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Das Bild des Arztes im 21. Jahrhundert.

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66 MedR (2011) 29: 65–66<br />

Rezensionen<br />

fehle als Folge der ökonomischen Zwänge. Zur Umsicht eines Universitätsklinikum<br />

gehöre, dass auf die Beziehung Arzt–Patient der<br />

Managementcharakter nicht durchschlagen dürfe.<br />

Gerda Müller beschäftigt sich mit der Haftung <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong> für Fehler<br />

und dem Spannungsfeld zwischen medizinischer Kompetenz<br />

und Patientenautonomie, z. B. <strong>im</strong> Rahmen der Aufklärung und bei<br />

ärztlichem Beistand zu Beginn und am Ende menschlichen Lebens.<br />

Anhand beider Problemfelder beleuchtet sie den ärztlichen Fehler als<br />

Verfehlung <strong>des</strong> medizinischen Standards und Versäumnissen bei der<br />

Diagnose, es folgen Erläuterungen zur Aufklärungspflicht auch hinsichtlich<br />

neuer Methoden und Medikamente und sie n<strong>im</strong>mt Stellung<br />

zum Wirtschaftlichkeitsgebot und der daraus folgenden Haftungsgefahr<br />

sowie zur Frage medizinischer Kompetenz und Patientenautonomie.<br />

Die Macht <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong> ergebe sich aus seiner Kompetenz<br />

und dem Vertrauen, das der Patient ihm entgegenbringe. Schranken<br />

ergeben sich für den Arzt bereits aus den klassischen Leitprinzipien<br />

ärztlichen Handelns (Beachtung <strong>des</strong> Patientenwohls, <strong>des</strong> Patientenwillens<br />

und <strong>des</strong> Verbots, zu schaden), die durch die Rechtsprechung<br />

aufgenommen und präzisiert worden seien.<br />

Den verfassungsrechtlichen Rahmen steckt Edzard Schmidt-Jortzig<br />

ab, indem er die ärztliche Tätigkeit als freien Beruf (Art. 12 Abs. 1<br />

GG), den Gesundheitsanspruch <strong>des</strong> Patienten (Art. 2 Abs. 2 GG) und<br />

das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) in Beziehung setzt, woraus<br />

er das verfassungsrechtliche <strong>Bild</strong> <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong> entwickelt.<br />

Joach<strong>im</strong> Klosterkötter erläutert an Hand von Leitgedanken der Leistungs-<br />

und Zielvereinbarung 2007 bis 2010 der Medizinischen Fakultät<br />

<strong>des</strong> Universitätsklinikums Köln das Arztbild der heutigen<br />

Hochschulmedizin mit Schwerpunktbildung, Transparenz, leistungsorientierter<br />

Mittelvergabe für Forschung und Lehre mit Formulierung<br />

von Entwicklungszielen <strong>im</strong> Bereich der Lehre und Krankenversicherung<br />

in der Hochschulmedizin, indem er die früher geforderte<br />

Einheit von Forschung und Lehre weiter entwickelt zu einer integrativen<br />

Doppelspitze mit Forschungsprofessur (wissenschaftliche Laufbahn)<br />

und klinischer Professur (klinische Laufbahn).<br />

Klaus Bergdolt referiert zum „Kontinuum <strong>des</strong> Ärztlichen“, sieht dabei<br />

Bedrohungen <strong>des</strong> Arzt/Patient–Verhältnisses <strong>im</strong> Paradigma einer<br />

reinen Naturwissenschaft mit Gegenreaktionen <strong>im</strong> Laufe der Geschichte<br />

und heutigen rechtlichen Regulierungen und Wirtschaftlichkeitsgebot<br />

und zeichnet hieraus die Auswirkungen auf das Arzt/<br />

Patient–Verhältnis mit Rückbesinnung auf die humanitäre Gestaltung<br />

<strong>des</strong> Arzt/Patient–Verhältnisses. Es bleibe Aufgabe der Gesellschaft,<br />

die Rahmenbedingungen festzulegen, auf deren Grundlage<br />

der Arzt ethisch und human handeln könne. Diese hingen auch an<br />

gewachsenen Werten, historischen Erfahrungen, weltanschaulichen<br />

Bindungen, religiösen und antireligiösen Einflüssen sowie zahlreichen<br />

subjektiven Kriterien. Ein Konsens in der Frage, wann ethisch<br />

gebotenes Sparen, d. h. ein Kampf gegen Selbstbedienungsmentalität<br />

und utopische Forderungen an das Gesundheitssystem, in eine<br />

ethisch verwerfliche Reduktion der Ressourcen übergehe, müsse gefunden<br />

werden, der es dem Arzt erlaube, <strong>im</strong> Alltag auf menschliche<br />

Weise, aber auch nach dem Stand der medizinisch-wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse, kranken Menschen zu helfen.<br />

Rainer Hess hält fest, dass der Arztberuf kein Gewerbe, sondern<br />

seiner Natur nach ein freier Beruf ist (§ 1 Abs. 2 BÄO); trotz dieses<br />

rechtlichen Manifests habe sich das Arztbild in den letzten Jahren<br />

erheblich geändert. Die wesentliche Rolle bei der Best<strong>im</strong>mung ärztlichen<br />

Handelns, einschränkend gegenüber der generellen Freiberuflichkeit,<br />

spiele der informed consent <strong>des</strong> über die beabsichtigte<br />

Behandlung aufgeklärten Patienten, von dem der Arzt nur <strong>im</strong> Falle<br />

eines mit seinem ärztlichen Gewissen nicht zu vereinbarenden Eingriffs<br />

abweichen dürfe. Dieses Recht habe er auch grundsätzlich gegenüber<br />

seinem Arbeitgeber. Indirekte Rationierung medizinisch<br />

notwendiger Leistungen werde zwar öffentlich bestritten; sie finde<br />

dennoch zumin<strong>des</strong>t in Form einer Verlagerung notwendiger Leistungen<br />

auf den nächsten Budgetzeitraum zunehmend statt. Es gebe<br />

keine Anzeichen dafür, dass sich in absehbarer Zeit etwas an der<br />

Begrenztheit der Mittel <strong>im</strong> Gesundheitswesen ändere. Deutschland<br />

habe seines Erachtens in der Gestaltung <strong>des</strong> Gesundheitswesens den<br />

Weg in das <strong>21.</strong> <strong>Jahrhundert</strong> noch nicht gefunden. Die Ärzte seien<br />

tief verunsichert über die künftige Ausgestaltung ihres Berufsbil<strong>des</strong><br />

in einem auf Kassenwettbewerb und selektiven Vertragswettbewerb<br />

angelegten Entwicklungsprozess. Eine starke Konzentration der vertragsärztlichen<br />

Berufsausübung in Berufsausübungsgemeinschaften<br />

oder Medizinischen Versorgungszentren sei bereits <strong>im</strong> Gange. Die<br />

Auswanderungstendenz deutscher Ärzte in Staaten mit staatlichem<br />

Gesundheitssystem lasse erkennen, dass viele Ärztinnen und Ärzte<br />

ihren Beruf lieber in einem gesicherten Anstellungsverhältnis mit<br />

geregelten Arbeits- und Freizeiten verbringen wollen als <strong>im</strong> Stress<br />

unternehmerischer Verantwortung als Arzt in eigener Praxis. Eine<br />

vergleichbare Verunsicherung ergreife auch die Patienten.<br />

Horst-Dieter Schirmer und Christoph Fuchs nehmen Stellung zu Rationierung<br />

und Schutzfunktion der ärztlichen Selbstverwaltung.<br />

Mit den Sicherungen der ärztlichen Selbstverwaltung unter Freiheit<br />

ärztlicher Berufsausübung, gewährleistet durch die ärztliche Berufsordnung,<br />

sei vorrangig dem Patientenschutz gedient. Die in eigener<br />

Autonomie entwickelte Professionalität der Ärzte enthalte eine<br />

emanzipatorische Option zum Schutz der Patienten, die Garant der<br />

Patientenrechte auch in der Rationierungsdebatte sei. Dem Arzt müsse<br />

ein Freiraum zu einer gewissenhaften Entscheidung <strong>im</strong> Einzelfall<br />

bleiben. Ein Zuviel an Reglementierung zerstöre die Tatkraft und<br />

Initiative <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong>. Sozialrechtlich sei bereits eine Überreglementierung<br />

zu beobachten. Dies erzeuge, wie auch an den politischen<br />

Begleitungen der jüngsten Gesundheitsreform seitens der Ärzteschaft<br />

zu sehen sei, Frustration und <strong>im</strong> schl<strong>im</strong>msten Falle Flucht.<br />

Dorothea Prütting stellt den Versorgungsauftrag in der Krankenhausrahmenplanung<br />

dar und zeigt, wie die Gesetzgebung <strong>des</strong> <strong>21.</strong> <strong>Jahrhundert</strong>s<br />

versucht, den Belangen der Patientinnen und Patienten sowie<br />

der Ärztinnen und Ärzte gleichermaßen gerecht zu werden.<br />

Hanns Prütting stellt die Arzthaftung in europäische Zusammenhänge:<br />

Die europäische Arzthaftung <strong>im</strong> Prozess, internationale Zuständigkeit<br />

und Kollisionsrecht.<br />

Michael Quante untersucht „das ärztliche Selbstverständnis <strong>im</strong><br />

<strong>21.</strong> <strong>Jahrhundert</strong> <strong>im</strong> Kontext der biomedizinischen Ethik“, er stellt<br />

die Frage „Therapieren versus Opt<strong>im</strong>ieren: eine Grenze der Solidarität“,<br />

und fordert „Selbstverbesserung als tugendethischer Imperativ“;<br />

er schließt mit der Feststellung, dass der Wegfall der ethischen<br />

Prinzipien, die dem medizinischen Handeln durch das Ethos <strong>des</strong><br />

ärztlichen Handelns zuwachsen, sich vermutlich ungleich schwerer<br />

kompensieren lasse als die Umbrüche, welche durch die Bewältigung<br />

der Herausforderungen <strong>des</strong> Enhancement innerhalb eines reflektierten<br />

ärztlichen Selbstverständnisses erforderlich sein werden.<br />

Abschließend stellt Christiane Woopen den Arzt als Heiler und Manager<br />

vor: „Erforderliche Integration <strong>des</strong> scheinbar Unvereinbaren“<br />

Ärztliches Handeln weise in seiner Struktur erhebliche Gemeinsamkeiten<br />

mit Management-Handeln auf. Im Sinne guten Führens könne<br />

der Arzt von einer vertieften Beschäftigung mit den Grundsätzen und<br />

Aufgaben professionellen Managements profitieren – zum einen für die<br />

Führung <strong>des</strong> Patienten und seiner selbst, zum anderen für die Führung<br />

derer, mit denen er <strong>im</strong> Rahmen einer Organisation zusammenarbeitet.<br />

Durch den ökonomischen und rechtlichen Druck sei die Gefahr erheblich,<br />

dass insbesondere unter dem Einfluss nicht-ärztlichen Managements<br />

dem ärztlichen Handeln unzuträgliche Rahmenbedingungen<br />

geschaffen oder verfestigt würden. So könnten Handlungsalternativen,<br />

zwischen denen der Arzt für medizinische Maßnahmen überhaupt nur<br />

wählen könne, unangemessen eingeengt und seine <strong>im</strong> Einzelfall erforderliche<br />

Urteilskraft vereitelt werden. Der Arzt dürfe sich, um zu bestehen,<br />

nicht länger auf die Ausschließlichkeit seiner Aufgabe als Heiler<br />

berufen, vielmehr müsse er sich <strong>im</strong> Rahmen der heute unvermeidbaren<br />

Organisationen gleichzeitig als Manager verstehen, der das Wirksamwerden<br />

der jeweils beteiligten Personen mit Blick auf das Ziel, nämlich<br />

der qualitativ guten medizinischen Versorgung <strong>des</strong> Patienten, zu seiner<br />

Verantwortung zähle. Nur der Arzt als Heiler und Manager könne die<br />

Bedrohung der Therapiefreiheit und der Arzt/Patient-Beziehung bewältigen,<br />

ohne der frucht- und verantwortungslosen Leugnung ökonomischer<br />

Zwänge zu verfallen. Nur der Arzt als Heiler und Manager<br />

könne sich der Deformierung seines Handelns zu einem reinen Herstellungsprozess<br />

verweigern und damit dem Paradigma der Zweckrationalität<br />

sein ärztliches Ethos wirkungsvoll entgegensetzen.<br />

Die Auswahl der Referenten, jeder hochspezialisiert und renommiert<br />

in seinem Fachgebiet, lässt erkennen, wie vielen Einflüssen das<br />

moderne Arztbild <strong>im</strong> Gegensatz zu einer weitgehend eind<strong>im</strong>ensionalen<br />

Betrachtungsweise voriger Jahrzehnte unterliegt. Hier Orientierung,<br />

Eingrenzung, aber auch Erweiterung <strong>des</strong> Arztbil<strong>des</strong> angesichts<br />

moderner Anforderungen an den Arztberuf zu finden, dies beanspruchte<br />

der 1. Kölner Medizinrechtstag. Die Beiträge zeigen aber<br />

auch, wie moderne Vorstellungen in best<strong>im</strong>mtem, noch zu definierendem<br />

Rahmen eingegrenzt werden müssen, um einer gelingenden<br />

Arzt/Patient-Beziehung nicht zu schaden.<br />

Die Lektüre der einzelnen Referate führt in der Synopse zu einer<br />

nachdenkenswerten Erweiterung <strong>des</strong> Arztbil<strong>des</strong>, wie es Arzt und Patient<br />

dieser Generation auch in einer künftigen Entwicklung gerecht<br />

wird. Insofern ist der Symposiumsband allen Disziplinen sehr zu<br />

empfehlen, die sich mit dem Arztbild, der ärztlichen Leistung, dem<br />

Patientenwohl, aber auch den eingeschränkten finanziellen Ressourcen,<br />

sowie den zahlreichen rechtlichen Bedingungen beschäftigen<br />

und dies weiterentwickeln wollen.

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