Das Wissenschaftsmagazin - Goethe-Universität
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lage für eine neue Präparateklasse – sogenannte rekombinante<br />
Präparate. Dazu pfl anzt man das Gen für den<br />
menschlichen Gerinnungsfaktor in die DNA eines Bakteriums<br />
ein, so dass es diesen produziert. Die ersten rekombinante<br />
Präparate für den Faktor VIII wurden 1988<br />
entwickelt, für den Faktor IX erst 1997.<br />
Durch Modifi kationen der rekombinanten Präparate<br />
erhofft man sich weitere Fortschritte, insbesondere bei<br />
einer Verlängerung der Wirkung (die Gerinnungsfaktoren<br />
würden dann langsamer im Blut abgebaut) und<br />
bei der Vermeidung von Immunreaktionen. Mittelfristig<br />
könnte dieses Konzept zu einer länger wirksamen<br />
Therapie bei weniger Infusionen und weniger Nebenwirkungen<br />
führen, so dass die Patienten ihre Therapie<br />
besser annehmen können.<br />
Die Hämophilie bietet sich auch als Modell für die<br />
Entwicklung einer Gentherapie an, da nur ein einzelnes,<br />
gut charakterisiertes und vollständig entschlüsseltes<br />
Gen betroffen ist und ein bereits geringer Anstieg<br />
des Gerinnungsfaktors zu einer deutlichen Verbesserung<br />
der klinischen Symptomatik führen kann. Bisherige<br />
Forschungsergebnisse legen den Schluss nahe,<br />
dass in Zukunft die Hämophilie durch die Gentherapie<br />
geheilt werden könnte.<br />
<strong>Das</strong> Frankfurter Hämophiliezentrum<br />
<strong>Das</strong> Hämophiliezentrum Frankfurt ist eine gemeinsame<br />
Einrichtung des Zentrums der Inneren<br />
Medizin III (Prof. Andreas Zeiher) und des<br />
Instituts für Transfusionsmedizin (Prof. Erhard<br />
Seifried). Bereits in den 1950er Jahren wurden<br />
im Frankfurter Uniklinikum Patienten mit Hämophilie<br />
behandelt, und es wurde umfangreich<br />
über die Hämophilie geforscht. In der in den<br />
1970er Jahren gegründeten Hämophilie-Ambulanz<br />
werden heute unter kommissarischer Leitung<br />
von Dr. Wolfgang Miesbach mehr als 1000<br />
Patienten mit Hämophilie A und B, Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom<br />
und verschiedenen<br />
anderen Blutungs- und Gerinnungsstörungen –<br />
unter anderem auch sehr seltenen Störungen<br />
wie TTP (thrombotisch-thrombozytopenische<br />
Purpura), erworbenen Gerinnungsfaktor-Mängeln<br />
oder Thrombozytenfunktionsstörungen<br />
behandelt. Der besondere Schwerpunkt des<br />
Frankfurter »comprehensive care centers« liegt<br />
in der multidisziplinären Betreuung der Patienten<br />
mit 24-Stun den-Bereitschaft und engen Kooperationen<br />
zu den Abteilungen für Orthopädie,<br />
Kardiologie, Angiologie und der Kinderklinik.<br />
Durch die bis heute weiter ausgebaute enge Zusammenarbeit<br />
mit der Orthopädie konnte am<br />
30. Juli 1972 europaweit zum ersten Mal bei<br />
einem hämophilen Patienten eine fortgeschrittene<br />
hämophile Anthropathie des Hüftgelenks<br />
erfolgreich mit einer Totalen doprothese versorgt<br />
werden. Dies stellte einen echten Durchbruch in<br />
der Behandlung dieser sekundä ren Veränderung<br />
von Gelenken bei Blutern dar.<br />
www.bluspende.de/patienten/haemophiliezentrum_<br />
frankfurt.php<br />
Forschung aktuell<br />
Komplikation Hemmkörper<br />
Eine der heutzutage schwerwiegendsten Komplikationen<br />
bei der Behandlung der schweren Hämophilie<br />
besteht darin, dass einzelne Patienten Abwehrstoffe,<br />
sogenannte Hemmkörper, gegen die verabreichten<br />
Faktor-Präparate bilden. Bei bis zu 30 Prozent der Patienten<br />
mit schwerer Hämophilie A wird die Substitutionstherapie<br />
deshalb unwirksam, so dass die Betroffenen<br />
dauerhaft blutungsgefährdet sind. Dabei neigen<br />
zuvor unbehandelte Patienten mit »großen« Faktor-<br />
VIII-Genmutationen, wie unten beschrieben, eher zur<br />
Hemmkörperbildung, als solche mit lediglich geringen<br />
Gendefekten. Wie man inzwischen weiß, ist die Hemmkörperbildung<br />
eine komplexe multifaktorielle Immunreaktion,<br />
bei der sowohl patientenspezifi sche als auch<br />
behandlungsabhängige Faktoren eine Rolle spielen.<br />
1994 initiierte Dr. Hans-Hermann Brackmann die<br />
ersten Programme zur Hochdosis-Immuntoleranztherapie.<br />
Sie stellen eine wirksame Methode zur Beseitigung<br />
von Hemmkörpern dar und gewöhnen das Abwehrsystem<br />
in über 90 Prozent der Fälle wieder an die<br />
verabreichten Faktoren VIII und IX.<br />
Auch dem im Jahr 1996 gentechnisch hergestellten<br />
Faktor VIIa fällt bei der Behandlung von Blutungskomplikationen<br />
bei Patienten mit Hemmkörper-Hämophilie<br />
unter Umgehung der Gerinnungskaskade als sogenanntes<br />
»Bypass«-Medikament eine wichtige Rolle zu.<br />
Die Autoren<br />
Dr. Wolfgang Miesbach, 45, ist Facharzt für Innere Medizin<br />
mit der Zusatzbezeichnung Hämostaseologie. Seit 2001 arbeitet<br />
er als Facharzt im Hämophiliezentrum der <strong>Goethe</strong>-<br />
<strong>Universität</strong>, seit 2007 ist er kommissarischer Leiter des Hämophiliezentrums.<br />
Er leitet verschiedene Studien über die<br />
Pharmakokinetik, Effektivität und Sicherheit in der Behandlung<br />
von Patienten mit Hämophilie und Von-Willebrand-<br />
Syndrom.<br />
Dr. Markus M. Müller, 44, ist Facharzt für Transfusionsmedizin<br />
mit der Zusatzbezeichnung Hämostaseologie. Seit 2001<br />
ist er am Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie<br />
in Frankfurt. Dort baute er das Fortbildungs- und<br />
Schulungsangebot »Transfusionsmedizin« für externe Kliniken<br />
auf. Er ist darüber hinaus Studienleiter einer Langzeitstudie<br />
zur Sicherheit freiwilliger gesunder Stammzellspender<br />
und beschäftigt sich wissenschaftlich mit Methoden zur<br />
Pathogeninaktivierung von Blutpräparaten.<br />
Dr. Christof Geisen, 44, ist Facharzt für Transfusionsmedizin<br />
und Laboratoriumsmedizin mit der Zusatzbezeichnung Hämostaseologie.<br />
Seit 2002 ist er Mitarbeiter am Institut für<br />
Transfusionsmedizin und Immunhämatologie an der <strong>Goethe</strong>-<br />
<strong>Universität</strong>. Seit 2005 leitet er die Abteilungen Immunhämatologie<br />
und Molekulare Hämostaseologie. Er untersucht<br />
die genetischen Defekte, die bei der Hämophilie auftreten.<br />
Prof. Dr. Dr. Erhard Seifried, 56, ist Professor für Transfusionsmedizin<br />
am Klinikum der <strong>Goethe</strong>-<strong>Universität</strong> und Ärztlicher<br />
Direktor des DRK-Blutspendedienstes Baden-Württemberg –<br />
Hessen. Professor Seifried ist Mitglied im Arbeitskreis Blut<br />
am Robert-Koch-Institut (RKI) Berlin, Altpräsident der Deutschen<br />
Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie<br />
(DGTI) und amtierender Präsident der Internationalen<br />
Fachgesellschaft ISBT (International Society of Blood<br />
Transfusion).<br />
wolfgang.miesbach@kgu.de<br />
m.mueller@blutspende.de<br />
c.geisen@blutspende.de<br />
e.seifried@bluspende.de<br />
Forschung Frankfurt 1/2010 57<br />
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