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Mitteilungen 115.pmd - Schloss Hamborn

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<strong>Mitteilungen</strong><br />

RUDOLF-STEINER-SCHULE<br />

LANDSCHULHEIM<br />

SCHLOSS HAMBORN<br />

Nr. 115<br />

Johanni 2011


Impressum Nr. 115 Johanni 2011<br />

Herausgeber:<br />

Rudolf-Steiner-Schule<br />

Redaktion:<br />

Jutta Abraham, Corinna<br />

Schaefer, Ingrid Schlichting,<br />

Veronika Volland-Selbach<br />

Erscheinungsweise:<br />

4 X im Jahr<br />

Satz u. Layout:<br />

musicaRA GbR<br />

Rainer Abraham<br />

D-33178 Borchen<br />

musicara@gmx.com<br />

Druck:<br />

Janus-Druck<br />

33178 Borchen<br />

Redaktionsschluss der nächsten<br />

Ausgabe<br />

13. 09. 2011<br />

Namentlich gekennzeichnete<br />

Artikel geben nicht unbedingt<br />

die Meinung des Herausgebers<br />

oder der Redaktion wieder. Für<br />

ihren Inhalt tragen die Autoren<br />

die Verantwortung.<br />

Anschrift der Redaktion:<br />

Rudolf-Steiner-Schule<br />

<strong>Schloss</strong> <strong>Hamborn</strong> 5<br />

D-33178 Borchen<br />

Tel: 05251-389101<br />

Fax: 05251-389268<br />

eMail: verwaltung@schlosshamborn.de<br />

Internet:<br />

www.schlosshamborn.de<br />

Inhalt dieser Ausgabe<br />

Johanni-Zeit – Zeit des Lichtes<br />

„Es ist mehr, als eine Seele fassen kann“<br />

Pädagogik in Umbruchzeiten<br />

Projekttage der Unter- und Mittelstufe<br />

Politische Brückenschläge<br />

Projekttage in der Oberstufe<br />

Projektgruppe Lehrerbildung<br />

Ganz nah und doch so weit entfernt<br />

Die Klassenfahrt der 8a<br />

Zu den Biographie-Arbeiten der<br />

Klasse 8a<br />

Ein besonderes Geschenk<br />

an die Berufsförderung<br />

Persönliche Erfahrungsberichte vom<br />

Pädagogischen Wochenende, April 2011<br />

Unsere Buchbesprechung<br />

Aus der Deutschepoche der Klasse 12c<br />

Inklusion<br />

Die JVA Büren aus Schülersicht<br />

„Bund der Freien Waldorfschulen“:<br />

Bericht von der Mitgliederversammlung 47<br />

2<br />

10<br />

12<br />

20<br />

23<br />

24<br />

30<br />

31<br />

35<br />

38<br />

39<br />

41<br />

44


Einklang von Sonne und Christus<br />

(Siehe nachf. Beitrag)


Johanni-Zeit – Zeit des Lichtes<br />

„Du erstrahlst so schön im Lichtberg<br />

des Himmels,...<br />

Du leuchtest auf im östlichen Horizont<br />

und erfüllst alle Lande mit deiner<br />

Schönheit.<br />

Du bist schön und gewaltig, glänzend<br />

hoch über allen Landen,...<br />

Du bist fern und doch sind deine Strahlen<br />

auf der Erde.<br />

Du bist im Angesicht der Menschen,<br />

und doch kann man deinen Weg nicht<br />

sehen.“<br />

Dieses Gebet des ägyptischen Pharao<br />

Amenophis IV. ist eine von vielen Hymnen<br />

vorchristlicher Sonnenschau. Es<br />

entstand vor mehr als 3000 Jahren.<br />

Amenophis IV. nannte sich selber „Echnaton“:<br />

„dem Aton – dem Sonnengott<br />

– wohlgefällig“.<br />

Ganz und gar nicht poetisch, sondern<br />

nüchtern und abstrakt klingen die<br />

Meldungen aus der Astrophysik über<br />

die Sonne: Maße, Werte, Eigenschaften,<br />

die uns fremd, ja unheimlich erscheinen.<br />

– Wenn wir erfahren, dass<br />

die Sonne vor ungefähr 4,5 Mrd. Jahren<br />

durch den „Kollaps einer interstellaren<br />

Gaswolke“ entstand, indem sie<br />

sich „unter ihrer eigenen Schwerkraft<br />

zusammenzog“, und dass sie 150 Mill.<br />

km von der Erde entfernt ist, so berührt<br />

uns das doch weit weniger als<br />

der Anblick einer lautlos und langsam<br />

versinkenden Abendsonne am Horizont<br />

zwischen Himmel und Erde: ein<br />

Bild, das zu bestaunen wir niemals<br />

müde werden.<br />

Dass in der Sonne unentwegt dramatische<br />

Prozesse ablaufen, die letztendlich<br />

ihr Verlöschen herbeiführen,<br />

ewig langsam, doch unaufhaltsam –<br />

was bedeutet es uns – Dass „Himmel<br />

und Erde vergehen werden“, das hatten<br />

wir schon im Religionsunterricht<br />

gelernt, „...von dem Tag aber und von<br />

der Stunde weiß niemand“, heißt es<br />

im Evangelium (Matth. 24). Der Wissenschaft<br />

zufolge ist für die Sonne<br />

aber kaum erst „Halbzeit“ angesagt;<br />

sie werde noch einmal mehrere Mill-<br />

2 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


iarden Jahre scheinen, lautet die beruhigende<br />

Prognose – genug Zeit also, ihr<br />

weiterhin super-superlative Geheimnisse<br />

zu entlocken. Sie wird nicht nur von<br />

der Erde aus observiert; seit Jahrzehnten<br />

sind Satelliten und Raumsonden unterwegs,<br />

um sie zu enträtseln. Schon<br />

vor 16 Jahren funkte die Sonnensonde<br />

SOHO täglich eine Datenmenge von<br />

670 Lexikonbänden in die irdischen Labors<br />

(DER SPIEGEL1996). – Näher und<br />

immer noch näher will man der Sonne<br />

zu Leibe rücken, obwohl man weiß,<br />

dass ihre „Korona“, der Strahlenkranz,<br />

ihre „Aura“ mehrere Mill. Grad an Hitze<br />

verströmt, während auf der eigentlichen<br />

Oberfläche eine geringere Temperatur<br />

herrscht, ja, und dass „Gasblasen<br />

in der Größe von Deutschland“<br />

unablässig auf der Sonne explodieren,<br />

die „einen unbeschreiblichen Krach erzeugen“.<br />

So DER SPIEGEL 1996.<br />

Johann Wolfgang von Goethe hat<br />

das folgendermaßen beschrieben:<br />

„Die Sonne tönt nach alter Weise in<br />

Brudersphären Wettgesang, und ihre<br />

vorgeschriebne Reise vollendet sie mit<br />

Donnergang.“<br />

Es ist das Credo des Erzengels Raphael<br />

im Prolog zu Goethes FAUST. Und<br />

weiter heißt es da:<br />

„Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke,<br />

wenn keiner sie ergründen mag, die unbegreiflich<br />

hohen Werke sind herrlich<br />

wie am ersten Tag.“<br />

Nun, Physiker sind keine Engel. Ihnen<br />

geht es um beweisbare Resultate, um<br />

mathematische Ergebnisse, nicht um<br />

spirituelle Hintergründe – um Physik,<br />

nicht um Metaphysik. Die Kundschafter<br />

dieser Leute sind Roboter,<br />

denen Eruptionen, flammende Orkane,<br />

brüllendes Donnern nichts anhaben<br />

können, weil sie nicht aus Fleisch<br />

und Blut sind sondern aus dichtester<br />

Materie. – Auch den Goetheschen<br />

„Kundschaftern“ können Feuer und<br />

Donner nichts anhaben, weil sie gar<br />

nicht aus Materie bestehen.<br />

Zugegeben: Wir zollen den Forschungsergebnissen<br />

der Astrophysik<br />

uneingeschränkten Respekt. „Unbegreiflich“<br />

sind auch ihre „hohen<br />

Werke“: die Nachrichten über die<br />

Aktivitäten der Sonne, die exorbitante<br />

Flut von Zahlen, technischen Daten,<br />

Messergebnissen.<br />

Eine einzige, nur eine einzige dieser<br />

sensationellen Größen mag uns<br />

zu einem Vergleich anregen: Der<br />

Durchmesser der Sonnenkugel entspricht<br />

dem 109-fachen des Erddurchmessers.<br />

Um dieses Größenverhältnis<br />

einigermaßen zu realisieren,<br />

bringen wir 11 ganz gewöhnliche<br />

Schulhefte in eine Reihe und legen<br />

eine 1-Cent-Münze daneben. –<br />

So weit, so gut, so stimmig. Es ist<br />

aber nur eindimensional: Sonne und<br />

Erde sind schließlich „Körper“! Da<br />

wäre es konsequent, wir besorgten<br />

uns die Spielzeugmurmeln unserer<br />

Jüngsten und versuchten damit, einen<br />

entsprechend großen Ballon zu<br />

füllen. Ungeachtet der Größe unserer<br />

Vergleichsobjekte und angesichts<br />

des Umstandes, dass sich ein passender<br />

Ballon wohl nirgends finden<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 3


lässt: Wir benötigen in jedem Fall die<br />

atemberaubende Menge von 1.300.000<br />

kleiner Erdkugeln, um den Sonnenball<br />

zu füllen...<br />

Versuchen wir doch einmal eine ganz<br />

andere Art des Vergleichens und nehmen<br />

die bekannten Phänomene der<br />

Sonne zu Hilfe, um damit erst recht<br />

ihrer spirituellen Dimension näher zu<br />

kommen. Folgende Aussagen machen<br />

deutlich, dass das Wort „Sonne“ gegen<br />

den Begriff „Gott“ oder „Gottheit“<br />

austauschbar ist:<br />

Sie, die Sonne, ist (durch ihre Form)<br />

das Abbild der Vollkommenheit; sie ist<br />

unvergleichlich groß, mächtig, gewaltig;<br />

ihr „Ort“ ist der Himmel, aber sie<br />

wirkt auf der Erde; sie ist grenzenlos<br />

fern und zugleich unbegrenzt nah; sie<br />

ist über-all: im Oben wie im Unten;<br />

sie spendet Licht, Leben, Wärme und<br />

auch Freude; sie ist (zu 99%) unmateriell;<br />

sie ist nicht greifbar, nicht berührbar,<br />

aber sie selbst berührt mit<br />

ihrer Strahlung; es ist ihr Glanz, der<br />

vor allem in Erscheinung tritt; man<br />

kann ihr nicht ins „Antlitz“ schauen,<br />

doch ihre Lichtbahnen erreichen die<br />

Erde (ob durch einen Türspalt, ob zwischen<br />

Gewitterwolken oder durch das<br />

Geäst der Bäume im Wald oder wo<br />

auch immer: es ist ein beeindruckendes<br />

Licht-Spiel).<br />

Unsere Ururväter bedurften keiner<br />

Vergleiche, für sie gab es nicht die<br />

Trennung von Sonne und höchster<br />

Gottheit.<br />

Zeugen und Zeugnisse unterschiedlichster<br />

Art der Sonnenverehrung vergangener<br />

Kulturen finden sich in vielen<br />

Gegenden der Erde: In Skandinavien<br />

wie im afrikanischen Urwald –<br />

vom „uramerikanischen“ Westen über<br />

Europa und den Orient hin bis nach<br />

Indien, China, Japan. (Japan!... Weht<br />

nicht die weiße Flagge in der Farbe<br />

der Unterwerfung mit der blutroten<br />

Sonne in ihrer Mitte seit dem 11. März<br />

2011 wie ein mahnendes Fanal über<br />

der apokalyptischen Szene der Verheerung,<br />

als wolle sie sagen: die einst<br />

gottgleiche Sonne – sie ist für die<br />

Astrophysik doch nur das gleiche wie<br />

unser „Todesengel“, nämlich ein<br />

„Kernkraftwerk“)<br />

4 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


Nun, beiden, der Sonne wie der Kernkraft,<br />

ist eines doch gemeinsam: „Noli<br />

me tangere!“ = „Rühre mich nicht<br />

an!“...<br />

Fast immer wird der Grund für die<br />

Sonnenverehrung vergangener Epochen<br />

auf die physische Bedeutung<br />

unseres Zentralgestirns reduziert: als<br />

Bestimmerin tages-und jahreszeitlicher<br />

Rhythmen, als Lebensspenderin<br />

sämtlicher Organismen, als Energiequelle.<br />

– All diese Wirkungen sind unbestritten<br />

und besonders im Hinblick<br />

auf die Energiegewinnung der Zukunft<br />

lebensnotwendig, aber das ist<br />

nur die eine Seite. Und Worte wie diese<br />

aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts<br />

klingen geradezu erschreckend:<br />

„Die Sonne... eine von der Natur<br />

selbst aufgestellte Maschine zur Auswertung<br />

der Atomenergie“ (C. F. von<br />

Weizsäcker – zitiert von der Zeitschrift<br />

DIE CHRISTENGEMEINSCHAFT 1947).<br />

Stonehenge, die bekannte, grandios<br />

erhabene Sonnenkultstätte in Südengland<br />

(ca. 2000 v. Chr.) wird zum „Computer<br />

für die Finsternisberechnung“<br />

herabgestuft; ähnliche Steinsetzungen<br />

begreift man auch nur als „astronomische<br />

Uhren“ etwa zum Nutzen naturbedingter<br />

Vorgänge. – Ein zehntausend<br />

Jahre alter Turm in Jericho (Westjordanland),<br />

dessen Spitze die Sommersonnenwende<br />

anzeigte, wird schlichtweg<br />

zum „Nachtwächter“ erklärt.<br />

Neben den steinernen Zeugen längst<br />

vergangener Sonnen-Kultur sind Texte<br />

überliefert, die den göttlichen Aspekt<br />

der Sonne offenbaren, in denen Sonne<br />

und Gottheit eins sind. Was schon Ech-<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 5


naton erkannte, finden wir in diesem<br />

keltischen Hymnus, der Jahrhunderte<br />

später entstand:<br />

„Heil sei dir, du herrliche Sonne,<br />

Heil sei dir, du Sonne,<br />

du Antlitz Gottes,<br />

der über allem Lebendigen ist.“<br />

Eine Fülle von Hinweisen auf die Lichtgestalt<br />

Gottes enthält das Alte Testament<br />

der Bibel. Ein Vers aus dem 36.<br />

Psalm Davids ist dem keltischen Gebet<br />

recht ähnlich:<br />

„Herr, mein Gott,<br />

du bist sehr schön<br />

und prächtig geschmückt,<br />

Licht ist dein Kleid.“<br />

Hiob, der „von Gott Verlassene“, muss<br />

gestehen:<br />

„Um Gott ist schrecklicher Glanz!“<br />

Bei alldem geht es wohl nicht um Vergleiche,<br />

sondern um Gleichsetzungen<br />

der Sonne mit dem höchsten göttlichen<br />

Wesen, Gleichsetzungen schließlich<br />

mit dem einst für 33 Jahre menschgewordenen<br />

Gott: Christus, dem nicht<br />

nur von den Propheten des Alten Testamentes<br />

erwarteten und in der Sonne<br />

geschauten Heiland und Messias:<br />

„Die mächtige, die königliche Verheißung<br />

tragende Sonnen-Äther-Aura, die<br />

gottgeschaffene, verehren wir im Gebet,<br />

die übergehen wird auf den siegreichsten<br />

der Heilande...“.<br />

Das also ahnte man in Persien.<br />

Und im Alten Testament lesen wir die<br />

prophetischen Worte:<br />

„Das Volk, das im Finstern wandelt,<br />

sieht ein großes Licht, und über die da<br />

wohnen im finstern Land,<br />

scheint es hell.“ (Jes. 9, 1)<br />

„Götterdämmerung“ erlebten die Germanen<br />

beim Tod ihres Lichtgottes Baldur,<br />

dessen Wiederkunft sie sehnlichst<br />

erhofften.<br />

Noch heute erwarten fromme Juden<br />

im Morgengebet gen Osten gewandt<br />

den Messias mit der aufgehenden Sonne.<br />

Viele Hinweise auf die Verbindung<br />

von Sonne bzw. Licht und Christus finden<br />

sich dann im Neuen Testament der<br />

Bibel. Erwähnt sei hier nur der Vers aus<br />

einem Brief des Apostels Paulus an einen<br />

Freund:<br />

„...der König aller Könige und Herr aller<br />

Herren, ...<br />

der da wohnt in einem Licht, da niemand<br />

hinkommen kann, welchen kein<br />

Mensch gesehen hat noch sehen kann.“<br />

(1. Tim. 6)<br />

Mit dem Neuen Testament, mit der<br />

Zeitenwende geschieht auch hier eine<br />

Art Wende, eine Umkehrung: Nicht die<br />

Sonne als solche wird weiterhin verehrt,<br />

sondern die sonnengleiche Erscheinung<br />

Gottes in Christus, der im<br />

Himmel und auf Erden wirkt.<br />

Diese Erkenntnis hat sich in den christlichen<br />

Jahrhunderten manifestiert,<br />

etwa im Kirchenbau. Fast alle Sakral-<br />

6 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


auten (wenn dem nicht bautechnische<br />

Hindernisse entgegenstanden)<br />

sind von jeher durch ihre „Ostung“ bestimmt:<br />

der Altar befindet sich in Richtung<br />

der Morgensonne. – Aber auch<br />

die Sonnenkreuze, hauptsächlich in<br />

Schottland und Irland, spiegeln den<br />

Einklang von Sonne und Christus, indem<br />

Kreis und Kreuz miteinander verbunden<br />

sind.<br />

„Ich glaube... an den einen Herrn Jesus<br />

Christus, Gottes eingeborenen<br />

Sohn. Er ist aus dem Vater geboren vor<br />

aller Zeit. Gott von Gott. Licht vom<br />

Licht...“<br />

Jede große Mess-Vertonung von Palestrina<br />

über Bach und die gesamte Klassik<br />

bis Bruckner und darüber hinaus<br />

enthält diese Formel in Latein – bis<br />

zum heutigen Tag in Kirche und Konzertsaal<br />

zu hören!<br />

Fortgesetzt hatte sich solches Wissen<br />

dann in den Dichtungen der folgenden<br />

Jahrhunderte. Wir entdecken<br />

es in unseren Liederbüchern, wo beispielsweise<br />

Paul Gerhardt, Theologe<br />

und Dichter während des dreißigjährigen<br />

Krieges, „die güldne Sonne“ besingt<br />

oder in einem Adventslied bittet:<br />

„Ach komm, ach komm, o Sonne...“<br />

Ergreifend der Vers in seinem<br />

Weihnachtslied „Ich steh an deiner<br />

Krippen hier“:<br />

„... Ich lag in tiefster Todesnacht,<br />

du warest meine Sonne,<br />

die Sonne, die mir zugebracht<br />

Licht, Leben, Freud und Wonne.<br />

O Sonne, die das werte Licht<br />

des Glaubens in mir zugericht’t,<br />

wie schön sind deine Strahlen.“<br />

Im 4. Jht. wurde im sogenannten<br />

nicaenischen Glaubensbekenntnis besiegelt,<br />

was nach wie vor an hohen Feiertagen<br />

in der katholischen Messfeier<br />

gesprochen wird:<br />

Der Dichter und Mystiker Friedrich<br />

von Spee (1591 - 1635) hatte eine Generation<br />

zuvor in ähnlicher Weise formuliert:<br />

„O klare Sonn’, du schöner Stern,<br />

dich wollten wir anschauen gern.<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 7


„Auferstandener Christus“<br />

Sano di Pietro (1406 - 1491)<br />

8 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


O Sonn’, geh auf, ohn deinen Schein<br />

in Finsternis wir alle sein.“<br />

Was hätte die Anrufung der Sonne<br />

in so vielen Andachtsliedern für einen<br />

Sinn, wenn sie nicht als Synonym für<br />

Christus stünde!<br />

Ein ganzes Osterlied des Friedrich<br />

von Spee beschreibt die Sonnengestalt<br />

des Auferstandenen:<br />

„Ist das der Leib, Herr Jesu Christ,<br />

der tot im Grab gelegen ist<br />

Kommt, kommt, ihr Christen,<br />

jung und alt,<br />

schaut die verklärte Leibsgestalt.<br />

Der Leib ist klar, klar wie Kristall,<br />

Rubinen gleich die Wunden all,<br />

die Seel’ durchstrahlt ihn<br />

licht und rein<br />

wie tausendfacher Sonnenschein.<br />

O Leib, wie zart, o Leib, wie fein,<br />

dringst durch verschlossne Türen ein<br />

wie durch das Glas die Sonne geht,<br />

da nichts den Strahlen widersteht.<br />

me tangere!“ – „Rühre mich nicht<br />

an!“ – Die Sonne kann nun einmal<br />

nicht berührt werden.<br />

Groß ist nicht zuletzt auch die Zahl<br />

bildlicher Darstellungen, in denen die<br />

Sonnen-Natur Christi zur Geltung<br />

kommt. – Vor 400 Jahren schuf Matthias<br />

Grünewald für ein Krankenspital<br />

den bekannten „Isenheimer Altar“ mit<br />

vielen Andachtsbildern. Er projizierte<br />

die Sonne in ihrer ganzen Majestät und<br />

Größe um die Gestalt des Auferstandenen,<br />

durch dessen Anblick zu jener<br />

Zeit Leidende Heilung oder auch nur<br />

Linderung erfahren sollten. – Und<br />

wenn dies nicht geschehen konnte, so<br />

schauten sie wahrscheinlich in ihrer Todesstunde<br />

wie auch wir alle – nach den<br />

Erkenntnissen der Sterbeforschung –<br />

das „Licht am Ende des Tunnels“: ein<br />

strahlendes Rund, noch heller, noch<br />

glänzender, noch schöner als die Sonne...<br />

Erika Dorothea Zitzmann-Gabriel (eL)<br />

Bedeck, o Mensch, dein Augenlicht!<br />

Vor dieser Sonn’ besteht es nicht.<br />

Kein Mensch auf dieser Erde kann<br />

den Glanz der Gottheit schauen an.“<br />

So muss wohl auch jene Erscheinung<br />

gewesen sein, die einst Maria Magdalena<br />

am Ostermorgen geschaut hat:<br />

die sonnenhaft „verklärte Leibsgestalt“<br />

des vom Tode Wiedererstandenen, der<br />

ihr verwehrte, ihn zu berühren: „Noli<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 9


„Es ist mehr, als eine Seele fassen kann“<br />

Pädagogik in Umbruchzeiten<br />

„Es ist wie ein Schock auf Raten“, so<br />

kommentierte eine Nachrichtensprecherin<br />

Mitte Mai die Tatsache, dass der<br />

Gau in Fukushima schon am zweiten<br />

Tag nach dem Reaktorunfall eingesetzt<br />

hatte. Mit jedem Wetterbericht überlegen<br />

wir auf’s Neue, wohin die entweichende<br />

Radioaktivität zieht. Wie<br />

viele havarierende Atomkraftwerke und<br />

Ölplattformen, wieviel Sonder- und<br />

Plastikmüll halten unsere Weltmeere<br />

mit ihrer doch so wunderschönen und<br />

bewundernswerten Tier- und Pflanzenwelt<br />

noch aus<br />

Politisch befindet sich die arabische<br />

Welt im Umbruch und wir hoffen alle,<br />

dass es sich um wirkliche Demokratiebewegungen<br />

handelt. Die Völker stehen<br />

auf und fordern menschenwürdige<br />

Lebensbedingungen und Mitgestaltungsmöglichkeiten<br />

im privaten wie im<br />

öffentlichen Bereich. Bewundernswert<br />

einfach weiter zur Tagesordnung<br />

übergehen, so als wäre nichts geschehen.<br />

Solche aufrüttelnden Ereignisse<br />

stellen ja plötzlich die Sinnfrage mit<br />

großer Vehemenz. Was machen wir<br />

hier eigentlich Hat das angesichts der<br />

Ereignisse irgendeine Bedeutung<br />

Mit den folgenden Projekten versuchten<br />

wir die Themen aufzugreifen,<br />

der Betroffenheit Ausdruck zu<br />

verleihen, nach hilfreichen Maßnahmen<br />

zu suchen und zukunftsorientierte<br />

Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln.<br />

Die Oberstufe traf sich auf dem Roten<br />

Platz zu einem Schülerkreis. Jakob<br />

Illner sprach über die vom Erdbeben<br />

betroffenen Kinder und Jugendlichen,<br />

denen wir in einer anschließenden<br />

Schweigeminute unsere<br />

guten Gedanken und Gebete zuwendeten.<br />

ist der Mut und zutiefst erschreckend<br />

der so hohe Preis, den sie dafür zahlen.<br />

Das waren die beiden Hauptthemen,<br />

die uns in diesem Frühjahr bewegten.<br />

Sowohl die Schüler als auch die Lehrer<br />

hatten das Gefühl: man kann gar nicht<br />

Am Freitag, d. 18. März wanderte<br />

die Schulgemeinschaft (ab 4. Klasse)<br />

zu einer Solidaritätskundgebung auf<br />

dem Sportplatz am Hessenberg. Es<br />

regnete und es war etwas ungemütlich<br />

und kalt. Ein Nichts gegenüber<br />

10 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


der Tatsache, dass der Regen in Japan<br />

die Radioaktivität auf die Felder trägt.<br />

In Borchen trafen wir uns mit Schülern<br />

der Altenauschule, die mit Fakkeln<br />

und einer großen bemalten Leinwand<br />

ihrer Sehnsucht nach einer lebenswerten<br />

Umwelt Ausdruck verliehen.<br />

Pfarrerin Christel Weber eröffnete<br />

ihre Ansprache mit den Worten: „Es<br />

ist mehr, als eine Seele fassen kann.“<br />

Im Mittelpunkt stand ihr Gedanke an<br />

die vielen tausend namenlosen Betroffenen,<br />

die von einem Tag auf den anderen<br />

alles verloren hatten und nach<br />

der Naturkatastrophe jetzt unter der<br />

Bedrohung der nicht mehr beherrschbaren<br />

technischen Katastrophe stehen.<br />

Einen Trost spendete die japanische<br />

Geschichte von den tausend Kranichen.<br />

Bringt man die Geduld auf sie<br />

zu pfalzen, so hat man einen Wunsch<br />

frei. Viele Kinder machten sich an die<br />

Arbeit.<br />

Mitte April, kurz vor den Osterferien<br />

fanden in der Schule Projekttage<br />

statt. In der Unter- und Mittelstufe<br />

suchten sich einige Klassen praktische<br />

Aktivitäten. Vieles Schöne und Nützliche<br />

entstand in diesen Tagen – für<br />

den Einzelnen, für die Schulgemeinschaft<br />

und für Notleidende.<br />

Corinna Schaefer (L)<br />

Morgenspruch von Raphael<br />

Ich schaue in die Welt,<br />

In der die Sonne leuchtet,<br />

In der die Kinder spielen,<br />

In der Zerstörung lebt,<br />

In der die Menschen sterben,<br />

In der die Krankheiten wüten,<br />

In der es Gewalt und Hass gibt.<br />

Ich schaue in mein Herz,<br />

In dem Trauer und Verletzung Platz finden,<br />

Wo Glück und Zufriedenheit sind.<br />

Es gibt Enttäuschung und Angst<br />

Und manchmal Gefühlschaos in mir.<br />

Ich will bittend mich wenden,<br />

Dass es Hilfe und Schutz gibt.<br />

Dass ich mich gestärkt und kraftvoll fühle.<br />

Gib mir Geborgenheit und Unterstützung,<br />

Dass Vertrauen in mir wächst.<br />

Morgenspruch von Charlotte<br />

Ich schaue in die Welt,<br />

In der ich Gewalt und Krieg sehe,<br />

In der ich Hass und Tod sehe,<br />

In der ich Glück und Zufriedenheit sehe<br />

Und Menschen, die sich lieben und vertrauen.<br />

Ich schaue in die Seele,<br />

In der ich Angst und Enttäuschung sehe.<br />

In der ich Glück und Zufriedenheit sehe<br />

Und Menschen, die sich lieben und vertrauen.<br />

Ich will bitten,<br />

Gib mir die Kraft zum Leben.<br />

Gib mir den Schutz, den ich brauche<br />

und gib mir die Stärke zum Kämpfen<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 11


Projekttage der Unter- und Mittelstufe<br />

Für die 1. und 2. Klasse standen die Aktivitäten im Zeichen<br />

von Ostern<br />

Für die 1. und 2. Klasse standen<br />

die Aktivitäten im Zeichen von<br />

Ostern.<br />

In sechs gemischten Gruppen besuchten<br />

die Kinder beider Klassen im Karussell<br />

kleine Werkstätten, in denen sie<br />

abwechselnd filzten, malten, schnitten,<br />

kneteten und backten. Jedes Kind<br />

flocht sich ein kleines Osterkörbchen,<br />

in dem die gebastelten Schätze Platz<br />

fanden. Erfüllt und stolz trugen so die<br />

Kinder die Häschen, Eier, Schmetterlinge,<br />

Blumen, Zwerge und Pralinen<br />

nach Hause.<br />

12 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 13


Die 3. Klasse nahm sich für jeden<br />

Tag eine andere Aktivität<br />

vor.<br />

Mit großer Tatkraft haben wir uns am<br />

Montag das Bachbett des Ellerbachs –<br />

vom Stern bis zur Pferdeweide an der<br />

Dörenhagener Straße – vorgenommen<br />

und es von allem gesäubert, was über<br />

den Winter hin angespült wurde.<br />

Um es uns im Klassenzimmer für das<br />

weitere Lernen recht gemütlich zu machen,<br />

entstanden am Dienstag gefilzte<br />

Stuhlkissen.<br />

Und zur Abrundung führte uns eine<br />

Ausflugsfahrt zum Archäologischen<br />

Freilichtmuseum nach Oerlinghausen,<br />

wo wir schon mal ein wenig in die bevorstehende<br />

Hausbauepoche hineinschnuppern<br />

konnten.<br />

14 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


Leder, Leisten und gute Laune<br />

– vier Tage werkelten die Schüler der<br />

4. Klasse mit Schuhmachermeister Ingolf<br />

Wirz. 72 lederbespannte Leisten<br />

verwandelten den Werkraum in <strong>Hamborn</strong><br />

im Nu in eine zünftige Schusterwerkstatt.<br />

Unter fachkundiger Anleitung lernten<br />

die jungen Schusterlehrlinge alle<br />

wichtigen Arbeitsschritte vom Leder<br />

bis zum fertigen Schuh kennen. Und<br />

am Ende stand vor jedem der 36 Schusterlehrlinge<br />

ein eigenhändig gefertigtes<br />

Bundschuhpaar!<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 15


16 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


Klettergerüst, Labyrinth und<br />

Waffeln.<br />

Die 6a teilte sich in drei Gruppen und<br />

nahm sich drei Arbeiten vor: Die 1.<br />

Gruppe verschönerte den Spielplatz<br />

neben dem Schulgebäude. Unter der<br />

fachmännischen Anleitung von Herrn<br />

Rohland wurden alte Balancierbalken<br />

durch neue ersetzt und es entstand ein<br />

Klettergerüst. Das war Schwerstarbeit,<br />

besonders am 2. (kalten, nassen) Tag.<br />

Die 2. Gruppe malte das Labyrinth<br />

von Chartres auf dem Pausenhof und<br />

strich in der Klasse die Holzverkleidung<br />

neu an, die vorher abgeschmirgelt werden<br />

musste.<br />

Die 3. Gruppe backte Waffeln und<br />

verkaufte sie. Der Erlös von gut 400<br />

Euro ging nach Japan für die Behandlung<br />

von traumatisierten Kindern. Außerdem<br />

deckte sie für alle den Mittagstisch<br />

und verteilte Pizza und Saft an<br />

die hungrigen Arbeiter. Allen gefiel<br />

diese Art Schule zu machen, besonders<br />

gut.<br />

Die Kurzberichte über die Klassenaktivitäten<br />

wurden uns übermittelt<br />

von:<br />

Mathilde Hecq (L)<br />

Monika Reker (L)<br />

Martin Heinkelein (E)<br />

Veronika Volland-Selbach (L)<br />

(Siehe auch die folgenden 2 Seiten).<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 17


18 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 19


Politische Brückenschläge<br />

Projekttage in der Oberstufe<br />

Die aktuelle Weltpolitik stand im Mittelpunkt<br />

der diesjährigen Projekttage<br />

unserer Schule. Vom 11. bis zum 14.<br />

April haben sich die Schüler der Oberstufe<br />

von der 9. bis zur 11. Klasse mit<br />

der arabischen Welt, Afrika, der kommunalen<br />

Politik und den Impulsen<br />

Rudolf Steiners in <strong>Schloss</strong> <strong>Hamborn</strong><br />

auseinandergesetzt.<br />

Am Montag wurden die Schüler<br />

von Christian Wolff (Lehrstuhl<br />

für Politik des Nahen Ostens an<br />

der Universität Erlangen-Nürnberg)<br />

und Mohammed Soubh<br />

(Vorsitzender des palästinensischen<br />

Vereins Paderborn) über<br />

die Hintergründe und die aktuellen<br />

Entwicklungen in den arabischen<br />

Ländern informiert. Herr<br />

Wolff verwies auf das strenge religiöse<br />

Leben, auf die autoritären politischen<br />

Strukturen und die ökonomische<br />

Aussichtslosigkeit in diesen<br />

Ländern. Fast die Hälfte der gut ausgebildeten<br />

jungen Menschen bis zu 30<br />

Jahren haben keine Chance einen Arbeitsplatz<br />

zu finden, der eine Familie<br />

ernährt. Damit stehen sie perspektivisch<br />

in jeder Hinsicht vor dem absoluten<br />

Nichts. Wo die Zukunft verbaut<br />

scheint, wird die Gegenwart zur Hölle.<br />

Man hat nichts mehr zu verlieren<br />

und geht auf die Straße, um gemeinsam<br />

mit anderen nach neuen Wegen<br />

zu suchen.<br />

Auf die Frage, wie lange Ägypten<br />

wohl noch brauchen wird, bis wählbare<br />

Parteien Regierungsverantwor-<br />

tung übernehmen können, sagte er<br />

sehr ernst: „In Deutschland hat es auch<br />

60 Jahre gedauert“.<br />

Herr Wolff konnte die Schüler durch<br />

seine erfrischende, jugendliche Art in<br />

seinen Bann ziehen. Er weckte Emotionen<br />

und schaffte eine Verbindung<br />

mit der doch recht weit entfernten arabischen<br />

Welt. Herr Soubh beeindruckte<br />

durch seine persönlichen Erfahrungen.<br />

Die Schüler nutzten in den abschließenden<br />

Workshops die Möglichkeit,<br />

mit beiden Referenten intensiv<br />

ins Gespräch zu kommen.<br />

Am Dienstag drehte sich alles um das<br />

Thema Afrika. Der Dortmunder Universitätsprofessor<br />

Schmidt-Kallert referierte<br />

beeindruckend über „Brücken<br />

bauen: Die Stadt vom Land her neu<br />

entdecken“. Er beschrieb die Konflikte,<br />

die die Landbevölkerung Afrikas<br />

bewegen, ihre Familien zu verlassen<br />

und ihr Glück in der Stadt zu suchen.<br />

In den Workshops konnten die Schüler<br />

an praktischen Beispielen die Problematik<br />

einer Stadtumplanung nachvollziehen:<br />

Wie kann man in ganzen<br />

20 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


Stadtteilen allein durch die Planung<br />

von Straßen, Geschäften oder Polizeistationen<br />

die Häufigkeit der Gewalttaten,<br />

Überfälle und sogar der Vergewaltigungen<br />

drastisch verringern<br />

Weiterhin beschäftigten sich die Schüler<br />

mit aktuellen Themen wie „nachwachsende<br />

Rohstoffe in Deutschland“<br />

oder „Hintergründe und Einhaltung<br />

der Milleniumsziele 2ooo“. Der mit<br />

Abstand am besten besuchte Workshop<br />

wurde von Jan Winter (11. Klasse)<br />

und Jakob Illner (12. Klasse) geleitet.<br />

Vor dem Hintergrund drastisch<br />

steigender HIV-Infektionen und den<br />

dramatischen Folgen in großen Teilen<br />

Afrikas klärten sie ihre Mitschüler über<br />

die Gefahren von AIDS auf.<br />

Der Höhepunkt war für viele Schüler<br />

die Podiumsdiskussion am Mittwoch<br />

mit Politikern von der Kommunal-<br />

bis zur Europapolitik. Eingeladen<br />

waren neben dem Borchener Bürgermeister<br />

Rainer Allerdissen (SPD) und<br />

Hartmut Oster von der Freien Wählergemeinschaft<br />

Borchen auch Simone<br />

Probst, ehemalige parlamentarische<br />

Staatssekretärin im Bundesumweltministerium<br />

(Grüne), Karl-Heinz Wange,<br />

Kreisvorsitzender der CDU in Paderborn,<br />

und Karsten Grabenstroer,<br />

zweiter stellvertretender Bürgermeister<br />

von Paderborn (FDP). Von 9:30 bis<br />

11:00 Uhr stellten sich die Politiker im<br />

Musiksaal den teilweise doch recht<br />

kritischen Fragen der Schüler und äußerten<br />

sich sowohl zu aktuellen Themen<br />

als auch zu den Brückenschlägen<br />

in der Kommunalpolitik unter der Fragestellung<br />

„Ethisch handeln in Zeiten<br />

der Krise“. Manchen Schülern lief die<br />

Podiumsdiskussion allerdings zu gesittet<br />

ab. Es gab sehr wenige verbale Auseinandersetzungen<br />

und mögliche Reibungspunkte<br />

wurden von den Teilnehmern<br />

häufig geschickt vermieden. In<br />

den anschließenden Workshops konnten<br />

die Schüler dann noch mehr über<br />

den Politiker, den sie am sympathischsten<br />

fanden, erfahren. Man konnte a-<br />

ber auch einem Politiker seiner Wahl<br />

mal so richtig auf den Zahn fühlen, was<br />

einige Schüler der 9a auch mit besonderem<br />

Engagement taten.<br />

Welche Bedeutung die Anthroposophie<br />

Rudolf Steiners für <strong>Schloss</strong> <strong>Hamborn</strong><br />

hat, wurde am Donnerstag deutlich.<br />

Anlässlich seines 150. Geburtstags<br />

konnten die Schüler mit Arbeitsgruppen<br />

vielfältiger Einrichtungen der Rudolf-Steiner-Werkgemeinschaft<br />

ins Gespräch<br />

kommen. Man konnte sich über<br />

Steiners Impulse in der Medienarbeit,<br />

in der Sterbebegleitung, in der Medi-<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 21


zin und der Berufsförderung sowie in<br />

der Waldorfpädagogik in <strong>Schloss</strong> <strong>Hamborn</strong><br />

informieren.<br />

Die Workshops kamen bei allen Schülern<br />

sehr gut an und besonders die ausfürlichen<br />

und sehr emotionalen Schilderungen<br />

über die Sterbebegleitung<br />

haben sie doch tief und nachhaltig beeindruckt.<br />

Insgesamt kann man die Projekttage<br />

der Oberstufe als sehr gelungen bezeichnen<br />

und auch für das nächste Jahr<br />

freuen wir uns auf spannende Tage.<br />

Katja Mikus (L)<br />

22 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


Projektgruppe Lehrerbildung<br />

Rudolf Steiner- Schule <strong>Schloss</strong> <strong>Hamborn</strong><br />

Selbstqualifizierung<br />

- Qualitätsbildung<br />

- 3er Teams<br />

- Mentorenschulung<br />

(Zielgruppe: Wir selbst)<br />

Praktische Ausbildung<br />

- Module für die Praxis<br />

- Waldorfprofil<br />

- Feststellungsprüfung<br />

(Zielgruppe: Absolventen,<br />

Quereinsteiger)<br />

Lehrerausbildung<br />

- Orientierungsphase f.<br />

Studierende staatl.<br />

Unis<br />

- Alanus<br />

- Witten-Annen o.a.<br />

(Zielgruppe: Studierende)<br />

Aus der geschäftsführenden Konferenz<br />

unserer Schule hat sich in diesem Schuljahr<br />

eine Gruppe aus Eltern und Lehrern<br />

gebildet, die sich mit dem Thema<br />

Lehrerbildung beschäftigt. Die Motivation<br />

ergab sich aus zukunftspolitischen<br />

Fragestellungen:<br />

– Wie kann die Qualität unserer Schule<br />

gesichert werden<br />

– Wie können die gewonnenen Erfahrungen<br />

und diese Qualität weitergegeben<br />

werden<br />

–Wie kann dadurch unser Schulprofil<br />

gestärkt werden<br />

– Wie können dadurch die Attraktivität<br />

unserer Schule erhöht und künftig<br />

neue Lehrer gewonnen werden<br />

Die Projektgruppe hat zunächst die<br />

bisherigen, bereits vielfach geführten<br />

Aktivitäten gesichtet und in einem<br />

neuen konzeptionellen Entwurf reorganisiert.<br />

Dieser steht auf 3 Säulen: der<br />

Selbst- und Weiterbildung unseres Kollegiums,<br />

der praktischen Ausbildung<br />

neuer Kollegen und Quereinsteigern<br />

und der Einstieg in eine praxisorientierte<br />

Lehrerausbildung in Kooperation<br />

mit anderen Ausbildungsstätten.<br />

Im nächsten Schuljahr wird es mit<br />

konkreten Schritten weitergehen.<br />

Dr. Wilfried Gabriel (L)<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 23


Ganz nah und doch so weit entfernt!<br />

Die Klassenfahrt der 8a<br />

Burg Sternberg – Wo ist das denn<br />

Na, zwischen Linderhofe und Schwelentrup!<br />

Häh Welche Stadt liegt da denn<br />

in der Nähe Na, Dörentrup liegt da<br />

und natürlich Lemgo! Wie Das ist<br />

doch ganz in der Nähe! Und das soll<br />

eine Klassenfahrt sein<br />

So oder so ähnlich mögen die Gedanken<br />

der Schüler gewesen sein, als<br />

sie zum ersten Mal von den Plänen<br />

ihrer Eltern und der Klassenlehrerin<br />

Gabriele Tigges hörten.<br />

Wie war sie denn nun, diese Fahrt in<br />

die Nähe Hier ein Bericht aus Sicht<br />

der Begleiterin Katja Mikus:<br />

„Es war kein leichter Start. Wir<br />

nutzten nämlich nur öffentliche Verkehrsmittel,<br />

was bedeutete, dass wir<br />

alles, was wir einpackten, auch selbst<br />

tragen mussten. Den eigenen Koffer<br />

also selbst in den Zug, im Zug zum Platz,<br />

wieder heraus und vom Bahnsteig runter<br />

auf den Parkplatz neben dem Bahnhof<br />

in Detmold. Und damit nicht genug,<br />

wir sollten auch noch sehr eigenartige<br />

Dinge wie z. B. einen warmen<br />

Schlafsack, eine Trillerpfeife oder eine<br />

Plane mit der Größe von 2 x 3 m mitbringen.<br />

Warum blieb zunächst unklar.<br />

Glücklicherweise hatte nun die große<br />

Schlepperei aber bereits am Detmolder<br />

Bahnhof ein Ende. Dort erwarteten<br />

uns die drei jungen Erlebnispädagogen<br />

Denny (26), Simon (26) und Rüdiger (28)<br />

von EOS (einem Verein, der sich Erlebnispädagogik<br />

auf die Fahnen geschrie-<br />

24 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


en hat) mit einem Autoanhänger, der<br />

tatsächlich alle riesigen Koffer und<br />

Taschen der Schüler aufnahm. Dadurch<br />

war nur noch der kleine Wanderrucksack<br />

dabei, und so konnten wir problemlos<br />

die Reise per Bus nach Schwelentrup<br />

fortsetzen und ganz in Ruhe<br />

die einzigartige Landschaft genießen.<br />

Auf der kleinen Wanderung zur Burg<br />

begann das Kennenlernen unserer drei<br />

Begleiter. Die erste Aufgabe war: Wir<br />

bringen den Dreien unsere 35 Namen<br />

möglichst rasch bei! Es klappte bereits<br />

am nächsten Morgen ohne Probleme.<br />

Nach dem Einzug in die Burg und<br />

verschiedenen Geschicklichkeits- und<br />

Strategiespielen, die das soziale Miteinander<br />

der Schüler stärkten, weihten<br />

uns dann die Pädagogen in das<br />

große Vorhaben ein: Am Mittwochabend<br />

sollte das „Solo“ stattfinden –<br />

eine komplette Nacht allein im Wald.<br />

Nach dem ersten Schock und den ersten<br />

Bedenken machte sich unter den<br />

Schülern ganz langsam Neugierde<br />

breit, und bei manchen war auch<br />

schon Vorfreude dabei. Aber: Wie soll<br />

das eigentlich rein praktisch geschehen<br />

Mit dieser Frage begann am<br />

Dienstag die Vorbereitung auf das Solo.<br />

Simon zeigte uns, wie wir eine Plane<br />

zum Schutz vor Regen zwischen<br />

den Bäumen befestigen konnten und<br />

beantwortete zusammen mit Frau Tigges<br />

geduldig alle Fragen der Schüler.<br />

Abends wurde dann ein Lagerfeuer<br />

entzündet, an dem man gemeinsam<br />

auf die Dunkelheit wartete. Mit Begleitung<br />

der Pädagogen ging es dann in<br />

kleinen Gruppen in den Wald. Es wurden<br />

Geräusche erraten und Verstecken<br />

gespielt. Dann kam die erste große Hürde:<br />

Der Abend endete mit einer Nachtwanderung<br />

über ca. 1,5 km, auf der<br />

der Weg lediglich im Abstand von 100<br />

bis 150 Metern von je einer Kerze beleuchtet<br />

wurde. Dazwischen war absolute<br />

Dunkelheit. Man musste sich<br />

ganz auf sein eigenes Gefühl verlassen,<br />

da jeder den Weg alleine gehen<br />

sollte. Die Schüler starteten nacheinander<br />

im Abstand von 40 Sekunden,<br />

und so wusste jeder, wer direkt vor und<br />

wer hinter einem ging. Das anfängliche<br />

Unbehagen konnten viele überwinden<br />

und die Schritte wurden nach<br />

jedem Meter sicherer. Wer nicht mehr<br />

alleine gehen wollte, der wartete einfach<br />

auf seinen „Hintermann“, und so<br />

konnte man ein Stück des Weges auch<br />

gemeinsam gehen. Nachdem wir dann<br />

erst nach 2.00 Uhr wieder an unserer<br />

Burg ankamen, war die Devise für den<br />

nächsten Morgen schnell klar: Ausschlafen!<br />

Nach einem sehr ruhigen Morgen<br />

und einem ordentlichen Mittagessen<br />

schnallten wir uns die bereits gepackten<br />

Rucksäcke mit Schlafsack und Isomatte<br />

auf und machten uns auf den<br />

Weg, bereit für die Nacht im Wald.<br />

Zunächst ging es aber zu einem Sportplatz.<br />

Dort konnte man sich entweder<br />

ausruhen oder durch Fußball oder Frisbee-Spielen<br />

seine Energie loswerden.<br />

Nach dem Abendessen ging es dann<br />

endlich los. Drei Gruppen zogen feierlich<br />

aus und bezogen ihr jeweiliges<br />

Basislager im Wald. Von dort aus hatten<br />

wir uns jeder schon im Vorfeld ein<br />

eigenes Lager gesucht und mit einer<br />

Holzbalkenumrandung gekennzeich-<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 25


26 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 27


28 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


net. Von diesem Basislager zog dann<br />

jeder, begleitet von einem Didgeridoo,<br />

zu seinem eigenen Solo aus. Nun war<br />

man mit seinen Gedanken alleine. Einige<br />

machten sich über ihre Zukunft<br />

Gedanken, andere beobachteten die<br />

Bewegungen der Bäume und ihrer<br />

Umgebung, andere legten sich in Gruppen<br />

zusammen und wieder andere<br />

sind tief und fest eingeschlafen. Zur<br />

Freude einiger und zum Frust anderer<br />

Schüler war es allerdings leider nicht<br />

möglich, wirklich die ganze Nacht allein<br />

im Wald zu verbringen. Der Revierförster<br />

kam um 19:00 Uhr vorbei<br />

und berichtete von einer Bache und<br />

ihren Frischlingen, die nachts durch<br />

den Wald zögen. Einzelübernachtungen<br />

waren somit zu gefährlich. So kamen<br />

wir gegen 23:00 Uhr alle wieder<br />

zum Basislager zurück und wir verbrachten<br />

die Nacht im Schein eines Kerzenkreises<br />

gemeinsam. Am Morgen<br />

danach konnten einige sogar kleinere<br />

Waldtiere wie z. B. Marder oder Wiesel<br />

sehen. Gegen 9:00 Uhr ging es dann<br />

zurück zur Burg, wo schon das Frühstück<br />

auf uns wartete.<br />

Am Donnerstag war dann Ausschlafen<br />

und Ausruhen angesagt. Schüler,<br />

die nicht müde waren, vertrieben sich<br />

die Zeit mit Wikingerschach oder Badminton,<br />

aber der Großteil war in seinen<br />

Betten.<br />

Am Freitag räumten wir dann unsere<br />

Zimmer, packten ein Lunchpaket ein<br />

und machten uns, wieder mit öffentlichen<br />

Verkehrsmitteln, auf den Weg<br />

zu den Externsteinen in Holzhausen,<br />

Horn-Bad Meinberg. Dort konnte die<br />

ganze Klasse noch einmal ihre Klassengemeinschaft<br />

unter Beweis stellen.<br />

Zwischen zwei Bäumen wurden vier<br />

Seile in einer Höhe von 1 bis 2 Metern<br />

gespannt. Die gesamte Klasse stand auf<br />

einer Seite und musste sich Strategien<br />

überlegen, um auf die andere Seite zu<br />

gelangen. Man durfte die Seile allerdings<br />

nicht berühren und 10 Schüler<br />

mussten über das oberste Seil und 10<br />

Schüler durch den Zwischenraum von<br />

dem obersten und dem mittleren Seil<br />

transportiert werden. Nach anfänglich<br />

recht chaotischen Einzelversuchen und<br />

einigen Fehlschlägen wurde das Problem<br />

intensiv bearbeitet und letztendlich<br />

fand die Klasse gemeinsam zur<br />

Lösung: Alle kamen hinüber!<br />

Nun ging es auf zur letzten Wanderung,<br />

zum Bahnhof von Horn, wo Simon<br />

auch schon mit dem Gepäck wartete.<br />

Gegen 16:45 Uhr trafen die Schülerinnen<br />

und Schüler wieder am Startpunkt,<br />

dem Paderborner Bahnhof, ein.<br />

Die Klassenfahrt der 8a war insgesamt<br />

eine sehr spannende Zeit und hat<br />

auch so manche Schüler an ihre/seine<br />

Grenzen geführt. Aber trotz ihres doch<br />

recht jungen Alters konnten viele ihre<br />

Willenskraft und ihre Stärke zeigen.<br />

In den verschiedenen Spieleinheiten<br />

zeigte sich auch immer wieder ein starker<br />

Zusammenhalt der Klasse. Stand<br />

ein Problem an, wurde es gemeinsam<br />

besprochen und gelöst. Die Schülerinnen<br />

und Schüler der 8a harmonieren<br />

wunderbar miteinander und es macht<br />

sehr viel Spaß mit ihnen Zeit zu verbringen.<br />

Katja Mikus (L)<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 29


Zu den Biographie-Arbeiten der Klasse 8a<br />

Jugendliche im Alter von 14 - 15 Jahren<br />

befinden sich in einer Übergangszeit.<br />

Sie leben in einem Zustand des<br />

Noch-Nicht. Sie haben die Kindheit verlassen,<br />

aber sie sind noch nicht erwachsen.<br />

Als Waldorf-Schüler einer 8.<br />

Klasse befinden sie sich am Ende der<br />

Klassenlehrerzeit, aber noch nicht in<br />

der Oberstufe. Gilt in der Unter- und<br />

Mittelstufe, dass sich die pädagogischen<br />

Bemühungen vorrangig auf die<br />

individuellen Entwicklungsmöglichkeiten<br />

richten sollen („Der Lehrplan ist<br />

das Kind“, so heißt es); so fordert in<br />

der Oberstufe die Gesellschaft mit ihren<br />

Aufgaben und Ansprüchen zunehmend<br />

ihr Recht. Werte und Normen<br />

werden den Jugendlichen bewusst und<br />

von ihnen geprüft. Entwicklungsaufgaben<br />

müssen bewältigt und irgendwann<br />

schließlich Prüfungen absolviert<br />

werden. Es gilt, die verschiedenen Bereiche<br />

der Gesellschaft zu erkunden<br />

und eine erste Orientierung für sich<br />

zu finden.<br />

„Lebenskunde soll aller Unterricht<br />

sein“ – so lautet die pädagogische Maxime<br />

für die Oberstufe. Aber was ist<br />

das Leben – und wie kann man es<br />

meistern<br />

In dieser Situation stehen die Jugendlichen<br />

dieses Alters und suchen<br />

mit Blick auf die Zukunft Perspektiven,<br />

während sich in ihrer Seele Fragen<br />

nach dem, was wahr und richtig ist,<br />

stellen.<br />

Die intensive Auseinandersetzung<br />

mit der Biographie eines Menschen,<br />

der sich besonderen Lebensaufgaben<br />

gestellt hat, ist hier ein ebenso genialer<br />

Griff wie eine konkrete Hilfestellung.<br />

Wer die Präsentation der Biographie-arbeiten<br />

der diesjährigen achten<br />

Klasse mit ihrer Klassenlehrerin Gabriele<br />

Tigges erlebt hat, konnte dies<br />

durch ein beeindruckendes Feuerwerk<br />

von idividuellen Darstellungen wahrnehmen:<br />

hier rangen Jugendliche mit<br />

Fragen – was gut, was falsch ist, womit<br />

man Erfolg hat und woran man<br />

scheitern kann, wie man mit Schicksalsschlägen<br />

umgeht, wie man große<br />

Aufgaben angehen kann – ja mit dem,<br />

was letztlich zählt im Leben.<br />

Mit einem untrüglichen Gespür für<br />

biographisch wesentliche Momente<br />

wurden dem staunenden Publikum<br />

Blitzlichter auf spannende Lebensläufe<br />

vermittelt, mit einer je eigenen Auseinandersetzung<br />

und emotionaler Betroffenheit:<br />

so begann etwa Joshua<br />

seinen Vortrag mit der Geschichte eines<br />

Mannes, den er im Café sitzend<br />

seinen eigenen Nachruf lesen ließ,<br />

samt einer vernichtenden Kritik über<br />

sein Lebenswerk. Betroffen beschloss<br />

dieser Mann seinem Leben eine andere<br />

Richtung zu geben und Gutes zu<br />

tun. Joshua enthüllte dann den gespannt<br />

Lauschenden die Identität als<br />

die von Alfred Nobel, dem Begründer<br />

des Nobelpreises – die Todesnachricht<br />

beruhte auf einer Verwechselung mit<br />

seinem unlängst verstorbenen Bruder.<br />

Joy beendete ihre Ausführung zu<br />

Elisabeth Selbert – einer Frauenrecht-<br />

30 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


lerin und einer der Mütter<br />

unseres Grundgesetzes<br />

– mit dem Ausruf, dass ihr<br />

durch die Auseinandersetzung<br />

mit dieser Biographie<br />

klar geworden sei,<br />

dass sie Rechtsanwältin<br />

werden wolle.<br />

Umrahmt und unterbrochen<br />

von musikalischen<br />

Beiträgen und kulinarischen<br />

Leckereien bot sich<br />

den Anwesenden in dieser<br />

Art ein bunter und hochinteressanter<br />

Reigen von<br />

Biographiedarstellungen.<br />

An den zwei jeweils vierstündigen<br />

Abenden kam an keiner<br />

Stelle Langeweile auf, wie es ein Elternteil<br />

zum Abschluss deutlich feststellte.<br />

Besonders beeindruckend war auch<br />

die Ausstellung der Porträtbilder und<br />

Zeichnungen im Raum, die die Jugendlichen<br />

jeweils zu ihrer Biographie<br />

erstellt hatten und die vielfach<br />

von der Tiefe der persönlichen Auseinandersetzungen<br />

zeugten. Anrührend<br />

und als besondere Stimmung<br />

wahrnehmbar war auch die Klarheit<br />

des ethischen Empfindens, welches<br />

sich durch alle Darstellungen zog. So<br />

begann z. B. Jonas seine Darstellung<br />

des vielbe-wunderten Apple-Chefs<br />

Steve Jobs damit, dass er erzählte,<br />

wie dessen erster großer finanzieller<br />

Erfolg aus dem egoistischen Vermarkten<br />

einer fremden Idee bestand und<br />

ließ dieses Motiv mehrfach durchschimmern.<br />

Jonas schloss seinen Vortrag<br />

nüchtern mit dem Hinweis, dass<br />

Steve Jobs zwar Großes entwickelt habe,<br />

er ihn aber keinesfalls zum Freund haben<br />

wolle.<br />

Sicher und überzeugend, wie diese<br />

Jugendlichen sich präsentierten, konnten<br />

die Zuschauer den Eindruck gewinnen,<br />

dass hier eine Generation heranwächst,<br />

die einen viel klareren Blick auf<br />

die Wirklichkeit des Lebens entwickelt,<br />

als manche Erwachsene dies zuweilen<br />

vermuten. So gerüstet mögen sie ihr eigenes<br />

in die Hand nehmen – ist doch<br />

des Menschen größtes Kunstwerk die eigene<br />

Biographie.<br />

Dr. Wilfried Gabriel (L)<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 31


Ein besonderes Geschenk an die Berufsförderung<br />

Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 20.<br />

Geburtstag der Berufsförderung haben<br />

die Beteiligten des Reitstalls mit einem<br />

ganz besonderen Geschenk den Festtag<br />

bereichert. Ein von den Mitarbeitern<br />

selbstgeschriebenes Theaterstück<br />

konnte bei herrlichem Sonnenschein<br />

zur Uraufführung gebracht werden. Es<br />

versteht sich ja von selbst, dass die<br />

Akteure in den Wochen zuvor intensiv<br />

mit dem Einstudieren der Abläufe<br />

und dem Verinnerlichen der Handlung<br />

befasst waren. Darüber hinaus mussten<br />

auch die reiterlichen Anforderungen<br />

bewältigt werden. Der überwie-<br />

gende Teil der <strong>Hamborn</strong>er Pferde war<br />

in den Ablauf der Spiele eingebunden.<br />

Reiter und Tiere wurden in einen minutiösen<br />

Ablaufplan eingebunden. Eine<br />

anstrengende aber auch eine für<br />

alle erfüllte und begeisternde Zeit liegt<br />

hinter uns, sind sich Frau Knauf, Frau<br />

Robitzki und Frau Berheide einig. Ein<br />

Projekt mit einer solchen Dimension<br />

war für Tier und Mensch eine ordentliche<br />

Herausforderung gewesen. Aber<br />

die Mühen haben sich gelohnt, was<br />

nicht zuletzt der begeisternde Applaus<br />

bewies.<br />

Die Handlung nahm die Zuschauer<br />

32 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 33


mit auf die Suche des Prinzen nach seiner<br />

geliebten Herzensdame, seiner<br />

Prinzessin nebst Gefolge. Um sie zu<br />

finden, musste er die unterschiedlichsten<br />

Orte aufsuchen, jeder mit einer<br />

ganz eigenen Begegnung. Die zahlreichen<br />

Zuschauer waren die Begleiter<br />

am Rande des Geschehens und folgten<br />

den Spielern von Spielort zu Spielort.<br />

Höhepunkte waren der Tanz der Trolle<br />

auf der <strong>Schloss</strong>wiese, die Begegnungen<br />

mit den Zwergen und dem Drachen<br />

an einem versteckten Ort in der<br />

Nähe des Stalles und der große Abschluss,<br />

nachdem der einäugige Piratmit<br />

seinen einäugigen Freunden auch<br />

noch Anlass zum Schmunzeln bot. Die<br />

Hofdamen und die Prinzessin konnten<br />

dem quirligen Treiben vom Balkon<br />

ihres <strong>Schloss</strong>es folgen.<br />

Ein herzliches Dankeschön an alle<br />

Beteiligten. Auf wunderbar unterhaltsame<br />

Art konnte neben der amüsanten<br />

Geschichte auch die Qualität der<br />

integrativen und therapeutischen Arbeit<br />

mit dem Pferd und um das Pferd<br />

herum erlebbar gemacht werden.<br />

Hartmut Oster(Er)<br />

34 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


Persönliche Erfahrungsberichte vom<br />

Pädagogischen Wochende, April 2011<br />

Natürlich hat das sehr schöne Wetter<br />

kurz den Gedanken „Ich könnte die<br />

Zeit auch gut für den Garten nutzen“<br />

anklingen lassen, aber dann kam spätestens<br />

beim gemeinsamen Beginn im<br />

Foyer der klare Gefühlsgedanke: „Wie<br />

schön, dass ich mir dieses so wunderbar<br />

geplante und liebevoll gestaltete<br />

Wochenende für mich gönne“.<br />

Es war rundherum ein Genuss: die<br />

schöne warme Sonne, in der wir alle<br />

Pausen mit Tee, Kaffee und anderen<br />

kulinarischen Köstlichkeiten verbrachten,<br />

die hellen, angenehmen Räumlichkeiten,<br />

die sympathischen Menschen,<br />

das große Angebot an Kursen,<br />

das gute Essen von der Berufsförderung...<br />

Und natürlich „mein Kurs“,<br />

den ich mit weiteren acht Teilnehmern<br />

mit Kursleiter Peter Vahle in dessen<br />

Malraum verbrachte. Zum ersten Mal<br />

habe ich mit Acrylfarben auf Leinwand<br />

gemalt und es war ein Erlebnis der besonderen<br />

Art. Welche Farbe wähle ich,<br />

wie setze ich die Anweisung um, kann<br />

ich mich an Vorgaben halten, traue ich<br />

mich, einfach zu malen ohne zu bewerten,<br />

– aber wann ist ein Bild fertig...<br />

Wir haben alle Vieles, zum Teil Neues,<br />

an uns erleben dürfen. Das stärkste<br />

Erlebnis bestand in der Umsetzung der<br />

zweiten Anweisung: ein Bild, von einer<br />

Person begonnen, weiterzumalen,<br />

einen eigenen Akzent in das Bild eines<br />

anderen Menschen hineinzubringen.<br />

Da war nicht nur bei mir eine hohe<br />

Hemmschwelle entstanden, die es<br />

zu überwinden galt. Darf ich in das<br />

Kunstwerk eines anderen Menschen<br />

einfach eingreifen! Das brauchte viel<br />

Mut und Entschlossenheit, um es zu<br />

wagen. Umso größer dann die Erleichterung,<br />

im dritten Schritt wieder an<br />

dem eigenen, zuerst begonnenen Bild<br />

mit dem Akzent eines anderen Menschen<br />

weiter malen zu dürfen.<br />

Diese kreative Arbeit hat uns auf sehr<br />

befriedigende Weise müde gemacht<br />

und so traten wir, nachdem wir bei der<br />

Abschlussrunde unsere „Werke“ gezeigt<br />

hatten, zufrieden mit unserem<br />

Bild im Gepäck den Heimweg an.<br />

Vielen Dank den Organisatoren und<br />

Gruppenleitern – und auf ein fröhliches<br />

Wiedersehen am Pädagogischen<br />

Wochenende 2012. Ich kann auf diesem<br />

Wege nur empfehlen, sich im<br />

nächsten Jahr dazuzugesellen. Es lohnt<br />

sich!<br />

Brigitte Stein-Geldmacher (E)<br />

Meike Strathoff und Johanna<br />

Höfler luden in ihrer Arbeitsgruppe<br />

dazu ein, folgende Fragen zu bewegen:<br />

Wie können Familie und Schule<br />

so zusammenwirken, dass sich die beiden<br />

elementaren Lebensräume der<br />

Kinder gegenseitig ergänzen und bereichern<br />

und den Kindern gesunde<br />

Entwicklungsmöglichkeiten bieten<br />

Wie können unterschiedliche individuelle<br />

Lebensentwürfe der Familien in<br />

der Entwicklung der Schule berücksichtigt<br />

werden<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 35


Die Fragen wurden sehr persönlich und<br />

mit großem gegenseitigen Interesse an<br />

der Lebensgestaltung der teilnehmenden<br />

Familien bewegt. Dabei kristallisierte<br />

sich heraus, dass die diese Eltern<br />

den nachmittäglichen schulfreien<br />

Raum (von den Hausaufgaben abgesehen)<br />

für ihre Kinder und das gesamte<br />

Familienleben sehr schätzen. Er bietet<br />

ausreichend Möglichkeiten für Begegnungen<br />

in der Familie. Die Kinder<br />

können ihren individuellen Interessen<br />

nachgehen und Fähigkeiten erwerben<br />

und pflegen (Instrumentenunterricht,<br />

Sport usw.). Doch auch diese Aktivitäten<br />

sind von Erwachsenen gestaltet. Als<br />

genau so wichtig neben Schule und<br />

den genannten Freizeitaktivitäten wird<br />

der Freiraum erlebt, den die Kinder alleine<br />

oder mit anderen Kindern ausfüllen<br />

können. Dazu gehört, dass sie<br />

ihre eigene schöpferische Kraft, Neugierde<br />

und Entdeckungslust ausleben,<br />

erleben und erproben können, also<br />

wirklichen Spielraum haben, und dabei<br />

wie nebenbei lernen. Der Sinn liegt<br />

darin, dass es diesen Raum gibt, wo<br />

die Kinder einfach sein können. Das<br />

Eintauchen in diesen Raum ermöglicht<br />

und fördert, dass sie in der Schule offen,<br />

kraftvoll und mit Freude in den<br />

gestalteten Lernraum und sozialen<br />

Raum der Klassengemeinschaft hineinfinden<br />

können. Aus diesen Erfahrungen<br />

heraus befürwortete die Arbeitsgruppe<br />

im Nachmittagsbereich<br />

der Schule eher offene als verpflichtende<br />

Angebote; und dass eine nachmittägliche<br />

Betreuung sich danach ausrichten<br />

sollte, dass die Kinder auch eigene<br />

innere Motivationen ausleben<br />

können, was durch keine noch so gut<br />

durchdachten zusätzliche pädagogische<br />

Angebote ersetzt werden kann.<br />

Es wurde auch über individuelle Möglichkeiten<br />

gesprochen, sich als Famili-<br />

36 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


en gegenseitig zu unterstützen, z. B.<br />

im Bewahren oder Einrichten freier<br />

Spielräume der Kinder.<br />

Das Erarbeiten einer pädagogischen<br />

Spiegelform aus der Eurythmie ergänzte<br />

das Gespräch wunderbar. Jeder<br />

wirkt in voller Verantwortung individuell<br />

an seinem Platz und übernimmt<br />

damit zugleich volle Verantwortung<br />

für die Gesamtgestalt und<br />

findet sich auf diese Weise in der Gemeinschaft<br />

auch wieder.<br />

Sabine Alff (E)<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 37


Unsere Buchbesprechung<br />

Iain Lawrence: „Die Tochter des Leuchtturmwärters“ (ab 14 J.)<br />

Dieses Buch entführt den<br />

Leser in die urwüchsige<br />

Natur der pazifischen Inselwelt<br />

vor der Küste Canadas<br />

im Westen, nicht<br />

weit von Vancouver.<br />

Es ist die Zeit, in der es<br />

noch den Beruf des<br />

Leuchtturmwärters gab,<br />

dessen Einsatz wichtig<br />

für die Schiffe war, wenn<br />

sie nachts die Küste passierten.<br />

Lizzie Island ist eine<br />

winzige Insel, auf welcher<br />

der Leuchtturmwärter<br />

mit seiner Familie in<br />

großer Abgeschiedenheit<br />

lebt. Alle vier Wochen<br />

kommt ein Versorgungsboot<br />

von der Küste und<br />

bringt alles Lebensnotwendige<br />

für die Menschen.<br />

Murray und Hannah leben<br />

dort mit ihren Kindern<br />

Krabbe und Alistair.<br />

Zu dem Lebenswichtigen<br />

gehören viele Bücher, die<br />

Murray mit dem Schiff<br />

kommen lässt, weil er ü-<br />

ber das Wetter, die Pflanzen-<br />

und Tierwelt dieser<br />

Region, das Meer, die Stürme forscht<br />

und weil er seine Kinder, wenn er nicht<br />

am Leuchtturm und am Haus arbeitet,<br />

selbst unterrichtet. Alistair ist ein begieriger<br />

Schüler und Naturbeobachter.<br />

Diese paradiesische Insel wird für alle<br />

außer Murray, der das zunächst nicht<br />

verstehen kann, zum Gefängnis. Hannah,<br />

die sehr viel jünger ist als ihr<br />

Mann, leidet an den langen, harten<br />

38 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


Wintern voller Einsamkeit. Alistair<br />

fährt auf’s Meer hinaus und ertrinkt<br />

schließlich – er liebte die Wale und ihre<br />

Musik. Krabbe bricht aus dieser Welt<br />

aus, sie haut einfach ab. Als die Kinder<br />

weg sind, geht Hannah für die Winter<br />

immer nach Vancouver, weil die<br />

Dunkelheit, Kälte und Stürme sie in<br />

Depressionen stürzen.<br />

Doch eines Tages kehrt Krabbe zurück<br />

mit einem 3jährigen Kind an der<br />

Hand, Tatjana. Und nun beginnt Krabbe<br />

mit ihrer Vergangenheit zu kämpfen<br />

und zwingt ihre Eltern, dies auch<br />

zu tun.<br />

Die Geheimnisse dieser Vergangenheit<br />

teilen sich dem Leser im Laufe der<br />

Geschichte in vielen Rückblicken mit.<br />

Während Krabbe mit allem hadert,<br />

taucht ihre Tochter ganz in die Welt<br />

der Großeltern ein und hängt besonders<br />

am Großvater, der sie unermüdlich<br />

mit sich herumschleppt und dabei<br />

selbst auflebt. Allmählich nähern<br />

sich die drei Erwachsenen einander an,<br />

in Ehrlichkeit und Offenheit.<br />

Diese Erzählung hat einen gewaltigen<br />

Spannungsbogen und der Autor<br />

stellt die Menschen dar, ganz verwoben<br />

in das ungeheure Naturgeschehen.<br />

Man hört beim Lesen sozusagen die<br />

Stürme brausen, den Regen klatschen,<br />

die Wale singen. Ein unglaubliches<br />

Buch!<br />

Almut Blanke (eL)<br />

„Die Tochter des Leuchtturmwärters“<br />

2. Auflage 2006<br />

Verlag freies Geistesleben<br />

ISBN-13978377 252 2475<br />

235 Seiten, 16,50 Euro<br />

Aus der Deutschepoche<br />

der Klasse 12 c<br />

Allein der bloße Vorgang des Schreibenlernens<br />

stellt große Anforderungen<br />

an den Menschen. Ist dies geglückt, so<br />

kann die Verbindung zwischen den Gedanken<br />

und den Wörtern und Sätzen<br />

auf dem Papier hergestellt werden.<br />

Wenn dann noch aus der Seele des Einzelnen<br />

etwas in diese Worte hineinfließt,<br />

dann hat man es mit lauter kleinen<br />

Kostbarkeiten zu tun. Mit Ehrfurcht<br />

und Achtung vor den Werken<br />

der Schüler der Klasse 12c bin ich<br />

dankbar, einige davon vorstellen zu<br />

dürfen.<br />

Diese Gedichte entstanden hauptsächlich<br />

im Laufe einer Deutschepoche.<br />

Sie lehnen sich jeweils an Texte von<br />

Kurt Marti, Heinrich Heine, Mascha<br />

Kaléko, Charlie Chaplin und andere<br />

an. Aus den freien Assoziationen der<br />

Schüler entstanden zu den jeweiligen<br />

Themen eigene Werke, zunächst zögerlich<br />

und dann mit immer mehr<br />

Schwung. Beeindruckend war es zu erleben,<br />

wieviel Gefühl jeweils in die<br />

Arbeiten geflossen ist und wie erfüllt<br />

die Schüler oft selbst von ihrer Tätigkeit<br />

waren.<br />

Mich haben die Ergebnisse sehr berührt<br />

und ich wünsche mir von den<br />

Lesern, dass sie mit Achtung gelesen<br />

werden und mit dem Blick auf die<br />

Schüler selbst und ihren ganz besonderen<br />

und individuellen Lebensgang.<br />

Einige Beispiele finden sich umseitig<br />

und auf den Seiten 11und U3 (vorletzte<br />

Umschlagseite).<br />

Sabine Illner<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 39


Zu Dshamilja<br />

Eine unglückliche Liebe<br />

Ein Mädchen liebte einen Jungen<br />

Doch der Junge war sehr beliebt<br />

Und viele waren in ihn verliebt.<br />

Das Mädchen betete jeden Tag<br />

Dass der Junge sie bald mögen mag.<br />

Das Mädchen traute sich nicht<br />

Dem Jungen etwas zu sagen.<br />

Sie beschließt, es per Post zu wagen.<br />

Der Junge hatte aber seine Pflicht<br />

Und das Mädchen traute sich eben nicht.<br />

Als ich mich selbst zu lieben begann<br />

Als ich mich selbst zu lieben begann,<br />

Habe ich verstanden,<br />

Dass das Leben einen Sinn hat.<br />

Ich wurde von meinen Eltern<br />

Aufgenommen und geliebt.<br />

Ich habe mich selbst geliebt<br />

Und es ist gelungen, dass ich geliebt wurde.<br />

Als ich mich selbst zu lieben begann,<br />

Hatte ich zuerst Angst und Trauer.<br />

Ich freue mich, dass ich es geschafft habe,<br />

Dass ich mich nun mag.<br />

Als ich mich bedroht und verletzt gefühlt habe,<br />

Ist es mir gelungen,<br />

Mich von allem fern zu halten.<br />

Als ich mich selbst zu lieben lernte,<br />

Wollte ich zuerst nur schlafen, weil es mir nicht<br />

gut ging.<br />

Als ich darüber sprechen konnte,<br />

Haben meine Eltern mir geholfen.<br />

Raphael<br />

Das Mädchen zeichnete von ihm ein Bild,<br />

Als der Junge auf einmal neben ihr stand<br />

Und er sah, wie sie es in den Händen hielt.<br />

Eine Liebe entstand und beide gingen Hand in<br />

Hand.<br />

Es war wie ein unsichtbares Band.<br />

Als ich mich selbst zu lieben begann<br />

Sascha-Elisabeth<br />

Als ich mich selbst zu lieben begann,<br />

Habe ich versucht,<br />

Mich von allem fern zu halten,<br />

Was mir nicht gut tut.<br />

Jeden Tag auf’s Neue<br />

Ist es eine Übung für mich,<br />

Mich mehr und mehr zu lieben.<br />

Mit dieser Übung<br />

Habe ich sicher noch lange zu kämpfen.<br />

Als ich mich selbst zu lieben begann,<br />

Habe ich mich von Freunden getrennt,<br />

Die mir nicht gut taten.<br />

Und habe gemerkt,<br />

Dass es mir jetzt besser geht.<br />

Antonia<br />

40 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


Inklusion oder die Umsetzung der UN-Konvention<br />

über die Rechte von Menschen mit Behinderungen,<br />

vom 13. Dezember 2006<br />

- ein Diskussionsbeitrag –<br />

„Das Leitprinzip, das diesem Rahmen<br />

zugrunde liegt, besagt, dass Schulen<br />

alle Kinder, unabhängig von ihren<br />

physischen, intellektuellen, sozialen,<br />

emotionalen, sprachlichen oder anderen<br />

Fähigkeiten aufnehmen sollen. Das<br />

soll behinderte und begabte Kinder<br />

einschließen, Kinder von entlegenen<br />

oder nomadischen Völkern, von<br />

sprachlichen, kulturellen oder ethnischen<br />

Minoritäten sowie Kinder von<br />

anders benachteiligten Randgruppen<br />

oder -gebieten.“<br />

– Salamanca Erklärung 1994<br />

In 2009 verpflichtete sich die Bundesrepublik<br />

Deutschland, die Salamanca<br />

- Erklärung in unserem Land umzusetzen.<br />

Der Begriff „Inklusion“ lässt<br />

sich aus dem Lateinischen herleiten<br />

und bedeutet „Einschluss“. Im Gegensatz<br />

dazu steht der Begriff „Exklusion“:<br />

„Ausschluss“. Zwischen diesen beiden<br />

Begriffen stehen, wie in einer Reihenfolge,<br />

die Begriffe „Integration“<br />

und „Separation“. Schauen wir uns<br />

zunächst diese Begriffe einmal näher<br />

an:<br />

Exklusion: Innerhalb einer Menschenmenge<br />

mit variabler Größe bildet sich<br />

eine geschlossene Gruppe, die alle anderen<br />

ausschließt. Die Gründe dafür<br />

sind vielfältig. Sie können in der Schule<br />

sein: Klassengröße, räumliche oder<br />

personelle Ressourcen, Entfernung<br />

zum Wohnort etc.<br />

Separation: Innerhalb einer Menschenmenge<br />

mit variabler Größe bildet<br />

sich eine Gruppe, die andere ausschließt<br />

unter der Vorgabe, bestimmte<br />

Merkmale der Gruppenzugehörigkeit<br />

nicht zu erfüllen. Das kann in der<br />

Schule sein: Behinderung, Leistungsfähigkeit,<br />

Weltanschauung, Muttersprache<br />

etc.<br />

Integration: Innerhalb einer definierten<br />

Gruppe wird eine zweite Gruppe<br />

gebildet, die zuvor ausgeschlossen<br />

war, weil ihre Mitglieder den Merkmalen<br />

der Gruppenzugehörigkeit<br />

nicht entsprechen, aber unter der Maßgabe<br />

sich anzupassen, dazu genommen<br />

wird (Wieder-Eingliederung). Sie<br />

bleibt eine eigenständige Gruppe in<br />

der bestehenden Gruppe. Für die Schule<br />

kann das heißen: eine Gruppe von<br />

4 – 6 Schülern innerhalb einer Klasse<br />

wird nach anderen Gesichtspunkten<br />

unterrichtet und/oder gefördert. Sie<br />

haben einen erhöhten Förderbedarf<br />

oder brauchen z.B. zusätzlichen Unterricht<br />

in der dem allgemeinen Unterricht<br />

zugrundeliegenden Sprache,<br />

um den Unterrichtsstoff zu bewältigen.<br />

Inklusion: Lauter verschiedene Menschen<br />

bilden eine Gemeinschaft. Es<br />

geht nicht um gemeinsame Merkmale,<br />

sondern um die Vielfalt innerhalb<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 41


der Gemeinschaft. Jeder Mensch ist<br />

für sich genommen einzigartig. Die<br />

UN-Konvention zeichnet konsequent<br />

das Bild einer Gesellschaft, in der alle<br />

Menschen mit ihren individuellen Eigenschaften<br />

willkommen sind. Für<br />

die Schule heißt das: es gibt keine<br />

zwei Lerngruppen, sondern in einer<br />

Klasse einfach Kinder oder Jugendliche,<br />

die die Klassengesamtheit bilden<br />

und die unterschiedliche Bedürfnisse<br />

haben. Viele dieser Bedürfnisse werden<br />

von der Mehrheit geteilt und bilden<br />

somit gemeinsame Lernbedürfnisse.<br />

Alle Schüler haben darüber hinaus<br />

aber individuelle Bedürfnisse,<br />

darunter eben auch solche, die spezielle<br />

Mittel oder/und Methoden erfordern.<br />

Inklusion in der Schule bedeutet<br />

demnach, heterogene Gruppen<br />

individuell zu unterrichten.<br />

Inklusion bedeutet, den Menschen in<br />

seiner Einzigartigkeit wahrzunehmen<br />

und ihm die Möglichkeit zu geben,<br />

in der Gemeinschaft zu seinem eigenen<br />

Bildungsziel zu kommen und damit<br />

ein möglichst selbstbestimmtes<br />

und eigenverantwortliches Leben zu<br />

führen. Die NRW-Schulministerin,<br />

Frau Löhrmann, hat gefordert, dass<br />

die Klassengrößen im Zuge der Umsetzung<br />

des Inklusionsgedankens<br />

nicht größer als 20 Schüler sein sollen,<br />

die von 2 Lehrkräften im Team<br />

unterrichtet werden. Bei der Inklusion<br />

wandeln sich die Bedeutung des Unterrichts<br />

und die Rolle der LehrerInnen.<br />

Die LehrerInnen begleiten und<br />

unterstützen den Lernprozess, stellen<br />

Ressourcen zur Verfügung, arbeiten, reflektieren<br />

und lösen Probleme teamorientiert.<br />

Jedes Kind hat dabei seinen<br />

eigenen individuellen Lehrplan, lernt<br />

allein, zu zweit oder in einer heterogenen<br />

Gruppe, in der die Mitglieder einander<br />

unterstützen. Dabei kann (muss<br />

aber nicht zwingend) das Unterrichtsthema<br />

für alle verbindlich sein.<br />

Was kann Inklusion für Waldorfschulen,<br />

insbesondere aber für<br />

unsere Schule bedeuten Vom<br />

Grundgedanken der Waldorfpädagogik<br />

sind zunächst einmal Waldorfschulen<br />

prädestiniert, den Inklusionsgedanken<br />

umzusetzen. Beinhaltet doch die Waldorfpädagogik<br />

den Entwicklungsgedanken<br />

in der Erziehung des Kindes,<br />

wonach jedes Kind gemäß seines Alters<br />

bestimmte Inhalte braucht um sich<br />

in der richtigen Weise entwickeln zu<br />

können. Daher rührt ja auch der Ansatz<br />

eine Klasse als „Entwicklungsgemeinschaft“<br />

zu sehen, in der Separation mittels<br />

„Sitzenbleiben“ keine Möglichkeit<br />

darstellt, um z.B. Lerndefizite bei einzelnen<br />

SchülerInnen auszugleichen.<br />

Deutlich ist aber auch, dass Waldorfschulen<br />

exklusiv sind, weil sie Kinder<br />

und Jugendliche ausschließen (müssen)<br />

z.B. weil eine Klassengröße erreicht ist<br />

und nicht überschritten werden kann.<br />

Unsere Schule ist eine „Bündelschule“.<br />

Damit ist ein Ziel der UN-Konvention<br />

- das Lernen und Leben auf<br />

einem räumlichen Gelände – teilweise<br />

erreicht. Warum meine ich: teilweise<br />

In unserer Schule gibt es die „Großklassen“<br />

und die „Kleinklassen“. Wel-<br />

42 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


che(r) Schüler zu welcher Klasse gehört,<br />

ist abhängig davon, ob ein sonderpädagogischer<br />

Förderbedarf vorhanden<br />

ist. Die Schüler der Großklassen<br />

kommen (fast) alle aus dem Paderborner<br />

Raum, die Schüler der Kleinklassen<br />

leben annähernd alle im Landschulheim<br />

und kommen aus dem ganzen<br />

Bundesgebiet.<br />

Schüler mit sonderpädagogischem<br />

Förderbedarf aus Paderborn, die nicht<br />

im Landschulheim oder in der Tagesgruppe<br />

leben, haben es sehr schwer,<br />

in unsere Kleinklassen aufgenommen<br />

zu werden. In den Oberstufenklassen<br />

realisiert sich Inklusion bereits durch<br />

gemeinsame Projekte wie Klassenspiele,<br />

Klassenfahrten und Projekttage –<br />

damit tut sich die Mittelstufe noch sehr<br />

schwer! (Kleinklassen in der Unterstufe<br />

gibt es nicht). Allerdings: auch in<br />

der Oberstufe gibt es Kleinklassen, die<br />

bewusst auf diese Gemeinsamkeiten<br />

verzichten, weil die darin befindlichen<br />

Schüler damit nicht zurecht kommen<br />

würden.<br />

Inklusion fängt – für mich – in den<br />

Herzen und Köpfen der Menschen<br />

an.<br />

Solange wir noch einteilen in „Leistungsschwache“,<br />

in „sozial verträglich“<br />

oder „sozial unverträglich“, in<br />

„normal“ und „behindert“ und nicht<br />

damit beginnen, die Behinderung in<br />

unseren Köpfen und Herzen zu überwinden,<br />

kann Inklusion nicht gelingen.<br />

Ausgrenzungen geschehen auf<br />

allen Seiten: der Schüler stört so massiv,<br />

dass die anderen Schüler nicht lernen<br />

können; dieses oder jenes ist „nur“<br />

für die Großklasse / Kleinklasse / Landschulheim<br />

/ Tagesgruppe; Schüler beschimpfen<br />

sich mit „du bist ja behindert“,<br />

„Spasti“ oder „Epi“. Das muss<br />

aufhören – und da sind wir alle gefordert!<br />

Es gibt gute Ansätze: der Projekttag<br />

zu Japan, an dem die ganze Schulgemeinschaft<br />

beteiligt war, gemeinsame<br />

Monatsfeiern, bei denen die Kleinklassen<br />

– Mittelstufe ganz vorsichtig<br />

beginnt sich einzubringen. Es gibt a-<br />

ber auch Grenzen, die durch einzelne<br />

Schüler selbst gesetzt werden: in den<br />

Kleinklassen gibt es Kinder und Jugendliche,<br />

die durch ihr So-Sein das<br />

Bedürfnis mitbringen eine zunächst<br />

ganz individuelle Förderung zu erhalten,<br />

die so speziell ist, dass sie nur in<br />

Kleinstgruppen oder sogar in einer Einzelbetreuung<br />

stattfinden kann. Auch<br />

diesen Kindern / Jugendlichen müssen<br />

wir gerecht werden.<br />

Nein, ich habe keine „Patentrezepte“<br />

auf Lager. Mein Ansinnen ist es,mit<br />

möglichst vielen Menschen in einen<br />

Dialog zu kommen, Ideen zu entwikkeln,<br />

wie und was wir in der großen<br />

Schul- und Lebensgemeinschaft ausrichten<br />

/ verwirklichen können bei der<br />

Umsetzung dieser UN-Konvention, die<br />

ja ein selbstverständliches Menschenrecht<br />

sein muss.<br />

Margareta Röwenstrunk (L)<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 43


Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Büren<br />

aus Schülersicht<br />

Im Januar 2011 besuchte die Klasse 11a<br />

im Rahmen des Politikunterrichtes die<br />

JVA in Büren. Vielen Schülern ist vorher<br />

nicht bekannt gewesen, dass im<br />

„Stöckerbusch“ bei Büren in der ehemaligen<br />

Kaserne sich seit 1994 eines<br />

der größten Abschiebegefängnisse befindet.<br />

In der Epoche „Menschenrechte<br />

zwischen policy und polity“ befassten<br />

sich die Schüler mit der Geschichte<br />

der Menschenrechte und ihrer<br />

Verankerung im Grundgesetz.<br />

Als inhaltlichen Schwerpunkt gingen<br />

wir auf die Würde des Menschen und<br />

die Freiheit als Grundrecht für alle<br />

Menschen, die in Deutschland leben,<br />

ein und untersuchten die Realität in<br />

der JVA Büren.<br />

Angelika Gaußmann (L)<br />

Hinter einer schweren Tür und einer<br />

fünf Meter hohen Mauer, abseits von<br />

Büren, verbringen Strafgefangene ihre<br />

Haft und Abschiebehäftlinge werden<br />

für eine kurzzeitige Verwahrung<br />

aufgenommen, damit ihre Abschiebung<br />

im Auftrag der Ausländerbehörden<br />

vollzogen werden kann.<br />

In den neunziger Jahren wurde eine<br />

ehemalige Kaserne in die heutige Justizvollzugsanstalt<br />

umgebaut. Die vielen<br />

Stacheldrahtrollen oben auf den<br />

Gefängnismauern verdeutlichen, dass<br />

hier Gefangene leben.<br />

Abschiebehaft bedeutet, dass eine<br />

Ausländerbehörde einem Menschen<br />

bis zu seiner Abschiebung monatelang<br />

die Freiheit entziehen kann. Der einzige<br />

Grund dafür soll sein, dass der<br />

Behörde so die Durchführung der Ab-<br />

44 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


schiebung erleichtert werden soll. Es<br />

handelt sich bei der Abschiebehaft<br />

also nicht um eine Strafe, sondern<br />

„nur“ um eine Sicherungsmaßnahme<br />

des deutschen Staates. Dennoch werden<br />

die Betroffenen in einem speziellen<br />

Abschiebegefängnis wie z. B. der<br />

JVA Büren hinter Gitter gebracht.<br />

Den Gefangenen stehen Betreuer zur<br />

Seite, außerdem wird ihnen die Möglichkeit<br />

gegeben, einen deutschen Anwalt<br />

zu kontaktieren.<br />

Am Eingang zum Besucherraum finden<br />

scharfe Kontrollen statt, die verhindern<br />

sollen, dass Drogen und sonstige<br />

unerlaubte Gegenstände zu den<br />

Die Abschiebehäftlinge haben mehr<br />

Freiheiten als die Strafgefangenen. Sie<br />

dürfen jeden Tag außer Sonntag unbegrenzt<br />

(solange der Platz reicht) Besuch<br />

empfangen. Bei den Strafgefangenen<br />

beschränkt sich die Besuchszeit<br />

auf vier Stunden pro Monat und private<br />

Kleidung – außer Sportbekleidung<br />

– ist hier untersagt.<br />

Den Besucherraum nutzen auch Vertreter<br />

des Bundesamtes für Migration,<br />

zudem kommen oft Anwälte und Dolmetscher,<br />

da der größte Teil der Gefangenen<br />

die deutsche Sprache nicht<br />

beherrscht.<br />

Gefangenen gelangen.<br />

Viele der Inhaftierten sind stark<br />

gläubig. Es gibt Baptisten, Muslime,<br />

evang. und kath. Christen, für alle wird<br />

jeden Sonntag eine Messfeier gehalten.<br />

Von Seiten der JVA wird versucht,<br />

auf die religiösen Bedürfnisse der Inhaftierten<br />

einzugehen, ebenso wie<br />

versucht wird, die Gefangenen abzulenken.<br />

Dafür gibt es einen Sportplatz<br />

zur freien Benutzung, eine Abteilung<br />

für Kraftsport, einen Aufenthaltsraum<br />

mit Fernseher, DVD-Player und einer<br />

Einbauküche. Hier können die Inhaftierten<br />

kochen, Kontakte knüpfen und<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 45


trotz der unangenehmen Gefängnisatmosphäre<br />

etwas Privatsphäre genießen.<br />

Jede Zelle verfügt über einen Fernseher,<br />

der hauptsächlich ausländische<br />

Sender empfängt, damit sich die Abschiebehäftlinge<br />

über die Situation in<br />

ihrem Herkunftsland informieren können.<br />

Eine mehrsprachige Bücherei mit<br />

historischen und literarischen Büchern<br />

wird von den Gefangenen gut genutzt.<br />

Ein Telefon auf dem Flur erlaubt es, frei<br />

und zu jeder Zeit zu telefonieren – sofern<br />

sie eine Telefonkarte besitzen. Bei<br />

den Strafgefangenen ist auch hier die<br />

Freiheit weiter eingeschränkt.<br />

Es gibt einen Arbeitsbereich in einer<br />

Halle neben den Zellen. Wer hier arbeitet,<br />

hat einen Arbeitstag von 8 - 16 Uhr.<br />

Hier erlernen die Abschiebehäftlinge<br />

wegen ihres zeitlich beschränkten Aufenthaltes<br />

leichte Arbeiten, wie z. B. den<br />

Zusammenbau eines Schnellhefters.<br />

Während bei den Strafgefangenen die<br />

Arbeit strukturierter und auch leiser abläuft,<br />

haben die Abschiebehäftlinge die<br />

Möglichkeit Radio zu hören. Für diese<br />

Arbeit erhalten sie ca. 1 Euro pro Stunde.<br />

Im Durchschnitt verdienen sie 54 Euro<br />

pro Woche. Davon werden Ihnen 25<br />

Euro abgezogen, die für die Abschiebekosten<br />

angespart werden. Über den Rest<br />

können sie frei verfügen.<br />

Es gibt auch einen sogenannten Workshop,<br />

der dazu genutzt wird, die Gefangenen<br />

aus ihren Zellen zu holen und<br />

einer kreativen Beschäftigung zuzuführen.<br />

Sie arbeiten bspw. an Vogelhäuschen,<br />

malen Bilder oder fertigen Mosaike<br />

aus Scherben. Die Produkte werden<br />

auf dem Kreativmarkt in Dortmund teuer<br />

verkauft.<br />

Die JVA verfügt über eine eigene<br />

Krankenstation. Die Gefangenen sind<br />

anfällig für Krankheiten, da viele von<br />

ihnen aus schlechten Lebensverhältnissen<br />

kommen.<br />

Immer gibt es Einzelfälle, in denen<br />

eine besondere „Therapie“ angewendet<br />

werden muss oder Arrest angeordnet<br />

wird. Betroffen sind suizidgefährdete<br />

oder gewalttätige Häftlinge,<br />

die dann ggf. in eine Einzelzelle<br />

im Keller gebracht werden. Diese ist<br />

durch drei verschiedene Beige-Töne<br />

strukturiert und es können beruhigende<br />

Farbverläufe an die Wände<br />

projeziert werden. Die Zelle ist ungefähr<br />

6 m hoch, oben ist ein vergittertes<br />

Fenster und im Boden ist als Toilette<br />

ein Loch.<br />

Ich bemerkte, dass die Mitarbeiter<br />

ein Interesse am Wohlergehen der Insassen<br />

haben. Den Inhaftierten soll<br />

die Haftzeit so angenehm wie möglich<br />

gemacht werden. Sie wissen,<br />

dass es für die Abschiebehäftlinge<br />

eine große Härte bedeutet, in ihre<br />

Heimat, die oft ein Krisengebiet ist,<br />

abgeschoben zu werden. Für Viele ist<br />

das sehr enttäuschend, da sie sich hier<br />

ein besseres Leben erhofft hatten und<br />

ihnen diese Hoffnung von den deutschen<br />

Behörden so radikal genommen<br />

wird.<br />

Philine Dargatz (S)<br />

46 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


Bund der Freien Waldorfschulen: Bericht von<br />

der Mitgliederversammlung<br />

Villingen-Schwenningen. Die Zukunft<br />

der Waldorflehrerbildung, das eigene<br />

Qualitätsentwicklungsverfahren der<br />

Waldorfschulen sowie die Neuwahl<br />

des Vorstands und die Verabschiedung<br />

des Haushalts 2011/2012 waren zentrale<br />

Themen der Mitgliederversammlung<br />

des Bundes der Freien Waldorfschulen,<br />

die am letzten Märzwochenende in<br />

der Freien Waldorfschule Villingen-<br />

Schwenningen stattfand.<br />

Der Mitgliederversammlung voraus<br />

ging die Delegiertentagung, die mit<br />

einem Vortrag von Prof. Walter Kugler<br />

zum 150. Geburtstag von Rudolf Steiner<br />

eröffnet wurde. Am Freitagmorgen<br />

gaben die Schüler der Waldorfschule<br />

mit einer beeindruckenden Monatsfeier<br />

Einblicke in ihre Arbeit. Drei<br />

neu in den BdFWS aufgenommene<br />

Schulen stellten sich im letzten Abschnitt<br />

der Delegiertentagung vor: die<br />

Freie Waldorfschule Wolfratshausen<br />

und die Waldorfförderschulen aus<br />

Neunkirchen-Seelscheid und Oberursel.<br />

Damit sind aktuell 225 Einrichtungen<br />

Mitglied im BdFWS.<br />

Anschließend begann die Mitgliederversammlung.<br />

Rund 250 Mitglieder<br />

hörten die Berichte der Vorstandsmitglieder<br />

zu den einzelnen Bereichen.<br />

Birgit Beckers hob dabei in ihren Ausführungen<br />

die Bedeutung der Durchlässigkeit<br />

zwischen dem Bund der Freien<br />

Waldorfschulen und den einzelnen<br />

Schulen hervor. Wichtig sei es, sich die<br />

eigenen Handlungsmotive und ihren<br />

Bezug auf die Ziele der Waldorfschulbewegung<br />

immer wieder bewusst zu<br />

machen und so der Gefahr vorzubeugen,<br />

dass die Ziele im Alltagsgeschäft<br />

verloren gingen. Als roter Faden der<br />

dreijährigen Vorstandsarbeit wurde<br />

das Bemühen hervorgehoben, innere<br />

Arbeit und äußere Anforderungen im<br />

Alltag in ein gesundes Gleichgewicht<br />

zu bringen.<br />

Bei der Wahl des Vorstands für die<br />

nächsten drei Jahre, die Wahlleiter<br />

Götz Döring durchführte, wurden alle<br />

sieben Vorstandsmitglieder mit großer<br />

Mehrheit in ihren Ämtern bestätigt:<br />

Birgit Beckers, Erika Blass-Loss, Dr. Albrecht<br />

Hüttig, Hans Hutzel, Henning<br />

Kullack-Ublick, Dr. Richard Landl und<br />

Walter Riethmüller. Die Mitgliederversammlung<br />

drückt damit ihr grundsätzliches<br />

Einverständnis mit dem Kurs des<br />

amtierenden Vorstands aus und setzt<br />

auf Kontinuität für die nächsten drei<br />

Jahre. Die Vorstandsmitglieder nahmen<br />

die Wahl an und bedankten sich<br />

für das ihnen entgegengebrachte Vertrauen.<br />

Begleitet von den guten Wünschen<br />

des Wahlleiters starteten sie in<br />

die neue Amtszeit.<br />

Auf der Agenda der Waldorfschulbewegung<br />

stehen in der nächsten Zeit<br />

vor allem die Lehrergewinnung und<br />

die weitere Zukunft der Waldorflehrerbildung.<br />

In der Versammlung wurde<br />

die Bedeutung der weiteren Debatte<br />

um die Zukunft der Lehrerbildung sowie<br />

um das Verhältnis von Wissenschaft<br />

und Anthroposophie unterstrichen.<br />

<strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011 47


Das von Witten-Annen neu entwickelte<br />

Modell der dualen Lehrerbildung<br />

wird nach Aussage von Vorstandsmitglied<br />

Walter Riethmüller in enger Zusammenarbeit<br />

zwischen Vorstand,<br />

Landesarbeitsgemeinschaft und Seminar<br />

weiter entwickelt. Riethmüller unterstrich<br />

die vertrauensvolle Atmosphäre<br />

dieser Kooperation.<br />

Der vorgelegte Haushaltsplan des<br />

Bundes für das Geschäftsjahr 2011/12<br />

wurde von den Etatberatern als schlüssig<br />

bezeichnet und sie empfahlen ihn<br />

der Versammlung zur Zustimmung. Er<br />

umfasst ein Volumen von rund 11,3<br />

Millionen Euro. 8,61 Millionen Euro<br />

der Gelder fließen in die Lehrerbildung.<br />

Die Versammlung billigte auch<br />

den Pro-Kopf-Satz von rund 137,20<br />

Euro.<br />

Hans Hutzel erläuterte der Versammlung<br />

den Sachstand bei der Finanzierung<br />

der Lehrerbildung, zu der auch<br />

die Umstellung der Altersvorsorge der<br />

Seminare gehört.<br />

Der Vereinbarung über die Zusammenarbeit<br />

im Bund der Freien Waldorfschulen,<br />

die einen längeren Diskussionsprozess<br />

innerhalb der Schulbewegung<br />

hinter sich hat, wurde in<br />

der Mitgliederversammlung von Schulträgern<br />

und Seminaren mit deutlicher<br />

Mehrheit zugestimmt, nachdem die<br />

Mitgliederversammlung zuvor ein Zustimmungsquorum<br />

von 75% verabschiedet<br />

hatte, das damit Voraussetzung<br />

für das Inkraft-Treten der neuen<br />

Vereinbarung wurde. In der Präambel<br />

findet sich jetzt auch ein Verweis auf<br />

das gemeinsame Leitbild der Waldorfschulen.<br />

Vorstandsmitglied Hans Hutzel<br />

betonte die Bedeutung der Vereinbarung<br />

für die Schulbewegung: sie sei<br />

Ausdruck der Fähigkeit zur Zusammenarbeit<br />

einer wachsenden Gemeinschaft.<br />

Henning Kullak-Ublick berichtete ü-<br />

ber eine Tagung, die sich an junge Waldorflehrer<br />

(bis 35 Jahre) richtet und<br />

zusammen mit ihnen vorbereitet wird.<br />

Sie soll vom 15. - 17. 10. 2011 stattfinden.<br />

Stephan Sigler, Geschäftsführer des<br />

Lehrerseminars Kassel, informierte die<br />

Versammlung von der jüngsten Entwicklung<br />

beim Kasseler Jugendsymposion,<br />

das sich im Juni dem aktuellen<br />

Thema „Energie“ widmen wird.<br />

(www.jugendsymposium.de) Auch dieses<br />

Jahr sei es gelungen, bekannte Persönlichkeiten<br />

für die Tagung zu gewinnen,<br />

wie z. B. Franz Alt oder auch den<br />

klimapolitischen Sprecher von Bündnis<br />

90/Die Grünen, Dr. Hermann Ott.<br />

Sigler sagte, die beteiligten Waldorfschüler<br />

seien hoch-idealistisch, die präsentierten<br />

Forschungsansätze geprägt<br />

von großer Offenheit. Jeder Schüler im<br />

Alter von mindestens 17 Jahren könne<br />

sich bewerben.<br />

Cornelie Unger-Leistner / Klaus Hesse/<br />

Henning Kullak-Ublick<br />

(Bund der Freien Waldorfschulen)<br />

48 <strong>Mitteilungen</strong> 115 / Johanni 2011


Ohne Euch<br />

Ohne Euch wär ich allein,<br />

Denn niemand würde bei mir sein.<br />

Ohne Euch wär ich verlassen,<br />

Ich würde die ganze Welt hassen.<br />

Ohne Euch wäre mein Leben leer<br />

Und so hart wie Teer.<br />

Aber Ihr seid der weiche Kern in mir.<br />

Deswegen werde ich’s jetzt wagen, hier!<br />

Ich liebe Euch, das wollt ich Euch mal sagen.<br />

Die Frage<br />

Eines Tages wirst Du mich fragen:<br />

„Was liebst Du mehr, mich oder dein Leben“<br />

Und ich werde antworten:<br />

„Mein Leben“.<br />

Dann wirst du mich verlassen,<br />

Ohne zu wissen,<br />

Dass du mein Leben bist.<br />

Katinka<br />

Katinka<br />

Bildnachweis:<br />

Seite 10: daruf<br />

Seite 12 - 15: Mathilde Hecq<br />

Autoren-Kürzel:<br />

(L) = Lehrer<br />

(E) = Eltern<br />

(Er) = Erzieher<br />

(S) = Schüler<br />

(M) = Mitarbeiter<br />

(e) = Ehemalige<br />

Allen Leserinnen und Lesern der „<strong>Mitteilungen</strong>“<br />

wünschen wir recht erholsame<br />

Ferien und eine schöne Sommerzeit.


Studium an Seminar und<br />

Schule von Anfang an<br />

Witten/Annen Institut für<br />

Waldorf-Pädagogik<br />

Seit fast 40 Jahren engagiert sich<br />

das Institut für Waldorf-Pädagogik in<br />

Witten erfolgreich und innovativ in der<br />

Lehrerbildung. Die aktuellste Entwicklung<br />

ist ein in der Bildungslandschaft<br />

bislang einzigartiges Konzept: Duales<br />

Pädagogikstudium an den Ausbildungsorten<br />

Seminar und Schule.<br />

Ziel ist die größtmögliche Nähe zum<br />

Kind und eine frühe und gute Orientierung<br />

im Berufsfeld. Besonders ist<br />

auch die Kombination des Studiums<br />

zum Klassenlehrer, dem Meister von<br />

Vielfalt und Wandlung, mit der gleichzeitigen<br />

Qualifizierung zum Fachlehrer,<br />

der sich als Spezialist in einem<br />

Weltgebiet ausweisen muss.<br />

1991 - 2011<br />

20 Jahre Berufsförderung<br />

<strong>Schloss</strong> <strong>Hamborn</strong><br />

20 Jahre<br />

Berufsförderung<br />

schloss hamborn<br />

Beim <strong>Hamborn</strong>er Martinsmarkt am 12.11.2011<br />

treffen sich TeilnehmerInnen aus 20 Jahren<br />

Berufsförderung im Musiksaal<br />

Weitere Informationen auf unserer Facebookseite<br />

„20 Jahre Berufsförderung <strong>Schloss</strong> <strong>Hamborn</strong>“<br />

oder unter ehemalige@berufsfoerderung.net<br />

6. Mai 2011<br />

22. September 2011<br />

12.<br />

Besuchen<br />

November<br />

Sie die Ausstellung<br />

2011<br />

„Berufsförderung im Blick“ im Café Alte Schule!<br />

www.cafe-schloss-hamborn.de<br />

Ehemalige der Berufsförderung auf Facebook:<br />

http://on.fb.me/hqFija<br />

Das Studium qualifiziert für die Arbeit<br />

an Waldorfschulen und an Waldorf-<br />

Förderschulen.<br />

Für das Kunststudium Eurythmietanz<br />

gilt die produktive Verbindung mit<br />

dem Pädagogikstudium als vorbildlich.<br />

Neu wird derzeit in Kooperation<br />

mit der Hogeschool Helicon (NL)<br />

der Studiengang ‚Schulmusik mit<br />

waldorfpädagogischem Schwerpunkt‘<br />

(Bachelor of Music in Education) entwickelt.<br />

Fortbildungsveranstaltungen,Zusatzqualifikationen,<br />

Tagungen, die Einbindung<br />

in das lokale bildungspolitische<br />

und kulturelle Umfeld und<br />

vieles mehr bieten einer engagierten<br />

Studentenschaft Vielfalt an Begegnung,<br />

an eigener Initiative und pädagogischen<br />

Erfahrungen während des<br />

Studiums.<br />

Witten/Annen<br />

Institut für Waldorf-Pädagogik<br />

Annener Berg 15, 58454 Witten,<br />

Tel. 02302-96730<br />

info@wittenannen.net<br />

www.wittenannen.net

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