2015_02_raberalf
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GLOBAL CLASSROOM<br />
Februar / März <strong>2015</strong><br />
Indigene in Amazonasregion bedroht<br />
Vertreter der Völker Ashaninka und Puyanawa fordern neues Verantwortungsbewusstsein<br />
25<br />
Während in Lima der Klimagipfel<br />
stattfand (1. bis 12.<br />
Dezember 2014), begaben<br />
sich zwei indigene Anführer aus dem<br />
Grenzgebiet von Peru und Brasilien auf<br />
eine Reise nach Belgien, Frankreich und<br />
Deutschland. Bei einem Pressegespräch<br />
in den Räumen der GRÜNEN LIGA<br />
Berlin gaben sie Auskunft über die<br />
Situation ihrer Völker. Ihre Namen sind<br />
Benki Piyãko und Puwê Luis Puyanawa.<br />
Benki Piyãko ist ein Anführer der Ashaninka<br />
aus dem brasilianischen Bundesstaat<br />
Acre. Er ist gelernter Agroforstwirt<br />
und Schamane und engagiert sich durch<br />
Umweltbildungsarbeit vor Ort sowie<br />
internationale Öffentlichkeitsarbeit für<br />
eine nachhaltige Nutzung der Region<br />
und die Bewahrung der Menschenrechte<br />
seines Volkes. Hierfür wurde er bereits<br />
international mit Menschenrechts- und<br />
Umweltpreisen ausgezeichnet. Puwê<br />
Luis ist ein Anführer der Puyanawa,<br />
eines weiteren indigenen Volkes in<br />
Acre, das mit ähnlichen Problemen zu<br />
kämpfen hat wie die Ashaninka.<br />
Ihre Territorien, die bereits demarkiert<br />
und rechtlich anerkannt wurden,<br />
werden von Abholzung und Straßenbauprojekten<br />
bedroht. Erdölkonzessionen<br />
wurde nahe ihrer Grenzen vergeben<br />
und vier Mitglieder einer Ashaninka-<br />
Gemeinde auf der anderen Seite der<br />
Grenze in Peru (in der Gemeinde<br />
Saweto) wurden im vergangenen Jahr<br />
ermordet. Ihr Anführer organisierte<br />
eine Kampagne gegen die<br />
Holzhändler, diese Gemeinde<br />
kämpfte seit langem um<br />
die rechtliche Anerkennung<br />
ihres Landes gegenüber der<br />
peruanischen Regierung.<br />
Durch diese Verbrechen<br />
und die geplanten Großprojekte<br />
fühlen sich beide<br />
Völker nun in ihrer Existenz<br />
bedroht. Auch die beiden<br />
Regierungen (Brasilien und<br />
Peru) bieten keinen Schutz.<br />
Deswegen reisten die beiden<br />
brasilianischen Anführer<br />
jetzt nach Europa – um Aufmerksamkeit<br />
zu erregen und<br />
sowohl sich selbst als auch<br />
die Menschen in Europa über<br />
die Rolle Deutschlands und<br />
anderer europäischer Staaten<br />
in diesem Konflikt zwischen<br />
indigenen Völkern und Rohstoffinteressen<br />
zu informieren. Denn diese Länder<br />
sind keineswegs unbeteiligt.<br />
Staudämme entziehen<br />
Lebensgrundlage<br />
So müssen zum Beispiel die Staudammprojekte<br />
finanziert werden, und<br />
das geschieht laut Benki unter anderem<br />
durch Förderung aus Europa. Hier<br />
werden solche Maßnahmen von Regierungsvertretern<br />
gern als Investitionen in<br />
„saubere“ Energie bezeichnet. Doch – so<br />
fragt Benki – kann<br />
man auf diesem<br />
Wege gewonnene<br />
Energie als „sauber“<br />
bezeichnen? Wenn<br />
für die Staudämme<br />
große Flächen<br />
Tropenwald unter<br />
Wasser gesetzt werden<br />
müssen und den<br />
dort Lebenden die<br />
Grundlage, im Einklang<br />
mit der Natur<br />
zu wirtschaften und<br />
zu leben, entzogen<br />
wird?<br />
Andere Projekte<br />
hingegen, die<br />
tatsächlich Umwelt<br />
und Menschen<br />
zugutekommen<br />
könnten, werden nicht gefördert. Für<br />
ein Projekt der Ashaninka, bei dem<br />
entwaldete Flächen mit einheimischen<br />
Obstbäumen aufgeforstet werden –<br />
inzwischen sind es über eine Million<br />
Bäume, die sogar schon außerhalb der<br />
Ashaninka-Region gepflanzt wurden –<br />
konnte bisher keine Regierung gefunden<br />
werden, die zur Unterstützung bereit ist.<br />
Deshalb lautet Benkis eindringliche<br />
Forderung an Deutschland, zu<br />
untersuchen, welche Projekte seine<br />
Regierung unterstützt und wo seine<br />
Gelder hinfließen. Ebenso appelliert<br />
er an die europäischen Firmen, die auf<br />
Benki Piyãko, ein Anführer der Ashaninka in Brasilien<br />
dem Gelände in Großprojekte investieren<br />
und die hiesigen Abnehmer von<br />
zum Beispiel Tropenholz, sich ihrer<br />
Verantwortung bewusst zu werden.<br />
Schließlich würde es ohne die Tropenwälder<br />
zu einem „großen Desaster“<br />
kommen. Flüsse würden austrocknen<br />
und Menschen würden Hunger leiden.<br />
Wenn Holz gekauft werden soll, muss<br />
auch welches gepflanzt werden. Dies<br />
liegt auch in europäischer Verantwortung,<br />
da die Europäische Union zu den<br />
größten Abnehmern des Tropenholzes<br />
gehört und der Klimawandel nicht nur<br />
Praktische Umweltbildung - die Regenwaldschule der Ashaninka<br />
den Amazonas, sondern die ganze Welt<br />
betrifft. Benki bittet alle Menschen darum,<br />
gemeinsam für dieses Bewusstsein<br />
zu kämpfen.<br />
Umweltbildung<br />
als Grundlage<br />
Foto: Moisés Moreira<br />
Der zweite Teil der Botschaft von<br />
Benki Piyãko ist auch klar und sollte<br />
ebenfalls Gehör finden: Es reiche<br />
noch nicht, die Ashaninka einfach nur<br />
in Ruhe zu lassen. Wenn der Klimawandel<br />
gemeinsam bekämpft werden<br />
soll - und nur gemeinsam könne dies<br />
gelingen - müssten wir von<br />
den Lebensweisen indigener<br />
Völker wie den Ashaninka<br />
lernen. Denn sie stünden<br />
häufig in direkter Beziehung<br />
zum Ökosystem, das sie<br />
ernährt. Sie seien auch unter<br />
den ersten, welche die Folgen<br />
der Umweltzerstörung zu<br />
spüren bekommen. Deshalb<br />
bilden sie ein Gegenbeispiel<br />
zum egozentrischen Konsumverhalten<br />
der Industriestaaten.<br />
Umweltbildung sei<br />
der Schlüssel zum Schutz der<br />
Natur und der menschlichen<br />
Lebensgrundlagen. Schon in<br />
der Grundschule sollten die<br />
Kinder deshalb lernen, wie<br />
man die Natur schützt und<br />
mit dem Wald so umgeht,<br />
dass man ihn erhält.<br />
Die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland,<br />
Indien und China) sind für den<br />
Klimawandel wichtige Akteure. Das<br />
ökonomische Wachstum in diesen Ländern<br />
hat weitreichende Bedeutung. Die<br />
Kapitalschwemme dort ist groß, und das<br />
Geld wird oft in riesige profitorientierte<br />
Projekte investiert - ohne Rücksicht auf<br />
Umwelt und Bevölkerungsgruppen. In<br />
diesen Ländern leben viele Indigene,<br />
die keine oder nur wenig Macht haben,<br />
sich juristisch zu wehren.<br />
Stattdessen erhalten die Ashaninka<br />
Morddrohungen von illegalen Holzfällern<br />
und Drogenbaronen.<br />
Und niemand,<br />
auch nicht die Polizei,<br />
schützt sie. Im<br />
Pressegespräch bei<br />
der GRÜNEN LIGA<br />
erwähnte Benki auch,<br />
dass er zwar jetzt hier<br />
sitze, durch Europa<br />
reise und Reden halte,<br />
jedoch nicht wisse, ob<br />
er zurück in Brasilien<br />
noch lange zu leben<br />
hat, weil er das nächste<br />
Opfer sein wird.<br />
Puwê Luis ist ein<br />
sehr junger Anführer<br />
der Puyanawa und<br />
reiste zum ersten Mal<br />
nach Europa. Er teilt<br />
Benkis Meinung, denn<br />
sein Volk hat ähnliche Probleme, nur eine<br />
andere Geschichte. In ihrer jüngeren Vergangenheit<br />
gab es ein Massaker an seinen<br />
Landsleuten und viele Schwierigkeiten,<br />
doch heute ist ihr Gebiet zumindest<br />
teilweise von der Regierung Brasiliens<br />
anerkannt und demarkiert.<br />
Zunächst, so Puwê, sei es wichtig zu<br />
sagen, dass sie trotz aller Widrigkeiten<br />
auch glücklich seien – bei allem Reichtum,<br />
den sie haben. Ihre Stärke sei die<br />
Agrarproduktion, bei der sie zwar auch<br />
mit Maschinen arbeiten, jedoch sehr<br />
auf Nachhaltigkeit achten. So roden sie<br />
zum Beispiel seit 19 Jahren keinen Wald<br />
mehr, der in Gewässernähe liegt, und<br />
jede Familie hat die Möglichkeit, ihre<br />
eigenen Ressourcen zu nutzen. Noch<br />
sei auch das Land, aus dem ihre „erste<br />
Generation“ komme, geschützt – ein für<br />
die Identität und Geschichte der Puyanawa<br />
wichtiges Gebiet. Doch das könnte<br />
sich bald ändern, denn die Regierung<br />
plant eine Landstraße durch eben dieses<br />
Areal. Des Weiteren sind die Puyanawa<br />
wegen einer geplanten Erdöl- und<br />
Erdgasförderung besorgt. Der Auftrag<br />
ist bereits vergeben. Auch beklagen sie,<br />
dass der Wald zwar bewirtschaftet aber<br />
nicht nachgepflanzt wird. Ihr Ziel ist es,<br />
das Land ihrer Vorfahren, auf dem die<br />
Straße gebaut werden soll, zu kaufen, und<br />
sie sammeln zu diesem Zweck Spenden.<br />
Schließlich fragt Benki: „Wer von<br />
euch kennt persönlich Menschen, die<br />
eine Million Bäume gepflanzt haben?“<br />
Das von ihm gegründete Ausbildungszentrum<br />
Yorenka Ãtame für indigene<br />
und nicht indigene Jugendliche hat das<br />
mit seinem Projekt Beija Flor geschafft.<br />
Dort erlernen die Jugendlichen das<br />
nachhaltige Gewissen der Ashaninka-<br />
Bevölkerung. Mit dem Anpflanzen der<br />
Bäume fängt die Arbeit aber erst wirklich<br />
an.<br />
Mikulas Cernik,<br />
Theresa Schmidt<br />
Foto: Eliane Fernandez Ferreira<br />
Weitere Informationen:<br />
www.apiwtxa.blogspot.de/<br />
www.survivalinternational.org/<br />
galleries/ashaninka