Der Kampf gegen Schmutz und Schimmel - Klosterarchiv Einsiedeln
Der Kampf gegen Schmutz und Schimmel - Klosterarchiv Einsiedeln
Der Kampf gegen Schmutz und Schimmel - Klosterarchiv Einsiedeln
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5 · 2 0 1 0<br />
SALVE<br />
Zeitschrift der benediktinischen<br />
Gemeinschaften <strong>Einsiedeln</strong> <strong>und</strong> Fahr
SA LVE<br />
Zeitschrift der benediktinischen<br />
Gemeinschaften <strong>Einsiedeln</strong> <strong>und</strong> Fahr<br />
2. Jahrgang<br />
Ausgabe 5 · Otkober/November 10<br />
Erscheint 6-mal jährlich<br />
Impressum<br />
Herausgeber/Verlag<br />
Kloster <strong>Einsiedeln</strong><br />
8840 <strong>Einsiedeln</strong><br />
Redaktion<br />
Kloster, 8840 <strong>Einsiedeln</strong><br />
Telefon 055 418 62 92<br />
Fax 055 418 61 12<br />
zeitschrift@kloster-einsiedeln.ch<br />
www.kloster-einsiedeln.ch<br />
Pater Urban Federer OSB<br />
Verantwortlicher Redaktor<br />
Erich Liebi, Redaktor, Stellvertreter<br />
Redaktionelle Mitarbeiter<br />
Susann Bosshard-Kälin<br />
Priorin Irene Gassmann OSB<br />
Pater Alois Kurmann OSB<br />
Peter Lüthi<br />
Pater Joachim Salzgeber OSB<br />
Bruder Gerold Zenoni OSB<br />
Weitere Autoren dieser Ausgabe<br />
Theres von Aarburg<br />
Pater Benedict Arpagaus OSB<br />
Roland Burgener<br />
Frater Thomas Fässler<br />
Lisa Heinzer<br />
Verena Huber-Halter<br />
Pater Hieronymus Krapf OSB<br />
Stephan Maier<br />
Nicole Nussbaumer<br />
Daniel Oberholzer<br />
Schwester Michaela Portmann OSB<br />
Mirjam Sidler<br />
Aaron Steiner<br />
Paul Vettiger<br />
Heinz Wandeler<br />
Schwester Hedwig (Silja) Walter OSB<br />
Schwester Marianne Waltert OSB<br />
Copyright<br />
Das Werk ist urheberrechtlich<br />
geschützt.<br />
ISSN 1662-9868<br />
Leitgedanke 3<br />
Gemeinschaft 4–21<br />
Wallfahrt 22–27<br />
Stiftsschule 28–43<br />
Kloster Fahr 44–59<br />
Kaleidoskop 60–88<br />
Fotos/Illustrationen<br />
Pater Benedict Arpagaus OSB: 40, 41, 42<br />
Herbert Eisenring: 56, 57<br />
Beat Frei: 76, 77, 78, 79<br />
Liliane Géraud: 3, 10, 11, 12, 14, 17, 44, 45, 46, 49,<br />
51, 52, 54, 59, 67<br />
Harry Bruno Greis: 75<br />
Schwester Claudia Jablonka: 68, 69<br />
Franz Kälin jun.: 43<br />
Franz Kälin sen.: 7, 63<br />
<strong>Klosterarchiv</strong>: 1, 5, 6, 8<br />
Andreas Lienert: 36, 37<br />
Linda Lochmann: 19<br />
Stephan Maier: 15<br />
Nicole Nussbaumer: 32, 33<br />
Daniel Oberholzer: 38, 39<br />
Mirjam Sidler: 4, 7<br />
Johannes van der Weijden: 34, 35<br />
Bruder Gerold Zenoni OSB: 23, 65, 71, 73<br />
Titelbild (Andreas Kränzle): Zu Beginn des Reorganisationsprojekts<br />
wurden im Archiv zahlreiche Schäden festgehalten.<br />
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Abos, Adressänderungen, usw.: ea Druck + Verlag AG<br />
Telefon 055 418 82 82 / Fax 055 418 82 85 / info@eadruck.ch<br />
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2
G E M E I N S C H A F T<br />
Reorganisation des <strong>Klosterarchiv</strong>s <strong>Einsiedeln</strong><br />
<strong>Der</strong> <strong>Kampf</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Schmutz</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Schimmel</strong><br />
Die prekäre Situation für viele Archivalien machte vor fünf Jahren das Reorganisa tionsprojekt<br />
notwendig. Inzwischen wurden die beschädigten Pläne, Bücher <strong>und</strong> Urk<strong>und</strong>en<br />
gesichtet <strong>und</strong> es wurden erste Hilfsmassnahmen ergriffen. Die Konservierung<br />
der historischen Pergament- <strong>und</strong> Papierbestände ist eine Aufgabe, die alle Sammlungen<br />
des Klosters umfasst <strong>und</strong> im Zuge der Reorganisation konzipiert <strong>und</strong> durchgeführt<br />
wird.<br />
M<strong>und</strong>schutz <strong>und</strong> Handschuhe gehören eigentlich<br />
nicht zu den Accessoires, die Archivaren<br />
gemeinhin zugeordnet werden. Eher<br />
schon denkt man an eine Hornbrille oder vielleicht<br />
ein Vergrösserungsglas. M<strong>und</strong>schutz<br />
<strong>und</strong> Handschuhe können jedoch im Archiv<br />
durchaus zum Einsatz kommen, wenn beschädigte<br />
Archivalien im Spiel sind. Gerade<br />
<strong>Schimmel</strong>schäden bergen für Archivmitarbei-<br />
ter <strong>und</strong> -benutzer erhebliche ges<strong>und</strong>heitliche<br />
Risiken, denn die <strong>Schimmel</strong>sporen können Infektionen<br />
<strong>und</strong> Entzündungen verursachen.<br />
<strong>Schimmel</strong> <strong>und</strong> Tintenfrass<br />
Die beiden Archivmitarbeiterinnen Monika Rhyner (links) <strong>und</strong><br />
Melanie Wyrsch bei der Arbeit mit einer Urk<strong>und</strong>e mit <strong>Schimmel</strong>schäden<br />
<strong>und</strong> Nagerspuren.<br />
Zusammen mit dem Tintenfrass, Säure- <strong>und</strong><br />
Einbandschäden gehören <strong>Schimmel</strong>schäden<br />
zu den häufigsten Problemen im Einsiedler<br />
<strong>Klosterarchiv</strong>. Sie entstehen, wenn<br />
die nahezu überall natürlich<br />
vorkommenden Mikroorganismen<br />
günstige<br />
kli matische Bedingungen<br />
vorfinden. Dann nämlich<br />
benutzen die Mikropilze,<br />
Sporen <strong>und</strong> Bakterien die<br />
Urk<strong>und</strong>en, Bücher <strong>und</strong><br />
Aktenstücke als Nährboden.<br />
Dadurch verursachen<br />
sie Schäden in Form<br />
von Verfärbungen <strong>und</strong><br />
Stabilitätsverlust des Papiers,<br />
die zur vollständigen<br />
Zerstörung der Archivalien<br />
führen können.<br />
Zerstörerisch wirkt auch<br />
der Tintenfrass. Dabei<br />
frisst die Tinte wortwörtlich<br />
Löcher ins Papier. Die<br />
so genannten Eisengallustinten<br />
wurden seit Be-<br />
4
G E M E I N S C H A F T<br />
Bei diesem Buch sind die <strong>Schimmel</strong>schäden<br />
unübersehbar.<br />
ginn des Mittelalters bis ins 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
verwendet. Sie enthalten Metallsalze, welche<br />
das Papier bräunlich verfärben, wenn<br />
sie abgebaut werden. Hohe Luftfeuchtigkeit<br />
<strong>und</strong> häufige Schwankungen der Umgebungsfeuchtigkeit<br />
beschleunigen die Zerstörung<br />
der von Tintenfrass betroffenen Archivalien.<br />
Das gleiche gilt für diejenigen mit<br />
<strong>Schimmel</strong>schäden.<br />
Säure- <strong>und</strong> Einbandschäden<br />
Weniger abhängig von ihrer Umgebung<br />
sind Archivalien mit Säure- oder Einbandschäden.<br />
Erstere tauchen vor allem bei Papieren<br />
ab 1850 auf. Als der Papierverbrauch<br />
stieg, mischte man den bisher rein textilen<br />
Bestandteilen von Papier ligninhaltige Holzfasern<br />
bei. Lignin beschleunigt aber die Alterung<br />
<strong>und</strong> den Zerfall der Papiere. Durch<br />
spezielle Entsäuerungsverfahren kann der<br />
Prozess aufgehalten werden. Bei den teils<br />
massiven Schäden an den Einbänden oder<br />
Rändern von Büchern <strong>und</strong> Akten liegt die<br />
Ursache nicht bei chemischen Prozessen,<br />
sondern bei den Bearbeitern <strong>und</strong> Benutzern,<br />
die nicht sorgfältig genug mit den<br />
Dokumenten umgehen. Aber auch eine unsachgemässe<br />
Aufbewahrung der Archivalien<br />
verursacht Schäden.<br />
Die Bestandserhaltung<br />
Alle diese Schadensfälle tauchen jedoch<br />
nicht nur im Archiv auf, sondern betreffen<br />
auch die anderen Sammlungen des Klosters<br />
<strong>Einsiedeln</strong>. Dazu gehören die Stifts- <strong>und</strong><br />
Musikbibliothek <strong>und</strong> die Graphische Sammlung.<br />
<strong>Der</strong>en Bearbeiter sehen sich alle mit<br />
ähnlichen Problemen konfrontiert. Bisher<br />
wurde jedoch noch kein einheitliches <strong>und</strong><br />
langfristig angelegtes Vorgehen beschlossen.<br />
Die bestandserhaltenden Massnahmen<br />
ergaben sich aus der laufenden Benutzung.<br />
Da das Kloster jedoch nur über begrenzte<br />
Ressourcen, aber dafür über umso umfangreichere<br />
<strong>und</strong> heterogene Bestände verfügt,<br />
soll die Bestandserhaltung künftig für alle<br />
Sammlungen gemeinsam koordiniert werden.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong> wird im Herbst<br />
2010 erstmals eine Bestandserhaltungskommission<br />
tagen. Daran beteiligt sind Pater<br />
Odo Lang (Stiftsbibliothek), Pater Lukas<br />
Helg (Musikbibliothek), Pater Gabriel<br />
Kleeb (Graphische Sammlung), Beat Frei<br />
(Restaurator), Pater Alois Kurmann <strong>und</strong><br />
Andreas Kränzle (beide Archiv). Die Kommission<br />
wird von Walter Bersorger (Archiv)<br />
einberufen <strong>und</strong> organisiert. «Eine ihrer ersten<br />
Aufgaben wird die Schaffung eines<br />
Problembewusstseins im Kloster <strong>und</strong> in der<br />
Öffentlichkeit sein», erklärt Bersorger. Danach<br />
müssen die konkreten Arbeitsschritte<br />
geplant werden.<br />
An dieser Urk<strong>und</strong>e aus dem Jahr 1480 wollte<br />
sich wohl eine Maus satt fressen.<br />
5
G E M E I N S C H A F T<br />
Neue Aufgaben dank Neubau<br />
Zu diesen Arbeitsschritten gehören auch die<br />
Verpackung <strong>und</strong> Lagerung der Dokumente.<br />
Für das <strong>Klosterarchiv</strong> sind diese Schritte bereits<br />
gemacht. Schon zu Beginn des Reorganisationsprojekts<br />
vor fünf Jahren mussten<br />
die meisten Archivalien ins Staatsarchiv<br />
Schwyz ausgelagert werden. Zu diesem<br />
Zweck wurden sie neu verpackt. Das Problem<br />
der Lagerung wird mit dem Neubau<br />
des Archivs bereits gelöst werden. Wie oben<br />
erwähnt, ist das Klima der wichtigste Faktor<br />
bei der Lagerung von Dokumenten. Zu hohe<br />
Luftfeuchtigkeit erweckt die <strong>Schimmel</strong>sporen<br />
aus dem Schlaf <strong>und</strong> beschleunigt den<br />
Tintenfrass. Deshalb wurde beim Neubau<br />
besonders darauf geachtet, ein angemessenes<br />
Archivklima gewährleisten zu können.<br />
Erst in einem letzten Schritt geht es für<br />
die neue Bestandserhaltungskommission<br />
dann um die Konservierung <strong>und</strong> Restaurierung<br />
von Schadensfällen (vgl. Kasten).<br />
Hausinterner Buchbinder<br />
<strong>und</strong> Restaurator<br />
Ist der Schaden erst einmal geschehen <strong>und</strong><br />
sind die bestandserhaltenden Massnahmen<br />
beschlossen, landen die Dokumente bei Beat<br />
Frei in der Werkstatt. Frei ist seit 1994 der<br />
hausinterne Buchbinder <strong>und</strong> Restaurator des<br />
Klosters <strong>Einsiedeln</strong>. Als das Reorganisations-<br />
Ein Blick in eines der Zimmer des alten Archivs<br />
vor der Reorganisation.<br />
Bei der Bestandserhaltung unterscheidet<br />
man zwischen Konservierung <strong>und</strong> Restaurierung.<br />
Konservierungsmassnahmen<br />
sind direkte oder indirekte Eingriffe in<br />
die materielle Substanz der Archivalien<br />
bzw. deren Umgebung. Sie sollen den<br />
Ablauf von Verfallsprozessen verzögern<br />
<strong>und</strong> gleichzeitig Struktur, Substanz, Aussehen<br />
<strong>und</strong> Informationsgehalt möglichst<br />
unverändert erhalten.<br />
Die Restaurierung hin<strong>gegen</strong> ist immer<br />
ein direkter Eingriff. Sie respektiert den<br />
erhaltenen Originalbestand <strong>und</strong> beabsichtigt<br />
die vollständige oder teilweise<br />
Wiederherstellung eines ursprünglichen<br />
oder auch späteren Zustandes. Die Restaurierungsmassnahme<br />
soll einem Werk<br />
die ihm angemessene Wirkung wiedergeben,<br />
die noch vorhandene Substanz<br />
wieder zur Geltung bringen <strong>und</strong> seine<br />
Aussage nach Form <strong>und</strong> Inhalt wieder<br />
anschaulich <strong>und</strong> ablesbar machen. Stileinheit<br />
<strong>und</strong> -reinheit sind dabei kein Restaurierungsziel.<br />
projekt begann, änderte sich auch seine Arbeit<br />
massgeblich. «Plötzlich stand Pater Basil<br />
mit den Leuten aus dem Archiv bei mir in der<br />
Werkstatt <strong>und</strong> es musste ein Plan für die<br />
Bestandserhaltung her», erzählt Frei. Bis zu<br />
der heutigen Lösung mit der Bestandserhaltungskommission<br />
dauerte es einige Jahre.<br />
Vorher waren auch noch externe Restauratoren<br />
an dem Projekt beteiligt, doch die Zusammenarbeit<br />
erwies sich als schwierig. Frei erinnert<br />
sich an die Situation: «Es ging vorwärts,<br />
aber irgendwie kam man trotzdem nicht vom<br />
Fleck.» Seit Beginn des Reorganisationsprojekts<br />
hat sich Freis Arbeit von der Stiftsbibliothek<br />
ins Archiv verlagert. Dieses lag seit vielen<br />
Jahren in einer Art Dornröschenschlaf.<br />
Innerhalb von sechzehn Jahren wurden gemäss<br />
Frei nur zehn Archivstücke restauriert.<br />
Aber auch innerhalb des Reorganisationsprojekts<br />
konnte Frei sich bisher eher selten an<br />
wertvollen Codices betätigen. Im Moment<br />
6
G E M E I N S C H A F T<br />
Beat Frei bei der Arbeit in seiner Werkstatt.<br />
stellt er nämlich vor allem massgefertigte<br />
Schachteln für gefährdete Archivalien her. So<br />
hat er zum Beispiel für die Aufbewahrung<br />
der Urk<strong>und</strong>ensiegel ein eigenes Konzept entwickelt,<br />
das die Siegel vor Schäden schützt.<br />
Auch stellt er Schachteln her, in die sehr kleine<br />
Büchlein passen, damit sie im Regal zwischen<br />
ihren grösseren Kameraden keinen<br />
Schaden nehmen.<br />
Umzug der Musikbibliothek<br />
Solche Miniaturschachteln muss Frei in<br />
nächster Zeit wohl auch für die Musikbibliothek<br />
herstellen. Diese ist nach dem Archiv<br />
das nächste grössere Projekt der Bestandserhalter,<br />
da sie ebenfalls in den Neubau einzieht.<br />
Bei dieser Gelegenheit werden die<br />
Musikalien gleich umverpackt. Frei ist auch<br />
bei der Planung von Verpackung <strong>und</strong> dem<br />
Umzug der Musikbibliothek beteiligt. Zusammen<br />
mit Walter Bersorger traf er sich<br />
vor kurzem mit Pater Lukas Helg in dessen<br />
Reich. Auch hier warten noch viele vor allem<br />
von Tintenfrass beschädigte Dokumente auf<br />
erste Hilfe. Details konnten an diesem Morgen<br />
noch nicht besprochen werden, sicher<br />
ist aber, dass mit der Musikbibliothek noch<br />
einmal ein spannender Bestand auf die Bearbeiter<br />
wartet, an dem sie sich in jeder Hinsicht<br />
austoben können – wenn nötig auch<br />
mit Handschuhen <strong>und</strong> Masken.<br />
Mirjam Sidler<br />
Ps: Mehr über Pater Lukas Helgs Arbeit in<br />
der Musikbibliothek lesen Sie auf S. 10ff.<br />
Walter Bersorger (links), Pater Lukas Helg <strong>und</strong> Beat Frei bei der Besprechung des weiteren<br />
Vorgehens in der Musikbibliothek.<br />
7
G E M E I N S C H A F T<br />
Wissen Sie, wo das ist Helfen Sie mit <strong>und</strong> kommentieren sie auf www.klosterarchiv.ch<br />
(KAE, Glasplatte 05754).<br />
Das <strong>Klosterarchiv</strong> bittet um Ihre Mithilfe bei der Identifizierung<br />
Im Zuge der Reorganisation wurden über 6000 Glasplatten digitalisiert. Glas diente<br />
seit der Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts bis ins 20. Jahrh<strong>und</strong>ert als Trägermaterial für Fotonegative.<br />
Bei den Glasplatten fehlen zumeist Hinweise darauf, was auf den Bildern<br />
abgebildet ist. Deshalb wird dieses Jahr in jeder Ausgabe dieser Zeitschrift ein nicht<br />
identifiziertes Bild gezeigt. Wer sich beim <strong>Klosterarchiv</strong> als User registriert, kann die<br />
Bilder kommentieren <strong>und</strong> so für die Erschliessung wichtige Hinweise geben. Sie finden<br />
die Bilder auf der Website des <strong>Klosterarchiv</strong>s unter:<br />
http://www.klosterarchiv.ch/e-archiv_fotoarchiv.php<br />
Wenn Sie erkennen, was auf dem Bild abgebildet ist, können Sie einen Kommentar<br />
dazu schreiben oder sich per E-Mail bei uns melden: foto@klosterarchiv.ch<br />
Website des <strong>Klosterarchiv</strong>s<br />
Die Website ist Drehscheibe <strong>und</strong> Kontaktstelle des <strong>Klosterarchiv</strong>s <strong>und</strong> des Reorganisationsprojekts.<br />
Für die Nutzerinnen <strong>und</strong> Nutzer stehen heute vielfältige <strong>und</strong> zum Teil<br />
sehr detaillierte Informationen zur Verfügung. Im E-Archiv sind zum Beispiel über<br />
17'283 Seiten der Summarien online zugänglich. Darin sind die Archivalien inhaltlich<br />
zusammengefasst <strong>und</strong> über die Signatur lässt sich das Original beim Archivar (archivar@klosterarchiv.ch)<br />
zur Benutzung im Lesesaal des Staatsarchivs Schwyz bestellen.<br />
8
G E M E I N S C H A F T<br />
Digitaler Katalog der Musikbibliothek<br />
Entdeckungsreise durch<br />
1220 Archivschachteln<br />
Zwei bedeutende Ereignisse stehen der Musikbibliothek des Klosters <strong>Einsiedeln</strong> in<br />
nächster Zeit bevor: Voraussichtlich im Jahr 2013 wird sie in die neuen Archivräume<br />
im Statthaltereihof verlegt, womit das Ziel der Bestandessicherung erreicht sein<br />
wird. In einem Jahr bereits dürfte die Katalogisierung abgeschlossen sein. Damit<br />
werden die Schätze dieser in der Schweiz bedeutendsten Musikbibliothek erschlossen<br />
<strong>und</strong> auch einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die digitale<br />
Katalogisierung bringt es mit sich, dass wohl zum ersten Mal bekannt wird, was<br />
die 1220 Archivschachteln alles enthalten. Es gehören auch Überraschungen dazu.<br />
Die meisten Einsiedler Mönche sind Früh aufsteher,<br />
Tagwache ist in der Regel um 5 Uhr,<br />
um 5.15 läutet es bereits zum ersten Morgengebet,<br />
der Matutin. Aber Pater Lukas<br />
Helg, Kapellmeister <strong>und</strong> Musikbibliothekar,<br />
im Jahr 1965 ins Kloster eingetreten, hat seinen<br />
eigenen Rhythmus gef<strong>und</strong>en, etwa<br />
nach dem Motto: «Mit den Hühnern ins<br />
Bett, mit den Hühnern wieder raus.» Deshalb<br />
ist er an den meisten Wochentagen<br />
<strong>Der</strong> Musikbibliothekar Pater Lukas Helg an der Arbeit: Wo befinden<br />
sich die Informationen für den Katalog<br />
schon <strong>gegen</strong> 4.30 Uhr auf dem Weg zur Arbeit<br />
– von seiner Mönchszelle in der Klausur<br />
an seinen Arbeitsplatz in der Musikbibliothek,<br />
hinten im Parterre des langen Gymnasium-Ganges.<br />
Keine Fliessbandarbeit<br />
Dort wartet eine schier unmenschliche Menge<br />
Arbeit auf ihn, <strong>und</strong> auf den ersten Blick<br />
erscheint sie ausserdem ziemlich eintönig:<br />
Computer einschalten, das<br />
– geniale – Literaturverwaltungsprogramm<br />
«Citavi»<br />
starten, in den Archivraum<br />
gehen, die nächste Schachtel,<br />
Nr. 576 ist an der Reihe,<br />
aus dem Regal holen, sie<br />
an den Schreibtisch tragen,<br />
die erste Mappe <strong>und</strong> dieser<br />
– Stück für Stück – die einzelnen<br />
Dokumente entnehmen,<br />
diese durchsehen<br />
<strong>und</strong> alle katalog-relevanten<br />
Informationen (siehe<br />
Kasten S. 13) suchen <strong>und</strong><br />
ins System eintippen. Dann<br />
alles wieder zurück ins Regal.<br />
Das klingt verdächtig<br />
10
G E M E I N S C H A F T<br />
Archivschachteln vollerÜberraschungen: Pater<br />
Lukas wird der erste sein, der alle Schätze<br />
der heutigen Musikbibliothek kennt.<br />
nach Fliessbandarbeit. Pater Lukas weiss das<br />
natürlich, <strong>und</strong> weil er auch sich kennt, hat er<br />
sich ein Motto des alten Plinius zueigen gemacht:<br />
«Nulla dies sine linea», sinngemäss<br />
etwa: «An jedem Tag mindestens einen Titel<br />
erfassen.» Anfang Jahr hatte er die Arbeit in<br />
Angriff genommen, am Tag meines Bibliothekbesuchs<br />
war er bei Schachtel Nr. 576 angelangt.<br />
Bis zur Nr. 1147 ist es noch weit (die<br />
Schachteln 1148 bis 1220 wurden zu einem<br />
früheren Zeitpunkt erfasst).<br />
talog seiner Vorgänger nicht immer über alle<br />
Zweifel erhaben war, konnte Pater Lukas<br />
bereits als Novize feststellen, nachdem er<br />
1965 von Pater Kanisius Zünd zum Aufkleben<br />
der Signaturen in die Musikbibliothek,<br />
damals noch im sogenannten Fraterstock<br />
untergebracht, bestellt worden war. Dass<br />
der Etikettenkleber von einst Pater Kanisius’<br />
Nachfolger als Musikbibliothekar werden<br />
sollte, hätte sich der Novize von damals<br />
nicht träumen lassen. Als aber Pater Kanisius<br />
1976 erst 73jährig starb, war es so weit: Pater<br />
Lukas, erst ein Jahr zuvor von seinem<br />
Studium in Salzburg ins Kloster zurückgekehrt,<br />
wurde zum neuen Musikbibliothekar<br />
bestimmt. Weil er als Signaturenkleber für<br />
dieses Amt prädestiniert sei, hiess es damals.<br />
Aber es ist durchaus möglich, dass ihn die<br />
Archivschachteln schon damals ins Herz geschlossen<br />
hatten...<br />
Item. <strong>Der</strong> Zettelkatalog erwies sich bald<br />
einmal als unvollständig <strong>und</strong> unzuverlässig.<br />
Es fehlten zum Beispiel oft die Datierungen,<br />
Sünden von früher: <strong>Der</strong> Stempel auf dem<br />
kostbaren Stich wäre heute <strong>und</strong>enkbar.<br />
«Manchmal halte ich eine Schachtel<br />
zum ersten Mal in den Händen»<br />
Dass Pater Lukas bei dieser Sachlage nicht<br />
nur den Mut nicht verliert, sondern von einer<br />
«spannenden Arbeit» spricht, hat einen<br />
besonderen Gr<strong>und</strong>: Wenn der bald 66jährige<br />
Musikbibliothekar zur Arbeit geht, bricht<br />
er zu einer regelrechten Entdeckungsreise<br />
auf – Tag für Tag.<br />
Das liegt daran, dass das Katalogisieren<br />
– von Hand auf Karteikärtchen – in der Vergangenheit<br />
oft ziemlich «summarisch» vorgenommen<br />
worden war. Dass der Zettelka-<br />
11
G E M E I N S C H A F T<br />
Angaben dazu, wann <strong>und</strong> von wem, von<br />
welchem Kopisten eine Handschrift stammte,<br />
ob es sich beim notierten Titel um eine<br />
Handschrift oder um einen Druck handelt.<br />
«Das sind historisch sehr spannende Informationen»,<br />
sagt Pater Lukas, <strong>und</strong> es ist ihm<br />
anzusehen, wie sehr er sich darüber freut,<br />
dass diese Daten – Citavi sei Dank! – nun verfügbar<br />
sind.<br />
Aber auch sonst sei der alte Zettelkatalog<br />
lückenhaft. Oft habe man bei Sammelbänden<br />
nur gerade den ersten Titel erfasst,<br />
alle weiteren Werke des Bandes verschwanden<br />
anonym in den Archivschachteln, <strong>und</strong><br />
niemand wusste wirklich, was die Bibliothek<br />
alles enthielt.<br />
Auch Pater Lukas nach 34 Jahren als Bibliothekar<br />
nicht. «Manchmal halte ich eine<br />
Schachtel zum ersten Mal in den Händen»,<br />
sagt er. Das ist jetzt seine Chance – dank einstiger<br />
Nachlässigkeiten von anderen kann er<br />
jetzt seiner Entdeckerfreude frönen. Und benediktinisch<br />
bescheidenen Stolz darüber<br />
empfinden, dass er der erste sein wird, der<br />
wirklich weiss, was alles in den Schachteln<br />
der Musikbiliothek steckt. Auch allerhand<br />
Kurioses!<br />
«5000 Rubel geboten ...»<br />
Zum Beispiel das Dokument mit der Signatur<br />
139,72, eine «alte Notenschrift aus dem<br />
10. Jahrh<strong>und</strong>ert, für deren Entzifferung<br />
«5000 Rubel geboten sind». Es ist nicht bekannt,<br />
ob die schätzungsweise um 1900 ausgesetzte<br />
Belohnung beansprucht wurde,<br />
das heisst, ob die geheimnisvolle Notenschrift<br />
je entziffert worden ist. Aber bei diesem<br />
Dokument könnte es sich um eine Rarität<br />
handeln, jedenfalls dann, wenn man<br />
«Google» als Massstab nimmt: Die allwissende<br />
Suchmaschine kennt die «alte Notenschrift<br />
aus dem 10. Jahrh<strong>und</strong>ert» nicht, weder<br />
als Text- noch als Bilddokument. Aber<br />
eines ist dem Kuriosum aus der Musikbibliothek<br />
sicher: Im Citavi-Katalog ist das Feld<br />
«für Führungen geeignet» angekreuzt.<br />
Diese besondere Auszeichnung steht allerdings<br />
auch ganz anderen Dokumenten<br />
zu, etwa der Notenhandschrift zu Carl Philipp<br />
Emanuel Bachs Oratorium «Die Israeli-<br />
«Notenschrift aus dem 10. Jahrh<strong>und</strong>ert»: Können Sie sie entziffern<br />
12
G E M E I N S C H A F T<br />
So wird katalogisiert<br />
In der Bibliotheks-Software «Citavi» werden<br />
die Bestände der Einsiedler Musikbibliothek<br />
wie folgt erfasst:<br />
Komponist, Titel <strong>und</strong> Untertitel des<br />
Werks (inkl. Besetzung).<br />
Jahr (Druck oder Jahreszahl auf Manuskript).<br />
Verlagsort, Verlag, Schlagwort, Kopist,<br />
Signatur.<br />
Vier Freifelder, eines etwa für die Nummer<br />
der Druckplatte, was für Drucke<br />
sehr wichtig ist, ein anderes für den erwähnten<br />
Hinweis: «Für Führungen geeignet».<br />
Nach Fertigstellung des Katalogs wird er<br />
auf dem Internet-Portal des Klosters öffentlich<br />
zugänglich sein. Bereits online<br />
verfügbar ist die Datenbank RISM<br />
(www. rism-ch.org).<br />
ten in der Wüste», entstanden 1768/69. Für<br />
gelegentliche Besucher der Musikbibliothek<br />
von Interesse ist allerdings weniger das<br />
Notenwerk selber, sondern dessen Illustration:<br />
Eine w<strong>und</strong>erschöne Zeichnung in Sepia<br />
zeigt Mose, der in der Wüste aus dem Felsen<br />
Wasser schlägt. Dass beim Einsiedler<br />
Musikbibliothekar auch ein «Vaterunser»<br />
als Kuriosum vermerkt ist, hat nichts mit<br />
fehlendem Respekt des Mönchs vor dem<br />
Herrengebet, sondern damit zu tun, dass<br />
Notenkopisten manchmal ganz gerne ihre<br />
Spässe trieben. <strong>Der</strong> deutsche Komponist<br />
<strong>und</strong> Pianist Friedrich Heinrich Himmel<br />
(1765–1814) komponierte ein «Vaterunser»,<br />
was den Einsiedler Kopisten dazu verlockte,<br />
den Eintrag etwas zu modifizieren: «Vater<br />
unser, der du bist vom Himmel...».<br />
<strong>Der</strong> Fleiss der Einsiedler Notenkopisten,<br />
meist Fratres, also angehende Priestermönche,<br />
diente zu Zeiten, als es noch keine Kopiergeräte<br />
gab, gelegentlich auch recht<br />
eigennützigen, wohl kaum gesetzeskonformen<br />
Zielen: Pater Lukas weiss zu berichten,<br />
dass man vom Zürcher Musikhaus Hug «ganze<br />
Wagenladungen von Musiknoten» nach<br />
<strong>Einsiedeln</strong> holte, um sie von den Fratres kopieren<br />
zu lassen. Anschliessend fuhr man<br />
mit der «Zur Ansicht»-Sendung in die Limmatstadt<br />
zurück.<br />
Ein Kuriosum der besonderen Art entdeckte<br />
Pater Lukas im März dieses Jahres unter<br />
der Signatur 141,41. Weil es als Musterbeispiel<br />
dafür gilt, wie unzulänglich der alte<br />
Zettelkatalog <strong>und</strong> wie «bitter notwendig»<br />
der neue digitale ist, machte Pater Lukas<br />
den F<strong>und</strong> mit einem Augenzwinkern bei<br />
Leuten bekannt, die seine Vorliebe für ein<br />
Restaurant namens «Post» kennen <strong>und</strong> teilen.<br />
Auf der Karteikarte steht bloss der vieldeutige<br />
Hinweis: «Einige Gesänge auf die<br />
Post.» <strong>Der</strong> Bibliothekar vermutete bereits,<br />
eine Hymne an seinen Lieblingskoch in der<br />
«Post» entdeckt zu haben. Doch Recherchen<br />
am Dokument machten diese Hoffnung<br />
rasch zunichte: Die Komposition hat nichts<br />
mit der «Post» zu tun, weder mit der dienstlichen<br />
noch mit der kulinarischen. <strong>Der</strong> richtige<br />
Titel lautet: «Einige Gesänge aus der Posse<br />
‹Die Wiener in Berlin›».<br />
Unter dem Titel «Gefreutes aus der Musikbibliothek»<br />
notierte Pater Lukas Ende Juli<br />
ein Vorkommnis, das ebenfalls zeigt, wie<br />
nützlich es ist, dass der Gesamtbestand von<br />
A–Z durchgesehen wird. Seit längerem wurde<br />
eine Handschrift aus dem 18. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
mit der Signatur 480,10 vermisst, die<br />
Arie «Diana amante» des Komponisten Pietro<br />
Alessandro Guglielmi (1726–1804). Gef<strong>und</strong>en<br />
wurde sie am Dienstag, 27. Juli 2010,<br />
<strong>gegen</strong> elf Uhr Vormittags in Schachtel 531<br />
zwischen den Mappen 531,4 <strong>und</strong> 531,5. «Vivant<br />
sequentes!», lautete der Kommentar<br />
des glücklichen Finders.<br />
Die bedeutendste Musikbibliothek<br />
der Schweiz<br />
Sobald sämtliche Dokumente in der Bibliothekssoftware<br />
«Citavi» erfasst sind, soll dieser<br />
digitale Katalog auf dem Internet-Portal<br />
des Klosters veröffentlicht werden. Damit<br />
wird der Gesamtbestand der Einsiedler Mu-<br />
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G E M E I N S C H A F T<br />
«Diligam te Domine» von Alberich Zwyssig: Aus diesem Notenmaterial entstand die Schweizer<br />
Nationalhymne «Trittst im Morgenrot daher...».<br />
sikbiliothek erschlossen sein. Für die zum Teil<br />
sehr kostbaren Handschriften, unter ihnen<br />
das berühmte Mozart-Autograph (von Mozart<br />
eigenhändig geschrieben), gibt es einen<br />
Katalog auf CD-Rom, die älteren Drucke (bis<br />
etwa 1800) sind in einem mehrbändigen gedruckten<br />
Quellenlexikon erfasst <strong>und</strong> ein Teil<br />
der jüngeren Quellen können online in der<br />
Datenbank des «Répertoire Internationale<br />
des Sources Musicales» RISM nachgeschlagen<br />
werden. Hier zeigt sich eindrücklich, dass die<br />
Einsiedler Musikbibliothek auch quantitativ<br />
die bedeutendste in der Schweiz ist: RISM<br />
führt unter dem Bibliothekssiegel «CH-E,<br />
Kloster <strong>Einsiedeln</strong>, Musikbibliothek» nicht<br />
weniger als 21’832 Quellen auf. Die nächst<br />
kleinere Bibliothek, jene des Chorherrenstiftes<br />
Beromünster, kommt auf 5032 Quellen,<br />
die Musikabteilung der Zentralbibliothek<br />
Zürich an fünfter Stelle hat bei RISM 2703<br />
Quellen verzeichnet.<br />
Im weltweiten Vergleich kann sich <strong>Einsiedeln</strong><br />
punkto Handschriften ebenfalls sehen<br />
lassen: Die Musikbibliothek liegt mit<br />
4125 Handschriften weltweit an siebter<br />
Stelle. Den grössten Handschriftenbestand<br />
(14'678 Quellen) hütet übrigens die berühmte<br />
Santini-Bibliothek in Münster (Westfalen).<br />
Dass die Einsiedler Musikbibliothek so<br />
reichhaltig ist, hat sie ihrem Gründer Pater<br />
Gall Morel (1803–1872) zu verdanken, der<br />
Musikalien beschaffte, wo immer er ihrer<br />
habhaft werden konnte. Dies war zu seiner<br />
Zeit insbesondere in aufgehobenen Klöstern<br />
der Fall, etwa im Kloster Weingarten,<br />
1803 aufgehoben, mit seinem «sehr bedeutenden<br />
Musikleben».<br />
Für die qualitative Bedeutung der Einsiedler<br />
Musikbibliothek sei stellvertretend<br />
für viele andere Juwelen das Autograph<br />
des Wettinger Mönches Alberich Zwyssig<br />
(1808–1854) erwähnt. Die Motette trägt den<br />
unscheinbaren Titel «Diligam te Domine»,<br />
enthält aber auf ein paar wenigen Notenzeilen<br />
fast wörtlich genau den Tonsatz, dem Leonhard<br />
Widmer später den Text ‹Trittst im<br />
Morgenrot daher› unterlegte <strong>und</strong> der in dieser<br />
Form zu unserer Nationalhymne geworden<br />
ist. Alberich Zwyssig war Zisterzienser-<br />
Mönch, zunächst in Wettingen, dann, nach<br />
der Aufhebung seines Klosters, in Wurmsbach<br />
<strong>und</strong> in Mehrerau.<br />
Feierabend für heute, Schachtel 576 ist<br />
erledigt. Aber noch ist die Entdeckungsreise<br />
lang, bis sie bei Nummer 1147 angelangt<br />
<strong>und</strong> das Werk vollendet ist. So, wie ich Pater<br />
Lukas kenne, wird er das Ereignis würdig zu<br />
feiern wissen. Und alle, die die Einsiedler<br />
Musikbibliothek schätzen <strong>und</strong> nutzen – Verleger,<br />
Musiker, Wissenschaftler oder auch<br />
Fre<strong>und</strong>e anlässlich einer Führung –, werden<br />
es ihm danken.<br />
Erich Liebi<br />
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