0 - A - Formeln des Leben - Druck----- Internet - Rumba-Imensity
0 - A - Formeln des Leben - Druck----- Internet - Rumba-Imensity
0 - A - Formeln des Leben - Druck----- Internet - Rumba-Imensity
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
55<br />
Beispiel<br />
FLOWTEX<br />
Google 07 8.2.2002<br />
Dietrich Hildebrandt<br />
Schrotthändler mit Air-Park<br />
DER FALL FLOWTEX Ein dreister Milliardenbetrug offenbart die willfährige Akzeptanz<br />
ungewöhnlichen Reichtums<br />
Mit den härtesten Strafen, die bisher von einer deutschen Wirtschaftsstrafkammer<br />
ausgesprochen worden sind, ist im Dezember vergangenen Jahres der Prozeß gegen den<br />
ehemaligen FlowTex-Boss Manfred Schmider zu Ende gegangen. Das Erfolgsrezept, das dem<br />
einmaligen Betrugsfall zu Grunde lag, war im Prinzip einfach: Nicht existente Bohrsysteme<br />
wurden den Ermittlungen zufolge von der zur FlowTex-Gruppe gehörenden Firma KSK an<br />
Leasingfirmen verkauft. Anschließend traten sofort andere FlowTex-Unternehmen als Kunden<br />
der Leasingfirmen auf und übernahmen die fiktiven Maschinen.<br />
Jetzt steht Schmiders Bruder Matthias in der gleichen Sache in Mannheim vor Gericht. Als von<br />
seinem Bruder verführtes und getäuschtes Opfer versucht die Verteidigung ihren Mandanten zu<br />
entlasten. Und sie verweist ausdrücklich auf die offensichtliche Duldung oder gar Förderung der<br />
seltsamen Geschäftsgebaren der FlowTex-Firma durch die zuständigen Behörden. Im Landtag<br />
wird sich ein Untersuchungsausschuß mit dem Fall befassen, die Sozialdemokraten haben einen<br />
entsprechenden Antrag angekündigt.<br />
Der bisher größte Fall von Wirtschaftskriminalität, die erschwindelten Milliarden der Firma<br />
FlowTex (von über vier Milliarden DM war die Rede), haben bisher die Republik nicht wirklich<br />
erschüttert, nicht einmal das "Ländle", das Land Baden-Württemberg, das Schauplatz <strong>des</strong><br />
gigantischen Betruges war. Der mit Spannung erwartete Prozeß ging völlig unspektakulär über<br />
die Bühne und erschien schließlich fast wie ein provinzieller Fall von Justizfolklore. Nichts wurde<br />
durch ihn enthüllt, was nicht schon vorher bekannt gewesen wäre, wenn auch für viele die<br />
Banalität <strong>des</strong> Verbrechens, im besonderen <strong>des</strong> Wirtschaftsverbrechens eine Überraschung<br />
gewesen sein könnte - vielleicht auch das Urteil <strong>des</strong> Mannheimer Landgerichts, das auf die<br />
Dimension <strong>des</strong> Betrugsschadens mit entsprechender Härte reagierte. Mit dem Urteil ist aber das<br />
letzte Wort in dieser Angelegenheit nicht gesprochen. Nicht abfinden kann die Öffentlichkeit sich<br />
offensichtlich mit dem nach wie vor unerklärlichen Ablauf der Affäre, als müsse doch noch<br />
irgendwo ein Geheimnis stecken, das aufzuklären wäre, und wenn es nur eine konkretere<br />
Erfassung der Korruption wäre<br />
Manfred Schmider, der ehemalige Boss von FlowTex, ist zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt<br />
worden. Alle Kommentare heben die Strenge ebenso wie die Gerechtigkeit <strong>des</strong> Urteils hervor<br />
und lassen noch einmal den Erfolg <strong>des</strong> ganzen Unternehmens Revue passieren. Zwei Rätsel<br />
haben das Publikum in Atem gehalten, von denen das eine sich als nichtexistent erwies, das<br />
andere immer noch Stoff für Spannung bietet, aber eigentlich nur ablenkt von dem dritten Rätsel,<br />
von dem niemand spricht, obwohl <strong>des</strong>sen Aufklärung die wichtigste Lehre wäre, die man aus<br />
dem ganzen Fall ziehen könnte.<br />
Das erste Rätsel war eine Fiktion <strong>des</strong> Publikums. Wie, so fragten sich alle, hatten die<br />
Betrügereien überhaupt funktioniert? Immer wieder setzten die Berichterstatter an, das Netzwerk<br />
der Firmen und die Abläufe der Transaktionen zu erklären. Immer wieder waren die<br />
verschiedensten Schaubilder in den Zeitungen abgedruckt worden, die in immer ausführlicher<br />
komplettierten Kästen und Pfeilen das Geflecht der Schmiderschen Firmen und das Hin- und<br />
Hehrgeschiebe von Aufträgen, Rechnungen und Geld erläutern sollten. Auch der Staatsanwalt<br />
hantierte in der Verhandlung umständlich mit Overhead-Projektor und Folien. Undurchschaubar<br />
kompliziert mußte die ganze Aktion erscheinen, die fast schon Respekt vor dem Genie <strong>des</strong><br />
Betrügers abverlangte. Aber das Bild <strong>des</strong> Täters, das in der Öffentlichkeit vermittelt wurde, paßte<br />
mit dem Befund nicht zusammen. Den genialen Verbrecher und Betrüger Schmider gab es nicht.<br />
Die vor dem Prozeß aufgebaute Spannung, ob denn nun endlich enthüllt würde, was geschehen<br />
war, entlud sich nicht.<br />
56