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Oktober 2011 - Der Neusser

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06<br />

Titelthema<br />

Genießbarer Abfall<br />

Dass wir eine Wegwerfgesellschaft sind, ist nicht<br />

neu. Dass dies auch Lebensmittel einschließt, ebenfalls<br />

nicht. Dennoch tritt Valentin Thurn derzeit mit<br />

seinem Film „Taste the Waste“ und der Aktion „Tel-<br />

Wir sehen seit Wochen<br />

schreckliche Bilder<br />

im Fernsehen von<br />

hungernden Flüchtigen in Afrika.<br />

Alle 6 Minuten stirbt in Somalia<br />

ein Kind, weil es nichts zu essen<br />

hat. Gleichzeitig zeigt uns Valentin<br />

Thurn, dass wir gedankenlos<br />

Lebensmittel wegschmeißen,<br />

Erzeuger und Verbraucher. Die<br />

Anzahl von Gründen und Leuten,<br />

die auf andere zeigen, ist<br />

ebenso groß an der Zahl wie es<br />

Wegwerfer gibt. Dabei ist das<br />

Problem ein anderes.<br />

80 Kilo Lebensmittel<br />

pro Person<br />

Zu diesem Ergebnis kommt<br />

Thurn nach seinen Recherchen:<br />

Pro Person landen 80 Kilo Nahrungsmittel<br />

auf dem Müll – pro<br />

Jahr. Das ist ein Warenwert von<br />

25 Milliarden Euro und verursacht<br />

mehr Klimagase als alle<br />

Schiffe, Autos, und Flugzeuge<br />

weltweit zusammen. Eine unglaubliche<br />

Menge, die so groß<br />

ist, dass sich das Nachfragen<br />

lohnt: Wie kommen diese 80<br />

Kilo zusammen? Ein Übeltäter<br />

sei das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD), so Thurn. Das wird von<br />

den Herstellern selbst auf die Produktverpackungen gedruckt. Die<br />

Vermutung liegt nahe: Je eher die Ware abgelaufen ist, desto eher<br />

werfen wir Verbraucher das Produkt weg und kaufen neu. Aber: „Für<br />

uns ist ein langes MHD oft sinnvoller als ein kurzes. Dann haben wir<br />

mehr Sicherheit bei der Produktionsplanung, wir können größere<br />

Produktionslose (Anm. der Red.: Mengen) herstellen und können flexibler<br />

auf die Anforderungen des Handels reagieren“, widerspricht<br />

Andrea Lurtz von Nestlé/Thomy Thurns’ Überlegung.<br />

Das Mindesthaltbarkeitsdatum<br />

Die Leiterin der Qualitätssicherung erklärt die Ermittlung eines<br />

MHD.: „Bevor ein neues Produkt auf den Markt kommt, wird unter<br />

kontrollierten Bedingungen der Alterungsprozess beschleunigt, um<br />

festzustellen, wann das Produkt die vorher festgelegten Qualitätseigenschaften,<br />

wie zum Beispiel Konsistenz, Geschmack, Aussehen<br />

und Bekömmlichkeit, verliert. Daraufhin legen wir das MHD fest,<br />

welches in regelmäßigen Abständen überprüft wird.“ Heißt also<br />

für uns Verbraucher: Auch nach dem Ablauf des MHD können Nahrungsmittel<br />

noch genießbar sein. Nur: Mögen wir sie dann noch?<br />

Foto: Jörg Schuster<br />

ler statt Tonne“ eine Lawine los. <strong>Der</strong> Kölner Filmemacher<br />

stellt fest: Rund die Hälfte unserer Lebensmittel<br />

werfen wir weg. Warum?<br />

Lothar Wirtz<br />

Wer würde zum Beispiel grauen<br />

Senf kaufen oder essen?<br />

Krumm und<br />

schrumpelig will keiner<br />

„Also ich probiere die Kühlschrank-Milch,<br />

auch wenn sie<br />

abgelaufen ist. Ist doch nicht<br />

schlimm, das schmeckt man<br />

doch sofort, ob die noch gut ist“,<br />

so Bio-Bauer Heinrich Hannen<br />

vom Lammertzhof in Büttgen.<br />

Damit ist er einer der wenigen.<br />

Was abgelaufen ist, schmeißen<br />

viele unprobiert weg. „Das Problem<br />

ist doch ein ganz anderes:<br />

Lebensmittel werden nicht<br />

mehr geschätzt, weil sie viel zu<br />

billig sind. Von der Gurkenernte<br />

werfen wir mindesten 15 Prozent,<br />

von den Möhren rund 20<br />

Prozent auf den Kompost und<br />

rund 35 Prozent der Kartoffeln<br />

heben wir gar nicht erst auf.“<br />

Warum? Hannen ist für seine<br />

erstklassige Bioware bekannt.<br />

„Sie können ja gerne mal mit<br />

auf den Markt kommen: Was<br />

krumm ist, eine Druckstelle hat,<br />

zu klein, zu groß, zu krumm, zu<br />

was auch immer ist, kaufen die<br />

Leute nicht. Von 100 Blumenkohl verkaufe ich 30.“ Früher, so Hannen<br />

weiter, liefen bis zu hundert Leute zur Kartoffel-Nachlese auf seine<br />

Felder. Heute sind es vielleicht zehn. „Von der Kalorienzahl her kann<br />

der Lammertzhof 1.400 Menschen ernähren. Wenn wir die optisch<br />

minderwertige Ware dazurechnen würden, kämen wir auf locker auf<br />

2.000 Leute.“<br />

Teller statt Tonne<br />

Tja, die Schuldigen sind also zum großen Teil wir, die Verbraucher.<br />

<strong>Der</strong> Handel bietet an, was wir kaufen. Zu jeder Uhrzeit frisches Brot,<br />

gerade und rund gewachsenes Obst und Gemüse, saftig rote Wurst<br />

(die naturbelassen übrigens grau wäre) und anderes. Wir werfen lieber<br />

weg und kaufen neu, als eine krumme Möhre zu schälen, eine<br />

dunkle Stelle an einem Apfel oder einer Kartoffel weg zu schneiden,<br />

obwohl wir sie sowieso schälen. Deshalb hat sich Thurn übrigens<br />

etwas einfallen lassen. Die Aktion „Teller statt Tonne“, die deutschlandweit<br />

Station macht, zeigt, wie man Nahrungsmittel anders als<br />

üblich zu schätzen wissen kann. Am 25.9. war sie auch in Neuss.<br />

Info: Kostenlose Vorführung des Dokumentarfilmes „Taste the Waste“<br />

im Hitch am Mittwoch, 30.11., um 17:30 Uhr.<br />

<strong>Der</strong> <strong>Neusser</strong> 10.<strong>2011</strong>

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