Aufrüsten für Freizeit und Spaß - bitfaction
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Neue Perlen<br />
Wie Roboter mit zahlreichen<br />
Funktionen in<br />
Zukunft die Haushaltshilfe<br />
ersetzen können Seite 2<br />
Faszination Technik<br />
TEIL I: TECHNIK IM ALLTAG<br />
EINE SONDERBEILAGE DER FREITAG, 18. JUNI 2004<br />
Blick in einen glühenden Toaster: Technik bringt Spannung in viele Bereiche des Alltags – unter anderem in die Küche. Elektrische Helfer erleichtern die Arbeit <strong>und</strong> ermöglichen mehr Komfort<br />
<strong>Aufrüsten</strong> <strong>für</strong> <strong>Freizeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Spaß</strong><br />
In Haus <strong>und</strong> Wohnung kommt immer mehr Technik unter, ungeliebte Hausarbeit lagern die Menschen aus<br />
Von Niels Boeing<br />
Die Zeit mit wenig Technik<br />
mutet manchmal wie eine<br />
ferne Vergangenheit an.<br />
Aber sie liegt gar nicht<br />
lange zurück. In manchen Alltagsbereichen<br />
nur wenige Jahrzehnte. Im<br />
Jahr 1968 etwa haben die Demonstranten,<br />
die skandierend durch die<br />
westlichen Metropolen ziehen, noch<br />
keine Handys, um ihre Proteste zu<br />
koordinieren. Flugblätter werden auf<br />
Schreibmaschinen verfasst <strong>und</strong> per<br />
Hand vervielfältigt. Wer das legendäre<br />
„Weiße Album“ der Beatles hören<br />
möchte, muss es als Schallplatte<br />
kaufen. Urlaubsgrüße erreichen erst<br />
nach Wochen als Postkarte die Heimat.<br />
Die Pizza <strong>für</strong> zwischendurch<br />
muss man sich vom Teigkneten bis<br />
zum Käseraspeln selbst backen oder<br />
beim Italiener holen. Es ist eine Welt<br />
ohne Handy, Computer, Musiksoftware,<br />
E-Mail oder Mikrowellenherd.<br />
Heute sind die Menschen Teil einer<br />
sich dichter verwebenden Technosphäre.<br />
Die verbindet uns noch mit<br />
entferntesten Winkeln auf dem Erd-<br />
VON DER IDEE ZUR INNOVATION<br />
Marktmacht Zu einer<br />
technischen Innovation<br />
gehört viel mehr als die<br />
bloße Erfindung. Eine<br />
Innovation muss<br />
zudem „eingeführt,<br />
genutzt, angewandt<br />
<strong>und</strong> institutionalisiert<br />
werden“, heißt es im<br />
Lexikon. Die Erfindung<br />
muss sich erst auf dem<br />
Markt durchsetzen, um<br />
zu einer Innovation zu<br />
werden. Aber viele Forscher<br />
scheitern mit<br />
ihren technischen<br />
Ideen bereits in der<br />
ersten Phase der Entwicklung<br />
– lange bevor<br />
ein Prototyp existiert.<br />
Irrtümer Hätten etwa<br />
die Auguren um 1900<br />
Recht behalten, würden<br />
wir heute in Unterwasserstädten<br />
wohnen,<br />
die als Lösung der<br />
Überbevölkerung galten.<br />
Gegen zahlreiche<br />
Krankheiten gäbe es<br />
eine Universalmedizin<br />
aus radioaktiven Pillen.<br />
Auch die Zukunftsforscher<br />
der 50er <strong>und</strong><br />
60er Jahre lagen häufig<br />
falsch: Seit 1984<br />
hätten wir ihrer Ansicht<br />
nach die erste<br />
Mondbasis. Für jedes<br />
Virus gäbe es inzwischen<br />
eine Impfung.<br />
ball in Echtzeit. Immer schneller löst<br />
neue Technik alte ab. Einige Geräte,<br />
wie die Schreibmaschine, verschwinden<br />
oder werden, wie Schallplatten<br />
oder Musikkassetten, in Liebhabernischen<br />
verdrängt. Bei anderen<br />
ändert sich zumindest das Innenleben:<br />
Moderne Fotokameras<br />
nehmen Bilder digital auf, das langwierige<br />
Entwickeln <strong>und</strong> Abziehen<br />
von Filmen fällt weg. Neue Techniken<br />
<strong>für</strong> den Alltag kommen hinzu,<br />
die keine Vorläufer in der Geschichte<br />
haben: Das Internet ist Medium, Bibliothek<br />
<strong>und</strong> Marktplatz zugleich.<br />
Die Entwicklung unterliegt einigen<br />
Trends. „Technik im Alltag hat sich<br />
lange Zeit in der Gesellschaft von<br />
oben nach unten verbreitet, weil sie<br />
zunächst sehr teuer war. In den vergangenen<br />
Jahrzehnten ist eine umgekehrte<br />
Entwicklung zu beobachten“,<br />
sagt Wolfgang König, Technikhistoriker<br />
an der Technischen Universität<br />
Berlin. Heute würden neue<br />
Produkte oft gerade von sozial<br />
schwächeren Schichten schnell angenommen.<br />
Dort seien etwa Vorbehalte<br />
gegen neue Handys, Videore-<br />
Überraschungen Zahlreiche<br />
Innovationen,<br />
die heute unser Leben<br />
angenehmer machen,<br />
hatte früher niemand<br />
im Kalkül: etwa den<br />
Laser im CD-Spieler<br />
oder den Kunststoff,<br />
der sich <strong>für</strong> DVD oder<br />
wetterfeste Jacken<br />
eignet. Ebenso unerwartet<br />
kam Kunstdünger,<br />
der die moderne<br />
Landwirtschaft ermöglichte.Überraschungserfolge<br />
waren auch der<br />
Klettverschluss, selbst<br />
klebende Notizzettel<br />
oder der Transistor im<br />
Radio <strong>und</strong> Computer.<br />
korder oder Fernseher relativ gering.<br />
Unverändert ist hingegen die Verbreitung<br />
von Innovationen aus dem<br />
Berufs- ins Privatleben. Der Computer<br />
begann seinen Siegeszug im Büro,<br />
das Handy in der Hand des Geschäftsreisenden.<br />
Nun finden die<br />
Beamer ihren Weg aus den Konferenzsälen<br />
in die Wohnzimmer, wo sie<br />
zu Projektoren <strong>für</strong> das Heimkino<br />
werden. Das steht wiederum <strong>für</strong> einen<br />
weiteren Trend: „Geht es um<br />
passive oder konsumierende Handlungen,<br />
wird die Technik ins eigene<br />
Heim geholt“, sagt Wissenschaftler<br />
König. „Arbeiten, <strong>und</strong> dazu gehört<br />
auch die Essenszubereitung, werden<br />
hingegen ausgelagert.“ Das Kochen<br />
übernehmen zunehmend die<br />
Schnellimbisse in den Innenstädten<br />
oder die Fabriken von Lebensmittelherstellern,<br />
die immer raffiniertere<br />
Tiefkühlpizzen oder Thai-Currys<br />
auftischen.<br />
In der heutigen Innovationsspirale<br />
das nächste bahnbrechende Produkt<br />
zielsicher auf dem Markt zu platzieren<br />
bereitet den Mitarbeitern in den<br />
Kreativ- <strong>und</strong> Entwicklungsabteilungen<br />
der Unternehmen allerdings<br />
Kopfzerbrechen. Die moderne Technikgeschichte<br />
ist eine Geschichte der<br />
Fehlschläge. Der Hamburger Technikhistoriker<br />
<strong>und</strong> Innovationsforscher<br />
Reinhold Bauer hat aus ihr eine<br />
„Typologie des Scheiterns“ destilliert.<br />
Sie umfasst fünf Problembereiche,<br />
die Innovatoren meistern müssen.<br />
Erstens stellt sich die Frage, ob der<br />
Entwicklungsprozess stabil ist. Legendär<br />
sind die Kurswechsel, die Bill<br />
Gates seinen Entwicklern in den<br />
80ern verordnete, damit Windows<br />
endlich „so cool wie der Mac“ wird.<br />
Zweitens ist wichtig, wie stark die<br />
Konkurrenz ist. Drittens muss der<br />
Tüftler testen, ob das Produkt auch<br />
außerhalb des Labors funktioniert –<br />
in der rauen Wirklichkeit. Viertens<br />
stellt sich die Frage, <strong>für</strong> wen sich das<br />
Produkt eignet. „Der Nutzer, den<br />
Entwicklungsingenieure vor Augen<br />
haben, hat mit dem realen oft nicht<br />
viel gemeinsam“, warnt Bauer. Daraus<br />
ergibt sich fünftens: Muss sich<br />
der K<strong>und</strong>e womöglich an das Produkt<br />
anpassen, um es zu nutzen?<br />
Nach nur wenigen Jahren sind etwa<br />
die elektronischen Bücher vom<br />
Markt verschw<strong>und</strong>en. „Die E-Books<br />
haben technisch perfekt funktioniert,<br />
aber nicht mit der Vorstellung<br />
der Menschen zusammengepasst,<br />
wie sie Bücher lesen“, sagt Bauer.<br />
Wie aber finden Forscher heraus,<br />
was der Konsument wirklich gebrauchen<br />
kann? Indem sie<br />
den K<strong>und</strong>en von vor-<br />
neherein in die Entwicklung<br />
einbezögen,<br />
sagt zumindest Ray<br />
Kurzweil, einer der bekanntesten<br />
<strong>und</strong> umtriebigsten<br />
Erfinder in<br />
den USA. „Als ich in<br />
den 70ern an einem<br />
Lesegerät <strong>für</strong> Blinde<br />
arbeitete, habe ich<br />
blinde Ingenieure <strong>und</strong> Wissenschaftler<br />
eingestellt“, sagt Kurzweil.<br />
Was banal klingt, ist nicht selbstverständlich.<br />
In den westlichen Gesellschaften<br />
debattieren Politiker<br />
<strong>und</strong> Wissenschaftler die Überalterung<br />
der Bevölkerung. Aber die Hersteller<br />
von Handys verwenden nach<br />
wie vor ihren Ehrgeiz darauf, ihre Geräte<br />
mit Spielen <strong>und</strong> immer kleineren<br />
Tasten aufzupeppen. Mag sein,<br />
dass die Zielgruppe der jüngeren<br />
Nutzer sich davon angesprochen<br />
fühlt, aber „70-Jährige brauchen eine<br />
große Notruftaste“, sagt Bernd Kriegesmann<br />
vom Institut <strong>für</strong> angewandte<br />
Innovationsforschung in<br />
Bochum. Solche Fehlentwicklungen<br />
gibt es selbst bei Produkten, die<br />
lediglich eine praktische Funktion<br />
erfüllen. „Warum soll man in einer<br />
20 000 Quadratmeter großen Werkshalle<br />
einen fingerhutgroßen Feuermelder<br />
einbauen?“, gibt Kriegesmann<br />
zu Bedenken.<br />
Noch schwieriger ist es bei Produkten,<br />
die in unterschiedlichen Kul-<br />
„Geht es um konsumierendeHandlungen,<br />
wird die Technik<br />
ins Heim geholt“<br />
Wolfgang König,<br />
Technikhistoriker<br />
turkreisen angeboten werden. Briten<br />
möchten keine Oliven auf der Tiefkühlpizza,<br />
heißt es beim saarländische<br />
Lebensmittelproduzenten Wagner.<br />
Der Haushaltsgerätehersteller<br />
Miele aus Gütersloh wiederum verkauft<br />
in Japan keine Staubsauger, deren<br />
Tasten mit den Füßen bedient<br />
werden, denn „Japaner würden ihren<br />
Staubsauger niemals mit den Füßen<br />
treten“, sagt Miele-Sprecherin Reinhild<br />
Portmann.<br />
Um erfolgreich Technik <strong>für</strong> den<br />
Alltag zu produzieren, müssen Hersteller<br />
zudem den<br />
Fortschritt auf diesem<br />
Gebiet beachten. „Sie<br />
müssen ihr Produkt<br />
auf die Welt der Zukunft<br />
zuschneiden<br />
<strong>und</strong> nicht auf die Welt,<br />
in der das Entwicklungsprojektbegonnen<br />
wird“, sagt Ray<br />
Kurzweil. Prognosen,<br />
womöglich am Rechner<br />
aus Datenbergen erstellt, helfen<br />
dabei jedoch wenig (siehe Kasten).<br />
Sie seien lediglich ein Versuch, „mit<br />
Hilfe des Rückspiegels vorwärts zu<br />
fahren, während alle anderen Scheiben<br />
des Autos zugeklebt sind“, wie<br />
Eckard Minx das Problem einmal beschrieben<br />
hat. Er leitet den Bereich<br />
Forschung, Technik <strong>und</strong> Gesellschaft<br />
beim Stuttgarter Automobilkonzern<br />
DaimlerChrysler.<br />
Früher fand die Zukunftsforschung<br />
noch viele Anhänger. Heute<br />
hat sich aber die Trendforschung<br />
durchgesetzt. Sie beobachtet soziale<br />
Veränderungen, die im Wechselspiel<br />
mit neuen Techniken auftreten. Ein<br />
Trend der nahen Zukunft ist etwa die<br />
zunehmende digitale Vernetzung,<br />
die mittels drahtloser Datenübertragung<br />
noch effizienter wird. „Höherqualifizierte,<br />
die viel unterwegs sind,<br />
machen ihre Datenstation zum Büro“,<br />
sagt der Hamburger Trendforscher<br />
Peter Wippermann.<br />
Ein weiterer Trend, der die Alltagstechnik<br />
bald erreichen dürfte,<br />
Getty images<br />
18. JUNI 2004<br />
25. JUNI 2004<br />
2. JULI 2004<br />
9. JULI 2004<br />
16. JULI 2004<br />
Alte Probleme<br />
Warum Kommunikation<br />
selbst mit modernen<br />
Geräten genauso lange<br />
dauert wie früher Seite 4<br />
FASZINATION TECHNIK<br />
Menschen sind von Technik fasziniert<br />
<strong>und</strong> faszinieren durch ihre<br />
Technik. In einer fünfteiligen Beilagenserie<br />
präsentieren wir Technik-Trends<br />
aus Alltag, Wirtschaft,<br />
Forschung <strong>und</strong> Gesellschaft.<br />
Technik im Alltag Neuerungen<br />
verändern das Lebensgefühl <strong>und</strong><br />
den Lebensstandard. Die Konsequenzen<br />
sind überall zu spüren.<br />
Ernährung Was auf den Tisch<br />
kommt, hat oft Zutaten aus dem<br />
Labor. Ohne sie schmeckt es uns<br />
nicht mehr recht. Seite 3<br />
Unterhaltung Das Fernsehprogramm<br />
der Zukunft ist hausgemacht.<br />
Jeder sieht, was ihm am<br />
besten gefällt. Seite 4<br />
Transport Bahn, Auto <strong>und</strong> Flugzeug<br />
haben die Menschen mobil<br />
gemacht. Die Telekommunikation<br />
bringt neuen Schub. Seite 5<br />
Hausarbeit Technik hat die<br />
Arbeit im Haushalt zwar erleichtert,<br />
Putzen <strong>und</strong> Bügeln bleiben<br />
aber vorerst Handarbeit. Seite 6<br />
Energie Neue Materialien isolieren<br />
Häuser besser als früher.<br />
Der Energiebedarf sinkt trotzdem<br />
nicht. Seite 6<br />
Spezialtechnik Innovative Technik<br />
verändert das Wirtschaften.<br />
Wir untersuchen, welche Neuerungen<br />
die Wirtschaft braucht.<br />
Technikforschung Die Gr<strong>und</strong>lage<br />
<strong>für</strong> Innovationen legen Forscher.<br />
Dabei setzen sie verstärkt<br />
auf interdisziplinäres Arbeiten.<br />
Technik im Wettbewerb Mit<br />
der Globalisierung wächst der<br />
Technikmarkt. Aber nicht überall<br />
lässt sich das Gleiche verkaufen.<br />
Technik <strong>und</strong> Gesellschaft Das<br />
Lebensgefühl der Menschen hat<br />
sich durch die Technik verändert.<br />
Die Unterschiede sind gewaltig.<br />
kommt aus der chemischen Nanotechnik.<br />
Wasser abweisende Duschkabinen<br />
etwa gibt es bereits. Wenn<br />
erst einmal robuste selbstreinigende<br />
Schichten oder Materialien mit anderen<br />
speziellen Eigenschaften relativ<br />
preiswert zu haben sind, werden<br />
auch andere Gegenstände des Alltags<br />
damit versehen, nicht nur Duschkabinen<br />
– ähnlich wie die Hersteller in<br />
den vergangenen Jahren immer<br />
mehr Produkte mit Chips ausgestattet<br />
haben.
Rad Ins Rollen kam die Technik in<br />
mehreren Kulturen etwa zur gleichen<br />
Zeit. Früheste F<strong>und</strong>e von<br />
Scheibenrädern sind mehr als<br />
5000 Jahre alt <strong>und</strong> stammen aus<br />
Mesopotamien <strong>und</strong> Nordwesteuropa.<br />
Mit dem leichteren Speichenrad<br />
kam der Mensch um 2000 v.<br />
Chr. richtig in Fahrt. Die stabile <strong>und</strong><br />
gleichzeitig elastische Konstruktion<br />
trug auch die amerikanischen<br />
Siedler in ihren Planwagen nach<br />
Westen. Bis ins 20. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
wurden Speichenräder so gebaut.<br />
2 FREITAG, 18. JUNI 2004 TECHNIK IM ALLTAG FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND<br />
...........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................<br />
Care-O-bot II<br />
Care-O-Bot ist der<br />
Prototyp eines helfenden<br />
Roboters. Die Maschine<br />
vom Fraunhofer-Institut<br />
<strong>für</strong> Produktionstechnik <strong>und</strong><br />
Automatisierung (IPA) in<br />
Stuttgart wohnte im Februar<br />
dieses Jahres eine<br />
Woche zur Probe im intelligenten<br />
Haus („inHaus”)<br />
in Duisburg. Die Forscher<br />
wollten testen, wie gut sich<br />
der rollende Roboter mit<br />
der übrigen Elektronik im<br />
intelligenten Haus vernetzen<br />
lässt.<br />
AbnehmbaresBedienpanel<br />
Ausschalter<br />
Roboter automatisieren den Komfort<br />
Neue Technik nimmt den Menschen immer mehr Alltagsarbeit ab. Bis zur Marktreife der elektrischen Allro<strong>und</strong>helfer werden aber noch Jahre vergehen<br />
Von Ingmar Höhmann<br />
Ellen Gorisch verschickt<br />
schon seit Jahren Kurznachrichten<br />
per Handy. „Ich kann<br />
meine Enkeltochter immer<br />
erreichen. Und sie mich“, sagt die<br />
69-Jährige. Für die Berlinerin gehören<br />
SMS <strong>und</strong> Mobiltelefon zum Leben<br />
– womit sie in ihrem Alter fast<br />
eine Exotin ist. Sie gehört seit sechs<br />
Jahren dem Seniorenbeirat des Forschungsprojekts<br />
Seniorengerechte<br />
Technik im häuslichen Alltag (Sentha)<br />
an der Technischen Universität in<br />
Berlin an. Die Sentha-Forscher untersuchen,<br />
wie neue Produkte das<br />
Leben von Senioren erleichtern<br />
können.<br />
So manche Neuerung könnte den<br />
Alltag von Millionen Menschen ändern,<br />
ihn sogar umkrempeln. Vor<br />
dem Durchbruch stehen zurzeit vor<br />
allem Roboter, die lästige Haushaltsarbeiten<br />
einfacher machen oder<br />
ganz abnehmen. Die Organisation<br />
der Vereinten Nationen schätzt, dass<br />
bis Ende des Jahres 2006 mehr als<br />
500 000 Staubsauger- <strong>und</strong> Rasenmäherroboter<br />
auf der ganzen Welt im<br />
Einsatz sein werden, zehnmal mehr<br />
als noch Anfang des Jahres 2003. Die<br />
Konsumenten werden in der Zwischenzeit<br />
allein <strong>für</strong> Haushaltsroboter<br />
in Privatwohnungen fast 3 Mrd. €<br />
ausgeben. Dabei kommen die meisten<br />
der automatischen Helfer erst<br />
jetzt auf den Markt.<br />
Und sie werden immer billiger.<br />
Knapp 300 € kostet der Staubsaugerroboter<br />
Roomba des amerikanischen<br />
Herstellers iRobot, der wie eine<br />
Hightech-Frisbeescheibe über den<br />
Boden wuselt. Roomba wurde im<br />
vergangenen Jahr etwa 1000-mal verkauft,<br />
im ersten Halbjahr 2004 lag der<br />
Absatz bereits bei 800 Stück. Der Umsatz<br />
mit dem Gerät inklusive Zubehör<br />
betrug im Jahr 2003 nach Unternehmensangaben<br />
etwa 350 000 €.<br />
Schwenkbarer<br />
Sensorkopf<br />
FTD/Grafik: Storkan; Quelle: Ipa<br />
Doch nicht jede intelligente Maschine<br />
eignet sich <strong>für</strong> den Massenmarkt.<br />
Das hat auch der schwedische<br />
Konzern Electrolux erfahren, der<br />
Mitte der 90er Jahre den ersten vollautomatischen<br />
Rasenmäher entwickelte.<br />
Da der mit Solarzellen angetriebene<br />
„Solarmower“ im häufig<br />
regnerischen Mitteleuropa nur selten<br />
zur Höchstleistung auflief, mussten<br />
sich die Entwickler etwas Neues<br />
einfallen lassen. Ihr neuester Robo-<br />
Rasenmäher ist nicht mehr vom Wetter<br />
abhängig, da<strong>für</strong> aber von einem<br />
dicken Geldbeutel der K<strong>und</strong>en: Der<br />
„Automower“ kostet schlappe<br />
2000 €. Für Stefan Fröschel, Marketingleiter<br />
bei Electrolux, sind die teuren<br />
Haushaltsroboter bisher eher<br />
Image- denn Massenprodukte: „Jede<br />
Innovation braucht ihre Zeit, um sich<br />
auf dem Markt durchzusetzen“, sagt<br />
Fröschel.<br />
Das Fraunhofer-Institut <strong>für</strong> Produktionstechnik<br />
<strong>und</strong> Automatisierung<br />
(IPA) in Stuttgart entwickelt<br />
derzeit mit dem Care-O-bot einen<br />
Universalroboter, der Getränke ans<br />
Bett liefern, Essen in der Mikrowelle<br />
warm machen oder als Gehhilfe in<br />
der Wohnung dienen kann. Vor allem<br />
pflegebedürftigen Menschen soll der<br />
mechanische Mini-Butler in Tonnenform<br />
das Leben erleichtern.<br />
Kamera<br />
zur Bildübertragung<br />
auf<br />
Bedienpanel<br />
Laserscanner<br />
zur dreidimensionalenObjekterkennung<br />
Transportfläche<br />
NEUE MASCHINEN ALS ALLTAGSHELFER<br />
Care-O-bot Das Fraunhofer-Institut<br />
sieht riesiges<br />
Potenzial <strong>für</strong> Universalroboter.<br />
Der Care-<br />
O-bot, der am Institut<br />
<strong>für</strong> Produktionstechnik<br />
<strong>und</strong> Automatisierung<br />
entwickelt wird, soll<br />
pflegebedürftigen Menschen<br />
helfen. Bis zur<br />
Marktreife sollen noch<br />
zehn Jahre vergehen.<br />
Rollo Die Plexiglaskugel<br />
wurde an der Universität<br />
Helsinki entwickelt.<br />
Sie überwacht<br />
die Wohnung per Videokamera<br />
<strong>und</strong> Mikrofon<br />
<strong>und</strong> kann Kontakt<br />
zur Außenwelt aufnehmen.<br />
Die ersten Prototypen<br />
sollen noch in<br />
diesem Jahr fertig gestellt<br />
werden.<br />
Waschmaschine Was sich<br />
heute per Knopfdruck erledigen<br />
lässt, kostete jahrh<strong>und</strong>ertelang<br />
ganztätigen Arbeitseinsatz <strong>und</strong><br />
viel Muskelkraft. Die elektrische<br />
Waschmaschine wurde 1901 in<br />
den USA erf<strong>und</strong>en, 50 Jahre<br />
später kam die vollautomatische<br />
Waschmaschine in<br />
Deutschland auf den Markt. Neueste<br />
Technik aus Japan vernetzt<br />
die Waschmaschine mit einem<br />
Haushaltsserver – so ist sie auch<br />
per Handy programmierbar.<br />
Laserscanner zur<br />
Navigation <strong>und</strong><br />
Kartografie<br />
Sensorkopf<br />
Verbindungsansatz<br />
<strong>für</strong> Manipulationsarm<br />
Steuerungsebene<br />
Manipulation,<br />
z. B. Handhabungsarm<br />
ausklappbare<br />
Gehstützen<br />
Mobile<br />
Plattform<br />
Infrarot-<br />
Distanzsensor<br />
Kamera<br />
Greifhand<br />
Die Greifhand nimmt<br />
Gegenstände auf bis<br />
zu einer Breite von<br />
25 Zentimetern.<br />
Kraftmomentensensor<br />
Aufbau<br />
Der Roboter besteht aus einzelnen<br />
Modulen. Diese Bauweise<br />
ermöglicht es, den Care-O-bot<br />
nach den spezifischen K<strong>und</strong>enbedürfnissen<br />
auszurüsten <strong>und</strong><br />
ihn nachträglich um Bauelemente<br />
<strong>und</strong> Funktionen zu erweitern.<br />
Infrarot-<br />
Näherungssensoren<br />
Handhabungsarm<br />
Der Arm lässt sich über sieben<br />
Achsen in alle Richtungen<br />
bewegen, hat eine Reichweite<br />
vom Boden bis zum Küchenregal<br />
sowie eine Nutzlast von<br />
etwa drei Kilogramm.<br />
Der Care-O-bot soll ein Helfer im Alltag werden: Auf Wunsch geht er sogar zum Kühlschrank <strong>und</strong> holt Saft<br />
Matthias Hans, Projektleiter bei<br />
der Entwicklung von Robotersystemen<br />
beim Fraunhofer IPA, sieht <strong>für</strong><br />
den Roboterassistenten im Haushalt<br />
genauso ein Marktpotenzial wie<br />
beim Heim-Computer. „Immer mehr<br />
Funktionen sind technisch machbar.<br />
Bei einer großen Stückzahl hat der<br />
Care-O-bot langfristig das Zeug zum<br />
Massenprodukt“, sagt Roboterentwickler<br />
Hans.<br />
Roomba Der Staubsaugerroboter<br />
des<br />
amerikanischen Herstellers<br />
iRobot reinigt<br />
selbstständig jeden<br />
Fußboden. Sein Besitzer<br />
kann dem 300 €<br />
teuren Gerät beim Arbeiten<br />
zusehen.<br />
Roomba ist bereits auf<br />
dem europäischen<br />
Markt erhältlich.<br />
Wer sich aber in nächster Zeit einen<br />
Roboter anschaffen will, wird<br />
sich noch gedulden müssen: Die ersten<br />
marktreifen Robo-Assistenten<br />
soll es in zehn Jahren geben. Und<br />
auch hier werden die Käufer tief in<br />
die Tasche greifen müssen: Hans vergleicht<br />
den Preis mit dem eines Mittelklassewagens.<br />
Schneller könnte eine Erfindung<br />
aus Finnland auf den Markt kommen:<br />
Rollo, ein Roboterball, soll pflegebedürftigen<br />
Menschen ein unabhängiges<br />
Leben ermöglichen. Er<br />
überwacht per Videokamera <strong>und</strong> Mikrofon<br />
die Wohnung. Wenn zum Beispiel<br />
das Essen überkocht oder neue<br />
Post eintrifft, eilt Rollo zu seinem Besitzer<br />
<strong>und</strong> informiert ihn auf einem<br />
kleinen Bildschirm. Gleichzeitig<br />
kann der Besitzer über Rollo mit der<br />
Außenwelt Kontakt aufnehmen. Die<br />
intelligente Plexiglaskugel ist wie ein<br />
Wachh<strong>und</strong>, der Alarm schlägt, wenn<br />
sein Herrchen dazu nicht in der Lage<br />
ist. So soll Rollo gerade bei alten<br />
Menschen den Mitarbeiter ersetzen,<br />
Bettmann/Corbis; Gettyimages; A.Lange & Söhne<br />
Uhr Zeit exakt zu messen <strong>und</strong> den<br />
Tag in 24 St<strong>und</strong>en einzuteilen war<br />
schon im Mittelalter notwendig.<br />
In Norditalien, wo Handel,<br />
Spekulationsgeschäfte<br />
<strong>und</strong> Messewesen florierten,<br />
wurde vermutlich gegen<br />
Ende des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
die mechanische Uhr<br />
erf<strong>und</strong>en – wahrscheinlich<br />
in einem Kloster. Die erste,<br />
dank Aufziehmechanismus<br />
tragbare Uhr wird ins Ende<br />
des 14. Jahrh<strong>und</strong>erts datiert.<br />
der kontrolliert, ob alles in Ordnung<br />
ist – <strong>und</strong> helfen, Kosten zu sparen.<br />
Rollos Erfinder, Panu Harmo von der<br />
Helsinki University of Technology,<br />
will die ersten Prototypen noch in<br />
diesem Jahr fertig stellen. „Die technischen<br />
Probleme sind nicht so groß.<br />
Es kommt nur darauf an, welche Anforderungen<br />
man stellt“, sagt Harmo.<br />
Rollo kann keine Treppe steigen<br />
oder Türe öffnen – was nach Meinung<br />
Harmos auch nicht nötig ist. Schon in<br />
fünf bis zehn Jahren, so lautet die Vision<br />
des Wissenschaftlers, soll die<br />
kleine Infokugel durch die meisten<br />
europäischen Haushalte rollen.<br />
Die neuen Techniken machen der<br />
69-jährigen Ellen Gorisch keine<br />
Angst. Hauptsache, sie seien einfach<br />
zu bedienen, so wie ihr altes Handy.<br />
„Ein Telefon ist nicht zum Fotografieren<br />
oder Spielen da, sondern zum<br />
Telefonieren“, sagt die Rentnerin –<br />
<strong>und</strong> fügt nach einer Pause hinzu:<br />
„Oder um ab <strong>und</strong> zu eine SMS zu verschicken.<br />
Auch wenn andere das <strong>für</strong><br />
Schnickschnack halten.“<br />
Fraunhofer Institut<br />
ZUKUNFT<br />
Wohnen im<br />
Hightech-Haus<br />
Der weiße Neubau in der Duisburger<br />
Innenstadt ist ein ganz<br />
normales Haus – auf den ersten<br />
Blick. Der Besucher merkt allerdings<br />
schnell, dass dieses schlichte<br />
Gebäude voll mit Hightech ist: Wer<br />
zur Toilette geht, wählt zuvor die<br />
Temperatur <strong>für</strong> die Po-Dusche.<br />
Wer sich ins Bett legt, den überwacht<br />
die Elektronik. Eine Matratze,<br />
die mit Sensoren ausgestattet<br />
ist, kontrolliert während der Nacht<br />
die Körperfunktionen des Ruhenden<br />
<strong>und</strong> informiert ihn anschließend<br />
über die Qualität des Schlafes.<br />
Und wer das Haus verlässt,<br />
braucht nur einen einzigen Knopf<br />
zu drücken, dann schließen sich<br />
die Fenster, alle Lampen erlöschen<br />
<strong>und</strong> sämtliche weiteren Stromabnehmer<br />
wie Herd oder Kaffeemaschine<br />
schalten sich aus.<br />
Das so genannte intelligente<br />
Haus („inHaus“) lässt erahnen, wie<br />
Menschen künftig wohnen könnten.<br />
Das Fraunhofer-Institut <strong>für</strong><br />
Mikroelektronische Schaltungen<br />
<strong>und</strong> Systeme (IMS) testet in diesem<br />
Gebäude gemeinsam mit<br />
zahlreichen Partnern aus der Industrie,<br />
welche Aufgaben sich im<br />
Haushalt automatisieren lassen.<br />
International gibt es unter dem<br />
Stichwort „Ambient Intelligence“ –<br />
übersetzt etwa „intelligente Umgebung“<br />
– verschiedene Projekte, bei<br />
denen Ähnliches versucht wird. In<br />
Europa zum Beispiel haben sich<br />
zahlreiche Institute <strong>und</strong> Unternehmen<br />
zum Forschungsverb<strong>und</strong><br />
Amigo („Ambient Intelligence to<br />
Go“) zusammengeschlossen.<br />
Die Vision der Wissenschaftler:<br />
Versteckte elektronische Bauteile<br />
greifen überall in den Alltag der<br />
Menschen ein, wo dies wünschenswert<br />
erscheint. Mikrochips,<br />
Sensoren <strong>und</strong> Funkmodule machen<br />
aus Küchengeräten, Schlafzimmermöbeln<br />
oder sanitären Anlagen<br />
aktive <strong>und</strong> kommunikationsfähige<br />
Objekte. Der Mensch<br />
soll im Mittelpunkt vernetzter Geräte<br />
stehen.<br />
In Duisburg testen die Wissenschaftler,<br />
welche Erfindungen bei<br />
potentiellen Bewohnern gut ankommen.<br />
Deshalb ziehen Freiwillige<br />
in das intelligente Haus ein<br />
<strong>und</strong> verbringen darin einen oder<br />
mehrere Tage. Besonders gut fanden<br />
die bisherigen Probanden,<br />
dass sich verschiedene Geräte von<br />
einer einzigen Stelle aus bedienen<br />
lassen. Auch die Sicherheitstechnik<br />
sei sehr positiv beurteilt worden,<br />
sagt Viktor Grinewitschus, einer<br />
der Leiter des „inHauses“. Vernetzte<br />
Feuer- <strong>und</strong> Einbruchsmelder<br />
sowie ein Fingerscanner an<br />
der Haustür, der den Schlüssel ersetzt<br />
oder ergänzt, lagen in der<br />
Gunst der Testbewohner vorn.<br />
Die Wünsche an die Technik<br />
seien „sehr unterschiedlich“, sagt<br />
Grinewitschus. Ein intelligentes<br />
Haus müsse deshalb immer maßgeschneidert<br />
werden. Das ist eine<br />
besondere Herausforderung, denn<br />
Geräte unterschiedlicher Hersteller<br />
müssen in solch einem Gebäude<br />
miteinander arbeiten. Aber<br />
der Fraunhofer-Forscher ist optimistisch,<br />
dass sich <strong>für</strong> intelligente<br />
Häuser Standards entwickeln lassen.<br />
Er vertraut auf die Einsicht<br />
der Technikhersteller. „Es gibt ein<br />
Umdenken. Denn kein Unternehmen<br />
kann den Markt allein beherrschen“,<br />
sagt der Wissenschaftler.<br />
Mit der Zeit, so ist Grinewitschus<br />
überzeugt, werde es zu<br />
„strategischen Allianzen“ kommen.<br />
Christian Herbst
Konserven Das Einwecken, also<br />
Lebensmittel erhitzen <strong>und</strong> sie in einem<br />
sterilen, luftdichten Glas aufheben,<br />
wurde 1804 in Frankreich<br />
erf<strong>und</strong>en. Napoleon testete die<br />
neue Technik an seinen Marinesoldaten<br />
<strong>und</strong> honorierte sie 1810 mit<br />
einer Prämie – Eingemachtes erleichterte<br />
ihm die Versorgung seiner<br />
Truppen. Die zeitgleich entstandene<br />
Konservendose wurde<br />
anfangs skeptisch betrachtet. Zu<br />
recht: Frühe Modelle führten noch<br />
zu Bleivergiftungen.<br />
FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND TECHNIK IM ALLTAG FREITAG, 18. JUNI 2004 3<br />
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Schmecken ganz nach dem Geschmack der Zeit<br />
Heutige Lebensmittel enthalten häufig Zutaten aus dem Labor · Naturbelassenes kommt dem Verbraucher dagegen oft spanisch vor<br />
Von Olaf Wittrock<br />
Der Umsatz ist um ein Drittel<br />
eingebrochen, die<br />
Marktführerschaft dahin,<br />
in der Bilanz klafft ein<br />
dickes Minus, der Vorstand musste<br />
gehen – jetzt kann nur noch Werbefigur<br />
„Peter“ den Bremerhavener Lebensmittelproduzenten<br />
Frosta aus<br />
der Krise führen. Der sympathische<br />
Hausmann überbringt eine gute<br />
Nachricht: Fischerpfanne Portofino,<br />
Vier-Käse-Nudeln, Asia-Gemüse<br />
kommen aus der Tiefkühltruhe im<br />
Supermarkt unverfälscht auf den<br />
Tisch – ohne Farbstoffe, Geschmacksverstärker<br />
oder Stabilisatoren.<br />
Streng kontrollierte Qualität mit<br />
ausführlicher Inhaltsangabe auf jeder<br />
Packung. Sie kostet zwar deutlich<br />
mehr als das Techno-Essen aus der<br />
Nachbartruhe. Aber das sollten K<strong>und</strong>en<br />
zu schätzen wissen. Dachten die<br />
Bremerhavener jedenfalls.<br />
Die Zahlen sprechen eine andere<br />
Sprache. Seit Frosta ein „Reinheitsgebot“<br />
auf die Tüten druckt, streiken<br />
die K<strong>und</strong>en. „Wir haben uns übernommen“,<br />
sagte Frosta-Vorstandschef<br />
Dirk Ahlers auf der Hauptversammlung<br />
im Frühjahr. Die von Verbraucherschützern<br />
<strong>und</strong> Ernährungs-<br />
Demonstrationsröhrchen mit Aromakapseln <strong>für</strong> Lebensmittel: Durchschnittlich 137 Kilogramm aromatisiertes Essen verzehrt jeder Deutsche pro Jahr<br />
experten hoch gelobte Geschmacksoffensive<br />
ist beim K<strong>und</strong>en gefloppt.<br />
Etabliert hat sich im Supermarkt<br />
dagegen eine ausgefeilte Lebensmitteltechnik.<br />
Beispiel Aromen: Ein Achtel<br />
unserer Nahrung ist mit fruchtigen<br />
<strong>und</strong> würzigen Zusatzstoffen angereichert,<br />
hat der Deutsche Verband der<br />
Aromenindustrie errechnet. 137 Kilogramm<br />
aromatisiertes Essen kommt<br />
jährlich pro Kopf auf den Tisch.<br />
Joghurt, Eis <strong>und</strong> Tiefkühlpizza<br />
etwa sind oft mit Vanillin versetzt.<br />
Sylvia Herrero Arevalo, 12 Jahre<br />
„Mein Papa macht,<br />
dass man superbequem<br />
zum Flieger kommt.“<br />
Den „naturidentischen Aromastoff“<br />
mit dem lieblich-süßlichen Geschmack<br />
des Vanillestrauchs setzen<br />
Nahrungsmittelproduzenten besonders<br />
gern ein. Selbst Ketchup kommt<br />
in Tests bei Kindern besser an, wenn<br />
er Vanillin enthält. Das Patent <strong>für</strong><br />
seine Herstellung entwickelten zwei<br />
deutsche Chemiker im Jahr 1874.<br />
Heute kann die Industrie aus mehr<br />
als 2500 Geschmacksnoten wählen.<br />
„Die Nachfrage nach bestimmten<br />
Geschmäckern erzeugen die Herstel-<br />
Mikrowelle Herzstück jedes<br />
Geräts ist das Magnetron:<br />
Ein Sender, der elektromagnetische<br />
Wellen erzeugt.<br />
Diese bringen die Wassermoleküle<br />
im Inneren von<br />
Speisen in schnelle Schwingung.<br />
Durch die Reibungshitze<br />
werden Schnitzel,<br />
Milchkaffees, Kartoffelaufläufe<br />
<strong>und</strong> Curry-Gerichte erwärmt.Mikrowellengeschirr<br />
enthält kein Wasser –<br />
<strong>und</strong> bleibt deshalb kalt.<br />
ler“, kritisiert Stefan Weigt vom Verband<br />
<strong>für</strong> Unabhängige Ges<strong>und</strong>heitsberatung,<br />
der unter anderem in Kooperation<br />
mit Verbraucherschützern<br />
Ernährungsberater in Schulen<br />
schickt. „Kinder gewöhnen sich besonders<br />
schnell an Süßgeschmack,<br />
genauso wie an aromatisierte Fertiggerichte“,<br />
sagt Weigt.<br />
Um den Geschmack zu perfektionieren,<br />
schaltet die Lebensmittelindustrie<br />
teilweise sogar gezielt Sinne<br />
aus. Die Firma Rudolf Wild aus Ep-<br />
Zefa/David Muir; Gettyimages; Tupperware<br />
Kühlschrank Als unverzichtbar<br />
gilt heute der elektrische Kühlschrank<br />
, weshalb er auch nicht<br />
gepfändet werden darf. Vor 50<br />
Jahren war er in deutschen Haushalten<br />
noch eine Seltenheit. Erf<strong>und</strong>en<br />
hat die Technik der Ingenieur<br />
Carl Linde im ausgehenden<br />
19. Jahrh<strong>und</strong>ert. Linde stammte<br />
aus Franken, wo viel Bier getrunken<br />
wird. Zu Lindes ersten K<strong>und</strong>en<br />
zählte eine Brauerei, denn<br />
Bier, speziell untergäriges, muss<br />
nahe dem Gefrierpunkt gären.<br />
penheim hat im vergangenen Jahr<br />
den „Resolver“ auf den Markt gebracht<br />
– ein Produkt, das den metallisch-bitteren<br />
Beigeschmack vieler<br />
künstlicher Süßstoffe überdecken<br />
soll. Der Resolver blockiert dazu einen<br />
Teil der Geschmacksrezeptoren<br />
auf der Zunge. Das erste Mal kommt<br />
die neue Technik beim Süßungsmittel<br />
„Sweet-Up“ zum Einsatz. „Die Akzeptanz<br />
liegt praktisch gleichauf mit<br />
Zucker“, sagt Wild-Sprecherin Christina<br />
Heinbockel.<br />
Wir entwickeln die Zukunft <strong>für</strong> Sie.<br />
Visum/Thomas Pflaum<br />
Appetitanregend auf Verbraucher<br />
sollen auch so genannte Duftsäulen<br />
wirken. Aus denen strömen verdampfende<br />
Öle, die den Absatz ankurbeln<br />
sollen. „Wo es gut riecht,<br />
bleibt der K<strong>und</strong>e länger. Wo er länger<br />
bleibt, kauft er mehr“, sagt Hans Voit,<br />
Geschäftsführer des Münchner Duftsäulenproduzenten<br />
Voitino Duftmarketing.<br />
Künftig sollen die Öle in<br />
Supermärkten regelmäßig in der<br />
Nase kitzeln: Dank Bewegungssensor<br />
riecht es nach Chinapfanne, sobald<br />
der K<strong>und</strong>e sich über die Kühltruhe<br />
beugt. „Experten schätzen,<br />
dass Umsätze im Einzelhandel mit<br />
dem richtigen Duft um bis zu sechs<br />
Prozent zunehmen“, sagt Voit.<br />
Selbst wer nur Naturprodukte<br />
kauft, bekommt die Folgen zunehmender<br />
Technik zu spüren: Bananen<br />
etwa müssen laut europäischer Vorgabe<br />
eine merkliche Krümmung aufweisen,<br />
Gurken gerade sein. „Die Industrialisierung<br />
in der Nahrungsmittelproduktion<br />
ist Treiber <strong>für</strong> viele solcher<br />
Normungsschritte des Gesetzgebers“,<br />
sagt Ges<strong>und</strong>heitsberater<br />
Weigt. Verbraucher können sich<br />
technisch behandelter Nahrung also<br />
kaum entziehen. Ob sie das überhaupt<br />
wollen, erscheint nach dem<br />
Frosta-Flop ohnehin fraglich.
Schrift Das Bedürfnis, Besitz anzuzeigen,<br />
wird als Hauptmotivation<br />
<strong>für</strong> ihre Erfindung angesehen.<br />
Gut 5000 Jahre alt sind die frühesten<br />
sumerischen Tontafeln mit<br />
Wirtschaftstexten in einer Bildsprache.<br />
Die Schriftsprache kam<br />
bei den Sumerern um 2800 v. Chr.<br />
auf. Jahrtausendelang wurde per<br />
Hand geschrieben. Ab 1450 setzte<br />
sich in Europa der Buchdruck<br />
durch. Computer machten die<br />
Textverarbeitung endgültig zum<br />
Massenphänomen.<br />
Fernseher Ursprünglich wollte<br />
man nach der Erfindung des Telefons<br />
auch Bilder simultan übertragen<br />
– aus dem frühen Wunsch<br />
nach einem Bildtelefon entstand<br />
jedoch der Fernseher. Auf die erste<br />
Sendung in rosafarbenem Neonlicht<br />
1926 <strong>und</strong> das vollelektronische<br />
Gerät mit Braunscher Röhre<br />
1930 folgte 1953 der Farbfernseher.<br />
Im gleichen Jahr wurde erstmals<br />
europaweit ferngesehen: Der<br />
Krönung von Elizabeth II. schauten<br />
Menschen in fünf Ländern live zu.<br />
Telefon Es brauchte vier Anläufe,<br />
bis die Telefontechnik patentreif<br />
war. Dem Amerikaner Graham<br />
Bell gelang es 1876, akustische<br />
Signale <strong>für</strong> die Übertragung<br />
in elektrische zu verwandeln.<br />
Nach diesem Prinzip funktionierte<br />
auch 1863 das Telefon des<br />
deutschen Physiklehrers Philipp<br />
Reis, nur haperte es noch an der<br />
Übermittlungsqualität. Trotzdem<br />
orderte Kaiser Franz Josef I.<br />
davon gleich mehrere Geräte,<br />
auch <strong>für</strong> die Toilette.<br />
4 FREITAG, 18. JUNI 2004 TECHNIK IM ALLTAG FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND<br />
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Neue Geräte führen zu neuer Kommunikationskultur<br />
Kurznachrichten sind eine elende Tipperei auf der Handy-Tastatur, es sei denn, man verständigt sich über Kürzel: Aus der Frage „Hast Du Lust auf ein Bier?“ wird schnell „Haduluaueibi?"<br />
Von Markus Göbel<br />
Seit es SMS gibt, hat sich das<br />
Leben von Angela Merkel<br />
„dramatisch verändert“.<br />
Selbst zu Hause in der Küche<br />
tippe sie Nachrichten <strong>und</strong> lasse dabei<br />
manchmal „die Rouladen an-<br />
Während die Antwort auf einen Brief tagelang warten kann, muss die Antwort auf eine SMS innerhalb von Minuten erfolgen<br />
Fortschritt durch Fortschritt<br />
Die FTD-Sonderbeilagen-Serie „Faszination Technik“<br />
Ab 18. Juni 2004 erscheint jeweils freitags in<br />
der FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND<br />
die fünfteilige Sonderbeilagen-Serie<br />
zum Thema „Faszination Technik“.<br />
Passend zum „Jahr der Technik 2004“<br />
widmet sich die FTD den vielfältigen<br />
brennen“, berichtete die CDU-Chefin<br />
neulich in der Talkshow von<br />
Johannes B. Kerner. Auch in Sitzungen<br />
schreibe sie ständig SMS.<br />
Damit ist sie nicht der einzige<br />
Politiker, der sich ablenken lässt: Im<br />
Dezember nahm der estnische Verkehrsminister<br />
Meelis Atonen per<br />
Facetten moderner Technologien <strong>und</strong><br />
gibt einen vertiefenden Einblick in<br />
kommende Innovationen <strong>und</strong> deren<br />
gesellschaftliche Impulse. Für Ihren Informationsvorsprung<br />
gibt es folgende<br />
Termine:<br />
Alltagstechnik, ET: 18. Juni 2004<br />
Anzeigen-/Druckunterlagenschluss: 28.05.2004<br />
Spezialtechnik, ET: 25. Juni 2004<br />
Anzeigen-/Druckunterlagenschluss: 04.06.2004<br />
Technikforschung, ET: 2. Juli 2004<br />
Anzeigen-/Druckunterlagenschluss: 11.06.2004<br />
Technik im Wettbewerb, ET: 9. Juli 2004<br />
Anzeigen-/Druckunterlagenschluss: 18.06.2004<br />
Technik & Gesellschaft, ET: 16. Juli 2004<br />
Anzeigen-/Druckunterlagenschluss: 25.06.2004<br />
Kontakt: Tel.: 040/31990-279 oder E-Mail: sonderthemen@ftd.de<br />
Laptop übers Internet an einer Kabinettssitzung<br />
in seiner Hauptstadt<br />
Tallinn teil, während er in Genf saß<br />
<strong>und</strong> eigentlich einem Redner auf der<br />
Uno-Tagung zuhören sollte.<br />
Mobiltelefone <strong>und</strong> Internet haben<br />
den Informationsaustausch extrem<br />
beschleunigt. Doch ob sie die Kom-<br />
munikation verbessert haben, ist<br />
fraglich. „Die dauernde Erreichbarkeit<br />
<strong>und</strong> der Zwang, sofort zu reagieren,<br />
führen zu einer Zerstückelung<br />
des Alltags“, sagt Axel Freyberg,<br />
Mobilfunkexperte <strong>und</strong> Mitglied der<br />
Geschäftsführung der Unternehmensberatung<br />
AT Kearney.<br />
R<strong>und</strong> 25,5 Milliarden SMS haben<br />
die Deutschen im vergangenen Jahr<br />
verschickt, die Zahl der Handynutzer<br />
stieg auf 64,78 Millionen. Zusätzlich<br />
werden weltweit täglich 31 Milliarden<br />
E-Mails versendet, schätzt das<br />
Marktforschungsunternehmen IDC.<br />
„Es werden immer schnellere Antworten<br />
verlangt“, sagt der SMS-Forscher<br />
Joachim Höflich, Professor <strong>für</strong><br />
Kommunikationswissenschaft an<br />
der Universität Erfurt. Während die<br />
Antwort auf einen Brief tagelang warten<br />
kann, müssen E-Mails innerhalb<br />
von St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> SMS innerhalb von<br />
Minuten beantwortet werden. Die<br />
Wissenschaft spricht vom „Rebo<strong>und</strong>-Effekt“.<br />
„Neue Kommunikationsmittel<br />
beschleunigen zwar die<br />
Kommunikation, aber es werden im-<br />
mer mehr belanglose Dinge kommuniziert,<br />
so dass keine Zeit gespart<br />
wird“, sagt Klaus Goldhammer, Professor<br />
an der Rheinischen Fachhochschule<br />
Köln <strong>und</strong> Geschäftsführer der<br />
Medienberatung Goldmedia.<br />
Das zeigt sich besonders beim<br />
„Instant Messaging“ im Internet, bei<br />
dem die Nachrichten direkt auf dem<br />
Als vom PC noch niemand sprach:<br />
Violetta-Radio von 1954<br />
Vario-Press/FTD-Montage<br />
Guenter F. Abele<br />
Bildschirm erscheinen, sobald sie<br />
gesendet werden. Wer genügend<br />
Fre<strong>und</strong>e in seiner „Buddy-Liste“ eingetragen<br />
hat, muss den ganzen Tag<br />
Botschaften wie „Was machst Du<br />
gerade?“ beantworten. „Entgegen<br />
allen Be<strong>für</strong>chtungen vereinsamen<br />
die Menschen nicht. Die persönlichen<br />
Bindungen werden sogar noch<br />
enger“, sagt Höflich.<br />
Manchmal wird die Nähe zur<br />
Sucht, wie im Fall eines dänischen<br />
Taxifahrers, der bis zu 200 SMS am<br />
Tag verfasste <strong>und</strong> dann in eine Klinik<br />
eingeliefert wurde. Die Kurznachricht<br />
bewirkt die Ausschüttung des<br />
Neuro-Botenstoffes Dopamin, der<br />
auch <strong>für</strong> die Sucht nach Alkohol oder<br />
Schokolade verantwortlich ist. Trotzdem<br />
bestehe kein Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> Kulturpessimismus,<br />
sagt Patrick Rössler,<br />
Professor <strong>für</strong> empirische Kommunikationsforschung<br />
an der Universität<br />
Erfurt. „Die Menschen waren rückblickend<br />
immer in der Lage, die notwendigen<br />
kognitiven Fähigkeiten<br />
auszubilden, um neue Kommunikationsformen<br />
zu bewältigen.“<br />
Die CDU-Chefin Angela hat zumindest<br />
schon einmal die Mailbox<br />
ihres Handys abgeschafft. Manch<br />
einer hatte so lange draufgesprochen,<br />
dass sie einfach die Lust verlor,<br />
die Nachrichten abzuhören.<br />
Einheitsprogramm steht vor dem Ende<br />
Zuschauer stellen sich künftig ihre persönlichen Lieblingssendungen selbst zusammen<br />
Von Markus Göbel<br />
Unter dem Schreibtisch in einer<br />
Braunschweiger Wohnung stehen<br />
zwei Computer. Einer saugt Tag<br />
<strong>und</strong> Nacht die neuesten Kinofilme<br />
aus dem Internet. Auf dem anderen<br />
schreibt der Besitzer seine Briefe, damit<br />
er sich beim Herunterladen keinen<br />
Virus einfängt. Am Wochenende<br />
kuschelt er sich mit seiner Fre<strong>und</strong>in<br />
ins Bett <strong>und</strong> schaut einen Film nach<br />
dem anderen, wozu er einen Fernseher<br />
an den Computer angeschlossen<br />
hat. Ungefähr 50 der neuesten Kassenschlager<br />
hat der Fließbandarbeiter<br />
von Volkswagen immer vorrätig.<br />
Nach dem Anschauen löscht er sie,<br />
weil das Angebot beim illegalen Video-Download<br />
im Internet grenzenlos<br />
ist. Und weil er illegal handelt,<br />
möchte er auch ungenannt bleiben.<br />
Mit seiner privaten Programmgestaltung<br />
könnte er ein neues Kapitel<br />
in der Geschichte der Mediennutzung<br />
schreiben. Denn „ein positiver<br />
Effekt des Fernsehens ist bisher, dass<br />
es zur gesellschaftlichen Integration<br />
beiträgt“, sagt Hans-Bernd Brosius,<br />
Professor <strong>für</strong> empirische Kommunikationsforschung<br />
der Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München. „Die<br />
Menschen werden kommunikationsfähig,<br />
weil das Fernsehen ihnen<br />
gemeinsame Gesprächsthemen liefert.“<br />
98 Prozent der deutschen<br />
Haushalte besitzen mindestens ein<br />
TV-Gerät, das sind r<strong>und</strong> 56 Millionen<br />
Apparate.<br />
Eine der wichtigsten Folgen: Das<br />
Fernsehen bringt uns um den Schlaf,<br />
weil die besten Sendungen abends<br />
SMS: SIEGESZUG EINES NOTBEHELFS<br />
Beginn Die Abkürzung<br />
SMS steht <strong>für</strong> „Short<br />
Messaging Service“.<br />
Den Erfolg dieses Systems<br />
hat am Anfang<br />
niemand kommen<br />
sehen. Ursprünglich<br />
waren die Kurznachrichten<br />
kostenlos. Techniker<br />
haben sie eigentlich<br />
nur dazu entwickelt,<br />
um die Besitzer<br />
von Handys über Anrufe<br />
auf ihrer Mailbox<br />
zu benachrichtigen.<br />
laufen. Erwachsende schlafen pro<br />
Tag 70 Minuten weniger als ihre<br />
Großeltern. Bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
beträgt die Differenz gegenüber<br />
ihren Altersgenossen des Jahres1910<br />
sogar 90 Minuten. Das st<strong>und</strong>enlange<br />
Zappen durch die Programme<br />
ist zur zweiten Natur geworden.Die<br />
Sender versuchen mit immer<br />
radikaleren Mitteln, ihre Zuschauer<br />
zu halten. In der RTL-Sendung<br />
„Fear Factor“ mussten die Kandidaten<br />
gekochte Schafsaugen essen<br />
<strong>und</strong> Hähnchenschenkel mit dem<br />
M<strong>und</strong> aus einem mit Insekten gefüllten<br />
Becken fischen. Doch „die Kritik<br />
am Fernsehen ist so alt wie das Fernsehen<br />
selbst“, sagt Brosius. „Schon<br />
Aufstieg Heute hat<br />
sich r<strong>und</strong> um die Kurznachrichten<br />
ein Riesengeschäft<br />
entwickelt:<br />
Die Kosten <strong>für</strong> die Herstellung<br />
einer Kurznachricht<br />
fallen nach<br />
Auskunft von Experten<br />
zwar so gering aus,<br />
dass sie „fast nicht<br />
messbar“ sind. Aber <strong>für</strong><br />
das Verschicken verlangen<br />
die Serviceanbieter<br />
r<strong>und</strong> 20 Cent pro<br />
Kurznachricht.<br />
Konsequenz Die SMS<br />
hat die Kommunikation<br />
verändert: Kurznachrichten<br />
beschleunigen<br />
zwar den Austausch<br />
zwischen den Menschen.<br />
Aber gleichzeitig<br />
werden dadurch immer<br />
mehr belanglose Dinge<br />
kommuniziert, haben<br />
Experten festgestellt.<br />
Die neue Technik hilft<br />
also nicht unbedingt<br />
Zeit sparen, sondern<br />
lenkt mitunter ab.<br />
die erste Studie über das Fernsehen<br />
in Deutschland hatte zum Ergebnis,<br />
dass die Qualität immer schlechter<br />
wird.“ Das war vor etwa 50 Jahren.<br />
Trotzdem înteressieren sich jetzt<br />
immer mehr Menschen da<strong>für</strong>, ihr<br />
Programm am Computer selbst zu<br />
gestalten. „Zum Beispiel waren die<br />
kürzlich bei Aldi verkauften PCs bereits<br />
mit TV-Empfang <strong>und</strong> drahtloser<br />
Vernetzung ausgerüstet. Der Trend<br />
geht zum PC mit Fernbedienung“,<br />
sagt Reiner Kreplin, Manager <strong>für</strong> digitale<br />
Heimprogramme beim Chiphersteller<br />
Intel.<br />
Die vor einigen Monaten auf den<br />
Markt gekommenen Unterhaltungs-PC<br />
sehen aus wie eine Stereoanlage<br />
<strong>und</strong> müssen nicht mehr per<br />
Tastatur bedient werden. Im Wohnzimmer<br />
ersetzen sie Videorekorder,<br />
CD- <strong>und</strong> DVD-Spieler, brennen CDs<br />
<strong>und</strong> DVDs <strong>und</strong> laden Musik <strong>und</strong><br />
Filme aus dem Internet. „Das Nutzerverhalten<br />
wird sich in den kommenden<br />
Jahren ändern“, sagt Björn<br />
Fehrm von Fujitsu Siemens Computers.<br />
„Jedes Familienmitglied wird in<br />
dem digitalen Videorekorder seine<br />
Vorlieben abspeichern, <strong>und</strong> das Gerät<br />
nimmt selbstständig die passenden<br />
Programme auf.“<br />
Zappen könnte also überflüssig<br />
werden, sobald jeder immer seine<br />
Lieblingssendungen sehen kann.<br />
Nur wer möchte seinen Fernseher<br />
wie einen Computer bedienen? Der<br />
ehemalige RTL-Chef Helmut Thoma<br />
bezeichnete einmal Einschalten,<br />
Lautstärke <strong>und</strong> Umschalten als wichtigste<br />
Bedienfunktionen des Fernsehens.<br />
Mehr sei auch nicht sinnvoll.<br />
FTD/Peter Raffelt; Philips; Caro/Westermann
Tonträger 1877 montierte<br />
Thomas Edison eine Nadel an<br />
eine Membran <strong>und</strong> ließ sie<br />
über ein mit Paraffin bezogenes<br />
Papier kratzen. Der erste<br />
Tonträger war erf<strong>und</strong>en. Später<br />
kamen Gummiplatten, dann<br />
Schellack <strong>und</strong> Vinyl. Qualität:<br />
„Getting better“. Genau 90<br />
Jahre nach Edisons Entdeckung<br />
sangen die Beatles diesen<br />
Titel auf ihrer Erfolgsscheibe<br />
„Sergeant Pepper’s<br />
Lonely Hearts Club Band“.<br />
Reißverschluss Auf der Weltausstellung<br />
in Chicago präsentierte der<br />
amerikanische Ingenieur Withcomb L.<br />
Thomson 1893 seinen „Klemmöffner<br />
<strong>und</strong> -schließer <strong>für</strong> Schuhe“. Doch oft<br />
klemmte die<br />
Mechanik auch<br />
dann, wenn sie<br />
aufgehen sollte.<br />
Ein Schweizer Fabrikant<br />
brachte die<br />
Technik Anfang der 20er Jahre zur Serienreife.<br />
Wenn er dennoch klemmt:<br />
Einreiben mit Seife oder Wachs hilft.<br />
FTD/Peter Raffelt; AGE/Mauritius; John Springer Collection/Corbis<br />
Auto 1886 schufen Gottlieb<br />
Daimler <strong>und</strong> Carl Benz mit ihren<br />
mobilen Motoren die<br />
Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> den Siegeszug<br />
des Autos. Henry<br />
Fords Fließband ermöglichte<br />
die Massenproduktion.<br />
Heute werden weltweit<br />
jährlich fast 60 Millionen<br />
Autos produziert.<br />
Mit dem ersten Luftreifen<br />
fuhr übrigens 1888<br />
der kleine Johnny. Sein Vater:<br />
der Schotte John Dunlop.<br />
FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND TECHNIK IM ALLTAG FREITAG, 18. JUNI 2004 5<br />
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Von Detlef Gürtler<br />
Vor 100 Jahren schon klangen<br />
die Sozialdemokraten zukunftsfroh<br />
<strong>und</strong> technikbegeistert:<br />
„Ihr Arbeiter werdet<br />
einst in eigenen Wagen fahren, auf eigenen<br />
Schiffen touristisch die Meere<br />
durchkreuzen, in Alpenregionen<br />
klettern <strong>und</strong> schönheitstrunken<br />
durch die Gelände des Südens, der<br />
Tropen schweifen. Oder ihr saust mit<br />
eurem Luftgespann über die Erde dahin“,<br />
schreiben Mitglieder der Hannoveraner<br />
SPD zum 1. Mai 1904 ihren<br />
Traum von der Mobilität auf.<br />
Die Vorstellungen von damals hat<br />
das 20. Jahrh<strong>und</strong>ert ungefähr erfüllt.<br />
Das Erk<strong>und</strong>en der ganzen Welt ist allgemeiner<br />
Besitzstand geworden –<br />
zumindest in den westlichen Industrienationen.<br />
Vor 100 Jahren galt es<br />
noch als Privileg der Superreichen.<br />
Jahrtausendelang war die Geschichte<br />
der Mobilität ohnehin eher<br />
eine der Immobilität: Die Fortbewegung<br />
fand im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert nach<br />
Christus genauso zu Fuß statt wie im<br />
18. Jahrh<strong>und</strong>ert vor Christus. Auch<br />
Ochsenkarren oder Pferdefuhrwerk<br />
sind schon mehrere Tausend Jahre<br />
alt. Doch in den vergangenen zwei<br />
Jahrh<strong>und</strong>erten brachten gleich vier<br />
Mobilität kommt Schub um Schub<br />
Die Telekommunikation verändert die Gesellschaft – so wie es zuvor nur Eisenbahn, Automobil <strong>und</strong> Flugzeug geschafft haben<br />
So wie in dieser Fotomontage könnte das Reisen der Zukunft funktionieren – als schwerelose Fortbewegung. In den vergangenen zwei Jahrh<strong>und</strong>erten hat Technik die Mobilität stark erweitert<br />
Technikschübe Bewegung: die Eisenbahn,<br />
das Auto, das Flugzeug <strong>und</strong> die<br />
Telekommunikation. Jeder Schub erschloss<br />
eine neue Dimension.<br />
Mit der Eisenbahn wuchsen die<br />
Städte. Bis zu ihrer Erfindung war bei<br />
einer Entfernung von drei Kilometern<br />
vom Stadtzentrum die Grenze<br />
erreicht. „Auf diese eine St<strong>und</strong>e war<br />
<strong>und</strong> ist die Ausdehnung der Stadt begrenzt.<br />
Je nachdem, ob der Fußgän-<br />
Der Vater von Sylvia sorgt da<strong>für</strong>,<br />
dass man auf den großen Flughäfen<br />
Europas entspannt vorankommt.<br />
Felipe Herrero Mangas<br />
mit Tochter Sylvia<br />
Weitere Infos: www.thyssenkrupp.com<br />
ger die Maße setzt, die Eisenbahn<br />
oder das Auto, wird sie dem Auge als<br />
eng oder weitläufig erscheinen. Das<br />
Gedränge, gemessen am jeweiligen<br />
Fortbewegungsmittel, ist jeweils das<br />
gleiche“, schreibt Wolf Schneider in<br />
dem Buch „Überall ist Babylon“, einer<br />
Weltgeschichte der Stadt.<br />
Während die Eisenbahn punktförmige<br />
Ballungen r<strong>und</strong> um Bahnhöfe<br />
begünstigte, erschloss das Auto die<br />
Fläche <strong>und</strong> die Vorstädte wuchsen.<br />
Das Flugzeug hat die Pendlerströme<br />
zwar wenig verändert – umso mehr<br />
aber die Möglichkeiten von Urlaubs<strong>und</strong><br />
Wochenendgestaltung.<br />
Der vierte Technologieschub hat<br />
gerade erst angefangen, sich auf das<br />
Mobilitätsverhalten auszuwirken.<br />
Durch die neuen Kommunikationstechniken<br />
lassen sich viele Arbeiten<br />
prinzipiell von jedem Ort der Welt<br />
aus in der gleichen Zeit erledigen –<br />
ohne viel mehr zu kosten. Die technischen<br />
Gründe, die Menschen physisch<br />
an ihren Arbeitsplatz binden,<br />
entfallen einer nach dem anderen.<br />
Kommunikationstechnik wie Internet,<br />
E-Mail oder Videokonferenz<br />
bieten den Nutzern mehr Entscheidungsfreiheit<br />
<strong>und</strong> Lebensqualität –<br />
potenziell zumindest. Arbeiter müssten<br />
nicht mehr den Jobs hinterher-<br />
ziehen, sie könnten ihre Standorte<br />
nach eigenem Belieben wählen, die<br />
Arbeit würde ihnen folgen. Doch wer<br />
sich in der Realität umschaut, stellt<br />
fest, dass wir von einem solchen<br />
Reich der Freiheit noch Jahrzehnte<br />
entfernt sind. Das ist aber noch vergleichsweise<br />
wenig Zeit. Schließlich<br />
hat die Prognose der Hannoveraner<br />
SPD auch lange gebraucht, um sich<br />
annähernd zu erfüllen.<br />
Felipe Herrero Mangas <strong>und</strong> seine Kollegen bauen Fahrsteige bei ThyssenKrupp,<br />
die auf Flughäfen überall dort eingesetzt werden, wo Passagiere schnell,<br />
sicher <strong>und</strong> bequem weite Wege zurücklegen müssen. So erreichen schon<br />
heute Tag <strong>für</strong> Tag Millionen von Menschen mit der Hilfe von ThyssenKrupp<br />
ganz bequem ihre Flieger.<br />
Dabei arbeiten wir ständig an Verbesserungen. Bestes Beispiel: unsere<br />
neueste Innovation, der beschleunigende Fahrsteig. Kaum hat man ihn<br />
betreten, beschleunigt er sanft auf die doppelte Geschwindigkeit. Und am<br />
Ende bremst er genauso sanft wieder ab. Eine Idee, die ebenso einfach wie<br />
genial ist. Kein W<strong>und</strong>er also, dass ThyssenKrupp <strong>für</strong> diese Neuentwicklung<br />
bereits einen Innovationspreis erhalten hat.<br />
Die Technologie von ThyssenKrupp sorgt <strong>für</strong> Bewegung.<br />
Einige Beispiele:<br />
Damptronic, ein elektronisch verstellbares Dämpfungssystem, mit dem<br />
Schwingungen minimiert <strong>und</strong> der Fahrkomfort gesteigert wird. Denn als<br />
einer der ganz großen Systempartner <strong>für</strong> die Automobilindustrie<br />
entwickeln wir gemeinsam Komponenten, Module <strong>und</strong> ganze Systeme <strong>für</strong><br />
den Automobilbau.<br />
Unsere High-Tech-Schiffe. Die Innovation beginnt schon beim Entwurf.<br />
Mit einem speziell entwickelten Design-System kann der K<strong>und</strong>e schon<br />
vor dem Bau einen virtuellen Spaziergang durch sein Schiff machen.<br />
Unsere Triebwerkschaufeln aus Titan. Sie werden in Triebwerken fast aller<br />
modernen Flugzeuge eingesetzt <strong>und</strong> helfen, den Treibstoffverbrauch zu<br />
reduzieren.<br />
Wir entwickeln die Zukunft <strong>für</strong> Sie.<br />
Gettyimages
Elektrisches Licht Eine Kölnisch-Wasser-Flasche<br />
<strong>und</strong> einen<br />
Kohlefaden – daraus bastelte der<br />
Deutsche Heinrich Göbel 1854<br />
den Prototypen der Glühbirne.<br />
Auch der österreichische Autor<br />
Erich Fried tüftelte: Lange vor<br />
dem Einsatz von Leuchtstoffröhren<br />
meldete er 1937 ein Patent<br />
<strong>für</strong> Blitzlichtbirnen an. Ein<br />
Geschäft wurde daraus jedoch<br />
nicht. Frieds Vater fand: „Ich habe<br />
immer gewusst, diese Erfindungen<br />
waren ein Unsinn.“<br />
Philips/A.Brookes /C.Mathaes<br />
Fließendes Wasser ist auch<br />
heute noch <strong>für</strong> 1,1 Milliarden Menschen<br />
in Entwicklungsländern ein<br />
unerfüllter Wunsch. Am Genuss<br />
von Wasser aus verschmutzten<br />
Seen, Flüssen <strong>und</strong> Quellen sterben<br />
nach Angaben der Deutschen<br />
Welthungerhilfe jährlich etwa<br />
15 Millionen Menschen – vor allem<br />
Kinder. Ein Deutscher verbraucht<br />
pro Tag etwa 5 Liter <strong>für</strong> Essen<br />
<strong>und</strong> Trinken, r<strong>und</strong> 46 Liter zur<br />
Körperpflege, 37 Liter Trinkwasser<br />
spült er durch die Toilette.<br />
Mauerbau Bereits die Römer<br />
haben mit Mörtel gemauert –<br />
allerdings nicht der Stabilität wegen,<br />
sondern weil sich damit<br />
auch schlecht passende Steine in<br />
eine Mauer fügen lassen. Bei Repräsentativbauten<br />
wie der Porta<br />
Nigra in Trier sind die Steine so<br />
behauen, dass sie ohne Mörtel<br />
halten. Im Mittelalter setzte sich<br />
die Steinmauer gegen die Holzwand<br />
durch: Nach wiederholten<br />
Stadtbränden schrieben die Räte<br />
Häuser aus Stein vor. bon/kü<br />
6 FREITAG, 18. JUNI 2004 TECHNIK IM ALLTAG FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND<br />
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Echten Fortschritt gibt es nur <strong>für</strong> Betuchte<br />
Mit Innovationen versuchen Hausgerätehersteller, die Arbeit im Haushalt so einfach wie möglich zu gestalten. Die Entwicklungskosten sind immens<br />
Von Tina Klopp<br />
Teppiche klopfen, Aborte leeren,<br />
Kartoffeln stampfen,<br />
Marmelade einkochen.<br />
Hausarbeit war früher<br />
Schwerstarbeit – insbesondere am<br />
Waschtag: Die Hausfrau musste die<br />
groben Stoffe in einen Bottich mit<br />
kochend heißem Wasser geben,<br />
st<strong>und</strong>enlang mit dem Knüppel bearbeiten,<br />
durchwalken <strong>und</strong> schrubben,<br />
bis die Hände w<strong>und</strong> <strong>und</strong> schrumpelig<br />
waren. Im Fluss spülte sie die<br />
aggressive Lauge aus den schweren<br />
Stoffklumpen. In weniger als acht<br />
St<strong>und</strong>en war das kaum zu bewältigen.<br />
Heute dauert es eine Viertelst<strong>und</strong>e,<br />
bis die Wäsche gemacht ist.<br />
Es bedeutet nämlich nur noch, die<br />
Waschmaschine – häufig schon mit<br />
integriertem Trockner – ein- <strong>und</strong><br />
auszuräumen.<br />
Technik hat die Hausarbeit revolutioniert.<br />
Der Beitrag der privaten<br />
Haushalte wird zwar in der volkswirt-<br />
BELIEBTHEITSSKALA<br />
Was im Haushalt <strong>Spaß</strong> macht<br />
Die beliebten <strong>und</strong> die besonders<br />
unbeliebten Tätigkeiten im Haushalt<br />
Verfahren:<br />
Mittelwerte;<br />
fünfstufige Skala<br />
Wohnung einrichten<br />
1 1,62<br />
Einkaufen<br />
1 2,14<br />
Haushaltsorganisation<br />
1 2,21<br />
Kochen<br />
1 2,25<br />
FTD/jst; Quelle: Forum Hausgeräte<br />
1 = beliebt<br />
Heimwerken<br />
1 2,51<br />
•••<br />
Wäsche waschen<br />
1 3,06<br />
Bad putzen<br />
1 3,12<br />
5 = unbeliebt<br />
Wohnung putzen<br />
1 3,32<br />
Bügeln<br />
1 3,66<br />
Toilette putzen<br />
1 3,80<br />
schaftlichen Gesamtrechnung nicht<br />
berücksichtigt. Aber Wolfgang Glatzer,<br />
Soziologieprofessor an der Universität<br />
Frankfurt, weist darauf hin,<br />
dass „der Umfang der Haushaltsproduktion<br />
30 bis 50 Prozent des Sozialprodukts<br />
beträgt“. Betrachtet man<br />
einen Haushalt wie ein kleines Unternehmen,<br />
hat sich<br />
die Produktivität einer<br />
„Der Widerstand<br />
war am Anfang<br />
jeder Innovation<br />
gewaltig“<br />
Hausfrau pro St<strong>und</strong>e<br />
seit Anfang des<br />
20. Jahrh<strong>und</strong>erts je<br />
nach Arbeitsbereich<br />
mehr als verdreißigfacht.<br />
Es war allerdings<br />
kein Mitgefühl, das<br />
den Frauen im Haushalt<br />
die technischen<br />
Hilfen an die Hand gab. Vielmehr<br />
suchten die Gerätehersteller nach<br />
neuen Absatzmärkten <strong>für</strong> Techniken,<br />
die sie mit Hilfe von Großgeräten bereits<br />
an die Industrie verkauft hatten.<br />
Die meisten der heute gebräuchlichen<br />
Haushaltshilfen stammen aus<br />
dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />
In der Masse durchgesetzt haben<br />
sich die so genannten Entstaubungspumpen<br />
<strong>und</strong> Elektroherde allerdings<br />
erst nach dem Zweiten Weltkrieg.<br />
Denn erst da war die Zeit der Dienstmädchen<br />
<strong>und</strong> Mägde endgültig vorbei,<br />
die <strong>für</strong> wenig mehr als Kost <strong>und</strong><br />
Logis in den Haushalten feiner Herrschaften<br />
arbeiteten.<br />
Noch heute allerdings muss Ralf-<br />
Jürgen Striek, technischer Leiter des<br />
deutschen Marktführers BSH Bosch<br />
<strong>und</strong> Siemens Hausgeräte, die Konkurrenz<br />
der so genannten haushaltsnahen<br />
Dienstleistungen im Auge behalten.<br />
Siemens gibt viel Geld <strong>für</strong><br />
Marktforschung aus. Vor kurzem hat<br />
Striek die Marktchancen des „Dressman“,<br />
eines neuen vollautomatischen<br />
Hemdenbüglers, kalkuliert.<br />
Siemens hat die Verbraucher in drei<br />
Gruppen eingeteilt: die passionierten<br />
Bügler, diejenigen, die sich mit<br />
dem Bügeln als notwendiges Übel<br />
abgef<strong>und</strong>en haben, <strong>und</strong> diejenigen,<br />
die nur widerwillig bügeln <strong>und</strong> es regelrecht<br />
hassen.<br />
Diese letzte Gruppe erschien den<br />
Entwicklern mit einem Anteil von<br />
30 Prozent der arbeitenden Gutverdiener<br />
groß genug. Nach Strieks Vorstellungen<br />
sollen diese K<strong>und</strong>en notfalls<br />
auch ihre Putz- <strong>und</strong> Bügelfrau<br />
durch die aufblasbare Puppe erset-<br />
Helmut Schäfer, Verein<br />
Deutscher Ingenieure<br />
zen: Der Dressman glättet schweigend<br />
Hemd <strong>und</strong> Bluse <strong>und</strong> sieht dabei<br />
ein bisschen aus wie Arnold<br />
Schwarzenegger in seinen Zeiten als<br />
Bodybuilder. Stückpreis: 990 €.<br />
Von Interesse <strong>für</strong> die kostspieligen<br />
Entwicklungsabteilungen wie die<br />
von Siemens sind zunächst nur die<br />
Sorgen <strong>und</strong> Nöte der Doppelverdiener<br />
ohne Kinder,<br />
der „Dinks“ („Double income,<br />
no kids“). „Der<br />
ganze Aufwand beim Forschen<br />
<strong>und</strong> Entwickeln<br />
lohnt sich nur, wenn wir im<br />
Hochpreissegment eine<br />
Chance sehen“, sagt Striek.<br />
So ist es schon<br />
immer gewesen.Zunächst<br />
kommen nur<br />
einige finanzkräftige<br />
Zielgrüppchen in<br />
den Genuss neuer<br />
Technik. „Geben<br />
Sie uns mindestens<br />
fünf Jahre,<br />
dann können wir<br />
die Stückzahl<br />
langsam erhöhen“,<br />
sagt Striek<br />
zuversichtlich – <strong>und</strong><br />
verweist auf seine jahrelange Erfahrung<br />
in dem Geschäft. Doch es ist<br />
nicht sicher, ob er Recht behält. Erst<br />
in einigen Jahren zeigt sich nämlich,<br />
ob der Markt reif ist <strong>für</strong> ein Massenphänomen.<br />
Früher haben sich die Unternehmen<br />
nicht solche Mühe mit den K<strong>und</strong>enwünschen<br />
gegeben. „Da gab es<br />
praktisch einen Verteilermarkt“ sagt<br />
Striek über die goldenen Nachkriegsjahre.<br />
Eine Marktdurchdringung einzelner<br />
Innovationen von mehr als 90<br />
Prozent, wie etwa beim Kühlschrank<br />
oder dem Fernsehgerät, wäre heute<br />
nicht mehr vorstellbar. „Wir müssen<br />
die Bedürfnisse der Verbraucher genau<br />
kennen, bevor wie heute ein<br />
Gerät in Produktion schicken“,<br />
sagt der Cheftechniker.<br />
Küchenarbeit<br />
zum Beispiel gilt als<br />
beliebt. Der Hobbykoch<br />
bekommt immer<br />
ausgefeiltere Technik an die Hand,<br />
um die Gerichte der Sterneköche in<br />
den eigenen Wänden nachzukochen.<br />
Und je mehr der Herd wieder<br />
der offenen Feuerstelle ähnelt, desto<br />
heimeliger. Reinigungsarbeiten hin-<br />
Das Wärmebild eines Wohnhauses zeigt, wo es Energie verliert: An den roten Stellen tritt Wärme aus<br />
Mauritius<br />
Eine aufziehbare<br />
Haushaltshilfe ist<br />
der Wunschtraum<br />
geplagter Hausfrauen<br />
<strong>und</strong> Haus- Images<br />
männer Getty<br />
gegen belegen Spitzenplätze auf der<br />
Liste der unbeliebten Haushaltstätigkeiten.<br />
Strieks Lösungsvorschläge <strong>für</strong><br />
die verhassten Putzarbeiten lauten<br />
zum Beispiel eine sich selbst reinigende<br />
Toilette oder eine nanopartikelbeschichtete<br />
Badezimmerkachel,<br />
von der Dreck schon von alleine abfällt.<br />
„Das bedeutet allerdings nicht,<br />
dass die Hausfrau oder der Hausmann<br />
heute weniger zu tun hätte“,<br />
sagt die Wiener Kulturwissenschaftlerin<br />
Susanne Breuss. „Die Art der Arbeit<br />
hat sich lediglich verändert.“ Die<br />
Hygieneansprüche sind zudem gestiegen.<br />
Früher war es akzeptabel,<br />
dass die Hühner unter dem Küchentisch<br />
herumliefen. Oder man wechselte<br />
seine Unterwäsche im Wochenrhythmus,<br />
während man sie heute<br />
sogar zweimal täglich tauscht – etwa<br />
nach dem Schwitzen.<br />
Breuss hat untersucht, wie der Siegeszug<br />
der Haushaltstechnik mit einer<br />
Hygienebewegung über alle Gesellschaftsschichten<br />
hinweg Hand in<br />
Hand ging. „Die Normen dieser Bewegung<br />
haben sich bis heute in den<br />
Köpfen festgesetzt“, sagt die Wissenschaftlerin,<br />
die sich mit diesen Argumenten<br />
auch mal selbst herausredet,<br />
wenn es bei ihr zu Hause nicht ganz<br />
so „blitzblank <strong>und</strong> keimfrei wie in der<br />
Werbung“ ausschaut.<br />
Neuerdings sind es vor allem Mikroelektronik<br />
<strong>und</strong> Informatik, die<br />
den Haushalt als ihren Markt entdeckt<br />
haben. Ein Beispiel da<strong>für</strong> ist<br />
das „serve@home“ von Siemens.<br />
Ein paar H<strong>und</strong>ert<br />
Deutsche nutzen bereits<br />
dieses System der kommunizierenden<br />
Haushaltstechnik. Mit ihrer Hilfe<br />
können sie von unterwegs die Herdplatte<br />
ausstellen oder auf dem Heimweg<br />
die Sauna in Gang bringen.<br />
„Die Akzeptanz ist noch nicht sehr<br />
groß“, sagt Helmut Schäfer vom Verein<br />
Deutscher Ingenieure über diese<br />
Technik. Er hält trotzdem <strong>für</strong> möglich,<br />
dass sie eines Tages zum deutschen<br />
Durchschnittshaushalt gehören<br />
wird: „Der Widerstand war am<br />
Anfang jeder Innovation gewaltig“,<br />
fügt der Ingenieur hinzu. „Aber die<br />
Menschen gewöhnen sich auf Dauer<br />
an das, was der Markt ihnen vorgibt.“<br />
Schließlich sei Technik auch eine<br />
Frage von Prestige. Und des nach außen<br />
getragenen Bekenntnisses: Ich<br />
bin ein moderner Mensch.<br />
Mit neuen Materialien sparen Bauherren <strong>und</strong> Hausbewohner viel Wärme-Energie<br />
Von Richard Haimann<br />
Auf den ersten Blick ist es paradox:<br />
Baustoffhersteller, Ingenieure<br />
<strong>und</strong> Architekten entwickeln neue<br />
Techniken, um Häuser gegen Wärmeverluste<br />
zu dämmen <strong>und</strong> sie mit<br />
wenig Energie zu heizen. Baufirmen<br />
<strong>und</strong> Bewohner eines Hauses bemühen<br />
sich darum, Energie zu sparen.<br />
Aber dennoch steigt der Verbrauch<br />
eines Haushalts.<br />
Der Hintergr<strong>und</strong>: „Zwar bieten<br />
moderne Bauten dank besserer Heizanlagen<br />
<strong>und</strong> besserer Dämmung<br />
Verbrauchswerte, die vor zehn Jahren<br />
nur Niedrigenergiehäuser aufwiesen<br />
– gleichzeitig gibt es aber mehr<br />
elektrische Komfortgeräte in den<br />
Wohnungen als früher“, sagt Bernd<br />
Utesch, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft<br />
<strong>für</strong> sparsamen <strong>und</strong><br />
umweltfre<strong>und</strong>lichen Energieverbrauch<br />
(ASUE).<br />
Im Wohnzimmer hat sich zum<br />
Videorekorder das DVD-Gerät gesellt.<br />
Satellitenschüsseln samt Receivern<br />
haben die alten Dachantennen<br />
ersetzt. Kaffeeautomaten, die Bohnen<br />
<strong>für</strong> jede einzelne Tasse frisch<br />
mahlen, machen herkömmliche Maschinen<br />
überflüssig. Waren schnur-<br />
5<br />
5<br />
5<br />
5<br />
5<br />
5<br />
5<br />
5<br />
5<br />
5<br />
Moderne Dämmstoffe <strong>und</strong> Heizungsanlagen senken den Bedarf. Der Stromverbrauch steigt dagegen – weil die Zahl der Elektrogeräte zunimmt<br />
lose Telefone vor zehn Jahren noch<br />
ein Luxus, gehören sie heute <strong>für</strong> viele<br />
zur Standardausstattung. Viele Geräte<br />
laufen kontinuierlich im Standby-Modus<br />
<strong>und</strong> verbrauchen Energie.<br />
„Wer Strom sparen will, sollte die<br />
Apparate komplett ausschalten“, rät<br />
Utesch.<br />
Sparen können Hausbewohner zudem<br />
mit neuen Heizungssystemen.<br />
Brennwertanlagen etwa reduzieren<br />
den Energiebedarf gegenüber Altkesseln<br />
bis zu 39 Prozent, haben Experten<br />
des Initiativkreises Erdgas<br />
& Umwelt errechnet. Denn bei<br />
einer Brennwertanlage erhitzen die<br />
heiße Abgase in einem Wärmetauscher<br />
das Wasser in den Heizleitungen<br />
zusätzlich. Solarkollektoren wiederum<br />
liefern vom Frühjahr bis in<br />
den Herbst warmes Wasser. Wärmepumpen,<br />
die vorhandene Erdwärme<br />
nutzen, eignen sich <strong>für</strong> Fußbodenheizungen.<br />
Die benötigen geringere<br />
Temperaturen als herkömmliche<br />
Heizkörper. Die Nutzer müssen aber<br />
im Winter darauf achten, dass der<br />
Boden nicht zu sehr abkühlt. Sonst<br />
müssten sie das Wasser zusätzlich<br />
über Heizstäbe erhitzen. „Dadurch<br />
verbrauchen sie unter Umständen<br />
mehr Energie, als sie einsparen“, sagt<br />
Utesch.<br />
Wer Neubauten dämmen möchte,<br />
solle modernen Porenbeton nutzen,<br />
rät Peter Mertens vom Verband des<br />
Westdeutschen Baustofffachhandels.<br />
Der Porenbeton besitzt kleine<br />
Hohlräume mit Luft, die eine Isolierschicht<br />
bildet.<br />
Hausbesitzer, die renovieren<br />
möchten, sollten das Dämmmaterial<br />
mit Bedacht auswählen. Zu viel davon<br />
schadet. „Ist das Mauerwerk luftdicht<br />
abgeschlossen, bildet sich<br />
Feuchtigkeit“, sagt Corinna Merzyn,<br />
Geschäftsführerin des Verbands Privater<br />
Bauherren. Was die Heizungsanlage<br />
angeht, empfiehlt sich bei<br />
Sanierungen „eine mit geringerem<br />
Energieverbrauch“, sagt Olaf Bahner,<br />
Sprecher des B<strong>und</strong>es Deutscher Architekten.<br />
Ab dem Jahr 2006 gilt die Energieeinsparverordnung<br />
in Deutschland<br />
voraussichtlich auch <strong>für</strong> bereits fertig<br />
gestellte Bauten. Sie schreibt vor, wie<br />
viel Energie ein Gebäude verbrauchen<br />
darf – wie viel <strong>und</strong> welches<br />
Dämmmaterial zum Einsatz kommt,<br />
bleibt dem Bauherren überlassen.<br />
„Eine relativ geringe Dämmung kann<br />
eine besonders energiesparende<br />
Heizungsanlage wieder ausgleichen“,<br />
sagt Barbara Schlesinger,<br />
Referentin <strong>für</strong> Bautechnik bei der<br />
B<strong>und</strong>esarchitektenkammer.<br />
IMPRESSUM<br />
Financial Times Deutschland<br />
Stubbenhuk 3 · 20459 Hamburg<br />
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