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04 | <strong>2013</strong><br />

editorial 03<br />

<br />

Living and dying<br />

Titelfoto: Christian Kaiser zu unserer Reportage «Lokis Garten»<br />

Es ist eine traurige Tatsache unserer fortgeschrittenen industrialisierten Gesellschaft, dass die Geburt<br />

eines Kindes wie eine Krankheit behandelt wird. Entbinden soll eine Schwangere im Krankenhaus.<br />

Sie darf zwar noch zu Hause entbinden, aber: Was könnte nicht alles schiefgehen! Und außerdem<br />

müssen erst eine Hebamme und ein Arzt oder eine Ärztin gefunden werden, die bereit sind, eine<br />

Hausgeburt zu begleiten. Das ist bei den geltenden Sätzen, die die Krankenkassen bei Hausgeburten<br />

anwenden, allerdings zunehmend schwierig. Eine freie Hebamme hat fast kein auskömmliches Leben<br />

mehr, da eine Hausgeburt in keiner Weise von den Krankenkassen so finanziell honoriert wird wie<br />

eine Geburt im Krankenhaus. Angst vor den möglichen Komplikationen und die systematische<br />

Unterminierung des Hebammenberufes in freier Praxis treiben immer mehr Frauen zur Entbindung<br />

im Krankenhaus. Wen wundert es, dass immer weniger Frauen überhaupt ein Kind zur Welt bringen<br />

wollen! Eine Krankheit möchte man doch vermeiden.<br />

Ich verdanke es dem Mut meiner Frau und der Bereitschaft ihres Arztes und ihrer Hebamme, für ein<br />

kümmerliches Entgelt eine Entbindung außerhalb eines Krankenhauses zu begleiten, dass vier von<br />

unseren fünf Kindern zu Hause geboren wurden. Unser erstes Kind wurde im Krankenhaus geboren.<br />

Aber so lernten wir die Ruhe, den Frieden und das Glück von vier Entbindungen zu Hause schätzen.<br />

Noch Tage nach jeder Geburt erlebte ich, wie die Geburtsstätte von einer ungeahnt heiligen<br />

Atmosphäre erfüllt war, wie ich sie sonst nur im Beisein eines Verstorbenen kennengelernt habe – aber<br />

ganz durchdrungen von einer erhabenen, freudigen und reinen Dankbarkeit! Geburt und Tod sind<br />

irdische Vorgänge, aber in ihnen können wir auch empfinden, wie heilig alles Leben ist, wie wir vom<br />

Göttlichen getragen werden.<br />

Dankbar müssen wir solchen Frauen wie Thea Vogel sein, die gegen die Angst vor einer Geburt<br />

arbeiten. Und dankbar auch den Gärtnerinnen unter uns, die wie Jane Powers erkannt haben, dass ihr<br />

«living garden» eigentlich «living and dying garden» heißen müsste. Denn das ewige Leben ist nur<br />

in Geburt und Tod zu finden – dort, wo wir zu Hause sind.<br />

Liebe Leserinnen,<br />

liebe Leser,<br />

Mögen wir alle den Weg nach Hause finden! Herzlich grüßt aus Stuttgart,<br />

Ihr Jean-Claude Lin

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