PDF Grösse:7 MB - Frauenverein Domat/Ems
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Anno<br />
dazumal<br />
1
Aus Anlass des 80-Jahr-Jubiläums habe ich in den Büchern geschnuppert und lasse die<br />
Zeit des <strong>Frauenverein</strong>s Revue passieren.<br />
Nach der Annahme des Bündner Automobilgesetzes im Juni 1925 nahm der Verkehr<br />
auf den <strong>Ems</strong>er Dorfstrassen merklich zu. Aus Sorge, besonders die Kleinkinder<br />
möglichst von den Gefahren der Strasse fernzuhalten, wurde im April 1929 der<br />
<strong>Frauenverein</strong> gegründet.<br />
2
Frühjahr 1929; <strong>Ems</strong> war ein typisches Bauerndorf und die Landwirtschaft war der<br />
wichtigste Erwerbszweig. Der <strong>Ems</strong>er Gemeinderat hatte gerade den Aufbau eines<br />
Kindergartens abgelehnt und darum sind die Frauen aktiv geworden.<br />
Wenn eine Frau träumt, ist es ein Traum und<br />
wenn viele Frauen träumen, ist es der Anfang einer neuen<br />
Wirklichkeit.<br />
Im April 1929 wurde demnach der <strong>Frauenverein</strong> gegründet.<br />
Die vier Initianten der Vereinsgründung waren:<br />
- Elisabeth Rageth-Flury 1891-1983 (38)<br />
- Anna Saluz-Rageth 1886-1967 (43)<br />
- Anna Theus-Rageth 1891-1959 (38) und<br />
- Elisabeth Willi-Locher 1896-1978 (33).<br />
Es gab aber auch viel Skepsis; „Eine Zeitung schrieb dazumal: „Als im Laufe des<br />
Frühjahres in <strong>Ems</strong> ein <strong>Frauenverein</strong> gegründet wurde, mag Mancher sich die Frage<br />
gestellt haben, ob wir wohl nicht schon der Vereine genug haben und ob dieser<br />
<strong>Frauenverein</strong> nicht doch des Guten zuviel sei?“<br />
3
Auf der zweiten Seite des <strong>Frauenverein</strong>-Protokollbuches steht:<br />
„In den heutigen Tagen wird die Frau immer mehr in die Interessen des öffentlichen<br />
Lebens hineingezogen, sie hat Aufgaben zu erfüllen, für welche die Männer die nötige<br />
Zeit nicht aufbringen können. Solche Aufgaben wären die Einrichtung von Koch-,<br />
Handarbeits- und Fortbildungsschulen und insbesondere Kleinkinderschulen“.<br />
Grosse Unterstützung erhielten diese vier Frauen zusätzlich vom damaligen<br />
Hochwürden Herr Pfarrer Peter Chistèll1869-1946 (60). Die Initiantinnen unterschrieben<br />
am Gründungstag zusammen mit weiteren 60 Frauen den Beitritt zum <strong>Frauenverein</strong>. Es<br />
wurde beschlossen, als Eintrittsgeld Fr. 1.-- und als Jahresbeitrag Fr. 2.-- festzusetzen.<br />
Der neu geschaffene Verein erhielt die Aufgabe, einen Kindergarten einzurichten, zu<br />
beaufsichtigen und für seine Finanzierung besorgt zu sein.<br />
Noch im gleichen Monat, im April 1929 referierte auf Einladung des <strong>Frauenverein</strong>s,<br />
Schwester Alodia Möhl, Lehrerin am Kindergarten-Seminar Ingenbohl, im Saal der<br />
Krone an einer zahlreich besuchten Versammlung über Zweck, Ziel und Organisation<br />
eines Kindergartens.<br />
Die grösste Mühe war ein passendes Lokal für den Kindergarten zu finden. So erwarb<br />
darauf Ortspfarrer Peter Chistèll<br />
4
die gesamte Liegenschaft Glashütte, wo am 9. September 1929 die Ingenbohler<br />
Ordensschwester Ancilla Wohlwend und Bese Tinnalè (Katharina Fetz, später Theus-<br />
Fetz) in einem kleinen Saal, 75 Kinder zwischen 3 und 7 Jahren<br />
zum 1. Kindergarten-Jahr begrüssen durften.<br />
Indessen war im Tagblatt vom Dezember 1929 nachzulesen: „In der Zwischenzeit hat<br />
der <strong>Frauenverein</strong> aber erdrückende Beweise seiner Existenzberechtigung gegeben,<br />
sodass heute wohl niemand mehr die Frage nach der Nützlichkeit stellt. Der sprechende<br />
Beweis ist der blühende Kindergarten, welcher eine Schöpfung des <strong>Frauenverein</strong>s ist<br />
und welcher berufen sein wird, ganz besonders in sozialer Hinsicht Erspriessliches zu<br />
leisten. „<br />
An der Abendunterhaltung im September 1931 verkündete Präsidentin Ursula Durisch-<br />
Theus, dass es nun ein definitiver Beschluss sei, einen Neubau für die Unterbringung<br />
des Kindergartens zu errichten. Pro Juventute sicherte dem <strong>Frauenverein</strong> eine<br />
Unterstützung über Fr. 10'000.-- Fr. für diesen Bau zu, mit der Bedingung, dass im<br />
laufenden Jahr gebaut werden soll und zusätzlich ein Schullokal für die<br />
hauswirtschaftliche Fortbildungsschule der Mädchen zur Verfügung gestellt werden<br />
müsse.<br />
5
Frau Antonia Fetz-Fetz (1885-1953), hier mit ihrem Mann, war kinderlos und sie<br />
schenkte für den neuen Kindergarten den<br />
Bauplatz. Herr Sebastian Jörg-Jörg verkaufte ein Stück von seinem Holzplatz als<br />
Durchgang zum Gebäude zum Preise von Fr. 2.50 pro m2. So war der Weg geebnet<br />
und drei Jahre später, am 24. Oktober 1932 konnte der <strong>Frauenverein</strong> seine eigene<br />
Scoletta Tircal einweihen.<br />
6
Übrigens war es einer der ersten Bauten zu diesem Zweck in unserem Kanton.<br />
Am grossen Eröffnungs-Festumzug<br />
beteiligten sich alle schulpflichtigen Kinder von <strong>Ems</strong>. Es wurden fast alle Berufs- und<br />
Gesellschaftsgruppen, des damaligen <strong>Ems</strong> im Umzug dargestellt.<br />
Die Finanzierung der so genannten Kinderschule, romanisch Scoletta, war eine stete<br />
Sorge des <strong>Frauenverein</strong>s.<br />
7
Kinderschüler mit Schwester Carmelita Brunner<br />
1953 Sr. Carmelita Brunner mit Praktikantin Marlys Weibel<br />
Die Finanzierung der Scoletta war eine stete Sorge des <strong>Frauenverein</strong>s, denn viele<br />
Familien waren finanziell nicht auf Rosen gebettet. Das Geld für den Betrieb wurde<br />
unter anderem durch Theateraufführungen, Bazare oder Kartoffelverkäufe<br />
erwirtschaftet. Die Kartoffeln wurden<br />
von Schulmädchen gesammelt, von nimmermüden Helferinnen unseres Vereins<br />
verlesen, sortiert und verkauft. Die Ausbeute im Jahre 1932 waren 120 Säcke, das Kilo<br />
zu ungefähr 30 Rappen. Das ergab einen Gesamtertrag von Fr. 900.--.<br />
Im <strong>Frauenverein</strong> gab es früher ein spezielles Vergnügungskomitee. Dieses war<br />
verantwortlich für die Theateraufführungen und zuständig für das Programm an der<br />
Fasnacht. So war in einem Zeitungsbericht zu lesen: “Noch vor wenigen Jahren hätte<br />
man sich nicht träumen lassen, dass unsere Frauen imstande wären, jemals mit einem<br />
so schönen Programm vor die Öffentlichkeit zu treten.“<br />
8
Ab den 50er-Jahren sicherte die Lia Rumontscha Unterstützung zu, sofern in den<br />
Klassen Romanisch gesprochen wurde.<br />
Hier sehen Sie von links: Bese Marlis Weibel - später Durisch-Weibel,<br />
Frau Paulina Caduff-Vonmoos, die als Vertreterin der Lia Rumantscha der Scoletta<br />
einen Besuch abstattete und Bese Lena Gieriet.<br />
Dann war da aber auch noch unsere liebe Bese Tunalé Willi. Hier sehen wir sie bei<br />
einem Kinderumzug im Jahre 1955.<br />
Bis Ende der 60er-Jahre wurde die Scoletta im Unterschied zu den Schulen<br />
ausschliesslich in romansicher Sprache geführt. Im Schulbetrieb war die<br />
Unterrichtssprache seit 1935 Deutsch.<br />
9
Auch ich durfte den Kindergarten bei Bese Lena hier in <strong>Domat</strong>/<strong>Ems</strong> besuchen.<br />
Am 29. September 1954 wurde das Jubiläum „25 Jahre Kinderschule <strong>Domat</strong>/<strong>Ems</strong>“<br />
gefeiert. Am grossen Festumzug beteiligt waren die ehemaligen Vorstandsmitglieder<br />
und zu Ehren der Präsidentinnen wurden diese in der Kutsche vorgefahren.<br />
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Im Jahre 1957 beschloss die Gemeindeversammlung, sich mit 1'000.-- Franken pro<br />
Kindergartenklasse zu beteiligen. Zudem übernahm die Gemeinde die Heizkosten und<br />
den Unterhalt des Gebäudes. 1953 musste eine dritte und 1959 eine vierte<br />
Kindergärtnerin eingestellt werden und die Nachfrage am Kindergarten-Unterricht nahm<br />
stetig weiter zu.<br />
Im Oktober 1965 übergab die Gemeinde dem <strong>Frauenverein</strong> die Führung des<br />
Kindergartens Tuma Platta mit drei neuen Klassenzimmern. Unser Verein beschäftigte<br />
somit bereits 7 Kindergärtnerinnen und unterrichtete 250 Kinder.<br />
Auf Beschluss der Gemeindeversammlung vom 1. Dezember 1968 übernahm<br />
schliesslich die Politische Gemeinde die finanziellen Lasten des Kindergartenwesens.<br />
Das Gebäude im Tircal gehörte aber immer noch dem <strong>Frauenverein</strong>. Im Jahre 1982<br />
musste unsere 50-jährige Scoletta für den<br />
11
Bau der Mehrzweckhalle weichen und darum wurde dazumal am 18. Januar ein<br />
Abtretungsvertrag unterschrieben.<br />
Es wurde vereinbart, dass der Kindergarten an die Gemeinde übertritt und der<br />
<strong>Frauenverein</strong> mit Fr. 75'000.-- und dem <strong>Frauenverein</strong>slokal in der<br />
Schulhausliegenschaft entschädigt wurde.<br />
In diesem Grundbuchblatt ist erwähnt, dass die 51m2 dieses Lokales<br />
zur dauernden und ausschliesslichen Nutzung dem <strong>Frauenverein</strong> gehören. Pro Jahr<br />
muss eine Gebühr von Fr. 1'000.-- für Wasser, Licht und Heizung der Gemeinde<br />
<strong>Domat</strong>/<strong>Ems</strong> entrichtet werden. Diese Vereinbarung ist bis heute immer noch gültig.<br />
12
Doch nicht nur der Kindergarten war dem <strong>Frauenverein</strong> Unterstützung wert. Am 4.<br />
Dezember 1936 wurde der Verein vom Gemeindevorstand ersucht, die Aktion<br />
„Winterhilfe“ für Arbeitslose durchzuführen. Einige Frauen haben sich hierfür bereit<br />
erklärt und sind von Haus zu Haus gegangen mit dem Ruf: “Helft uns helfen“. So hat<br />
man eine schöne Summe Geld und Naturalien zusammengebracht.<br />
In den Kriegsjahren besorgten sie die Wäsche des Militärkrankenzimmers, nähten für<br />
das Rote Kreuz, waren tätig in der Militärfürsorge, bei der Flüchtlingshilfe und in der<br />
Rationierungszeit durch Sterilisieren und Konservieren von vielen Hundert Büchsen.<br />
1942 stellt der <strong>Frauenverein</strong> eine Krankenschwester für die Hauspflege ein.<br />
Unser Verein brachte auch Neuerungen in der Küche. In der Zeit zwischen den<br />
Weltkriegen war in <strong>Ems</strong> nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung vollberuflich in der<br />
Landwirtschaft tätig.<br />
Fast jede Familie hatte einen kleinen Hof mit 4 bis 6 Stück Vieh, dessen Produkte die<br />
Haushaltung auf eine bedeutende Art ergänzten. Durch die Lebensmittelknappheit der<br />
Kriegsjahre nahm die Selbstversorgung in den frühen 40er-Jahren erneut an Bedeutung<br />
zu. Und alles was man selber erzeugen konnte, schonte das Haushaltbudget. Pater<br />
Domenicus Willi machte in seiner Chronik folgende Aussage:<br />
Als Gemüse dienten Kartoffeln in mannigfacher Zubereitung und er müsse den <strong>Ems</strong>er<br />
Köchinnen das Lob spenden, dass sie die Kartoffeln in vortrefflicher Weise kochen. Die<br />
besten Kartoffeln des ganzen Kantons seien in <strong>Ems</strong> zu finden.<br />
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Ich glaube sie waren nicht nur die Besten sondern auch die Grössten!<br />
Einen Kartoffelacker bewirtschaftete praktisch jede Familie. Kartoffeln deckten den<br />
Eigenbedarf und je nach erzeugter Menge wurden die Überschüsse verkauft. Abnehmer<br />
waren vielfach die Hotellerie aber auch das Kreuzspital in Chur. In diesen Jahren wurde<br />
in den <strong>Ems</strong>er Küchen auf dem Feuer gekocht.<br />
Der Herd hatte eine doppelte Aufgabe: als Kochgelegenheit und als Wärmequelle für<br />
den Küchenraum.<br />
Was wurde vorwiegend zu dieser Zeit gekocht: Im Alltag vor allem Mehl- und<br />
Kartoffelspeisen, Fleisch hingegen vorwiegend an Sonn- und Feiertagen. Der Bündner<br />
liebte eine kräftige Nahrung. Er sparte daher mit Schmalz nicht und brauchte dessen<br />
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soviel an einem Tage, wie eine norddeutsche Familie in der Woche. Der Speisezettel<br />
zeigte in aller Deutlichkeit, dass die Ernährung weitgehend auf eigenen Produkten<br />
basierte. Auch wenn jede Familie ihre eigenen Kochrezepte und Zubereitungsweisen<br />
pflegte, so stellten die Speisen im Allgemeinen Varianten der gleichen Kochtradition dar:<br />
Maluns, dazu Kompott aus gedörrten Kirschen oder Apfelmus. Pizzokels, Chnöpfles,<br />
Furmantins, und Buglia-peun hiessen die beliebten Mehlgerichte. Tschugarnau sind<br />
Makkaroni mit Kartoffeln gestreckt, da man die Kartoffeln selbst hatte und nur die<br />
Teigwaren dazukaufen musste. Sie waren besonders fein und auch später aufgewärmt<br />
blieben sie viel länger weich. Dann gab es noch Arvults, heute mehrheitlich Capuns<br />
genannt, auf verschiedene Arten zubereitet. Polenta gekocht und dann gebraten mit<br />
Holunderkonfitüre. Der Mais dazu kam auch vom eigenen Feld. Es war ein heller,<br />
süsslicher Mais – anders als der Heutige. Diese Polenta gab es vor schwerer Arbeit<br />
auch gern zum Frühstück.<br />
Ein besonderes Gericht, das heute schon fast vergessen ist, waren die Talarins.<br />
Man nehme 1 Kilogramm Mehl, 2 Eier, etwas Wasser. Alles miteinander vermischen, 15<br />
Minuten kneten – der Teig muss kompakt werden und sollte keine Luftlöcher mehr<br />
enthalten. Aus diesem Teig eine Wurst formen, Ringe abschneiden und auswallen. Den<br />
gewallten Teig durchschneiden, beide Teile aufeinander legen, nochmals<br />
zusammenlegen und dann fein verschneiden. Einige Kartoffel schälen, in Würfel<br />
schneiden und in Salzwasser kochen. Die Talarins dazugeben und mit einer grossen<br />
Gabel verrühren. Herausnehmen. Käse und Schabzieger gerieben dazwischen geben.<br />
In einer Pfanne Zwiebeln im Fett anbraten und das Gericht damit „überbrennen“. Früher<br />
machte man sie aus Buchweizenmehl. Der Buchweizen (Haidel) wurde in <strong>Ems</strong> dazumal<br />
noch angepflanzt.<br />
Zu den beliebten Speisen gehörte auch das Sauerkraut, gekocht und gebraten, mit<br />
Knöpfli oder mit Geräuchertem. Für Salate benutzte man am häufigsten Randen und<br />
Kohl, aber auch grüne Salate, allen voran den Pflücksalat. In einigen Familien zog man<br />
aber Früchtekompott den Salaten vor.<br />
In der Nähe von <strong>Ems</strong> war es die Churer Frauenschule, 1895 bis 2002, die<br />
Hauswirtschaftslehrerinnen ausbildete. Mit ihrer aktiven Forderung nach Kursen für<br />
haushälterische Zwecke bereitete sie den Weg der Fortschritte in den Bündner Dörfern.<br />
Im Juni 1933, auf Einladung des noch jungen <strong>Frauenverein</strong>s, hielt Christine Zulauf,<br />
15
Vorsteherin der Frauenschule, ein Referat über die Bedeutung einer guten Haushaltung,<br />
wobei sie einen besonderen Wert auf das Kochen legte.<br />
Die Notwendigkeit zur Durchführung von Kochkursen für „Frauen und Mütter“<br />
begründete sie damit: „dass die Töchter von ihren Müttern kochen lernen und nicht<br />
umgekehrt“. Ihre Worte fruchteten: Der <strong>Frauenverein</strong> stellte an die Regierung ein<br />
Subventionsgesuch. Für die Dauer von zwei Kochkursen wurde die „kantonale<br />
Wanderküche“ bestellt: Ein elektrischer Kochherd und das dazu benötigte Geschirr. Die<br />
Kursleitung übernahm Frau Heini, Hauswirtschaftslehrerin aus Rhäzüns. Ein Kurs<br />
dauerte vorschriftsgemäss 120 Stunden und wurde an drei Abenden pro Woche<br />
abgehalten. Das Kursgeld betrug Fr. 25.-- pro Teilnehmerin und sollte die<br />
Beschaffungskosten für die benötigten Lebensmittel decken. Am ersten Kurs nahmen<br />
12 Frauen teil. Die Überzeugung von der Zweckmässigkeit solcher Kurse musste recht<br />
stark sein, denn der <strong>Frauenverein</strong> beschloss noch im gleichen Jahr, eine eigene Küche<br />
einzurichten.<br />
Die Unterscheidung der Geschlechter durch die Kleidung war eine sittliche Schranke.<br />
Somit war die Hose ein Attribut der Männerkleidung und nur den Männern vorbehalten.<br />
Die Hose als Teil der Frauengarderobe erschien in Graubünden zuerst in den<br />
16
Kurorten als Skikostüm unter den Feriengästen. Mit der Popularisierung des<br />
Wintersports hielt die Hose dann auch unter den einheimischen Frauen Einzug.<br />
Nicht viel anders war das in <strong>Ems</strong>, wo die Ingenbohler<br />
Schwestern als Wächterinnen über die Sittsamkeit der <strong>Ems</strong>er Mädchen ein strenges<br />
Regime führten. Demzufolge wurden die ersten Hosen ausschliesslich als eine<br />
Massnahme gegen die Kälte betrachtet und nur als solche zugelassen: Zum Schlitteln<br />
und zum Skifahren auf den Tumas, aber auch dies nur unter einem Rock versteckt.<br />
Auch für den Schulweg durften bei tiefen Temperaturen Hosen unter dem Rock und<br />
Mantel angezogen werden, mussten in der Schule aber gewechselt werden.<br />
Die beliebten Theatervorführungen des <strong>Frauenverein</strong>s gaben wiederholt Anlass zu<br />
Diskussionen: Bei öffentlichen Aufführungen sollten Frauen nur weibliche Rollen<br />
spielen. Die allfälligen Männerrollen – für welche man natürlich Hosen anziehen musste<br />
– sollten auf wiederholten Wunsch des Pfarrers von Mädchen aus der Jungfrauen-<br />
Kongregation übernommen werden. Als die Hose schon längst für sportliche<br />
Betätigungen und auf den Maiensässen akzeptiert wurde, waren Schule und Kirche<br />
auch noch in den 50er-Jahren die letzten Bastionen, wo das Tragen von Hosen ein<br />
Tabu war.<br />
Im Alltag, beim Verrichten von Arbeiten, trugen<br />
die Frauen den ganzen Tag lang über der Kleidung eine Ärmelschoss, das heisst eine<br />
Kleiderschürze.<br />
17
So wurden natürlich auch verschiedene Nähkurse<br />
von unserem Verein angeboten. Denn Kleider ab der Stange sind eine neuere<br />
Erfindung. Früher liess man Kleider bei einer Schneiderin auf Bestellung nähen. In <strong>Ems</strong><br />
gab es Schneiderinnen und Herrenschneider, die Näharbeiten in Auftrag nahmen.<br />
Ausserdem konnte man eine Schneiderin auf Stör zu sich kommen lassen. Man nähte<br />
auch sehr viel selber, das war die günstigste Art, neue Kleider anzuschaffen. In vielen<br />
Familien gab es jemanden mit der Ausbildung einer Schneiderin. Oft war es eine ältere<br />
Schwester, die für ihre jüngeren Geschwister Kleider nähte, änderte oder flickte, da die<br />
Mutter mit anderem beschäftigt war. Der Schneiderin<br />
wurden die besseren Kleider in Auftrag gegeben wie Kostüme, Mäntel oder<br />
Männeranzüge. Stoffe konnte man schon dazumal in <strong>Ems</strong> kaufen, zuerst im Laden von<br />
Tuna dad urden und später bei<br />
18
Onna Maria Kressig. Auch im Geschäft „Monica“ wurden neben Mercerieartikel Stoffe<br />
verkauft. Heute findet man alles im Mercerie- und Stoffegga-Laden an der Via Nova.<br />
Das Austragen von Kleidern, Weitergeben an jüngere Geschwister, war nicht nur das<br />
Gesetz der Sparsamkeit, sondern es war eine Notwendigkeit.<br />
Eine grosse Bedeutung kam dem Flicken zu. Das Flicken und Nähen gehörte zum<br />
Schulprogramm und wurde hier unterrichtet. Dieser Unterricht war fest in den Händen<br />
der Ingenbohler Schwestern, aber auch hier spielte der <strong>Frauenverein</strong> eine aktive Rolle.<br />
Schon 1935 führte er einen Kurs zur Anfertigung von Knabenkleidern und im Jahre<br />
1936 erteilte Frl. Flepp den Kurs Sticken und Stopfen mit der Nähmaschine. Ausserdem<br />
strickte man viel; vor allem Socken und Strümpfe, aber auch Pullover und Röcke.<br />
______________________________________________________________________<br />
Seit den 40er-Jahren stieg die Dorf-Bevölkerung durch Zuwanderung massiv an. Im<br />
Jahre 1940 lebten knapp 2000 Menschen hier und anfangs 2009 waren es 7224. Zurzeit<br />
ist übrigens die weibliche Wohnbevölkerung um ca. 100 Personen höher als die<br />
Männliche. Gegenwärtig ist <strong>Domat</strong>/<strong>Ems</strong> die viertgrösste Gemeinde im Kanton<br />
Graubünden. Dieser Bevölkerungsboom, der unter anderem durch den Bau der<br />
19
Holzverzuckerungs AG, der heutigen <strong>Ems</strong> Chemie AG ausgelöst wurde, wirkte sich<br />
auch auf die Zusammensetzung der Bevölkerung aus. Insbesondere bei der Sprache<br />
und der Religion gab es markante Veränderungen.<br />
INTERNATIONALER<br />
FRAUENTREFF DOMAT/EMS<br />
FRAUEN AUS ALLEN KULTUREN<br />
So ist unter anderem die Organisation „Internationaler Frauentreff <strong>Domat</strong>/<strong>Ems</strong>“ im Jahre<br />
2002 entstanden. Hier möchten uns Frauen aus allen Kulturen ihre Länder, Sitten und<br />
Lebensformen näher bringen.<br />
Bis 1940 gab es in <strong>Ems</strong> praktisch keine evangelischen Christen und 1970 wohnten doch<br />
bereits 1'100 Protestanten hier im Dorf. Aus diesem Grund verzichtete der <strong>Frauenverein</strong><br />
ab dem 22. Juni 1987 bewusst auf den ursprünglichen Namen: „Katholischer<br />
<strong>Frauenverein</strong>“. Wir heissen seitdem<br />
<strong>Frauenverein</strong> <strong>Domat</strong>/<strong>Ems</strong>, sind aber immer noch den Dachverbänden<br />
“Katholischer Frauenbund Graubünden KFG“ und dem<br />
20
„Schweizerischen Katholischen Frauenbund SKF“ angegliedert. Heute feiern wir<br />
zusammen den Weltgebetstag sowie ökumenische Frauen- und Kleinkinder-<br />
Gottesdienste.<br />
______________________________________________________________________<br />
Im Jahre 1984 wurde das MuKiVa gegründet.<br />
Dieser Jungmütter-Zirkel wie es an anderen Orten auch heisst, wurde auf Initiative von<br />
Frau Lydia Lazzarotto eingeführt. Die Gemeinschaft: „Mutter, Kind, Vater“ sieht vor, für<br />
drei- bis siebenjährige Kinder Aktivitäten anzupreisen.<br />
Noch bis in die 60er-Jahre traf man in unserer Gemeinde viele Elternpaare mit vier oder<br />
mehr Kindern an. Der Vater ging der Berufstätigkeit nach, die Mutter besorgte die<br />
Hausarbeit und betreute die Kinder. Zuweilen wohnten auch noch Grosseltern oder<br />
elterliche Geschwister im Hause. Das geschilderte Familienbild hat sich zum Beginn des<br />
21. Jahrhunderts deutlich verändert. Zwar treffen wir heute immer noch mehrheitlich<br />
Familien in der klassischen Form an, doch hat sich die Kinderzahl klar verringert.<br />
Elternpaare mit mehr als zwei Kindern sind seltener geworden.<br />
Die <strong>Ems</strong>er Einwohnerstatistik zeigt einen eher abnehmenden Kinderanteil, obwohl die<br />
Gesamtbevölkerung zunimmt. Wurden die Mädchen noch vor wenigen Jahrzehnten<br />
vorwiegend zu guten Müttern und Hausfrauen erzogen, so verfügt heute praktisch jede<br />
junge Frau über eine Berufsausbildung oder einen höheren Schulabschluss. Sie steht<br />
dann vor der Frage, ob sie sich der Familiengründung oder dem Beruf widmen soll. Oft<br />
wird zugunsten des Berufes eine Heirat oder der Kinderwunsch aufgeschoben. Wer sich<br />
für die Familiengründung entscheidet und dennoch den Anschluss zur Berufswelt nicht<br />
21
verlieren will, ist auf Teilzeitstellen und Kinderbetreuung angewiesen. Im günstigsten<br />
Fall ist eine<br />
partnerschaftliche Aufteilung von Beruf und Haushalt möglich, allenfalls muss in der<br />
Verwandtschaft oder eben nach einer Institution zur Kinderbetreuung gesucht werden.<br />
Seit dem 2. Februar 2004 wird dieses Angebot in <strong>Domat</strong>/<strong>Ems</strong> durch die Kinderkrippe<br />
Tripiti ergänzt. Nach einer ersten Kontaktnahme zwischen Vertretern der Politischen<br />
Gemeinde und Vertreterinnen des <strong>Frauenverein</strong>s trafen sich im Oktober 2002<br />
Angehörige verschiedener im Familienbereich tätiger Organisationen zu einer<br />
Aussprache. Nach einer gezielten Umfrage in den <strong>Ems</strong>er Haushalten und der <strong>Ems</strong>-<br />
Chemie AG hielt man das Bedürfnis nach einer Krippe für ausgewiesen.<br />
Die Bereitstellung von Betreuungsangeboten soll den Frauen die Rückkehr in die<br />
Berufstätigkeit erleichtern. Der Betrieb der Kinderkrippe<br />
Tripiti bietet ungefähr 22 Kindern Platz und ist zum heutigen Zeitpunkt voll ausgelastet.<br />
So wie der Kinderanteil heute zuweilen eher stagnierend, so nimmt die<br />
Bevölkerungsgruppe der über 65-Jährigen deutlich zu. 1950 war jede 12. Person in<br />
<strong>Domat</strong>/<strong>Ems</strong> über 65 Jahre alt und zu Beginn dieses Jahrtausends, also 50 Jahre später,<br />
22
ist es schon jede 8. Person. Es ist davon auszugehen, dass die Lebenserwartung in den<br />
nächsten Jahrzehnten weiter ansteigt. Auch in unserer Gemeinde ist festzustellen, dass<br />
viele Seniorinnen und Senioren ein aktives Leben führen und sich darum bemühen, ihre<br />
Selbständigkeit möglichst lange zu bewahren.<br />
Etliche Senioren beteiligen sich rege am <strong>Ems</strong>er Dorf- und Vereinsleben. Darum bemüht<br />
sich auch der <strong>Frauenverein</strong>, verschiedene Aktivitäten für die älteren Mitbewohner<br />
anzubieten. Zu den bevorzugten<br />
Angeboten gehört der Senioren-Mittagstisch, der seit 1993 monatlich in wechselnden<br />
Lokalen durch den <strong>Frauenverein</strong> organisiert wird. Zum Jahresende wird jeweils ein<br />
Samiklaus-Nachmittag für unsere werten Senioren organisiert an dem unser Verein<br />
Kaffee und Kuchen serviert und einen Samiklaus-Besuch beschert.<br />
Seit 1956 werden unsere Einwohnerinnen und Einwohner ab 75 Jahren<br />
23
von der Gemeinde alljährlich zum Altersnachmittag eingeladen. Der Anlass findet stets<br />
guten Zuspruch und es können bis 200 Gäste in der Mehrzweckhalle begrüsst und<br />
bewirtet werden. Das schöne Dekorieren, Tischen, Vorbereiten der offerierten<br />
Fleischteller und das Servieren wird jeweils vom <strong>Frauenverein</strong> übernommen. Frau<br />
Annalis Bargetzi-Brunner unterstützt uns an diesem Anlass schon seit 1987, also seit 22<br />
Jahren. Grazia fetg, Annalis.<br />
Unser ältestes Mitglied im <strong>Frauenverein</strong> <strong>Domat</strong>/<strong>Ems</strong> heisst Agnes auch genannt Nesa<br />
Maissen-Jörg, welche von 1953-1957 Präsidentin unseres Vereines war. Sie wird im Juli<br />
96 Jahre alt. Unsere jüngsten Mitglieder sind aus dem Jahrgang 1978.<br />
Im Übrigen habe ich mir die Zeit genommen, aus den Vereinsbüchern alle Vorstände<br />
von 1929 bis 2009 herauszusuchen. Es liegen 5 Auszüge auf dem Tisch vorne beim<br />
Ausgang zur Ansicht auf.<br />
Also Sie sehen, der <strong>Frauenverein</strong> war in diesen 80 Jahren immer präsent.<br />
Dass der <strong>Frauenverein</strong> sich im Laufe der Jahre in der Form des Daseins veränderte, ist<br />
klar ein Merkmal des Fortschrittes. Die Frauen haben heute sehr vielfältige<br />
Möglichkeiten zur Weiterbildung. Wir nehmen aber unsere Chancen und Möglichkeiten<br />
trotzdem wahr und sind beflügelt, wenn wir vollbesetzte Kurse oder gut besuchte<br />
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Aktivitäten verzeichnen können. Wir schauen mit voller Erwartung, Zuversicht und<br />
Freude in die Zukunft.<br />
Einen herzlichen Dank richte ich an Theo Haas, welcher mit weiteren Autoren die<br />
Bücher „<strong>Domat</strong>/<strong>Ems</strong> – Ein Dorf im Wandel“ und das „Dorfbuch <strong>Domat</strong>/<strong>Ems</strong>“ verfasst<br />
hat. Ich konnte daraus viele Botschaften für meine Ausführungen verwenden.<br />
In den Anfangsjahren haben die Vorstandsfrauen in <strong>Ems</strong> an feierlichen Anlässen<br />
ungefähr so ausgesehen wie wir heute gekleidet sind.<br />
Also eher nobel und wenn ich mein Kleid etwas näher betrachte, welches mit viel<br />
Raffinesse gemacht wurde, so werde ich gar neidisch über diese sorgfältigen<br />
Näharbeiten. Aber ich bin ja auch keine Schneiderin!<br />
Vorstand anlässlich der 80. Generalversammlung 2009<br />
Von links:<br />
Marie-Thérèse Morscher-Schneider, Claudia Casanova-Leupi, Corina Sigron-Beeli, Lucia Bundi-Bearth,<br />
Rosalia Jörg-Beeli, Margot Jörg-Theus, Brigitta Rageth-Ballmer, Astrid Weibel-Bieler und Vreni Jäger-<br />
Bargetzi<br />
Männer schaut mal weg!<br />
Auch unsere Dessous sind heute Abend der damaligen Zeit angepasst!<br />
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So ihr lieben Herren, jetzt dürft ihr wieder schauen wohin ihr wollt…!<br />
Danke.<br />
<strong>Domat</strong>/<strong>Ems</strong>, 13. Mai 2009<br />
Die Präsidentin<br />
Vreni Jäger-Bargetzi<br />
26