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Zur Notwendigkeit einer abgestuften Diagnostik in der ...

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längertes Exspirium mit Giemen liefert<br />

im Hochprävalenzkollektiv e<strong>in</strong>en erheblich<br />

besseren PPV als im Niedrigprävalenzbereich,<br />

obwohl die Spezifität bei<br />

letzteren nur wenig schlechter ist. Dafür<br />

ist im Niedrigprävalenzkollektiv <strong>der</strong><br />

negative Vorhersagewert NPV deutlich<br />

besser. Der Sachverhalt für die PEF-Variabilität<br />

ist ähnlich, <strong>in</strong> Bezug auf den<br />

NPV aber noch prägnanter. Bei <strong>der</strong><br />

Bronchoprovokation zeigt sich im Niedrigprävalenzbereich<br />

e<strong>in</strong>e deutlich ger<strong>in</strong>gere<br />

Sensitivität, aufgrund <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>geren<br />

Prävalenz ist <strong>der</strong> NPV dennoch<br />

höher als im Hochprävalenzbereich.<br />

Dafür ist <strong>der</strong> positive Vorhersagewert<br />

im Niedrigprävalenzbereich schlechter,<br />

obwohl die Spezifität höher liegt.<br />

Anhand dieser Beispiele wird deutlich,<br />

dass Sensitivität, Spezifität und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

die Vorhersagewerte ke<strong>in</strong>e<br />

a priori feststehenden Eigenschaften<br />

des diagnostischen Tests an sich s<strong>in</strong>d,<br />

son<strong>der</strong>n sich immer auf die Anwendung<br />

des diagnostischen Tests <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>er</strong> selektionierten<br />

Population beziehen [14].<br />

Somit kommt es immer auf den richtigen<br />

Zeitpunkt <strong>der</strong> Selektion an, zu<br />

dem die unterschiedlichen diagnostischen<br />

Methoden e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />

Nur bei passen<strong>der</strong> Vortestwahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

kann die <strong>Diagnostik</strong> effizient,<br />

d. h. PPV und NPV ausreichend<br />

hoch und FPPV und FNPV ausreichend<br />

niedrig, werden. Im Folgenden wird diskutiert,<br />

wie sich diese Zusammenhänge<br />

auf die <strong>Diagnostik</strong> <strong>in</strong> den verschiedenen<br />

Gesundheitssektoren, aber <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong> auswirken.<br />

Diskussion<br />

In <strong>e<strong>in</strong>er</strong> großen epidemiologischen Studie<br />

von White et al. [15], die von Green<br />

et al. vierzig Jahre später wie<strong>der</strong>holt<br />

wurde [16], konnte zeitüberdauernd<br />

nachgewiesen werden, dass <strong>in</strong>nerhalb<br />

e<strong>in</strong>es Monats von 1000 Menschen <strong>in</strong>sgesamt<br />

750 über Beschwerden klagen,<br />

aber nur 250 Patienten e<strong>in</strong>en Arzt aufsuchen,<br />

9 <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Krankenhaus e<strong>in</strong>gewiesen<br />

werden und nur <strong>e<strong>in</strong>er</strong> <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>er</strong> Universitätskl<strong>in</strong>ik<br />

aufgenommen wird.<br />

Hierbei wird die Selektion deutlich, bei<br />

<strong>der</strong> die Vortestwahrsche<strong>in</strong>lichkeit von<br />

Erkrankungen von Hausarztpraxis via<br />

Facharzt bis zum Universitätskrankenhaus<br />

deutlich ansteigt. Aufgrund dieser<br />

Variation von Vortestwahrsche<strong>in</strong>lichkeiten<br />

verän<strong>der</strong>n sich die prädiktiven<br />

Werte von Tests <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Gesundheitssektoren. Das hausärztliche<br />

Arbeitsfeld entspricht dabei<br />

dem sogenannten Niedrigprävalenzbereich.<br />

Die Bedeutung <strong>der</strong> niedrigen Prävalenz<br />

für die Nachtestwahrsche<strong>in</strong>lichkeit PPV<br />

wurde bereits von Gerlach herausgearbeitet,<br />

jedoch wurden die Implikationen<br />

für den negativen Vorhersagewert<br />

(NPV) und das Risiko <strong>e<strong>in</strong>er</strong> Fehldiagnostik<br />

(FPPV und FNPV) dort nicht diskutiert<br />

[17]. Hier zeigen sich ebenfalls<br />

wichtige Zusammenhänge, denn als<br />

Folge dieser Niedrigprävalenz ist <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong> die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

hoch, dass e<strong>in</strong> Testnegativer auch<br />

tatsächlich gesund ist (NPV). Zugleich<br />

ist die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit ger<strong>in</strong>g, dass<br />

e<strong>in</strong> Kranker fälschlicherweise testnegativ<br />

ist (FNPV). Diese Sachverhalte ergeben<br />

sich im Niedrigprävalenzbereich relativ<br />

unabhängig von Sensitivität und<br />

Spezifität.<br />

Dafür besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, dass<br />

e<strong>in</strong> Testpositiver krank ist (PPV). Hier<br />

wird die Problematik von Screen<strong>in</strong>gverfahren<br />

offensichtlich. E<strong>in</strong> hochsensitiver<br />

Test ist hier nutzlos, wenn er nicht zudem<br />

e<strong>in</strong>e ausreichende Spezifität bietet.<br />

Denn nur über e<strong>in</strong>e hohe Spezifität<br />

ist e<strong>in</strong>e aussagefähige PPV zu erreichen.<br />

Außerdem besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> hohes Risiko, falsch<br />

positiv zu diagnostizieren (FPPV). Auch<br />

hier ist die Spezifität von höherer Bedeutung<br />

als die Sensitivität. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

muss auch bei hoher Spezifität e<strong>in</strong> vernünftiges<br />

Maß an Sensitivität erreicht<br />

werden – orientierend m<strong>in</strong>destens<br />

30–50%, je nach Höhe <strong>der</strong> Spezifität –<br />

damit e<strong>in</strong> Test s<strong>in</strong>nvoll bleibt [18].<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an die<br />

hausärztliche <strong>Diagnostik</strong><br />

Die prävalenzabhängige Variation <strong>der</strong><br />

Testgüte lässt die Schlussfolgerung zu,<br />

dass es aufgrund des epidemiologischen,<br />

unselektionierten Patientenklientels<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong> erheblich<br />

leichter ist, e<strong>in</strong>en Gesunden als<br />

gesund zu diagnostizieren als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik.<br />

Dort ist es e<strong>in</strong>facher, e<strong>in</strong>en Kranken<br />

als krank zu diagnostizieren, da durch<br />

die Filterung die Vortestwahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

deutlich höher ist. Bei gegebener<br />

Sensitivität und Spezifität e<strong>in</strong>es Tests<br />

s<strong>in</strong>d PPV und FNPV <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik höher,<br />

NPV und FPPV dagegen <strong>in</strong> <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong>ischen<br />

Praxis höher. Bezüglich<br />

<strong>der</strong> diagnostischen Tests sollte<br />

dementsprechend <strong>in</strong> <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auf die Spezifität<br />

geachtet werden, damit die PPV ausreichend<br />

hoch und die FPPV ger<strong>in</strong>g ist. Im<br />

Screen<strong>in</strong>g könnten NPV und FNPV<br />

kaum bee<strong>in</strong>flusst werden. E<strong>in</strong>schränkend<br />

muss angemerkt werden, dass<br />

sich dieser Zusammenhang nicht auf Situationen<br />

mit hoher Vortestwahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

bezieht. Beispielsweise<br />

ist bei Brustschmerzen die Vortestwahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

für e<strong>in</strong>en Herz<strong>in</strong>farkt bei<br />

e<strong>in</strong>em rauchenden Diabetiker erheblich<br />

höher als für e<strong>in</strong>en jungen Sportler. In<br />

ersterem Fall s<strong>in</strong>d selbstverständlich sofort<br />

hochsensitive Tests, wie die Bestimmung<br />

von TNT 3 , e<strong>in</strong>zuleiten, bzw. je<br />

nach Situation sollte gleich e<strong>in</strong> Krankentransport<br />

veranlasst werden. Im<br />

letzteren Fall ist am ehesten von e<strong>in</strong>em<br />

Trauma o<strong>der</strong> <strong>e<strong>in</strong>er</strong> Gelenksblockade<br />

auszugehen.<br />

Um die Nachtestwahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

(PPV) zu erhöhen und FPPV zu verm<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

ist es s<strong>in</strong>nvoll, Patienten im Vorfeld<br />

zu selektionieren, um die Vortestwahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

zu erhöhen. Dies geschieht<br />

durch e<strong>in</strong>e präzise Anamnese<br />

(Fragen an den Patienten als diagnostischer<br />

Test) und korrekte Interpretation<br />

kl<strong>in</strong>ischer Zeichen (körperliche Untersuchung<br />

als weiterer diagnostischer<br />

Test). Die kl<strong>in</strong>ische Erfahrung erlaubt<br />

hier e<strong>in</strong>e sukzessive Erhöhung <strong>der</strong> Vortestwahrsche<strong>in</strong>lichkeit.<br />

Diese wird auch<br />

dadurch erhöht, dass Hausärzte ihre<br />

Patienten meist schon längere Zeit kennen<br />

und <strong>der</strong>en Symptome und Befunde<br />

<strong>der</strong> körperlichen Untersuchung besser<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Verlauf e<strong>in</strong>ordnen können.<br />

Manchmal wird dies auch als „erlebte<br />

3<br />

TNT = Tropon<strong>in</strong> T, e<strong>in</strong> serologischer Marker, <strong>der</strong><br />

auch als Schnelltest das Vorliegen e<strong>in</strong>es Herz<strong>in</strong>farktes<br />

mit hoher Sicherheit anzeigt o<strong>der</strong> ausschließt<br />

(Sensitivität 91%, Spezifität 92%, 4 h<br />

nach Beschwerdebeg<strong>in</strong>n [19]).<br />

Z. ärztl. Fortbild. Qual. Gesundh.wes. (2006) 100; 121–127<br />

http://www.elsevier.de/zaefq<br />

ZaeFQ<br />

125

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