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Rundbrief 45 August 2008 - West Papua Netzwerk

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<strong>West</strong> <strong>Papua</strong><br />

<strong>Rundbrief</strong> Nr. <strong>45</strong><br />

Wuppertal, <strong>August</strong> <strong>2008</strong>


Dieser <strong>Rundbrief</strong> kann bestellt werden bei:<br />

<strong>West</strong>-<strong>Papua</strong>-Koordinationsstelle<br />

c/o Vereinte Evangelische Mission<br />

Postfach 201963<br />

42219 Wuppertal<br />

Rudolfstraße 137, 42285 Wuppertal<br />

Telefon 0202 / 89004-170<br />

Fax 0202 / 89004-179<br />

E-mail west-papua-netz@vemission.org<br />

www.west-papua-netz.de


Inhaltsverzeichnis<br />

Mitteilungen aus der Koordinationsstelle............................................................................................. 2<br />

Nachrichten von Esther Hoffmann ...................................................................................................... 3<br />

Viermal Silber und einmal Gold für <strong>Papua</strong>-Chöre in Graz .................................................................. 6<br />

Living Letters WCC: <strong>Papua</strong> stark traumatisiert ................................................................................... 9<br />

In memoriam Clement John .............................................................................................................. 10<br />

Wird Munirs Mörder doch noch bestraft .......................................................................................... 11<br />

Geheimdienst und Militär verbreiten Angst in <strong>Papua</strong> ........................................................................ 12<br />

Umwelt............................................................................................................................................... 13<br />

Gouverneur Suebu pflanzt 100 Bäume ...................................................................................... 13<br />

CO2-Emissionshandel in <strong>Papua</strong> abgeschlossen........................................................................ 13<br />

“Palmölplantagen zerstören unser Leben”.................................................................................. 13<br />

Palmöl und illegaler Holzeinschlag in <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong> .................................................................... 15<br />

Wachsende Zweifel an BP Erdgas-Projekt in Bintuni................................................................. 16<br />

Tödliche Seuche in <strong>Papua</strong> – Ausbruch von Cholera bestätigt.......................................................... 17<br />

Pazifische Staaten diskutieren über <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong> ............................................................................. 17<br />

Amnesty International meldet Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger in <strong>Papua</strong>............................. 18<br />

UN-Ausschuss gegen Folter drückt Sorge über <strong>West</strong> <strong>Papua</strong> aus .................................................... 19<br />

Militär durchsucht Zivilbevölkerung in <strong>Papua</strong>.................................................................................... 20<br />

10 Jahre Reformasi – Menschenrechte in Indonesien...................................................................... 21<br />

Warum die Razzien gegen die Holzmafia in <strong>Papua</strong> gescheitert sind................................................ 24<br />

Indonesisches Militär überwacht Baptistenkirche.............................................................................. 28<br />

<strong>West</strong> <strong>Papua</strong> im UN-Menschenrechtsrat: Der UPR-Prozess ............................................................. 29<br />

„Wir sind mit verantwortlich“ .............................................................................................................. 37<br />

E-Informationsbriefe<br />

Nr. 200 vom 6. Juni <strong>2008</strong> 10 Jahre Reformasi – Menschenrechte in Indonesien ..............................21<br />

Nr. 201 vom 25. Juli <strong>2008</strong> Gold und Silber für <strong>Papua</strong> bei Chor-Olympiade in Graz............................. 6<br />

Nr. 202 vom 30. Juli <strong>2008</strong> Living Letters WCC: <strong>Papua</strong> stark traumatisiert ........................................... 9<br />

Zum Bild auf der Titelseite: Mitglieder des <strong>Papua</strong>-Chores Wakhu Bhim während eines Ausflugs in<br />

Barmen. Foto: Uwe Hummel


Mitteilungen aus der Koordinationsstelle<br />

Der letzte <strong>West</strong> <strong>Papua</strong> <strong>Rundbrief</strong> war bereits beim Drucker als uns die traurige Nachricht<br />

vom Tode Corinus Berotabuis, des Präses der evangelischen Kirche (GKI di Tanah<br />

<strong>Papua</strong>) erreichte. Das Titelbild konnte gerade noch angepasst werden, der Text aber nicht.<br />

Wenig später kam Pfarrerin und Vizepräses Jemima Jacoba Mirino-Krey in Deutschland<br />

an. Sie hatte in Jakarta noch nächtelang am Krankenlager des beliebten Kirchenführers<br />

gewacht und nun konnte sie als neue Leiterin, übrigens die erste Frau in einem so hohen<br />

Kirchenamt in Tanah <strong>Papua</strong>, wichtige Beziehungen knüpfen und mit den europäischen<br />

Partnern Arbeitsabsprachen treffen. Auch während der Vollversammlung der Vereinten<br />

Evangelischen Mission in Borkum lies sie erkennen, was ihr am Herzen liegt: <strong>Papua</strong><br />

müssen ihr eigenes Schicksal in die Hand nehmen und sich mit gesundem<br />

Selbstbewusstsein, Fleiß, Kreativität und Gottvertrauen selbst eine bessere Zukunft<br />

aufbauen. Dabei werden gute Freunde zwar sehr geschätzt, sie können den <strong>Papua</strong> aber<br />

nicht die Verantwortung abnehmen.<br />

Die Lage in Tanah <strong>Papua</strong> ist weiterhin gespannt. Immer wieder gibt es Fälle von brutaler<br />

Gewalt von Seiten der Sicherheitskräfte gegenüber der Bevölkerung. Dabei grenzt es an<br />

Zynismus, wenn ein hoher indonesischer Diplomat in Genf behauptet, dass die<br />

„Separatistenbewegung“ in <strong>Papua</strong> diese Gewalt bewusst provoziere, um daraus<br />

politisches Kapital zu schlagen, wo doch Jakarta im Zuge der Sonderautonomie so viel in<br />

diese Region investiere (s. The Jakarta Post, 07.08.<strong>2008</strong>, New strategy behind separatism<br />

in <strong>Papua</strong>).<br />

Wie unvergleichbar viel mehr Indonesien von <strong>Papua</strong> profitiert wird noch einmal deutlich,<br />

wenn man sich die Pläne zur Umwandlung von Millionen Hektar Regenwald in<br />

Palmölplantagen probiert vorzustellen. Dr. Elke Mannigel (OroVerde) und ich hatten<br />

diesbezüglich ein sehr aufschlussreiches Gespräch mit dem Umweltaktivisten Sanca<br />

(Deckname) vom <strong>Netzwerk</strong> für soziale und ökologische Fragen JASOIL aus Tanah <strong>Papua</strong><br />

(siehe das Protokoll auf Seite 15). Zur Vertiefung dieses Themas sei auch der Artikel von<br />

Marianne Klute und Pietsauw Amafnini in diesem <strong>Rundbrief</strong> empfohlen!<br />

Der Höhepunkt der letzten Zeit war für das <strong>West</strong> <strong>Papua</strong> <strong>Netzwerk</strong> sicherlich der Besuch<br />

des Goldmedaillengewinners der Olympiade der Chöre, des <strong>Papua</strong>-Chores Wakhu Bhim.<br />

Es war wohltuend, <strong>Papua</strong> von ihrer besten Seite zu erleben. Dabei war mir noch einmal<br />

klar geworden, welch ein Segen dieses Volk nicht nur für Indonesien, sondern für die<br />

ganze Welt ist.<br />

Ich wünsche Ihnen gutes Lesen!<br />

Wuppertal, den 8. <strong>August</strong> <strong>2008</strong><br />

Dr. Uwe Hummel, Koordinator <strong>West</strong> <strong>Papua</strong> <strong>Netzwerk</strong><br />

2


Nachrichten von Esther Hoffmann<br />

Religiöse Hardliner<br />

Die Organisation International Crisis Group (ICG) warnte im Juni vor der Gefahr<br />

wachsender Spannungen zwischen muslimischen Hardlinern und christlichen<br />

Gemeinschaften in <strong>Papua</strong>. Die Indonesien – Verantwortliche der Gruppe, Sidney Jones,<br />

erklärte, es drohe die Gefahr, dass sich die Situation bis hin zur Anwendung von Gewalt<br />

verschlechtern könne. Es sei schon fast zu Gewaltausbrüchen gekommen. In einem Fall<br />

sei versucht worden, den Bau einer Moschee zu verhindern. In einem anderen Fall seien<br />

Christen gezwungen worden, einen großen Weihnachtsbaum zu entfernen. In <strong>Papua</strong><br />

fühlten sich beide Seiten verletzt, erläuterte sie. Christliche Pfingstler und charismatische<br />

Gemeinden seien genauso auf dem Vormarsch wie muslimische Hardliner. Hardliner gäbe<br />

es auf beiden Seiten. Der religiöse Konflikt werde von einem politischen Konflikt<br />

überlagert. Viele der Christen streben eine weitgehende Autonomie <strong>Papua</strong>s an während<br />

viele muslimische Einwanderer sich eine zentralisierte Rolle von Jakarta wünschten. Durch<br />

die regierungsgestützte Einwanderung gibt es nach Angaben von ICG eine halbe Millionen<br />

Moslems in <strong>Papua</strong> (Sydney Morning Herald, 17.06.08).<br />

Internationaler Strafgerichtshof<br />

Eine Koalition von mehr als 2500 Anwälten und Rechtsberatungsgruppen forderte im Juni<br />

die Regierung Indonesiens dazu auf, dem Internationalen Strafgerichtshof beizutreten. Bei<br />

dem Internationalen Strafgerichthof handelt es sich um das erste permanente Gericht über<br />

Kriegsverbrechen. Ein Dekret der früheren Präsidenten Megawati sieht den Beitritt<br />

Indonesiens für das Jahr <strong>2008</strong> vor. Der Beitritt könne Indonesiens Entschlossenheit, die<br />

Straflosigkeit von Menschenrechtsverletzungen zu beenden, unterstützen, so die<br />

Aktivisten (Associated Press, 19.06.08).<br />

Schuldenerlass<br />

Die Bundesrepublik erließ Indonesien im Juni 50 Mio. Euro Schulden mit der Auflage, die<br />

Hälfte davon in Gesundheitsprogramm zu stecken. HIV, Tuberkulose und Malaria seien<br />

immer nicht Gesundheitsprobleme in Indonesien, erklärte das Deutsche<br />

Wirtschaftsministerium (Thomson Financial, 23.06.08).<br />

Sonderautonomiegesetz bringt keine Fortschritte<br />

Eine Arbeitsgruppe des Provinzparlamentes von <strong>Papua</strong> kam bei einer Diskussion über das<br />

Gesetz über die Besondere Autonomie im Juni zu dem Ergebnis, dass es keine Fortschritte<br />

bringen würde. Es fehle ihm an einer klaren Richtung. So fehlten langfristig Ziele. Positiv<br />

bewertete das Parlament den Zuwachs des Provinzhaushaltes, Entwicklungen in<br />

verschiedenen Sektoren und ein stärkeres Gefühl des Zusammenhaltes. Jedoch müssten<br />

Probleme im Bildungs- und Gesundheitssektor wie auch bei der Wohnungsversorgung und<br />

öffentlicher Infrastruktur stärker berücksichtigt werden.<br />

Ohne spezielle Provinzverfügungen bliebe die Implementierung des Autonomiegesetzes<br />

immer partiell und sporadisch (Jakarta Post, 23.06.08).<br />

Nachrichtenmagazin unter Druck<br />

Im Juli verlor das Wochenmagazin Tempo einen Gerichtsstreit mit dem<br />

Papierunternehmen RAPP. Das Magazin muss an das Unternehmen 220 Mio.Rp (24 000<br />

US $) zahlen. RAPP habe nicht ausreichend Platz zur Gegendarstellung zu drei Artikeln<br />

gehabt, die Tempo publiziert hatte. RAPP hatte Tempo wegen Diffamierung verklagt.<br />

(Jakarta Post, 04.07.08)<br />

3


Sharia<br />

Die indonesische Regierung nahm im Juli die Prüfung von 37 örtlichen Verordnungen in<br />

Angriff, die auf der Sharia basieren. Insgesamt gibt es zurzeit 700 solcher Ortsgesetze, die<br />

geprüft werden sollen. Die Gesetze seien diskriminierend und verletzten übergeordnetes<br />

Recht, erklärte Janiruddin aus dem Innenministerium. Kritische Punkte ist z.B. die<br />

Anforderung an Studierende oder an Bräute, den Koran lesen zu können,<br />

Kleidungsvorschriften für Frauen oder unausgewogene Vorschriften gegen Prostitution.<br />

Die Orts- oder regionalen Verwaltungen müssten sie ändern, die Zentralregierung selbst<br />

habe dazu nicht die Kompetenz. Die größere regionale Autonomie habe in vielen Teilen<br />

Indonesiens in den letzten 10 Jahren zum Erlass solcher Gesetze geführt (Jakarta Post ,<br />

17.07.08).<br />

Ahmadiyah<br />

Auch verschiedene muslimische Gruppierungen müssen in Indonesien vermehrt<br />

mit Einschränkungen rechnen. Gegen die Ahmadiyah, eine Glaubensrichtung aus<br />

Pakistan, kam es sogar zu Ausschreitungen, die einhergingen mit einem<br />

Regierungsdekret gegen diese Gruppe. Moderate Muslimorganisationen und<br />

politische Parteien verhalten sich angesichts des Regierungsdekretes zu wenig<br />

entschieden, erklärte ein Sprecher des Centre for Stragic and International<br />

Studies, Indra Piliang. Die beiden großen Muslimorganistionen Nahdlatul Ulama<br />

(NU) und Muhammadiyah würden militante Gruppen nicht scharf genug kritisieren.<br />

Auch der muslimische Gelehrte Anies Baswedan meinte, dass die beiden<br />

Organisationen den Moslemrat MUI nicht ausreichend kontrollieren würden. Der<br />

MUI wird zwar mit Klerikern der beiden als moderat geltenden Organisationen<br />

besetzt, hat aber in der Vergangenzeit Fatwas herausgegeben, die den<br />

Pluralismus beeinträchtigen (Jakarta Post, 19.06.08)<br />

Aufklärung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />

Die Organisation for Solidarity with the Victims of Human Rights in <strong>Papua</strong> und<br />

verschiedene Opfervereinigungen haben die Regierung aufgerufen, endlich zwei lange<br />

zurück liegende Menschenrechtsfälle zu verfolgen. Im Hochland hatten sich 1977, 2000<br />

und 2003 Tragödien abgespielt, als das Militär als Rache für Angriffe der<br />

Unabhängigkeitsbewegung auf der Suche nach den Angreifern zahlreiche Dörfer überfiel<br />

(Suara Pembaruan, 05.04.08).<br />

Separatisten<br />

Nicht in <strong>Papua</strong> – aber ähnlich wie in <strong>Papua</strong> – verurteilte ein Gericht den Anführer einer<br />

molukkischen Separatistengruppe zu einer lebenslänglichen Haftstrafe wegen „Verrates“.<br />

Neunzehn weitere Personen wurden zu Haftzeiten bis zu 20 Jahren verurteilt. Sie hatten<br />

auf einer Feier, auf der der Präsident Indonesien teilnahm, die Flagge der „Unabhängigen<br />

Republik Südmolukken“ geschwenkt (Associated Press, 04.04.08).<br />

Morgenstern<br />

Die kontroverse Morgensternflagge rief im Mai erneut Spannungen zwischen der<br />

Zentralregierung und Vertretern aus <strong>Papua</strong> hervor. <strong>Papua</strong>s wollen die Flagge als ein<br />

Symbol ihre Provinz. Die Regierung sei dagegen, erklärte Yance Kayame, Mitglied der<br />

Organisation <strong>Papua</strong>n Tribal Council, anlässlich einer Diskussion zum 7. Jahrestag der<br />

Sonderautonomie in <strong>Papua</strong>. Der Stammesrat hatte 2007 gefordert, die Flagge als Symbol<br />

der Provinz anzuerkennen und die Zustimmung des <strong>Papua</strong> People Council (MRP)<br />

erhalten, einer Vertretung der Bevölkerung die auf Grundlage des Sonderautonomie –<br />

Gesetzes über <strong>Papua</strong> eingerichtet wurde. Der Polizeichef <strong>Papua</strong>s, Max, Donar Aer hält die<br />

Flagge hingegen für ein Symbol der Unabhängigkeit. Auf der Tagung beklagte Yance<br />

weiter, dass viele Menschen noch nach sieben Jahren nicht vom Status der<br />

Sonderautonomie profitieren würden, weil es keine Entwicklungsleitlinien gäbe. Er<br />

wendete sich zudem gegen eine weitere Aufteilung <strong>Papua</strong>s. Die dünnbesiedelte Provinz<br />

4


sei leicht zu regieren. Die Sicherheitskräfte müssten lediglich ein besseres Klima schaffen<br />

(Jakarta Post, 12.05.08)<br />

Palmöl<br />

Die Regierung Indonesiens, dem größten Palmölproduzenten der Welt, will verstärkt Land<br />

in <strong>Papua</strong> nutzen. Palmöl wird zurzeit vor dem Hintergrund der Diskussion des<br />

Klimawandels stark nachgefragt. Nachdem Sumatra und Kalimantan zu eng geworden<br />

sind, sei nur noch Land in <strong>Papua</strong> vorhanden, erklärte ein Vertreter des m<br />

Landwirtschaftsministeriums. Unternehmen, vor allem aus Malaysia, hätten schon<br />

konkrete Interessen angemeldet. Umweltgruppen rufen hingegen zu einem Moratorium<br />

bei der Ausweisung von Land für Plantagen auf. Die Zerstörung von Indonesiens<br />

Regenwald wird als eine der wesentlichen Gründe für den Klimawandel angesehen<br />

(Agence France Presse , 21.05.08)<br />

Zwang zum öffentlichen Sex<br />

Die Organisation ElsHAM berichtete im Mai, dass ein Mann von 8 Marinesoldaten<br />

gezwungen worden sei, seine Verlobte zu vergewaltigen. Das Paar soll sich am Strand<br />

erholt haben, als die Soldaten einer nahen Militärbaracke die beiden beleidigt haben,<br />

bevor sie sie zu sexuellen Handlungen zwangen. Das Paar beschwerte sich bei dem<br />

Marinehauptquartier, wo aber abgestritten wurde, dass eigenes Personal beteiligt war.<br />

Hundert Personen demonstrierten später für die strafrechtliche Verfolgung der Täter<br />

(Radio New Zealand International , 23.05.08).<br />

aktuelle Nachrichten aus <strong>West</strong> <strong>Papua</strong> regelmäßig unter<br />

http://www.westpapuanetz.de Aktuelles<br />

5


Viermal Silber und einmal Gold für <strong>Papua</strong>-Chöre in Graz<br />

E-Informationsbrief Nr. 201 vom 25. Juli <strong>2008</strong><br />

Die Tifa ertönte in NRW<br />

Im Rahmen ihrer Nordrhein-<strong>West</strong>falen-Tour war der 37köpfige Chor Wakhu Bhim<br />

und seine 14 Musiker, Dirigenten und Organisatoren vier Tage lang Gast der<br />

Vereinten Evangelischen Mission und des <strong>West</strong> <strong>Papua</strong> <strong>Netzwerk</strong>es.<br />

Am 3. <strong>August</strong>, trat der Laienchor in der Christuskirche in Schwelm auf. Der Pfarrer<br />

und ehemalige <strong>Papua</strong>-Missionar Klaus Reuter leitete den Gottesdienst, in dem die<br />

gläubigen <strong>Papua</strong> sechs geistliche Lieder vor einer außergewöhnlich zahlreich<br />

versammelten Gemeinde zum<br />

Besten gaben. Nach dem<br />

Gottesdienst wurden im<br />

Gemeindehaus Kaffee,<br />

Kuchen und belegte Brötchen<br />

gereicht. Später sind die<br />

Sänger und Sängerinnen in<br />

traditioneller Tracht und am<br />

ganzen Körper bemalt wieder<br />

aufgetreten: Unter herrlichen,<br />

papuanischen Gesängen, in<br />

denen auch die Stimmen der<br />

Vögel und Tiere nachgeahmt<br />

werden, wurden dramatische<br />

Tänze aufgeführt.<br />

Wakhu Bhim in der Christus-Kirche in Schwelm. Foto: Uwe Hummel<br />

Am Nachmittag ging es zum Pfarrgartenfest in die Erlösergemeinde in Gevelsberg.<br />

Wegen des Regens mussten die Tänze allerdings in der Halle aufgeführt werden.<br />

Etwa 200 Gäste aus der Gemeinde, von Nah und Fern, gerieten unter der<br />

kreativen, lebhaften Aufführung<br />

in<br />

Begeisterung.<br />

Gemeindepfarrer Thomas<br />

Werner bedankte sich bei den<br />

<strong>Papua</strong> für ein einmaliges<br />

Erlebnis.<br />

Wakhu Bhim in traditioneller Tracht. Foto: Uwe Hummel<br />

Am Montag gab der Chor<br />

Wakhu Bhim aus Jayapura<br />

auch »ein kleines Gastspiel« im<br />

Missionshaus der Vereinten<br />

Evangelischen Mission im<br />

Wuppertal und begeisterte die<br />

Mitarbeitenden während der<br />

allmorgendlichen Andacht.<br />

6


Danach ging es nach Köln in den Dom. Eigentlich war dies als touristisches<br />

Programm geplant, aber weil die Mittagsmesse gerade zu Ende war und der<br />

Priester auf die Anfrage von Asienreferent Uwe Hummel freundlichst einging,<br />

durfte Wakhu Bhim im Chorgestühl vor dem neuen Fenster spontan auftreten. Es<br />

erklangen, dem sakral wirkenden Ort entsprechend, ein Ave Maria, ein Te Deum<br />

und ein Halleluja. Ihr<br />

kraftvoller Gesang lockte<br />

viele Menschen in den<br />

Dom. Am Abend ging es<br />

weiter nach Bonn. Dort<br />

sang der Chor sich – wie<br />

bereits öfter während der<br />

Tour – in der<br />

Fußgängerzone in kurzer<br />

Zeit das Abendbrot<br />

zusammen.<br />

Wakhu Bhim im Kölner Dom. Foto: Uwe Hummel<br />

Wakhu Bhim (übersetzt in die Sentani-Sprache heißt das »der Klang der Tifa-<br />

Trommel«) wurde Ende 2007 gegründet. 37 Männer und Frauen aus <strong>Papua</strong>,<br />

Indonesien, gehören dem Chor an, der im Juli im österreichischen Graz bei der<br />

»Olympiade der Chöre« auftrat und sowohl eine Silber- als auch eine Goldmedaille<br />

gewann.<br />

Nach der Olympiade ging es weiter nach Kopenhagen, wo Wakhu Bhim für seinen<br />

himmlischen Gesang und temperamentvollen Tanz in der königlichen Oper volle<br />

sieben Minuten stehenden Applaus genießen durfte.<br />

Am 5. <strong>August</strong> reist der Chor weiter in die Niederlande und am 8. <strong>August</strong> kehrt die<br />

Stimme der Tifa nach <strong>Papua</strong> in Indonesien zurück.<br />

Insgesamt vier Chöre aus Tanah <strong>Papua</strong> erreichten bei den 5. Weltchorspielen (World<br />

Choir Games) vom 9. bis 19. Juli <strong>2008</strong> im österreichischen Graz olympische Ehren.<br />

Der Chor der Cenderawasih Universität, Gema Chandra, errang einmal Silber in Folklore.<br />

Der Chor der Schulenstiftung Jayawijaya aus Timika bekam ebenfalls einmal Silber in<br />

Folklore.<br />

Ein Kirchenchor aus Manokwari (LPPD, Erklärung siehe unten) erhielt eine Silbermedaille<br />

im Bereich „Musica Sacra“.<br />

Der fast 50köpfige Chor Wakhu Bhim aus Jayapura erreichte in der Kategorie „Gemischte<br />

Kammerchöre“ Silber und in der Kategorie „Folklore – offene Kategorie“ Gold.<br />

250.000 Zuhörer waren nach Graz gekommen um an über 1000 Wettbewerbsauftritten<br />

und Galakonzerten teilzunehmen. Insgesamt sangen die 441 Chöre etwa 12.000 Minuten.<br />

7


Beurteilt wurden ihre Leistungen von 71 Jurymitgliedern aus 34 Nationen. Weitere 600<br />

Helfer sorgten für die Chorbetreuung und Organisation.<br />

Große Freude bereiteten die rund 20.000 Sänger aus 93 Nationen der Steiermarker<br />

Bevölkerung und den internationalen Gästen in einer bunten Parade, die quer durch die<br />

Innenstadt führte. Die Weltchorspiele gelten als ein riesiger Beitrag zur<br />

Völkerverständigung<br />

Unter dem Motto "Singing together brings nations together" rangen Kinder- und<br />

Jugendchöre, Frauen- und Männerensembles sowie gemischte Chöre um die heiß<br />

begehrten Medaillen. Nach China (37 Medaillen), Österreich (35 Medaillen) und Russland<br />

(31 Medaillen) rangiert Indonesien mit 29 Medaillen (17 Silber und 12 Gold) vor Süd Afrika<br />

(24 Medaillen) auf dem 4. Platz.<br />

Das Ziel der Weltchorspiele ist es laut<br />

Leiter Günter Titsch, über den Gesang<br />

Frieden zwischen den Völkern zu<br />

schaffen. Abgesehen von ganz wenigen<br />

Ausnahmen sei das zumindest in Graz<br />

sehr gut gelungen. Die nächsten<br />

Weltchorspiele finden 2010 im<br />

chinesischen Shaoxing in unmittelbarer<br />

Nähe zur Metropole Shanghai statt.<br />

Organisatorisch und finanziell unterstützt<br />

wurde der Deutschlandbesuch Wakhu<br />

Bhims von der Vereinten Evangelischen<br />

Mission (VEM), dem <strong>West</strong> <strong>Papua</strong><br />

<strong>Netzwerk</strong> und den Partnerschaftsgruppen<br />

Schwelm und Gevelsberg. (uh)<br />

Für den Frieden mit feierlichem Federschmuck und<br />

kreativer Bemalung. Foto: Uwe Hummel<br />

LPPD: Lembaga Pengembangan Pesparawi = Pesta Paduan Suara Gerejawi Daerah Manokwari (Einrichtung zur<br />

Förderung kirchlicher Festchöre in der Region Manokwari (Vogelkopf).<br />

Quellen: Artikel in Kleine Zeitung Steiermark, 18. – 20.07.<strong>2008</strong>; Web-Seite der VEM; siehe auch epd-<strong>West</strong> Nr. 150 vom 5.<br />

<strong>August</strong> <strong>2008</strong> (Sabine Damaschke, Singen für Frieden und Menschenrechte)<br />

8


Living Letters WCC: <strong>Papua</strong> stark traumatisiert<br />

(E-Informationsbrief Nr. 202 vom 30. Juli <strong>2008</strong>)<br />

Vom 17. bis zum 24. Juli besuchte ein Solidaritäts-Team des Weltkirchenrates Indonesien,<br />

um die Christen dort zu unterstützen die Gewalt im Lande zu überwinden. Diese Initiative<br />

des Weltkirchenrates, die auch andere Länder einschließt, nennt sich Living Letters<br />

(lebendige Briefe). Eine Gruppe reiste auch nach Tanah <strong>Papua</strong> (die zu Indonesien<br />

gehörigen Provinzen <strong>Papua</strong> und <strong>Papua</strong>-<strong>West</strong>) und sprach danach mit Vertretern der<br />

indonesischen Regierung über ihre Eindrücke.<br />

Die Menschen in Tanah <strong>Papua</strong> müssten sich von den Menschenrechtsverletzungen der<br />

vergangenen Jahre erholen und laufen Gefahr, durch die vielen Siedler aus anderen<br />

Teilen Indonesiens, die ständig in die ressourcenreiche Provinz strömen, marginalisiert zu<br />

werden. Das sagten die Mitglieder des Living Letters Team am 23. und 24. Juli hohen<br />

Vertretern der indonesischen Regierung in Jakarta.<br />

Prof. James Haire, der an der Charles Sturt University von Canberra Theologie lehrt und<br />

Mitglied des Exekutivkomitees der Christian Conference of Asia ist, sagte zu dem Minister<br />

für Soziales, Aburizal Bakrie, dass er den Eindruck habe, die <strong>Papua</strong>-Bevölkerung sei stark<br />

traumatisiert.<br />

Haire bestätigte, dass die indonesische Regierung auf dem Wege zur Demokratisierung<br />

fortschreite und Reformen durchführe. Eine Ironie sei jedoch, dass gerade die größere<br />

Bewegungsfreiheit der Bevölkerung dazu führe, dass viele Indonesier sich in Tanah <strong>Papua</strong><br />

ansiedeln und die <strong>Papua</strong> dadurch wirtschaftlich und sozial an den Rand gedrückt werden,<br />

selbst wenn diese Entwicklung nicht von den Siedlern beabsichtigt sei.<br />

Grundsätzlich wurde dieses Problem bereits in der Suharto-Zeit (1965/1967 – 1998)<br />

verursacht. Das Suharto-Regime benutzte die Transmigrasi-Politik als Instrument um die<br />

papuanische Unabhängigkeitsbewegung in Irian Jaya (wie Tanah <strong>Papua</strong> zu jener Zeit<br />

genannt wurde) zu brechen und diese melanesische Region langfristig zu indonesisieren.<br />

Nach dem Abtritt Suhartos wurden die Transmigrasi-Programme zwar gestoppt, die<br />

Übersiedlung aus eigener Initiative (swakarsa) gingen allerdings weiter. Da viele <strong>Papua</strong><br />

über unausreichende Schul- und Ausbildung verfügen, können sie nicht mit den<br />

motivierten Immigranten konkurrieren.<br />

Die meisten der etwa 1 Million Siedler in Tanah <strong>Papua</strong> sind Muslime. Indigene <strong>Papua</strong> sind<br />

zu 90% Christen, die meisten von ihnen Mitglieder der Evangelischen Kirche im Lande<br />

<strong>Papua</strong> (GKI-Tanah <strong>Papua</strong>), einem Mitglied des Weltkirchenrates.<br />

Sozialminister Bakrie entgegnete dem Living Letters Team, dass man nicht behaupten<br />

könne, dass die indonesische Regierung in ihrer <strong>Papua</strong>-Politik gescheitert sei. Wegen der<br />

Rückständigkeit gebe Jakarta den Provinzen Tanah <strong>Papua</strong>s fünfmal mehr als anderen<br />

Provinzen der Republik. Aus seiner Sicht werde Tanah <strong>Papua</strong> sogar von anderen<br />

Provinzen bezuschusst. Die <strong>Papua</strong>-Provinzregierungen gäben sehr viel für Bauprojekte<br />

aus. Man könne die indonesische Regierung auch nicht dafür verantwortlich halten, dass<br />

viele Indonesier gerne in Tanah <strong>Papua</strong> leben und besser ausgebildet sind als indigene<br />

<strong>Papua</strong>.<br />

Pfarrer Dr. Mathews George Chunakara, Programm-Referent des Weltkirchenrates für<br />

Asien und ebenfalls Mitglied des Living Letters Team in Tanah <strong>Papua</strong>, stellte jedoch klar,<br />

dass die Republik Indonesien immer noch mehr von Tanah <strong>Papua</strong> profitiere als dass sie in<br />

diese Region investiere. Die <strong>Papua</strong>-Bevölkerung habe wenig Nutzen von den riesigen<br />

Ressourcen an Gold, Kupfer, Edelholz, usw. Im Gegenteil sei dieser Reichtum bisher eher<br />

eine Ursache für Ausbeutung und Unterdrückung gewesen. Im März diesen Jahres hätte<br />

der Weltkirchenrat vor dem Menschenrechtsrat der UNO darauf hingewiesen, dass <strong>Papua</strong><br />

häufig in der Haft gefoltert und von den indonesischen Sicherheitskräften misshandelt<br />

9


werden. Oft bekommen beschuldigte <strong>Papua</strong> keinen fairen Prozess und keinen<br />

qualifizierten Beistand vor Gericht. Ferner wies der Weltkirchenrat auf die „andauernde<br />

Militarisierung“ Tanah <strong>Papua</strong>s und das „Muster der Einschüchterung (pattern of<br />

intimidation) gegenüber der <strong>Papua</strong> hin.<br />

Als Vorbereitung auf die Internationale Ökumenische Friedenskonferenz des<br />

Weltkirchenrates im Jahre 2011, besucht das Living Letters Team auch andere Länder.<br />

Die ökumenischen Vertreter hören, lernen, identifizieren Probleme und besprechen vor Ort<br />

Strategien zur Konfliktlösung und Friedensstiftung. Gemeinsam beten die Living Letters<br />

Teams mit den Opfern von Ungerechtigkeit und Krieg in aller Welt. (uh)<br />

Quellen:<br />

http://www.oikoumene.org;<br />

Christian Today 29.07.08 http://www.christiantoday.com/article/ecumenical.team.tells.indonesian.govt.west.papuans.traumatised/21027.htm<br />

<br />

in memoriam<br />

Clement John<br />

Der pakistanische Christ, Anwalt und Menschenrechtler Clement John ist am 2. Juni <strong>2008</strong><br />

plötzlich in den USA gestorben. Er war ein großer Freund der <strong>Papua</strong> und hatte <strong>West</strong><br />

<strong>Papua</strong> selbst besucht. Als Referent beim Weltkirchenrat in Genf, hatte er in den<br />

vergangenen Jahren viel dafür getan, die Menschenrechtssituation in <strong>West</strong> <strong>Papua</strong> auf die<br />

Tagesordnung von verschiedenen Genfer Tagungen sowie Side Events im Rahmen der<br />

UNO-Menschenrechtskommission, der Vorgängerin des Menschenrechtsrates, zu bringen.<br />

Es war mir immer eine große Freude, mit diesem Menschen, der sich kompromisslos für<br />

Unterdrückte und Diskriminierte einsetzte, zusammenzuarbeiten. (uh)<br />

10


Wird Munirs Mörder doch noch bestraft<br />

WPN 21. Juni <strong>2008</strong>. Am Abend des 19. Juni <strong>2008</strong> verhaftete die indonesische Polizei<br />

den ehemaligen Armee-General Muchdi Purwopranjono. Er soll wegen vorsätzlichen<br />

Mordes angeklagt werden und könnte – falls er schuldig gesprochen wird – mit dem<br />

Tode bestraft werden. 2004 war er Vizedirektor des Nationalen Indonesischen<br />

Geheimdienstes (BIN). Ihm wird vorgeworfen, den Mord an dem Menschenrechtler<br />

Munir in Auftrag gegeben zu haben.<br />

Munir, Träger des alternativen Friedensnobelpreises, war<br />

im September 2004 auf einem Flug der KLM von<br />

Singapur nach Amsterdam gestorben. Nach einer<br />

Autopsie in den Niederlanden stellte sich heraus, dass er<br />

mit Arsen vergiftet worden war. Nur schleppend und auf<br />

internationalen Druck hin untersuchte die indonesische<br />

Polizei das Verbrechen. 2005 wurde der Garuda-Pilot<br />

Pollycarpus zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er<br />

Munir das Gift bei einer Zwischenlandung in Singapur<br />

verabreicht hatte. In dem Gerichtsprozess gegen<br />

Pollycarpus wurde weder nach den Motiven für den Mord<br />

noch nach den Auftraggebern gefragt, obwohl<br />

Pollycarpus zur fraglichen Zeit erwiesenermaßen immer<br />

wieder mit dem Büro des Geheimdienstes telefoniert<br />

hatte.<br />

Chef des Geheimdienstes zur Zeit des Mordes an Munir war ein Freund des jetzt<br />

verhafteten Muchdi, Makhmud Hedropriyono. Er war ein enger Vertrauter der damaligen<br />

Präsidentin Megawati Sukarnoputri. Sie machte ihn nicht nur zum Geheimdienstchef,<br />

sondern gab ihm auch einen Platz am Kabinettstisch – natürlich als Minister. Unter ihrer<br />

Präsidentschaft wurde auch der bekannte <strong>Papua</strong>führer Theys Eluai ermordet. Nur<br />

aufgrund internationalen Drucks kam es damals zu einer Untersuchung des Mordes, die<br />

ergab, dass Militärs verantwortlich waren. Man darf vermuten, dass damals in höchsten<br />

Regierungskreisen eine Reihe von Mordaufträge vergeben wurden.<br />

Munir hatte herausgefunden, dass Hendropriyono verantwortlich war für ein Massaker mit<br />

246 Toten und dass Muchdi 14 Aktivisten hatte verschwinden lassen, deren Verbleib bis<br />

heute ungeklärt ist. Die beiden Generäle verloren dadurch ihre Posten in der Armee, doch<br />

sie fielen weich. Die neue Aufgabe im Geheimdienst gab ihnen die Möglichkeit, sich an<br />

Munir zu rächen. Die Verhaftung von Ex-General Muchdi gilt als „Sensation“ (FR), da<br />

pensionierte Generäle in Indonesien sich mit den Aktiven gemeinsam als eine Familie<br />

verstehen. Als festgefügte Seilschaft sind sie ein inoffizieller Machtfaktor, der nicht<br />

unterschätzt werden darf. Die meisten von ihnen waren unter dem Diktator Suharto aktiv<br />

und daher in unzählige Menschenrechtsverletzungen verwickelt. Bisher ist noch nie einer<br />

von ihnen vor Gericht zur Rechenschaft gezogen worden, sie standen außerhalb des<br />

Gesetzes.<br />

Sollte es tatsächlich zu einer Verurteilung Muchdis kommen, hat Indonesien einen<br />

kleinen Schritt in die Richtung einer unabhängigen Justiz getan. Damit könnte das<br />

Ende der Kultur der Straflosigkeit eingeläutet sein. (sz)<br />

11


Geheimdienst und Militär verbreiten Angst in <strong>Papua</strong><br />

WPN 18. Juni <strong>2008</strong>. Pfarrer XY wird mitten in der Nacht wach. Motorengeräusch hat<br />

ihn geweckt. Ungewöhnlich, dass zu dieser Zeit in der einsamen Gegend noch<br />

Fahrzeuge unterwegs sind. Das Fahrzeug hält in der Nähe seines Hauses. Er steht<br />

auf und schaut vorsichtig aus dem Fenster, ohne sich bemerkbar zu machen. Es ist<br />

zwei Uhr. Zwei Gestalten kommen langsam auf sein Haus zu. Er entscheidet sich<br />

schnell, knipst das Licht an ruft: Wer ist da draußen Er hört nur noch Schritte, die<br />

sich schnell entfernen. Wenig später wieder Motorengeräusch. Das Fahrzeug<br />

wendet und braust davon.<br />

Pfarrer XY weiß jetzt, dass der Geheimdienst sein Haus beobachtet und ihn<br />

einzuschüchtern versucht. Er hat nämlich in seiner Gemeinde ein Arbeitsgruppe<br />

Menschenrechte gegründet. In einem Wochenseminar hat er die Freiwilligen geschult. Er<br />

plant weitere Seminare, schreibt Berichte an das zentrale Menschenrechtsbüro seiner<br />

Kirche. Der Geheimdienst will erreichen, dass er diese Arbeit einstellt. Pfarrer XY spricht<br />

mit seinem Gemeinderat. Der Gemeinderat unterstütz ihn. Gemeinsam wird entschieden,<br />

einen Wachdienst für das Pfarrhaus zu organisieren. Jugendliche aus der Gemeinde<br />

stellen sich zur Verfügung.<br />

Pfarrer XY schrieb uns seine Erlebnisse, sein Brief enthielt viele weitere Einzelheiten. Er<br />

ist nicht der einzige, der bedroht und eingeschüchtert wird.<br />

Pfarrer YZ schrieb uns folgendes: Im April und Mai dieses Jahres (<strong>2008</strong>) besuchten wir die<br />

Gemeinden im Hochland und zeigten einen Dokumentarfilm über die Anfänge unserer<br />

Mission und Kirche. Eine Woche vor unserer Reise erkundeten Militärs in Wamena bei der<br />

Fluggesellschaft unsere Reisedaten. Als wir in Tiom ankamen, wurden wir von vier Militärs<br />

verhört: Sie fragten: Woher kommt ihr Was wollt ihr hier Wer hat euch gesagt, dass ihr<br />

diesen Film hier vorführen sollt - Wo immer wir hinkamen, es waren Militärs da, die uns<br />

verhörten. In Mulia wurden wir sogar von den Militärs fotografiert. In ihren Verhören waren<br />

sie noch schärfer: Warum sind eigentlich so viele Menschen in die Kirche gekommen<br />

Warum habt ihr einen Dokumentarfilm gezeigt, und mit welcher Absicht<br />

Kirchliche Arbeit wird in <strong>Papua</strong> vor allem auf dem Land streng kontrolliert. Militär und<br />

Geheimdienst verstehen nicht, dass sich die Kirche auch mit gesellschaftspolitischen<br />

Fragen beschäftigt. Besonders in Wamena – im Hochland – zeigt das Militär Präsenz und<br />

schüchtert die Bevölkerung ein. Hier finden immer wieder Verletzungen der<br />

Menschenrechte statt, da es wenig Berichterstattung gibt und die Bevölkerung aus Sicht<br />

des indonesischen Militärs rückständig und wenig zivilisiert sein soll. (sz)<br />

12


Umwelt<br />

GOUVERNEUR SUEBU PFLANZT 100 BÄUME<br />

Am 7. Juni <strong>2008</strong> reiste Gouverneur Suebu nach Timika und pflanzte auf der 350 km2<br />

großen Abraumhalde der Gold- und Kupfermine Freeport symbolisch 100 Bäume. In<br />

seiner Rede sagte er: „Die Umwelt ist unser aller Mutter. Jeder Einwohner <strong>Papua</strong>s – ob<br />

einheimisch oder zugewandert – muss ein Umweltbewusstsein haben!“<br />

Am 5. Juni war der Welt-Umwelttag. Dieser Tag war der Anlass für die ungewöhnliche<br />

Aktion. Suebu erinnerte sich wohl daran, dass das Time-Magazin ihm im Oktober 2007<br />

den ehrenvollen Titel Heroe of Environment verliehen hatte, weil er die Wälder <strong>Papua</strong>s –<br />

die letzten zusammenhängenden Regenwälder unseres Globus - nicht mehr abholzen<br />

lassen wollte. Er wollte sie als Kohlenstoffspeicher in den viel diskutierten<br />

Emissionshandel einbringen. Daher war er auch prominenter Vertreter seines Landes auf<br />

dem Klimagipfel in Bali im Dezember vorigen Jahres. Doch als sich am 17. März <strong>2008</strong> 40<br />

Investoren im Gouverneurspalast in Jayapura versammelt hatte, gab Suebu bekannt,<br />

dass er das Ausfuhrverbot lockern werde. Die Investoren atmeten auf, das legale und<br />

illegale Holzgeschäft und damit die Entwaldung <strong>Papua</strong>s gehen also längst weiter.<br />

Dürfen wir vermuten, dass ihn ein schlechtes Gewissen plagt Wir hoffen es. Doch wir<br />

halten ihm zugute, dass er nicht in der Lage ist, sich gegen die Interessen des Militärs und<br />

der Zentralregierung in Jakarta zu stellen. Diese wollen, dass das Holzgeschäft blüht. Die<br />

Versprechungen Indonesiens auf dem Weltklimagipfel in Bali waren bisher Worte. Ob<br />

diesen Worten noch Taten folgen (sz)<br />

CO2-EMISSIONSHANDEL IN PAPUA ABGESCHLOSSEN<br />

19. Mai <strong>2008</strong>. Nach Angaben der Welternährungsorganisation (FAO) werden weltweit 13<br />

Millionen Hektar Wald pro Jahr abgeholzt, was 20% zum globalen Ausstoß von<br />

Treibhausgasen beiträgt. Diese Tatsache war ein Anlass für das REDD-Konzept (Reduced<br />

Emissions from Deforestation and Degradation), ein Mechanismus der Menschen in<br />

Entwicklungsländern dafür bezahlt, dass sie ihre Wälder schützen. Ein aktuelles Beispiel<br />

dafür ist ein Abkommen zwischen der Australischen Firma New Forests und der<br />

regionalen Regierung in <strong>Papua</strong> über den Schutz von bis zu einer Million Hektar tropischen<br />

Regenwaldes. Barnabas Suebu, der Gouverneur <strong>Papua</strong>s, sagte dazu, er hoffe dass<br />

solche Abkommen ein Weg zu einer neuen und nachhaltigen Entwicklung der Provinz<br />

seinen.<br />

Quelle: Carbonpositive, http://www.carbonpositive.net/viewarticle.aspxarticleID=1090<br />

“PALMÖLPLANTAGEN ZERSTÖREN UNSER LEBEN” –<br />

NGO kritisieren Entscheidung der Bundesregierung<br />

Berlin, 6. Juni <strong>2008</strong> Presseerklärung. „Die Bundesregierung drückt sich und führt den<br />

Eiertanz bezüglich des Imports von Agroenergie wie Palm- und Sojaöl fort, sehr zum<br />

Schaden von Mensch, Umwelt und Klima“, kritisiert Klaus Schenck von Rettet den<br />

Regenwald. „Anstatt Palm- und Sojaöl endlich aus EEG und Nachwachsende Rohstoffe-<br />

Bonus (NawaRo-Bonus) auszuschließen, soll deren Einsatz in einer<br />

Nachhaltigkeitsverordnung geregelt werden. Umweltverträglich und sozial gerecht<br />

gewonnenes und entsprechend zertifiziertes Palm- und Sojaöl gibt es nicht auf dem Markt<br />

13


und wird es aufgrund der schwierigen Verhältnisse in Herkunftsländern wie Indonesien<br />

auch nicht geben können.“<br />

Heute hat der Bundestag über die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)<br />

abgestimmt. Watch Indonesia!, ROBIN WOOD, Rettet den Regenwald und das<br />

indonesische <strong>Netzwerk</strong> Jasoil kritisieren, dass die Förderung von Palm- und Sojaöl zur<br />

Energieerzeugung gesetzlich nicht ausgeschlossen wurde. Die NGOs setzen sich<br />

gemeinsam dafür ein, den Belangen der Betroffenen in den Herkunftsländern der<br />

Agroenergie hierzulande mehr Geltung zu verschaffen. Die Regierungskoalition spricht<br />

bereits davon, „noch vor Jahresende ein entsprechendes Überleitungsverfahren<br />

hinsichtlich eines anders gearteten Nachweises von nachhaltiger Produktion zur<br />

Anwendung kommen“ zu lassen und beugt sich damit den finanziellen Interessen einer<br />

kleinen Gruppe von Betreibern von Blockheizkraftwerken (BHKW).<br />

In den vergangenen Jahren sind in Deutschland mehr als 1.800 BHKW entstanden.<br />

Ermöglicht wurde dieser Boom durch staatliche Förderung im Rahmen des EEG. Immer<br />

mehr BHKW steigen auf das billigste Pflanzenöl um – und das ist vor allem Palmöl aus<br />

Indonesien. Auf den hohen Bedarf reagierend hat Indonesien allein in den vergangenen<br />

zwei Jahren fast zwei Millionen Hektar Wald und landwirtschaftliche Flächen in neue<br />

Palmölplantagen umgewandelt.<br />

Pietsauw Amafnini von der NRO JASOIL (<strong>Netzwerk</strong> für soziale und ökologische Fragen)<br />

aus <strong>Papua</strong>, Indonesien, ist ein direktes Opfer der verfehlten deutschen Energiepolitik. Auf<br />

eigene Initiative hat er die lange Reise vom Regenwald <strong>Papua</strong>s nach Deutschland<br />

angetreten, um die Zerstörung des Regenwaldes seiner Heimat zu stoppen. In den letzten<br />

sieben Jahren wird auf <strong>Papua</strong>, so heißt der indonesische Teil der Insel Neuguinea, der<br />

Regenwald brutal abgeholzt. Die indonesische Regierung will nun mit allen Mitteln<br />

durchsetzen, dass der Regenwald weichen muss – für fünf Millionen Hektar<br />

Palmölplantagen.<br />

„Ich bin dem Palmöl bis nach Deutschland gefolgt”, erklärt Pietsauw Amafnini. „Erst wird<br />

unser Regenwald in Indonesien für die Palmölplantagen vernichtet, das Palmöl über<br />

Tausende von Kilometern rund um den Globus verschifft, und dann wird es hier in<br />

Deutschland massenhaft in Kraftwerken zur Stromerzeugung verfeuert. Das ist<br />

unglaublich.”<br />

„Ich fordere die deutsche Regierung auf, diesen Wahnsinn sofort zu beenden”, so<br />

Pietsauw Amafnini. “Unser Kampf zum Erhalt des letzten Regenwalds in Indonesien wird<br />

hoffnungslos, solange hier in Deutschland per Gesetz und mit staatlichen Geldern die<br />

Palmölnachfrage künstlich nach oben getrieben wird. Die massive Förderung der<br />

Verbrennung von Palmöl mit staatlichen Geldern muss sofort aufhören. Palmölplantagen<br />

zerstören unser Leben.”<br />

14


Palmöl und illegaler Holzeinschlag in <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong><br />

Protokoll des Treffens mit Sanca (JASOIL, <strong>Netzwerk</strong> für soziale und ökologische Fragen),<br />

Dr. Uwe Hummel (<strong>West</strong> <strong>Papua</strong> <strong>Netzwerk</strong>) und Dr. Elke Mannigel (OroVerde)<br />

Sanca ist ein Umwelt- und Menschenrechtsaktivist aus Tanah <strong>Papua</strong> 1 (Indonesien), der<br />

zurzeit zu Besuch in Deutschland ist. Gemeinsam mit dem <strong>West</strong> <strong>Papua</strong> <strong>Netzwerk</strong><br />

berichtete er bei OroVerde in Bonn über die aktuelle Situation in Tanah <strong>Papua</strong>. Sanca ist<br />

ein Pseudonyme. Wir benutzen nicht seinen richtigen Namen, weil wir nicht wollen, dass<br />

er Probleme in seiner Heimat bekommt: Sanca ist eine Python – ein Symboltier für den<br />

Wald auf <strong>Papua</strong>.<br />

Sanca informierte uns über die Ausdehnung der Ölpalmen-Plantagen in Tanah <strong>Papua</strong>.<br />

Insgesamt sind 7 Mio. Hektar große Plantagen geplant, 5 im Osten entlang der Grenze zu<br />

<strong>Papua</strong> Neuguinea und 2 im <strong>West</strong>en in der Vogelkopfregion des Tanah <strong>Papua</strong>s. Angelegt<br />

werden diese Plantagen von großen Unternehmen aus anderen Regionen Indonesiens<br />

(zum Beispiel Metco oder Sinar Mas), die unter anderem auch an den Edelhölzern<br />

interessiert sind. <strong>Papua</strong> ist eine der letzten Regionen Indonesiens, wo noch viele wertvolle<br />

Hölzer im Wald zu finden sind. Inzwischen darf offiziell kein Tropenholz mehr aus Tanah<br />

<strong>Papua</strong> verkauft werden und Einschlaggenehmigungen werden eigentlich nicht mehr erteilt.<br />

Allerdings ist es wesentlich einfacher und unbürokratischer die Erlaubnis für die Anlage<br />

einer Palmölplantage zu erhalten. Die Firmen umgehen also die Gesetze, indem sie statt<br />

einer Lizenz für den Einschlag von Edelholz eine Palmölplantage beantragen. Das dafür<br />

dann der Wald gerodet und das Edelholz verkauft wird fällt nicht unter die Forstgesetze<br />

und ist deswegen erlaubt. Damit haben die Firmen eine Hintertür gefunden, um die letzten<br />

Wälder <strong>Papua</strong>s doch noch zu roden. Gerade der höhere Bedarf an Palmöl hier in Europa<br />

(zum Beispiel durch Bemischungsquoten der EU), treibt diese Geschäfte weiter voran.<br />

Dabei haben die Palmölplantagen auch große Auswirkungen auf die Bevölkerung vor Ort.<br />

Laut Sanca sind 80% aller indigenen <strong>Papua</strong> abhängig vom Wald und werden so mehr und<br />

mehr ihrer Lebensgrundlage beraubt. Häufig genug verkaufen sie das Landrecht für wenig<br />

Geld an die großen Investoren, die ihnen Wohlstand und Entwicklung versprechen. Wenn<br />

das Geld einmal aufgebraucht ist, müssen die Ureinwohner dann in die Elendsviertel der<br />

Städte ziehen. In den Palmölplantagen arbeiten meistens Zugezogene oder sogenannte<br />

Transmigranten, die aus Java und anderen Regionen Indonesiens nach <strong>Papua</strong><br />

umgesiedelt werden. Sie haben meistens andere Traditionen und eine andere Religion als<br />

die Einheimischen. So verändern sie das Leben und den Umgang mit den natürlichen<br />

Ressourcen in Tanah <strong>Papua</strong> stark. Sanca geht davon aus, dass inzwischen in Tanah<br />

<strong>Papua</strong> schon mehr Migranten als Einheimische wohnen.<br />

Besonders brisant ist, dass auf der einen Seite hinter den Investitionen nicht nur große<br />

Unternehmer, sondern oft auch wichtige Indonesische Politiker stehen und diese auf der<br />

anderen Seite auch vom Militär aktiv unterstützt werden, das gute Geschäfte mit den<br />

Palmölplantagen und dem Holzhandel macht. Ca. 90% aller großen Betriebe in Tanah<br />

<strong>Papua</strong> gehören laut Sanca dem Militär, das angeblich für den Schutz der Palmölplantagen<br />

sorgt. Häufig werden Unruhen inszeniert, um die Präsenz des Militärs zu rechtfertigen,<br />

besonders, wenn hochrangige Besucher aus dem Ausland erwartet werden.<br />

Neben dem Palmöl ist der Bedarf an tropischem Holz immer noch eine wichtige Triebkraft<br />

für den Raubbau an den Wäldern. Für die Olympischen Spiele in diesem Jahr hatte China<br />

800 Mio. m³ Edelholz aus Indonesien angefordert, von denen 300 Mio. m³ in Tanah <strong>Papua</strong><br />

illegal gefällt worden sind, bevor dies publik wurde und auf internationalen Druck hin die<br />

1<br />

Zur Suharto-Zeit wurde dieses Gebiet, das 22% der Landfläche Indonesiens ausmacht, „Irian Jaya“ genannt. Seit 2003<br />

gibt es zwei Provinzen, im Osten „<strong>Papua</strong>“ mit der Hauptstadt Jayapura und im <strong>West</strong>en (Vogelkopfregion) „<strong>Papua</strong> <strong>West</strong>“<br />

mit der Hauptstadt Manokwari. Die <strong>Papua</strong> nennen den indonesischen Teil <strong>Papua</strong>s „Tanah <strong>Papua</strong>“ (das Land <strong>Papua</strong>). Die<br />

internationalen Solidaritätsnetzwerke benutzen „<strong>West</strong>-<strong>Papua</strong>“ für das Land <strong>Papua</strong>.<br />

15


Arbeiten eingestellt worden sind. Zu vermuten ist, dass durch die Rodung von Wäldern zur<br />

Anlage von Palmölplantagen, weiterhin Edelholz nach China geliefert wird.<br />

Sanca hofft, dass in Zukunft die lokale Ebene in Tanah <strong>Papua</strong> mehr gestärkt wird, dass die<br />

traditionellen einheimischen Dorfräte wieder mehr Recht über die lokalen Ressourcen wie<br />

Wald und Land bekommen und informiert und selbstbestimmt ihr Land verwalten und den<br />

Wald schützen können. Dazu sind Fortbildungen zum „kritischen Denken“ im Bereich der<br />

Ökonomie auf Dorfebenen und der Konfliktlösung notwendig.<br />

Eine der wichtigen Forderungen/Bitten von Sanca an uns hier in Europa ist demnach auch:<br />

„Kauft kein Palmöl und kein Tropenholz mehr aus Indonesien, bis sich die Situation<br />

verbessert hat!“ Im Moment glaubt er nicht daran, dass es möglich ist über<br />

Qualitätskriterien oder Siegel die Umweltverträglichkeit und soziale Unbedenklichkeit von<br />

Palmöl oder Tropenholz zu bescheinigen. Dazu sind Korruption und Misswirtschaft zu<br />

groß.<br />

WACHSENDE ZWEIFEL AN BP ERDGAS-PROJEKT IN BINTUNI<br />

Trotz Versprechen von British Petroleum (BP), gibt es wachsende Zweifel, dass das<br />

Erdgas-Projekt Tangguh in der Bintuni Bucht, dem Schicksal anderer großer Ausbeutungs-<br />

Projekte in <strong>West</strong> <strong>Papua</strong> entfliehen kann. Wie die Freeport-McMoran Kupfer- und Goldmine<br />

in Tembagapura mit ihrer Akte chronischer Menschenrechtsverletzungen und<br />

Umweltzerstörungen, kommt das Tangguh-Projekt mit wachsendem militärischen Druck<br />

und steigenden ökologischen Bedenken. Trotz des Versprechens BPs, die Rolle des<br />

indonesischen Militärs im Projektgebiet zu beschränken, gibt es eine wachsende<br />

Militärpräsenz in den benachbarten Städten, wie Bintuni und Babo. Auch die Zahl der<br />

nicht-indigenen Bevölkerung steigt durch die Aussicht auf Arbeitsplätze. BP hat es verfehlt,<br />

sich mit der Frage der CO2-Abspeicherung zu beschäftigen und einen Plan bezüglich der<br />

Verschmutzung durch den starken Anstieg der Transporte auf See zu machen, der die<br />

Wasserwege verschmutzt und traditionelle Fischerei zerstört.<br />

Quelle: WEST PAPUA REPORT, Juni <strong>2008</strong> (http://etan.org/issues/wpapua/default.htm)<br />

16


Tödliche Seuche in <strong>Papua</strong> – Ausbruch von Cholera<br />

bestätigt<br />

In den Regierungsbezirken Nabire und Paniai traten im April und Mai<br />

Durchfallerkrankungen auf, an denen viele Menschen starben. Im Dorf Bilogai (Suagapa,<br />

Paniai) wurden mindestens 24 Tote gemeldet. Aus Kamu (Mapia, Nabire) wurden 34 Tote<br />

namentlich gemeldet. Jüngste Berichte sprechen von 173 <strong>Papua</strong>, die an der Cholera<br />

gestorben sind.<br />

Die Angehörigen zimmern einen Sarg für den<br />

Verstorbenen<br />

Die Symptome der Krankheit waren<br />

starker Durchfall und hohes Fieber. Die<br />

Patienten starben nach wenigen Tagen.<br />

Die örtlichen Krankenpfleger waren völlig<br />

überfordert und hatten auch nicht<br />

genügend Medizin – abgesehen davon,<br />

dass einfache Medizin in solchen Fällen<br />

nicht ausreicht, wenn nicht gleichzeitig<br />

strenge Hygienevorschriften beachtet<br />

werden. Dazu gehören unbedingt<br />

abgekochtes Trinkwasser und<br />

Desinfizierung. Dr. Bagus, der Leiter des<br />

Gesundheitsamtes der Provinz <strong>Papua</strong>,<br />

bestätigte, dass von 12 Stuhlproben zwei<br />

Proben positiv Cholera (serotype Ogara)<br />

waren.<br />

Es wurde von ärztlicher Seite vorgeschlagen, die WHO einzubeziehen. Sie soll die<br />

diagnostischen Möglichkeiten der Laboratorien auf Provinzebene überprüfen. Auch hat<br />

sich gezeigt, dass das Warnsystem bei ausbrechenden Seuchen verbesserungswürdig ist.<br />

Freunde aus Nabire meldeten uns, dass in einem Dorf in der Nähe von Enarotali<br />

(Landkreis Paniai) neben vielen anderen Toten innerhalb weniger Tage eine fünfköpfige<br />

Familie der Krankheit erlegen ist. Der Gesundheitsdienst meldet lediglich, dass seit Mitte<br />

Mai keine Sterbefälle mehr gemeldet wurden und gibt so Entwarnung.<br />

Am 1. <strong>August</strong> meldete das Gesundheitsministerium der Republik Indonesien, dass die<br />

Seuche aufgrund der außergewöhnlichen Anstrengungen der Obrigkeit unter Kontrolle ist.<br />

Dem widersprach die Tageszeitung The Jakarta Post vom 4. <strong>August</strong>, die sich auf konkrete<br />

Daten der in Paniai stark vertretenen KINGMI Kirche und Nichtregierungsorganisationen<br />

berief. Diese geben 173 Todesfälle namentlich an und beschuldigen die<br />

Regierungsdienste, völlig versagt zu haben.<br />

Wir fragen: Muss es so viele Tote geben, bis ein gut ausgestatteter Gesundheitsdienst<br />

effektiv und wirksam eingreift (sz / uh)<br />

Quelle: The Jakarta Post, National News - <strong>August</strong> 04, <strong>2008</strong>, Abdul Khalik: Government accused of neglecting outbreak<br />

Pazifische Staaten diskutieren über <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong><br />

WPN 29. Mai <strong>2008</strong> Sollen Vertreter <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong>s in der Melanesian Spearhead Group =<br />

MSG) offiziellen Beobachterstatus erhalten Diese Frage wird am heutigen Donnerstag in<br />

Port Vila, der Hauptstadt des kleinen pazifischen Staates Vanuatu, von einigen Führern<br />

pazifischer Staaten diskutiert. In Port Vila tagt die sog. Melanesian Spearhead Group, zu<br />

der sich die melanesischen Staaten zusammengeschlossen haben.<br />

17


Neben Vanuatu unterstützen die Salomonen, Fidschi und Neukaledonien den Antrag der<br />

Vertreter <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong>s, Beobachterstatus zu erhalten. Dagegen lehnt <strong>Papua</strong>-Neuguinea<br />

den Antrag ab. Der Außenminister <strong>Papua</strong>-Neuguineas, Sam Abal, sagte: „Wir sind der<br />

Meinung, dass nicht über <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong> gesprochen werden sollte. Es handelt sich um ein<br />

Problem mit sehr vielen Implikationen.“ Er schlug vor, dass Vanuatu Vertreter <strong>West</strong>-<br />

<strong>Papua</strong>s in seine eigene Delegation aufnehmen könne. Premierminister Ham Lini von<br />

Vanuatu, der beim diesjährigen Treffen den Vorsitz hat, wird den Antrag jedoch auf die<br />

Tagesordnung setzen.<br />

Schon früher haben sich die Vertreter <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong>s darum bemüht, beim Forum<br />

Pazifischer Staaten (Pacific Islands Forum = PIF), einen offiziellen Beobachterstatus zu<br />

erhalten. Das PIF besteht aus 16 pazifischen Staaten, einschließlich Australien und<br />

Neuseeland. Osttimor hat beim PIF Beobachterstatus, während Indonesien zu den sog.<br />

Dialogpartnern des PIF gehört. Indonesien hat immer seinen Einfluss geltend gemacht,<br />

damit das Problem <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong> bei den Tagungen des PIF nicht auf die Tagesordnung<br />

kam. Vor einigen Jahren hat das Forum die Menschenrechtssituation in <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong><br />

angesprochen.<br />

Die Mealanesian Spearhead Group ist ein Untergruppe des PIF, die sich zwecks einer<br />

engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit gebildet hat.<br />

In Port Vila (Vanuatu) wurde vor einigen Jahren ein offizielles <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong>-Büro eröffnet,<br />

dessen Leiter Dr. John Otto Ondowame und Mr. Andy Ayamiseba sind. Im April diesen<br />

Jahres (<strong>2008</strong>) wurde dort die <strong>West</strong> <strong>Papua</strong> National Coalition for Liberation gegründet, eine<br />

Dachorganisation für etwa 30 verschiedene Aktionsgruppen von <strong>Papua</strong> aus dem Inland<br />

und aus dem Exil, die sich für die Unabhängigkeit <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong>s von Indonesien<br />

einsetzen.(sz)<br />

Amnesty International meldet zunehmende Angriffe auf<br />

Menschenrechtsverteidiger in <strong>Papua</strong><br />

Am 28. Mai veröffentliche Amnesty International (AI) seinen Jahresbericht für <strong>2008</strong>, der<br />

auch einen Bericht über Menschenrechte in Indonesien insbesondere <strong>West</strong> <strong>Papua</strong> enthält.<br />

Der Bericht beschreibt anhaltende „Folter, exzessive Nutzung von Gewalt und<br />

rechtswidrige Tötungen durch Polizei und Sicherheitskräfte” und berichtet, dass „die<br />

meisten Täter von groben Menschenrechtsverletzungen in der Vergangenheit ... noch<br />

immer Straflosigkeit genießen“. Im Bericht wird betont, dass “die Situation in <strong>Papua</strong><br />

angespannt bleibt mit zunehmenden gezielten Attacken und Bedrohungen gegen<br />

Menschenrechtsaktivisten und Kirchenführer.“ Es wird außerdem erwähnt, dass “sich die<br />

Anzahl von möglichen politischen Gefangenen drastisch erhöhte mit bis zu 76 Menschen,<br />

die festgenommen wurden weil sie friedlich ihre politischen oder religiösen Ansichten<br />

äußerten“.<br />

Der Report ergänzt, dass „Meinungsfreiheit weiterhin stark eingeschränkt ist“, mit „einem<br />

deutlichen Anstieg von Attacken und Bedrohungen gegen Menschenrechtsverteidiger<br />

nach dem Besuch von Hina Jilani, der UN Sonderbeauftragten des Generalsekretariats für<br />

Menschenrechtsverteidiger, im Juni“. Der Report stellt heraus, dass Jilani „die anhaltende<br />

Bedrohung und Einschüchterung von Menschenrechtsverteidigern durch die Polizei, das<br />

Militär und andere Sicherheits- und Geheimdienste und die Einschränkungen beim Zugang<br />

zu Opfern und Schauplätzen von Menschenrechtsverletzungen, vor allem in <strong>Papua</strong>, betont<br />

hatte.“<br />

In einem spezielle Kapitel über <strong>West</strong> <strong>Papua</strong> schreibt AI folgendes: „Der Konflikt zwischen<br />

Sicherheitskräften und Unabhängigkeitskämpfern in <strong>Papua</strong> hält an. Das Militär bedrohte<br />

18


wiederholt Mitglieder der lokalen Bevölkerung, die die Unabhängigkeit friedlich<br />

unterstützten. Ein Armee-Beamter, der beschuldigt wird, Verbrechen gegen die<br />

Menschlichkeit in Timor-Leste begangen zu haben, und sich noch vor Gericht dafür<br />

verantworten muß, wurde nominiert, Kommandeur in der Haupstadt <strong>Papua</strong>s, Jayapura, zu<br />

werden.“<br />

Quelle: WEST PAPUA REPORT, June <strong>2008</strong> (http://etan.org/issues/wpapua/default.htm)<br />

UN-Ausschuss gegen Folter drückt Sorge über <strong>West</strong><br />

<strong>Papua</strong> aus<br />

Am 16. Mai beschloss der UN-Ausschuss gegen Folter seine 14. Session und machte<br />

Beobachtungen und Empfehlungen zu einem Report über Indonesien, der während der<br />

Session besprochen wurde.<br />

Das Komitee sagte, es wäre tief beunruhigt wegen der zahlreichen anhaltenden<br />

glaubwürdigen und stetigen Anschuldigungen, untermauert durch den Bericht des<br />

Sonderbeauftragten für Folter und andere Quellen, bezüglich der Routine und des<br />

weitverbreiteten Gebrauchs von Folter und Misshandlung von Verdächtigen in<br />

Polizeigewahrsam, besonders um Aussagen für Gerichtsverhandlungen zu erzwingen.<br />

Außerdem zeigte sich der Ausschuss besorgt über Indonesiens fehlende internationale<br />

rechtliche Kooperation bei der Untersuchung, Anklage und Auslieferung von Fällen grober<br />

Menschenrechtsverletzungen. Besonders in Bezug auf Vorfälle in Ost Timor 1999 war das<br />

Komitee sehr verärgert darüber, dass mutmaßliche Kriegsverbrecher, wie Oberst Siagian<br />

Burhanddhin, für den Interpol einen internationalen Haftbefehl ausgestellt hat, noch immer<br />

bei der Indonesischen Armee dienen. Oberst Siagian ist Kommandeur des indonesischen<br />

Militärs (TNI) in Jayapura, der Hauptstadt <strong>West</strong> <strong>Papua</strong>s.<br />

Quelle: WEST PAPUA REPORT, June <strong>2008</strong> (http://etan.org/issues/wpapua/default.htm)<br />

19


Militär durchsucht Zivilbevölkerung in <strong>Papua</strong><br />

Einem Bericht aus <strong>Papua</strong> zufolge, führt das Indonesische Militär (TNI) Razzien im<br />

zentralen Hochland durch, die besonders die zivile Bevölkerung als Ziel haben. Die<br />

Cenderawasih Post berichtete am 9 Mai, dass AKBP Marolop Manik, Polizeichef in der<br />

Region Jayawijaya, mitteilte, dass das indonesische Militär eine einmonatige<br />

Durchsuchung der Dörfer der Region nach “separatistischen Symbolen” veranstalten wird.<br />

Die „Mambruk“ genannte Operation wird vom berüchtigten Indonesian Intelligence Service<br />

(BIN) geleitet, von dem weithin angenommen wird, dass er eine zentrale Rolle bim Mord<br />

von Said Thalib Munir, Indonesiens führendem Menschenrechtsvertreter, im Jahr 2004<br />

gespielt haben soll.<br />

Unbestätigte Berichte aus der Region behaupten, dass die Sicherheitskräfte mit großer<br />

Brutalität vorgehen und einige Dorfbewohner dazu gezwungen wurden, in die umliegenden<br />

Wälder und Berge zu fliehen.<br />

In der Vergangenheit hatte das indonesische Militär solche Durchsuchungen unter dem<br />

Vorwand durchgeführt, bewaffnete Widerstandskämpfer zu suchen. Solche Operationen<br />

schaffen enormes Leid in der Bevölkerung, die aus ihren Dörfern vertrieben wird, weil<br />

Soldaten ihre Wohnungen und ihre Existenzgrundlage zerstört. In diesem Fall besteht der<br />

unterschied zu vorherigen Operationen darin, dass die Zivilbevölkerung ausdrücklich zum<br />

Ziel erklärt wurde.<br />

Quelle: WEST PAPUA REPORT, Juni <strong>2008</strong> (http://etan.org/issues/wpapua/default.htm)<br />

20


10 Jahre Reformasi – Menschenrechte in Indonesien<br />

von Esther Hoffmann<br />

(E-Informationsbrief Nr. 200 vom 6. Juni <strong>2008</strong>)<br />

10 Jahre nach dem Rücktritt von Suharto hat sich in Indonesien viel geändert.<br />

Einer der größten Hemmschuhe für die Entwicklung ist aber die andauernde<br />

Straflosigkeit von Menschenrechtsverletzungen. Die fehlende Strafverfolgung<br />

schafft eine Atmosphäre die Menschenrechtsverletzungen legitimiert, weil sie nicht<br />

als Verbrechen behandelt werden. Die Opfer werden nicht entschädigt und dies<br />

birgt die Gefahr in sich, dass künftig neue Konflikte erscheinen können.<br />

Wie in ganz Indonesien ist auch in <strong>Papua</strong> in den meisten Fällen nie jemand vor<br />

Gericht gestellt worden. Soweit Fälle untersucht werden, bleiben sie oft sehr lange<br />

bei der Staatsanwaltschaft, ohne dass etwas geschieht. Dazu gehören zwei<br />

Militäraktionen in Wasior und Wamena in 2001 und 2003). Die<br />

Menschenrechtskommission Komnas HAM hatte eine Anzahl von Tötungen, Folter<br />

und Vergewaltigungen an Dorfbewohnern durch Angehörige der<br />

Sondereinsatzkräfte BRIMOB der Polizei und Militärangehörige festgestellt. Seit<br />

2004 liegen die Fälle bei der Staatsanwaltschaft.<br />

Werden Fälle vor Gericht gebracht so wurden die Angeklagten bislang fast immer<br />

freigesprochen, so auch im Abepura – Fall im Jahre 2000 hatten vermutlich<br />

Unabhängigkeitskämpfer eine Polizeistation überfallen und 2 Polizisten und einen<br />

Sicherheitsmann getötet. Bei der Suche nach den Tätern töteten Polizisten 3<br />

Studenten und folterten Hunderte andere. Im Jahre 2005 wurden 2 Polizisten, die<br />

wegen dieser Taten vor Gericht standen, freigesprochen.<br />

Zum 10. Jahrestag haben wir ein Schlaglicht auf die momentanen Entwicklungen<br />

und Diskussionen zusammengestellt, die Strafverfolgung betreffen. Unten finden<br />

sich einige aktuellere Meldungen aus <strong>West</strong> <strong>Papua</strong>.<br />

STRAFLOSIGKEIT: UNTERSUCHTE FÄLLE WERDEN NICHT WEITERVERFOLGT<br />

Die nationale Menschenrechtskommission Komnas HAM zeigte sich Anfang April<br />

enttäuscht von der Generalstaatsanwaltschaft. Diese hatte die<br />

Untersuchungsergebnisse der Kommission einer Anzahl von Fällen<br />

zurückgesandt. Unter den Dokumenten befindet sich ein Fall von<br />

Menschenrechtsverletzungen in <strong>Papua</strong>. Die Unterlagen wurden mit der<br />

Begründung zurückgegeben, dass sie nicht vollständig seien. Andere Fälle wurden<br />

zurückgegeben, weil die Beschuldigten schon vor ein Militärgericht gestellt wurden,<br />

hieß es aus der Staatsanwaltschaft. Eine Anzahl von Kidnapping- Fällen könnten<br />

nicht weiterverfolgt werden, solange kein ac-hoc-Tribunal dazu eingerichtet sei<br />

(Tempo Interactive, 04.04.08).<br />

In einem Zeitungsartikel geht der Aktivist Usman Hamid auf diesen Konflikt ein. Im<br />

Bezug auf die Kidnapping- Fälle arbeitet er die Argumentation der<br />

Staatsanwaltschaft heraus, nach dem erst ein ad-hoc-Menschenrechtstribunal<br />

eingerichtet werden muss und dann die Untersuchung und die Verfolgung von<br />

Übergriffen beginnen kann. Erst im Februar hatte dagegen das Verfassungsgericht<br />

geurteilt, dass die Einrichtung eines ad-hoc-Tribunals, durch das Parlament auch<br />

21


erst Folge eines Berichtes der Menschenrechtskommission Komnas HAM sein<br />

könne. Auf diesen Bericht müsse die Staatsanwaltschaft dann mit Ermittlungen<br />

reagieren Usman Hamid erhofft sich für die Zukunft außerdem, dass die<br />

Einrichtung für ad-hoc Gerichthöfe vom Parlament auf eine nicht – parteiische<br />

Institution wie das Verfassungsgericht übergeht (Jakarta Post, 28.04.08).<br />

MEHR KOMPETENZEN FÜR KOMNAS HAM GEFORDERT<br />

Die nationale Menschenrechtskommission Komnas HAM hat in einem Entwurf für<br />

ein überarbeitetes Menschenrechtsgesetz mehr Kompetenzen gefordert, darunter<br />

vor allem diejenige, selbst Verdächtige gerichtlich zu verfolgen zu können. Zurzeit<br />

kann die Kommission nur Voruntersuchungen durchführen und dem<br />

Generalstaatsanwalt Empfehlungen zur Ermittlung geben. Die Kommission erhofft<br />

sich mehr Möglichkeiten zur Verfolgung schwerer Menschenrechtsverletzungen.<br />

Der Generalstaatsanwalt habe sich in der Vergangenheit zu langsam bei der<br />

Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen gezeigt (Jakarta Post, 07.04.08).<br />

INDONESIEN VOR DEN VEREINTEN NATIONEN<br />

Zum Auftakt seiner Universal Periodic Review lobte der UN – Menschenrechtsrat<br />

Indonesien, mahnte aber, die Straflosigkeit abzuschaffen, Folter besser im Gesetz<br />

zu definieren und weitere Menschenrechtsvereinbarungen der UN zu ratifizieren.<br />

Ein Sprecher des indonesischen Außenministeriums, Rezlan, berichtete<br />

Indonesien sei gelobt worden, weil es nicht nur über die Erfolge, sondern auch die<br />

ungelösten Aufgaben berichtet habe. Menschenrechtsgruppen kritisierten, dass die<br />

Straflosigkeit für frühere Staatsvertreter und Militärangehörige Indonesien auf der<br />

Stelle treten ließen. Andere umstrittene Punkte waren die Todesstrafe und der<br />

mangelnde Schutz von Minoritäten wie der islamischen Sekte Ahmadiyah (Jakarta<br />

Post, 16.04.08)<br />

Der UN-Anti-Folter- Ausschuss urteilte im Mai, in Indonesien sei Folter durch<br />

Polizei- und Militärangehörige weit verbreitet. Er bezog sich auf „zahlreiche Fälle<br />

von fortdauernden, (…) und stimmigen Anschuldigungen über Misshandlungen“..<br />

Der Ausschuss nannte z.B. auch hohe Vergewaltigungszahlen in Konfliktgebieten.<br />

Berichte über Folter würden nur selten untersucht und die Täter kaum verurteilt. Es<br />

müsse unverzüglich eine Null-Toleranz-Politik gegen jegliche Misshandlung durch<br />

Staatsvertreter verkündet werden (Associated Press , 16.05.08).<br />

GENERÄLE DISKUTIEREN ÜBER MENSCHENRECHTSVERLETZUNGEN<br />

Mehr als hundert pensionierte Armeeangehörige und Generäle trafen sich im Mai<br />

in Jakarta um in einer geschlossenen Veranstaltung über schwere<br />

Menschenrechtsverletzungen zu diskutieren, darunter auch der frühere<br />

Vizepräsident Try Sutrisno und der ehemalige Armeechef Wiranto. Viele Menschen<br />

würden nicht viel vom Thema verstehen, klagte Wiranto. So würde die falsche<br />

Einschätzung entstehen, dass die indonesische Armee sich wie die Nazi-Armee<br />

benehmen würde. Er bezog sich auf eine Anzahl von Vorfällen wie die Tötungen<br />

von Demonstranten im Mai 1998, deren Aufklärung von Menschenrechtsaktivisten<br />

in Indonesien gefordert wird, und erklärte, diese würden nicht als „schwere“<br />

Menschenrechtsverletzungen gelten. Im Gesetz Nr. 26/2000 sei definiert, dass es<br />

sich um Übergriffe handeln müsse, die „systematisch und weit verbreitet“ seien,<br />

wie etwa Genozid (Antara News, 24.04.08). Die Ex-Generäle erklärten, weiter die<br />

22


staatliche Kommission Komnas HAM habe nicht die Autorität, solche („einfachen“,<br />

keine „schweren“, E.H.) Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Die<br />

Regierung müsse die Mitglieder von Komnas HAM wegen „Machtmissbrauch“ aus<br />

ihrem Amt entfernen. Im Falle eines Überfalles auf das Dorf Talangsari in<br />

Lampung, bei dem ungefähr 200 Menschen ums Leben gekommen sein sollen,<br />

beriefen sie sich auf das Verbot der Rückwirkung von Gesetzen nach dem<br />

Gesetze nicht für Fälle gelten können, die vor ihrem Inkrafttreten geschehen sind.<br />

Zwei verantwortliche Generäle hatten sich geweigert, einer Vorladung auf<br />

Grundlage des erst im Jahre 2000 in Kraft getretenen Gesetzes über<br />

Menschenrechtsgerichthöfen nachzukommen (Jakarta Post , 28.04.08).<br />

Usman Hamid von der Organisation Kontras bezeichnete das Treffen als einen<br />

Versuch, die Straflosigkeit aufrecht zu erhalten. Die ehemaligen Generäle hätten<br />

mit der Forderung an Komnas HAM, die erwähnten Fälle nicht weiter zu<br />

untersuchen, gegen das Prinzip der Gleichheit vor dem Gericht verstoßen. Das<br />

Rückwirkungsverbot würde im Falle der Menschenrechtsgerichtshöfe nicht gelten.<br />

Für ältere Menschenrechtsverletzungen ist ausdrücklich die Möglichkeit von adhoc-Verfahren<br />

zugelassen. Auch Präsident Yudhoyono hatte öffentlich seine<br />

Unterstützung zur Untersuchung der Vorfälle erklärte, nachdem<br />

Verteidigungsminister Sudarsono die Ex-Generäle aufgerufen hatte, der Vorladung<br />

nicht nachzukommen (Jakarta Post, 28.04.08)<br />

MILITÄRREFORMEN<br />

Die Reformen im Militär TNI, das in der Vergangenheit häufig der Beteiligung an<br />

Menschenrechtsverletzungen beschuldigt wurde, sind noch nicht abgeschlossen.<br />

So ist es durch eigene Unternehmen noch sehr unabhängig von der Zivilregierung.<br />

Ein Komitee soll nun die Besitztümer von TNI prüfen, nicht der erste Versuch, sich<br />

einen Überblick zu verschaffen. Jahrzehntelang hatten sich Militärangehörige<br />

eigene Geschäfte aufgebaut. Zurzeit sind die Militärangehörigen unterbezahlt, so<br />

dass die Entgelte künftig gesteigert werden müssen. Der australische Beobachter<br />

Damien Kinsbury verweist zudem darauf, dass das Einkommen aus illegalen<br />

Quellen wie Holzgewinnung oder Schmuggel das doppelte der offiziellen<br />

Einkommen betragen könnte und sehr viel schwieriger zu bekämpfen sein wird<br />

(Reuters , 16.05.0).<br />

Im Parlament lag im Mai ein Gesetzesentwurf vor, nach dem künftig Zivilgerichte<br />

und nicht mehr Militärgerichte über Soldaten urteilen die wegen Kriminalstraftaten<br />

angeklagt werden. Der Entwurf wird von Menschenrechtsexperten als essentiell für<br />

die Bekämpfung der Straflosigkeit gelobt. Militärtribunalen kann man nicht trauen,<br />

weil sie die Verbrechen vor der Öffentlichkeit verstecken, erklärte Suaedy, ein<br />

muslimischer Gelehrter (Jakarta Post, 21.05.08).<br />

23


Ineffektiv und ungerecht<br />

Warum die Razzien gegen die Holzmafia in <strong>Papua</strong><br />

gescheitert sind<br />

von Marianne Klute und Pietsauw Amafnini 2<br />

Wer nach <strong>Papua</strong> reist, wird Unmengen von konfiszierten, vor sich hin rottenden<br />

Merbaustämmen sehen. Dies ist das Ergebnis von Razzien gegen den illegalen<br />

Holzeinschlag. Polizei und Forstbehörden sprachen von einem “großen Erfolg” und<br />

behaupteten, es gebe keinen illegalen Holzeinschlag mehr. Die Realität sieht anders aus.<br />

Nach zehn Uhr abends dröhnt Motorengeräusch von der fernen Straße. Ungewohnter<br />

Lärm im nächtlichen Abepura, der kleinen Universitätsstadt im Nordosten von <strong>Papua</strong>. „Das<br />

sind Trucks, die bringen die Bäume nachts an die Küste“, klärten mich Bekannte auf, als<br />

ich mich bei meinem Besuch im letzten Jahr über die Ruhestörung beklagte. Auch in<br />

Merauke im Süden war es nicht anders, wo das Tropenholz aus dem Wasur-Nationalpark<br />

geholt wird. Und nicht in Sarmi, Nabire und in Sorong. Der Augenschein straft die<br />

Aussagen mancher Regierungsvertreter Lügen, die im Brustton der Überzeugung<br />

behaupteten: „Es gibt seit den Polizeirazzien kein illegales Holz mehr aus <strong>Papua</strong>!“<br />

Das Ergebnis von OHL II sticht ins Auge:<br />

überall in den beiden Provinzen <strong>Papua</strong> und<br />

<strong>Papua</strong> Barat (Irian Jaya Barat) stapeln sich<br />

seit Monaten Unmengen des wertvollen<br />

Merbau-Holzes. Viele der Baumstämme<br />

verrotten.<br />

Foto: Pietsaw Amafnini 2007<br />

The Last Frontier - Illegal Logging in<br />

<strong>Papua</strong> and China’s Massive Timber<br />

Theft 3 , die 2005 erschienene Studie<br />

von Telapak und Environmental<br />

Investigation Agency über das 600-Millionen-Dollar-Geschäft mit Merbauholz aus <strong>Papua</strong>,<br />

hat weltweit Aufsehen erregt. Die Warnung der Autoren, wenn Abkommen und Gesetze<br />

nicht sofort in konkrete Aktionen umgesetzt und die Mafiabosse hinter Schloss und Riegel<br />

gebracht würden, sei es zu spät, hat Wirkung gezeigt. Die indonesischen Behörden waren<br />

gezwungen zu handeln.<br />

Innerhalb der letzten drei Jahre (2005-2007) hat die Polizei in groß angelegten Razzien<br />

(OHL II, Operasi Hutan Lestari II) Hunderttausende Kubimeter Holz festgesetzt. Aus den<br />

Polizeiakten geht hervor, dass davon 39.979 Stämme konfisziert wurden. Deren<br />

Gesamtvolumen betrage knapp 200.000 m 3 . Allein in den drei Distrikten Sorong, Süd-<br />

Sorong und Kaimana im Vogelkopfgebiet, einem Hotspot der illegalen Aktivitäten der<br />

Holzmafia 4 , beschlagnahmten die OHL II-Teams 64.222 Kubikmeter Holz. Sogar Präsident<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Pietsauw Amafnini ist Koordinator von Jaringan Advokasi Sosial dan Lingkungan (JASOIL) und wohnt unterm Tafelberg in<br />

Manokwari.<br />

http://www.eia-international.org/files/reports93-1.pdf<br />

Von folgenden Unternehmen: Im Kabupaten Sorong : CV. Tambrauw, CV. Prima Materi, Kopermas Mberur Masau; Im<br />

Kabupaten Sorong Selatan : PT. Tambrauw, PT. Anugerah Berkat Lestari, PT. Uniraya Timber, PT. Raja Ampat Perkasa<br />

und PT. Hasil Alam Utama Lestari. Im Kabupaten Kaimana : PT. Avona Mina Lestari<br />

24


SBY und Forstminister M.S. Kaban haben für die beeindruckenden Ergebnisse der<br />

Razzien Lob eingeheimst. War die OHL II wirklich ein Erfolg Ein Signal, die Regierung<br />

schreite endlich ernsthaft gegen die international verstrickte Holzmafia ein<br />

M.S. Kaban hat eine Liste mit 50 Namen der meistgesuchten Forstverbrecher in der<br />

Tasche, von denen einige bevorzugt in <strong>Papua</strong> agieren. Spitzenplätze nehmen die<br />

Mafiabosse ein, die noch immer frei herumlaufen, obwohl die Polizei fundierte<br />

Erkenntnisse über sie hat: Ting Ting Hong, ein malaysischer Staatsbürger, der seine Leute<br />

auch in Riau den Wald abholzen lässt; ein gewisser Yongkie aus Surabaya, der die<br />

Schmuggelrouten aus dem Eff-Eff kennt; Wiliam Hendrik in Sorong, der mit Indern und<br />

Chinesen dealt; und Eddy S.aus Jakarta, ein Experte in der Beschaffung gefakter Papiere.<br />

Immerhin hat die Polizei während der OHL II einunddreißig Personen verhört, wenn auch<br />

fast nur kleine Fische. Sieben der Verdächtigen wurden schließlich hinter Schloss und<br />

Riegel gebracht, doch tatkräftig verurteilt wurde nur einer, und auch der ist längst wieder<br />

frei.<br />

Aus ihren Zahlen zieht die Polizei den Schluss, dass fast 80% der gesamten in diesem<br />

Zeitraum geschlagenen Menge an Merbauholz konfisziert wurde, und dass folglich so gut<br />

wie alle Unternehmen illegal arbeiten. Da kann etwas nicht stimmen, meint Max J. Tokede<br />

von der Forstfakultät der Universität Manokwari, die Daten der Polizei genausowenig wie<br />

ihre Berechnungen, und die Schlussfolgerung, es gebe keinen illegalen Holzeinschlag<br />

mehr, stimme erst recht nicht. Zum Beispiel nehme die Polizei der Einfachheit halber an,<br />

ein Baumstamm habe ein Volumen von 5 m 3 , die Forstbehörden dagegen gehen von<br />

einem Volumen von 4,26 m 3 pro Stamm aus. Das ergibt immerhin eine Differenz von<br />

beachtlichen 30.000 m 3 , was wiederum sechstausend Baumstämmen entspräche.<br />

Noch verwunderlicher ist, so Gothlief Kawer von CIFOR <strong>Papua</strong>, dass die Polizei 50.207<br />

Baumstämme mit einem Volumen von 213.916 m 3 zwar festgesetzt, aber nicht mit einem<br />

Polizeisiegel versehen, d.h. gar nicht beschlagnahmt hat. Wie kann sie dann behaupten,<br />

sie hätte 80% der Einschlagsmenge konfisziert Es sei doch viel mehr illegales Holz<br />

gefunden worden! Ist dies ein Zeichen dafür, dass die Behörden manches Unternehmen<br />

als illegal einstufen und trotzdem weiterarbeiten lassen<br />

Das beschlagnahmte Holz rottet derweil vor sich hin, weil niemand weiß, ob man es<br />

benutzen darf. „Das Ergebnis der OHL II ist nur, dass Unmengen wertvollen Merbau-<br />

Holzes verfaulen“, sagt Pietsauw Amafnini, Koordinator der NGO Jasoil. „Mindestens<br />

ebenso viel konfisziertes Holz ist wie vom Erdboden verschwunden oder als legales Holz<br />

auf den internationalen Markt gelangt.“<br />

Ist das verfaulende Holz nur ein trauriger Nebeneffekt einer ansonsten erfolgreichen<br />

Aktion Max J. Tokede meint: „Nein! Unsere Fakultät für Forstwesen der Universität<br />

Manokwari (UNIPA) hat in Kooperation mit der NGO Yalhimo und dem Center For<br />

International Forestry Research (CIFOR) herausgefunden, dass dies keineswegs der Fall<br />

ist. Der illegale Holzeinschlag wurde nicht eingedämmt; im Gegenteil ist in dieser Gegend<br />

ein neuer Modus Operandi ungesetzlichen Abholzens aufgetaucht.“<br />

Wie kommt die Polizei überhaupt darauf, dass so gut wie alle Unternehmen illegal sind,<br />

fragt sich Max J. Tokede. Denn haben nicht denn gerade in den letzten Jahren nach der<br />

Gewährung der Sonderautonomie sehr viele Unternehmen und dörfliche Kooperativen<br />

(Kopermas) eine Genehmigung erhalten Die Polizeimethoden gegen den illegalen<br />

Holzeinschlag sind seiner Meinung deswegen nicht nur ineffektiv, sondern auch ungerecht<br />

gegenüber den Kopermas und denjenigen Unternehmen, die sich wirklich um nachhaltige<br />

Forstwirtschaft bemühen. (Zur Zusammenarbeit der Holzmafia mit den Kopermas siehe<br />

den Beitrag von Marianne Klute „Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Wald in<br />

<strong>Papua</strong> auf“ in SUARA 2/<strong>2008</strong>, Watch Indonesia!)<br />

25


Dieser Überzeugung ist auch Pietsauw: Bei der strafrechtlichen Verfolgung von illegalem<br />

Holzeinschlag, in den die Kopermas verwickelt waren, werden nur die Dorfleute als die<br />

Lizenzinhaber auf dem Papier festgenommen. Nur kleine Fische also, während die<br />

tatsächlichen zivilen und militärischen Akteure und die beteiligten Unternehmen aber<br />

unbehelligt bleiben. Kein einziger Fall von Geldwäsche und Korruption ist jemals vor<br />

Gericht gebracht worden. Grund ist seiner Meinung nach auch, dass die Forstbehörden<br />

gar nicht mit der Polizei kooperierten. Polizei und Justiz müssten im Alleingang<br />

recherchieren, ohne die Unterstützung des Forstministers. Laut Präsidentenerlass Inpres<br />

4/2005 zur Bekämpfung des illegalen Holzeinschlags aber hat der Forstminister die<br />

Gerichtshoheit in Fällen von illegalem Holzeinschlag. Darüber hinaus sind die Vorschriften<br />

zur Strafverfolgung nicht eindeutig; die Entscheidungen liegen im Ermessensspielraum der<br />

Behörden, und Widersprüche mit anderen Gesetzen sind die Norm. Die Folge: nur ein<br />

kleiner Teil der von der Polizei aufgedeckten Fälle kam überhaupt vor Gericht. Und wenn<br />

es dann endlich zum Prozess kommt, fehlen die Beweise.<br />

Pietsauw kritisiert die Polizeiaktionen per se, denn wenn auch in <strong>Papua</strong> der Grundsatz des<br />

”Lex Specialis Derogate Lex Generalis” gelte, müsste die Autorität über den Wald im<br />

Bereich der Forstbehörde liegen und nicht in Händen der Polizei. In seiner internen Studie<br />

„Zwischen Problem und Lösung – Forstpolitik in <strong>Papua</strong>“ identifiziert er die rechtlichen und<br />

institutionellen Mängel als wesentliche Ursachen dafür, dass sämtliche Maßnahmen bisher<br />

nicht nur erfolglos waren, sondern quasi ins Gegenteil umschlugen. Die beiden Instanzen<br />

Forst und Polizei hätten die Operationen gegen die illegalen Holzfäller nicht koordiniert.<br />

Die fehlende Übereinstimmung und Konsistenz seien Merkmale, dass sich nicht allein auf<br />

diese Polizeioperationen beziehe, sondern allen Instanzen eigen seien. Ergebnisse sind,<br />

dass für Unternehmen, gerade auch für solche, die sich bemühen, alle Vorschriften<br />

einzuhalten, sich die Rechtsuntersicherheit manifestiert, und dass die Bevölkerung immer<br />

weniger an Gerechtigkeit glauben kann.<br />

Auf einen Nenner gebracht identifizieren NGOs in <strong>Papua</strong> die Schwäche des<br />

Rechtssystems, mangelhafte Kontrollmechanismen, unklare Möglichkeiten der Verfolgung<br />

der Straftaten und die fehlende Koordination zwischen den Instanzen als Ursachen des<br />

Scheiterns der Polizeiaktionen. Mehr noch, sie werfen den beteiligten Instanzen vor, ihre<br />

Eigeninteressen zu verfolgen, mit dem Resultat, dass sämtliche Aktionen zu einer weiteren<br />

Schwächung der Rechtssicherheit und steigendem Misstrauen der Bevölkerung<br />

gegenüber dem Justizwesen führten. Aus diesen Gründen wird auch das am 19.<br />

Dezember 2007 erlassene Exportverbot für Holz aus <strong>Papua</strong> ebenso ineffektiv und<br />

ungerecht sein, wenn nicht sogar zu neuen Ungerechtigkeiten führen, abgesehen davon,<br />

dass mächtige Gegenspieler in Jakarta nicht damit einverstanden sind.<br />

Gesetzliche Grundlagen für Maßnahmen gegen illegalen Holzeinschlag sind bisher, neben<br />

dem Forstgesetz 41/1999, verschiedene Forst- und Naturschutzregelungen, die festlegen,<br />

wie Wald im Interesse des Staates und der Industrie genutzt werden kann, sowie eine<br />

Reihe straf- und zivilrechtlicher Erlasse. Eindeutige Aussagen, wie mit den Übertretern<br />

dieser Gesetze umgegangen werden soll, fehlen in allen Gesetzen und Verordnungen zu<br />

Wald und Natur.<br />

Wichtige Erlasse zur Bekämpfung des illegalen Holzeinschlags<br />

Inpres No. 4/2005<br />

Präsidentenerlass Inpres 4/2005 zur Bekämfung<br />

des illegalen Holzeinschlags in gesamten<br />

Gebiet der Republik Indonesien<br />

Änderungserlass des Forstministers<br />

No.393/Kpts-II/1994 zu Sanktionen bei<br />

Übertretung der Konzession<br />

Erlass des Forstministers No.168/Kpts-IV/2001<br />

zu Raminholz<br />

Instruktion an 12 Ministerien, den obersten Staatsanwalt, Polizeichefs,<br />

Oberkommandierende Militärs, den Chef des Geheimdienst und die<br />

Gouverneure, den illegalen Holzeinschlag zu bekämpfen.<br />

Entzug der Konzession HPH bei Übertretung der Konzession<br />

Verbietet Einschlag, Weiterverarbeitung und Lagerung von Raminholz<br />

nach dem 11.4.2001<br />

26


In keinem der relevanten Rechtsgrundlagen aber, und das ist die Ursache für die mit den<br />

Razzien verbundenen Ungerechtigkeiten, sind die Rechte der indigenen Bevölkerung zur<br />

Nutzung der Naturressourcen auch nur andeutungsweise erwähnt. „Sogar im<br />

Menschenrechtsgesetz 39/1999 (welches bei jeder Polizeiaktion am Herzen zu tragen<br />

wäre) fehlt dieser Aspekt zu den ökonomischen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechten<br />

(WKS-Rechte)“, sagt Pietsauw.<br />

Dabei ist es gerade der illegale Holzeinschlag, der die Möglichkeiten der<br />

Inanspruchnahme der WKS-Rechte erst recht zerstört. Mit dem Verlust des Waldes für<br />

den Export wird der Bevölkerung die ökonomische Grundlage genommen, im Sinne von:<br />

Der Wald ist weg, und das Dorf wird arm. Das traditionelle Adat-System funktioniert schon<br />

lange nicht mehr, und den Kopermas fehlen Geld und Werkzeuge, Wissen und Zugang zu<br />

Information über Marktchancen. Daher ist die Nutzung der Naturressourcen durch die<br />

Kopermas stark eingeschränkt, weshalb sie so leicht in die Fänge der Holzmafia geraten.<br />

„Der Zustand ist Besorgnis erregend!“ sagt Pietsauw.<br />

Daher setzen einige NGOs auf Alternativen für die ländliche Bevölkerung. Mit diesen soll<br />

die wirtschaftliche Kraft der indigenen <strong>Papua</strong> gestärkt werden, unter Erhalt der<br />

Lebensgrundlagen. Die Hoffnung ist, dass die Leute Geld verdienen können, ohne ihren<br />

Wald an Holzeinschlagsunternehmen zu verscherbeln. Eines der Modelle ist das so<br />

genannte community logging. Es gibt mehrere Modellprojekte, drei davon von<br />

Greenpeace, aber den Menschen ist oft nicht klar, was der Unterschied zu den Kopermas<br />

sind. Die zweite Alternative heißt KUBE, Koperasi usaha bersama,das sind<br />

Dorfgemeinschaftsprojekte für ländliche Entwicklung. Die Erfahrungen mit KUBE in acht<br />

Dörfern sind zwar vielversprechend, da sie zur Dorfentwicklung beitragen und besonders<br />

die Frauen beteiligt sind. Fragt man die Leute aber, was sie von den Alternativen<br />

halten:“Bisa juga tidak; tidak juga bisa” – es klappt nicht wirklich, und ohne gehts auch.<br />

Quelle: Watch Indonesia, SUARA 2/<strong>2008</strong><br />

***<br />

Empfehlungen von Jasoil<br />

‣ Anerkennung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen (WKS) Rechte<br />

‣ Gesetzliche Regelung zur Nutzung von Naturressourcen für die Bevölkerung<br />

‣ Gesetzliche Regelung zur Nutzung von Holz und zum community based forest<br />

management<br />

‣ Implementierung der Sonderautonomie auf Dorfebene<br />

‣ Partizipatorische Gestaltung der gesetzlichen Regelungen im Forstwesen<br />

‣ Neues Gesetz zu Planung, Durchführung und Kontrolle des Holzeinschlags<br />

‣ Genaue Abgrenzung der Kompetenzen, Funktionen und Verantwortungen bei der<br />

Verfolgung von Forstverbrechen.<br />

27


Indonesisches Militär überwacht Baptistenkirche<br />

von Socratez Sofyan Yoman<br />

(President of the Fellowships of <strong>West</strong> <strong>Papua</strong>n Baptist Churches)<br />

29. Mai <strong>2008</strong>. Das Evangelisationsreferat der <strong>West</strong> <strong>Papua</strong>n Baptist Churche<br />

(Baptistenkirche Tanach <strong>Papua</strong>s) führte zwischen dem 18. April und dem 19. Mai <strong>2008</strong><br />

eine Visitation in den Gemeinden des Hochlandes von <strong>Papua</strong> durch. Bei den Besuchen<br />

wurde ein Dokumentarfilm über die Geschichte der Baptistenkirche Tanah <strong>Papua</strong>s gezeigt.<br />

Während ihrer Reise wurden die Leiter der Baptistenkirche von Angehörigen des<br />

indonesischen Militärs und Spezialkräften (Kopassus) überwacht und verhört.<br />

Am 18. April <strong>2008</strong>, kam ein indonesischer Geheimdienstbeamter zum Flugunternehmen<br />

der Mission MAF (Mission Aviation Fellowships) in Wamena, um die Abreise der<br />

Kirchenführer nach Kuyuwagi zu kontrollieren.<br />

Am 26. April <strong>2008</strong>, wurden die Kirchenführer von vier Militärangehörigen des Batallions<br />

765 Wamena, die im Dorf Tiom stationiert waren, befragt. Die Fragen lauteten: Woher<br />

kommen Sie Was ist der Zweck Ihrer Anwesenheit hier Wer hat angeordnet, den<br />

Dokumentarfilm über die Geschichte der <strong>West</strong> <strong>Papua</strong>n Baptist Church zu zeigen<br />

Am 30. April <strong>2008</strong> stellten drei Militärangehörige des selben Batallions, stationiert im Dorf<br />

Pirime, die gleichen Fragen. Diese Fragen sind lächerlich: Die Kirche in Tanah <strong>Papua</strong><br />

existiert seit dem 5. Februar 1855 – lange bevor die indonesische Regierung am 1. Mai<br />

1963 mit der Annektierung <strong>Papua</strong>s begann.<br />

Am 15. Mai kamen Militärangehörige aus dem Dorf Yikonime (Yikone Distrikt, an der<br />

Grenze zwischen Puncak Jaya und Tolikara Regency) in den Bezirk Kanggime und sagten<br />

den Kirchenführern, sie suchten Kühe. Mit „Kühen“ meinte sie allerdings die Menschen in<br />

Kangime, denn Rinder gibt es dort nicht – die Einwohner dort halten nur Schweine. Es ist<br />

nicht ethisch vertretbar, dass das indonesische Militär die <strong>Papua</strong> als “Kühe” beschimpfte,<br />

als sie nach Widerstandskämpfern der OPM suchten.<br />

Im Distrikt Ilu fragten Spezialkräfte die Kirchenführer erneut, woher sie kämen und was sie<br />

hier wollen. Es wurden Militärposten überall in den Dörfern Tingginambut, Guragi und im<br />

Irinmuli-Gebirge stationiert, obwohl die Dörfer sehr nah beieinander liegen.<br />

Am 18. Mai <strong>2008</strong> machten in Mulia, der Hauptstadt von Puncak Jaya, indonesische<br />

Militärangehörige Fotos von den Kirchenführer und stellten unter sehr strengen<br />

Sicherheitskontrollen die folgenden Fragen: Woher kommen Sie Warum beten in Ihrer<br />

Kirche so viele Menschen Warum haben Sie in der Kirche einen Dokumentarfilm gezeigt<br />

Was wollten Sie damit erreichen<br />

28


Durch diesen Bericht wird klar, wie die indonesische Regierung und das indonesische<br />

Militär die religiösen Rechte und die Meinungsfreiheit der Kirchenführer in <strong>Papua</strong><br />

unterdrückt. Es gibt keine Freiheit, weil die indonesische Regierung und das Militär ein<br />

Klima der Angst schaffen. Die Situation ist kritisch und die Zukunft der Kirchen in<br />

Menschen in Tanah <strong>Papua</strong> wird immer unsicherer.<br />

<strong>West</strong> <strong>Papua</strong> im UN-Menschenrechtsrat<br />

Der UPR-Prozess zu Indonesien, Philippinen und Sri Lanka<br />

von Dr. Theodor Rathgeber, Juli <strong>2008</strong><br />

I. Das UPR-Verfahren<br />

Das UPR-Verfahren (Universal Periodic Review) beim UN-Menschenrechtsrat (MRR)<br />

überprüft im Zeitraum von vier Jahren alle Mitgliedsstaaten der UNO explizit ein Mal auf<br />

die Lage der Menschenrechte. Damit sollen die vielgescholtene Selektivität und die<br />

doppelten Standards bei der Bewertung von Menschenrechten gegenüber sonst nur<br />

wenigen Ländern in gewissem Maße überwunden werden. Der MRR tagt dazu in Form<br />

einer Arbeitsgruppe drei Mal pro Jahr je zwei Wochen und untersucht dabei pro Jahr 48<br />

Staaten.<br />

Das UPR-Verfahren ist als staatenorientierter, auf Kooperation zielender Prozess<br />

ausgelegt, der möglichst im Konsens erfolgt und die Kooperation des überprüften Landes<br />

anstrebt. Die im Abschussbericht ausgesprochenen Empfehlungen an den jeweiligen Staat<br />

sind rechtlich nicht bindend. Die Staaten ihrerseits verstehen das UPR-Verfahren primär<br />

als Hilfe, Mängel zu beseitigen und sollte nicht als Anklagebank dienen.<br />

Kriterien der Überprüfung und Auswertung sind die Charta der Vereinten Nationen,<br />

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die internationalen Verträge (z.B. Zivil- und<br />

Sozialpakt) sowie die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Vertragsorgane, die<br />

Versprechungen im Rahmen der Kandidatur für den MRR (pledges) und andere freiwillige<br />

Verpflichtungen in Sachen Menschenrechte (etwa auf UN-Konferenzen) sowie das<br />

humanitäre Völkerrecht, soweit es anwendbar ist; etwa in bewaffneten Ländern mit<br />

Konflikten.<br />

Die Arbeitsgruppe zur UPR besteht aus den 47 Mitgliedsstaaten des MRR, den Vorsitz<br />

führt der Ratspräsident. Per Los und alphabetischem Auswahlverfahren werden jedem zu<br />

überprüfenden Land drei Staaten als Berichterstatter zugewählt, die jeweils aus einer der<br />

Regionalgruppen stammen (Troika). Die Arbeitsgruppe geht im Stil einer Anhörung bzw.<br />

eines interaktiven Dialogs vonstatten; drei Stunden pro Land.<br />

Die Sitzungen der Arbeitsgruppe sind öffentlich, NGOs haben aber kein Rederecht,<br />

sondern müssen sich auf parallele Veranstaltungen in der Pause beschränken. Grundlage<br />

der Anhörung werden der schriftliche (20 Seiten) und mündliche Staatenbericht sowie die<br />

Empfehlungen der UN-Vertragsorgane und die Parallelberichte der zivilgesellschaftlichen<br />

Gruppen sein, jeweils zusammengefasst durch das UN-Hochkommissariat für<br />

Menschenrechte (je 10 Seiten). Die Staaten sind gehalten, ihrem Staatenbericht einen<br />

breiten Konsultationsprozess mit der nationalen Zivilgesellschaft vorausgehen zu lassen<br />

und die Ergebnisse dieser Konsultation zu berücksichtigen.<br />

29


Als Ergebnis der Anhörung in der Arbeitsgruppe gibt es einen Bericht, der zur endgültigen<br />

Befassung und Verabschiedung an die nächste, der UPR folgenden, regulären Sitzung<br />

des MRR überwiesen wird. In dieser letzten, einstündigen Runde haben auch NGOs<br />

Rederecht.<br />

Im April und Mai <strong>2008</strong> wurden die ersten 32 Staaten überprüft, im Dezember folgen die<br />

restlichen 16 Länder für dieses Jahr. Unter den überprüften Ländern befanden sich die<br />

Philippinen, Indonesien und Sri Lanka. Alle drei Regierungen attestierten sich ernsthaftes<br />

Bemühen beim Schutz und bei der Förderung der Menschenrechte, Defizite wurden in der<br />

Regel äußeren Umständen, Aufstandsbewegungen, der schieren Größe des Landes<br />

(Indonesien), fehlendem Humankapital, Börsenspekulation mit Nahrungsmitteln,<br />

Klimawandel u.a.m. zugeordnet, oder Vorhaltungen zur Verwicklung staatlicher Organe in<br />

Menschenrechtsverletzungen heruntergespielt oder als faktisch falsch geleugnet.<br />

In allen drei Ländern stellten externe Beobachter hingegen gravierende Probleme vor<br />

allem in den folgenden Bereichen fest: extralegale Tötungen, strafrechtliche Ahndung von<br />

Folter, Achtung der Menschenrechte bei Anti-Terror/Aufstands-Maßnahmen,<br />

Menschenhandel, die fehlende Ratifizierung von Menschenrechtskonventionen, ein hohes<br />

Maß an Straflosigkeit vor allem bei verdächtigen Angehörigen der Sicherheitsorgane, nicht<br />

funktionsfähige bzw. Unabhängigkeit der Justiz, fehlender Schutz für Opfer von<br />

Gewalttaten und Zeugen, eingeschränkte Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Armut,<br />

Migration, fehlendes unabhängiges, internationales Monitoring der Menschenrechtslage.<br />

Staaten mit ähnlichen Problemen (China, Algerien, Qatar, Thailand, Tunesien, Pakistan,<br />

Bahrain, Kuba, Syrien) neigten in der Regel zum Lob für die Regierung in Sachen<br />

Kooperation mit dem MRR, Offenheit in der Darstellung der Probleme und dem politischen<br />

Willen, die zivilgesellschaftlichen Akteure in den UPR-Prozess einbezogen zu haben bzw.<br />

bei der Umsetzung der Empfehlungen mit zu beteiligen. Wie üblich äußerten nichtstaatliche<br />

Akteure die profundeste und in aller Regel die realitätsgerechteste Kritik an den<br />

Zuständen in den jeweiligen Ländern.<br />

Um das gegenseitige Schulterklopfen einzudämmen, engagierte sich die VEM bei den<br />

ersten beiden UPR-Runden und unterstützte Lobby-Aktivitäten von Partnerorganisationen<br />

in Genf. Die Lobby-Bemühungen setzten bereits im März <strong>2008</strong> bei der 7. regulären<br />

Sitzung des MRR ein und wurden durch Delegierte sowie Berater während des UPR-<br />

Verfahrens ergänzt. Im Lobbying wurden vor allem westliche und lateinamerikanische<br />

Staaten und wenige Staaten aus Asien (Südkorea und Japan) angesprochen. Die meisten<br />

Regierungsdelegationen zeigten sich offen und an den Fragen bzw. Empfehlungen von<br />

NGO-Seite interessiert. Die meisten hielten sich bedeckt, was konkrete Zusagen anging.<br />

Im Ergebnis wurden jedoch alle wesentlichen Themen und Empfehlungen im interaktiven<br />

Dialog der Arbeitsgruppe angesprochen, z.T. sogar mit kritischem Unterton.<br />

Alle zu überprüfenden Staaten zeigten sich gegen Kritik empfindlich, die ihnen Versagen<br />

oder ungenügende Aktivitäten in Sachen Menschenrechten attestiert. Bemerkenswert war<br />

darüber hinaus das Verhalten Indonesiens zum Thema <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong>. Die<br />

Regierungsdelegation setzte viele Hebel in Bewegung, um allein den Begriff <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong><br />

aus dem Abschlussdokument heraus zu katapultieren. Ebenso sind Gesprächspartner der<br />

indonesischen Botschaft in Genf bei <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong> sehr schmallippig geworden; als ob<br />

<strong>West</strong>-<strong>Papua</strong> eine Art Tabu geworden wäre. Der VEM ist zu empfehlen, die Lobby-Arbeit<br />

zu <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong> in Genf zu verstärken.<br />

Die weitere Unterstützung der VEM-Partnerorganisationen in allen drei genannten Ländern<br />

ist auch in der Phase der Umsetzung der Empfehlungen wichtig. Alle Regierungen haben<br />

zugesagt, die Zivilgesellschaft in die Umsetzung mit einzubeziehen. Es geht u.a. darum,<br />

die Zusagen der Staaten an den MRR aus der Sicht der NGOs zu operationalisieren und<br />

die (Nicht-) Umsetzung zu belegen. In Sri Lanka ist etwa der Fokus auf die Wirksamkeit<br />

nationaler Menschenrechtseinrichtungen zu richten, da diese das Hauptargument der<br />

Regierung darstellten, um unabhängige, internationale Monitoring-Mechanismen (z.B.<br />

OHCHR) außen vor zu lassen. Bei den Philippinen empfiehlt sich, die Arbeit der<br />

30


Menschenrechtsbüros bei Polizei und Militär auszuwerten und gute Dokumentationen zur<br />

Straffreiheit von Tätern aus dem Kreis der Sicherheitsorgane in die Öffentlichkeit zu<br />

bringen. Die VEM sollte die Staaten und Regierungen mit der Umsetzung der<br />

Empfehlungen zur Verbesserung der Menschenrechtslage nicht allein hantieren lassen.<br />

II. Beobachtung des UPR-Prozesses zu Indonesien/<strong>West</strong>-<strong>Papua</strong>,<br />

den Philippinen und Sri Lanka<br />

Indonesien / <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong><br />

Zur Anhörung im April <strong>2008</strong> hatte die Regierungsdelegation zwei Vertreter aus <strong>West</strong>-<br />

<strong>Papua</strong> mitgebracht: den Leiter des Rechtsbüros zu <strong>Papua</strong> und den Polizeichef aus <strong>West</strong>-<br />

<strong>Papua</strong>. Die Delegation gestand zu, dass die nationale Gesetzgebung noch Änderungen<br />

benötigt, um dem internationalen Menschenrechtsstandard zu entsprechen. Dazu werde<br />

internationale Unterstützung benötigt. Als positives Ergebnis bisherigen<br />

Regierungshandelns wurden die freien Wahlen, die Ratifizierung mehrerer<br />

Menschenrechtskonventionen, die Zusammenarbeit mit den Sonderverfahren, das Recht<br />

auf Akteneinsicht sowie die Trainings für Beamte im Justiz- und Polizeiwesen dargestellt.<br />

Von den Staaten benannte Themen war vor allem: Frauen- und Kinderrechte,<br />

Menschenhandel, Menschenrechtsverletzungen in <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong>, Osttimor, Unabhängigkeit<br />

der Justiz, strafrechtliche Ahndung von Folter, Todesstrafe, Meinungsfreiheit,<br />

Menschenrechtsverteidiger, nationale Menschenrechtseinrichtungen, UN-<br />

Sonderverfahren, Migration, Armut.<br />

Die ausgesprochenen Empfehlungen umfassten: Menschenhandel, Rücknahme der<br />

Vorbehalte bei der Kinderrechtskonvention, Dialog mit den Sonderverfahren,<br />

Menschenrechtstraining, Ratifizierung des Rom-Statuts des ICC, des Zusatzprotokolls der<br />

Kinderrechtskonvention zu Kindern in bewaffneten Konflikten sowie des Zusatzprotokolls<br />

zu Kinder-Handel, Prostitution und Pornographie, des Zusatzprotokolls der Antifolter-<br />

Konvention sowie der Konvention gegen das Verschwindenlassen, Beteiligung der<br />

Zivilgesellschaft, Beendigung der Straffreiheit, die strafrechtliche Ahndung von Folter,<br />

Kompetenzbildung mit besonderem Fokus auf Projekte mit Frauen und Kindern.<br />

Empfehlungen zu Ahmadiyah und ständige Einladungen an die Sonderverfahren wurden<br />

zwar nicht ausdrücklich abgelehnt aber der weiteren Beratung vorbehalten.<br />

Im interaktiven Dialog in der regulären Sitzung des MRR im Juni verwies die<br />

Regierungsdelegation Indonesiens nochmals auf die geographische Ausdehnung des<br />

Landes als begrenzenden Faktor für Regierungshandeln und die begrenzten Kapazitäten<br />

bei den Humanressourcen. Immerhin gebe es einen nationalen Aktionsplan mit 436<br />

Umsetzungsausschüssen. In die Umsetzung des Plans seien auch zivilgesellschaftliche<br />

Akteure eingebunden. Die Delegation bedankte sich für die internationale Unterstützung<br />

beim Training der Polizei; u.a. zum Bereich Menschenhandel. Die Regierung betonte, dass<br />

sie mittlerweile 11 Mandatsträger der Sonderverfahren im Land hatte. In Bezug auf die<br />

Todesstrafe habe das Oberste Gericht des Landes festgestellt, dass diese<br />

verfassungsgemäß ist. In der Anzeige von Menschenrechtsverletzungen spiele die<br />

nationale Menschenrechtskommission eine wichtige Rolle. Die Regierung entwickle<br />

außerdem einen Kodex, um Folter entsprechend der Antifolger-Konvention zu ächten. Die<br />

Regierung verpflichtete sich freiwillig, die Zivilgesellschaft und nationale<br />

Menschenrechtseinrichtungen in den UPR-Prozess bis zur nächsten Überprüfung<br />

einzubeziehen (wie, sagte sie nicht).<br />

In Bezug auf Ahmadiyah stellte die Delegation fest, dass in Indonesien Religionsfreiheit<br />

herrsche, Ahmadiyah-Gruppen jedoch in einigen Gemeinschaften Spannungen<br />

hervorgerufen hätten. Hetzer und Angreifer würden von den Sicherheitsorganen verfolgt<br />

und vor Gericht gebracht. Indonesien würde diese religiöse Gruppe nicht verbieten, aber<br />

ihre Angehörigen auffordern, von aggressiver Werbung Abstand zu nehmen und Recht<br />

31


und Gesetz zu achten. Das entsprechende Dekret richte sich nicht gegen die<br />

Religionsfreiheit sondern sei zur Aufrechterhaltung von Recht und öffentlicher Ordnung<br />

bestimmt.<br />

Alle Staaten (Algerien, Tunesien, Qatar, Pakistan, Bahrain, Kuba, Syrien, Aserbeidschan)<br />

lobten Indonesien für die Zusammenarbeit mit dem MRR, die Bereitschaft, die Mehrzahl<br />

der Empfehlungen zu akzeptieren und die besonderen Verdienste im Bereich Training,<br />

Frauen- und Kinderrechte sowie bei Ausbildung und Beschäftigung. Einige ermunterten<br />

die Regierung, dass vor allem Beamte im Justiz- und Polizeibereich weitere Trainings in<br />

Sachen Menschenrechte erhalten.<br />

Die nationale Menschenrechtskommission widersprach der Einschätzung der Regierung,<br />

was Unabhängigkeit von Komnas Ham und ihre aktive Rolle betrifft und verwies auf die<br />

kritischen Anmerkungen dazu durch die UN-Ausschüsse zur Kinderrechts- und zur<br />

Antirassismus-Konvention. Franciscans International, International NGO Forum on<br />

Indonesian Development und Asian Legal Resource Centre hakten nach, dass es den<br />

Versuch gegeben hatte, allein die Nennung <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong> aus dem Bericht der Working<br />

Group heraus zu nehmen. In diese Region müssten mehrere Mandatsträger der<br />

Sonderverfahren eingeladen werden (u.a. ai). AI mahnte ebenso Meinungs- und<br />

Versammlungsfreiheit in <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong> und den Molukken an. Mehrere NGOs forderten die<br />

Regierung auf, Folter strafrechtlich zu ahnden, das Zusatzprotokoll zur Antifolter-<br />

Konvention zu ratifizieren. Beklagt wurde, dass die Regierung keinen Zeitrahmen zur<br />

Umsetzung erstellt und sich auf Pläne und Absichten kapriziert habe. Die Verantwortlichen<br />

für die Menschenrechtsverletzungen in Osttimor müssten zur Verantwortung gezogen<br />

werden.<br />

Die Indonesian NGO-Coalition wies darauf hin, dass Demokratisierung und<br />

Dezentralisierung bislang lediglich zur Ausformung neuer lokaler Eliten geführt habe, die<br />

sich große Hindernisse bei der Umsetzung der Menschenrechte erwiesen hätten. Trotz<br />

Regierungsprogrammen habe sich die Zahl der in extremer Armut Lebenden erhöht. Die<br />

NGO-Coalition beklagte das Dekret gegen die Ahmadiyah, was gegen die Verfassung und<br />

den Zivilpakt verstoße.<br />

Philippinen<br />

In der Anhörung im April <strong>2008</strong> verwies die Regierungsdelegation zwar auf zwei<br />

Konsultationen, einmal mit Regierungseinrichtungen und einmal mit zivilgesellschaftlichen<br />

Akteuren. Die in Genf anwesenden NGOs wiesen jedoch darauf hin, dass die von der<br />

Regierung beschriebene Zusammenarbeit in Wirklichkeit kaum existiert. Die Regierung<br />

hob in der mündlichen Darlegung u.a. auf die Einhaltung der sieben<br />

Menschenrechtsstandards und die Schaffung einer unabhängigen nationalen<br />

Menschenrechtskommission sowie anderer Institutionen zum Schutz der Menschenrechte<br />

ab. Die Regierung fühle sich der guten Regierungsführung sowie einer auf Rechten<br />

basierenden Entwicklung verpflichtet.<br />

Mehrere Staaten (aus Asien) lobten die Aktivitäten der Regierung vor allem gegenüber<br />

dem Problem der extralegalen Tötungen und der Aussetzung der Todesstrafe sowie die<br />

führende Rolle der Philippinen beim Thema Migration. Hauptsächlich (auch kritisch<br />

angesprochen) wurden: extralegale Tötungen, Folter, Menschenhandel, Migration,<br />

Frauengleichstellung, Kinder, indigene Völker, die Ratifizierung weitere Konventionen und<br />

die Einhaltung der Berichtspflicht, ständige Einladung an die Sonderverfahren.<br />

Die ausgesprochenen Empfehlungen umfassten: mehrere Aspekte zu einem Gender-<br />

Ansatz und Frauengleichstellung, Training für die Sicherheitskräfte in Sachen<br />

Menschenrechte und Menschenrechtsverteidigern, rasche Einladung des<br />

Sonderberichterstatters zu Menschenrechten und Terrorismusbekämpfung, Ratifizierung<br />

des Zusatzprotokolls gegen Folter sowie der Konvention gegen das Verschwindenlassen,<br />

regelmäßige Berichte an den Antifolger-Ausschuss, Beendigung und Strafverfolgung bei<br />

32


extralegalen Tötungen, Folter und erzwungenes Verschwinden, Kinderschutz im<br />

Mutterleib, Kinderrechte, rechtliche Einklagbarkeit von WSK-Rechten,<br />

Zeugenschutzprogramm, Beteiligung der Zivilgesellschaft, Menschenhandel,<br />

Armutsbekämpfung, ständige Einladung an Sonderverfahren, Aufnahme der<br />

Empfehlungen der Vertragsorgane und Sonderverfahren in den zweiten nationalen<br />

Aktionsplan, Anpassung der nationalen Gesetze an die Kinderrechts- und<br />

Frauenrechtskonvention.<br />

Im interaktiven Dialog in der regulären Sitzung des MRR im Juni führte die<br />

Regierungsdelegation aus, dass sie nach und nach ihre Gesetzgebung an die<br />

Menschenrechtsstandards anpasse. Die philippinische Gesellschaft würde die Regierung<br />

dabei kritisch beobachten, und die heimische Presse gehöre zu den freiesten der Welt.<br />

Schwerpunkte bilden u.a. Maßnahmen gegen extralegale Tötungen, die Gewalt gegen<br />

Frauen sowie Menschenhandel. Die Regierung sei weder in extralegale Tötungen noch in<br />

Folter verwickelt. Folter sei verboten und im Strafgesetzbuch als Verbrechen geahndet.<br />

Eine freiwillige Verpflichtung gehe die Regierung beim Gender-Ansatz bei<br />

Menschenrechten ein. Ein entsprechender Ausschuss existiere beim Obersten<br />

Gerichtshof. In Bezug auf extralegale Tötungen würden Mitglieder der Sicherheitsorgane<br />

in Sachen Menschenrechte trainiert und auf ihre Verantwortung hingewiesen,<br />

Menschenrechtsverteidiger zu schützen. Bei Polizei und Militär gebe es jetzt<br />

Menschenrechtsbüros. Die Regierung sei daran interessiert, die Erfahrungen anderer<br />

Länder bei der Umsetzung der WSK-Rechte, insbesondere der Arbeitsrechte kennen zu<br />

lernen. Die Regierungspolitik gerade bei den WSK-Rechten werde von hohen<br />

Lebensmittelpreisen und den Folgen des Klimawandels bedroht. Die<br />

Regierungsdelegation versprach, die Zivilgesellschaft am Follow-up-Prozess zu beteiligen.<br />

In Bezug auf Empfehlungen zur Ratifizierung der Konvention gegen das<br />

Verschwindenlassen (§ 58, Nr. 4), Vatikan und Kindeswohl (Nr. 7), die Umsetzung der<br />

Empfehlungen der Vertragsorgane (Nr. 16), Anpassung der nationalen Gesetzgebung an<br />

Kinderrechts- und Frauenrechtskonvention (Nr. 17) bat sich die Regierungsdelegation<br />

weitere Prüfung aus, um die gesetzestechnischen Folgen abklären zu können. Keine der<br />

insgesamt 17 Empfehlungen wurde expressis verbis zurückgewiesen.<br />

Seitens der Staaten meldeten sich China, Algerien, Qatar, Indonesien, Sri Lanka und<br />

Thailand zu Wort und lobten die Regierung, teilweise in ähnlichen Formulierungen, wie<br />

dies die philippinische Botschafterin schon exerziert hatte. Leichte Anstriche von Kritik<br />

kamen von Kanada, das die Philippinen an die Notwendigkeit erinnerte, die Täter bei<br />

extralegalen Tötungen auch tatsächlich zu verfolgen.<br />

Wie üblich äußerten nicht-staatliche Akteure die profundeste Kritik. Die Sprecherin der<br />

Menschenrechtskommission der Philippinen mahnte die Unabhängigkeit der Einrichtung<br />

an und forderte die Regierung auf, drei ausstehende Berufungen zu vollziehen. Die<br />

Sprecherin äußerte Interesse an einem gemeinsamen Projekt mit der<br />

Menschenrechtskommission aus Neuseeland sowie an einer engen Zusammenarbeit mit<br />

den UN-Vertragsorganen. Ein Vertreter des Asian Legal Resource Centre mahnte in<br />

diesem Zusammenhang die Regierung, der Menschenrechtskommission in Fällen<br />

extralegaler Tötungen Untersuchungen vor Ort zu ermöglichen.<br />

Mehrere Frauenrechtsorganisationen forderten die philippinische Regierung auf, die<br />

Empfehlung des Vatikans zum Schutz des ungeborenen Lebens zurückzuweisen. Diese<br />

würde sich gegen internationale Menschenrechtsstandards und die Empfehlungen des<br />

Ausschusses zu Frauenrechten (CEDAW) richten. Mehrere NGOs hoben auf die<br />

Strafverfolgung von Angehörigen der Sicherheitskräfte ab. Im Namen des Weltkirchenrats<br />

bemängelte eine NGO-Vertreterin, dass die Regierung mit keinem Wort auf die<br />

Empfehlungen des Sonderberichterstatters eingegangen war, der u.a. eine Revision des<br />

Programms zur Aufstandsbekämpfung anmahnte; nach Meinung von Philip Alston eine der<br />

Ursachen für fortgesetzte extralegale Tötungen und Verschwindenlassen.<br />

33


Das Centre for Housing Rights and Evictions bemängelte, dass Vertreibungen beim UPR-<br />

Verfahren kaum eine Rolle gespielt haben. Forum Asia empfahl der Regierung, das Rom-<br />

Statut des ICC zu ratifizieren und sich der Rechtsprechung des ICC zu unterwerfen.<br />

Ebenso ausgeklammert blieb in den Antworten der Regierung der Konflikt zwischen<br />

muslimischen Aufständischen und der Armee in Mindanao sowie die Frage der ständigen<br />

Einladung an die Mandatsträger der Sonderverfahren.<br />

Sri Lanka<br />

In der Anhörung im Mai in der Working Group gestand die Regierungsdelegation in Sri<br />

Lanka Probleme zu, verwies jedoch auf einen anstehenden nationalen Aktionsplan zum<br />

Schutz der Menschenrechte. In der Debatte ergriffen 56 Staaten das Wort, 66 hatten sich<br />

gemeldet. Die letzten 10 kamen aus Zeitgründen nicht zu Wort. Diese gaben ihre<br />

Statements schriftlich zu Protokoll. In den mündlichen Stellungnahmen haben einige<br />

Staaten Sri Lanka wie üblich gelobt für Kooperation und Offenheit (Philippinen, Nepal,<br />

Palästina), andere (vor allem westliche Staaten) listeten die Menschenrechtsverletzungen<br />

auf, die in vielen einschlägigen Berichten eine Rolle spielen; und hier nicht wiederholt<br />

werden. Die ausgesprochenen Empfehlungen bezogen sich im wesentlichen auf: die<br />

Einrichtung unabhängiger nationaler Menschenrechtsinstitutionen und eines Aktionsplans;<br />

der Schutz humanitärer Helfer und Menschenrechtsverteidigern; Meinungsfreiheit; die<br />

Achtung der Menschenrechte bei Anti-Terror-Maßnahmen; Zugang zu humanitärer Hilfe;<br />

Kindersoldaten; Kinderrechte; Frauenrechte; extralegale Tötungen; erzwungenes<br />

Verschwindenlassen; Folter; Ausbildung in Haftanstalten; die Ratifizierung des Rom-<br />

Statuts des ICC; Straffreiheit; bewaffnete Gruppen; Minderheiten; internationales<br />

Monitoring; intern Verriebene; Schutz für Opfer von Gewalttaten und Zeugen; Kooperation<br />

mit den Sonderverfahren; Kooperation mit den UN-Vertragsorganen; Kooperation mit der<br />

internationalen Gemeinschaft (v.a. HIV/AIDS, Kompetenzschulung).<br />

Von den Staaten nicht, aber in der NGO-Zusammenfassung angesprochene Themen:<br />

indigene Völker, sexuelle Orientierung, Religionsfreiheit, Frauenrechte u.a. bei der<br />

Familienplanung, Unabhängigkeit der Justiz, Versammlungsfreiheit, Landminen und<br />

Zwangsvertreibungen.<br />

Im interaktiven Dialog in der regulären Sitzung des MRR im Juni betonte die<br />

Regierungsdelegation von Sri Lanka ihre Offenheit, ihre breite Konsultation der<br />

Zivilgesellschaft und ihre Bereitschaft, kritische Punkte zu diskutieren. Die Delegation<br />

beschwerte sich gleichzeitig, dass es Ungleichgewichte in der Anzahl der Empfehlungen<br />

gebe. Sri Lanka habe über 80 solcher Empfehlungen erhalten. Davon habe die Regierung<br />

letztlich <strong>45</strong> akzeptiert, 11 wurden weiterhin überprüft und 26 wurden abgelehnt. Außerdem<br />

sei Sri Lanka 26 weitere freiwillige Verpflichtungen eingegangen.<br />

Die Regierungsdelegation stimmte weitgehend mit den Empfehlungen überein, die sich auf<br />

Maßnahmen gegen Folter, gegen extralegale Hinrichtungen oder Kindersoldaten richteten;<br />

z.B. durch die Karuna-Gruppe. Die Regierungsdelegation betonte außerdem, dass es<br />

keine regierungsnahen Milizen gebe. Die Delegation sagte zu, die Schlussfolgerungen und<br />

Empfehlungen der UN-Vertragsorgane auszuführen. Zur Empfehlung, die Konvention<br />

gegen das Verschwindenlassen und das Zusatzprotokoll zur Anti-Folter-Konvention zu<br />

unterzeichnen, wird noch mehr Zeit benötigt, um die Implikationen für die nationale<br />

Gesetzgebung zu überblicken.<br />

In Bezug auf den Verfassungsrat entsprechend der Verfassung wartet die Regierung auf<br />

Vorschläge des Parlaments, wie dieses Problem gelöst werden kann. Am 06. Juni dieses<br />

Jahres wurde dem Parlament eine Gesetzgebung zum Schutz von Verbrechensopfern und<br />

Zeugen vorgelegt, das am 19. Juni debattiert werden sollte.<br />

Zu den abgelehnten Empfehlungen gehören einige, die die Einrichtung eines Büros des<br />

OHCHR mit einer Monitoring-Funktion vorsehen. Ebenfalls abgelehnt wird die<br />

Empfehlung, den Mandatsträgern der Sonderverfahren eine ständige Einladung<br />

34


auszusprechen. Sri Lanka habe in den letzten Jahren eine Reihe der Sonderverfahren ins<br />

Land gelassen und damit zur Genüge die Bereitschaft demonstriert, mit den<br />

Sonderverfahren zusammen zu arbeiten. Aus den Berichten zu intern Vertriebenen und zu<br />

Folter werde die Regierung konstruktive Schlüsse ziehen.<br />

Zwölf Empfehlungen seien wegen der sprachlichen Formulierung abgelehnt worden. Die<br />

Empfehlungen gaben vor, Sri Lanka habe in den Bereichen noch nichts unternommen,<br />

obwohl dies so nicht stimme. Dies bezieht sich auf Empfehlungen, ‚gegen das Muster<br />

Verschwindenlassen‘ entschieden vorzugehen. Die Regierung bezieht sich in der<br />

Ablehnung auf den Begriff ‚Muster‘, was es in Sri Lanka nicht gebe, sagte aber nichts<br />

weiter zum faktischen Vorgehen gegen das Verschwindenlassen. 6 Empfehlungen seien<br />

von faktisch nicht richtigen Voraussetzungen ausgegangen. Sri Lanka habe außerdem 26<br />

freiwillige Verpflichtungen übernommen, während sich Regierung und Gesellschaft einer<br />

brutalen Terrorwelle der Tamil Tigers gegenübersehe. Sri Lanka erwarte hier<br />

Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft.<br />

Das Ministerium zu Katastrophenmanagement und Menschenrechte werde demnächst<br />

einen nationalen Aktionsplan zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte<br />

vorstellen. In diesem Zusammenhang will die Regierung eng mit UNDP, dem<br />

Menschenrechtsberater des OHCHR und dem UN-Länderteam zusammenarbeiten. Die<br />

nationale Menschenrechtskommission in Sri Lanka werde an diesem Aktionsplan<br />

weitgehend beteiligt. Deren Strategieplan werde in den Aktionsplan integriert. Dazu<br />

kommen Kompetenzbildung, Trainings, Schulungen. Es sollen außerdem Mechanismen<br />

für den follow-up-Prozess zur Umsetzung der Empfehlungen der UN-Vertragsorgane und<br />

der Sonderverfahren entwickelt werden. Ein besonderes Training wird es für die<br />

staatlichen Sicherheitsorgane geben.<br />

<strong>West</strong>liche Staaten wie Schweden, Dänemark und Kanada im Verein mit Japan<br />

bedauerten, dass Sri Lanka nicht alle Empfehlungen akzeptieren wolle, beklagten die<br />

weiterhin hohe Gefahr für unabhängigen Journalismus sowie die Nichtbereitschaft, ein<br />

unabhängiges internationales Monitoring zuzulassen. Andere Staaten, vor allem aus<br />

Asien, begrüßten hingegen die gezeigte Offenheit der Regierung und ihre freiwilligen<br />

Verpflichtungen (Qatar, Indonesien, Bahrain, China). Algerien beklagte die ‚Politisierung‘<br />

der Menschenrechte im Kontext von Sri Lanka.<br />

NGOs stellten eine Verschlechterung der Menschenrechtslage in Sri Lanka fest und<br />

stellten vor allem eine umfassende Straflosigkeit fest. Extralegale Tötungen wiesen eine<br />

alarmierend hohe Rate auf. Auch wurde die Unabhängigkeit der Justiz angezweifelt.<br />

Ebenso wurde übereinstimmend festgestellt, dass die vorhandenen nationalen<br />

Mechanismen zur Überwachung der Menschenrechtslage, einschließlich der nationalen<br />

Menschenrechtskommission nicht ausreichten, ihrer Aufgabe nicht gerecht werden, und<br />

daher sei es unabdingbar, dass es einen internationalen Mechanismus in Form des<br />

OHCHR gebe. Insgesamt wurde bemängelt, dass die Verweigerung der singhalesischen<br />

Regierung gegenüber den Empfehlungen gegen den Geist des UPR der Kooperation<br />

laufe, Rechenschaft und Transparenz gerade bei Themen wie Straffreiheit,<br />

Verschwindenlassen und Schutz von Menschenrechtsverteidigern verhindere.<br />

Im Schlusskommentar wiederholte die Regierungsdelegation ihre Absicht,<br />

Menschenrechtsverletzungen zu verfolgen, Täter zur Verantwortung zu ziehen. Die<br />

internationale Gemeinschaft wurde im Bereich Kompetenzbildung um technische<br />

Unterstützung gebeten. Während europäische Länder eine unabhängige Überprüfung in<br />

Sri Lanka forderten, seien viele nicht bereit, etwa die Fundraising-Bemühungen der<br />

Terroristen in Europa angemessen zu unterbinden. In Bezug auf unabhängigen<br />

Journalismus führte die Delegation aus, dass Pressefreiheit garantiert sei, gleichwohl<br />

müsse die Presse umgekehrt sensibel mit Themen umgehen lernen, die die nationale<br />

Sicherheit berührten.<br />

35


III. Lobby-Arbeit, Auswertung und Schlussfolgerungen für die<br />

VEM-Menschenrechtsarbeit<br />

Lobby-Aktivitäten gab es vor allem zu den Philippinen und zu Indonesien / <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong> in<br />

Zusammenarbeit mit Franciscans International, Geneva for Human Rights, Friedrich-Ebert-<br />

Stiftung (Genf), Indonesian NGO-Coalition und einer Delegation mehrerer NGOs aus den<br />

Philippinen. Zu Sri Lanka beschränkte sich die Arbeit auf interne Konsultationen mit<br />

mehreren singhalesischen und Genfer NGOs. Es ging vor allem um die Frage, wie die<br />

Ablehnung der Regierung gegenüber unabhängigen (internationalen) Monitoring-<br />

Mechanismen am besten aufgebrochen werden könnte. Darüber hinaus war es nicht<br />

leicht, die eingefahrenen Prozedere der singhalesischen NGOs mit eigenen Akzenten zu<br />

ergänzen; was durchaus notwendig ist.<br />

Die Lobby-Bemühungen setzten bereits in der dem UPR-Verfahren vorausgehenden,<br />

regulären MRR-Sitzung im März <strong>2008</strong> ein, was sich als vorteilhaft erwies. Während des<br />

UPR-Verfahrens finden die Regierungsdelegationen kaum die Zeit, sich in einem längeren<br />

Gespräch informieren zu lassen. Es war hingegen günstig, auch während des UPR-<br />

Verfahrens noch Delegierte aus den jeweiligen Ländern zugegen zu haben, um zuvor<br />

angesprochene und sich kooperativ zeigende Regierungsdelegationen knapp mit<br />

neuesten Informationen, Tendenzen und Bewertungen ausstatten zu können.<br />

Im Lobbying im März <strong>2008</strong> wurden vor allem westliche und lateinamerikanische Staaten<br />

und wenige Staaten aus Asien (Südkorea und Japan) angesprochen. Die meisten<br />

Regierungsdelegationen zeigten sich offen und an den Fragen bzw. Empfehlungen von<br />

unserer Seite interessiert. Manche baten um eine schriftlich ausgearbeitete Liste.<br />

Ebenfalls die meisten hielten sich allerdings bedeckt, was konkrete Zusagen anging. Im<br />

Ergebnis wurden jedoch alle wesentlichen Themen und Empfehlungen im interaktiven<br />

Dialog der Working Group angesprochen, z.T. sogar mit kritischem Unterton (z.B.<br />

Deutschland zu <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong>).<br />

Natürlich sind die zu überprüfenden Staaten gegen alle Kritik empfindlich, die ihnen<br />

Versagen oder ungenügende Aktivitäten in Sachen Menschenrechten attestiert.<br />

Besonders bemerkenswert ist m.E. jedoch das Verhalten Indonesiens zum Thema <strong>West</strong>-<br />

<strong>Papua</strong>. Die indonesische Regierungsdelegation setzte viele Hebel in Bewegung, um allein<br />

den Begriff <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong> aus dem Abschlussdokument heraus zu katapultieren. Was zwar<br />

letztlich nicht gelang, aber eine Tendenz offenbart, die dem Autor auch in anderen<br />

Bezügen aufgefallen ist. So sind die Gesprächspartner der indonesischen Botschaft in<br />

Genf bei <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong> sehr schmallippig geworden; als ob es eine Art Tabu geworden<br />

wäre. Auch auf der Konferenz zu Indonesien in Berlin (27.-28.05.<strong>2008</strong>, 10 Jahre<br />

Reformasi) bei der Friedrich-Ebert-Stiftung sprach der – scheidende – Botschafter<br />

Indonesiens dort über vieles (in der Regel oberflächlich), nur nicht über <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong>.<br />

Unter diesem Eindruck empfehle ich, vor allem auf die Lobby-Arbeit zu <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong> in<br />

Genf Zeit und Energie zu verwenden, um sie zu verstärken; was allerdings die<br />

Ausarbeitung guter Dokumente und transparent erhobener Daten zur Voraussetzung hat.<br />

Die VEM ist natürlich in besonderer Weise der GKI in <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong> verbunden. Für die<br />

Lobby-Arbeit in Genf (und Deutschland) sollten jedoch auch andere verlässliche Quellen<br />

nach und nach einbezogen werden. Die Parallelität verschiedener kirchlicher und nichtkirchlicher<br />

Organisationen macht wenig Sinn.<br />

Die weitere Unterstützung der Partnerorganisationen in allen drei hier genannten Ländern<br />

in der Follow-up-Phase ist wichtig. Alle Regierungen haben zugesagt, die Zivilgesellschaft<br />

in die Umsetzung mit einzubeziehen, und die nicht-staatlichen Akteure sollten die<br />

Möglichkeit haben, ihre Vorstellungen und Kriterien dazu zu entwickeln, in die<br />

Öffentlichkeit zu tragen und nicht zuletzt immer wieder in Genf dem MRR gegenüber kund<br />

zu tun. Allgemein geht es darum, die Zusagen gerade auch aus der Sicht der NGOs zu<br />

operationalisieren und die (Nicht-) Umsetzung zu belegen.<br />

36


In Sri Lanka ist darüber hinaus ein Fokus auf die (Nicht-) Wirksamkeit nationaler<br />

Menschenrechtseinrichtungen zu richten, da diese das Hauptargument der Regierung<br />

darstellen, um unabhängige, internationale Monitoring-Mechanismen (z.B. OHCHR) außen<br />

vor zu lassen.<br />

In Indonesien ist im Follow-up-Prozess neben dem Fokus auf <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong> eine enge<br />

Zusammenarbeit mit Komnas Ham anzustreben, eventuell auch ein gemeinsames Projekt<br />

in <strong>West</strong>-<strong>Papua</strong> auszuarbeiten und durchzuführen. Zu überprüfen im Follow-up wäre auch<br />

die Arbeit der 436 Umsetzungsausschüsse im nationalen Aktionsplan.<br />

Zu den Philippinen empfiehlt es sich, neben der zugesagten Beteiligung an der Umsetzung<br />

vor allem die Arbeit der Menschenrechtsbüros bei Polizei und Militär auszuwerten, gute<br />

Dokumentationen zur Straffreiheit von Tätern aus dem Kreis der Sicherheitsorgane in die<br />

Öffentlichkeit zu bringen, die Empfehlungen des Sonderberichterstatters Alston<br />

(extralegale Tötungen) vorrangig einzufordern bzw. deren Umsetzung zu untersuchen und<br />

die Arbeit der nationalen Menschenrechtskommission zu beobachten; eventuell eine<br />

Kooperation mit dem DIMR lancieren, soweit beide Seiten Interesse haben.<br />

„Wir sind mit verantwortlich“<br />

Der <strong>West</strong>fälische Präses Buß setzt sich für den Erlass illegitimer Schulden Indonesiens ein<br />

Schulden sind Schulden und Kredite müssen zurückgezahlt werden, das entspricht dem<br />

allgemeinen Rechtsempfinden, ohne diesen Grundsatz würde das Wirtschaftsleben nicht<br />

funktionieren. Doch was wäre, wenn ein Verbrecher einen Kredit aufnimmt, mit dem er<br />

einen Kellerraum ausbaut, in dem er dann seine Tochter gefangen hält und missbraucht<br />

Die Bank wüsste von seinen Plänen und würde ihm das Geld trotzdem geben. Was ist,<br />

wenn der Mann dann stirbt und die Tochter als Opfer auf dem Kredit säße, der ihr Leiden<br />

erst möglich gemacht hat<br />

Zugegeben, ein konstruierter Fall, der aber deutlich macht, dass es<br />

verabscheuungswürdige Kredite gibt, die illegitim sind, die nicht zurückgefordert werden<br />

dürfen. Im Völkerrecht , wo es um Kredite zwischen Staaten geht, heißen sie „odious<br />

debts“. Folgende Kriterien müssen dafür erfüllt sein:<br />

1. Die Kredite wurden ohne Zustimmung der Bevölkerung gegeben<br />

2. Sie dienen nicht dem Interesse der Bevölkerung, sondern schaden ihr<br />

3. Dem Gläubiger ist beides bekannt<br />

In der Geschichte gibt es viele Beispiele für solche verabscheuungswürdigen Kredite an<br />

Diktatoren, z.B. an Mobutu (Zaire), Marcos (Philippinen) oder an das Apartheidsregime in<br />

Südafrika. Heute fiele ein Kredit für Zimbabwes Staatschef Mugabe mit Sicherheit unter<br />

diese Kategorie.<br />

Seit vielen Jahren setzt sich die <strong>West</strong>fälische Kirche zusammen mit der Kampagne<br />

„Erlassjahr.de“ für einen Erlass untragbarer Schulden von Ländern der „Dritten Welt“ ein,<br />

die der Spirale von Schulden, Zins und Zinseszins nicht entkommen können. Einen<br />

besonders schwerwiegenden Fall von „odious debts“ erläuterte der <strong>West</strong>fälische Präses<br />

Buß zusammen mit Vertretern des Evangelischen Entwicklungsdienstes und der<br />

Kampagne „Erlassjahr.de“ auf einer Pressekonferenz in Berlin. Im Jahr 1992 hatte die<br />

Deutsche Bundesregierung 39 Kriegsschiffe an Indonesien verkauft. Das Volumen dieses<br />

Geschäftes betrug 561 Mio DM, inklusive Reparatur, Modernisierung und moderner<br />

37


Ausstattung. Trotz vielfältiger internationaler Proteste gegen ein solches Geschäft mit<br />

einer brutalen Militärdiktatur wurden die Schiffe 1994 nach Indonesien überführt. Obwohl<br />

sie laut Vertrag nur für den Küstenschutz, die Seewegsicherung und die Bekämpfung von<br />

Piraterie und Schmuggel eingesetzt werden durften, wurden sie nachweislich in<br />

bewaffneten inneren Konflikten gebraucht. Dies geschah während der Massaker der<br />

indonesischen Armee in Ost-Timor, während der Vertreibung mehrerer Hunderttausend<br />

Menschen aus molukkischen Dörfern, während der blutigen Niederschlagung von<br />

Demonstrationen in Tanah <strong>Papua</strong> und während des Bürgerkrieges in Aceh.<br />

Prof. Dr. <strong>August</strong> Reinisch,<br />

Völkerrechtler an der Wiener<br />

Universität, stellte in Berlin ein<br />

ausführliches Gutachten vor, in<br />

dem er zu dem Ergebnis kommt,<br />

dass die Schulden Indonesiens<br />

aus diesem Waffengeschäft<br />

„verabscheuungswürdig“ im<br />

Sinne des allgemeinen<br />

Völkerrechtes sind und deshalb<br />

von Deutschland nicht<br />

zurückgefordert werden können.<br />

Foto: Rolf Walter / Robert-Havemann-Gesellschaft<br />

Reinisch stellt klar die Mitverantwortung der damaligen Bundesregierung heraus: „Der<br />

Charakter der Militärregierung Suhartos in Indonesien und ihre Bereitschaft Mittel,<br />

insbesondere militärischer Natur, auch gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung<br />

einzusetzen, musste der Bundesrepublik Deutschland bekannt gewesen sein. Dies folgt<br />

aus den notorischen Menschenrechtsverletzungen des Suharto-Regimes“. Deshalb soll<br />

die Bundesregierung auf die Rückzahlung der Schulden aus diesem Geschäft verzichten,<br />

damit die indonesische Bevölkerung nicht „die Kugeln, mit denen auf sie geschossen wird,<br />

selbst bezahlen“ muss, so Präses Buß. Die freiwerdenden Gelder sollen überprüfbar<br />

Opfern von Menschenrechtsverletzungen zugute kommen.<br />

Dass eine Regierung auch anders handeln kann, zeigt das Beispiel Norwegens, das<br />

Forderungen an fünf Länder unter Verweis auf seine Mitverantwortung als Gläubiger<br />

vollständig gestrichen hat. Um Bewegung in die deutsche Politik zu bringen, fordert die<br />

Kampagne „Erlassjahr.de“ Parlamentarier auf, sich des Themas „verabscheuungswürdige<br />

Schulden“ anzunehmen und sich für die Erstellung von Richtlinien der<br />

Gläubigermitverantwortung bei der Vergabe internationaler Kredite einzusetzen. Ziel<br />

dieser Initiative ist es, eine Wiederholung der verfehlten Kreditvergabe an Diktatoren zu<br />

verhindern und so auch einer neuen Schuldenkrise vorzubeugen. Bis jetzt haben schon 24<br />

Mitglieder aller im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien eine diesbezügliche<br />

Erklärung unterzeichnet.<br />

Dietrich Weinbrenner, Pfarrer im Amt für Mission, Ökumene und Kirchliche<br />

Weltverantwortung der EKvW. www.erlassjahr.de<br />

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