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Victor Klemperer, der 5 Jahre in verschiedenen „Judenhäusern” in Dresden überlebte,<br />
schildert in seinen Tagebüchern die quälenden Umstände dieser Zeit:<br />
„Cohns, Stühlers, wir. Badezimmer und Klo gemeinsam. Küche gemeinsam mit<br />
Stühlers, nur halb getrennt – eine Wasserstelle für alle drei […] Es ist schon halb<br />
Barackenleben, man stolpert übereinander, durcheinander“.<br />
Für Heidelberg kennen wir solche schriftlichen Zeugnisse nicht. Jedoch wurden<br />
auch die Heidelberger Jüdinnen und Juden seit der Pogromnacht im November<br />
1938 massiv und zunehmend in ihren Freiheiten beschränkt und isoliert und ihrer<br />
Wohnungsfreiheit beraubt.<br />
In der Biografie Maria von Graimbergs heißt es, die Stadt habe Druck auf sie<br />
ausgeübt, dem Handelsreisenden Hermann Heinemann, einem jüdischen Mieter<br />
in ihrem Haus Kornmarkt 5, „unter dem Vorwand“ zu kündigen, die Stadt benötige<br />
die Räume für das Stadtarchiv.<br />
Eine deutliche Sprache sprechen die Amtstagebücher von Wilhelm Seiler, Kreisleiter<br />
der NSDAP Heidelberg. Er berichtet über eine Sitzung mit der Stadtverwaltung,<br />
die am 9. Januar 1940 stattfand: Dort heißt es: „Die Sitzung findet statt<br />
wegen der Juden in arischen Häusern und der Arier in jüdischen Häusern. Es<br />
wird mit der Stadt ein scharfes Vorgehen zur Bereinigung der Frage abgesprochen,<br />
sodass in einem Vierteljahr etwa die Juden unter sich sein werden.”<br />
Diese Sitzung zeigte Wirkung. Was bereits nach der Reichspogromnacht begann,<br />
wurde nun forciert. Beweis dafür sind die Unterlagen der Volkszählung vom Mai<br />
1939, die Heidelberger Adressbücher aus diesen Jahren und die Deportationsliste<br />
von 1940. Der Anstieg der BewohnerInnen-Zahl in etlichen Häusern ist immens.<br />
In einigen Fällen ist auch erkennbar, dass wahre Umzugsodysseen stattgefunden<br />
haben.<br />
Aus diesen Unterlagen wissen wir, dass es am 22. Oktober 1940 in Heidelberg<br />
17 sogenannte Judenhäuser gab. Darin wohnten zwischen 1938 und 1940 mindestens<br />
164 Menschen jüdischer Herkunft. „Mindestens”, da die kurzfristigen Unterbringungen<br />
gar nicht erst verzeichnet wurden. Allein 87 von ihnen wurden am<br />
22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Die anderen sind entweder vorher noch<br />
von Heidelberg weggezogen, oder sie wurden, wie die polnischen und die ungarischen<br />
Jüdinnen und Juden, ausgewiesen und von anderen Orten deportiert. Wieder<br />
anderen gelang noch rechtzeitig die Flucht aus Nazideutschland.<br />
Die meisten dieser nun leer stehenden Häuser finden sich spätestens 1943 im<br />
Besitz der Stadt Heidelberg und der städtischen Gesellschaft für Grund und<br />
Hausbesitz (GGH) oder wurden Eigentum des Deutschen Reichs.<br />
Stellvertretend für alle möchte ich sechs Häuser nennen. Vor vier dieser Häuser<br />
wurden im März 2013 und im November 2014 für ihre einstigen EigentümerInnen<br />
und in einem Fall für ihre MieterInnen Steine verlegt. Zwei Häuser sind Beispiele<br />
für die besonders dichte Belegung, und für einige ihrer BewohnerInnen,<br />
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