,<br />

die sich im <strong>Ausbreitung</strong>sweg <strong>der</strong><br />

Wellen befinden. Erst die Beugung ermöglicht<br />

es, dass eine Verbindung zwischen dem<br />

mobilen <strong>Teil</strong>nehmer und <strong>der</strong> Basisstation<br />

o<strong>der</strong> dem Access Point besteht, obwohl<br />

keine direkte Sicht zwischen ihnen vorhanden<br />

ist. Der Beugungseffekt ermöglicht die<br />

~1/d 4<br />

~1/d 2<br />

WissenHeute Jg. 62 9/2009<br />

1E-5<br />

0,1 1<br />

Entfernung d [km]<br />

Breakpoint 10<br />

Parameter:<br />

Trägerfrequenz 2 GHz, Höhe <strong>der</strong> Sendeantenne 20 m, Höhe <strong>der</strong> Empfangsantenne 1,5 m<br />

Kommunikation mit <strong>Teil</strong>nehmern, die sich<br />

beispielsweise in Straßenschluchten o<strong>der</strong><br />

hinter Bürotrennwänden befinden und <strong>von</strong><br />

dort aus telefonieren o<strong>der</strong> Daten übermitteln.<br />

Der Effekt <strong>der</strong> Beugung lässt sich mit dem<br />

sogenannten Huygensschen13 Prinzip14 beschreiben.<br />

Radiowellen waren zu Lebzeiten<br />

<strong>von</strong> Christian Huygens unbekannt. Huygens<br />

betrachtete in einer Abhandlung das Phänomen<br />

„Licht“ und stellte die Hypothese auf,<br />

dass Licht eine Wellenbewegung in einem<br />

alles durchdringenden Äther ist. Seine<br />

Hypothese stand im Gegensatz <strong>zur</strong> These <strong>von</strong><br />

Isaac Newton15 , <strong>der</strong> Licht als einen Strom<br />

sehr kleiner <strong>Teil</strong>chen betrachtete, die sich<br />

geradlinig ausbreiten. Zur Erklärung des<br />

Huygensschen Prinzips ist die Beugung an<br />

einer scharfen Kante in Bild 9 dargestellt:<br />

Eine Primärwelle bewegt sich geradlinig auf<br />

das Hin<strong>der</strong>nis zu. Die Wellenfront ist eben.<br />

Werden die Orte gleicher Phase (z. B. die<br />

Maxima) miteinan<strong>der</strong> verbunden, ergeben<br />

13 Christiaan Huygens: Nie<strong>der</strong>ländischer Astronom,<br />

Mathematiker und Physiker (1629 –1695).<br />

14 Huygenssches Prinzip: Auch Huygens-Fresnelsches<br />

Prinzip; es besagt, dass je<strong>der</strong> Punkt einer Wellenfront<br />

als Ausgangspunkt einer neuen Welle, <strong>der</strong> sogenannten<br />

Elementarwelle, betrachtet werden kann.<br />

15 Sir Isaac Newton: Englischer Astronom, Mathematiker<br />

und Physiker (1643 –1727).<br />

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