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Das Bild des Arztes im 21. Jahrhundert.

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Rezensionen MedR (2011) 29: 65–66 65<br />

vom 13. 4. 2007 (BGBl. I S. 513) sowie das „Gesetz zur Sicherung<br />

der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in<br />

einer Erziehungsanstalt“ vom 16. 7. 2007 (BGBl. I S. 1327) ein. Nicht<br />

zuletzt dieser Umstand war für die Kaiserin-Friedrich-Stiftung der<br />

Anlass, sich auf dem 37. Symposium für Ärzte und Juristen, das am<br />

10./11. 10. 2008 in Berlin veranstaltet wurde, mit aktuellen medizinrechtlichen<br />

Problemen <strong>des</strong> Maßregelvollzugs zu befassen. Der vorliegende<br />

Band fasst die zahlreichen Referate und Diskussionen dieses<br />

interdisziplinären Symposiums in konzentrierter Form zusammen.<br />

Im Grundlagenteil werden zunächst der Maßregelvollzug, die gegenwärtige<br />

Gesetzeslage und die ärztlichen Indikationen zur Einweisung<br />

vorgestellt. Anschließend erfolgt eine Erörterung aktueller<br />

vollstreckungs- und vollzugsrechtlicher Probleme, zu denen z. B. die<br />

Grenzen der Schweige- und Berichtspflicht <strong>im</strong> Vollstreckungsverfahren<br />

sowie die gegen den Willen <strong>des</strong> Patienten erfolgende ärztliche<br />

Behandlung <strong>im</strong> Maßregelvollzug gehören. Weiter wird auf die derzeitigen<br />

Probleme der ambulanten Nachsorge eingegangen, wobei<br />

die Rückfallfaktoren und beispielhaft die Nachsorge in der Berliner<br />

Forensisch-Therapeutischen Ambulanz (FTA) – die vor allem mit<br />

„Hochrisikotätern“ aus dem Bereich der Sexualdelinquenz befasst<br />

ist – <strong>im</strong> Mittelpunkt stehen. Bei den therapeutischen Maßnahmen<br />

werden die Behandlungserfordernisse bei Sexualstraftätern, die heutige<br />

Antidrogenbehandlung und die modernen Formen der Suchtbehandlung<br />

näher beleuchtet. Der abschließende Ausblick zeigt die<br />

Entwicklungstendenzen <strong>des</strong> Maßregelvollzugs aus kr<strong>im</strong>inologischer<br />

und ökonomischer Sicht auf.<br />

In der Generaldebatte, die am Ende <strong>des</strong> Ban<strong>des</strong> zusammengefasst<br />

wiedergegeben wird, gelangte zum Ausdruck, dass die Allgemeinpsychiatrie<br />

teilweise noch zu wenig Kenntnis von dem mittlerweile<br />

vorhandenen umfangreichen Wissen der Forensischen Psychiatrie<br />

n<strong>im</strong>mt. Zudem konstatierten die Teilnehmer ein erhebliches Nachwuchsproblem,<br />

da <strong>im</strong>mer weniger Menschen bereit sind, sich mit gefährlichen<br />

psychisch kranken Straftätern zu befassen. Dieser Umstand<br />

ist gerade <strong>des</strong>halb besorgniserregend, weil von dem Maßregelvollzug<br />

heute in größerem Umfang als früher Gebrauch gemacht wird und<br />

die Dauer der Unterbringung gleichzeitig zugenommen hat. Die längeren<br />

Unterbringungszeiten lassen andererseits erkennen, dass der<br />

Maßregelvollzug von den Problemen der Allgemeinpsychiatrie, in<br />

der angesichts knapper Mittel eine hinreichend lange stationäre Behandlung<br />

häufig nicht mehr stattfinden kann und auf ambulante Behandlungskonstrukte<br />

ausgewichen werden muss, nicht betroffen ist.<br />

Angesichts der vorzüglichen Beiträge <strong>des</strong> Symposiums, die den<br />

Fortschritt und die hohe Qualität <strong>des</strong> Maßregelvollzugs eindrucksvoll<br />

widerspiegeln, besteht die begründete Aussicht, dass die neuere<br />

Forschung nicht nur von Psychiatern und Psychotherapeuten rezipiert<br />

wird, sondern auch bei Richtern und Staatsanwälten auf reges<br />

Interesse stößt.<br />

DOI: 10.1007/s00350-010-2718-x<br />

<strong>Das</strong> <strong>Bild</strong> <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong> <strong>im</strong> <strong>21.</strong> <strong>Jahrhundert</strong>.<br />

Herausgegeben von Christian Katzenmeier und Klaus Bergdolt.<br />

Verlag Springer (Kölner Schriften zum Medizinrecht,<br />

Bd. 1), Heidelberg 2009, 194 S., geb., € 79,95<br />

Am Anfang eines Jahrtausends bietet es sich geradezu an, den Beruf<br />

<strong>des</strong> <strong>Arztes</strong> <strong>im</strong> Laufe der Zeiten zu analysieren mit dem Ziel, mögliche<br />

künftige Entwicklungen zu prüfen und sie entsprechend gesellschaftlichen,<br />

ethischen und menschlichen Bedürfnissen zu ordnen und zu<br />

beeinflussen. Diesem Anspruch wurde der <strong>im</strong> Herbst 2008 durchgeführte<br />

1. Kölner Medizinrechtstag in höchstem Maße gerecht. In<br />

dem vorliegenden Symposiumsband sind die Beiträge aller Referenten<br />

und zudem vieler Moderatoren wiedergegeben.<br />

Jörg-Dietrich Hoppe sieht eine Erweiterung <strong>des</strong> Spannungsdreiecks<br />

Arzt/Patient-Verhältnis – Politik – Rechtspflege, in dem bis in die<br />

1980er Jahre das Vertrauensverhältnis Arzt/Patient von Politik und<br />

Rechtsprechung respektiert wurde, zu einem Sechseck: Autonomer<br />

Patient, Arzt in verschiedenen Rollen, Politik als Gestalter <strong>des</strong> Gesundheitswesens,<br />

Auftragsselbstverwaltung als Rationierungsinstitution,<br />

Leistungserbringer, Recht. Der Bun<strong>des</strong>ärztekammerpräsident<br />

präsentiert das deutsche Gesundheitswesen in einem Durchgangs-<br />

Prof. Dr. med. Hans Friedrich Kienzle,<br />

Köln, Deutschland<br />

stadium mit Anleihen aus Skandinavien, den Niederlanden und<br />

Einbeziehung von wettbewerblichen Ideen aus den USA. Die Arzt/<br />

Patient-Beziehung differenziere sich als fürsorglicher Hoffnungsträger<br />

für schwerkranke Patienten, Partner bei chronischen Erkrankungen<br />

und zum Arzt als Auftragnehmer für den sich selbst als Kunden<br />

betrachtenden Patienten.<br />

Adolf Laufs, Kenner und Gestalter jahrzehntelanger Entwicklungen<br />

<strong>des</strong> Arztbil<strong>des</strong> in verschiedenen Funktionen und Ausformungen,<br />

zeichnet ein überaus vielfältiges Berufsbild: Biomedizin, Wunschmedizin,<br />

Regulierung, Vergesellschaftung und Ökonomisierung sind<br />

die Stichworte, die ein einheitliches Arztbild konterkarieren als<br />

Weiterentwicklung paternalistischer Denkweise voriger Jahre. Bei<br />

allem habe sich aber ein hippokratischer Kern erhalten. Trotz nach<br />

wie vor hohen Ansehens in der Bevölkerung habe der Arzt in der<br />

Konkurrenz mit anderen Heilberufen in einer anspruchsvollen arbeitsteiligen<br />

Welt angesichts selbstbewusst fordernder Patienten auch<br />

als Teilnehmer <strong>des</strong> Ringens um Einkommen an Leuchtkraft und<br />

Respekt eingebüßt. Die Rechtspolitik in der Demokratie habe die<br />

gesellschaftliche Einebnung auch der Ärzte begünstigt. Schon Kafka<br />

habe geschrieben: „’S ist nur ein Arzt, ’S ist nur ein Arzt“.<br />

Giovanni Maio stellt sein Referat unter sechs Leitgedanken, untersucht<br />

in zwei Abschnitten die Auswirkungen <strong>des</strong> Marktgedankens in<br />

der Medizin und formuliert in drei weiteren Abschnitten die hieraus<br />

zu ziehenden ethischen Schlussfolgerungen. Er bezeichnet es als fatal,<br />

wenn die Medizin sich nach Belieben verändern würde. Als Grundform<br />

der menschlichen Praxis bleibe die Zuwendung eines Helfers ein Bestandteil<br />

der gesamten Gesellschaft, auf den kein vernünftiger Mensch<br />

zu verzichten bereit sein dürfte. Daher wäre die Ablösung einer solchen<br />

sittlichen Helfer-Person durch einen marktorientierten Dienstleister<br />

für die gesamte Gesellschaft ein nicht ersetzbarer Verlust.<br />

Eckhard Nagel referiert aus der Sicht <strong>des</strong> Medizinmanagements<br />

und der Gesundheitswissenschaften mit der Prämisse, dass die pr<strong>im</strong>är<br />

an betriebswirtschaftlichen Zielen ausgerichteten gesundheitspolitischen<br />

Vorgaben die ärztliche Entscheidungsfindung auf vielen<br />

Ebenen durchdringen und das Verhältnis zu Patienten überschatten.<br />

Der klinische Alltag werde eingeengt, es bleibe wenig Zeit für ruhiges<br />

Nachdenken und integrative Überlegungen. Er plädiert für mehr<br />

Geld <strong>im</strong> System, um die Ansprüche der Versicherten zu bedienen,<br />

dem medizinisch-technischen Fortschritt gerecht zu werden und die<br />

Leistungsfähigkeit der Gesundheitsversorgung aufrechtzuerhalten.<br />

In der Gesundheitsversorgung sei der Arzt, der Leistungen erbringt,<br />

nicht vorrangig Kostenfaktor, sondern – ökonomisch gesprochen –<br />

Humankapital und damit der wichtigste Produktionsfaktor. Hier zu<br />

sparen, sei kontraproduktiv.<br />

Christian Katzenmeier sieht die wissenschaftliche Durchdringung<br />

medizinrechtlicher Fragestellungen als eine der großen Herausforderungen<br />

<strong>des</strong> <strong>21.</strong> <strong>Jahrhundert</strong>s. Fragen der Humangenetik, der Reproduktionsmedizin,<br />

der Krankenversicherung, der Verteilungsgerechtigkeit<br />

<strong>im</strong> Gesundheitssystem, der Sicherung von Patientenrechten,<br />

der Arzthaftung, <strong>des</strong> Arzne<strong>im</strong>ittelrechts, <strong>des</strong> Lebensschutzes oder der<br />

Sterbehilfe besäßen hohe gesellschaftliche Aktualität und politische<br />

Brisanz. Über die <strong>Jahrhundert</strong>e hinweg sei ärztliches Handeln in der<br />

Hauptsache ein deontologischer, professions- und moral-philosophischer<br />

Topos gewesen. Inzwischen habe der moderne Interventionsstaat<br />

auch die Medizin erfasst. Heute durchdringe das Recht die<br />

Medizin in einer Intensität, die historisch kein Vorbild besitze. Im<br />

Einzelnen stellt Katzenmeier die Funktionen <strong>des</strong> Rechts, die Gefahren<br />

einer übermäßigen Juridifizierung und die Unterschiede ärztlichen<br />

und juristischen Denkens dar und erläutert dies in ausgewählten Themenkreisen<br />

(Arzthaftung, Beginn und Ende menschlichen Lebens,<br />

Reform <strong>des</strong> Gesundheitssystems). Trotz <strong>des</strong> Spannungsfel<strong>des</strong> „Medizin<br />

und Recht“ gebe es eine Perspektive, die hoffnungsfroh st<strong>im</strong>me.<br />

Die Hoffnung richte sich darauf, von der früheren Konfrontation<br />

über Kommunikation zu einer Kooperation von Ärzten und Juristen<br />

zu gelangen. Wichtiges Anliegen sei dabei die Entwicklung eines integrativen<br />

Medizinrechts, die durch eine inter- und transdisziplinäre<br />

Zusammenarbeit der Medizin (klinische Fächer und Rechtsmedizin)<br />

mit den Disziplinen Ethik, Geschichte, Sozialmedizin, medizinische<br />

Psychologie und Soziologie als auch mit den herkömmlichen juristischen<br />

Fachdisziplinen gekennzeichnet sei.<br />

Otfried Höffe sieht als medizinischer Amateur die Gegenwart so<br />

stark von einer Ökonomisierung (betriebswirtschaftliche Perspektiven)<br />

geprägt, dass sich die Wirtschaftlichkeit als Titelbegriff aufdränge.<br />

Er untersucht seinen selbst gewählten Topos mit dem Begriff<br />

„Knappheit: ein Grundproblem“ am Beispiel der universitären<br />

Krankenversorgung und den Unterabschnitten Ausbildung, Forschung<br />

und Krankenversorgung. Zu einer guten Ausbildung gehöre<br />

emotionale und psychische Betreuung, dafür brauche es Zeit. Diese


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Rezensionen<br />

fehle als Folge der ökonomischen Zwänge. Zur Umsicht eines Universitätsklinikum<br />

gehöre, dass auf die Beziehung Arzt–Patient der<br />

Managementcharakter nicht durchschlagen dürfe.<br />

Gerda Müller beschäftigt sich mit der Haftung <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong> für Fehler<br />

und dem Spannungsfeld zwischen medizinischer Kompetenz<br />

und Patientenautonomie, z. B. <strong>im</strong> Rahmen der Aufklärung und bei<br />

ärztlichem Beistand zu Beginn und am Ende menschlichen Lebens.<br />

Anhand beider Problemfelder beleuchtet sie den ärztlichen Fehler als<br />

Verfehlung <strong>des</strong> medizinischen Standards und Versäumnissen bei der<br />

Diagnose, es folgen Erläuterungen zur Aufklärungspflicht auch hinsichtlich<br />

neuer Methoden und Medikamente und sie n<strong>im</strong>mt Stellung<br />

zum Wirtschaftlichkeitsgebot und der daraus folgenden Haftungsgefahr<br />

sowie zur Frage medizinischer Kompetenz und Patientenautonomie.<br />

Die Macht <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong> ergebe sich aus seiner Kompetenz<br />

und dem Vertrauen, das der Patient ihm entgegenbringe. Schranken<br />

ergeben sich für den Arzt bereits aus den klassischen Leitprinzipien<br />

ärztlichen Handelns (Beachtung <strong>des</strong> Patientenwohls, <strong>des</strong> Patientenwillens<br />

und <strong>des</strong> Verbots, zu schaden), die durch die Rechtsprechung<br />

aufgenommen und präzisiert worden seien.<br />

Den verfassungsrechtlichen Rahmen steckt Edzard Schmidt-Jortzig<br />

ab, indem er die ärztliche Tätigkeit als freien Beruf (Art. 12 Abs. 1<br />

GG), den Gesundheitsanspruch <strong>des</strong> Patienten (Art. 2 Abs. 2 GG) und<br />

das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) in Beziehung setzt, woraus<br />

er das verfassungsrechtliche <strong>Bild</strong> <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong> entwickelt.<br />

Joach<strong>im</strong> Klosterkötter erläutert an Hand von Leitgedanken der Leistungs-<br />

und Zielvereinbarung 2007 bis 2010 der Medizinischen Fakultät<br />

<strong>des</strong> Universitätsklinikums Köln das Arztbild der heutigen<br />

Hochschulmedizin mit Schwerpunktbildung, Transparenz, leistungsorientierter<br />

Mittelvergabe für Forschung und Lehre mit Formulierung<br />

von Entwicklungszielen <strong>im</strong> Bereich der Lehre und Krankenversicherung<br />

in der Hochschulmedizin, indem er die früher geforderte<br />

Einheit von Forschung und Lehre weiter entwickelt zu einer integrativen<br />

Doppelspitze mit Forschungsprofessur (wissenschaftliche Laufbahn)<br />

und klinischer Professur (klinische Laufbahn).<br />

Klaus Bergdolt referiert zum „Kontinuum <strong>des</strong> Ärztlichen“, sieht dabei<br />

Bedrohungen <strong>des</strong> Arzt/Patient–Verhältnisses <strong>im</strong> Paradigma einer<br />

reinen Naturwissenschaft mit Gegenreaktionen <strong>im</strong> Laufe der Geschichte<br />

und heutigen rechtlichen Regulierungen und Wirtschaftlichkeitsgebot<br />

und zeichnet hieraus die Auswirkungen auf das Arzt/<br />

Patient–Verhältnis mit Rückbesinnung auf die humanitäre Gestaltung<br />

<strong>des</strong> Arzt/Patient–Verhältnisses. Es bleibe Aufgabe der Gesellschaft,<br />

die Rahmenbedingungen festzulegen, auf deren Grundlage<br />

der Arzt ethisch und human handeln könne. Diese hingen auch an<br />

gewachsenen Werten, historischen Erfahrungen, weltanschaulichen<br />

Bindungen, religiösen und antireligiösen Einflüssen sowie zahlreichen<br />

subjektiven Kriterien. Ein Konsens in der Frage, wann ethisch<br />

gebotenes Sparen, d. h. ein Kampf gegen Selbstbedienungsmentalität<br />

und utopische Forderungen an das Gesundheitssystem, in eine<br />

ethisch verwerfliche Reduktion der Ressourcen übergehe, müsse gefunden<br />

werden, der es dem Arzt erlaube, <strong>im</strong> Alltag auf menschliche<br />

Weise, aber auch nach dem Stand der medizinisch-wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse, kranken Menschen zu helfen.<br />

Rainer Hess hält fest, dass der Arztberuf kein Gewerbe, sondern<br />

seiner Natur nach ein freier Beruf ist (§ 1 Abs. 2 BÄO); trotz dieses<br />

rechtlichen Manifests habe sich das Arztbild in den letzten Jahren<br />

erheblich geändert. Die wesentliche Rolle bei der Best<strong>im</strong>mung ärztlichen<br />

Handelns, einschränkend gegenüber der generellen Freiberuflichkeit,<br />

spiele der informed consent <strong>des</strong> über die beabsichtigte<br />

Behandlung aufgeklärten Patienten, von dem der Arzt nur <strong>im</strong> Falle<br />

eines mit seinem ärztlichen Gewissen nicht zu vereinbarenden Eingriffs<br />

abweichen dürfe. Dieses Recht habe er auch grundsätzlich gegenüber<br />

seinem Arbeitgeber. Indirekte Rationierung medizinisch<br />

notwendiger Leistungen werde zwar öffentlich bestritten; sie finde<br />

dennoch zumin<strong>des</strong>t in Form einer Verlagerung notwendiger Leistungen<br />

auf den nächsten Budgetzeitraum zunehmend statt. Es gebe<br />

keine Anzeichen dafür, dass sich in absehbarer Zeit etwas an der<br />

Begrenztheit der Mittel <strong>im</strong> Gesundheitswesen ändere. Deutschland<br />

habe seines Erachtens in der Gestaltung <strong>des</strong> Gesundheitswesens den<br />

Weg in das <strong>21.</strong> <strong>Jahrhundert</strong> noch nicht gefunden. Die Ärzte seien<br />

tief verunsichert über die künftige Ausgestaltung ihres Berufsbil<strong>des</strong><br />

in einem auf Kassenwettbewerb und selektiven Vertragswettbewerb<br />

angelegten Entwicklungsprozess. Eine starke Konzentration der vertragsärztlichen<br />

Berufsausübung in Berufsausübungsgemeinschaften<br />

oder Medizinischen Versorgungszentren sei bereits <strong>im</strong> Gange. Die<br />

Auswanderungstendenz deutscher Ärzte in Staaten mit staatlichem<br />

Gesundheitssystem lasse erkennen, dass viele Ärztinnen und Ärzte<br />

ihren Beruf lieber in einem gesicherten Anstellungsverhältnis mit<br />

geregelten Arbeits- und Freizeiten verbringen wollen als <strong>im</strong> Stress<br />

unternehmerischer Verantwortung als Arzt in eigener Praxis. Eine<br />

vergleichbare Verunsicherung ergreife auch die Patienten.<br />

Horst-Dieter Schirmer und Christoph Fuchs nehmen Stellung zu Rationierung<br />

und Schutzfunktion der ärztlichen Selbstverwaltung.<br />

Mit den Sicherungen der ärztlichen Selbstverwaltung unter Freiheit<br />

ärztlicher Berufsausübung, gewährleistet durch die ärztliche Berufsordnung,<br />

sei vorrangig dem Patientenschutz gedient. Die in eigener<br />

Autonomie entwickelte Professionalität der Ärzte enthalte eine<br />

emanzipatorische Option zum Schutz der Patienten, die Garant der<br />

Patientenrechte auch in der Rationierungsdebatte sei. Dem Arzt müsse<br />

ein Freiraum zu einer gewissenhaften Entscheidung <strong>im</strong> Einzelfall<br />

bleiben. Ein Zuviel an Reglementierung zerstöre die Tatkraft und<br />

Initiative <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong>. Sozialrechtlich sei bereits eine Überreglementierung<br />

zu beobachten. Dies erzeuge, wie auch an den politischen<br />

Begleitungen der jüngsten Gesundheitsreform seitens der Ärzteschaft<br />

zu sehen sei, Frustration und <strong>im</strong> schl<strong>im</strong>msten Falle Flucht.<br />

Dorothea Prütting stellt den Versorgungsauftrag in der Krankenhausrahmenplanung<br />

dar und zeigt, wie die Gesetzgebung <strong>des</strong> <strong>21.</strong> <strong>Jahrhundert</strong>s<br />

versucht, den Belangen der Patientinnen und Patienten sowie<br />

der Ärztinnen und Ärzte gleichermaßen gerecht zu werden.<br />

Hanns Prütting stellt die Arzthaftung in europäische Zusammenhänge:<br />

Die europäische Arzthaftung <strong>im</strong> Prozess, internationale Zuständigkeit<br />

und Kollisionsrecht.<br />

Michael Quante untersucht „das ärztliche Selbstverständnis <strong>im</strong><br />

<strong>21.</strong> <strong>Jahrhundert</strong> <strong>im</strong> Kontext der biomedizinischen Ethik“, er stellt<br />

die Frage „Therapieren versus Opt<strong>im</strong>ieren: eine Grenze der Solidarität“,<br />

und fordert „Selbstverbesserung als tugendethischer Imperativ“;<br />

er schließt mit der Feststellung, dass der Wegfall der ethischen<br />

Prinzipien, die dem medizinischen Handeln durch das Ethos <strong>des</strong><br />

ärztlichen Handelns zuwachsen, sich vermutlich ungleich schwerer<br />

kompensieren lasse als die Umbrüche, welche durch die Bewältigung<br />

der Herausforderungen <strong>des</strong> Enhancement innerhalb eines reflektierten<br />

ärztlichen Selbstverständnisses erforderlich sein werden.<br />

Abschließend stellt Christiane Woopen den Arzt als Heiler und Manager<br />

vor: „Erforderliche Integration <strong>des</strong> scheinbar Unvereinbaren“<br />

Ärztliches Handeln weise in seiner Struktur erhebliche Gemeinsamkeiten<br />

mit Management-Handeln auf. Im Sinne guten Führens könne<br />

der Arzt von einer vertieften Beschäftigung mit den Grundsätzen und<br />

Aufgaben professionellen Managements profitieren – zum einen für die<br />

Führung <strong>des</strong> Patienten und seiner selbst, zum anderen für die Führung<br />

derer, mit denen er <strong>im</strong> Rahmen einer Organisation zusammenarbeitet.<br />

Durch den ökonomischen und rechtlichen Druck sei die Gefahr erheblich,<br />

dass insbesondere unter dem Einfluss nicht-ärztlichen Managements<br />

dem ärztlichen Handeln unzuträgliche Rahmenbedingungen<br />

geschaffen oder verfestigt würden. So könnten Handlungsalternativen,<br />

zwischen denen der Arzt für medizinische Maßnahmen überhaupt nur<br />

wählen könne, unangemessen eingeengt und seine <strong>im</strong> Einzelfall erforderliche<br />

Urteilskraft vereitelt werden. Der Arzt dürfe sich, um zu bestehen,<br />

nicht länger auf die Ausschließlichkeit seiner Aufgabe als Heiler<br />

berufen, vielmehr müsse er sich <strong>im</strong> Rahmen der heute unvermeidbaren<br />

Organisationen gleichzeitig als Manager verstehen, der das Wirksamwerden<br />

der jeweils beteiligten Personen mit Blick auf das Ziel, nämlich<br />

der qualitativ guten medizinischen Versorgung <strong>des</strong> Patienten, zu seiner<br />

Verantwortung zähle. Nur der Arzt als Heiler und Manager könne die<br />

Bedrohung der Therapiefreiheit und der Arzt/Patient-Beziehung bewältigen,<br />

ohne der frucht- und verantwortungslosen Leugnung ökonomischer<br />

Zwänge zu verfallen. Nur der Arzt als Heiler und Manager<br />

könne sich der Deformierung seines Handelns zu einem reinen Herstellungsprozess<br />

verweigern und damit dem Paradigma der Zweckrationalität<br />

sein ärztliches Ethos wirkungsvoll entgegensetzen.<br />

Die Auswahl der Referenten, jeder hochspezialisiert und renommiert<br />

in seinem Fachgebiet, lässt erkennen, wie vielen Einflüssen das<br />

moderne Arztbild <strong>im</strong> Gegensatz zu einer weitgehend eind<strong>im</strong>ensionalen<br />

Betrachtungsweise voriger Jahrzehnte unterliegt. Hier Orientierung,<br />

Eingrenzung, aber auch Erweiterung <strong>des</strong> Arztbil<strong>des</strong> angesichts<br />

moderner Anforderungen an den Arztberuf zu finden, dies beanspruchte<br />

der 1. Kölner Medizinrechtstag. Die Beiträge zeigen aber<br />

auch, wie moderne Vorstellungen in best<strong>im</strong>mtem, noch zu definierendem<br />

Rahmen eingegrenzt werden müssen, um einer gelingenden<br />

Arzt/Patient-Beziehung nicht zu schaden.<br />

Die Lektüre der einzelnen Referate führt in der Synopse zu einer<br />

nachdenkenswerten Erweiterung <strong>des</strong> Arztbil<strong>des</strong>, wie es Arzt und Patient<br />

dieser Generation auch in einer künftigen Entwicklung gerecht<br />

wird. Insofern ist der Symposiumsband allen Disziplinen sehr zu<br />

empfehlen, die sich mit dem Arztbild, der ärztlichen Leistung, dem<br />

Patientenwohl, aber auch den eingeschränkten finanziellen Ressourcen,<br />

sowie den zahlreichen rechtlichen Bedingungen beschäftigen<br />

und dies weiterentwickeln wollen.

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