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Opale: Photonische Kristalle - Johannes Gutenberg-Universität Mainz

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DOI: 10.1002/ciuz.200700396<br />

<strong>Photonische</strong> <strong>Kristalle</strong><br />

<strong>Opale</strong><br />

FRIEDERIKE FLEISCHHAKER | RUDOLF ZENTEL<br />

Mit dem Begriff Opal assoziiert man zunächst edle Schmucksteine,<br />

die durch ein prächtiges Farbspiel beeindrucken. Der<br />

periodisch nanostrukturierte Aufbau der <strong>Opale</strong> ist nicht nur<br />

ein Musterbeispiel für die Selbstorganisation zu hochgeordneten<br />

Strukturen in der Natur, sondern erlaubt es, durch die<br />

Ausbildung einer photonischen Bandstruktur die Ausbreitung<br />

von Licht gezielt zu manipulieren. Opalartige Strukturen aus<br />

den verschiedensten Materialien finden vielfältige und faszinierende<br />

Anwendungen im Grenzgebiet zwischen Physik, Chemie<br />

und Biologie: Lichtleiter, Displays, Biosensoren oder Lacke<br />

sind nur eine Auswahl.<br />

Die Arbeiten der Gruppe<br />

zu künstlichen <strong>Opale</strong>n<br />

und <strong>Photonische</strong>n<br />

Materialien werden auf<br />

nationaler Ebene durch<br />

den DFG-Schwerpunkt<br />

<strong>Photonische</strong> <strong>Kristalle</strong><br />

gefördert. Auf europäischer<br />

Ebene werden<br />

und wurden die Arbeiten<br />

über die Projekte<br />

FET IST PHOBOS und<br />

PHAT gefördert.<br />

Die Entwicklung der Elektronenmikroskopie war ein<br />

Meilenstein in der Strukturauflärung der natürlichen<br />

<strong>Opale</strong>. Sanders et al. entdeckten in den 60er Jahren, dass<br />

die Schmucksteine aus monodispersen SiO2-Kolloidkügelchen<br />

mit Durchmessern von 150–400 nm bestehen, die<br />

sich in einem Selbstorganisationsprozess zu kubisch dichtest<br />

gepackten Kolloidkristallen formiert haben (Abbildung<br />

1) [1]. Der schillernde Farbeindruck ist folglich im Gegensatz<br />

zu Farbstoffen nicht auf die Absorption von Licht<br />

zurückzuführen, sondern kommt durch konstruktive Interferenzen<br />

von am Opal gebrochenen und an den einzelnen<br />

Kugelschichten reflektiertem Licht zustande (Abbildung 2)<br />

Das gleiche Verhalten, das man von Kristallgittern auf atomarer<br />

Ebene mit Interferenzen von elektromagnetischer<br />

Strahlung im Röntgenbereich kennt, beobachtet man hier<br />

im Nanometer- und Submikrometerbereich an Kolloidkristallen<br />

mit Interferenzerscheinungen im sichtbaren Wellenlängenbereich.<br />

Die wahrgenommene Farbe hängt vom<br />

Kugeldurchmesser, den Brechungsindices der Kugeln und<br />

Hohlräume sowie dem Einfallswinkel des Lichts ab.<br />

<strong>Opale</strong>: Halbleiter für Licht<br />

Abstrakt betrachtet bestehen <strong>Opale</strong> aus periodisch angeordneten<br />

Strukturen mit Gitterperioden im Bereich der Wel-<br />

lenlänge des Farbeindrucks. Solche Materialien mit einer<br />

periodisch modulierten Dielektrizitätskonstante bezeichnet<br />

man im wissenschaftlichen Sprachgebrauch als photonische<br />

<strong>Kristalle</strong> [2,3]. Ihre faszinierenden optischen Eigenschaften<br />

lassen sich allgemein mit Hilfe der Elektrodynamik beschreiben<br />

und anschaulich verstehen, wenn man sie als<br />

photonisches Analogon zu elektronischen Halbleitern betrachtet:<br />

Die periodische Änderung des Brechungsindexes<br />

für Photonen in einem dielektrischen Medium entspricht<br />

dem gitterperiodischen Potential der Atome für Elektronen<br />

in einem Halbleiter.<br />

Genau wie Halbleiter lassen sich auch photonische <strong>Kristalle</strong><br />

mit Bänderdiagrammen, in denen sich Bandlücken<br />

ausbilden können, näher charakterisieren (Abbildung 3a).<br />

Photonen mit Energien, die denen der Bandlücke entsprechen,<br />

können sich nicht im Kristall ausbreiten. Licht bestimmter<br />

Wellenlängen wird also vom photonischen Kristall<br />

vollständig reflektiert – dies entspricht der sichtbaren<br />

Farbe – bzw. im Kristall „gefangen“, wenn die Lichtquelle<br />

im Inneren sitzt.<br />

Man unterscheidet zwischen vollständigen Bandlücken<br />

(„full band gaps“), wenn die Ausbreitung des Lichts in allen<br />

Kristallrichtungen unterbunden wird und den „Stop-<br />

Bands“, wenn dies nur entlang bestimmter Achsen im Kris-<br />

38 | © 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2007, 41, 38 – 44


tall stattfindet [4]. Während sich die „Stop-Bands“ in Analogie<br />

zur Röntgenbeugung verstehen lassen, ist die vollständige<br />

Bandlücke ein darüberhinausgehender Effekt, der<br />

nur bei einem sehr großem Unterschied im Brechungsindex<br />

zwischen den Gitterpunkten (den Kolloiden) und den<br />

Lücken dazwischen auftritt. Dies führt zu Materialien, die<br />

ein perfekter Spiegel für Licht sind. Hätte man z.B. eine Kiste<br />

aus einem Material mit einer vollständigen Bandlücke für<br />

sichtbares Licht, so könnte man sie an einem sonnigen Tag<br />

im Freien mit Licht füllen, das Licht darin nach Schließen<br />

des Deckels lagern und transportieren und es später in einem<br />

dunklen Raum als Lichtblitz wieder herauslassen. Materialien<br />

mit diesen Eigenschaften wurden bisher aber nur<br />

für den nahen IR-Bereich oder bei noch größeren Wellenlängen<br />

realisiert.<br />

Solche periodisch strukturierten Materialien besitzen<br />

somit die Fähigkeit, Licht zu lokalisieren, in Bahnen zu leiten,<br />

seine Ausbreitung zu unterdrücken oder zu verlangsamen,<br />

was sie z.B. zu vielversprechenden Kandidaten im Bereich<br />

der Optoelektronik macht. Anwendungsmöglichkeiten<br />

reichen von Wellenleitern, Resonatoren und Filtern bis<br />

hin zur Vision vom „all-optical“ Computer bei dem die Informationsübertragung<br />

über Lichtquanten erfolgt [5,6].<br />

Abhängig von Parametern wie der Gitter- und Dielektrizitätskonstante<br />

variiert aber auch die Lage der Bandlücke<br />

und damit die wahrgenommene Farbe der photonischen<br />

<strong>Kristalle</strong>, was sie als „intelligente“ Materialien in schaltbaren<br />

Farbdisplays, Effektpigmenten oder optischen Sensoren<br />

in Biologie und Medizin interessant macht [7–11].<br />

OPALE<br />

Synthetisch können photonische <strong>Kristalle</strong> auf zwei Wegen<br />

hergestellt werden: Entweder durch präzises Einschreiben<br />

einer periodischen Struktur in ein vorgegebenes<br />

Material, was man als Top-down-Methode bezeichnet<br />

[12,13], oder durch die Selbstorganisation von mikro- und<br />

nanoskalierten Bausteinen einheitlicher Größe zu einer<br />

wohldefinierten periodischen Anordnung. Letzteres ist ein<br />

Bottom-up-Vorgehen, wie es uns die Natur an vielen Stellen,<br />

u.a. bei der Opalbildung vormacht. Solche Selbstanordnungsprozesse<br />

übertreffen ingenieurwissenschaftlich optimierte<br />

Top-down-Einschreibeprozesse zwar nicht unbedingt<br />

in der Präzision, jedoch erlauben sie auf faszinierend<br />

einfache und elegante Weise ohne teures Gerät eine Synthese<br />

der gewünschten Materialien in großem Maßstab. Darüber<br />

hinaus geben sie dem Chemiker die Möglichkeit, Kreativität<br />

walten zu lassen und die Nanobausteine nach Belieben<br />

zu funktionalisieren und chemische Vielfalt zu integrieren.<br />

Synthetische <strong>Opale</strong> und Anwendungen<br />

Künstliche <strong>Opale</strong> sind die bekanntesten Vertreter von nach<br />

Bottom-up-Verfahren synthetisierten photonischen <strong>Kristalle</strong><br />

[14,15]. Sie können wie im Fall des natürlichen Opals aus<br />

SiO2-Kolloiden aufgebaut sein, aber auch aus anderen Metalloxid-<br />

oder Polymerkugeln einheitlicher Größe bestehen.<br />

Die Kugeln werden in einem Sol-Gel-Prozess bzw. durch<br />

Emulsionspolymerisation synthetisiert, nach Bedarf funktionalisiert<br />

und anschließend durch Selbstanordnung zu<br />

<strong>Opale</strong>n kristallisiert [16–20]. Beim langsamen Abdampfen<br />

| MATERIALIEN<br />

Abb. 1 ganz links<br />

(S. 38): Elektronenmikroskopaufnahme<br />

und Fotos<br />

natürlicher <strong>Opale</strong><br />

[Bilder von M. Chi<br />

und R. G. Weber]<br />

rechts: Elektronenmikroskopaufnahme<br />

eines synthetischen<br />

Opals aus<br />

Polymerkugeln. Am<br />

rechten Bildrand<br />

sieht man synthetische<br />

<strong>Opale</strong> mit<br />

„Stop-Bands“ bei<br />

Wellenlängen zwischen<br />

400 und<br />

650nm abhängig<br />

von der eingestellten<br />

Kugelgröße.<br />

[Bilder von M. Egen<br />

und F. Fleischhaker]<br />

Chem. Unserer Zeit, 2007, 41, 38 – 44 www.chiuz.de © 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim<br />

| 39


Das unter dem Einfallswinkel αα auf den<br />

Kristall treffende Licht wird nach dem<br />

Brechungsgesetz von Snellius zum Lot<br />

hin gebrochen und an den Netzebenen<br />

des Kristalls reflektiert. Eine konstruktive<br />

Interferenz der an verschiedenen<br />

Netzebenen reflektierten Strahlen tritt<br />

nach dem Braggschen Gesetz nur auf,<br />

wenn der Gangunterschied der Strahlen<br />

ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge<br />

ist. Kombination der beiden Gesetze<br />

führt somit zur oben aufgeführten<br />

modifizierten Bragg-Gleichung (unter<br />

Vernachlässigung des geringfügigen<br />

Gangunterschieds an der Phasengrenze<br />

Luft / Kristall). λ ist die Wellenlänge des<br />

Farbeindrucks, D der Netzebenabstand<br />

und neff der effektive Brechungsindex<br />

des Kolloidkristalls. Der effektive Brechungsindex<br />

setzt sich zusammen aus<br />

neff = (ffcc (nKugel) 2 + (1 – ffcc) (nLuft) 2 ) 1/2<br />

mit ffcc dem Füllfaktor einer kubisch<br />

dichtesten Packung.<br />

|<br />

ABB. 3 BÄNDERDIAGRAMM, CHIPMODELL, INVERTIERTER OPAL<br />

a)<br />

c)<br />

Frequenz/ωa/2 πc<br />

b) d)<br />

|<br />

ABB. 2 STRAHLENGANG DES LICHTS IN EINEM KOLLOIDKRISTALL<br />

a) Typisches Bänderdiagramm eines photonischen Kristalls (hier speziell für einen invertierten Silizium Opal). Auf der Ordinate<br />

ist die Frequenz bzw. Wellenlänge, auf der Abszisse die Ausbreitungsrichtung des Lichts (erste Brillouin-Zone; Bezeichnung analog<br />

zur Röntgenbeugung) im photonischen Kristall aufgetragen. Die Bänder stellen die erlaubten Zustände für Photonen im<br />

Kristall dar. Bei Auftreten einer vollständigen Bandlücke (hier bei einer Wellenlänge von ∼1.5 μm) wird die Ausbreitung von<br />

Licht in diesem Wellenlängenbereich komplett unterbunden. (Abbildung mit Genehmigung von Lit. [21]) b) Elektronenmikroskopische<br />

Aufnahme eines invertierten Opals aus Silizium mit einer vollständigen Bandlücke bei einer Wellenlänge von 1.5 μμm.<br />

(Abbildung mit Genehmigung von Lit. [21]) c) „Photonic Micropolis“: Modell eines futuristischen optischen Chips aus verschiedenen<br />

Typen von photonischen <strong>Kristalle</strong>n (Abbildung mit Genehmigung von Lit. [5]) d) Auf einem strukturierten Substrat kristallisierter<br />

Opal, wie er für Anwendungen in optischen Chips benötigt wird [25].<br />

40 | © 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2007, 41, 38 – 44<br />

Wellenlänge/μm<br />

1,5 μm 5 μm


des Lösungsmittels werden die nanometergroßen Kugeln<br />

immer dichter gepackt, bis sie spontan eine dichteste Kugelpackung<br />

einnehmen. Den gleichen Versuch kann man –<br />

im makroskopischen – mit kleinen Glaskugeln einheitlicher<br />

Größe in einem Kasten durchführen, den man leicht schüttelt,<br />

damit die Kugeln genug Bewegungsenergie haben, um<br />

die günstigsten Plätze einzunehmen. Es ist daher möglich,<br />

<strong>Opale</strong> aus den unterschiedlichsten Materialien oder Kompositen<br />

herzustellen und ihnen eine Vielzahl von Eigenschaften<br />

zu verleihen. Fluoreszierende, magnetische, photoaktive,<br />

flüssigkristalline oder halbleitende Kolloide können<br />

synthetisiert werden, um nur eine Auswahl zu nennen.<br />

Lichtleiter und Katalysatoren<br />

Die <strong>Opale</strong> selbst fungieren als dreidimensionale photonische<br />

<strong>Kristalle</strong>, sie eignen sich aber auch als Template, um<br />

ihre invertierten photonischen Strukturen zu erzeugen. Dies<br />

geschieht durch Auffüllen der Hohlräume im Kolloidkristall<br />

(Infiltration), Härten der Matrix und anschließendem Herauslösen<br />

der Kolloide. Die entstehenden invertierten <strong>Opale</strong><br />

haben die Struktur eines „Schaumes“, d.h. sie bestehen<br />

aus Luftblasen (anstelle der Kolloide), die von einer festen<br />

Matrix (den ursprünglichen Zwischenräumen) umgeben<br />

sind.<br />

Inverse <strong>Opale</strong> können ebenfalls aus einer Vielzahl von<br />

Materialien hergestellt werden – dazu gehören Metalloxide,<br />

Halbleiter, Polymere oder organisch-anorganische Hybridmaterialien.<br />

Voraussetzung ist natürlich eine geeignete Infiltrationsmethode,<br />

Kompatibilität des Infiltrationsmaterials<br />

mit dem Opaltemplat sowie ein Verfahren zur Templatentfernung,<br />

das mit der Hohlraumfüllung verträglich ist. Invertierte<br />

Opalstrukturen aus Silizium sind beispielsweise<br />

begehrte Kandidaten in der Optoelektronik, da sie eine vollständige<br />

photonische Bandlücke im Bereich der nahen IR-<br />

Strahlung (1–2 μm / Wellenlänge der Telekommunikation:<br />

1,5 µm) aufweisen und somit die Ausbreitung von elektromagnetischer<br />

Strahlung mit Frequenzen der Bandlücke in<br />

allen Raumrichtungen unterbinden können (Abbildung<br />

3a,b). Die Herstellung erfolgt ausgehend von Disilan über<br />

chemischen Transport (chemical vapor deposition, CVD)<br />

von Silizium in die Hohlräume von SiO2-<strong>Opale</strong>n. Das Opal-<br />

Templat wird anschließend mit verdünnter Flusssäure entfernt<br />

[21].<br />

Analog zur Dotierung elektronischer Halbleiter kann die<br />

gezielte Einführung von Defekten in photonische <strong>Kristalle</strong><br />

zu Defektzuständen innerhalb der Bandlücke führen [22].<br />

Diese gestatten nun die Ausbreitung von Licht solcher Frequenzen,<br />

das sonst durch die Bandlücke geblockt wird.<br />

Anschaulich betrachtet kann das Einführen von Defekten<br />

auf zwei Wegen geschehen. Im ersten Fall werden „Tunnelröhren“<br />

im photonischen Kristall erzeugt, mit Hilfe derer<br />

die Lichtquanten auf definierten Bahnen durch die Opalstruktur<br />

gelenkt werden können. Alternativ besteht die Möglichkeit,<br />

isolierte Defekte zu integrieren, über die die Photonen<br />

quasi die Bandlücke des photonischen Kristalls bei einer<br />

bestimmten Wellenlänge „überspringen“ können. Wird<br />

OPALE<br />

chemische Funktionaltät in die Defektstrukturen eingebaut,<br />

z.B. trans-cis-isomerisierbare oder redoxaktive Gruppen, hat<br />

man darüber hinaus die Möglichkeit, die Wellenlänge, für die<br />

die Defektzustände den Opal lichtdurchlässig machen, aktiv<br />

über einen externen Stimulus zu variieren [23,24]. Baut man<br />

| MATERIALIEN<br />

Abb. 4 Opalkristallflocken in Klarlack dispergiert (links) und auf Stahlplatten mit<br />

UV-gehärtetem Klarlack überzogen (rechts) [8].<br />

Abb. 5 Display auf Opalbasis (schematisch). Das redox-aktive Polymergel, in dem<br />

der Kolloidkristall eingebettet ist, kann reversibel Lösungsmittel aufnehmen und<br />

die photonische Bandlücke zu längeren Wellenlängen verschieben. Oxidation und<br />

Reduktion des Polyferrocenylsilan-Gels beeinflusst die Wechselwirkung mit dem Lösungsmittel<br />

und führt zu Expansion und Kontraktion der Gelmatrix. Der Farbeindruck<br />

kann somit reversibel und kontinuierlich (abhängig von der Anzahl der oxidierten<br />

Eisenzentren) zwischen zwei Wellenlängen geschaltet werden. (Abbildung<br />

mit freundlicher Genehmigung von A. Arsenault)<br />

Chem. Unserer Zeit, 2007, 41, 38 – 44 www.chiuz.de © 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim<br />

| 41


aus solchen photonischen Bauelementen einen optischen<br />

Chip auf [4], in dem Photonen anstelle von Elektronen als<br />

Informationsträger fungieren, ist die Vision von dem mit<br />

Lichtgeschwindigkeit arbeitenden Computer in greifbare<br />

Nähe gerückt (Abbildung 3c) [6].<br />

Das erfordert natürlich die gezielte Positionierung von<br />

<strong>Opale</strong>n auf einem Substrat und ihre Integration mit Wellenleiterstrukturen.<br />

Die in Abbildung 3d gezeigte selektive<br />

Kristallisation von <strong>Opale</strong>n in Kanälen ist der Schlüsselschritt<br />

dazu [25].<br />

Ganz abgesehen von ihren faszinierenden optischen Eigenschaften,<br />

lassen sich solche invertierten Opalstrukturen<br />

auch der Klasse poröser Materialien zuordnen. Aufgrund<br />

der einheitliche Größe der in wohldefinierter Ordnung an-<br />

|<br />

ABB. 6 SENSOREN UND BIOCHIPS<br />

a) In eine funktionalisierte Hydrogelmatrix mit spezifischem molekularen Erkennungselement<br />

eingebetteter Opal. Exposition mit dem entsprechenden Analyten<br />

(Glucose, Schwermetallionen etc.) führt zu Expansion des Hydrogels and damit zu<br />

einer Farbänderung des Opalkompositmaterials.<br />

(Abbildung mit Genehmigung von Lit. [25])<br />

b) Opal mit funktioneller DNA-Defektschicht, die es erlaubt, Chemie oder Biochemie,<br />

die sich in dem Defekt abspielt, über Änderungen der Defektwellenlänge zu beobachten.<br />

Dazu gehören DNA-Konformationsänderungen oder die Einlagerung von<br />

Molekülen (hier die enatioselektive Einlagerung und Unterscheidung des Antitumormedikaments<br />

Daunorubicin und des medizinisch unwirksamen Enantiomers) [11].<br />

zutreffenden Poren sind in einem Sol-Gel-Prozess hergestellte<br />

inverse <strong>Opale</strong> aus Materialien wie TiO2 oder Al2O3<br />

z.B. auch vorzüglich als Katalysatoren in der heterogenen<br />

Katalyse geeignet.<br />

Effektpigmente und Displays<br />

Kehrt man zu den Wurzeln der Faszination der <strong>Opale</strong><br />

zurück, waren es nicht die photonischen Eigenschaften,<br />

sondern lediglich die kräftigen, schillernden Reflexionsfarben,<br />

die sie als Edelsteine bekannt gemacht haben. Daraus<br />

resultiert ein anderes Anwendungsgebiet der synthetischen<br />

<strong>Opale</strong>, nämlich die Verwendung in Lacken und Displays.<br />

Für die Lackindustrie ist das System „Opal im Klarlack“<br />

erstrebenswert, da ein Lack ja nicht nur färben, sondern<br />

auch den Untergrund versiegeln soll. Hierzu sind als Effektpigmente<br />

in Lacken dispergierte Opalflocken sehr gut<br />

geeignet (Abbildung 4). Sie erzeugen metallisch glänzende<br />

Farben ohne den Zusatz von Farbstoffen, die obendrein mit<br />

dem Betrachtungswinkel variieren. Um jedoch zu verhindern,<br />

dass der in die Opalhohlräume eindringende Klarlack<br />

den Brechungsindexkontrast aufhebt und damit die photonische<br />

Bandstruktur samt Farbeindruck zu Nichte macht<br />

bzw. die Kolloide löst oder die Kristallstruktur sprengt, ist<br />

der Chemiker gefragt. Insbesondere niedrig brechende fluorierte<br />

Polymethacrylate als Kugelmaterial gewährleisten<br />

einen genügend hohen Brechungsindexkontrast der in Lack<br />

dispergierten Opalflocken. Für die intra- und interpartikuläre<br />

Vernetzung der Kolloidkugeln können geeignete bioder<br />

multifunktionale Vernetzermoleküle verwendet werden<br />

[8].<br />

Darüber hinaus lässt sich die starre Opalstruktur durch<br />

den Einbau von chemischen Funktionalitäten in intelligente,<br />

schaltbare Materialien verwandeln. In allen bisher aufgeführten<br />

Beispielen und Anwendungen war die Lage der<br />

photonischen Bandlücke und damit der Farbeindruck bei einem<br />

festen Betrachtungswinkel zwar über die Wahl der Kolloidkugelgröße<br />

(Gittervektor) und der verwendeten Materialien<br />

(Brechungsindexkontrast) passiv veränderbar, jedoch<br />

im fertigen Opal rigide und nicht mehr variabel. Das aktive<br />

Schalten der Bandlücke durch externe Erreger eröffnet jedoch<br />

ganz neue Dimensionen, wie z.B. den Einsatz von<br />

<strong>Opale</strong>n in Displays.<br />

Solche polychromen, schaltbaren Opalstrukturen lassen<br />

sich beispielsweise erzeugen, indem man einen SiO2-Kolloidkristall<br />

in eine Hydrogelmatrix einbettet. Dadurch sind<br />

die Kolloidkügelchen zwar immer noch periodisch angeordnet,<br />

aber mit variablem Gittervektor im Hydrogel flexibel<br />

gelagert. Expansion und Kompression der Gelmatrix<br />

führt folglich zu einer Verschiebung der Bandlücke und damit<br />

der Farbe des eingebetteten Opals. Besteht die Matrix<br />

nun z.B. aus einem redox-aktiven Polymergel, etwa einem<br />

Polyferrocenylsilan-Netzwerk, kann man bei geeigneter<br />

Wahl der einzelnen Parameter die auf die Bandlücke zurückgehende<br />

wahrgenommene Farbe elektrochemisch durch<br />

Anlegen einer äußeren Spannung komplett und reversibel<br />

durch das gesamte sichtbare Wellenlängenspektrum durch-<br />

42 | © 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2007, 41, 38 – 44


schalten (Abbildung 5) [7]. Man hat also die Grundlage für<br />

ein Display auf Opalbasis.<br />

Sensoren und Biochips<br />

Auf der einen Seite kann so die energetische Lage der Bandlücke<br />

durch externe Stimuli verändert werden, auf der anderen<br />

Seite lassen sich derartige Materialien entsprechend<br />

funktionalisiert aber auch als optische Sensoren nutzen.<br />

So wurde z.B. ein für die Diagnostik von Diabetis mellitus<br />

interessanter Glucosesensor basierend auf <strong>Opale</strong>n in<br />

einer Hydrogelmatrix entwickelt (Abbildung 6a) [26]. In<br />

diesem Fall ist die Hydrogelmatrix mit Borsäureeinheiten<br />

funktionalisiert. Diese vermögen Glucosemoleküle zu komplexieren,<br />

was zu einer Expansion des Hydrogels und damit<br />

zu einer Farbänderung des Opalkompositmaterials<br />

führt. Abhängig von der wahrgenommenen Farbe kann nun<br />

auf die Glucosekonzentration geschlossen werden, denn je<br />

mehr Borsäure-Zucker-Komplexe in der Hydrogelmatrix gebildet<br />

werden, desto größer ist deren Volumenänderung.<br />

Analog funktioniert ein Opalsensor für Schwermetallionen<br />

wie Pb 2+ [10]. Hierfür ist das den Opal umgebende<br />

Hydrogel mit Kronenethern entsprechender Größe ausgestattet,<br />

die Kationen selektiv komplexieren. Die Reflexionsfarbe<br />

ist auch hier ein Indikator für die Schwermetallionenkonzentration.<br />

Eine andere Möglichkeit, <strong>Opale</strong> als Sensoren oder zum<br />

optischen Monitoring von chemischen oder biochemischen<br />

Prozessen zu verwenden, ist die folgende: Es wird nicht eine<br />

Änderung der photonischen Bandlücke selbst z.B. durch<br />

„Verrücken“ der Kugeln angestrebt, sondern eine funktionelle<br />

Defektschicht in den Kolloidkristall eingebaut, die es<br />

erlaubt, Chemie, die sich in dem Defekt abspielt, über das<br />

Wandern der Defektwellenlänge zu beobachten. Dazu<br />

gehören chemische Reaktionen, Konformations- oder Konfigurationsänderungen<br />

oder die Einlagerung von Molekülen<br />

(Abbildung 6b). DNA, Proteine und andere Biomoleküle lassen<br />

sich auf diese Weise in <strong>Opale</strong> integrieren [11], die sich<br />

somit in potentielle Biochips verwandeln, mit denen man<br />

die Toxizität von Medikamenten testen, DNA-Mutationen<br />

erkennen oder die Wirkungsweise von Enzymen aufklären<br />

kann.<br />

Zusammenfassung<br />

<strong>Opale</strong> sind selbstorganisierte, kubisch dichtest gepackte Kolloidkristalle<br />

mit Kolloid-Durchmessern im Nanometer- und<br />

Submikrometerbereich. Aufgrund der periodisch modulierten<br />

Dielektrizitätskonstante bilden sich photonische Bandlücken<br />

aus, so dass die Ausbreitung von Licht mit Wellenlängen in<br />

der Größenordnung der Gitterkonstanten unterdrückt wird.<br />

Dies erklärt u.a. den brillianten Farbeindruck. <strong>Opale</strong> können<br />

synthetisch aus Polymer- oder Metalloxidkolloiden in einem<br />

Bottom-up-Prozess hergestellt und auf vielfältige Weise chemisch<br />

funktionalisiert, strukturiert oder als Template für ihre<br />

invertierten Strukturen verwendet werden. Anwendungsgebiete<br />

reichen von optischen Chips, Farbdisplays und Effektpigmenten<br />

bis hin zu Biosensoren.<br />

OPALE<br />

Summary<br />

Opals are self-assembled fcc-packed colloidal crystals with<br />

sphere diameters in the nanometer and submicrometer region.<br />

The periodic dielectric structure leads to the opening of<br />

photonic band gaps that suppress the propagation of light<br />

with wavelengths at the lattice constant scale. This explains<br />

e.g. the opals’ brilliant color impression. Synthetic opals can<br />

be prepared from polymer or metaloxide spheres in a bottomup<br />

approach that allows for chemical functionalization and<br />

processing. Also, they can be used as templates to fabricate<br />

inverted structures. Fields of application reach from optical<br />

chips, color displays and effect pigments to biosensors.<br />

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| MATERIALIEN<br />

Chem. Unserer Zeit, 2007, 41, 38 – 44 www.chiuz.de © 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim<br />

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Die Autoren Friederike Fleischhaker, geb. 1980, studierte Chemie<br />

an der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong> <strong>Universität</strong> in <strong>Mainz</strong> und<br />

promoviert seit Herbst 2004 bei Prof. R. Zentel und<br />

Prof. G. A. Ozin an der <strong>Universität</strong> <strong>Mainz</strong> und der<br />

University of Toronto in Kanada. Sie erhielt während<br />

des Studiums Stipendien der Studienstiftung des<br />

deutschen Volkes und des DAAD, zur Zeit wird sie<br />

mit einem Doktorandenstipendium des Fonds der<br />

chem. Industrie unterstützt. Im Rahmen ihrer<br />

Doktorarbeit entwickelt sie schaltbare Defektstrukturen<br />

in photonischen <strong>Kristalle</strong>n.<br />

Prof. Rudolf Zentel studierte Chemie an der<br />

<strong>Universität</strong> <strong>Mainz</strong>, wo er 1983 mit einer Arbeit über<br />

flüssigkristalline Polymere bei den Professoren<br />

Ringsdorf und Strobl promovierte. Auf Post-Doc-Zeit<br />

(Freiburg), Habilitation (<strong>Mainz</strong> 1989) und verschiedene<br />

Forschungsaufenthalte (IBM-Research Center<br />

in San Jose, USA und <strong>Universität</strong> Düsseldorf) folgte<br />

1992 der Ruf auf eine C3-Professur in <strong>Mainz</strong>. Über<br />

Wuppertal (C4-Professur von 1996–2000) ging es<br />

dann im Jahre 2000 nach <strong>Mainz</strong> zurück. Das<br />

zentrale Thema seiner Forschung sind „Selbstorganisierende<br />

Systeme“ und das Wechselspiel von „Licht<br />

und Materie“.<br />

Korrespondenzadresse:<br />

Prof. Dr. Ruldolf Zentel,<br />

Institut für Organische Chemie,<br />

<strong>Universität</strong> <strong>Mainz</strong>,<br />

Duesbergwerg 10 – 14,<br />

55099 <strong>Mainz</strong>,<br />

E-Mail: zentel@uni-mainz.de<br />

44 | © 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2007, 41, 38 – 44

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