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Hermès<br />
<strong>Die</strong> <strong>feine</strong> <strong>Art</strong><br />
Der Gründer von Hermès arbeitete im Geruch von Pferdeschweiss<br />
und Sattelleder. <strong>Die</strong> Ahnen führen ein Imperium für<br />
ver<strong>feine</strong>rte Lebensart, das von der Handtasche über Kleidung<br />
und Accessoires bis zur Uhr am Handgelenk reicht.
Husbands hold your women, this man is<br />
in the Navy, sang Marlene <strong>Die</strong>trich mit<br />
Blick auf John Wayne in «Seven Sinners».<br />
«Haltet eure Frauen», sagt sich der sparsame<br />
Hausvater, wenn er die Vitrinen der<br />
Adresse 24, rue du Faubourg Saint Honoré mustert. Das<br />
1878 bezogene, aber erst 1921 erworbene Stammhaus<br />
der Marke mit dem offenen Gespann und den markanten<br />
Zügeln im Logotype hält vom Regenhut über Kinderteller<br />
und zusammenfaltbares Gartengerät bis zu Schuhen<br />
alles bereit, was das Leben, die Familie und standesgemässe<br />
Steckenpferde verlangen. Marlene <strong>Die</strong>trich<br />
übrigens, Stammkundin von Hermès, brauchte niemand<br />
zu bremsen. Sie hatte genug Geld und erwarb dort in der<br />
Blüte der Dollardominanz ein uhrmacherisches Einzelstück<br />
mit springender Stunde und Minute. Eine mechanische<br />
Vorläuferin späterer Digitaluhren.<br />
Heute sieht es mehr danach aus, als müssten die<br />
Frauen ihre Männer bremsen. Hermès setzt am Sitz in<br />
Paris jährlich allein 3000 Uhren ab – und ist damit ganz<br />
nebenher noch einer der grössten Uhrenhändler der<br />
Weltstadt. Auf jeden Fall unangefochten der grösste<br />
Abnehmer der Montres Hermès. Auf den nächsten Plätzen<br />
folgen ex aequo die Maison Hermès in New York<br />
an der Madison Avenue und das von Renzo Piano konzipierte<br />
Haus in Tokio an der Ginza mit je 2000 Uhren.<br />
Haute Couture fürs Handgelenk<br />
<strong>Die</strong> Verbindung zur Uhr lässt sich zurückverfolgen bis<br />
in die Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts. Hermès<br />
mit seiner damals auch schon bald hundertjährigen<br />
Kompetenz für hochwertiges Gebrauchsleder<br />
nähte Bänder für die nach dem Weltkrieg aufkommende<br />
Mode, die Uhr am Handgelenk zu tragen. In der<br />
Frühphase waren es noch Damen-Lépines mit nachträglich<br />
angelöteten Attachen. Aber warum sich mit<br />
einfachen Lederbändern bescheiden und anderen das<br />
Geschäft mit der Zeit überlassen?<br />
1928 nahm Emile-Maurice Hermès, die Überfigur<br />
der dritten Generation, die ersten Armbanduhren ins<br />
Sortiment auf. An eine eigene Uhrenmarke wagte sich<br />
das Haus jedoch erst fünfzig Jahre später. Hermès’<br />
Enkel Jean-Louis Dumas, seit 1978 der Mann an den<br />
Zügeln und ein grosser Uhrenliebhaber, verfügte innert<br />
Monaten die Gründung der Montres Hermès in der<br />
Schweiz mit Sitz in Brügg bei Biel.<br />
Das war vor bald dreissig Jahren, und der Erfolg gab<br />
ihm recht. Heute ist das Haus 100 000 Uhren pro Jahr<br />
weiter (mit erschwinglichen Einstiegspreisen für einfachere<br />
Modelle ab 1600 Fr.) und gleichzeitig bereit, auch<br />
uhrmacherisch den sorgsam komponierten Esprit der<br />
Marke zu dokumentieren. Was sich vor knapp dreissig<br />
Jahren mit der prominenten Nennung des Namens<br />
Hermès auf dem Zifferblatt beschied, begleitet von<br />
einer anmutigen Form, gewinnt sukzessive die Substanz<br />
einer Manufaktur. Jüngstes Signal: die Übernahme<br />
einer Beteiligung von 25% an Vaucher Manufacture,<br />
einem Spezialisten für mechanische Werke im<br />
neuenburgischen Fleurier, gegründet von Michel Parmigiani<br />
und im Besitz der Fondation Sandoz.<br />
Familien mit Tradition<br />
Dass die beiden Häuser miteinander ins Geschäft kamen,<br />
ist nur sehr bedingt ein Zufall. <strong>Die</strong> Sandoz-Stiftung,<br />
präsidiert von Pierre Landolt, dessen Familien-<br />
Pied-à-Terre in Paris am Faubourg Saint Honoré liegt –<br />
Diskretion verbietet, die Nummer zu nennen –, teilt mit<br />
den Hermès-Nachkommen die unternehmerische Philosophie:<br />
eine langfristige Sicht, einen profunden Respekt<br />
für Handwerk, einen Glauben an und einen Willen<br />
zur Kreativität, ein Bekenntnis zum Nützlichen im<br />
Schönen und die Freude an langlebigen Erzeugnissen,<br />
auf die sich bereits die sehnsüchtigen Blicke der Enkel<br />
heften, auch wenn der Grossvater nicht im Mindesten<br />
daran denkt, demnächst in die Tomba zu sinken.<br />
Der Druck zur anspruchsvollen mechanischen Uhr<br />
kam von den Kunden, wie Emmanuel Raffner, CEO von<br />
La Montre de Hermès, freimütig einräumt: «<strong>Die</strong> treuen<br />
Kunden verlangten nach der passenden<br />
Uhr.» Je nach den Ansprüchen<br />
werden sie sich noch<br />
etwas gedulden müssen.<br />
Erste Konsequenz der<br />
Beteiligung an Vaucher<br />
Manufacture ist eine<br />
klassische Dreizeigeruhr<br />
(Stunde, Minute,<br />
Objekt der Begierde:<br />
die Kelly Bag.<br />
Finanz und Wirtschaft 53
54 DELUXE März 2007<br />
Sekunde) mit eigenem Hermès-Kaliber. Nächster<br />
Schritt wird eine Mondphase sein, auf die als erste<br />
Krönung ein ewiger Kalender folgt. Emmanuel Raffner<br />
weiss, dass sich der Umsatz angesichts der florierenden<br />
Konjunktur problemlos stärker dynamisieren<br />
liesse durch den Ankauf der marktgängigen Komplikationen.<br />
«Aber das widerspricht dem Geist des<br />
Hauses. Hermès wächst in guten Zeiten langsamer als<br />
der Markt, dafür aber in schlechten Zeiten schneller<br />
als der Markt.» 6,1% Wachstum waren es im abgelaufenen<br />
Jahr, sicher unter dem Durchschnitt. Aber<br />
1,52 Mrd. € Umsatz sind auch ein Wort.<br />
Hermès arbeitet heute wie schon zu Zeiten des<br />
Gründers an der eigenen Leistung und an der<br />
Dauerhaftigkeit. Jean-Louis Dumas<br />
prägte die Formel: «Der Luxus,<br />
den wir verkaufen, ist die<br />
schiere Qualität, die Eleganz<br />
und die Harmonie, nicht<br />
zu vergessen das Währschafte,<br />
das dem Produkt<br />
ermöglicht, sich<br />
an die Persönlichkeit<br />
des Besitzers anzupassen<br />
und ihn ein<br />
Leben lang zu begleiten.»<br />
<strong>Die</strong>se Luxus-<br />
Definition hebt sich<br />
ab von der des langjährigen<br />
Cartier-Chefs<br />
Alain Dominique Perrin,<br />
für den Luxus erst jenseits<br />
aller Nutzwertüberlegungen<br />
anfängt. Hinter diesen unterschiedlichen<br />
Definitionen verbirgt<br />
sich mehr als eine Phrase. Es sind zwei<br />
ganz unterschiedliche Welten. «Man ist immer geniert<br />
bei Hermès, mit anderen Luxusmarken in einem<br />
Atemzug genannt zu werden», bekennt Emmanuel<br />
Raffner, der die Marke so definiert: «Hermès ist ein<br />
kreativer Handwerker, der gewachsen ist.»<br />
Deutsche Wurzeln<br />
Ein Blick in die Geschichte des Hauses bestätigt die demonstrative<br />
Zurückhaltung. Thierry Hermès, der 1837<br />
in Paris eine Werkstatt einrichtete für Zügel und Zaumzeug,<br />
war ein aus der Region Trier eingewanderter<br />
<strong>Die</strong>trich Hermes, einer von unzähligen Deutschen, die<br />
in ihrem unterentwickelten Land keine Zukunft sahen<br />
und ihr Glück in Frankreich suchten.<br />
Ihre Namen finden sich heute, um nur ein paar Beispiele<br />
zu geben, auf prominenten Champagneretiketten,<br />
auf den Spielplänen der Opernhäuser (Offenbach<br />
und sein Librettist Halévy, Sprössling einer aus Nürn-<br />
Hermès-Chronograph mit Manufakturwerk<br />
von Vaucher.<br />
berg eingewanderten Familie, dessen Vater selbst ein<br />
bekannter Opernkomponist war) oder sind in die Architekturgeschichte<br />
eingegangen wie Jakob Ignaz Hittorf,<br />
der Schöpfer des Gare du Nord.<br />
Der Kundschaft verpflichtet<br />
Von der ersten Adresse an der Rue Basse-des-Remparts<br />
in Paris, wo heute das Olympia steht, bis zum Faubourg<br />
Saint Honoré waren es nur ein paar Meter. Aber dazwischen<br />
lagen eine überlange Generation und ein kontinuierlicher<br />
Aufschwung. Mit dem Umzug 1878 einher<br />
ging der Entschluss des Sohnes, sich mit einer eigenen<br />
Vitrine direkt auf die Endkundschaft auszurichten.<br />
Reitsättel waren eine naheliegende<br />
Ergänzung des Sortiments<br />
und das Aufkommen des Automobils<br />
ein sorgfältig beobachtetes<br />
Phänomen. Seither<br />
lebt das Haus damit<br />
und davon, dass sich<br />
seine kaufkräftige Kundschaft<br />
im Rhythmus<br />
der Zeit immer wieder<br />
neu erfindet.<br />
Hermès’ eigentliches<br />
Genie war es,<br />
nicht die Produktion<br />
zu erhalten, sondern<br />
die Kundschaft. Sie war<br />
von der Kutsche aufs Auto<br />
umgestiegen? Also musste<br />
man sie neu bedienen. Reise-<br />
gepäck, Handtaschen – wie die<br />
1930 entworfene, aber erst 1956 mit<br />
Grace Kelly auf einem «Life»-Titel berühmt<br />
gewordene und nach ihr benannte –, Foulards, Krawatten<br />
und immer weiter bis hin zu Kleidung und Parfümerie.<br />
Nicht zu vergessen Handschuhe, Papeterie,<br />
Porzellan, Glas (Cristallerie Saint Louis), Silberwaren<br />
(Orfèverie Puiforcat) und die Anfang der Neunzigerjahre<br />
erworbene Schuhmacherei von John Lobb. <strong>Die</strong><br />
Hermès-Gruppe hält Beteiligungen an der Weberei Perrin<br />
& Fils und am Haute-Couture-Haus Jean Paul Gaultier.<br />
Nicht immer ging alles gut. <strong>Die</strong> 1929 wenige<br />
Monate vor dem grossen Börsenkrach eröffnete Niederlassung<br />
in New York hätte die Familie Hermès beinahe<br />
ruiniert, und das Engagement bei Leica war auch nicht<br />
von Erfolg gekrönt, selbst wenn die Königin von England<br />
immer noch leidenschaftlich gern mit ihrer bald<br />
fünfzigjährigen M3 fotografiert. <strong>Die</strong>se Prüfungen haben<br />
zur Vorsicht erzogen und zu einer sehr systematischen<br />
Geschäftspolitik mit insgesamt vierzehn Produktfamilien<br />
und einer starken direkten Distribution.<br />
250 eigene Geschäfte betreibt Hermès weltweit, davon
fünf in der Schweiz, und tausend<br />
Vertriebspartner beliefert<br />
das Haus, zwanzig in der<br />
Eidgenossenschaft. Eisernes<br />
Prinzip des Hauses: kein Rabatt.<br />
Sharon Stone liess drei<br />
Mal erbost die Ware im Geschäft<br />
in Beverly Hills zurück,<br />
bis sie sich an die Vorstellung<br />
gewöhnt hatte, dass man bei<br />
Hermès nicht feilscht.<br />
Zu dieser Geschäftspolitik<br />
gehört ebenso die Sicherung<br />
der handwerklichen Basis<br />
und des Savoir-faire. Wie bei<br />
Vaucher in der Uhrenindustrie<br />
beteiligt sich Hermès<br />
gezielt an Gerbereien, Täschnereien<br />
und anderen Feinlederverarbeitern<br />
wie der Handschuhfertigung in Saint-<br />
Junien im Massif Central, um deren langfristiges Überleben<br />
zu sichern. <strong>Die</strong> 2004 aufgenommene Lederverarbeitung<br />
in dem Ardennennest Boigny-sur-Meuse<br />
Anzeige<br />
Foulards sind das Markengesicht<br />
von Hermès.<br />
wurde neu aufgebaut. Emmanuel<br />
Raffner betont mit Genugtuung,<br />
dass die Hälfte der<br />
6000 Angestellten des Unternehmens<br />
Handwerker seien.<br />
Ein Haus, das in Generationen<br />
denkt, bedingt eine<br />
langfristig orientierte Kapitalbasis.<br />
<strong>Die</strong> ist heute keineswegs<br />
selbstverständlich, schon<br />
gar nicht für eine kotierte<br />
Gesellschaft. Doch die Bindungen<br />
scheinen intakt: Zehn<br />
Angehörige aus den drei Familienstämmen<br />
arbeiten heute<br />
im Betrieb, und über eine<br />
Kommanditgesellschaft halten<br />
die Hermès-Erben knapp<br />
80% des Unternehmens. Der<br />
Kurs des Titels hat sich seit seiner Einführung vor<br />
fünfzehn Jahren vervierzehnfacht. Solche unschlagbaren<br />
Renditen immunisieren zuverlässig gegen die<br />
Versuchung zu verkaufen. Ignaz Miller<br />
Finanz und Wirtschaft 55