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1 Kor 1, 4-9

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Predigt am 18. 11. 2001 über 1<strong>Kor</strong> 1, 4-9 in Kirchlindach, Pfr. Michael Graf<br />

(Paulus, zum Apostel Jesu Christi durch Gottes Willen berufen, und der Bruder Sosthenes: an die Kirche Gottes in<br />

<strong>Kor</strong>inth, das sind alle, die in Christus Jesus geheiligt, zu Heiligen berufen sind; und mit ihnen zusammen an alle,<br />

die den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen, wo auch immer sie versammelt sein mögen, bei ihnen oder<br />

bei uns. Gnade und Friede mögen auf euch kommen von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn Jesus<br />

Christus.)<br />

Immerfort danke ich Gott euretwegen. Er hat euch in Christus Jesus seine Gnade verliehen. So seid ihr durch ihn<br />

in allem reich geworden, in aller Rede wie in aller Erkenntnis. Denn das Christuszeugnis ist ja zu eurem festen<br />

Fundament geworden. So leidet ihr keinerlei Mangel an irgendeiner Gnadengabe, in Erwartung der künftigen<br />

Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus. Und er wird euch festmachen bis ans Ende, dass ihr am Tage unseres<br />

Herrn Jesus Christus ohne Tadel dasteht. Gott steht treu zu seinem Ruf an euch, durch den ihr Jesus Christus,<br />

seinem Sohn und unserem Herrn, zugehört. (Übersetzung Wilckens)<br />

„Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

wir danken Ihnen für Ihren Brief vom 11. des Monats und nehmen gerne wie folgt Stellung:“ -<br />

Liebe Gemeinde, so ungefähr würde heute wohl ein Briefanfang lauten, heute, knapp 2000 Jahre nach der<br />

Abfassung des Briefes, den Paulus an die Christengemeinde in der griechischen Hafenmetropole <strong>Kor</strong>inth sandte.<br />

Natürlich gab es auch damals so etwas wie einen Briefkopf – schliesslich mussten sowohl Empfänger wie<br />

Absender bekannt sein, auch wenn es keine Post gab damals. Dieser Briefkopf lautet bei fast allen Briefen des<br />

Paulus nahezu gleich – ausser beim Philemon-Brief, dem einzigen eigentlichen Privat-Brief des Apostels -; und<br />

kennzeichnet die Briefe als quasi offizielle – wir können ruhig sagen, es handelt sich um eingeschriebene Briefe...<br />

Es ist ein feierlich-gewichtiger Eingang. Paulus, zum Apostel Jesu Christi durch Gottes Willen berufen... Hier spricht<br />

Paulus nicht bloss als derjenige, der in <strong>Kor</strong>inth, dieser brodelnden Stadt zuerst in der Synagoge und dann in den<br />

Slums das Evangelium von Jesus verkündigt und über ein Jahr Arbeit in den Aufbau dieser christlichen<br />

Gemeinde gesteckt hat; - hier redet ein von Gott zum bevollmächtigten Apostel Berufener. Paulus hat, so macht<br />

er deutlich, seine Autorität von Gott persönlich erhalten, er verdankt sie nicht seinen Fähigkeiten oder seinem<br />

grossen Engagement, sondern Gott allein. Und als diese Autorität will er gehört werden.<br />

Paulus nennt als Empfänger seines Schreibens die Kirche Gottes, alle, die in Jesus Christus geheiligt; zu Heiligen berufen<br />

sind, und er schliesst ausdrücklich Christen auch anderswo – überall – mit ein, wenn er fortfährt und alle, die den<br />

Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen, wo auch immer sie versammelt sein mögen. Die <strong>Kor</strong>inther sind eben mehr als<br />

nur des Paulus persönliche Bekannte und Freunde und Weggefährten – sie sind Heilige, weil durch Christus<br />

geheiligt. Dies ist mehr als eine Floskel, es ist eine Ehrbezeugung und gleichzeitig eine Erinnerung an den<br />

wahren Status all derer, die in den Versammlungen sitzen, wo die Zeilen des Apostels Paulus vorgelesen werden.<br />

Jede und jeder soll sich bewusst machen, dass er und sie als durch Christus Geheiligte(r) angesprochen sind, nicht nur<br />

„von Mensch zu Mensch“, sondern eben „von Bevollmächtigtem zu Geheiligtem“. Wir können uns in unserer<br />

Zeit die Bedeutung dieses „neuen Status“, an den die Christinnen und Christen hier in den ersten Zeilen erinnert<br />

werden, gar nicht gross genug vorstellen: es ist ein unglaublicher Aufstieg in der Wertschätzung dieser Menschen,<br />

die sonst schlicht kaum einen Wert hatten... Gnade und Friede sei mit euch von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn<br />

Jesus Christus!<br />

Unser Predigttext sind die folgenden 5 Verse, 4-9, eben das, was heute wohl ziemlich trocken als „Sehr geehrte<br />

Damen und Herren, wir danken....“ daherkäme.<br />

Was dann ab Vers 10 folgt, ist ein engagierter, kämpferisch-werbender, nachdenklich-poetischer und stellenweise<br />

scharfer Brief eines Menschen, der mahnend und ordnend, autoritär und demütig diese unglaublich Energie, die<br />

das Evangelium in dieser Stadt freigesetzt hat, zu bündeln versucht und wieder auf ihr eigentliches und einziges<br />

Ziel, auf Jesus Christus hin, ausrichten will.<br />

Doch bevor er in Vers 10 des 1. Kapitels gleich auf die wesentlichen Dinge zu sprechen kommt – ich ermahne euch,<br />

Brüder, in der Kraft des Namens unseres Herrn Jesus Christus: Lasst euer Reden einstimmig sein und keine Spaltungen<br />

aufkommen! – dankt Paulus.<br />

Das tun alle Briefeschreiber in der Antike, das ist genau so Usus wie das „Sehr geehrte Damen und Herren“ –<br />

obwohl wir doch den meisten Leuten, die wir so anreden, eigentlich kaum Gefühle des „sehr-verehrt-seins“<br />

entgegenbringen.<br />

Aber Paulus tut es nicht einfach so, wie man das eben macht. Er packt in diese paar Zeilen schon so viel hinein,<br />

dass er bereits mit diesem Dank die entscheidenden Weichen dafür gestellt hat, was er nachher durch den<br />

gesamten Brief hindurch nicht müde wird zu betonen.<br />

Immerfort danke ich Gott euretwegen. Gott zu danken, dass es diesen oder jenen Menschen gibt, ist kaum vorstellbar<br />

ohne eine grosse Zuneigung für diesen Menschen. Er hat euch in Christus Jesus seine Gnade verliehen – Gott hat den<br />

Menschen in <strong>Kor</strong>inth das Grösste gegeben, was er zu geben hat, Jesus Christus. So seid ihr durch ihn in allem reich


geworden, in aller Rede wie in aller Erkenntnis. Christus hat diese armen Leute in <strong>Kor</strong>inth reich gemacht, reich in Wort<br />

und Erkenntnis, in logos und gnosis, wie es in Griechisch heisst. Wie denn auch das Zeugnis von Christus fest gegründet<br />

wurde in euch. Die Botschaft von Tod und Auferstehung von Jesus Christus, das Evangelium vom Erlöser der<br />

Menschen ist kein Strohfeuer in dieser schnelllebigen und oft wilden Stadt; es ist fest verwurzelt und stark. So<br />

entbehrt ihr keiner Gnadengabe, während ihr auf das Offenbarwerden unseres Herrn Jesus Christus wartet. Es ist in dieser<br />

Gemeinde nicht nur „alles da, was es braucht“, es ist alles in Fülle da; kein Mangel, sondern Überfluss, nicht nur<br />

ein fest verwurzeltes Evangelium, sondern viele und kräftige Blüten. Und: die Gnade Gottes ist den <strong>Kor</strong>inthern<br />

gegeben worden, darüber hinaus Begeisterung und Bewegung und Feuer, - und, dies ist das doch Seltsame an<br />

diesem Satz: trotz all dieser begeisterten Aufbruchstimmung charakterisiert Paulus die Gemeinde als eine<br />

wartende. Und zwar auf das Offenbarwerden von Jesus Christus. Das heisst: auf den „Tag Gottes“ wie es noch im<br />

Alten Testament heisst. An jenem Tag, am Ende der Welt, am Ende dieser Zeit, - und erst dann – wird Jesus<br />

Christus in seiner Fülle erkannt werden, sich zu erkennen geben, offenbar werden. Er ist den <strong>Kor</strong>inthern schon<br />

gegeben; er ist bei den <strong>Kor</strong>inthern jetzt, aber er ist auch der, der kommt, und auf diese Stunde warten die<br />

<strong>Kor</strong>inther, gemeinsam mit allen, die den Namen des Herrn anrufen, weil erst dann Gottes Reich in seiner<br />

Ganzheit verwirklicht sein wird. Und er wird euch fest machen bis ans Ende, dass ihr am Tage unseres Herrn Jesus Christus<br />

ohne Tadel dasteht. Gott steht treu zu seinem Ruf an euch, durch den ihr Jesus Christus, seinem Sohn und unserm Herrn, zugehört.<br />

Die <strong>Kor</strong>inther „haben“ Christus schon, - er wurde ihnen gegeben und er ist jetzt bei ihnen -, aber, so wohl<br />

könnten wir etwa versuchen zu formulieren: den vergangen Christus und den gegenwärtigen Christus ganz zu<br />

haben, heisst noch nicht, den ganzen Christus zu haben...<br />

Warum gerade dies dem Paulus besonders in bezug auf die <strong>Kor</strong>inther so wichtig ist, wird sich im Laufe der<br />

Lektüre dieses Briefes immer wieder zeigen.<br />

In diesen paar Zeilen bereitet Paulus – sich durchaus in der traditionellen antiken Dankesformel bewegend – den<br />

Boden vor für das, was er nachher den <strong>Kor</strong>inthern zu sagen hat. Die beiden wichtigsten Themen kommen schon<br />

vor, obwohl das gar nicht so vordergründig ist. Das eine Thema ist das von logos und gnosis, die doch in<br />

<strong>Kor</strong>inth in schon fast überreichem Mass vorhanden sind. Logos und gnosis bezeichnen die Erkenntnis, das<br />

Wort, die Lehre und die Weisheit – und hier natürlich Erkenntnis und Lehre von Gott. Genau darüber, nämlich<br />

über die richtige Erkenntnis Gottes und seines Willens, gibt es in <strong>Kor</strong>inth heftigsten Streit – und dies ist uns<br />

Heutigen nachvollziehbar, denn der Streit hat – konstruktiv wie destruktiv – durch alle Jahrhunderte<br />

angedauert...<br />

Das zweite grosse Thema ist die rechte Lebensführung – die einem Christenmenschen gemässe Lebensführung in der<br />

noch kurzen Zeit, die bis zur Wiederkunft Christi noch „zu überstehen“ ist.<br />

Paulus bereitet in dieser Danksagung die Argumente schon vor, die er nachher verwenden wird: alle Erkenntnis,<br />

alle Gnade, aller Reichtum ist Erkenntnis, Gnade und Reichtum von Gott. Es gibt überhaupt keinen Grund, sich<br />

selbst zu rühmen oder besonders gut zu finden, denn alles, was wir vermögen, vermögen wir durch Christus<br />

Jesus. Und er betont, dass die Kirche, solange es sie gibt, immer eine wartende ist. Und dass sie genau deswegen den<br />

dauernden Beistand Christi nötig hat, ohne ihn nicht weiterwarten, weiterleben kann. In einer wartenden Kirche<br />

kann noch nicht alles offenbar sein. Jede Erkenntnis, jeder Glaube, jede Be-geisterung steht unter einem prinzipiellen<br />

Vorbehalt. Später, im berühmten Kapitel 13, im Hohen Lied der Liebe, wird er sagen können: Jetzt sehen wir noch<br />

wie durch einen Spiegel auf ein Rätselbild, - dann aber –gemeint ist der Tag Christi, das Ende der Zeit, die Erlösung - von<br />

Angesicht zu Angesicht.<br />

Und wir – Es mag uns gerade in unserer Zeit gar nicht unpassend erscheinen, diese paar Worte des Paulus an<br />

die <strong>Kor</strong>inther, geschrieben im fünften Jahr der Existenz dieser Gemeinde, im Jahre 55 nach Christus, als direkt<br />

an uns gerichtet zu lesen:<br />

Paulus an die zu Heiligen berufenen in Kirchlindach, und mit ihnen an alle, die den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen:<br />

Gnade sei mit euch und Friede von Gott. Ich danke Gott allezeit euretwegen. Er hat euch in Kirchlindach in Christus seine Gnade<br />

verliehen, dass ihr an allem in ihm reich geworden seid. Er wird euch fest machen bis zum Ende – treu ist Gott, durch den ihr<br />

berufen wurdet in die Gemeinschaft seines Sohnes Jesu Christi unseres Herrn.<br />

Ich möchte das als Einladung verstanden wissen, als Einladung, darauf zu vertrauen, dass Gott sich uns genauso<br />

wie damals den <strong>Kor</strong>inthern in seiner Liebe und Freundlichkeit zuwendet. Vielleicht wollen wir – und wir sollten<br />

wohl wollen – uns auch fragen, ob wir denn genug bereit dafür sind, uns in unserem Leben darauf einzulassen,<br />

dass Gott mit seiner Güte auf uns zukommen will.<br />

Amen.

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