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Eine Ballonfahrt der Superlative

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<strong>Eine</strong> <strong>Ballonfahrt</strong> <strong>der</strong> <strong>Superlative</strong><br />

Bernd Pulzer berichtet über eine Gasballon-Leistungsfahrt nach Spanien<br />

Am 12. Oktober, als sich über weiten Teilen Deutschlands das spätsommerliche Wetter<br />

verabschiedet hatte und ein intensives Hochdruckgebiet über <strong>der</strong> Nordsee polare Kaltluft in<br />

unsere Breiten schickte, planten Matthias Zenge und Wilhelm Eimers eine Gasballon-<br />

Leistungsfahrt. Über Ostdeutschland regnete es seit Tagen ununterbrochen. Auf dem<br />

Brocken und dem Fichtelberg gab es den ersten Schnee. Bei dieser Wetterlage<br />

verschwendete ich keinen Gedanken an eine mögliche <strong>Ballonfahrt</strong>.<br />

Als sich dann im Nord-Westen Deutschlands das Hochdruckwetter langsam durchsetzte und<br />

ich von Matthias das Angebot bekam, an <strong>der</strong> Leistungsfahrt teilzunehmen, gab es für mich<br />

kein Halten mehr. Der Start war für Dienstag, den 13.10. gegen 23°°Uhr geplant. Auf <strong>der</strong><br />

Hinfahrt zum Startplatz Gladbeck regnete es weiterhin fast ununterbrochen. Erst kurz vor<br />

Ankunft zeigten sich die ersten Wolkenlücken. Pünktlich zum Start um 23.15 Uhr war <strong>der</strong><br />

Himmel klar.<br />

Die ersten Stunden fuhren wir in <strong>der</strong> NO-Strömung und einer Höhe von 350 m über das<br />

Ruhrgebiet. Mit etwa 30 km/h überquerten wir Oberhausen, Duisburg, Krefeld und<br />

Mönchengladbach Das in alle Richtungen nahezu unendlich erscheinende intensive<br />

Lichtermeer <strong>der</strong> Industrie- und Wohngebiete sah aus <strong>der</strong> Luft schon beeindruckend aus,<br />

zumal die Sichten ideal waren. Willi, <strong>der</strong> sich hier ja bestens auskennt, erklärte ausführlich<br />

die wichtigsten örtlichen Gegebenheiten, wenn er sich nicht gerade mit Matthias impulsiv<br />

über bundespolitische Probleme zu streiten hatte.<br />

Willi´s Energiemanagment an Bord des Ballons interessierte mich ganz beson<strong>der</strong>s. Obwohl<br />

unzählige GPS-Geräte, das Flugfunkgerät, <strong>der</strong> Transpon<strong>der</strong>, die Nachtfahrbeleuchtung und<br />

diverse an<strong>der</strong>e Elektronik gleichzeitig in Betrieb waren, gab es zu keinem Zeitpunkt dieser<br />

mehr als 42-stündigen Fahrt irgendwelche Energieprobleme o<strong>der</strong> gar Ausfälle.<br />

Den Flugfunk mit den Anmeldungen für die Lufträume über Holland, Belgien und Frankreich<br />

übernahm zunächst Willi. Seine souveräne Art im Umgang mit den Controlern ließ diesen<br />

eigentlich nichts an<strong>der</strong>es übrig, als uns die gewünschten Freigaben zu erteilen.<br />

Gegen 01.00 Uhr stiegen wir auf über 1000 m auf, wodurch eine leichte Linksdrehung<br />

einsetzte und somit Holland nur noch leicht tangiert wurde.<br />

Die nächtliche Abkühlung im Korb übertraf meine Erwartungen deutlich. Durch die<br />

Erfahrungen aus vielen winterlichen Weitfahrten im HL-Bereich war ich <strong>der</strong> Meinung, die<br />

richtige Kleidung dabei zu haben – weit gefehlt. Die Skifahrer-Unterwäsche plus<br />

Spezialunterbekleidung für Kühlhausarbeiter plus Polar-Overall hat nichts genützt. Es war<br />

einfach bitter kalt.<br />

Willi sagte mir bereits vor dem Start: “Du wärst <strong>der</strong> Erste, <strong>der</strong> nicht friert.“ Er hatte Recht.<br />

Die warme Suppe aus <strong>der</strong> Thermoskanne, die es gegen 3.30 Uhr gab, vermittelte mir dann<br />

ein Glücksgefühl wie Weihnachten und Ostern zusammen. Gegen 04.00 Uhr zauberte Willi<br />

aus irgendeiner außen hängenden Reisetasche noch zwei weitere Daunenjacken in XXL,<br />

von denen ich eine abbekam und damit die Frequenz des Zähneklapperns wenigstens<br />

halbieren konnte. Danke Willi!<br />

Sehnsüchtig warteten wir auf den Sonnenaufgang. Mittlerweile befanden wir uns bereits über<br />

Frankreich. Mit den ersten Sonnenstrahlen gegen 08.00 Uhr wurde es spürbar angenehmer<br />

im Ballonkorb.<br />

Am Vormittag versuchte ich das Schlafdefizit <strong>der</strong> ersten Nacht auszugleichen, was mir über<br />

mehr als zwei Stunden gut gelang. Matthias und Willi waren mit Erkältungen bereits leicht<br />

angeschlagen. Bei Matthias und mir kamen noch leichte Kopfschmerzen dazu, die aber mit<br />

einer Tablette Aspirin und reichlich Tee nach kurzer Zeit behoben waren.


Matthias ersetzte nicht son<strong>der</strong>lich erfolgreich die ausgehenden Tempo-Taschentücher durch<br />

eine Rolle grauen Papiers mit rauer Oberfläche, das eigentlich für an<strong>der</strong>e hygienische<br />

Zwecke gedacht war.<br />

Bis auf häufige Funkfrequenz- und Transpon<strong>der</strong>code-Wechsel verlief die Fahrt über<br />

Frankreich eher besinnlich. Der Ballon führ sehr stabil.<br />

Gegen Mittag – wir waren bereits östlich von Paris – informierte Willi die Verfolger per<br />

Telefon, dass sie sich nun langsam auf den Weg machen könnten.<br />

Am Nachmittag packte er einen Radio-Weltempfänger aus, nun gab es im Ballonkorb auch<br />

noch musikalische Begleitung in Kurzwellenqualität – echter Luxus!<br />

Da Willi immer etwas zu tun hatte, verzögerte sich das Mittagessen bis kurz vor Einbruch <strong>der</strong><br />

Dunkelheit, Matthias war da wohl schon etwas sauer.<br />

Zum Abend hin näherten wir uns Bordeaux. Die Richtung war mit 225 Grad fast ideal. Ein<br />

südlich Bordeaux liegendes Sperrgebiet bereitete uns noch etwas Kopfzerbrechen. Nur<br />

durch einen Höhenverlust erreichten wir die erfor<strong>der</strong>liche Kurskorrektur in westliche<br />

Richtung, was lei<strong>der</strong> auch mit einem deutlichen Geschwindigkeitsverlust von zunächst 45<br />

km/h auf etwa 22 km/h verbunden war. Die Überquerung <strong>der</strong> Pyrenäen am flachen<br />

Westrand des Gebirges erfor<strong>der</strong>te keine unnötigen Ballastopfer.<br />

Die spanische Flugsicherung zeigte sich von unserer Anmeldung etwas überrascht. Der<br />

Controler fragte, was er denn nun für uns machen soll. Willi erklärte ihm, wenn er uns in<br />

Ruhe weiter fahren lässt, ist alles ok. So war es dann auch.<br />

Die zweite Nacht zeigte sich mit ihren Temperaturen angenehmer als die erste. Vor Einbruch<br />

<strong>der</strong> Dunkelheit verkleideten wir den Ballonkorb oberhalb mit Plastikfolie. Im Inneren hatten<br />

wir dadurch immerhin +5°C – ein riesiger Erfolg!<br />

Vom Morgengrauen bis zum Sonnenaufgang trug uns <strong>der</strong> Ballon über die westlichen<br />

Ausläufer <strong>der</strong> Pyrenäen. Die Licht- und Schattenspiele <strong>der</strong> ersten Sonnenstrahlen<br />

vermittelten gemeinsam mit dem die Stille des Gasballons aufhebenden Glöckchengeläut<br />

<strong>der</strong> Bergziegen eine beeindruckende Atmosphäre.<br />

Von nun an wurde es von Minute zu Minute wärmer. Am Vormittag zeigte unser<br />

Bordthermometer in 2600 m Höhe immerhin 34°C an. Statt Polar-Overall und Daunenjacke<br />

genügten jetzt ein T-Shirt und eine leichte Hose.<br />

Den Tag über Spanien verbrachten wir bei herrlichem Sonnenschein in 2500 bis 3000<br />

Metern Höhe und ruhiger stabiler Fahrt. <strong>Eine</strong>r von uns war immer am Ruhen, so hatten wir<br />

es übrigens über die gesamte Zeit konsequent beibehalten.<br />

Am frühen Abend – wir waren mittlerweile westlich von Madrid und hatten bereits<br />

mehr als 1500 km Strecke hinter uns – entschieden wir uns zur Landung. Mit den<br />

vorhandenen Sandvorräten, <strong>der</strong> Energieversorgung und <strong>der</strong> restlichen Verpflegung wäre<br />

noch eine weitere Nachtfahrt bis nach Südspanien o<strong>der</strong> Portugal möglich gewesen.<br />

Der einzige Grund, die Fahrt vorzeitig zu beenden war die für Samstag vorgesehene<br />

goldenen Hochzeit meiner Eltern, zu <strong>der</strong> ich pünktlich zurück sein wollte.<br />

Die Landung am südlichen Stadtrand von Avila verlief ohne Probleme. Kurz vor dem<br />

Aufsetzen überfuhren wir seitlich eine Arena und wurden so mit einem Stierkampf in<br />

Zentralspanien begrüßt. Der Ballon kam sanft auf trockenem Brachland zum Stehen. Es hat<br />

alles super geklappt. Nach kurzer Zeit waren auch die beiden Verfolger Günther Lange und<br />

Hans-Jörg Cramer vor Ort.<br />

Mit diesem Bericht möchte ich mich ganz herzlich bei Matthis und Willi für diese<br />

außergewöhnliche <strong>Ballonfahrt</strong> bedanken. Allen „reinrassigen“ Heißluftballönern kann ich<br />

eine Gasballonfahrt nur eindringlich empfehlen. Es lohnt sich wirklich. Ich habe viele<br />

Erfahrungen sammeln können, die mir auch für weitere Heißluftfahrten nützlich sind.<br />

Bil<strong>der</strong> zur Fahrt gibt es unter www.ballon.org. / Bil<strong>der</strong> / Leistungsfahrt Spanien.<br />

Die Trackaufzeichnung ist unter www.aprs.fi , Code: DC2EH-11 Zeitraum 13.10. bis 15.10<br />

2009 abrufbar.<br />

Glück ab, Gut Land Bernd Pulzer

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