Schabernack - Kunst und Ko
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Reportage<br />
Kindergärten stellen sich vor<br />
108 Kindertagesstätten <strong>und</strong> zahlreiche Tagesmütter gibt es in Lübeck. Wir bringen<br />
Ihnen Ausgabe für Ausgabe die Besonderheiten <strong>und</strong> Vorzüge unterschiedlicher<br />
Träger anhand von ausgewählten Kindertagesstätten näher.<br />
KITA PFEIFENGRASwEG<br />
Im Stadtteil St. Gertrud befinden sich die zwei Lübecker Waldorf-Kindergärten:<br />
Die Kita am Pfeifengrasweg sowie der in der<br />
Dieselstraße gelegene Christophorus-Kindergarten. Besucht<br />
haben wir für diese Ausgabe die erstgenannte Einrichtung.<br />
Was unterscheidet eine Waldorfkita von anderen<br />
Einrichtungen? Da sind sicherlich verschiedene<br />
Punkte zu nennen. Der erste fällt<br />
schnell jedem Erwachsenen auf, der sich im<br />
weitläufigen Außenbereich der Kita bewegt.<br />
Nach weniger als einer Minute kommt das<br />
erste Kind auf mich zu <strong>und</strong> lädt mich neugierig<br />
zum gemeinsamen Spiel auf das hölzerne<br />
Stelzenhaus ein. Die vier Jungs <strong>und</strong> Mädchen<br />
spielen Baby <strong>und</strong> wollen aufgefordert werden<br />
zu schlafen, um gleich darauf wieder<br />
geweckt zu werden. Natürlich muss das alles<br />
im Foto festgehalten werden. (Nächste Seite)<br />
Nach wenigen Minuten folgen dann die<br />
Fragen danach, was man denn genau in der<br />
Kita wolle <strong>und</strong> wofür eigentlich die Kamera<br />
da sei, ob man sich die Fotos vielleicht ansehen<br />
könne <strong>und</strong> ob die Kinder nicht auch<br />
einmal ein Bild machen könnten – <strong>und</strong> zwar<br />
alle 70. Schüchtern, so scheint es, ist hier<br />
kaum jemand.<br />
In vier regulären Gruppen mit je 16 bis 21<br />
Kindern <strong>und</strong> einer „Weidengruppe“, die sich<br />
auf einem abgegrenzten Gartenstück überwiegend<br />
in Bauwagen <strong>und</strong> im Wald aufhält,<br />
werden hier etwa 70 Kinder betreut. Die<br />
ersten kommen schon um sieben Uhr. Den<br />
Vormittag verbringen die Kinder in ihren<br />
Gruppen. Dort befinden sich kleine Küchen,<br />
in denen sie auch das gemeinsame Frühstück<br />
vorbereiten. Das ist für alle Kinder gleich <strong>und</strong><br />
an jedem Tag der Woche verschieden. Am<br />
Montag etwa ist Reistag, am Donnerstag<br />
Roggentag, dann backen die Kinder sogar<br />
ihre eigenen Brötchen aus den Körnern, die<br />
sie zuvor in der Getreidemühle gemahlen<br />
haben. Am Freitag schließlich ist Hafertag<br />
<strong>und</strong> es wird Müsli gefrühstückt. So wie die<br />
Woche, ist auch der Tag in feste Abschnitte<br />
gegliedert. Es gibt den Singkreis am Morgen,<br />
feste Zeiten fürs Freispiel, die Aufräumzeit,<br />
Zeit für Eurythmie <strong>und</strong> Zeit um zu beten. Das<br />
Begreifen der Umwelt soll den Kindern so erleichtert<br />
werden. Sie sollen sich eigenständig<br />
in ihrem Alltag zurechtfinden <strong>und</strong> dazu gehören<br />
eben auch das Wissen <strong>und</strong> die Sicherheit,<br />
dass im Anschluss an den Hafertag das<br />
Wochenende folgt. Die Gliederung des Jahres<br />
folgt den christlichen Feiertagen.<br />
Die Räume der Kita selbst sind gemütlich, es<br />
10<br />
wurde viel Holz verarbeitet <strong>und</strong> es gibt auffällig<br />
wenig Spielzeug. Ein Mädchen präsentiert<br />
stolz einen selbst gefilzten, noch ganz feuchten<br />
braunen Schuh, der, wie ich sogleich erfahre,<br />
kein Schuh ist, sondern der <strong>Ko</strong>pf eines<br />
Steckenpferdes. Die Kinder haben im vergangenen<br />
Jahr die Wolle selbst geschoren, sie<br />
gewaschen <strong>und</strong> schließlich den Filz hergestellt.<br />
Auch das Holz für den Stecken haben<br />
sie allein abgesägt. Die Kinder sollen lernen,<br />
die Dinge zu hinterfragen, ihnen auf den<br />
Gr<strong>und</strong> zu gehen. Dies sei auch im restlichen<br />
Leben wichtig, meint einer der Kita-Leiter,<br />
Herr Krügel-Holst. Auch in den Waldorfschulen<br />
liegt der Fokus auf dem fachübergreifenden<br />
Verknüpfen von Informationen.<br />
Was man in den Räumen der Kindertagesstätte<br />
vergeblich sucht sind prallbunt gefüllte<br />
Spielzeugkisten. „Weniger Reizüberflutung“,<br />
meint Herr Krügel-Holst sei den Erziehern<br />
besonders wichtig. Die Kinder sollten weniger<br />
mit fertigem Spielzeug spielen, sondern<br />
mehr aus sich heraus, aus ihrer Fantasie<br />
schöpfen. Viele Kinder seien heute einfach<br />
schon so konsumübersättigt, dass ihnen<br />
jegliche Neugier verloren gegangen sei. Dies<br />
wirke sich später auch an der Schule negativ<br />
aus. Ein Lehrer sei schließlich auch kein Schimanski,<br />
der für permanente Hochspannung<br />
sorgen könne.