Lufthansa Magazin - Den Himmelsstreifen auf der Spur - Invent GmbH

aviation
Forschung
Den Himmelsstreifen
auf der Spur
Die Wissenschaftlerin Christiane Voigt untersucht,
welchen Einfluss die Flughöhe auf die Bildung von
Kondensstreifen hat. Dazu begleitete sie mit einem
Forschungsflugzeug und ihrem Team Passagiermaschinen
– ihre Ergebnisse könnten die Fliegerei
umweltfreundlicher machen
Chasing vapor trails
Scientist Christiane Voigt investigates the effect of
planes’ altitude on the formation of contrails. She
pursues passenger planes in her own research plane
to collected her data – and her findings could make
flying more environmentally friendly
Text Ralf Heß
Jagd im Namen der Wissenschaft: Mit
der Messsonde des Forschungsflugzeugs
untersucht das DLR Kondensstreifen
von Passagiermaschinen,
rechts fliegt eine A340 von Lufthansa
In pursuit of science: The probes of the
German Aerospace Center’s research
plane investigate the vapor trails of passenger
planes. To the right: a Lufthansa
A340 in mid-flight
Fotos: DLR
E
ine kurze Treppe führt in das entkernte Innere des Flugzeugs.
Fast alle Sitzplätze der Maschine sind abgeschraubt
und entfernt worden. Nur ganz am Ende steht noch eine
kleine Vierergruppe um einen Tisch. Unter einer aufgeschraubten
Bodenplatte liegen bunte Elektrokabel. „Das sind Leitungen zu
den Messgeräten“, erklärt Christiane Voigt, Physikerin am Deutschen
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen
und Juniorprofessorin an der Universität Mainz. Das Flugzeug mit
dem Namen HALO (für High Altitude and Long Range Research
Aircraft) ist das neueste in der Flotte der deutschen Forschungsflugzeuge.
Draußen im Hangar bereiten die Techniker die Maschine
gerade für einen weiteren Erprobungsflug vor.
Aber das betrifft eine andere Reihe von Experimenten. Christiane
Voigts Interesse gilt vor allem Verfolgungsjagden in der Luft:
Dann fliegt sie mit ihren Kollegen in einer kleineren Dassault Falcon
hinter anderen Flugzeugen her und misst den Ausstoß der
Triebwerke. Kein ungefährlicher Job, oft geht es dabei recht ruppig
zu. „Man spürt sehr genau, wenn das Flugzeug in den Abgasstrahl
einschwenkt“, erzählt Voigt. Die Maschine wird hin und her gerissen,
und wer zu dicht auffliegt, dem kann sie leicht außer Kontrolle
geraten. „Unsere Piloten haben extrem viel Erfahrung, und sie wissen,
wo die Grenzen des Flugzeugs liegen“, sagt Voigt. Trotzdem
sei es immer wieder aufregend. Denn es ist genau dieser wirbelnde
Abgasstrahl, der Voigt magisch anzieht, der Ort, an dem sich
Kondensstreifen bilden. „Zirren“ nennt die Wissenschaftlerin sie,
weil sie natürlichen Eiswolken ähneln.
We climb the short flight of steps into the empty shell of the aircraft.
Almost all the seating has been removed, aside from a group
of four seats at one far end with a table in the middle. Brightly colored
cables are visible beneath an unscrewed floor panel. “They
connect to our measuring instruments,” explains Christiane Voigt,
physicist at the German Aerospace Center in Oberpfaffenhofen
and junior professor at the University of Mainz. The latest addition
to the fleet of German research aircraft is HALO – which stands
for High Altitude Long Range, and is being prepared for an
Umgebauter Jet: Die HALO ist das neueste DLR-Forschungsflugzeug
Refitted for testing: The HALO jet is the latest research plane in the fleet
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b o g n e r . c o m
Projektleiterin Christiane Voigt vor der Falcon mit ihrem Team: Stefan Kaufmann, Dominik Schäuble, Philipp Jeßberger,
Steffen Lohrey, Klaus Gottschaldt (hinten von links); Voigt, Tina Jurkat und Mariella Celano (vorn von links)
Project leader Christiane Voigt and her team in front of the Falcon: Stefan Kaufmann, Dominik Schäuble, Philipp Jeßberger,
Steffen Lohrey, Klaus Gottschaldt (back row, from left); Voigt, Tina Jurkat and Mariella Celano (front row, from left)
[d] Für Voigts Experimente und Messungen wurde die Falcon
umgerüstet. An der Spitze des Flugzeugs steckt ein meteorologischer
Messmast, außerdem sind an den Flügeln spezielle Sonden
montiert. Dort werden die Eiskristalle und Partikel gemessen,
aus denen die Kondensstreifen bestehen. „Jeder Eiskristall sieht
einzigartig aus“, sagt Voigt. Wenn sie von ihrer Forschung berichtet,
wird klar: Fliegen ist für sie mehr als bloße Notwendigkeit. Sie
gerät ins Schwärmen, berichtet sie über Reisen, die vom Nordpol
zum Südpol führten. „Gern hätte ich selbst einen Flugschein
gemacht“, sagt sie, doch dazu reiche die Zeit neben Beruf und
Familie nicht aus. „Trotzdem genieße ich jeden einzelnen Flug.“
Aber die Wissenschaftlerin treibt vor allem Neugierde: Sie will
erforschen, ob und wie der Flugverkehr die Erderwärmung beeinflusst.
„Wolken haben einen großen Effekt auf das Klima“, erklärt
Voigt. Sie sorgen dafür, dass Wärmestrahlung der Erde auf dem
Weg ins All in der Atmosphäre zurückgehalten wird, außerdem reflektieren
Wolken das Sonnenlicht. Im Ergebnis verändern sie dadurch
die Temperatur der Atmosphäre. Um die Klimawirkung von
Kondensstreifen besser zu verstehen, sei es wichtig, ihre Eigenschaften
genau zu messen und ihr Auftreten zu untersuchen. Denn
nicht immer bilden sich die linienförmigen Eiswolken hinter Flugzeugen.
„Kondensstreifen entstehen nur, wenn es besonders kalt
ist.“ Da rüber hinaus muss die Atmosphäre auch ausreichend Wasser
enthalten. Erst dann können sich auf den Rußpartikeln aus
dem Triebwerk Eiskristalle bilden, die zu Kondensstreifen
[e] experiment in the hangar. But Christiane Voigt’s interests lie
elsewhere: she takes to the skies with her colleagues in a Dassault
Falcon for high-speed pursuits in the wake of other aircraft, measuring
the emissions from their engines. Not exactly risk-free, and
things can get quite bumpy at times. “You can really feel the moment
our plane manoeuvers into the jetstream,” says Voigt. The
aircraft is tossed back and forth, and if you were to get too close
to the plane ahead it would be easy to lose control. “Our pilots are
highly experienced and know the precise limits of the plane.” She
can’t help but enjoy the thrill of the chase. It is in these vortical jetstreams
out ahead of her that the vapor trails are formed and to
Voigt’s mind they are a source of magic and fascination. Contrails
bear a striking resemblance to natural cirrus clouds.
The Falcon has been specially modified for Voigt’s experiments,
with a meteorological mast on the tip and special probes
attached to the wings. This is where the ice crystals and particles
that form the contrails are measured. “Every ice crystal is unique,”
says Voigt. It is clear listening to her talk about her research that
flying is far more than a necessity for her. It is impossible to ignore
the enthusiasm in her voice as she reports on trips to the North
and South Pole. “I would like to have trained as a pilot,” she says,
but there is just not enough time for that in addition to family and
career. “I still enjoy every single flight though.”
What really drives Christiane Voigt is curiousity. She wants
to research the extent to which air traffic influences global
Foto: DLR
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Blick aus dem Cockpit der HALO,
ausgerüstet mit Head-up-Display
Looking out of the HALO cockpit,
equipped with a head-up display
Klimawandel und Kondensstreifen
Kondensstreifen entstehen in Höhen zwischen acht und
zwölf Kilometer bei Temperaturen unterhalb von minus 42
Grad Celsius. Dann bilden sich in feuchter Luft auf den
Ruß- und Sulfatpartikeln der Abgase die Eiskristalle der
Kondensstreifen. Ihr Einfluss auf das Klima könnte größer
sein als die Effekte des CO 2
-Ausstoßes der Flugzeuge
selbst. Denn durch diese Eiswolken wird zwar Sonnenstrahlung
reflektiert, aber auch ein Teil der Infrarotstrahlung
der Erde in der Atmosphäre zurückgehalten; im Ergebnis
trägt dies zur globalen Erwärmung bei.
Climate change and contrail Contrails, or vapor trails as
they are also known, form at heights of between eight
and twelve kilometers and at temperatures below -42°C.
Under these conditions and in moist air, the ice crystals
of the vapor trails form on the soot particles and sulphuric
acid aerosols in aircraft engine exhaust. Their impact on
climate could be greater than the effects of the aircraft’s
carbon dioxide emissions. Not only do these cirrus formations
contribute to global warming by reflecting the sun’s
rays like cirrus clouds. They also trap part of the earth’s
infrared radiation within the atmosphere.
Endlich mehr Zeit
für das Wesentliche
Die Kabinen der Forschungsflugzeuge
beherbergen die
verschiedenen Messgeräte
The measuring equipment is installed
on the research planes in
the cabins
[d] anwachsen. Wie ein Schal legen sich diese Zirren dann um die
Erde und verändern so die natürliche Bewölkung. Auf einer Karte am
Eingang zu ihrem Labor zeigt Voigt das Phänomen. In unterschiedlichen
Farben ist die Häufigkeit von Kondensstreifen in den verschiedenen
Weltregionen dargestellt. Vor allem über der Ostküste der
USA und über Europa hängt ein dichtes Netz aus Zirren.
Auch die verschiedenen Flugzeugtypen haben Einfluss auf
Kondensstreifen. Lufthansa unterstützt regelmäßig verschiedene
Projekte des DLR, um neue Wege zu erforschen, umweltfreundlicher
zu fliegen. „Einmal hat die Airline sogar eines ihrer Flugzeuge
extra für uns umgeleitet“, erzählt die Physikerin. Für eine ganze
Weile konnte so ein kleines Charterflugzeug neben einem großen
Passagierflugzeug herfliegen. Das einzigartige Experiment ermöglichte,
Messungen an unterschiedlichen Flugzeugtypen unter
denselben meteorologischen Bedingungen durchzuführen. „Es
war ein sehr spannendes Manöver – und ein erfolgreiches“, sagt
Voigt. Ihre Forschergruppe zeigte auf, dass neben dem Wetter
auch der Flugzeugtyp einen Einfluss auf die Eigenschaften von
Kondensstreifen hat. Ihre Ergebnisse können helfen, Zirren zu vermeiden.
Dementsprechende Informationen sollen auch Kapitänen
und Airlines bereitgestellt werden. Manchmal, so Voigt, würde
schon eine leichte Änderung der Flughöhe oder der Flugroute viel
bewirken. „Wenn wir täglich wetterabhängig genau vorhersagen,
wo sich Kondensstreifen bilden“, sagt Voigt, „könnten die Flugzeuge
diese Gebiete umfliegen.“
[e] warming. “Clouds have a large impact on climate,” she explains.
As well as trapping thermal radiation from the earth in the
atmosphere as it emanates into space, they also reflect sunlight,
altering the temperature within the atmosphere as a result. Studying
contrails and measuring their properties is important in the
quest for a better understanding of their climatic effects. They do
not always form in the wake of airplanes, either.
“Vapor trails are only created when it is especially cold,” Voigt
explains. There also has to be a sufficient amount of moisture in
the atmosphere. Only in these conditions do soot particles from
the engine turn into ice crystals that then accumulate to form contrails.
These cirrus formations then wrap themselves around the
earth like a scarf, changing the natural formation of clouds. Voigt
points out another phenomenon on a map next to the door to her
laboratory. It shows, in different colors, the varying frequencies of
contrails in different regions around the world. The criss-cross of
lines is most dense over the east coast of the United States and
Europe.
Different types of aircraft impact vapor trails differently, too.
Lufthansa regularly lends its support to DLR projects aimed at collecting
research data for developing new ways of making aviation
more environmentally friendly. “On one occasion Lufthansa even
diverted one of its airplanes especially for us,” the physicist reveals,
allowing a small charter plane to fly alongside a large passenger
plane for experimental purposes. This flight run made it
possible to carry out measurements on different airplane types
under the same meteorological conditions. “It was a very exciting
manoeuver – and highly successful too,” says Voigt. Her research
group managed to show that the type of airplane also affects the
properties of vapor trails in addition to their meteorological impact.
Her findings could help prevent contrails, and will be made available
to pilots and airlines. Sometimes just a slight alteration to the
altitude or route of a flight can make all the difference. “If we can
make precise daily forecasts based on weather conditions about
where contrails will be formed,” says Voigt, “planes could avoid
flying through these regions.”
Fotos: DLR
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