Predigt von der Christmette - Pfarre Wieselburg
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CHRISTMETTE 2011<br />
Nie im Jahr liegen Glück und Wehmut, Seligkeit und Trauer so nahe beieinan<strong>der</strong> wie heute.<br />
Der Glanz <strong>der</strong> Augen <strong>der</strong> Schenkenden und <strong>der</strong> Beschenkten, die familiäre Achtsamkeit<br />
füreinan<strong>der</strong>, aber auch <strong>der</strong> Schmerz <strong>der</strong> Einsamen und die Wehmut <strong>der</strong> allein Gebliebenen -<br />
ganz eigentümlich sind die Stimmungen gemischt in dieser heiligen Nacht!<br />
Schon Tage und Wochen zuvor hat sich diese Spannung aufgebaut, bis heute Mittag noch die<br />
Stadt im Konsumrausch, die Leute am Planen und Vorbereiten, und jetzt: Nichts als ergriffene<br />
Stille. Es ist, als hätte sich das ganze Jahr auf diese Stunde zu bewegt.<br />
Warum aber diese eigenartige Spannung? Freude gewiss, erwartungsvolle Stimmung gewiss,<br />
aber auch <strong>der</strong> ziehende Schmerz, die wehmütige Erinnerung und das Heimweh nach innen?<br />
Vielleicht haben Sie vor ein paar Stunden vor dem Kripperl gestanden und das Bild <strong>der</strong><br />
heiligen Familie angesehen: Eine Mutter mit einem kleinen Kind! Wir alle sind Kin<strong>der</strong> einer<br />
Mutter! Wir alle haben die zärtliche Nähe, die nährende und helfende Hand einer Mutter<br />
erfahren. Sie war da, rund um die Uhr. Sie war die erste, die uns anlächelte, mit uns sprach<br />
und die uns begleitet hat, solange sie konnte.<br />
Warum ich das am Hl. Abend sage: Weil ich glaube, es tut uns gut, heute in diese<br />
frühkindlichen Erinnerungen einzutauchen, damit wir ein bisschen ahnen können, was Gott<br />
uns im weihnachtlichen Geschehen geschenkt hat: So wie die Mutter unsere erste Heimat war,<br />
unsere erste Geborgenheit und die Erfahrung <strong>der</strong> ersten Liebe, so möchte uns die Heilige<br />
Nacht erinnern, dass Gott uns in dem kleinen Kind Jesus genau dasselbe schenken möchte:<br />
Heimat, Geborgenheit und Liebe!<br />
Haben wir nicht diese Geborgenheit manchmal im Leben schon vermisst? Ist uns nicht hin<br />
und wie<strong>der</strong> die Heimat verloren gegangen und haben wir nicht den Schmerz durch eine<br />
lieblose Umgebung erfahren? Wir sind erwachsenen geworden, wir sind irgendwie abgebrüht<br />
und funktionieren und sind zugleich in Gefahr, die Enttäuschungen des Lebens zu verdrängen.<br />
Die Botschaft <strong>von</strong> Weihnachten möchte uns eine Zusage machen: Der Charme Gottes ist uns<br />
erschienen und die Mütterlichkeit und die zärtliche Nähe Gottes! Seine Liebe ist nicht<br />
rationiert und begrenzt. Seine Liebe will - wie die Sonne jeden Morgen die dunkle Erde - alle<br />
Menschen erreichen und verwandeln. Die Weihnachtsbotschaft erweckt genau das zu neuem<br />
Leben, was uns zumindest als Sehnsucht jedem <strong>von</strong> uns auf den Leib geschrieben ist: Die<br />
elementare Bedürftigkeit nach zuvorkommen<strong>der</strong> Liebe, den Hunger nach zärtlicher<br />
Zuwendung und nach absichtloser Anerkennung und Behütung. Diese Botschaft möchte uns<br />
die Angst nehmen, dass wir vielleicht zu kurz kommen und ins Nichts fallen könnten. Sie<br />
nimmt uns den Wahn, uns selbst rechtfertigen zu müssen und alles erst verdienen zu müssen.<br />
Sie befreit uns aus dem Teufelskreis <strong>von</strong> Angst und Gewalt, <strong>von</strong> Min<strong>der</strong>wertigkeit und<br />
Überwertigkeit, <strong>von</strong> Abwertung und Überschätzung.<br />
Das Kind <strong>von</strong> Bethlehem sagt uns heute mit einem bezaubernden Lächeln: "Lasst euch lieben<br />
und glaubt, dass ihr erwünscht und bejaht seid!" Das heißt: Wir brauchen uns we<strong>der</strong> klein<br />
machen, noch aufzublasen. Wir dürfen einfach so sein, wie wir sind! Mit Jesus taucht ein<br />
Mensch unter uns auf, <strong>der</strong> nicht for<strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n gibt, <strong>der</strong> nicht abzählt und rechnet, son<strong>der</strong>n<br />
verschwen<strong>der</strong>isch austeilt, ohne Vorleistung und Nachleistung.<br />
Deshalb können wir ruhig unsere falschen, unsere bloß irdischen Begierden loswerden und<br />
aufgeben, nämlich die Gier, immer mehr haben zu wollen, immer mehr konsumieren zu<br />
müssen, weil wir glauben, etwas zu versäumen. Der Terror des Besitzens ist <strong>der</strong> Inbegriff des<br />
falschen Lebens und hat etwas Selbstzerstörendes an sich. Er wird immer mehr zur Sucht und<br />
jede Sucht macht krank!<br />
Das Zweite, was unsere Lebensqualität so schmälert und vergiftet, sind die vielen täglichen<br />
Streitigkeiten, die verletzenden Worte und die ständigen Sticheleien, die den Frieden in <strong>der</strong><br />
Familie bedrohen und manchmal unmöglich machen. Das Kind <strong>von</strong> Bethlehem möchte uns<br />
heute mit einem Lächeln sagen: "Du brauchst nicht auf an<strong>der</strong>e loszugehen und sie demütigen.
Du brauchst nicht an<strong>der</strong>e klein machen, denn in meinem Herzen ist für alle Platz: Für dich,<br />
aber auch für jene, mit denen du dir schwer tust! Hab doch Mut, ein Mensch zu sein mit Herz<br />
und Gefühl. Trau dich einmal, zu schweigen und hab die Größe, zu verzeihen und zu<br />
vergessen."<br />
Darum geht es also zu Weihnachten: Nicht nur ein paar Stunden eine heile Welt zu spielen,<br />
son<strong>der</strong>n das werden, was wir sind: Menschliche Menschen. Mensch zu sein wie er, <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong><br />
aus Nazareth, das Kind <strong>von</strong> Bethlehem, das macht den Christen zum Christen, das endlich<br />
stillt die ungestillte Sehnsucht nach Erfüllung. Du darfst sein, <strong>der</strong> du bist und du darfst<br />
bleiben, was du bist, im Namen dessen <strong>der</strong> bei uns bleibt und geboren ist in Bethlehem:<br />
Gottes mütterliche Liebe. Gottes väterlicher Charme in einer Person, überschwänglich,<br />
absichtslos und gratis. Deshalb wünsche ich Ihnen allen ein gesegnetes und friedliches<br />
Weihnachtsfest!<br />
F. D.Pf.