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Sie will Betroffenen ein Vorbild sein - Reha-Aktiv Bersenbrück GmbH

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Bersenbrücker Kreisblatt<br />

Ausgabe vom 27. März 2010<br />

Seite 1<br />

Ressort Titelseite<br />

<strong>Sie</strong> <strong>will</strong> <strong>Betroffenen</strong> <strong>ein</strong> <strong>Vorbild</strong> s<strong>ein</strong><br />

Nach <strong>ein</strong>em schlimmen Unfall und <strong>ein</strong>er <strong>Reha</strong> jetzt Studium in<br />

Osnabrück<br />

Das ist ihre Welt: Am Laptop verbringt die Studentin Alexandra<br />

Pohl viel Zeit. Das lohnt sich. In <strong>ein</strong>er ihrer ersten Prüfungen<br />

bekam sie <strong>ein</strong>e 1,7. Foto: Christine Saemann<br />

Von Christine Saemann<br />

Bersenbrück/Osnabrück. <strong>Sie</strong><br />

spricht klar und konzentriert.<br />

Und k<strong>ein</strong> Wort von dem, was<br />

sie sagt, ist wahr. Könnte man<br />

m<strong>ein</strong>en, wenn man auf<br />

Prognosen baut. Alexandra Pohl<br />

hat das nie getan. Nachdem sie<br />

am 5. Juni 2007 bei <strong>ein</strong>em<br />

Verkehrsunfall schwerste<br />

Gehirnverletzungen<br />

davongetragen hatte und ihr<br />

<strong>ein</strong>e überaus traurige Zukunft<br />

vorausgesagt worden war,<br />

schrieb die 21-Jährige das<br />

Drehbuch des Lebens<br />

kurzerhand um. <strong>Sie</strong> wurde<br />

<strong>Reha</strong>bilitandin der <strong>Reha</strong>-<strong>Aktiv</strong><br />

Bersenbrück (HpH). Dort<br />

trainierte sie. So lange, bis ihr<br />

Ziel, das Studium der<br />

Ökotrophologie, greifbar nah<br />

war. Dann tat die<br />

Neuenkirchnerin das<br />

Unfassbare: Nur zwei<strong>ein</strong>halb Jahre nachdem sie mit schwersten neurologischen Verletzungen<br />

aus dem Auto geborgen worden war, saß sie im Hörsaal. Die meisten glauben der lächelnden<br />

jungen Frau nicht. Und ihre Mutter Marion Pohl kann es ihnen kaum verdenken. Überzeugt<br />

benennt die 50-Jährige das, was hier passiert ist: ,,Ein Wunder.“<br />

Alexandra Pohl <strong>will</strong> <strong>ein</strong> <strong>Vorbild</strong> s<strong>ein</strong>: ,,Für diejenigen, denen so etwas passiert und die sich<br />

aufgeben: Wenn sie m<strong>ein</strong>e Geschichte lesen, denken sie vielleicht, ich kann’s schaffen!“ <strong>Sie</strong> war<br />

sich immer sicher, dass sie es schafft. Und ihre naheliegendsten Ziele trugen die verschmitzt<br />

lächelnde junge Frau stets zum nächsten Erfolg: ,,Erst wollte ich aus dem Rollstuhl raus, dann<br />

denRollator loswerden, dann m<strong>ein</strong>e Prüfung für die Ausbildung zur PTA bestehen, das<br />

Praktikumsjahr in der Apotheke absolvieren, die Prüfung mit Zulassung zur Berufstätigkeit in<br />

der Apotheke schaffen und im September 2010 m<strong>ein</strong> Studium beginnen.“<br />

Alles klappte wie geplant. Nur in Sachen Studium gab es <strong>ein</strong>e Abweichung: ,,Es begann schon<br />

<strong>ein</strong> Jahr eher als geplant“, schmunzelt ihre Mutter, die sofort nach dem Unfall sicher s<strong>ein</strong> wollte,<br />

dass alles gut geht. Gestärkt durch diese Haltung, sprach Marion Pohl während der<br />

sechswöchigen Komaphase ständig mit ihrer Tochter, ohne sich dabei um Kommentare zu<br />

scheren. ,,Natürlich versteht sie mich“, antwortete sie verstimmt, als sie den Zweifler hinter<br />

ihrem Rücken hörte. Und gleich tags darauf stand er neben ihr, als Alexandra auf Kommando<br />

den Daumen zum großen Okay hob.<br />

Das war das Zeichen. Jetzt starteten alle durch. Die Familie, die neurologischen Kliniken und die<br />

Teams der <strong>Reha</strong>-<strong>Aktiv</strong> Bersenbrück (<strong>Reha</strong>bilitationszentrum für Menschen mit hirnorganischen<br />

Schädigungen der Heilpädagogischen Hilfe Bersenbrück). ,,Nicht nachlassender Optimismus,<br />

große Zielstrebigkeit und <strong>ein</strong> Ehrgeiz, der alles mit dem gewünschten Erfolg garnierte,<br />

zeichnete die damals 24-Jährige aus“, erinnert sich die Leiterin der <strong>Reha</strong>-<strong>Aktiv</strong> Bersenbrück,<br />

Meike Jürs. Vom 1. April 2008 bis zum 31. Juli 2008 wurde die Neuenkirchnerin auf eigenen<br />

Wunsch vorrangig im kaufmännischen Bereich durch den Berufspädagogen Andreas Meyer bei<br />

den Vorbereitungen zur Abschlussprüfung als PTA unterstützt. Die Steigerung der körperlichen<br />

Belastbarkeit und Ausdauer übernahm dessen Kollegin Frauke Eidecker im Bereich<br />

Hauswirtschaft und Service.<br />

Der Entschluss, Ökotrophologie, also Ernährungswissenschaften, zu studieren, nahm während<br />

des Hauswirtschaftspraktikums in der <strong>Reha</strong>-<strong>Aktiv</strong> Bersenbrück Gestalt an. ,, Es ist <strong>ein</strong> Beruf mit<br />

Zukunft“, antwortete Alexandra ihrem Professor, als er sie wie alle 52 Kandidaten beim<br />

Semesterstart nach ihren Beweggründen fragte. „Manche wussten gar k<strong>ein</strong>e Antwort“, wundert


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sich die junge Frau, die inzwischen in <strong>ein</strong>em kl<strong>ein</strong>en Apartment neben ihrer Fachhochschule in<br />

Haste wohnt. Ihrem Bildungsziel folgen zu können (,,auch wenn ich hierfür bestimmt länger<br />

brauche“) und dabei starken Halt durch ihre Eltern und älteren Schwestern zu erfahren, das gibt<br />

der PTA enorme Kraft. Außerdem ist dieStudentin, die auf dem Weg zu ihrer ersten<br />

Abschlussprüfung verunglückte, sehr dankbar dafür, dass ihre Freundinnen auch während der<br />

schweren Zeit zu ihrhielten: ,,All das half mir dabei, nie den Mut zu verlieren.“<br />

Wenn ihre ausgefallenen Gehstöcke (mit Dr.-House-Flammen und Schachbrett-Muster) sie nicht<br />

mehr genügend stützen können, ist sie inzwischen sogar selbstbewusst genug, sich in <strong>ein</strong>en<br />

Rollstuhl zu setzen. „Das war anfangs wirklich <strong>ein</strong> Problem“, gesteht sie, ,,aber durch die Hilfe<br />

der Osnabrücker Psychologin Christiane Ast sehe ich nun manches anders.“<br />

Zum Beispiel, wenn es um den Besuch der Maiwoche geht. Denkt Alexandra Pohl an ,,dieses<br />

Geschiebe“, weiß sie schon jetzt, dass sie die Massen nur fahrend übersteht. Denn natürlich <strong>will</strong><br />

sie dabei s<strong>ein</strong>. Genauso wie bei diversen Konzerten, die in und um Osnabrück auf dem<br />

Programm stehen. ,,Ganz toll wär’s natürlich, wenn ich <strong>ein</strong>en Freund hätte, mit dem ich mal so<br />

etwas machen könnte“, sagt sie und streicht sich das Haar hinters Ohr. Bis das so weit ist, fährt<br />

sie sich immer wieder gern im „Countdown“ herunter. Oder sie schnuppert in der Gaststätte<br />

„Grand Hotel“ den Duft der großen weiten Welt. Denn hier tobt das Leben – und das wartet auf<br />

sie.

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